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Roland Pofalla  als Zeuge im NSA-Ausschuss

Wer wusste was im Kanzleramt über die Kooperation zwischen dem Bundesnachrichtendienst (BND) und der amerikanischen National Security Agency (NSA)? In seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause setzt der 1. Untersuchungsausschuss („NSA“)  die Ermittlungen zu dieser Frage fort. Als Zeugen geladen sind am Donnerstag, 2. Juli 2015, der ehemalige Amtschef Ronald Pofalla und der derzeitige Geheimdienstkoordinator Günter Heiß. Die öffentliche Sitzung beginnt um 10 Uhr im Europasaal 4.900 des Paul-Löbe-Hauses in Berlin. Der Ausschuss unter Vorsitz von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) untersucht seit dem Frühjahr 2014 die Ausforschungspraktiken amerikanischer und britischer Geheimdienste in Deutschland.

Chef des Kanzleramtes

Pofalla, mittlerweile seit Anfang dieses Jahres Bahnlobbyist, war zur Zeit der schwarz-gelben Koalition zwischen Oktober 2009 und Dezember 2013 Chef des Kanzleramtes. In seine Dienstzeit fallen die Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über angebliche massenhafte Schnüffelaktivitäten des US-Dienstes in Deutschland.

In die Geschichte der NSA-Affäre ging Pofalla mit einem denkwürdigen Auftritt nach einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums am 12. August 2013 ein, als er die Angelegenheit verfrüht für beendet erklärte und zugleich im Brustton der Überzeugung ein deutsch-amerikanisches Abkommen über gegenseitigen Spionageverzicht ankündigte.

„Keine millionenfache Grundrechtsverletzung“

„Es gibt in Deutschland keine millionenfache Grundrechtsverletzung“, hatte Pofalla damals gesagt. Der Vorwurf der massenhaften Ausspähung sei „vom Tisch“, nachdem sowohl der amerikanische als auch britische Geheindienst der Bundesregierung schriftlich versichert hatten, sich in Deutschland an Recht und Gesetz zu halten. Zwei Monate später sah sich Pofalla widerlegt, als durch weitere Enthüllungen Snowdens bekannt wurde, dass die NSA vermutlich sogar das Handy der Kanzlerin abgehört hatte. Auch aus einem „No-Spy-Abkommen“ mit den USA, das Pofalla damals der deutschen Öffentlichkeit versprochen hatte, ist später nichts geworden.

Nicht zuletzt zu diesem Thema werden vor allem Abgeordnete der Opposition, aber auch der SPD wohl Fragen an den Zeugen haben. Im Mai dieses Jahres wurde ein Mailverkehr zwischen Kanzleramt und Weißem Haus öffentlich, aus dem hervorzugehen schien, dass der Bundesregierung die Aussichtslosigkeit der Bemühungen um ein „No-Spy-Abkommen“ frühzeitig bewusst gewesen sein muss. Die US-Administration sei zu keinem Zeitpunkt dafür zu haben gewesen. Der Vorwurf wurde laut, Pofalla habe das Thema wider besseres Wissen „aufgeplustert“, um im damaligen Bundestagswahlkampf Punkte zu machen.

Über gegenseitigen Spionageverzicht verhandelt

In der vorigen Sitzungswoche hatten BND-Chef Gerhard Schindler und der für Geheimdienste im Kanzleramt zuständige Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche dem Ausschuss übereinstimmend berichtet, dass sie die Aussicht auf ein solches Abkommen zunächst außerordentlich optimistisch beurteilt hatten. Die Idee ging auf eine Begegnung führender amerikanischer und deutscher Geheimdienstler in Washington am 5. August 2013 zurück.

Zur freudigen Überraschung der Deutschen hätten die Amerikaner von sich aus angeboten, einen gegenseitigen Spionageverzicht zu vereinbaren. Auf Geheimdienstebene sei darüber mehrere Wochen konstruktiv verhandelt worden. Die Gespräche seien erst ins Stocken geraten, als die politische Ebene sich einschaltete. Schindler datierte den Umschwung in den November 2013, Fritsche in den Januar 2014.

Geheimdienstkoordinator Günter Heiß

Der zweite Zeuge am nächsten Donnerstag, Günter Heiß, ist seit Anfang 2010 Leiter der Abteilung 6 im Kanzleramt und damit zuständig für die Fach- und Rechtsaufsicht über den Bundesnachrichtendienst und die Koordinierung der Geheimdienste des Bundes. Zuvor war er drei Jahre lang Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes. Von ihm erhoffen die Abgeordneten sich unter anderem Aufschluss über eine Episode, die sich Anfang September 2011 zugetragen hat. Damals enthob Kanzleramtschef Pofalla den Leiter der für die Dienst- und Fachaufsicht über den BND zuständigen Gruppe 62 Hans-Josef Vorbeck ohne Angabe von Gründen  seines Postens und wies ihm eine neue Aufgabe als Betreuer des BND-Archivs zu.

Medienberichten zufolge soll Pofalla Warnungen der CIA erhalten haben, Vorbeck habe Journalisten vertrauliche Informationen zugesteckt. Auch dem Ausschuss liegen Hinweise vor, dass Geheimdienstkoordinator Heiß ein entsprechendes Dossier des US-Dienstes erhalten habe. Wenn das zutrifft, stellt sich die Frage, woher die Amerikaner ihre Erkenntnisse hatten – wenn nicht aus der Überwachung sei es des Kanzleramtes, sei es der Hauptstadtredaktionen deutscher Medien. Bei seiner Vernehmung durch den Ausschuss am 11. Juni hatte Vorbeck erklärt, der Grund seiner Abberufung sei ihm bis heute unbekannt. (wid/23.06.2015)

Zeit: Donnerstag, 2. Juli 2015, 10 Uhr
Ort:  Berlin, Paul-Löbe-Haus, Europasaal 4.900

Interessierte Besucher können sich im Sekretariat des Untersuchungsausschusses bis Mittwoch, 1. Juli, 15 Uhr unter Angabe des vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums und Geburtsorts anmelden (E-Mail: 1.untersuchungsausschuss@bundestag.de, Fax: 030/227-30084). Zum Einlass muss ein Pesonaldokument mitgebracht werden.

Bild- und Tonberichterstatter können sich beim Pressereferat (Telefon: 030/227-32929 oder 32924) anmelden.

Liste der geladenen Zeugen

Günter Heiß, Ministerialdirektor
Ronald Pofalla, Bundesminister a.D.