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Ein Spitzenpolitiker in der Familie reicht. Findet Enas Halaiqah aus Jordanien, deren Vater Mohhamad Halaiqah einst stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Jordaniens war. Das Interesse an Politik teilt die 30-Jährige mit ihrem Vater gleichwohl. „Ich möchte aktiv an dem Prozess teilnehmen, die verschiedenen Länder zusammen- und zu einen friedlichen Miteinander zu führen“, sagt Enas Halaiqah. Aber: „Das möchte ich als Bürgerin tun, nicht unbedingt als Politikerin.“ Derzeit nimmt die Jordanierin am vierwöchigen Programm für arabische Staaten im Rahmen des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) des Bundestages teil. „Ich habe großen Respekt vor dem politischen System in Deutschland“, sagt die junge Frau aus Amman, die von 2004 bis 2006 in Fulda studiert hat. Angesichts der bisherigen und noch zu erwartenden Veränderungen in der arabischen Welt sei es gut, „wenn man von einem demokratischen politischen System wie dem deutschen lernen kann“.
Für diesen Lernerfolg nimmt die dreifache Mutter auch die temporäre Trennung von ihren Kindern in Kauf. Um den dreieinhalbjährigen Sohn und die 14 Monate alten Zwillinge kümmert sich derweil der Vater in Amman. „Ohne die Unterstützung meines Mannes ginge das gar nicht“, weiß sie.
Eine dreifache Mutter, die im Ausland studiert hat, Vollzeit arbeitet und sich politisch bildet - das entspricht nicht unbedingt dem Bild, das Europäer von arabischen Frauen haben. Enas Halaiqah sieht sich jedoch als nichts Besonderes. „In Jordanien gibt es viele wie mich“, sagt die Muslimin, die ein Kopftuch trägt, „weil ich es will“.
Eine starke Frau hat Enas Halaiqah auch als Chefin. Königin Rania al Abdulla von Jordanien nämlich, für deren Büro die 30-Jährige als Global Outreach Program Development Senior Officer arbeitet. Das klingt nicht nur gut – es ist auch spannend, sagt Enas Halaiqah. „Wir kümmern uns um alle Aktivitäten der Königin im Ausland. Ihre Reisen, die Zusammenarbeit mit verschiedenen internationalen Organisationen bei denen sie Mitglied ist und auch die Organisation von Konferenzen.“
Im Büro der Königin hat man wohl erkannt, dass so ein IPS-Aufenthalt in Berlin auch Vorteile für den Arbeitgeber bringen kann. Vier Wochen Urlaub musste Enas Halaiqah nicht beantragen. „Das Ganze wird als Trainee im Rahmen meiner Arbeit bewertet“, freut sie sich.
Königin Rania – im Ausland oft als Jet-Set-Star hofiert - werde zuhause eher kritisch gesehen, heißt es in deutschen Medien gelegentlich. Ein Eindruck, den Enas Halaiqah nicht teilt. „Wenn überhaupt, dann wurde kritisiert, dass sie sich während des Arabischen Frühlings in die Politik des Landes eingemischt habe“, sagt sie.
Viel Zuspruch hätten diese Kritiken jedoch nicht gefunden. Vielmehr sei die Königin im Lande sehr respektiert, „nicht nur, weil sie viel für Frauen macht“. Sie engagiere sich sehr für ein verbessertes Bildungssystem und auch in anderen Bereichen. „Wer nach Jordanien kommt, sieht, welche Erfolge ihr Engagement hat“, sagt Enas Halaiqah.
Stichwort Arabischer Frühling: Von Jordanien war in diesem Zusammenhang nicht viel zu hören. Existiert es dort etwa kein Reformbedarf? „Doch, den gibt es in jedem arabischen Land“ antwortet die Jordanierin. „Aber die Situation ist von Land zu Land verschieden“, fügt sie hinzu.
In Jordanien habe es während des Arabischen Frühlings auch viele Demonstrationen und Proteste gegeben. „Nicht aber mit der Forderung, das politische System zu ändern“, sagt sie und findet es gut, „dass der König schnell auf die Reformforderungen reagiert hat“.
Und dennoch, so sagt sie, gebe es in Jordanien viele Probleme. „Wir sind ein armes Land“. Ein armes Land, das zudem Ziel vieler Flüchtlinge aus der Region ist. Ob Palästinenser, Syrer oder Iraker – Jordanien galt und gilt für viele Verfolgte als sicherer Ort.
Für Enas Halaiqah sind die Flüchtlinge kein Problem. Zum einen erhalte Jordanien auch viel internationale Unterstützung zur Unterbringung der Flüchtenden. Zum andere sei die Integration leichter als anderswo. „Syrer und Iraker sprechen die gleiche Sprache wie wir. Wir sind uns also nicht wirklich fremd.“
Auch wenn Jordanien noch immer als ein sicheres Land gilt: Die Verschärfung des Gaza-Konfliktes und das Vordringen der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) betreffen Jordanien zumindest indirekt. Insbesondere die IS macht Enas Halaiqah große Sorgen. „Das ist eine Bedrohung für die gesamte arabische Welt“, sagt sie.
Die IS instrumentalisiere den Islam für ihre Terrorzwecke. „Wir sind von dieser Gruppe bedroht – genau wie andere Länder auch“, schätzt sie ein. Außerdem sorge IS dafür, dass erneut weltweit der Islam mit Terror in Verbindung gebracht werde. Zu Unrecht, wie die Jordanierin betont.
Gegen Vorurteile gegenüber dem Islam ist die Enas Halaiqah schon während ihres Studiums in Fulda aktiv geworden. Auch außerhalb der Hochschule versuchte sie, den Menschen in Hessen das Leben in Jordanien näher zu bringen. „Ich hatte an der Universität eine Sonderstellung als einzige Araberin und war so eine Art Aufklärerin über den Islam und vor allem über das Leben der Frauen im Islam“, erinnert sie sich.
Ihr Engagement wurde schließlich sogar prämiert. Die Hochschule Fulda verlieh Enas Halaiqah den DAAD-Preis (Deutscher Akademischer Austauschdienst) „für herausragende akademische Leistungen und soziales, gesellschaftliches oder hochschulpolitisches Engagement einer ausländischen Studentin“. (hau/08.09.2014)