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Sie ist das parlamentarische Forum der Region um die Baltische See: die Ostseeparlamentarierkonferenz. Ab Sonntag, 24. August 2014, kommen die Delegierten nationaler und regionaler Parlamente aus den Anrainerstaaten zu ihrem jährlichen Treffen zusammen. Dieses Mal findet die dreitägige Konferenz in der polnischen Stadt Olsztyn statt. Welche Themen auf der Agenda stehen und warum die Zusammenarbeit der Parlamentarier zu einer Entspannung in der Ukraine-Krise beitragen kann, verrät Franz Thönnes (SPD) im Interview. Der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses leitet die fünfköpfige Bundestagsdelegation. Das Interview im Wortlaut:
Herr Thönnes, 2013 standen Konzepte für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum in der Ostseeregion im Mittelpunkt der Konferenz. Was wird diesmal das bestimmende Thema sein?
Einer der Schwerpunkte ist mit Sicherheit der Ausbau der Zusammenarbeit im kulturellen Bereich. Hier gilt es die kulturelle Vielfalt als Bereicherung und identitätsstiftendes Potenzial zu begreifen. Wir haben zum Beispiel in nahezu allen Ländern nationalen Minderheiten: im Hohen Norden die Samen oder andere Volksgruppen in den einzelnen Ländern. Außerdem wird es angesichts des demografischen Wandels, der überall rund um die Ostsee vor allem in ländlichen Regionen spürbar ist, darum gehen, die Kooperation im Gesundheits- und Sozialbereich zum Beispiel bei Fragen wie der Telemedizin zu vertiefen.
Ein zentrales Thema der Konferenz war in der Vergangenheit auch der Meeresschutz im Ostseegebiet.
Und bleibt es weiterhin! Jetzt ist vor allem wichtig, dass die Maßnahmen des Ostsee-Aktionsplans der Helsinki-Kommission zum Schutz der Ostsee (HELCOM), den die Anrainerstaaten 2007 verabschiedet haben, bis 2021 ohne Abstriche oder zeitliche Verschiebungen umgesetzt werden. Noch immer gibt die Belastung des Meeres insbesondere durch Nährstoffanreicherungen aus der Landwirtschaft oder Schiffabgase Anlass zur Sorge. Daher müssen die Verabredungen unbedingt eingehalten werden, auch wenn einzelne Interessengruppen wie die Reedereien bei den Schwefelabgaswerten versucht haben, Fristen zu verlängern.
Haben Sie darüber hinaus ein spezielles Anliegen, das Sie und die Bundestagsdelegation auf die Agenda bringen wollen?
Ja, wir werden uns für die dauerhafte Einrichtung eines Ostseejugendsekretariats einsetzen. Zwar gibt es bereits ein solches Sekretariat in Kiel, das unter dem Dach des Landesjugendrings Schleswig-Holstein den Austausch zwischen Jugendlichen in der Ostseeregion fördert. Doch derzeit muss es um seine Existenz bangen. Wir wollen erreichen, dass die Regierungen der Anrainerstaaten die Finanzierung des Ostseejugendsekretariats künftig gemeinsam tragen und so dessen Fortbestehen sichern. Ebenso unterstützen wir die Bildung eines Ostseejugendforums für den politischen Austausch.
Nicht auf der Tagesordnung steht das Thema Russland. Trotzdem wird es für Gesprächsstoff sorgen. Wie wirkt sich die Ukraine-Krise auf das Verhältnis zu den russischen Delegierten aus?
Wir haben mit der Ostseekonferenz eine regionale Kooperation, die sich seit über 20 Jahren bewährt hat. In erster Linie befassen wir uns mit Themen, die unsere Aufgaben betreffen. Aber natürlich – man kennt sich. Es wird nicht ausbleiben, dass sowohl im Plenum als auch am Rande über die Ukraine-Krise und das völkerrechtswidrige Verhalten Russlands gesprochen wird. Sicher wird auch die Frage gestellt werden, wie Russland es mit der Einhaltung der OSZE-Sicherheitsprinzipien hält, wie etwa der Sicherheit der territorialen Integrität von Staaten und der friedlichen Lösung von Konflikten. Das ist auch gut so, damit die Parlamentarier untereinander wissen, wie man „tickt“. Die Sachfragen und Resolutionen der Konferenz wird das aber nicht berühren.
Differenzen oder gar Sanktionen nach dem Vorbild des Europarats, der den russischen Abgeordneten im April das Stimmrecht entzogen hat, sind also nicht zu erwarten?
Differenzen sind in der Politik nichts Ungewöhnliches, erst recht nicht angesichts so einer Krise. Aber als regionales Forum der parlamentarischen Zusammenarbeit haben wir eine andere Aufgabe als der Europarat und konzentrieren uns auf die Herausforderungen in unserer Region.
Kann die Kooperation in Sachthemen vielleicht sogar zur Entspannung zwischen Russland und dem Westen beitragen?
Davon bin ich überzeugt. In der Vergangenheit hat die praktische Zusammenarbeit unter anderem im Ostseerat, im Baltic Sea Labour Forum oder auch in den Arbeitsgruppen der Ostseeparlamentarierkonferenz zu einer schrittweisen Vertiefung des Vertrauens und einer Öffnung seitens Russlands geführt. Gerade die russische Ostseeratspräsidentschaft 2012/2013 hat vieles konstruktiv vorangebracht. Diese Fortschritte dürfen jetzt nicht gefährdet werden – auch nicht durch Russland selbst. Es hängt von allen Beteiligten ab, das gewachsene, gute Fundament zu bewahren. (sas/19.08.2014)