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Nobelpreisträger: "Es geht um die Köpfe"

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/- 17.06.2015

Berlin: (hib/HAU) Der Nobelpreisträger für Chemie 2014 und Direktor des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie Göttingen, Professor Stefan Hell, fordert mehr Flexibilität in der Wissenschaftsförderung um „jungen Wilden“ eine Chance zu geben. In der Sitzung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwoch plädierte Hell für einen Kompromiss zwischen dem Anspruch auf Planungssicherheit für Forscher und einer dringend benötigten Flexibilität.

Der Physiker, der den Nobelpreis für das von ihm entwickelte Verfahren zur Mikroskopie erhielt, mit dem kleinste Strukturen in lebenden Zellen sichtbar gemacht werden können, verwies auf seine eigene Entwicklung. So habe er viele Umwege gehen müssen, weil in den 1990-Jahren in der deutschen Wissenschaftslandschaft kaum Stellen für junge Forscher zur Verfügung gestanden hätten, da diese zumeist unbefristet besetzt gewesen seien. Anderseits habe es ihm auch viel Energie geraubt, „von Stipendium zu Stipendium hangeln zu müssen“. Erst als er eine auf fünf Jahre befristete Stelle am Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie Göttingen erhalten habe, sei es ihm gelungen, nachzuweisen, dass das bis dahin bekannte Auflösungslimit für Lichtmikroskope zu umgehen sei.

Hell forderte die Abgeordneten auf „in Köpfe zu investieren“. Es seien die Köpfe, die in der Wissenschaft den Unterschied ausmachen würden, nicht die Laborausstattungen. Die Forschungs-Infrastruktur sei in Deutschland hervorragend. „Was wir im Max-Planck Institut bieten, kann die Harvard-Universität partiell nicht zur Verfügung stellen“, sagte er. Es gehe nun darum, dafür zu sorgen, „dass die fähigsten Leute diese Struktur auch nutzen können“. Sie benötigten eine angemessene Frist, um Risiken eingehen zu können. In Göttingen, so Hell, biete man den jungen Wissenschaftlern auf mindestens fünf Jahre befristete Verträge an. Zementieren dürfe man in der Forschung aber nichts. Stattdessen benötige man für den Fall, dass die Forschung nicht das erhoffte Ergebnis gezeigt hat, einen „ehrbaren Abbruch“. Die Politik könne helfen dafür zu sorgen, dass denjenigen, die nicht die ganz großen Entdeckungen schaffen, aber dennoch wichtige „Know-how-Träger“ seien, leichter eigene Unternehmungen ausgründen oder ihren Weg in die Wirtschaft finden können. In keinem Falle dürfe in solchen Fällen von „gescheiterten Existenzen“ geredet werden, befand er.

Was die Exzellenzinitiative der Bundesregierung angeht, so sagte Hell, aus seiner Sicht sind Exzellenzforscher jene, die fundamentale Entdeckungen machen. „Das sind eher wenig Leute die früh identifiziert und gefördert werden müssen“, sagte er. Das sei im Übrigen auch von hoher Bedeutung für die Wirtschaft, die der Nobelpreisträger als „zunehmend wissenschaftsgetrieben“ bezeichnete. Angesichts fundamentaler Entdeckungen in vielen Bereichen, müssten ganze Wirtschaftszweige um ihre Existenz fürchten, wenn sie sich den wissenschaftlichen Entwicklungen verweigerten, prognostizierte Hell.