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Eklat beim Untersuchungsausschuss, der den NSA-Spähskandal durchleuchten soll: Das Gremium brach am späten Donnerstagnachmittag, 16. Oktober 2014, aus Protest seine Sitzung ab, weil sich ein Zeuge auf seine Vernehmung mit Hilfe von Dokumenten vorbereiten konnte, die den Abgeordneten nicht vorlagen. Nach einer entsprechenden Kritik von Linken-Obfrau Martina Renner fasste der Ausschuss den Beschluss zum demonstrativen Abbruch seiner Zusammenkunft in interner Runde hinter verschlossenen Türen einstimmig. Das Bundestagsgremium monierte, dass eine ordnungsgemäße Beweisaufnahme mit Zeugenanhörungen wegen fehlender Akten nicht möglich sei. Die Fortsetzung der Befragung von zwei als Zeugen geladenen Vertretern des Bundesnachrichtendienstes (BND) soll nun Ende November stattfinden.
Vor dem Eklat hatte der BND-Mitarbeiter T. B. zu Beginn der Sitzung betont, dass von der vom BND in Bad Aibling betriebenen Satelliten-Abhörstation während seiner Zeit als Verantwortlicher der zuständigen Fachabteilung zwischen 2003 und 2007 in keinem einzigen Fall Daten über deutsche Bürger an den US-Geheimdienst NSA geflossen seien: „Wir haben immer das deutsche Recht beachtet.“
Mit diesen Worten wies der Zeuge Medienberichte über eine massenhafte Datenweitergabe zurück, wonach von dem bayerischen Horchposten Hunderte Millionen Verbindungsdaten an die NSA übermittelt worden seien. Er habe auch nie etwas davon gehört, fügte T. B. an, dass die NSA in den USA Daten aus Bad Aibling in großem Stil speichere.
Der BND-Vertreter war an dem Standort zwischen 2003 und 2007 für jene Abteilung zuständig, die bei der Auswertung riesiger ausländischer Datenströme etwa aus Afghanistan oder dem Nahen Osten auch Software-Programme der NSA wie etwa X-Keystore nutzt. In Bad Aibling kooperiert der BND mit Mitarbeitern des US-Geheimdiensts.
Keine näheren Angaben wollte der Zeuge in öffentlicher Sitzung zu Techniken wie etwa Filtersystemen machen, mit deren Hilfe an der Satelliten-Abhörstation Informationen über „Grundrechtsträger“, also über Deutsche, aus den riesigen Datenströmen automatisiert herausgefischt werden sollen, bevor die NSA Erkenntnisse des BND aus der Auslandsaufklärung nutzt.
Solche technischen Details gehörten zum „Methodenschutz“ des BND, sagte T. B. Auf eine entsprechende Frage des Ausschussvorsitzenden Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) erläuterte der BND-Vertreter, prinzipiell sei in Bad Aibling eine „Funktionskontrolle“ möglich, also eine Prüfung, ob das automatisierte Aussortieren der Daten von Bundesbürgern aus den Datenmengen im Einzelfall auch funktioniert. Solche Tests, so der Zeuge, stellten aber ebenfalls Eingriffe in die Daten von Grundrechtsträgern dar und müssten juristisch genau abgeklärt werden.
Laut T. B. fallen bei der Auswertung der enormen ausländischen Datenströme letztlich nur sehr wenige Meldungen von nachrichtlichem Wert an. Dies habe beispielsweise damit zu tun, dass in Afghanistan zahlreiche Sprachen gesprochen würden und die Übersetzung der Inhalte von Telefonaten deshalb schwierig sein könne.
Der Untersuchungsausschuss soll auch erhellen, ob und wie hiesige Geheimdienste in den Skandal um die massenhafte Ausspähung der Telekommunikationsdaten von Millionen Deutschen durch die NSA und andere ausländische Nachrichtendienste verwickelt sind. Dem BND ist es untersagt, Daten über hiesige Unternehmen und Bürger, an die er im Rahmen seiner Aufklärungsarbeit als „Beifang“ gelangt, ausländischen Partnern zu überlassen.
Die Abgeordneten wollen herausfinden, ob in Bad Aibling tatsächlich keine Informationen über „Grundrechtsträger“ an die NSA übermittelt werden und ob dies durch den Einsatz entsprechender Datenfilter gewährleistet werden kann. (kos/16.10.2014)