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Koalition nimmt Polizei in der Opferdebatte in Schutz


Ausländische Opfer rassistischer oder „vorurteilsmotivierter Gewalt“ sollen nach dem Willen der Fraktion Die Linke in Deutschland „ein unbedingtes Bleiberecht“ erhalten. Dies wäre ein „deutliches Signal des deutschen Gesetzgebers, dass die Gesellschaft sich dem Anliegen der rechtsextremen Täter entgegenstellt, die Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit durch Gewaltanwendung einschüchtern und aus dem Land vertreiben wollen“, heißt es in einem Gesetzentwurf der Fraktion (18/2492), über den der Bundestag am Freitag, 19. Juni 2015, in erster Lesung debattierte. Zu der Aussprache lagen den Abgeordneten zugleich zwei Anträge der Linksfraktion zur Einrichtung einer „unabhängige Polizeibeschwerdestelle auf Bundesebene“ (18/4450) und zur Verstetigung und finanziellen Absicherung der Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus (18/2493) vor.

Linke: Opfer brauchen Solidarität und Sicherheit

In der Aussprache wertete für Die Linke ihre Parlamentarierin Petra Pau die drei Vorlagen als „Lehren aus dem NSU-Desaster“. Rechtsextreme Gewalt insbesondere gegen Migranten nehme in Deutschland zu. Die Opfer brauchten Solidarität und Sicherheit. Deshalb sollten sie einen Aufenthaltsstatus erhalten, sofern sie noch keinen haben oder nur geduldet sind.

Zur Forderung nach einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle sagte Pau, bei den Ermittlungen zum NSU-Komplex seien die Opfer und Hinterbliebenen als Täter verdächtigt worden, ohne dass ihre Einwände ernst genommen worden seien. „Es gab für sie einfach keinen Ansprechpartner“, betonte Pau. Dies könne so nicht bleiben. Auch wäre eine unabhängige Beschwerdestelle ein Angebot an Polizisten, wenn sie Unzulänglichkeiten im Dienst wahrnehmen und ihre Vorgesetzten nicht als unvoreingenommene Partner sehen.

CDU/CSU gegen Privilegierung einer Opfergruppe

Der CDU-Abgeordnete Günter Baumann kritisierte, der Forderung nach der Polizeibeschwerdestelle liege ein „generelles Misstrauen gegen unsere Polizei zugrunde“. Das trage seine Fraktion nicht mit und wolle einen derartigen  „Generalverdacht gegen die Polizei“ so nicht stehen lassen. 

Baumann wandte sich zugleich auch gegen den Gesetzentwurf der Linken. Er verwies darauf, dass es neben „rechter Gewalt“  auch „linke Gewalt“ gebe. Eine Sonderregelung für eine Opfergruppe wäre eine „Privilegierung“, die seine Fraktion  absolut ablehne.

Grüne: Völlig autonome Stelle notwendig

Die Grünen-Parlamentarierin Irene Mihalic warb für die Benennung eines unabhängigen Polizeibeauftragten. Ihre Fraktion habe bereits eine solche Stelle beantragt, doch habe die Koalition dieser Forderung stets die kalte Schulter gezeigt.

Einem Polizeibeauftragten beim Bundestag könnten Bürger und Beamte auf Wunsch anonym Hinweise geben, so dass sie nicht befürchten müssten, von Kollegen als Nestbeschmutzer „diffamiert zu werden“. Notwendig sei eine „völlig autonome Stelle, am besten hier beim Parlament“.

SPD: Polizei nicht strukturell rassistisch

Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Gunkel betonte, die Polizei sei nicht „strukturell rassistisch“. Generell könne er aber für die Schaffung eines Polizeibeauftragten „eine gewisse Sympathie nicht verhehlen“. Gunkel kritisierte zugleich, Die Linke wolle eine unabhängige Beschwerdestelle, die die vollen Befugnisse einer Staatsanwaltschaft erhalten solle. Dies stoße an rechtsstaatliche Grenzen. 

Gunkels Fraktionskollege Prof. Dr. Lars Castellucci nannte es eine „charmante Idee“, Opfern rechter Gewalt automatisch ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu gewähren. Zu einem Gesetzentwurf reiche dies indes nicht. Notwendig sei, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen und präventiv zu arbeiten. (sto/19.06.2015)