Plenarprotokoll 18/42 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 42. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 25. Juni 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt II: (Fortsetzung) II.9 Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Drucksachen 18/1023, 18/1024 3683 B Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) 3683 C Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin 3691 A Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3697 B Thomas Oppermann (SPD) 3701 C Volker Kauder (CDU/CSU) 3705 B Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) 3707 D Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) 3708 C Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) 3711 B Bettina Hagedorn (SPD) 3713 C Sven Morlok, Staatsminister (Sachsen) 3715 C Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) 3716 C Martin Dörmann (SPD) 3717 C Marco Wanderwitz (CDU/CSU) 3718 C Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 3719 C Hiltrud Lotze (SPD) 3720 B Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3721 B Rüdiger Kruse (CDU/CSU) 3722 C Annette Schavan (CDU/CSU) 3723 C Namentliche Abstimmung 3725 C Ergebnis 3727 D Tagesordnungspunkt III: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013 Drucksachen 18/1416, 18/1811 3725 C – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/1812 3725 C Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) 3725 D Christine Buchholz (DIE LINKE) 3726 D Henning Otte (CDU/CSU) 3727 C Christine Buchholz (DIE LINKE) 3727 D Wolfgang Hellmich (SPD) 3730 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3731 C Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) 3732 B Namentliche Abstimmung 3733 B Ergebnis 3734 D Tagesordnungspunkt IV: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 2115 (2013) vom 29. August 2013 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Drucksachen 18/1417, 18/1813 3733 C – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/1814 3733 C Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) 3733 D Katrin Kunert (DIE LINKE) 3737 A Dr. Rolf Mützenich (SPD) 3738 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3739 C Julia Bartz (CDU/CSU) 3740 C Namentliche Abstimmung 3741 B Ergebnis 3745 D Tagesordnungspunkt II: (Fortsetzung) II.10 Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Soziales Drucksachen 18/1011, 18/1023 3741 C Klaus Ernst (DIE LINKE) 3741 C Andrea Nahles, Bundesministerin BMAS 3743 A Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3745 C Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 3748 A Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) 3749 D Ewald Schurer (SPD) 3752 A Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) 3753 C Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) 3755 A Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3756 D Ralf Kapschack (SPD) 3757 D Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU) 3758 D Katja Mast (SPD) 3760 C Mark Helfrich (CDU/CSU) 3761 D II.12 Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaft-liche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksachen 18/1019, 18/1023 3763 D Niema Movassat (DIE LINKE) 3764 A Volkmar Klein (CDU/CSU) 3765 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3767 B Volkmar Klein (CDU/CSU) 3767 D Dr. Bärbel Kofler (SPD) 3769 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3769 C Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) 3771 B Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3773 C Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) 3773 D Michael Leutert (DIE LINKE) 3774 A Axel Schäfer (Bochum) (SPD) 3775 A Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3776 C Charles M. Huber (CDU/CSU) 3777 C Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) 3778 C Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3778 D Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) 3779 A Sonja Steffen (SPD) 3780 D Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3782 D Dr. Georg Kippels (CDU/CSU) 3783 A Tobias Zech (CDU/CSU) 3784 C Namentliche Abstimmung 3786 C Ergebnis 3786 C II.11 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Drucksachen 18/1023, 18/1024 3789 A Christine Buchholz (DIE LINKE) 3789 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) 3790 C Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3792 C Karin Evers-Meyer (SPD) 3794 B Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg 3795 C Michael Leutert (DIE LINKE) 3798 B Rainer Arnold (SPD) 3799 C Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3801 C Henning Otte (CDU/CSU) 3802 B Heidtrud Henn (SPD) 3804 B Ingo Gädechens (CDU/CSU) 3805 B Dr. Fritz Felgentreu (SPD) 3806 A Michaela Noll (CDU/CSU) 3806 D II.13 Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Drucksachen 18/1005, 18/1023 3807 D Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) 3808 A Manfred Grund (CDU/CSU) 3809 C Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3810 A Doris Barnett (SPD) 3811 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3812 D Alois Karl (CDU/CSU) 3814 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 3816 D Michael Leutert (DIE LINKE) 3819 B Philipp Mißfelder (CDU/CSU) 3820 B Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 3821 D Norbert Spinrath (SPD) 3822 D Erika Steinbach (CDU/CSU) 3824 A Michael Stübgen (CDU/CSU) 3825 A Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU) 3826 C Nächste Sitzung 3827 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3829 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Bärbel Bas, Heike Baehrens, Dr. Karl-Heinz Brunner, Dr. Lars Castellucci, Elvira Drobinski-Weiß, Michaela Engelmeier-Heite, Saskia Esken, Dr. Johannes Fechner, Martin Gerster, Michael Groß, Bettina Hagedorn, Ralf Kapschack, Cansel Kiziltepe, Hilde Mattheis, Klaus Mindrup, Ulli Nissen, Dr. Simone Raatz, Stefan Rebmann, Andreas Rimkus, Dr. Martin Rosemann, Dr. Ernst-Dieter Rossmann, Johann Saathoff, Dr. Dorothee Schlegel, Svenja Stadler, Sonja Steffen, Gabi Weber, Gülistan Yüksel (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Sven-Christian Kindler, Ekin Deligöz, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Peter Meiwald, Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Dr. Franziska Brantner, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 18/1847) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) – hier: Einzelplan 23 – Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Tagesordnungspunkt II.12.) 3829 D 42. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 25. Juni 2014 Beginn: 9.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich. Wir setzen unsere Haushaltsberatungen – Tagesordnungspunkt II – fort: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksachen 18/700, 18/702 b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksachen 17/14301, 18/1026 Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt II.9 auf: Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt Drucksachen 18/1023, 18/1024 Berichterstatter sind die Abgeordneten Rüdiger Kruse, Bernhard Schulte-Drüggelte, Johannes Kahrs, Gesine Lötzsch, Tobias Lindner und Anja Hajduk. Über den Einzelplan 04 werden wir später namentlich abstimmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Des Weiteren hat die Fraktion Die Linke einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zu diesem Einzeletat 224 Minuten vorgesehen. Da wir das vermutlich gleich beschließen werden, verbinde ich es mit dem Hinweis, dass es schön wäre, wenn wir uns an diese getroffene Beschlussfassung hielten, weil dies wiederum Folgen für den weiteren Ablauf der Plenarberatungen am Nachmittag und Abend hat. Sind Sie mit dieser Vereinbarung einverstanden? – Das ist offenkundig der Fall. Dann haben wir das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Einen schönen guten Morgen! Lieber Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn etwas zum Haushalt sagen. (Heiterkeit – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Zum Haushalt! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Respekt!) – Sie wissen doch, dass allgemein über Politik geredet und damit abgerechnet wird; das ist ja auch unser gutes Recht. Aber zum Haushalt muss ich Ihnen Folgendes sagen: Bisher, Herr Bundesfinanzminister, galten Sie als jemand, der immer versucht, die Zahlen einigermaßen seriös herüberzubringen. (Johannes Kahrs [SPD]: Macht er auch!) – Nein. – Diesmal sind Sie einen anderen Weg gegangen. Sie hatten vorab verkündet, dass die Neuverschuldung in diesem Jahr 6,5 Milliarden Euro betragen wird. Sie hatten vorab auch verkündet, dass es im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt geben wird. Jetzt richten Sie Ihre ganze Politik nur danach, der Presse nicht eingestehen zu müssen, dass Sie sich geirrt haben. Ich nenne Ihnen zwei Beispiele: Erstens haben Sie entgegen der Empfehlung des Sachverständigenrates die Steuereinnahmen einfach um 1,5 Milliarden Euro erhöht, nur um bei einer Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro zu bleiben. Entgegen allen Aussagen haben Sie die Schuldenbelastung einfach um 1,2 Milliarden Euro gesenkt. Zweitens machen Sie, um nächstes Jahr zu einem Ausgleichshaushalt zu kommen, zwei Dinge: Zum einen verschieben Sie die Kindergelderhöhung und sagen: Das können wir uns jetzt nicht leisten, da ich sonst keinen ausgeglichenen Haushalt kriege; das muss verschoben werden. – Zum anderen verschieben Sie die Abschaffung der kalten Progression. Ich will den Leuten einmal erklären, was kalte Progression bedeutet: Das heißt, dass sie bei einer Lohnerhöhung brutto vielleicht 3 Prozent mehr, aber netto nur 0,5 Prozent mehr haben. Diese sogenannte kalte Progression sollte beseitigt werden. Das lassen Sie aber ausfallen. Sie reduzieren außerdem die öffentlichen Investitionen, die in diesem Jahr nur 29,8 Milliarden Euro betragen, im nächsten Jahr auf 24,7 Milliarden Euro. Wissen Sie, was das bedeutet? Das bedeutet, dass Straßen, Brücken, Schienen, Schulen, Schwimmbäder, Kultureinrichtungen und IT-Netze dort marode bleiben, wo sie jetzt marode sind, da die Mittel, die wir dringend für Investitionen benötigen, fehlen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt nicht!) Bei der Krankenversicherung, Herr Schäuble, kürzen Sie die Zuschüsse in beiden Jahren um 6 Milliarden Euro. Was das Ergebnis ist, können wir uns alle ausrechnen. Sie haben – zusammen mit der SPD – nämlich die neue Regelung geschaffen, dass künftig nur noch die Beiträge der Versicherten erhöht werden können, nicht mehr aber die Beiträge der Unternehmen. Sie heben die paritätische Finanzierung auf. Die Krankenkassen haben schon jetzt angekündigt, dass sie die Beiträge für die Versicherten erhöhen werden. Das ist das Ergebnis. Und das machen Sie alles mit, Herr Gabriel? Das machen Sie mit, Herr Oppermann? Stattdessen sollten Sie Herrn Schäuble sagen: Dann musst du dich eben korrigieren und erklären, dass du etwas Falsches gesagt hast. – (Beifall bei der LINKEN) Nein, Sie stimmen den Regelungen einfach zu. Ich finde, Frau Bundeskanzlerin, auch Sie dürften das nicht zulassen. Ich will es mir heute ersparen, etwas zum Affentheater bei der EEG-Umlage zu sagen. Was Sie uns da geboten haben! 200 Seiten an Änderungsanträgen innerhalb von zwei Stunden lesen zu müssen, ist abenteuerlich. Aber darüber werden wir uns ein andermal unterhalten. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie mich etwas zur Rente sagen. Jetzt haben wir einen Fortschritt bei der Rente erzielt. Immerhin haben Sie festgelegt, dass jemand mit 45 Beitragsjahren zwei Jahre früher in Rente gehen kann als andere. Aber Sie ändern doch an der grundsätzlich falschen Entscheidung nichts, die demografische Entwicklung zur Grundlage zu machen. Ihre Aussage, die Aussage aller Parteien außer unserer, lautet: Da die Gesellschaft immer älter wird, muss man immer länger arbeiten und immer später seine Rente beziehen. – Glauben Sie wirklich, dass das eine Lösung ist? Könnte es nicht sein, dass wir unseren Beruf mit dem Beruf anderer verwechseln? Vielleicht kann man mit 90 Jahren noch im Bundestag herumdödeln, ohne dass das einer merkt. (Johannes Kahrs [SPD]: Der Einzige, der hier herumdödelt, sind Sie! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Was ist das für eine Ausdrucksweise! Mein Gott noch mal!) Aber man kann mit 90 Jahren kein Dach mehr decken. Das müssen Sie endlich begreifen. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage Ihnen Folgendes: Wir hatten einmal eine andere Bundesrepublik Deutschland. Da war die Produktivitätsentwicklung der entscheidende Faktor. So, wie sich die Produktivität entwickelte, entwickelten sich auch die Löhne, und so, wie sich die Löhne entwickelten, entwickelte sich auch die Rente. Das führte zu einer Rente, die die Funktion hatte, dass man den Lebensstandard, den man sich im Erwerbsleben erarbeitet hat, aufrechterhalten und fortsetzen konnte. Davon sind wir inzwischen deutlich entfernt. (Beifall bei der LINKEN) Was müssen wir tun? Wir müssen die alte Rentenformel wieder einführen. Dann werden Sie fragen: Wie sollen wir das bezahlen? – Ganz einfach dadurch, dass wir erstens der neuen Generation sagen: Alle mit Erwerbseinkommen müssen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, auch Bundestagsabgeordnete, auch Beamtinnen und Beamte, auch Rechtsanwälte. Alle müssen einzahlen. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Die haben dann doch auch Ansprüche!) – Ja, ich wusste, dass das Argument kommt, dass diese Menschen dann auch Ansprüche haben werden. (Johannes Kahrs [SPD]: Sehen Sie! Lernfähig!) – Es geht ja noch weiter. – Zweitens müssen wir die Beitragsbemessungsgrenzen abschaffen, die willkürlich sind. Wer 14 Millionen Euro verdient, muss dann eben seinen Beitrag für dieses Einkommen zahlen. (Johannes Kahrs [SPD]: Dann reden Sie mal mit dem Verfassungsgericht! Das ist doch Unfug! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann wird es ja noch mehr!) – Ja, passen Sie auf. (Johannes Kahrs [SPD]: Keine Ahnung von der Sache!) – Warum warten Sie denn nicht ab? Sie können nicht einmal zuhören; das ist doch das Mindeste. – Jetzt kommt mein dritter Vorschlag: Die Rentenerhöhung für die Spitzenverdiener wird abgeflacht. Das erlaubt das Bundesverfassungsgericht. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So einfach ist die Welt nicht!) Dann brauchen wir über Altersarmut überhaupt nicht mehr zu reden, weil alles bezahlt werden könnte. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch grober Unfug!) Eine Große Koalition müsste doch zu einer solch großen Reform fähig sein. Aber all das können wir vergessen; das findet nicht statt. (Johannes Kahrs [SPD]: Das Wort „herumdödeln“ bekommt eine ganz neue Bedeutung!) Jetzt sage ich Ihnen noch etwas. Im 24. Jahr der deutschen Einheit immer noch nicht die gleiche Rente für die gleiche Lebensleistung in Ost und West zu zahlen, ist ein Skandal! Ich hatte gehofft, dass Sie wenigstens das überwinden. (Beifall bei der LINKEN) Nun sage ich etwas zur Mütterrente. (Johannes Kahrs [SPD]: Hoffentlich auf der Sachebene! – Gegenruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nun ist doch mal gut, Mensch!) Da habe ich drei Fragen: an Sie, Frau Bundeskanzlerin, an Ihren Vizekanzler, Herrn Gabriel, und auch an Sie, Herr Fraktionsvorsitzender Kauder. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na dann mal los!) Meine erste Frage. Warum bekommt man für ein Kind, das vor 1992 geboren wurde, nach wie vor einen geringeren Rentenzuschlag als für ein Kind, das ab 1992 geboren wurde? War es wirklich so viel leichter, Kinder vor 1992 aufzuziehen als danach? Erklären Sie das bitte der Bevölkerung. Ich verstehe das nicht. (Beifall bei der LINKEN) Meine zweite Frage. Warum ist ein Ostkind für Sie im 24. Jahr der deutschen Einheit immer noch weniger wert als ein Westkind? Erklären Sie mir das. (Beifall bei der LINKEN) Meine dritte Frage. Da die Mütterrente aus den Beiträgen zur Rentenversicherung bezahlt wird, bedeutet das doch Folgendes: Die Lidl-Kassiererin zahlt Beiträge zur Rentenversicherung und mithin auch die Mütterrente. Dem Bäckermeister entstehen Lohnnebenkosten, auch er zahlt Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung und damit auch die Mütterrente. Es gibt aber ein Problem: Sie, Frau Bundeskanzlerin, Sie, Herr Gabriel, Sie, Herr Kauder, und ich zahlen die Mütterrente nicht. Denn wir dürfen gar keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen. (Christine Lambrecht [SPD]: Steuerzuschuss!) – Es gibt aber keinen erhöhten Steuerzuschuss. Sie erhöhen die Mütterrente ohne einen erhöhten Steuerzuschuss. Ich komme gleich darauf zurück. Kinder, die man zur Welt bringt, ändern an den Beiträgen gar nichts. Diese Kinder sind eine Leistung für die Familie und die Gesellschaft. Wenn die Mütterrente steuerfinanziert wäre, dann müssten wir vier – also die Bundeskanzlerin, Herr Kauder, Herr Gabriel und ich – deutlich mehr für die Mütterrente zahlen als die Lidl-Kassiererin. Das wäre gerecht. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie aber sorgen dafür, dass sie nur von der Lidl-Kassiererin und dem Bäckermeister bezahlt wird und nicht von uns. Deshalb lade ich Sie ein, Herr Gabriel und Herr Kauder: Wir besuchen zu dritt eine Lidl-Kassiererin, und dann erklären Sie ihr, warum sie die Mütterrente bezahlen muss und wir drei nicht. Ich kann es ihr nicht erklären. Ich höre Ihnen aber gerne zu, wenn Sie es erklären. Ich sage Ihnen: Das ist grob ungerecht. Hören Sie damit auf! Diese versicherungsfremden Leistungen dürfen durch nichts anderes als Steuern finanziert werden. Dafür müssen wir endlich sorgen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Gysi, warum nicht zum Aldi? Muss es Lidl sein?) – Ich freue mich, dass Sie sich aufregen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Überhaupt nicht!) Also scheine ich ins Schwarze zu treffen. Jetzt komme ich zum Mindestlohn. Er soll flächendeckend und gesetzlich festgelegt sein. (Johannes Kahrs [SPD]: Genau!) Ich sage Ihnen ganz klar: Es wird höchste Zeit, dass er kommt. Ich begrüße das. Unsere Partei hat dafür schon zu einer Zeit gekämpft, als alle anderen Parteien noch dagegen waren. (Johannes Kahrs [SPD]: Auch das ist grober Unfug!) Ich freue mich, dass wir es jetzt endlich erleben, dass in Deutschland eine Art flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird. (Beifall bei der LINKEN) Aber, liebe SPD, liebe Grüne, lieber DGB, 8,50 Euro habt ihr schon vor Jahren als Mindestlohn gefordert. Ist euch gar nicht aufgefallen, dass das Leben inzwischen etwas teurer geworden ist und man die Höhe des Mindestlohns vielleicht anpassen müsste? (Johannes Kahrs [SPD]: Bisher hat die Linke auch nichts dazu beigetragen, dass das kommt!) Deshalb fordern wir 10 Euro brutto und eine Anpassung nicht erst 2018, sondern in einem Jahr. Das wäre eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die dringend nötig ist, um ein Leben in Würde zu ermöglichen. (Beifall bei der LINKEN) Aber Sie sprechen vom flächendeckenden Mindestlohn. Flächendeckend heißt: Es darf keine Ausnahmen geben. Sie machen aber zwei wesentliche Ausnahmen. Ihre erste Ausnahme ist: Jugendliche unter 18 Jahren haben keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Das begründen Sie damit, dass sie, wenn sie zu viel verdienen, nicht mehr an einer Ausbildung interessiert wären und lieber gleich arbeiten gehen, statt zu lernen. Mit anderen Worten: Sie meinen, Jugendliche sind doof. Wir meinen das nicht. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!) Alle Jugendlichen wissen: Wenn sie gut ausgebildet sind, haben sie später ganz andere Zukunftschancen und Verdienstmöglichkeiten. Behandeln Sie doch die Jugendlichen nicht, als wären sie doof, und das auch noch grundgesetzwidrig! Wie wollen Sie denn begründen, dass ein 17-Jähriger für die gleiche Arbeit weniger verdient als ein 18-Jähriger? Das ist nicht hinzunehmen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ihre zweite Ausnahme betrifft die Gruppe der Langzeitarbeitslosen. Sie sehen vor, dass die Langzeitarbeitslosen ein halbes Jahr lang keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben. Wissen Sie, was das bedeutet? Sie sagen damit einem Langzeitarbeitslosen, dass er uns, der Gesellschaft, nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn wert ist. Das ist demütigend. Bitte streichen Sie das! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Er ist ein Mensch, dessen Würde zu achten ist. Das Statistische Bundesamt hat gerade veröffentlicht, dass 20,2 Prozent unserer Beschäftigten weniger als 8,50 Euro verdienen. Es wird also höchste Zeit, dass sich wenigstens das ändert, wobei ich wiederholen muss: 10 Euro wären angemessen. Das Statistische Bundesamt hat noch etwas veröffentlicht, Frau Bundeskanzlerin, nämlich dass 8 Millionen unserer Bürgerinnen und Bürger nicht einmal jeden zweiten Tag eine vollwertige Mahlzeit genießen können. Das ist eine Armut, die sich ein so reiches Land wie Deutschland niemals leisten darf. Das ist auch grundgesetzwidrig. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber ich muss noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Wenn wir den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn selbst mit Krücken und Ausnahmen irgendwie bekommen, dann führt das natürlich zu einer allgemeinen Lohn- und Gehaltssteigerung. Sie müssen von Folgendem ausgehen: Heute verdient der eine 6 Euro, der zweite 7 Euro, der nächste 8 Euro und ein weiterer 9 Euro. Sie werden sicherlich untereinander sagen: Ich kann doch nicht plötzlich wie alle 8,50 Euro verdienen oder nur 50 Cent mehr. Ich mache ja eine qualifiziertere Tätigkeit. Also muss auch mein Lohn angehoben werden. – Das führt zu einer allgemeinen Lohn- und Gehaltssteigerung, die wir übrigens auch für die Binnenwirtschaft dringend benötigen. Unsere Abhängigkeit vom Außenhandel kann auch zu einem Verhängnis werden, wenn sich die Situation in anderen Ländern ändert. Deshalb müssen wir die Binnenwirtschaft stärken. Das geht nur über Investitionen, Herr Bundesfinanzminister, und nicht über den Abbau von Investitionen. Es geht nur über die Stärkung der Kaufkraft, das heißt höhere Renten, höhere Löhne und Gehälter sowie höhere Sozialleistungen. (Beifall bei der LINKEN) Natürlich weiß ich – ich sage das hier auch deutlich, damit Sie mir hinterher nicht vorwerfen, dass ich es nicht gesagt habe –, dass die Preise der Handwerksleistungen steigen werden, weil sich die Friseurmeisterin oder der Bäckermeister den Mindestlohn zum Teil nicht anders leisten kann. Aber wenn wir eine allgemeine Lohn- und Gehaltssteigerung haben, können wir das auch verkraften. Lassen Sie mich etwas zur Bildung sagen. Das ist für mich ein Leidenschaftsthema. Ich kenne niemanden im Bundestag, der sagen würde: Ich bin dagegen, dass wir Chancengleichheit für Kinder in der Bildung haben. – Ich kenne niemanden, der das sagen würde. Aber die ganze Organisation, die ganze Struktur schließt Chancengleichheit aus. Die soziale Stellung der Eltern setzt sich in der Bildung der Kinder fort. Dagegen unternimmt die Regierung gar nichts. Das ist ein wirklich schwerwiegender Vorwurf. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Das ist Unfug!) Was brauchen wir? Wir brauchen ein flächendeckendes Netz aus ganztägigen Kindertagesstätteneinrichtungen und Gemeinschaftsschulen mit einem gesunden und vollwertigen Mittagessen, und zwar alles gebührenfrei. Darin müssen wir investieren. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Das machen wir doch, und Sie tragen nichts dazu bei!) – Ich habe erwartet, dass Sie mir an dieser Stelle sagen, dass das zu teuer ist. Für die Commerzbank haben Sie Hunderte Milliarden Euro, aber nicht für ein gesundes Essen für die Kinder in den Kindertagestätten und Schulen. (Johannes Kahrs [SPD]: Wir machen es doch, Herr Gysi! Es findet doch statt!) Das ist nicht hinnehmbar. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Keine Ahnung, der Mann!) Dann brauchen wir gut ausgebildete und gut bezahlte Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten sowie gut ausgebildete und gut bezahlte Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen. Wir brauchen zudem kleinere Klassenfrequenzen. Begreifen Sie doch endlich: Die Ressource in Deutschland heißt Bildung. Unsere Gold- und Erdölvorkommen können Sie vergessen. Unsere Ressource heißt Bildung. Darin müssen wir investieren. (Beifall bei der LINKEN) Natürlich brauchen wir auch eine bessere Förderung der Berufsausbildung und der Hochschulausbildung. Wir müssen das Kooperationsverbot für die Bundesländer bei den Schulen überwinden. Ich bitte Sie! Wir haben 16 Bundesländer und deshalb 16 verschiedene Schulsysteme. Ich bestreite nicht, dass das ein großer Fortschritt im 19. Jahrhundert war. Aber mit dem 21. Jahrhundert hat das nun überhaupt nichts mehr zu tun. Egal wo Kinder in Deutschland leben, sie müssen eine Chance auf Topbildung und Topausbildung haben, von Mecklenburg-Vorpommern bis Bayern. Dafür müssen wir endlich sorgen. (Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: In Bayern haben sie eine -Topausbildung!) Deshalb, Herr Schäuble, ist die von Ihnen ebenso willkürlich vorgenommene Kürzung der Ausgaben für Bildung um 500 Millionen Euro indiskutabel. Ich sage Ihnen: Leisten Sie einen Beitrag zur Chancengleichheit der Kinder in der Bildung! Das wäre ein ganz wichtiges -Signal in unserer Gesellschaft. Nun komme ich zu den Steuern. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wunderbar!) Es gibt jetzt einen Steuerbericht der EU-Kommission. Lesen Sie den einmal, Herr Kauder! Da steht hinsichtlich Deutschland Folgendes drin. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sagen es mir ja!) – Richtig, ich muss es Ihnen sagen, weil Sie es nicht von alleine lesen. Ich muss das alles hier nachholen, verstehen Sie? Aber die Zeit ist immer so kurz. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die gesamte Mittelschicht in Deutschland werden – das besagt der EU-Bericht – viel zu hoch besteuert. Des Weiteren besagt der EU-Bericht: Die Bezieherinnen und Bezieher von Kapitaleinkünften, insbesondere von hohen, werden viel zu niedrig besteuert. Es gibt einen interessanten EU-Vergleich. Die Einnahmen aus Steuern auf Löhne und Gehälter in Deutschland machen 56,6 Prozent des gesamten Steueraufkommens aus. Der EU-Durchschnitt liegt bei nur 51 Prozent. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Bei uns wird auch mehr gearbeitet!) Die Einnahmen aus Steuern auf Kapitaleinkünfte machen beim gesamten Steueraufkommen in Deutschland 16 Prozent aus, im EU-Durchschnitt aber 20,8 Prozent. Daran merken Sie, was passiert. Die Zahl der Dollarmillionäre ist um 14 Prozent gestiegen. Weltweit besitzen die Dollarmillionäre ein Vermögen von 40 Billionen Euro. Das sind zwei Drittel der Weltwirtschaftskraft. Auch in Deutschland haben wir einen Anstieg zu verzeichnen. Die Zahl der Dollarmillionäre ist von 980 000 auf 1,1 Millionen gestiegen. Weltweit hat Deutschland die drittmeisten Millionäre. Weltweit die drittmeisten! Auf Platz eins liegen die USA. Auf Platz zwei liegt – das wird einige erstaunen – China. (Thomas Oppermann [SPD]: Na klar!) Auf Platz drei liegt Deutschland. Ich darf nur erwähnen, dass die USA und China ein paar Einwohner mehr haben als Deutschland. Trotzdem nehmen wir Platz drei ein. Und Sie weigern sich, einen halben Euro mehr in der EU und in Deutschland von den Millionären zu verlangen? Sie sagen im Ernst der Friseurin in Athen, sie habe das Ganze zu finanzieren? Es ist absurd, was hier läuft, wirklich absurd. (Beifall bei der LINKEN) Sie verweigern jeden Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit: keine Senkung, keine Erhöhung; Abschaffung der kalten Progression – das habe ich schon gesagt – verschoben. Dann gibt es aber noch etwas: den Steuerbauch. Man sollte nie vergessen: Unsere Einkommensteuer verläuft nicht linear, sondern es gibt einen Bauch. Es ist die Mitte der Gesellschaft, die alles bezahlt. Der untere Teil der Gesellschaft kann die Ausgaben nicht finanzieren, an die Reichen trauen Sie sich nicht heran. Deshalb muss die Mitte der Gesellschaft alles bezahlen. Es gibt nur eine Partei im Bundestag, die fordert, den Steuerbauch zu streichen: Das ist die Linke. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wahnsinn!) Die Mitte der Gesellschaft wird nur von der Linken vertreten. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der LINKEN) Meine Bitte: Einen Schritt könnten Sie doch wagen. Behandeln Sie endlich Kapitaleinkünfte und Arbeitseinkünfte wenigstens gleich. Das wäre schon ein gewaltiger Fortschritt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nun komme ich zur Außen- und Sicherheitspolitik. Frau Bundeskanzlerin, alle Kriege der letzten Jahre haben die Menschheitsprobleme nicht gelöst, sondern verschärft, ganz egal, ob ich an Afghanistan denke, ob ich an den Irak denke oder ob ich an Libyen denke. Was sagt unser Bundespräsident? Wir sollen an noch mehr Mili-täreinsätzen teilnehmen. (Johannes Kahrs [SPD]: Das hat er nicht gesagt! Falsch zitiert!) Das bedeutet aber nicht, wie er meint, mehr Verantwortung, sondern das bedeutet mehr Verantwortungsversagen. Das sage ich Ihnen ganz klar. (Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs [SPD]: Sie sollen hier nicht so einen Stuss erzählen! Lesen bildet, Denken hilft!) Der eigentliche Skandal ist, dass Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur weltweit ist. Wir verdienen an jedem Krieg. Hätte unser Schluss aus dem Zweiten Weltkrieg nicht lauten müssen, dass wir nie wieder an Kriegen verdienen wollen? Ich glaube, das wäre das Mindeste gewesen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Jetzt haben wir erfahren, dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, im Jahre 2008 Panzer und auch noch eine Panzerfabrik, also die Lizenz zum Herstellen deutscher Panzer, an Algerien verkauft haben. Ich frage Sie: Welche Zustände haben wir denn in Algerien? Algerien ist kein demokratisches Land. Woher wollen Sie eigentlich wissen, welche Zustände in Algerien in fünf Jahren herrschen? Woher wollen wir eigentlich wissen, wer dann dort Panzer für welche Zwecke herstellt? Das ist doch Wahnsinn. Sie, Herr Gabriel, sagen nur: Verträge sind einzuhalten. – Haben Sie denn wenigstens einmal geprüft, ob man aus diesem wahnsinnigen Vertrag aussteigen und diese Verantwortungslosigkeit überwinden kann? Wo bleibt denn wenigstens Ihr Satz, dass es solche Verträge nie wieder geben wird? Das wäre doch wohl das Mindeste. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich sage Ihnen auch: Deutschland liefert Waffen an Saudi-Arabien, an Katar und an den NATO-Partner Türkei. Was erfahren wir jetzt? Die Al-Qaida-Terrorarmee ISIS erobert immer mehr Territorien im Irak und in Syrien. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Mit Kalaschnikows in der Hand!) Kerry, der amerikanische Außenminister, reist jetzt durch den Nahen Osten und versucht, das irgendwie aufzuhalten. Aber wer hat denn diese Armee bezahlt? Die Bezahlung kam aus Saudi-Arabien und Katar. Was hat die Türkei gemacht? Sie hat diese kämpfenden Terroristen mit Waffen ohne jede Beanstandung durch die Türkei nach Syrien und Irak durchziehen lassen. Das sind unsere Partner. Was machen Sie dagegen? Fast nichts. Heute haben wir gelesen, dass die ISIS-Armee sogar Kinder tötet. Die Konrad-Adenauer-Stiftung sagt plötzlich, man hätte Assad in Syrien unterstützen müssen. Wo leben wir hier eigentlich? Die Zeiten werden immer wirrer. Merken Sie denn nicht, dass diese ganze Außenpolitik falsch ist? Weg von Waffenexporten, hin zu einer friedlichen Konfliktlösung – das muss die Aufgabe der Bundesregierung sein, nichts anderes. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nun komme ich zur Ukraine. Jetzt gibt es gewisse Fortschritte: eine Feuerpause, angeordnet von Präsident Poroschenko, und die Rücknahme des Beschlusses der Föderationsversammlung in Moskau, wonach Russland in die Ukraine einmarschieren darf. Auch das ist sehr wichtig. Ich sage Ihnen: Jetzt müssen die Europäische Union und die NATO endlich wirkliche Deeskalationsschritte gehen. Hören Sie auf mit den Sanktionen und mit der Androhung von Sanktionen! Wenn die Wirtschaftssanktionen wirklich kämen, dann träfen die Antworten nicht die USA, die die Sanktionen immer vorschlagen, sondern die Antworten träfen uns und die Wirtschaft. Wir schützen in diesem Falle auch die Wirtschaft. Diese Sanktionen hat sie nicht verdient. Das sage ich Ihnen klipp und klar. (Beifall bei der LINKEN) Frau Göring-Eckardt, Sie haben hier zur Ukraine gesprochen und sich mit Sahra Wagenknecht auseinandergesetzt. Sie haben gesagt, wer die Regierung bzw. deren Politik nicht unterstütze, der unterstütze nicht die Demokratisierung der Ukraine. Wie soll ich das verstehen? Wir sind doch schon gemeinsam gegen Nazis aufgetreten. Warum kritisieren Sie nicht ebenso scharf wie wir die Mitgliedschaft von faschistischen Politikern in der ukrainischen Regierung? (Widerspruch der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich sagen Ihnen auch: Was die belgische Regierung dazu sagt, ist das eine. Wir haben eine andere Geschichte. Ich finde, der gesamte Deutsche Bundestag und die gesamte deutsche Regierung müssten der ukrainischen Regierung sagen: Bevor wir euch helfen, entlasst die faschistischen Minister aus euren Reihen. – Das wäre doch wohl das Mindeste. (Beifall bei der LINKEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie uns jetzt unterstellen, dass wir gemeinsame Sache mit denen machen?) Ich höre immer wieder, bei der Präsidentenwahl hätten die Faschisten so wenig Stimmen bekommen. Na, umso besser! Was gibt es dann für einen Grund, deren Minister nicht aus der Regierung zu entlassen? Dann können wir den Druck ja sogar noch erhöhen. (Beifall bei der LINKEN – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das für eine absurde Unterstellung?) – Haben Sie Zweifel, dass das Faschisten sind? Ich habe hier ja den Vorsitzenden der faschistischen Partei zitiert; ich wiederhole das heute nicht. Aber eins sage ich Ihnen: Die Partei Swoboda hatte ein Institut, das bis zum Jahr 2014 den Namen „Joseph Goebbels“ trug. Jetzt hat die Partei es wegen des Drucks von außen umbenannt. Dieses Institut trug also den Namen „Joseph Goebbels“. Außer der Partei Swoboda hat das sich noch keine rechtsnationale Partei nach der Nazidiktatur in Europa getraut. Und da verlangen Sie von uns, dass wir dazu nichts sagen. Das ist doch grotesk! (Beifall bei der LINKEN – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Unverschämtheit, wie Sie hier vorgehen! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist absurd! Eine miese Unterstellung!) Ich kann das nicht dulden. Ich finde, alles andere ist unverantwortlich und ahistorisch. Im Kalten Krieg war der Gewinner der Westen. Er zeigte allerdings keine Bereitschaft, aufzuhören, zu siegen. Im Kalten Krieg gab es Einflusssphären der USA und Einflusssphären der Sowjetunion; aber sie gelten nicht mehr – glücklicherweise, kann man sagen; sage ich auch. Das Problem ist nur: Die USA und Russland haben keine neuen Spielregeln vereinbart. Beide haben Einfluss verloren, versuchen, den vorhandenen Einfluss zu sichern und auch wieder auszubauen, und kommen sich dabei in die Quere: in Georgien, in Syrien, in der Ukraine. Was gibt es für einen Weg hin zu neuen Spielregeln? Nur einen: das Völkerrecht. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sie sind der Welterklärer!) Es geht um den vollen Respekt vor dem Völkerrecht. Der Erste, der das Völkerrecht beim Jugoslawien-Krieg über Bord geworfen hat, war der Westen, weil er sich dafür nicht mehr interessiert hat, weil er gesagt hat: Wir waren ja die Gewinner des Kalten Krieges; das brauchen wir nicht mehr; wir entscheiden, was läuft. – Genau dafür bekommen wir jetzt die Quittung. Deshalb sage ich Ihnen: Es gibt nur einen Lösungsweg, nämlich das Völkerrecht wieder voll zur Geltung zu bringen. Deshalb muss der Westen als Erstes das Völkerrecht in vollem Umfang einhalten. (Beifall bei der LINKEN) Kanzler Schröder hat ja bestätigt, dass er das Völkerrecht verletzt hat; er macht daraus gar kein Hehl. Ich sage Ihnen noch etwas: Russland wird sich nach diesem Konflikt ökonomisch stärker nach Asien orientieren. Die USA werden verstärkt in Europa, gerade in Osteuropa auftreten. Das ist ein Erfolg für die USA, allerdings ein Erfolg, den Obama gar nicht wollte; so kommt das nun einmal in der Politik. Und die EU? Sie wirkt völlig hilflos, und sie ist der Verlierer, weil die Abhängigkeit von den USA noch zunehmen wird. Das kommt bei alledem heraus. Denken Sie einmal darüber nach. Jetzt komme ich zu Europa. Es gab ein Warnsignal: Die Europawahlen haben die rechtsextremen und rechtsnationalen Parteien erheblich gestärkt. Daraus müssten wir doch alle Schlussfolgerungen ziehen. Frau Bundeskanzlerin, Ihre falsche Spar- statt Aufbaupolitik gegenüber dem Süden Europas, der Abbau der Demokratie, der Abbau der sozialen Gerechtigkeit, die Tatsache, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – nicht die Millionäre – die ganze Bankenkrise zu bezahlen haben, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was hat denn Le Pen nach vorn gebracht? Sie haben ja wirklich einen Knick in der Optik!) das alles hat ebenfalls zu diesem Wahlergebnis beigetragen. Sie und wir alle haben eine Verpflichtung: Europa so friedlich, so demokratisch, so sozial gerecht und so ökologisch nachhaltig wie möglich zu gestalten, damit dieses Europa die Menschen und vor allem die Jugend nicht verschreckt, sondern endlich wieder anzieht, und damit diese rechtsnationalen und rechtsextremen Parteien in ganz Europa keine Chance haben. Dafür sind wir mitverantwortlich. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage Ihnen: Eine Jugendarbeitslosigkeit von 60 Prozent in Griechenland macht Europa kaputt. Ich habe es schon gesagt: Die Zahl der Millionäre hat zugenommen. Warum führen Sie in der Europäischen Union keine Millionärsteuer ein? Herr Bundesfinanzminister, es gab doch einmal die Idee der Finanztransaktionsteuer, um etwas gegen die Spekulationen und Spielereien an den Börsen zu tun. Wo bleibt sie eigentlich? Wann tritt sie eigentlich in Kraft? Das wird man doch wohl noch einmal fragen dürfen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nun komme ich zu Snowden und den USA. Der -Spiegel hat vor kurzem veröffentlicht, dass die Ausforschungen durch den USA-Geheimdienst NSA noch viel größer als bisher angenommen waren und dass es eine enge Zusammenarbeit mit dem BND gab. Professor -Papier, der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat dazu wörtlich Folgendes gesagt: Der Datenaustausch mit ausländischen Diensten, die ihre personenbezogenen Daten weitgehend unter Methoden und in einer Art und Weise erlangen, die jenen von mir kurz genannten Mindeststandards der deutschen und unionsrechtlichen Grundrechte eindeutig nicht genügen, ist insoweit von Verfassungsrechts wegen ausgeschlossen. Das heißt mit anderen Worten: Der BND hat sich grundgesetzwidrig verhalten. Ich möchte wissen, welche Konsequenzen Sie daraus ziehen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Snowden hat bisher immer die Wahrheit gesagt. Er hat gesagt, dass auch die Wirtschaftsdaten weitergereicht wurden. Das ist Wirtschaftsspionage. Auch das ist eine Straftat. Die Einzigen, die die Interessen der Wirtschaft vertreten, sind wieder die Linken und die Grünen in diesem Fall; Sie nicht. Sie lassen sich das einfach bieten. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]) Frau Bundeskanzlerin, Sie waren in Washington. Sie haben mit Obama und anderen gesprochen. Sie sind ohne ein No-Spy-Abkommen zurückgekommen. Ich sage Ihnen: Sie verhalten sich diesbezüglich gegenüber der US-Administration duckmäuserisch. Sie begründen mir das mit der Freundschaft. Ich sage Ihnen: Duckmäusertum erzielt Verachtung, aber keine Freundschaft. Wenn man eine Freundschaft will, muss man sich als Erstes Respekt erarbeiten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich sage Ihnen auch, wie man das machen kann. Ich würde dem Präsidenten Obama an Ihrer Stelle sagen: Wenn Sie kein No-Spy-Abkommen machen, dann werde ich die Diplomaten in der britischen und in der US-Botschaft, die Spionage betreiben, jeweils zur Persona non grata erklären. Ich würde ihm sagen: Die NSA baut gerade ein Riesengebäude in Wiesbaden. Das können sie gern fertigstellen, aber sie können niemals einziehen. Da schicken wir Attac und andere Organisationen rein, die im Unterschied zur NSA, die uns hier ausforschen will, etwas Nützliches machen. (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich würde ihm ebenfalls sagen: Wir können auch die TTIP-Verhandlungen aussetzen. – Was glauben Sie, was Ihnen das für einen Respekt einbringen würde, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie sind doch ahnungslos!) wie die diskutieren würden, wenn Deutschland sich die Sache nicht mehr bieten lässt! Das entspricht Ihrem Amtseid, nämlich Schaden von unserem Volk abzuwenden. Deshalb erwarte ich das auch dringend. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was machen wir in der russischen Botschaft? – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was machen wir mit dem russischen Geheimdienst? No-Spy-Abkommen mit Moskau!) Zu den TTIP-Verhandlungen noch einen Satz. Es geht doch dabei nicht nur um das Chlorhuhn, was schon schlimm genug wäre, sondern es geht darum, dass Investitionshemmnisse verboten werden sollen. Das muss man einmal übersetzen. Wenn ein amerikanisches Unternehmen hier seine Wirtschaftstätigkeit beginnt und später eine vernünftigere Regierung kommt, die mehr Mitbestimmung macht, mehr Wirtschaftsdemokratie, vielleicht sogar etwas höhere Steuern, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir schicken Attac erst mal in die russische Botschaft!) dann können die Amerikaner sagen: Investitionshemmnis! Als wir anfingen, war das nicht so. – Sie machen Politik unmöglich. Niemals darf das Verbot von Investitionshemmnissen vereinbart werden! (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Dann muss ich Ihnen zum Schluss noch Folgendes sagen: Ich habe das doch richtig verstanden, Frau Bundeskanzlerin? Präsident Obama hat Ihnen gesagt, dass weder Sie noch Herr Gauck abgehört werden. Das sind die Ausnahmen. Zu anderen hat er Ihnen das nicht zugesichert. Das heißt, Herr Bundestagspräsident Professor Lammert, Sie werden nach wie vor abgehört. Präsident Dr. Norbert Lammert: Im Unterschied zu Ihnen trage ich das mit Fassung, Herr Kollege Gysi. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Ich bin noch nicht fertig! – Das heißt, dass der Bundesratspräsident abgehört wird. Das heißt, dass auch der Bundesverfassungsgerichtspräsident abgehört wird und dass auch alle anderen Bürgerinnen und Bürger abgehört werden. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Vom russischen Geheimdienst oder von wem? – Max Straubinger [CDU/CSU]: Von dem darf man abgehört werden – laut Gysi! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist in Ordnung, ja!) – Passen Sie auf! Nun muss ich Ihnen Folgendes erklären, Frau Bundeskanzlerin: Wenn Sie mit Ihrem Ehemann Professor Sauer telefonieren oder mit dem Vizekanzler Gabriel oder mit Staatsminister Altmaier oder mit Ihrem Frak-tionsvorsitzenden Kauder – die werden alle abgehört –, dann hört man Sie zufällig mit; wenn Sie gar so dreist wären, mit mir zu telefonieren, erst recht. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ruf mich an!) Es gibt einen Einzigen, Frau Bundeskanzlerin, dem Sie alle Geheimnisse telefonisch und per E-Mail anvertrauen dürfen, und das ist der Bundespräsident. Aber aus irgendeinem Grund glaube ich, dass Sie dazu gar keine Lust haben. Ich hoffe, Sie verstehen, dass wir zu Ihrem Etat nur mit Nein stimmen können. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Gott sei Dank! Das war ein Niveau! Mannomann! – Johannes Kahrs [SPD]: So viel Unsinn in einer halben Stunde! Das ist unglaublich!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Gysi, ich habe eine Bitte mit Blick auf eine knappe Bemerkung in Ihrer Rede. Wenn wir den Bundespräsidenten, seine Reden oder Interviews zum Gegenstand unserer parlamentarischen Auseinandersetzungen machen, was natürlich zulässig sein muss, (Johannes Kahrs [SPD]: Sollte man sie erst mal lesen!) dann sollten wir es im Respekt gegenüber dem Staatsoberhaupt (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: So ist es!) jedenfalls korrekt und präzise tun; (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) denn er hat im Unterschied zu jedem anderen keine Gelegenheit, hier klarzustellen, was er gesagt und gemeint hat. Jetzt hat das Wort die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe vor zehn Wochen bei der ersten Lesung des Haushaltes gesagt und wiederhole es heute: Der Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2014 und zur mittelfristigen Finanzplanung löst ein jahrzehntelanges Versprechen ein. Es ist der erste Haushalt ohne neue Schulden seit 1969. Das heißt konkret, der Haushalt 2014 ist strukturell ausgeglichen. Die für dieses Jahr geplante Nettokreditaufnahme in Höhe von 6,5 Milliarden Euro ist die niedrigste seit 40 Jahren. Laut Finanzplan gibt es im nächsten Jahr zum ersten Mal die Situation, dass wir keine neuen Schulden mehr machen. Das gilt dann auch für die kommenden Jahre. Das ist eine haushaltspolitisch historische Zielmarke. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen, vor allen Dingen denen, die im Haushaltsausschuss sind, ein ganz herzliches Dankeschön sagen; denn die Rahmenbedingungen haben sich im Verlauf der parlamentarischen Debatte nicht verbessert. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt!) Deshalb ist es umso begrüßenswerter, dass es gelungen ist, die Zielmarken einzuhalten. Ich halte das für einen großen Erfolg, und zwar auch deshalb, weil die äußeren Rahmenbedingungen natürlich nach wie vor schwierig sind. Die europäische Schuldenkrise ist noch nicht ausgestanden. Es gibt eine ganze Reihe weltwirtschaftlicher Risiken. Deshalb betone ich ausdrücklich: Der Erfolg besteht nicht allein darin, endlich einen generationengerechten Bundeshaushalt vorzulegen. Er besteht vielmehr darin, dass dieser Haushalt auch in Zukunft die Grundlagen für Deutschlands Stärken legt. Deutschlands Stärken bemessen sich nicht nur daran, dass Einnahmen und Ausgaben in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen, sondern sie verlangen viel mehr. Sie verlangen, dass der soziale Zusammenhalt der Generationen stimmen muss. Sie verlangen, dass die Rahmenbedingungen für diejenigen, die unseren Wohlstand erarbeiten, stimmen müssen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Schaffung von Arbeitsplätzen nach wie vor absolute Priorität bei unseren politischen Vorhaben hat. Unsere Energieversorgung muss zukunftsfest sein. Energie muss sicher, bezahlbar und umweltverträglich sein. Es muss vor allen Dingen in die Zukunft des Landes investiert werden: in Bildung, Forschung, Infrastruktur. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber zu wenig!) Meine Damen und Herren, die deutsche Wirtschaft ist mit Schwung in das Jahr 2014 gestartet. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Gegensatz zur Regierung!) Die Bundesregierung erwartet ein Wirtschaftswachstum von real etwa 1,8 Prozent. Falls die Rahmenbedingungen so positiv bleiben, kann es 2015 sogar auf 2 Prozent steigen. Damit können wir ganz nüchtern feststellen: Deutschland bleibt Stabilitätsanker und Wachstumsmotor der Euro-Zone und der ganzen Europäischen Union. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch am Arbeitsmarkt steuert Deutschland auf einen Beschäftigungsrekord zu. Die Zahl der Erwerbstätigen wird in diesem Jahr im Durchschnitt voraussichtlich bei über 42 Millionen liegen. So schön diese Erfolge sind, so ist gleichzeitig richtig: Nachhaltige Politik muss immer nach vorne gerichtet sein. Wir müssen uns fragen: Womit verdienen wir in 5, 10 oder 20 Jahren unser Geld? Was sind die Technologien von morgen? Welche Rahmenbedingungen müssen wir heute schaffen, damit wir nicht nur heute, sondern morgen und übermorgen genauso gut dastehen? Hier sind natürlich die Menschen in unserem Land nach wie vor unser wichtigstes Kapital. Auf ihr Wissen, ihr Können und ihre Motivation kommt es an. Deshalb bleiben Investitionen in Bildung und Forschung ein Schwerpunkt der Bundesregierung. Das drückt sich auch im Haushalt aus. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, allein für Bildung und Forschung hat der Bund von 2005 bis 2013 seine Ausgaben um knapp 60 Prozent auf rund 14,4 Milliarden Euro gesteigert – um 60 Prozent! In Deutschland werden mittlerweile 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Bildung und Forschung investiert. Das ist das Ergebnis großer und – ich sage auch – gemeinsamer Anstrengungen sowohl der Wirtschaft als auch der öffentlichen Hand: in den Ländern und im Bund. Der Bund macht – wir haben das beschlossen und sind jetzt in der Umsetzung – einen historischen Schritt: Wir werden ab 2015 die Finanzierung des BAföG für Schüler und Studierende zu 100 Prozent übernehmen. Hierdurch entlasten wir die Länder erheblich und strukturell dauerhaft; pro Jahr sind das knapp 1,2 Milliarden Euro, die bei den Ländern frei werden. Ich will hier meine Hoffnung ausdrücken – mit dem notwendigen Respekt vor den Ländern –, dass der Großteil dieses Geldes dann wirklich Hochschulen und Universitäten zugutekommt; denn genau dafür haben wir das gemacht. Wir haben ganz deutlich gesagt: Wir müssen den Unterschied zwischen der Finanzierung der außeruniversitären und der universitären Strukturen kleiner machen. Aus diesem Grunde hoffe ich, dass wir mit unserem Entlastungsschritt genau dazu beitragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der Bund übernimmt damit weitere gesamtstaatliche Verantwortung für bessere Forschungs- und Bildungskooperationen in der Zukunft. Ich freue mich, dass im Zuge der Übernahme der Kosten des BAföG eine andere wichtige Sache vereinbart werden konnte, nämlich eine Grundgesetzänderung, eine Änderung des Artikels 91 b, der sich damit befasst, wie Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen miteinander kooperieren können. Wenn wir in den nächsten Jahren international wettbewerbsfähig sein wollen, dann brauchen wir solche Cluster als Mischung von universitärer und außeruniversitärer Forschung. Es ist gut, dass wir dafür die Weichen stellen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, insgesamt bedeutet das, dass die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode noch einmal 9 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Forschung zur Verfügung stellen will. Deshalb können wir mit Fug und Recht sagen: Es war noch nie der Fall, dass der Bund so viel Geld für Bildung und Forschung ausgegeben hat. Aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es eine richtige Investition in die Zukunft ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, zu den großen Herausforderungen der Zukunft gehört auch die Umsetzung der Energiewende. Mit der EEG-Reform, die wir übermorgen im Bundestag abschließend beraten werden, gehen wir einen wichtigen Schritt in Richtung der Energieversorgung von morgen. Es wird vor allem die Steuerung des Umbaus unserer Energieversorgung mit diesem Gesetz verbessert. Das Ganze ist also ein Schritt in Richtung von mehr Marktintegration. Die erneuerbaren Energien haben die Nischenrolle verlassen. Sie sind eine wesentliche Säule unserer Energieversorgung geworden, und deshalb müssen sie Schritt für Schritt in den Markt integriert werden, ohne dass es zu Fadenrissen kommt, durch die wir den Anschluss verlieren. Ich glaube, es ist uns ein wichtiger Schritt gelungen. Aber ich muss sagen: Es ist nicht der letzte Schritt. Wir werden uns in dieser Legislaturperiode noch einmal mit diesen Fragen befassen müssen, und wir werden noch viel Arbeit investieren müssen – der Bundeswirtschaftsminister und auch ich haben das immer wieder getan –, um die Europäische Union davon zu überzeugen, dass es uns jetzt gelingen muss, diesen Weg fortzusetzen, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) und dass man nicht einfach anfangen kann, jahrelang bestehende Fördersysteme infrage zu stellen, ohne sich zu überlegen, wie man die Übergänge schafft. Dafür werden wir in Europa entschieden eintreten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Auch das ist wichtig: Planungssicherheit für solche Investitionen bekommen wir nur, wenn wir insgesamt klare Rahmenbedingungen haben. Dazu gehören natürlich auch klare Absprachen mit der Europäischen Kommission. Meine Damen und Herren, es ist uns gelungen, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu erhalten, indem wir mit der Besonderen Ausgleichsregelung die notwendigen Ausnahmen geschaffen haben. Auch das war ein hartes Stück Arbeit. Aber ich muss sagen: Arbeitsplätze zu erhalten, die Möglichkeit der Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht zu verbauen, das ist eine absolute Notwendigkeit. Ansonsten wird die Energiewende auf keine Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deshalb ist das der Großen Koalition ein zentrales Anliegen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Nach der Verabschiedung des EEG hier im Bundestag und hoffentlich dann auch im Bundesrat wird die Gestaltung der Energiewende auch in den nächsten Jahren eine Herkulesaufgabe bleiben. Es ist eine nationale Kraftanstrengung notwendig, damit es uns gemeinsam gelingt, die gesamte Energieerzeugung auf eine neue Basis zu stellen. Deshalb geht es um Strommarktdesign; deshalb wird es um Kapazitätsmärkte gehen, um Rahmenbedingungen für Kraftwerke, um die Steigerung der Energieeffizienz und auch um Fortschritte beim Leitungsausbau. Das heißt, wir sind hier gerade einmal einen wichtigen Schritt vorangekommen, aber das Ganze bedarf noch sehr viel weiterer Anstrengungen. Wenn wir darüber sprechen, wie wichtig es ist, in die Zukunft unseres Landes zu investieren, dann ist eines der großen Themen natürlich auch die voranschreitende Digitalisierung. Hinter diesem Stichwort verbirgt sich ja nicht mehr und nicht weniger als eine sehr tiefgehende technologische Revolution, aber auch eine gesellschaftliche Veränderung, auf die in den verschiedenen Bereichen Antworten gegeben werden müssen. Deshalb arbeitet die Regierungskoalition an einer digitalen Agenda, die wir voraussichtlich im August im Kabinett beraten werden. Wichtig ist dabei, dass die Teilhabe aller an den Chancen und Möglichkeiten der digitalen Zukunft gegeben ist. Das heißt, wir müssen die Versorgung mit Breitband verbessern; daran wird gearbeitet. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Es geht in diesem Zusammenhang darum, dass wir die Telekommunikations- und Netzunternehmen beim Ausbauprozess durch vernünftige Rahmenbedingungen unterstützen, zum Beispiel auch durch die Versteigerung von Frequenzen aus der digitalen Dividende 2, woraus wieder neue Mittel zur Verfügung stehen werden, um den Breitbandausbau zu fördern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir müssen die Sicherheitsaspekte beachten. Beim Thema Sicherheit im Netz ist jeder Einzelne und jedes Unternehmen natürlich selbst gefordert, aber wir werden auch staatliche Rahmenbedingungen brauchen. Ich will in diesem Zusammenhang auch an die Industrie appellieren: Sicherheit vor Cyberattacken zum Beispiel kann es nicht geben, wenn es nicht auch eine gewisse Transparenz hinsichtlich solcher Attacken gibt. Ich glaube, es darf nicht immer nur die Sorge vor Rufschädigung geben, sondern man muss diese Dinge sehr offensiv angehen. Das, was der Staat zum Schutz der Unternehmen wie der einzelnen Bürger tun kann, das werden wir so schnell wie möglich tun. Die Bundesregierung steht der Wirtschaft zur Seite mit der Taskforce „IT-Sicherheit in der Wirtschaft“ und den Bürgerinnen und Bürgern mit dem BSI. Nationale Gesetzgebung stößt hier natürlich an Grenzen. Deshalb werden wir, wenn wir die tiefgreifende Diskussion über das, was informationelle Selbstbestimmung im 21. Jahrhundert bedeutet, führen, mit nationaler Gesetzgebung alleine nicht hinkommen. Wir brauchen zumindest europäische Standards – deshalb die Diskussion über die Datenschutz-Grundverordnung –, aber wir brauchen auch globale Regelungen. Es ist sehr mühsam, aber auch hier gilt genauso wie bei den Finanzmärkten: Wir müssen dicke Bretter bohren und immer weitermachen. Nur wenn sich die globalen Rahmenbedingungen verbessern, wird man das sicherstellen können, was die Bürgerinnen und Bürger mit Recht erwarten. Wenn wir über die Infrastruktur der Zukunft sprechen, kommen wir natürlich auch zu den Verkehrs-netzen. Die Bundesregierung wird in dieser Legislaturperiode im Vergleich zur letzten Legislaturperiode 5 Milliarden Euro mehr für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stellen. Wir werden auch die Nutzerfinanzierung ausweiten, zum Beispiel im Lkw-Bereich. Wir werden aber auch Vorschläge des Bundesverkehrsministers in nächster Zeit bekommen, wie die Nutzer ausländischer Kfz an den Verkehrskosten beteiligt werden können. Deutschland ist und bleibt stark, wenn die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt weiter so gut verläuft, wie das in der letzten Zeit der Fall war. Ich sagte es schon: Die Zahl der Erwerbstätigen ist auf einem Rekordniveau, aber nicht nur die: Auch die Zahl der sozialver-sicherungspflichtig Beschäftigten steigt weiter an. Wir haben einen guten Trend bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Der Abbau der Jugendarbeits-losigkeit erfolgt nach Angaben der Bundesagentur im Augenblick schneller als der Abbau der Arbeitslosigkeit. Natürlich muss unser Schwerpunkt sein, die Situation von Langzeitarbeitslosen zu verbessern. Hier haben wir eine viel zu hohe Zahl von Menschen, die über mehr als ein Jahr in Arbeitslosigkeit sind. Natürlich haben wir auch das Problem, dass sich dies in den Zukunftschancen der Kinder widerspiegelt. Deshalb müssen wir hier ganz gezielt herangehen. Die Bundesarbeitsministerin hat hierzu erste Vorschläge gemacht. Es geht auch darum, faire Arbeitsbedingungen zu schaffen. Deshalb werden wir den Mindestlohn einführen; aber wir werden auch genau darauf achten – das wird in den abschließenden Beratungen jetzt auch getan –, dass dadurch keine Arbeitsplätze verloren gehen, sondern dass es gelingt, den Trend, mehr Beschäftigte in Deutschland zu haben, fortzusetzen. Wir wollen natürlich auch – ich habe vom Zusammenhalt der Generationen und von der Gerechtigkeit gesprochen – an alle Generationen denken. Deshalb war das Rentenpaket ein wichtiger Schritt in dieser Legislaturperiode. Es bringt Verbesserungen für Mütter, die vor 1992 ihre Kinder bekommen haben. Herr Gysi, an dieser Stelle will ich nur Folgendes sagen: Rechnen Sie einmal aus, um wie viel höher die Steuerzuschüsse des Bundes in den letzten Jahren im Vergleich zu dem sind, was für Mütterrenten bereits ausgegeben wurde. Dann werden Sie sehen, dass der Schritt, den wir jetzt unternehmen, gut verkraftbar ist. Im Übrigen haben wir gesagt, dass wir ab 2018 Steuerzuschüsse zur Mütterrente dazugeben. Ich finde, um ein Mindestmaß an Wahrheit zu gewährleisten, sollten Sie das auch einmal erwähnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) In der allgemeinen Diskussion wird vielleicht nicht ausreichend beachtet, dass im Rahmen des Rentenpaketes auch die Erwerbsminderungsrente verbessert wurde. Das ist ein ganz wichtiger Punkt; denn wenn wir uns die faktische, die reale Altersarmut von heute anschauen, stellen wir fest, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen ihren Arbeitsplatz früher verlassen mussten. Deshalb ist dies ein ganz wichtiger Schritt. Natürlich ist auch die abschlagsfreie Rente für Menschen, die 45 Jahre lang Beiträge geleistet haben, ein wichtiger Schritt – ohne dass wir die Rente mit 67 damit außer Kraft gesetzt hätten. Auch das muss einmal gesagt werden: Die Rente mit 67 ist nicht beliebt, aber sie ist angesichts der demografischen Herausforderungen notwendig. Für viele Menschen, an die wir vielleicht nicht jeden Tag denken, sind die Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Pflege ein ganz wichtiger Punkt. Dies ist eine der großen Aufgaben unserer Gesellschaft. Der kürzlich vom Kabinett beschlossene Entwurf eines Pflegestärkungsgesetzes, den wir zum 1. Januar 2015 konkret umsetzen wollen, ist ein erster wichtiger Schritt zu einer Reform der Pflegeversicherung. Wir werden die Leistungen für die Pflegebedürftigen genauso wie die Leistungen für die Pflegenden spürbar verbessern. Das geht einher mit einer angemessenen Beitragserhöhung – ja –, aber wir stehen aus Überzeugung dazu, weil wir sagen: Die Pflege und damit ein würdiges Leben im Alter sind für uns als Große Koalition ein Schwerpunkt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dabei werden vor allem Familien, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen, mehr Unterstützung bekommen. Für die Pflegeeinrichtungen soll die Arbeit leichter werden. Es sollen mehr Betreuungskräfte zur Verfügung stehen, und die Betreuungsleistungen werden weiter ausgebaut und auf alle Pflegebedürftigen ausgedehnt. Wir werden in einem zweiten Schritt in Richtung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs gehen. Diesbezüglich unterstütze ich den Gesundheitsminister absolut: Bei der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sollten wir Schritt für Schritt vorgehen; denn hiervon sind viele betroffen. Wenn am Ende auch nur wenige im Vergleich zu heute schlechtergestellt wären, würde das auf Unverständnis stoßen. Deshalb finde ich diese schrittweise Einführung absolut sachgerecht und praxisgerecht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD]) Wir haben auch die Belastungen für künftige Generationen im Blick. Deshalb beginnen wir mit Blick auf die Generationengerechtigkeit mit Maßnahmen zum Aufbau eines Vorsorgefonds für die Pflege. Ich glaube, das ist ein erster wichtiger Schritt. Er ist sicherlich noch nicht ausreichend, aber wichtig. So wichtig die ganzen Sachfragen bei der Pflege im Detail sind, will ich doch auch daran erinnern, dass die stillen Helden bei der Pflege zumeist die Mitglieder der Familien sind. Sie geben ihren zu pflegenden Angehörigen den notwendigen Halt. Sie stehen ihnen zur Seite, Tag und Nacht. Vielleicht würdigen wir sie manchmal zu wenig. Deshalb muss das im Zusammenhang mit dieser Pflegereform immer wieder erwähnt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) In dem Bereich der Pflege zeigt sich im Grunde, was das Fundament unserer Gesellschaft ist. In Familien wird nämlich dauerhaft Verantwortung füreinander übernommen: Eltern für Kinder, aber genauso Kinder später für ihre Eltern. Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade bei dem, was Familien heute besonders am Herzen liegt, weitere Schritte gehen, nämlich bei der Verfügbarkeit von Zeit. Dies ist wichtig für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Deshalb glaube ich, dass die Einführung des ElterngeldPlus und der Partnerschaftsbonus ein wichtiger weiterer Schritt sind. Spannend ist eigentlich, dass sich in den letzten Jahren die Diskussion über Familien richtigerweise immer weiter dahin entwickelt hat, dass wir heute eben nicht nur über Mütter, sondern über Eltern, also über Väter und Mütter, sprechen; denn nur so wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wirklich umfassend gelebt werden können, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe wieder und wieder gesagt, dass es auch unserem Land auf Dauer nur dann gut geht, wenn es auch Europa gut geht. Dieser Grundsatz leitet mich und die Bundesregierung auch bei dem morgen beginnenden Europäischen Rat. Ich bin überzeugt: Wenn sich Europa auf die Zukunftsfragen konzentriert, wird es das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger auch wieder zurückgewinnen können. Deshalb war es richtig, dass wir uns nach den Europawahlen zunächst Zeit für Konsultationen genommen haben, um auch über Inhalte und Personen zu sprechen. Deshalb werden wir auf dem jetzt kommenden Rat aus meiner Sicht ein überzeugendes Paket aus inhaltlichen Prioritäten und ersten Personalentscheidungen beraten können. Ich hoffe, dass das Ganze eine breite Unterstützung der Mitgliedstaaten finden wird. Der Ratsvorsitzende Herman Van Rompuy wird uns am Donnerstag über seine Konsultationen mit den Mitgliedstaaten, aber auch mit den Fraktionen des Europäischen Parlaments berichten. Die Bundesregierung tritt für Jean-Claude Juncker im Amt des nächsten Präsidenten der Europäischen Kommission ein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Hierzu brauchen wir im Rat eine qualifizierte Mehrheit. Ich will noch einmal darauf verweisen, dass dies in den Verträgen auch genauso niedergelegt ist. Es ist also kein Drama, wenn wir nur mit qualifizierter Mehrheit abstimmen würden. Allerdings – das habe ich auch immer wieder betont – erfolgen alle Konsultationen in einem europäischen Geist, was bedeutet, dass die Anliegen aller Mitgliedstaaten ernstgenommen werden. In diesem Geist werde ich die Konsultationen in den nächsten beiden Tagen auch führen. Für eine gute Zukunft der Europäischen Union zu sorgen, ist letztlich die gemeinsame Verantwortung aller, die in Europa politische Verantwortung tragen. Deshalb müssen die Institutionen, die Mitgliedstaaten, das Europäische Parlament und die Kommission gut zusammenarbeiten. Deshalb ist es auch gut, dass wir jetzt zum ersten Mal über inhaltliche Prioritäten nicht nur unter uns im Rat diskutieren, sondern dabei auch das Europäische Parlament konsultieren. Es wäre ein riesiger Fortschritt, wenn in den nächsten fünf Jahren auch klar sein würde, dass Rat und Parlament die gleichen Prioritäten setzen. Dies würde die Arbeit der Kommission erheblich erleichtern. Dazu gehört eine vertiefte Wirtschafts- und Währungsunion, die dennoch den Zusammenhalt der EU-28 erhält. Verstärkte Zusammenarbeit bedeutet immer Offenheit – alle für alle – und die Stärkung von Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung unter Berücksichtigung der sozialen Dimension. Die Arbeitslosigkeit ist natürlich das dringendste Problem in Europa. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist sich einig: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt bietet hervorragende Voraussetzungen: einerseits klare Leitplanken und Grenzen und andererseits eine Vielzahl von Flexibilitätsinstrumenten. Beides müssen wir nutzen, genauso wie es in der Vergangenheit auch schon genutzt wurde und wie wir es in unserem Koalitionsvertrag festgelegt haben. In dem Koalitionsvertrag bekennen wir uns zu den gestärkten Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Der Wachstumspakt erlaubt die notwendige Flexibilität, um eine wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung zu ermöglichen, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das hat der Wirtschaftsminister gemacht!) und er macht deutlich, dass stabiles Wachstum nur durch nachhaltige Strukturreformen erreicht werden kann, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Am zweiten Tag des Europäischen Rates werden wir dann ein relativ umfangreiches Programm haben. Es geht um drei weitere Themenbereiche: Erstens geht es um die strategischen Leitlinien für die Fortentwicklung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Es geht hier im Wesentlichen natürlich um die akuten Fragen der Asylpolitik, der Migrationspolitik. Dabei wird es um die Umsetzung des gemeinsamen europäischen Asylsystems in allen Mitgliedstaaten gehen. Diese muss hohe Priorität haben. Natürlich ist die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten ein wichtiges Prinzip, aber das setzt voraus, dass jeder Mitgliedstaat seiner eigenen Verantwortung in der Asylpolitik gerecht wird. Wir werden über das integrierte Grenzschutzsystem und dessen Weiterentwicklung sprechen und auch über die weitere Prüfung des sogenannten Smart-Border-Programms, also über alle Fragen, die mit der Grenzsicherung – Sie wissen, welch schwere Aufgaben Frontex zu leisten hat – zusammenhängen. Wir wollen die Rückgewinnung – auch das gehört zum Bereich der inneren Sicherheit, der Innenpolitik und der Justizpolitik – des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger im Bereich des Datenschutzes sicherstellen. Deshalb haben, wie ich schon sagte, die weiteren Beratungen der Datenschutz-Grundverordnung Priorität. Zweitens werden wir uns mit den für die weitere wirtschaftliche Entwicklung wichtigen Themen befassen. Die Lage in der Euro-Zone hat sich in gewisser Weise beruhigt. Der wirtschaftliche Aufschwung, das Wirtschaftswachstum, kehrt langsam zurück, aber die Krise ist noch nicht endgültig überwunden. Die Situation ist fragil. Es ist nach wie vor wichtig, dass in einigen Mitgliedstaaten Strukturreformen durchgeführt werden. Sie sind das Rückgrat eines dauerhaften Aufschwungs. Die Kommission gibt uns, jedem einzelnen Mitgliedstaat, mit ihren länderspezifischen Empfehlungen jedes Jahr Hinweise, wo Verbesserungen notwendig sind. Wir werden diese länderspezifischen Empfehlungen auf dem Rat im Juni, also übermorgen, beraten. Zur Wahrheit gehört, dass die Umsetzungsrate dessen, was die Kommission den einzelnen Ländern empfiehlt, nicht so gut ist, dass man sagen könnte: Hiermit können wir zufrieden sein. (Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deutschland hat einiges umgesetzt. Die Kommission erkennt im Übrigen in ihren länderspezifischen Empfehlungen von diesem Jahr an, dass wir seit dem letzten Jahr einiges gemacht haben. Aber ich gebe auch zu: Im Bereich der Dienstleistungen sind noch Hausaufgaben zu erledigen, mit denen wir uns zu befassen haben. Insgesamt, auf die anderen Mitgliedstaaten geschaut, gibt es eine große Lücke zwischen den Umsetzungen und der Zahl der länderspezifischen Empfehlungen. Deshalb treten wir als Bundesregierung dafür ein, dass die wirtschaftspolitische Koordinierung verbessert wird, damit hier mehr Verlässlichkeit einzieht. Wir haben dann beim Europäischen Rat darüber zu befinden, wie es mit dem Klima- und Energierahmen bis zum Jahre 2030 weitergeht. Hier werden keine endgültigen Entscheidungen gefällt, sondern wir werden eine Zwischendiskussion führen. Die endgültigen Entscheidungen werden im Oktober zu fällen sein. Wir brauchen verbindliche Ziele bei der Reduktion der Treibhausgase und beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Hier würde sich die Bundesregierung noch etwas mehr vorstellen können, als es die Kommission vorgeschlagen hat. Hinsichtlich der Energieeffizienz sollte die Kommission noch vor der Sommerpause einen Vorschlag für ambitionierte Ziele bis 2030 vorlegen. Ich glaube, das ist auch deshalb so wichtig, weil die Verbesserung der Energieeffizienz ein zentraler Punkt ist, wenn wir uns über die Verringerung der Abhängigkeit der Energieversorgung von Importen unterhalten. Das ist ja ein ganz aktuelles Thema. Deshalb wollen und müssen wir uns darüber klar werden, dass wir im Oktober endgültige Entscheidungen fällen und natürlich auch an einer gemeinsamen Energiepolitik in der Europäischen Union weiterarbeiten. Die Ereignisse in der Ukraine in jüngster Zeit haben uns noch einmal vor Augen geführt, wie abhängig wir von Energieimporten sind. Die Energieversorgung in Europa hängt zu über der Hälfte von Importen ab. Das heißt, jede gesparte Kilowattstunde ist ein Beitrag, um von Importen unabhängiger zu werden. Daran müssen wir arbeiten. Auf der Grundlage der Mitteilung der Europäischen Kommission werden wir uns zuerst einmal mit kurzfristigen Maßnahmen für den Winter 2014/2015 befassen. Dann müssen wir uns natürlich mittel- und langfristig mit der Frage der Versorgungssicherheit auseinandersetzen. Hier werden auch die Energieminister einen wichtigen Beitrag leisten. Der dritte Schwerpunkt – neben den Bereichen Innen und Recht sowie Wirtschaft, Klima und Energie – sind die Außenbeziehungen der Europäischen Union. Wir werden die Entscheidung des Rates für Auswärtige Angelegenheiten, dass Albanien den Status eines Beitrittskandidatenlandes bekommt, voraussichtlich bestätigen. Es wird bis zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen noch viele weitere Reformen und Umsetzungsfortschritte Albaniens brauchen, damit wir dann zu diesem nächsten Schritt kommen können. Die Bundesregierung und der Bundestag stehen hierüber ja in engem Kontakt. Es wird dann am Freitagmorgen am Rande des Rates zur Unterzeichnung der Assoziierungsabkommen und eines tiefen und umfassenden Freihandelsabkommens sowohl mit Moldau und Georgien als auch, was den Freihandelsteil betrifft, mit der Ukraine kommen. Dabei haben wir festgelegt, dass die Handelserleichterungen im Hinblick auf die Ukraine, um Handelsverwerfungen zwischen der Ukraine und Russland zu vermeiden, nicht sofort in Kraft gesetzt werden, sondern eine Verhandlungsphase eingebaut wird und darüber dann Gespräche zwischen der Kommission, Russland und der Ukraine stattfinden. Aber wir sind der Meinung, wir müssen hier zu Lösungen kommen. Ich habe immer wieder gesagt: Einerseits brauchen wir Verhandlungen mit Russland, auch über die Wirtschaftsfragen. Andererseits kann es kein Entweder-oder geben – entweder Handel mit Russland oder Handel mit der Europäischen Union –, sondern beides muss möglich sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir werden dann über den Antrag Litauens auf Beitritt zur Euro-Zone zum 1. Januar 2015 diskutieren; auch der Bundestag hat sich hiermit befasst. Mit Litauen tritt ein weiterer Mitgliedstaat der Euro-Zone bei. Das zeigt, dass der Euro attraktiv ist. Litauen ist ein Land, das durch einen harten Spar-, Konsolidierungs- und Strukturreformkurs gezeigt hat, dass es die Voraussetzungen erfüllen möchte. Dann wird uns natürlich die Lage in der Ukraine beschäftigen. Präsident Poroschenko wird nach der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens wahrscheinlich auch für kurze Zeit am Rat teilnehmen und uns über die Lage berichten. Präsident Poroschenko ist einen sehr mutigen Schritt gegangen, als er am letzten Freitag einen einseitigen Waffenstillstand verkündet hat. Wir müssen uns einmal vor Augen führen, was es bedeutet, wenn allein am gestrigen Tag elf Soldaten in der Ukraine ihr Leben verloren haben – neun durch den Abschuss eines Hubschraubers und zwei weitere – und eine Seite einseitig einen Waffenstillstand verkündet. Dieser Waffenstillstand läuft bis Freitag dieser Woche. Wir brauchen substanzielle Fortschritte, damit wir in dauerhafte Gespräche eintreten können. Die Erwartung der Ukraine ist natürlich, dass die Europäische Union auch reagiert, wenn nicht alle Seiten – dazu gehört auch Russland – einen notwendigen Beitrag leisten. Erste Schritte sind erfolgt. Gerade die gestrige Bitte an den Föderationsrat, den Verzicht auf die Vollmacht, dass in der Ukraine interveniert werden kann, zu erklären, ist in psychologischer Hinsicht ein wichtiger Punkt. Es war wichtig, dass Präsident Putin gestern den Abschuss des Hubschraubers verurteilt hat. Es ist wichtig, dass es in der betroffenen Region zu Gesprächen kommt. Aber ich sage auch: Bis jetzt werden nur langsam Fortschritte gemacht. Von den Separatisten sind drei Grenzübergänge zurückerobert worden, und die ukrainische Armee steht da und hat sich verpflichtet, nichts zu tun. An diesen Grenzübergängen gibt es immer wieder Bewegung. Die Bundesregierung, der Bundesaußenminister, viele andere und ich werden alles tun, damit wir in den nächsten Stunden bzw. wenigen Tagen Fortschritte erzielen. Aber ich kann Ihnen noch nicht sagen, zu welchem Schluss Präsident Poroschenko am Freitag kommt. Wir helfen, wo immer wir können, weil wir sagen: Diplomatische Lösungen sind allem anderen vorzuziehen. Ich wiederhole: Sie sind allem anderen vorzuziehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Aber wenn nichts anderes hilft, können auch wieder Sanktionen auf die Tagesordnung kommen, und zwar diesmal solche der dritten Stufe. Meine Damen und Herren, es gibt in diesen Wochen des großen Gedenkjahres 2014 eine intensive Auseinandersetzung mit den Gründen, die zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren geführt haben. Immer wieder steht die Frage im Raum: Was haben wir denn nun aus der Geschichte gelernt? Der deutlichste Unterschied zu damals ist: Es gibt heute eine umfassende Gesprächskultur in Europa. Staats- und Regierungschefs und Minister kennen sich persönlich, sprechen miteinander, tauschen sich aus, und – ja – sie streiten, wenn nötig von Angesicht zu Angesicht; aber sie reden miteinander. Der Europäische Rat, der morgen beginnt, macht die historische Bedeutung der europäischen Einigung noch einmal deutlich. Denn der Europäische Rat wird ungewöhnlich beginnen: Präsident Herman Van Rompuy hat die Regierungschefs dazu eingeladen, im belgischen Ypern gemeinsam des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren zu gedenken. Gerade die Schlachten in Flandern sind so etwas wie ein Sinnbild der Grausamkeit des technisierten Massenkrieges: In Ypern wurde zum ersten Mal Giftgas eingesetzt. Rund eine halbe Million junger Männer starb auf den Schlachtfeldern rund um Ypern – ein halbe Million junger Männer! Orte wie Ypern oder auch Verdun stehen für die Selbstzerfleischung eines ganzen Kontinents, Europas. Erfahrungen wie diese bilden auch den Hintergrund der Berliner Erklärung, die wir im März 2007 verabschiedet haben. Ich darf sie noch einmal zitieren: Wir haben mit der europäischen Einigung unsere Lehren aus blutigen Auseinandersetzungen und leidvoller Geschichte gezogen. Wir leben heute miteinander, wie es nie zuvor möglich war. Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union sind zu unserem Glück vereint. Wie dankbar wir für dieses Glück sein müssen, das zeigt sich dieser Tage auch an der Tragödie in Syrien und an der Lage im Irak. Der dramatische Vormarsch von ISIS hat die Lage in der Region natürlich noch weiter verschlechtert. Hunderttausende sind auf der Flucht. Der jordanische König war gestern zu einem Besuch in Berlin und hat mir noch einmal über die Lage in seinem Land berichtet. 20 Prozent der Bevölkerung Jordaniens sind inzwischen Flüchtlinge aus Syrien – unvorstellbar für ein Land, das sonst unter vielen fragilen Situationen zu leiden hat. Ähnliches gilt für den Libanon, und natürlich ist auch die Türkei betroffen. Deshalb werden wir in zwei Richtungen nicht nachlassen: Einmal werden wir daran mithelfen, dieses Leid zu lindern. Ich denke, die Anstrengungen der Bundesregierung sind beachtlich. Danke auch für die Unterstützung aus dem Parlament; aber auch das wird noch nicht ausreichen. Deshalb müssen wir zum anderen alles tun, um an politischen Lösungen zu arbeiten. Der Irak braucht eine Regierung, die alle Bevölkerungsteile mit einbezieht. Dies ist über Jahre nicht gelungen. Gerade deshalb muss der Druck hierauf jetzt erhöht werden. Herr Präsident, meine Damen und Herren, das Versprechen des Glücks des in Frieden und Freiheit vereinten Europas müssen wir für kommende Generationen schützen; das muss die Leitlinie unserer Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger sein. Nicht das Recht des Stärkeren wird sich dauerhaft durchsetzen, sondern die Stärke des Rechts; das ist unsere Überzeugung. Sie sichert Frieden, Freiheit und Wohlstand, und das ist heute Europa. Deshalb ist die Europäische Union trotz aller Schwierigkeiten attraktiv und ein gutes Zukunftsmodell. Das Modell des fairen Interessenausgleichs ist nach meiner festen Überzeugung nicht nur für Europa das Zukunftsmodell. Wer nur seine eigenen Belange in den Vordergrund stellt, schadet sich am Ende selbst am meisten. Am 28. Mai hatte ich die Gelegenheit, die Sonderausstellung des Deutschen Historischen Museums zum Ersten Weltkrieg mit vier jungen Leuten zu besichtigen und anschließend mit diesen vier jungen Leuten zu diskutieren. Eine Studentin aus Weißrussland sagte dabei, dass für sie die Europäische Union immer eine Art – Zitat – Schatztruhe gewesen sei, ein Ort von Modernität und Sicherheit, wie sie es aus weißrussischer Perspektive nannte. Lassen Sie uns Europa bei allem, was uns bewegt, wieder mehr mit den Augen dieser jungen Leute sehen: als einen Schatz von Frieden, von Freiheit, von Wohlstand und damit auch als einen Schatz für die Zukunft. Herzlichen Dank. (Lang anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Anhaltender Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Anton Hofreiter für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Kanzlerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist ein Land, das sehr viel kann. Es hat engagierte und solidarische Bürgerinnen und Bürger. Deutschland hat innovative Unternehmen, die in der ganzen Welt wirtschaftlich erfolgreich tätig sind. Wir haben kreative Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die bereits heute an den Lösungen von morgen und übermorgen arbeiten. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Es ist ein wohlhabendes, ein kreatives Land. Deutschland könnte erheblich zur Lösung der großen Probleme unserer Zeit beitragen, (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Machen wir!) sei es die Klimakatastrophe, sei es die Ungerechtigkeit in Europa und auch in Deutschland selbst oder seien es die humanitären Katastrophen in Syrien und im Irak. Warum, Frau Merkel, machen Sie und Ihre Regierung so wenig aus diesen Möglichkeiten? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Warum nutzen Sie die Potenziale unseres Landes, um die großen Zukunftsherausforderungen zu bewältigen, nicht? Das ist schlicht unverständlich. Aus dieser Regierung kommt Deutschland schwächer heraus, als es hi-neingegangen ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Fangen wir beim Bundeshaushalt an. Sie finden gute Ausgangsbedingungen vor: Die Steuereinnahmen sind hoch, und die Zinsen sind auch dank der vielgescholtenen EZB historisch niedrig. Sie haben alle Möglichkeiten, den Haushalt strukturell zu konsolidieren und mit den nötigen Zukunftsinvestitionen zu beginnen. Doch wie wenig machen Sie daraus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie treten auf der Stelle, Sie verwalten, Sie verharren, Sie schummeln wie Schulbuben. Kein Drive, keine Visionen, kein Mut: Das ist der Sound dieser Koalition. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wegen Steuerrückzahlungen und Mindereinnahmen mussten Sie unerwartet 3 Milliarden Euro finanzieren – weniger als 1 Prozent des Bundeshaushaltes. Sie haben aber nicht einmal den Mut, dieses 1 Prozent durch Sparen oder bessere Einnahmen solide zu finanzieren. Nein, Sie wetten auf niedrige Zinsen und eine rosige Konjunktur. Das ist das Gegenteil von solider Haushaltspolitik. Das ist schlicht das Prinzip Hoffnung. Da das alles noch nicht reicht, ziehen Sie in einer nächtlichen Sitzung wie ein billiger Zauberer einfach 800 Millionen Euro aus dem Hut. Das ist ein 800MillionenEuro-Kaninchen. Sie biegen sich die Steuerschätzung in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zurecht. So einen billigen Trick gab es noch nie. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben hier eine Mehrheit von 80 Prozent und schaffen es nicht, 1 Prozent zu sparen. Je größer die Koalition, desto kleiner sind offensichtlich ihre Entscheidungen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Hofreiter Toni, mehr Niveau!) Stattdessen verplempern Sie, Herr Kauder, munter das Geld der Bürgerinnen und Bürger. Können Sie sich noch erinnern? Gleich zu Beginn haben Sie sich diverse zusätzliche Staatssekretärsposten gegönnt und das Bundestagspräsidium aufgebläht. Jetzt schauen Sie einfach zu, Herr Dobrindt, wie Milliarden im märkischen Sand versickern beim Versuch, einen Flughafen zu bauen. Subventionen, erwiesenermaßen kontraproduktiv, die unserer Umwelt schaden, lassen Sie einfach weiterlaufen. Das ist pure Ideologie statt Vernunft. Sie gehen schlicht unverantwortlich mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler um. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dank all dieser Verschwendung haben Sie nicht mehr ausreichend Geld für Sinnvolles. Wo bleibt eine Offensive zur Reparatur unserer maroden Straßen und Brücken? Das schaffen Sie nicht. Es ist auch nicht drin, die internationalen Zusagen zur Entwicklungszusammenarbeit einzuhalten. Kriegen Sie es hin, mehr Geld für den Kampf gegen rechts zur Verfügung zu stellen? Laut Verfassungsschutzbericht nimmt die brutale Gewalt stark zu. Hier geht es um sage und schreibe 20 Millionen Euro. Nein, nicht einmal das kriegen Sie hin. Sie bleiben sehr weit unter den Möglichkeiten, die Ihnen dieser Haushalt bieten würde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sogar noch schlimmer: Sie hinterlassen allen nachfolgenden Regierungen riesige Probleme. Denn ungeniert plündern Sie unter Ihrer rot-schwarzen Fahne die Sozialkassen. Sie packen mal eben 160 Milliarden Euro an neuen Ausgaben auf die Schultern der Beitragszahler und Rentner. Für Ihr Rentenpaket zahlen die jungen Menschen am Ende doppelt: durch höhere Beiträge und niedrigere Renten. Die Finanzierung Ihres Rentenpakets ist schlicht unverantwortlich. Mit dem vielen Geld erreichen Sie dann auch noch so wenig. Denn an denjenigen, die bereits heute mehr Geld benötigen, also an den heutigen und künftigen armen Rentnerinnen und Rentnern, fließt Ihr schöner schwarz-roter Geldstrom komplett vorbei; sie bleiben leider arm. Das Gleiche gilt für die Menschen, die sich krankgearbeitet haben. Diese Menschen bräuchten unsere Solidarität. Für sie ist in Ihrem Rentenpaket aber praktisch nichts enthalten. Ihre Politik ist teuer und unsozial. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In unserem reichen Land lebt jedes fünfte Kind in Armut. Der Kinderschutzbund nennt das: „Arm dran in einem reichen Land.“ Diese Kinder haben schlechtere Chancen auf einen guten Bildungsabschluss. Ja, unser Bildungssystem verstetigt und verfestigt diese Ungerechtigkeit sogar noch. Das ist richtig skandalös. Was aber noch schlimmer ist, ist, wie wenig Chancen diesen Kindern geboten werden. Dreimal mehr Kinder aus Akademikerhaushalten machen Abitur als Kinder aus Nichtakademikerfamilien. Statt einer Bildungsrepublik, Frau Merkel, erleben die Kinder aus armen Schichten einen Ständestaat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutschland als eines der reichsten Länder dieses Planeten sollte doch wohl in der Lage sein, Kinderarmut und Chancenungleichheit zu beseitigen. Ihre Regierung aber verschenkt die Zukunft dieser Kinder mit erschreckender Gleichgültigkeit. Jedes Kind hat eine Chance verdient. Wir wollen gute Schulen und gute Kitas für alle Kinder. Es gibt zwar einen großen Konsens in dieser Gesellschaft und in diesem Haus, dass wir mehr Geld für Bildung ausgeben müssen, aber wir erreichen noch nicht einmal den Durchschnitt aller OECD-Länder. Ihre Antwort darauf ist ein Bildungspäckchen; mehr ist es nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie speisen die Länder am Ende mit Brosamen ab. Rechnen wir einmal aus, was Ihr Bildungspäckchen für ein Bundesland wie Bremen konkret bedeutet: Für Bremen kommen 2 Millionen Euro mehr für Kitaplätze heraus. Damit kann Bremen sein Personal um 1 Prozent aufstocken. Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst. Das ist doch kein Bildungspaket. Das ist absolut lächerlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nirgendwo ist die Diskrepanz zwischen warmen Worten von Ihnen, Frau Merkel, und bescheidenen Taten größer. Sie knausern bei der Bildung und setzen so Deutschlands Zukunft aufs Spiel. Frau Merkel, Sie reden immer davon, dass Deutschland seine Innovationskraft erhalten müsse. Dafür müsste die Große Koalition aber endlich einmal ihre Möglichkeiten nutzen und einen großen Schritt in Richtung Bildungsrepublik gehen. Stattdessen machen Sie ein paar Trippelschritte – mehr nicht. Sie verramschen de facto die Potenziale unseres Landes. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Völliger Unsinn!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Energiewende, der ökologische Umbau unserer Wirtschaft, ist eine historische Aufgabe. Hier wird die Zukunftsvision einer nachhaltigen Lebensweise konkret: kein Raubbau mehr an den Schätzen unseres Planeten, keine Verschwendung mehr von Energie und endlichen Ressourcen, stattdessen Riesenchancen für die Wirtschaft, für die Menschen, für unsere gemeinsamen Lebensgrundlagen. Wir wollen 100 Prozent erneuerbare Energien, statt Öl, Gas und Kohle von Putin und Saudi-Arabien zu kaufen. Wir wollen Wertschöpfung hier vor Ort statt Milliarden für Diktatoren. Deutschland könnte Standort Nummer eins für nachhaltige Technologien sein. Das können unsere Bürgerinnen und Bürger, das können auch unsere innovativen Unternehmen schaffen. Heute gibt es dank des technischen Fortschritts erneuerbare Energien, mit denen Strom billiger produziert werden kann als mit jedem Kohlekraftwerk. Wir haben die technischen Mittel, um von endlichen Ressourcen wegzukommen und so die Grenzen des Wachstums ein Stück weit zu verschieben. Aber Sie, Frau Merkel, Sie, Herr Gabriel, machen aus diesen Möglichkeiten nichts. Im Gegenteil: Sie ignorieren den ökologischen Umbau und sabotieren de facto auch noch die Energiewende. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Gabriel, die EEG-Reform sollte doch Ihr Meisterstück als Superminister werden. Und nun? Nun entpuppt sie sich als handwerklich schlecht gemachtes Stückwerk. Es ist mir wirklich völlig unverständlich, warum Sie es in den letzten vier Monaten nicht geschafft haben, eine vernünftige Beratungsgrundlage zu erarbeiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es geht doch hier nicht um ein paar Details. Die Regelungen zur Eigenstromumlage haben dramatische Auswirkungen auf eine ganze Branche, auf Tausende von Arbeitsplätzen. Niemals würden Sie es wagen, mit traditionellen Industriebranchen, wie zum Beispiel der Autoindustrie, so umzugehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Aber bei der Photovoltaik sind Sie wenig zimperlich. Mit der spielen Sie einfach russisches Roulette. Eine Verabschiedung der EEG-Novelle in dieser Woche ist weder parlamentarisch noch fachlich zu verantworten. Ihr Umgang mit dem Parlament, einfach über Nacht 200 Seiten an Änderungsanträgen, die noch nicht einmal vernünftig abgestimmt worden sind, in die Beratung zu geben, ist schlichtweg eine Unverschämtheit. Das sollten auch Sie sich aus den großen Fraktionen nicht gefallen lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Das Schlimme ist, dass dieser handwerkliche Murks nur die Spitze des Eisberges ist. Herr Gabriel, Sie stecken einfach extrem tief im Kohlezeitalter fest. Sie stecken unter Tage fest wie in der Riesending-Höhle. Es wird uns verdammt viel kosten, Sie dort am Ende he-rauszuholen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Na, na, na!) Deutschland kann kein Kohleland bleiben und erfolgreich eine weltweit glaubwürdige Energiewende stemmen. Während der Kohlestrom unsere Netze überschwemmt, fließen Milliardengewinne an die großen Energiekonzerne. Aber diese Milliardengewinne sind schlicht schmutziges Geld; denn RWE, Eon und Vattenfall kassieren diese Gewinne auf Kosten des Klimas und damit auf Kosten unser aller Zukunft – und das mit Ihrer Zustimmung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie, Herr Gabriel, haben einfach dem Lobbydruck aus Gewerkschaften und Industrie nachgegeben. Sie befreien die schmutzige Braunkohle von der EEG-Umlage. Sie waren doch schon einmal weiter. Kommen Sie doch endlich einmal raus aus Ihrem Kohleflöz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ein Niveau wie im Bayerischen Landtag!) Wissen Sie, der Mai 2014 war der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Es wird bloß leider nicht bei wärmerem Wetter bleiben. (Unruhe) – Es würde Ihnen von der Union nicht schaden, einmal zuzuhören. Gerade bei dem Thema Klimakatastrophe könnten Sie verdammt viel lernen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Dann muss die Rede besser sein! Wenn Sie eine vernünftige Rede halten, dann hört man auch zu!) Es würde Ihnen verdammt noch mal wirklich nicht schaden, wenn Sie einmal etwas Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder übernehmen würden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Warum habt ihr euch eigentlich gedrückt? Warum koaliert ihr denn nicht mit denen? – Volker Kauder [CDU/CSU]: „Verdammt noch mal“ ist auch keine Sprache!) Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, das auch Ihre Bundesregierung berät – es sollte auch einmal die Regierungsfraktionen beraten –, stellte kürzlich fest: Im weltweiten Klimasystem sind bereits erste Kipppunkte überschritten worden: Das Eis der Westantarktis schmilzt unwiederbringlich ab. Das hat zur Folge, dass der Meeresspiegel weiter steigen wird und wir für Millionen von Menschen eine neue Heimat finden müssen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Oh Gott, oh Gott!) Die Stürme werden heftiger werden und die Landwirtschaft auch in Europa durch Extremwetter massiv -erschwert. Wir gefährden durch die Klimakatastrophe unsere eigenen Lebensgrundlagen und die Lebensgrundlagen unserer Kinder und Kindeskinder. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber Sie, Frau Merkel, schenken dem Klimaschutz kaum noch Aufmerksamkeit. Wie sieht denn Ihre Schwerpunktsetzung aus? Für das hochproblematische TTIP-Abkommen setzen Sie sich mit voller Kraft ein. Dafür haben Sie Zeit. Dafür sind Sie sogar bereit, beim Datenschutz gegenüber den USA nachsichtig zu sein. Für den Klimaschutz dagegen finden Sie keine Energie. Dafür haben Sie keine Kraft. Ja, Sie schlagen sogar die Einladung des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon zum Klimagipfel einfach aus. Das ist bezeichnend für Ihre Prioritäten, die in einer Welt von gestern und vorgestern verharren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ähnlich bezeichnend ist, wen Sie für Deutschland nach Brüssel schicken wollen: ausgerechnet Günther Oettinger, den Mann, der für Atom und Kohle steht, der Fracking einführen will und den Ausbau erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz bekämpft. Das ist eine verräterische und gleichzeitig grausam falsche Personalentscheidung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU) Das ist keine Entscheidung für die Politik von gestern, sondern für die Politik von vorgestern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen wir die Vorhaben Ihres ersten Halbjahres: vom Rentenpaket über die EEG-Reform bis zum Bildungspäckchen. Hinter plakativen Überschriften verbergen sich mikroskopisch kleine Schritte, wo große Sprünge nötig wären. Sie regieren unser Land weit unter seinen Möglichkeiten, Frau Merkel. „Deutschland kann mehr.“ – Können Sie sich noch daran erinnern, Frau Merkel? Sie lassen die Potenziale unseres Landes brachliegen. Um sie auszuschöpfen, müsste diese Regierung sich anstrengen. Sie bräuchte den Mut zur Gestaltung, den Mut zur Veränderung und auch den Mut, Widerstände zu überwinden. Aber genau der Mut fehlt Ihnen. Trauen Sie sich doch endlich einmal etwas! Das gilt ganz besonders für die Damen und Herren der Union. Konsequente Energiewende? Sie sind dagegen. Gerechte Finanzierung unseres Gemeinwesens? Sie sind dagegen. Subventionsabbau? Sie sind dagegen. Hauptsache, keine Veränderungen. Das ist im schlechtesten Sinne konservativ. Wissen Sie, was Sie sind, meine Damen und Herren von der Union? Sie sind eine 40-Prozent-Dagegenpartei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Haha! Haha! Haha!) – Es ist schon ärgerlich, Herr Kauder, wenn man die Kanzlerin stellt und sich trotzdem mit nichts anderem brüsten kann als damit, dass man einige Dinge verhindert hat. Aber, wie gesagt, das ist Ihr Problem und leider auch das des Landes. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Mit Ihnen könnten wir uns sowieso nicht brüsten!) Das Problem ist nur: Die Zeche für diese vermurkste Politik zahlen am Ende unsere Kinder. Ihre Politik ist ein Schlag ins Gesicht der nachfolgenden Generationen. Sie machen wirklich wenig aus den Möglichkeiten unseres Landes. Ebenso sehr vernachlässigen Sie die Verantwortung, die das Potenzial und die Stärke unseres Landes mit sich bringen. Unsere gemeinsame Heimat Europa steckt nach wie vor in der Krise. Mit den Europawahlen ist deutlich geworden: Es ist nicht nur eine ökonomische Krise, sondern auch eine Krise der Legitimation. So viele wie nie haben Europagegner gewählt: AfD, Front National, FPÖ. Diese Leute haben nichts Gutes vor mit unserer gemeinsamen Heimat Europa. Es gilt mehr denn je, den Kampf gegen sie aufzunehmen, statt das Problem einfach auszusitzen, wie Sie, Herr Kauder, es vorgeschlagen haben. Doch statt Demokratie und Transparenz nach vorne zu stellen, mauscheln Sie einfach weiter im Hinterzimmer. Es ist beinahe absurd, dass ich als Grüner Sie dazu drängen muss, Ihren konservativen Spitzenkandidaten zum EU-Kommissionspräsidenten zu machen. Hören Sie endlich auf, das Wahlergebnis zu missachten! Hören Sie endlich auf mit dieser Mauschelei und Hinterzimmerpolitik! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ausgang der Europawahlen war ein Ausdruck eines tiefen Zweifels daran, dass es in Europa gerecht und solidarisch zugeht. Sie zeigen ein zunehmendes Misstrauen gegenüber Deutschland. Frau Merkel, Sie haben die Gräben in Europa größer werden lassen. Wir brauchen endlich einen Kurswechsel für Europa. Wir müssen endlich beginnen, neue Brücken in Europa zu bauen. Aber von einem Kurswechsel – nicht einmal von einem ernsthaften Nachdenken über den bisherigen Kurs – ist von Ihnen nichts zu hören. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Gott sei Dank!) „Die EU ist keine Sozialunion“: Das haben Sie selbst, Frau Merkel, den Menschen zugerufen, die sich nach einem gerechteren Europa sehnen. Das war Ihre Ansage an die Verlierer des Wettbewerbs in Europa, ein Satz, wie ihn die AfD nicht kälter hätte formulieren können. Europa baut aber auf ökonomische Stärke sowie auf Solidarität und Ausgleich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist die historische Lehre aus den barbarischen Kriegen im 20. Jahrhundert. Die Idee der Europäischen Union ist, den Wettstreit, den Wettbewerb durch eine gemeinsame Politik der Solidarität und des Ausgleichs in eine menschlichere Richtung zu lenken. Die Menschen wollen ein anderes Europa, ein sozialeres Europa. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit und des Absturzes der Mittelschicht in vielen Ländern Europas kann man nur sagen: Man kann sich nicht aus der Krise heraussparen. Man kann allerdings auch nicht einfach ziellos Schulden machen und weiterhin Geld für irgendwelche Strohfeuer zum Fenster hinauswerfen, wie es leider alte sozialdemokratische Tradition war. Was wir stattdessen brauchen, ist ein Green New Deal, also Investitionen in Branchen und Technologien der Zukunft. Das würde den Krisenländern auf Dauer helfen und die Wirtschaft unseres Kontinents auf einen nachhaltigen Kurs bringen. Dafür brauchen wir keine neuen Schulden. Wir müssen den Stabilitätspakt noch nicht einmal aufweichen. Aber wir brauchen das Geld, das den Staaten Europas sowieso zustehen würde. Wir brauchen einen europäischen Steuerpakt gegen Steuertricks, damit sich Starbucks, Amazon, Ikea oder BASF nicht länger vor ihrem Beitrag zum Gemeinwesen drücken können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es kann ja wohl nicht sein, dass das Café hier bei uns um die Ecke bald mehr Steuern zahlt als der gesamte Starbucks-Konzern. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau Merkel, der europäische Steuerpakt wäre ein solidarisches Projekt. Setzen Sie sich doch endlich einmal dafür ein, die Kosten der Krise gerecht zu verteilen! Nutzen Sie doch endlich einmal Ihre große Macht in Europa für mehr Solidarität und Fairness! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unser Bundespräsident Joachim Gauck hat immer wieder die internationale Verantwortung betont, die sich aus unserem Wohlstand ergibt. Wer auf das Leid und die Konflikte der Welt schaut, kann ihm nur zustimmen. Bevor Sie, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, wieder laut „Imperialismus!“ schreien, hören Sie noch zwei Minuten zu. Es ist von Herrn Gysi oder Frau Wagenknecht genauso unsinnig wie von Frau von der Leyen, daraus zuallererst wieder einmal eine Debatte über Militäreinsätze abzuleiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Solche Einsätze können und dürfen nur das allerletzte Mittel sein, genauso wie wir das hier im Bundestag in den letzten zehn Jahren gemeinsam und verantwortungsvoll diskutiert haben. Aber wie ist es sonst um Deutschlands internationale Verantwortung bestellt? Richter, Polizisten und Justizberater sind Fachkräfte, die die UN zur Prävention und zur Lösung von Krisen braucht. Nehmen wir als Beispiel nur die Zahl der deutschen Polizisten im UN-Einsatz: 19! Ich danke jedem einzelnen von ihnen für seinen schwierigen Einsatz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Aber gemessen an Deutschlands Möglichkeiten sind es viel zu wenige. Bei der Entwicklungshilfe liegt Deutschland weit unter dem Schnitt der reichen Industrieländer. Deutschland liegt an zwölfter Stelle. Es ist ein reiches Land. Aber diese Regierung unternimmt so wenig für eine gerechtere Welt. Das ist einfach beschämend für uns alle. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ja, Deutschland engagiert sich bei der Flüchtlingshilfe in Syrien. Aber wir könnten viel mehr tun. Aktuell sind mehr als 9 Millionen Syrer auf der Flucht. Allein der Libanon mit 4 Millionen Einwohnern nimmt 1 Million Flüchtlinge auf. Die Nachbarstaaten Syriens drohen unter dieser Last zusammenzubrechen. Wenn nun auf Initiative der Bundesländer – wohlgemerkt: nicht auf Initiative des Bundes – weitere 10 000 Menschen aus Syrien legal nach Deutschland einreisen dürfen, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Das ist eine glatte Fehlinformation!) dann ist das für jeden einzelnen Betroffenen eine gute Nachricht. Aber mehr als 60 000 Frauen, Männer und Kinder haben einen Antrag gestellt. Diese lassen Sie einfach in den Flüchtlingslagern zurück. Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an Schweden. Dieses Land nimmt – in Relation zur Bevölkerung – zehnmal mehr Flüchtlinge auf. Die Aufnahme weiterer 10 000 Flüchtlinge ist angesichts der Möglichkeiten Deutschlands kein Zeichen großer Verantwortungsbereitschaft. Deutschland kann auch auf diesem Feld deutlich mehr. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus großer Kraft folgt große Verantwortung – für unseren Planeten, für ein nachhaltiges Wirtschaften, für Menschen, denen das Schicksal nicht so hold war wie uns hier, für eine gute Zukunft für unsere Kinder. Dieser Verantwortung stellen sich viele Bürgerinnen und Bürger. Sie tun das nicht. Unser Land kann mehr. Ob Ihre Regierung mehr kann, bezweifle ich. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Thomas Oppermann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Thomas Oppermann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Bundestagspräsidenten dankbar, dass er Gregor Gysi daran erinnert hat, dass wir bei Debatten über den Bundespräsidenten in diesem Parlament korrekt zitieren müssen. Das erscheint wie ein leichtes Vergehen, ein Kavaliersdelikt, hat aber enorme Konsequenzen; denn wenn die erste Reihe falsch zitiert, dann fühlen sich die zweite und die dritte Reihe ermuntert, so richtig zuzuschlagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Das, Herr Gysi, hat ein Kollege von Ihnen aus dem brandenburgischen Landtag getan. Wir konnten heute in der Zeitung lesen, was er bei Facebook gepostet hat. Er schreibt zu Joachim Gauck: Mancher bleibt sich treu. Andere werden Bundespräsident und widerliche Kriegshetzer. Eine so unglaubliche Schmähkritik am Bundespräsidenten habe ich noch nie gelesen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN) Nun will ich Ihnen sagen, Kollegen von der Linkspartei, warum wir Sozialdemokraten sensibel reagieren, wenn demokratisch gewählte Staatsoberhäupter oder Staatspräsidenten mit einer solchen Schmähkritik überzogen werden; denn das war die Strategie der Nazis in der Weimarer Republik gegen Reichspräsident Ebert. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der LINKEN – Katja Kipping [DIE LINKE]: Also, jetzt reicht es!) Nun ist ganz klar, dass ich Sie damit nicht in Verbindung bringen will. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Nazivergleiche sind echt nicht angemessen!) So etwas würde Gregor Gysi selber auch niemals tun, aber durch Ihre demagogische Verdrehung der Äußerungen des Bundespräsidenten legen Sie die Grundlage für solche unglaublichen Entgleisungen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katja Kipping [DIE LINKE]: Mit Verlaub, das nehmen Sie zurück!) Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung ist jetzt seit sechs Monaten im Amt. Ich finde, was die Koalition in dieser Zeit umgesetzt hat, kann sich sehen lassen. In der letzten Sitzungswoche war es das Rentenpaket, in dieser Woche ist es die Reform des Gesetzes über die erneuerbaren Energien, und in der nächsten Woche kommt der gesetzliche Mindestlohn. Wir haben in den ersten sechs Monaten viel geleistet, was uns voranbringt. Bei dieser Politik geht es immer um eine klare Leitlinie. Es geht darum, alles dafür zu tun, dass wir unsere Wirtschaftskraft erhalten, unseren Wohlstand sichern und gleichzeitig dafür sorgen, dass alle Menschen an diesem Wohlstand teilhaben können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich denke, wir haben auch bei schwierigen und kon-troversen Themen deutlich gemacht, dass wir vernünftig zusammenarbeiten können. CDU, CSU und SPD sind nicht auf die Welt gekommen, um eine Große Koalition zu bilden. (Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was! Ernsthaft?) Wir sind auch keine Wunschpartner, aber wir sind trotzdem in der Lage, den Willen und die Fähigkeit zum Kompromiss zu zeigen. Für diese Zusammenarbeit, mit der wir schon eine ganze Menge erreicht haben, möchte ich mich bei Volker Kauder, bei Gerda Hasselfeldt und bei den Kollegen der Unionsfraktion ganz herzlich bedanken. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Eine ganze Menge erreicht haben wir auch beim Bundeshaushalt 2014. Wir haben gezeigt, dass wir einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorlegen können, und wir haben es geschafft, eine Deckungslücke von 3 Milliarden Euro ohne weitere Schulden zu schließen. Das ist auch ein starkes Signal dafür, dass wir es 2015 schaffen werden, einen voll ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Denn eine Haushaltspolitik zulasten der jungen Generation darf es in Zukunft nicht mehr geben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Morgen wird der Europäische Rat eine Entscheidung über die Spitze der Europäischen Kommission vorbereiten. Es ist gut, dass sich jetzt eine Lösung abzeichnet, die das Ergebnis der Europawahl widerspiegelt. Weil die -extremen Ränder des Europäischen Parlamentes stärker geworden sind, brauchen wir jetzt eine starke proeuropäi-sche Koalition im Zentrum. Niemand will und niemand kann wollen, dass Großbritannien die EU verlässt. Aber es kann auch kein Recht auf ein Veto gegen erfolgreiche Spitzenkandidaten geben. Dass sich das Europäische Parlament ungefragt zu Wort gemeldet hat, als der EVP-Spitzenkandidat demontiert zu werden drohte, das war nicht anmaßend, sondern völlig in Ordnung. Denn wenn es am Ende ohne das Parlament nicht geht, dann muss das Parlament auch schon am Anfang mitreden können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das Parlament hat die Gunst der Stunde genutzt, und deshalb ist es gestärkt aus diesem Konflikt hervorgegangen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Egal ob Gesetzgebung oder Haushaltsaufstellung: Dieses Parlament hat sich seine Zuständigkeiten in den vergangenen Jahrzehnten Schritt für Schritt hart erkämpft. Was jetzt noch fehlt, ist ein Recht zur Gesetzesinitiative und ein Recht, den Kommissionspräsidenten vorzuschlagen. Das muss in Zukunft kommen. Ich bin ganz fest davon überzeugt: Fortschritte bei der Vertiefung der Europäischen Union werden nur gelingen, wenn das direkt durch die Unionsbürger legitimierte Parlament in Zukunft weiter gestärkt wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, 10 Millionen Wähler haben in Europa rechtspopulistische oder rechtsextreme Parteien gewählt. Das darf uns nicht kaltlassen. Deshalb darf es bei dem bevorstehenden EU-Gipfel nicht nur um die Person des Präsidenten der EU-Kommission gehen; vielmehr brauchen wir auch eine Reformagenda mit klaren Maßnahmen für die nächsten fünf Jahre, ein Programm, durch das die Wirtschaftskrise überwunden wird und durch das endlich die horrende Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union beseitigt wird. Wir dürfen es nicht hinnehmen, dass einer ganzen Generation in Europa die Zukunft verstellt wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Europa kann nur funktionieren, wenn es wirtschaftlich erfolgreich ist; darauf hat die Bundeskanzlerin hingewiesen. Deshalb ist es von entscheidender Bedeutung, dass Italien, Spanien und Frankreich auf einen Wachstumskurs zurückkehren. Das ist diesen Ländern bisher nicht gelungen. In diesen Ländern ist das Haushaltsdefizit nach wie vor hoch, und es fehlt nach wie vor an durchgreifenden Reformen, wie sie zum Beispiel in Deutschland unter Bundeskanzler Gerhard Schröder auf den Weg gebracht worden sind. Die schlechte wirtschaftliche Lage führt zu politischer Instabilität. Dass nach dem Europawahlergebnis nicht mehr ausgeschlossen werden kann, dass die nächste französische Präsidentin Marine Le Pen heißt – in zwei Jahren könnte es so weit sein –, halte ich für eine politische Katastrophe. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Da muss man nach den Ursachen suchen!) Wie soll die deutsch-französische Achse im Zentrum der Europäischen Union mit einer rechtsextremen Präsidentin funktionieren? Das kann sich kaum einer vorstellen. Deshalb muss uns sehr daran gelegen sein, dass sich Frankreich und Italien wirtschaftlich wieder erholen. Wir sind uns darüber einig, dass das auf der Grundlage des Stabilitätspaktes geschehen muss. Dieser Stabilitätspakt ist nämlich nicht nur ein Stabilitätspakt, sondern auch ein Wachstumspakt. Er wurde 2005 so angepasst, dass den reformwilligen Ländern geholfen werden kann. Schon deshalb wollen und brauchen wir keine Änderungen an diesem Stabilitätspakt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Der Pakt enthält alle notwendige Flexibilität, um mit einer wachstumsfreundlichen Konsolidierung zugleich den Haushalt sanieren und Wachstum fördern zu können. Genau diese Möglichkeiten sollen jetzt besser ausgeschöpft werden. Die Grundidee dahinter ist so einfach wie richtig: Wir gewähren mehr Zeit zum Abbau der Defizite, aber Zug um Zug gegen verbindliche Strukturreformen. Diese Reformen müssen dann auch wirklich kommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Die Zeit kommt von selbst, aber die Reformen kommen nicht von selbst. Solche Strukturreformen erfordern enorme politische Anstrengungen. Wir Sozialdemokraten wissen, wovon wir reden. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Die haben euch fast umgebracht!) Frankreich ist unser wichtigster Wirtschafts- und Handelspartner. Italien ist ähnlich wichtig für uns. Wenn es diesen beiden Ländern auf Dauer schlecht ginge, dann würde das auch an uns nicht spurlos vorübergehen. Deshalb liegt es in unserem eigenen Interesse, alles dafür zu tun, dass diese beiden Länder wieder auf die Beine kommen. Europa muss wieder gemeinsam wachsen. Das ist die Linie dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch nach der erfolgreichen Wahl ist eine friedliche, stabile Entwicklung in der Ukraine immer noch nicht gewährleistet. Ich danke dem Außenminister und der Bundeskanzlerin, dass sie unermüdlich aktiv sind, um den Waffenstillstand, die Waffenruhe in der Ukraine aufrechtzuerhalten und um eine friedliche Entwicklung in diesem Land zu gewährleisten. Das ist eine Außenpolitik, in der sich die ganzen Koalitionsfraktionen uneingeschränkt wiederfinden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Im Nahen Osten ist jetzt eine Terrorgruppe entstanden, vor der sich die ganze Welt fürchtet. Die Region zwischen Syrien und Irak droht zu einem Schlachtfeld von Gotteskriegern und religiösen Fanatikern zu werden, wie es Frank-Walter Steinmeier formuliert hat. Der große Zulauf zur islamistischen Bewegung ISIS ist die Folge einer verfehlten Innenpolitik der Regierung -Maliki. Sie hat sunnitische Minderheiten ausgegrenzt und diskriminiert. Dann kam der Syrien-Krieg noch hinzu als ein weiterer Katalysator. Aber der Zulauf ist auch eine fatale langfristige Folge des völlig verfehlten Irakkriegs von 2003 und der anschließenden Politik der Bush-Administration. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) Der US-Einmarsch in 2003 hat den Menschen im Irak keinen Frieden gebracht, sondern er hat eine Region langfristig destabilisiert. Das sind die Konsequenzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir haben uns damals zu Recht gegen die Teilnahme am Irakkrieg entschieden, und auch heute gibt es für Deutschland im Irak keine militärische Option. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich danke der Bundeskanzlerin, dass sie das klargestellt hat; unsere Aufgabe ist es, stabile politische Lösungen zu fördern. Verantwortung sollten wir dort übernehmen, wo wir sehr konkret gefragt sind, und das betrifft das Engagement für die vom Bürgerkrieg betroffenen Menschen. Immer mehr Menschen kommen nach Deutschland. Sie wollen hier arbeiten und suchen Schutz vor Krieg und politischer Verfolgung. Im letzten Jahr gab es in Deutschland 120 000 Asylbewerber. In diesem Jahr werden es vielleicht bis zu 200 000. Hinzu kommen wie im letzten Jahr wahrscheinlich 400 000 Einwanderer. Weltweit haben wir im Augenblick die höchsten Flüchtlingszahlen. Der UNHCR hat auch festgestellt, dass in Deutschland die meisten Asylanträge gestellt werden. (Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) In Europa nimmt Deutschland auch die meisten Flüchtlinge aus Syrien auf. Das ist überhaupt kein Grund, uns stolz auf die Schulter zu klopfen. Aber was wir jetzt auf gar keinen Fall gebrauchen können, ist eine parteipolitische Polarisierung in der Flüchtlingsfrage, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gerade mit Blick auf die wieder ansteigende Zahl von Gewalttaten, von rechtsextremistischen Straftaten gegen Flüchtlinge haben wir alle miteinander eine große Verantwortung dafür, dass die Flüchtlinge in Deutschland auf- und angenommen werden. Wir müssen die gesellschaftlichen Voraussetzungen für die Akzeptanz von Asylbewerbern und Flüchtlingen schaffen, zum Beispiel indem wir ihnen angemessene Unterkünfte verschaffen oder für die rasche Erteilung einer Arbeitserlaubnis sorgen. Aber vor allem gehört zu einer verantwortlichen Flüchtlingspolitik, dass wir uns nicht überall gleichmäßig anstrengen, sondern dass wir dort am stärksten helfen, wo die Not am größten ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb danke ich der Innenministerkonferenz, dass Bund und Länder ihr Aufnahmeprogramm für Syrer, vor allem im Bereich des Familiennachzuges, noch einmal deutlich ausgeweitet haben; denn in Syrien herrscht die größte humanitäre Katastrophe unserer Zeit. Das allerdings ist auf dem Westbalkan anders, trotz der teilweisen Diskriminierung mancher Bevölkerungsgruppen, die es dort zweifellos gibt. Mit Serbien laufen EU-Beitrittsverhandlungen. Mazedonien ist ein Land mit Kandidatenstatus. Mit Bosnien-Herzegowina gibt es ein Assoziierungsabkommen. In diesen Ländern haben wir andere Möglichkeiten, die Menschenrechte durchzusetzen, als den Betroffenen ein aussichtsloses Asylverfahren in Deutschland anzubieten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es kann doch nicht sein, dass wir die Menschenrechtsprobleme bei EU-Anwärtern mithilfe des deutschen Asylrechtes lösen. Da müssen wir anders eingreifen. Deshalb ist es sinnvoll, wenn wir Asylbewerbern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in ihren Heimatländern keiner politischen Verfolgung ausgesetzt sind, schneller eine Antwort auf ihren Asylantrag geben können. Deshalb appelliere ich auch an die Grünen: Lassen Sie uns gemeinsam für Akzeptanz für Flüchtlinge werben, um ihnen schneller die Möglichkeit zu geben, in Deutschland zu arbeiten. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hä?) Aber lassen Sie uns auch gemeinsam Prioritäten setzen, (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sollten Sie besser an die CSU und Ihren Koalitionspartner appellieren!) um bei denjenigen, deren Asylanträge aussichtslos sind, keine falschen Hoffnungen zu wecken. Meine Damen und Herren, zu einer erfolgreichen -Integrationspolitik gehört auch ein klares Signal an die Menschen, die mit zwei Staatsbürgerschaften in Deutschland leben. Wir wollen junge Menschen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, nicht mehr zwingen, sich als Deutsche gegen die Heimat und die Herkunft ihrer Eltern und Großeltern zu wenden. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU]) Deshalb ist die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft ein großer Schritt in der Integrationspolitik. Er ist längst überfällig; denn Deutschland braucht ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht. Für die doppelte Staatsbürgerschaft gibt es inzwischen eine breite gesellschaftliche Zustimmung. Deshalb appelliere ich auch hier an die Grünen: Lassen Sie uns diesen bedeutenden Schritt in der Einwanderungs- und Integrationspolitik gemeinsam gehen. Meine Damen und Herren, die Koalition hat vereinbart, dass der Bund 2015 die Finanzierung des BAföG vollständig übernehmen wird und die Länder so mehr Geld für Investitionen in Bildung haben. Das ist eine wichtige Entscheidung; denn wir alle teilen die Grundüberzeugung: Bildungschancen dürfen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das war die Überzeugung von Willy Brandt, als er 1971 das Bundesausbildungsförderungsgesetz einführte. Dieser Satz ist auch heute noch das Fundament unserer Bildungspolitik. Willy Brandt reagierte damals auf die deutsche Bildungskatastrophe, vor der der Pädagoge Georg Picht Ende der 60er-Jahre warnte. Pichts Analyse war: zu wenig Abiturienten, zu wenig Studenten und kaum Aufstiegschancen im dreigliedrigen Schulsystem. Er prophezeite damals: Der bisherige wirtschaftliche Aufschwung wird ein rasches Ende nehmen, wenn uns die qualifizierten Nachwuchskräfte fehlen, … Wenn das Bildungswesen versagt, ist die ganze Gesellschaft in ihrem Bestand bedroht. Meine Damen und Herren, das BAföG war eine wegweisende sozialpolitische Antwort auf Pichts alarmierenden Befund. Heute haben wir weitaus mehr Studienanfänger als zur damaligen Zeit. Insofern hat das BAföG etwas bewegt. Aber immer noch gilt: Der Bildungserfolg ist in Deutschland wie in keinem anderen industrialisierten Land dieser Welt abhängig von der sozialen Herkunft der jungen Menschen. Die Chance, dass Akademikerkinder ein Abiturzeugnis erhalten, ist in vielen Ländern sechsmal höher als bei Arbeiterkindern. Ich finde, hier können wir nicht gleichgültig sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir dürfen nicht hinnehmen, dass in Deutschland Bildung gleichsam schichtenspezifisch vererbt wird. Vor diesem Hintergrund ist es ein großer Fortschritt, dass sozialer Aufstieg mithilfe von BAföG künftig nicht mehr von der Kassenlage der Bundesländer abhängig ist, dass wir als Bund allein darüber entscheiden können, was da passiert. (Beifall bei der SPD) Der Bund kann und wird das BAföG selbstständig erhöhen, und die Länder können das Bildungssystem an den Stellen verbessern, an denen am stärksten über die Chancen unserer Kinder entschieden wird, nämlich in der frühkindlichen Bildung, in den Kitas, in den Grundschulen, in den Ganztagsschulen; da müssen wir ansetzen. Lieber Toni Hofreiter, für Bremen fallen nicht nur 2 Millionen Euro für Kitas ab; durch den BAföG-Kompromiss wird das Land Bremen um 20 Millionen Euro entlastet, und das jedes Jahr. Dieses Geld kann nun gezielt für mehr Chancengleichheit im Bildungssystem eingesetzt werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sagen Sie das bitte Ihrer Finanzsenatorin. Wir haben in der Koalition außerdem vereinbart, dass der Bund und die Länder im Bereich der Hochschulen wieder miteinander kooperieren können. Auch das ist ein wichtiger Fortschritt. Dadurch wird das Glas halb voll; ganz voll wird es erst, wenn der Bund auch die Schulbildung mittragen kann. Auf Dauer muss deshalb das Kooperationsverbot für den Schulbereich fallen; das ist unsere tiefe Überzeugung. (Beifall bei der SPD) Millionen Menschen in Deutschland freuen sich auf den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Für viele bedeutet er die größte Lohnerhöhung ihres Lebens. Der Mindestlohn stärkt die Kaufkraft und sorgt für fairen Wettbewerb. Damit haben wir erstmals eine Schranke nach unten eingezogen. Von dieser Schranke aus geht der Blick nicht mehr nach unten, sondern nur noch nach oben. Das ist für viele Menschen eine spürbare Veränderung in ihrem Alltags- und Erwerbsleben. Genau das wollen wir. Es ist auch eine Grundidee der sozialen Marktwirtschaft: Alle müssen die Möglichkeit haben, durch eigene Arbeit und Anstrengung ihren Lebensunterhalt zu verdienen, statt sich am Ende des Monats beim Sozialamt anstellen zu müssen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, diese Koalition tritt für ein Land mit freien und gleichberechtigten Bürgern ein, für ein weltoffenes Land, dem es wirtschaftlich gut geht. Alle sollen die Chance haben, aus eigener Kraft etwas aus ihrem Leben zu machen, die Zugewanderten genauso wie diejenigen, die hier schon immer leben. Wir wollen keine segmentierte Gesellschaft, in der die Besitzstandswahrer nur auf die Sicherung ihrer Pfründe bedacht sind. Wir wollen eine Gesellschaft, in der Integration und Aufstiegsmöglichkeiten selbstverständlich sind, eine Gesellschaft, in der jeder und jede zum Wohlstand beitragen und an ihm teilhaben kann, eine Gesellschaft, in der jeder von Stabilität und Sicherheit profitieren kann. Wir wollen eine offene Gesellschaft und ein modernes Deutschland. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Volker Kauder. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Volker Kauder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich zunächst einmal ausdrücklich bei unserem Bundestagspräsidenten dafür bedanken, dass er klargestellt hat, was unser Bundespräsident gesagt hat und was nicht. Ich möchte Thomas Oppermann zustimmen, der sagte, dass die Art und Weise, wie die Linke mit solchen Themen umgeht, nicht akzeptabel ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Kollege Gysi, da muss ich Sie auch persönlich ansprechen. Es geht nämlich nicht, dass man hier im Deutschen Bundestag – oder, wie heute Morgen bekannt geworden ist, einer Ihrer Parteikollegen in Brandenburg – Attacken loslässt und sich dann entschuldigt. Frau Da?delen beispielsweise hat sich hier im Deutschen Bundestag durch Verleumdungen und Angriffe in einer Art und Weise aufgeführt, (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja!) die diesem Haus nicht angemessen war. Danach entschuldigen Sie sich zwar öffentlich, aber nachher geht es wieder so weiter. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: So ist es!) Das ist kein Umgang, Herr Gysi, das muss ich Ihnen klipp und klar sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen akzeptiere ich ein solches Verhalten auch nicht. Ich erwarte schon: Bevor Sie andere Fraktionen und Parteien kritisieren, räumen Sie in Ihrem eigenen Laden auf und nicht woanders. Dazu haben Sie allen Grund, Herr Gysi. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir legen heute den Haushalt 2014 vor und diskutieren in der Regierung bereits den Haushalt 2015. Beide Haushalte müssen zusammen gesehen werden, weil es in dieser Großen Koalition zu einem Paradigmenwechsel in der Haushaltspolitik kommt. Schon der Haushalt 2014 ist strukturell ausgeglichen, und ab dem Haushalt 2015 werden keine neuen Schulden mehr gemacht. Das ist tatsächlich der entscheidende Hinweis darauf, dass wir Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit ernst nehmen. Denn nichts ist für eine junge Generation wichtiger, als dass sie Handlungsspielraum hat. Man kann viel über Nachhaltigkeit in anderen Bereichen reden, aber hinter dem Projekt „Keine neuen Schulden mehr“ steht die Aussage: Wir wissen um die Verantwortung für unsere junge Generation. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dafür sage ich Wolfgang Schäuble und unseren Haushältern herzlichen Dank, die diese schwere Aufgabe vo-rangebracht haben. Der von uns eingeschlagene Weg ist der richtige, wenn es darum geht, dass wir in unserem Land Wohlstand und Sicherheit erhalten können. Wenn wir uns die Situation in Europa anschauen – die Bundeskanzlerin hat ja heute darüber berichtet, wie die Situation in einzelnen Ländern ist –, dann stellen wir fest: Diese Situation ist nicht irgendwie vom Himmel gefallen, sondern sie ist das Ergebnis falscher politischer Ansätze. Lieber Thomas Oppermann, ich sehe das genauso, dass wir mit Sorge nach Frankreich blicken und uns fragen: Wer könnte der nächste Gesprächspartner sein? Aber natürlich hat jedes Land seine Hausaufgaben zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deswegen finde ich es völlig richtig, dass auf dem Gipfel in Paris als Ergebnis nicht herauskam: „Wir werden den Stabilitätspakt aufweichen“, sondern dass herauskam – Herr Gabriel, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das so klar gesagt haben –: Es bleibt dabei, der Kurs dieser Bundesregierung, der Kurs von Angela Merkel, ist der einzige, der dazu führen wird, dass Europa wieder ganz gesund werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dass Thomas Oppermann heute bestätigt hat, dass der Stabilitätspakt nicht angegriffen wird und die notwendigen Reformen in den Ländern durchgeführt werden, das ist eine gute Botschaft. Europa ist für uns aber nicht nur eine Frage der wirtschaftlichen Sicherheit, sondern Europa ist für uns auch eine Frage von Frieden und Sicherheit. Wenn man sich die Situation in der Welt anschaut, kann man nur sagen: Wir können wirklich dankbar dafür sein, dass wir in diesem Europa leben dürfen. Wenn dieses Europa nicht mehr erreicht hätte, als dass in diesem Europa Frieden herrscht, dann wäre das schon Grund genug, um jeden Tag diesem Europa von Herzen dankbar zu sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dieses Europa muss natürlich offen sein für Menschen, die in ihren eigenen Herkunftsländern verfolgt werden und deswegen dort, zumindest für eine bestimmte Zeit, keine Perspektive haben. Deswegen ist es richtig, dass es in Europa eine gemeinsame Asylpolitik gibt, dass die Belastungen in Europa auf die Länder angemessen verteilt werden. Dass wir in Deutschland einen entsprechenden Beitrag leisten, habe ich an diesem Rednerpult erst vor kurzem festgestellt: Wir nehmen die meisten Asylbewerber auf. Aber wir haben ein Problem – Thomas Oppermann hat zu Recht darauf hingewiesen –: Wir nehmen Asylbewerber aus Ländern auf, die in der nächsten Zeit ganz zu Europa gehören wollen. Wir nehmen zurzeit Asylanträge von Menschen entgegen, die in ihren Herkunftsländern sehr wohl leben können, weil sie dort nicht verfolgt werden. Diese Herkunftsländer haben ein massives Interesse daran, in Europa nicht als Verfolgerländer verunglimpft zu werden. Sie sagen: Wir sind sichere Herkunftsländer. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!) Deswegen wollen wir in dieser Koalition ein Gesetz verabschieden, in dem wir definieren, welche Länder in Europa sichere Herkunftsländer sind. Dann wird gesagt: Das können Sie doch machen. Ja, in der Großen Koalition haben wir überhaupt kein Problem damit, dieses Thema zu erledigen. Aber – und jetzt kommt der Punkt – wir brauchen dafür auch im Bundesrat eine Mehrheit. Ich appelliere an die Grünen, dass sie sich dieser Verantwortung bewusst werden. Wir werden in den nächsten Tagen mit Vertretern der Grünen in den Landesregierungen reden. Wir meinen, dass wir noch mehr Flüchtlinge aus Ländern, in denen es wirkliche Probleme gibt, beispielsweise aus Syrien, aufnehmen sollten. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus Serbien auch!) Aber wir können doch nicht die Augen vor der Wirklichkeit verschließen: Eine ganze Reihe von Städten und Kommunen hat im Augenblick erhebliche Probleme damit, Asylbewerber aufzunehmen und unterzubringen, die zu 99 Prozent nachher nicht anerkannt werden und eigentlich wieder in ihre Heimatländer müssten. Wir sollten doch für diejenigen Platz schaffen, die wirklich in tiefster Not aus Syrien zu uns kommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deswegen habe ich die herzliche Bitte – Frau Kollegin Roth, ich spreche insbesondere Sie an, da Sie mich vorhin so angeschaut haben –, dass wir uns diesem Thema gemeinsam stellen und dafür sorgen, dass wir dafür im Bundesrat eine Mehrheit bekommen können. Ich sage dies auch voller Sorge aus einer Erfahrung heraus, die wir in den 90er-Jahren gemacht haben. Damals, noch im Parlament in Bonn, haben wir uns mit der Frage schwergetan, wie wir das Asylrecht neu ordnen. Das Thema Asyl wurde zu einem parteipolitischen Kampfthema, an dem sich alle, wir eingeschlossen, beteiligt haben. Das Ergebnis davon war nicht, dass wir der Problemlösung nähergekommen sind, sondern das Ergebnis war, dass Rechtsradikale in diesem Land in Landtage eingezogen sind. (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!) Deswegen ist der Appell völlig richtig: Lassen Sie uns das Asylthema, das Flüchtlingsthema noch in den nächsten Tagen sachgerecht lösen, damit es nicht ein Nährboden für rechtsradikale Entwicklungen in unserem Land wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir sind dazu bereit. Wir sind auch bereit, mit Ihnen über den einen oder anderen Wunsch in der Diskussion zu sprechen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Große Koalition hat, wie ich finde, eine bemerkenswerte Arbeit geleistet – und dies, obwohl nach dem Wahlergebnis die Freude auf beiden Seiten – sowohl bei der SPD als auch bei uns – nicht besonders ausgeprägt war, schon wieder in eine Große Koalition zu gehen. Die SPD musste sich sogar zunächst einmal mit einem Mitgliederentscheid vergewissern, dass das alles auch klappen kann. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das wollten wir! Das mussten wir nicht!) – Wollten Sie! Okay! Dann formuliere ich neutral: Sie haben sich in einem Mitgliederentscheid vergewissert. – Dafür, dass der Start gar nicht so ganz einfach war, haben wir, finde ich, Bemerkenswertes geleistet – nicht für uns, nicht für diese Koalition, sondern für unser Vaterland und für die Menschen, die in diesem Vaterland leben. Ich sage dir, lieber Thomas Oppermann, und der SPD-Bundestagsfraktion dafür einen herzlichen Dank, dass dies möglich war. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich kann sagen – das ist auch so –, dass wir uns nicht immer leichttun, zu Entscheidungen zu kommen. Gerade für die nächste Zeit haben wir wichtige Aufgaben vor uns, bei deren Bewältigung wir noch miteinander ringen müssen. Diese müssen wir jetzt aber schnell angehen. Wir müssen jetzt ganz schnell eine Antwort in Bezug auf ein Thema finden, das uns alle schwer belastet. Das ist das Thema Kinderpornografie: Wir in dieser Koalition haben versprochen, dass wir schnell zu Ergebnissen kommen werden. Das Versprechen sollten wir jetzt auch einhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen von beiden Fraktionen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Nach der Sommerpause muss hier ein Ergebnis auf den Tisch. Es gibt ein weiteres Thema, das uns großen Kummer macht. In unserem Land ist vieles wirklich sehr gut. Ich würde sogar sagen: Das meiste ist sehr gut. Es ist aber für uns eine unerträgliche Belastung, dass man in ganz Europa darüber spricht, dass wir das Land sind, in dem am meisten Zwangsprostitution und Frauenhandel stattfinden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das darf uns nicht ruhen lassen. Deswegen gilt auch hier: Wir können da nicht noch ewig zuwarten. Wir wollen und müssen zwar die Menschenhandelsrichtlinie der EU umsetzen. Das reicht aber nicht, um dieses Problem zu lösen, sondern wir müssen auch dafür sorgen, dass Deutschland nicht das Land ist, in dem in erster Linie in Europa Frauenhandel und Zwangsprostitution stattfinden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Auch da können wir nicht mehr lange warten. Ich erwarte auch bei diesem Thema, dass wir im September zu entsprechenden Ergebnissen kommen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wenn ich sage, dass wir viel voranbringen, dann kann ich, glaube ich, auch die Entscheidung zur Energiepolitik nennen, die wir gestern in den Koalitionsfraktionen und dann auch im Wirtschaftsausschuss getroffen haben. Das war keine leichte Aufgabe. Ich weiß sehr genau, wovon ich rede; denn in meiner Zeit als Fraktionsvorsitzender war es der vierte Anlauf zur Änderung des EEG. Jeder Anlauf war noch schwerer als der vorhergehende, weil unterschiedliche Interessen aufeinanderstoßen. Da haben wir schon einen entscheidenden Schritt getan. Wir versuchen, zu verhindern, dass die Kosten für die Stromverbraucher weiter anwachsen, und sorgen dafür, dass die deutsche Wirtschaft trotzdem wettbewerbsfähig bleiben kann. Diese beiden entscheidenden Punkte sind es, die dieses EEG in besonderer Weise auszeichnen. Ich sage Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, aber auch Ihnen, Herr Bundeswirtschaftsminister, einen herzlichen Dank für Ihren Einsatz in Brüssel. Ohne diesen Einsatz wäre es nicht gelungen, im Rahmen der Reform des EEG Arbeitsplätze in Deutschland im Wettbewerb zu halten. Danke schön dafür! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, an diesem Beispiel wird deutlich, dass diese Große Koalition auch schwierige Aufgaben anpackt und schultert. Der letzte Hinweis: Es dürfte für die Zukunft dieses Landes von größter Bedeutung sein, was wir in der Bildungspolitik machen. Darauf ist hingewiesen worden. Dazu gehört aber auch, dass wir junge Menschen ausbilden, die unseren Ruf als die Nation der Erfinder neuer Produkte vorantreiben. Das heißt, wir brauchen an unseren dualen Hochschulen, Fachhochschulen und Universitäten Spitzenausbildungen. Dafür stellen wir jetzt Geld zur Verfügung. Ich möchte die Länder bitten, dass das Geld, das wir für die Hochschulen und Universitäten zur Verfügung stellen, auch dort landet und nicht im allgemeinen Länderhaushalt verschwindet. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Man kann auch nicht sagen, dass wir Geld für die Allgemeinbildung brauchen. Denn auch dafür wird Geld zur Verfügung gestellt. Noch keine Bundesregierung hat so viel für Bildung getan. Jetzt kommt es darauf an, dass die Länder ihre Aufgabe in dieser Hinsicht ernst nehmen. Ich bin also mit dem, was wir bisher in der Großen Koalition erreicht haben, durchaus zufrieden. Aber wir wissen auch, dass noch große Anstrengungen von uns gefordert sind, um unser Ziel zu erreichen, dass es den Menschen nach dieser Großen Koalition besser geht als zu ihrem Start. Dafür werden wir arbeiten. Dafür müssen wir in dieser Koalition auch zusammenhalten und die Projekte, die wir uns vorgenommen haben, jetzt schnell umsetzen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt der Kollege Dr. Gregor Gysi. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Frau Präsidentin, ich möchte etwas sagen, weil ich glaube, dass die Rügen in Bezug auf die Kritik an Äußerungen des Bundespräsidenten völlig fehl am Platze sind. Der Bundespräsident hat sich auf der Sicherheitskonferenz vor Verteidigungsministern und Generälen geäußert. Er hat gesagt, dass wir uns den Gefahren nicht genügend stellen: Die Kernfrage lautet doch: – jetzt zitiere ich ihn wörtlich – Hat Deutschland die neuen Gefahren und die Veränderung im Gefüge der internationalen Ordnung schon angemessen wahrgenommen? Er meint, dass wir mehr Verantwortung übernehmen müssen. Damit meint er – das sagte er schließlich vor lauter Generälen und Verteidigungsministern – selbstverständlich auch militärische Verantwortung. Denn er geht die ganze Zeit auf Kriege und auf Sicherheitsfragen ein. Das ist eine zulässige Interpretation, die auch von fast allen Medien vorgenommen wurde. (Zuruf von der CDU/CSU: Nein!) Der Zusammenhang, den Sie zwischen Politikern und Nazis herstellen, ist völlig indiskutabel, Herr Oppermann. Ich muss Ihnen sagen: Das ist völlig indiskutabel. (Beifall bei der LINKEN) Das Zweite ist: Dass sich dieses Mitglied falsch ausgedrückt hat, hat die eigene Fraktion in Brandenburg schon klar erklärt. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ach, was!) – Ja, das ist nicht unsere Ausdrucksweise, und das ist Herr Gauck auch nicht. Das weise ich genauso zurück. – Aber mir dafür die Verantwortung zu geben, Herr Kauder, ist auch völlig albern. Das hatte er schon gesagt, bevor ich hier gesprochen habe. Nein, die Auseinandersetzung mit Äußerungen, die in die Richtung gehen, dass wir militärisch die Probleme der Menschheit lösen können, muss stattfinden. Ich bin froh, dass die Linke diese Auseinandersetzung führt. Es kann schon sein, dass der eine oder andere bei uns einmal über das Ziel hinausschießt, (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!) aber das ist in der SPD und auch bei der Union nicht anders. Soll ich Ihnen einmal Äußerungen von Mitgliedern Ihrer Partei zu Fragen von Rassismus etc. vorhalten? Niemals habe ich Sie persönlich dafür verantwortlich gemacht. Das muss hier aufhören. (Bettina Hagedorn [SPD]: Es geht um den Bundespräsidenten!) Keine Partei kann für die Äußerungen jedes einzelnen Mitglieds die Haftung übernehmen. Das ist absurd. Dazu haben wir zu viele Mitglieder; das will ich klar sagen. Das ergeht Ihnen nicht anders. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Deshalb bitte ich, sachlich zu bleiben. Ich werde niemals den Bundespräsidenten beleidigen, aber rügen darf ich schon, dass auch er verteidigungspolitisch argumentiert, obwohl wir diese Menschheitsfragen unbedingt zivilrechtlich lösen müssen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Ich sage es noch einmal: Keiner der Kriege der letzten Jahre hat irgendeinen Fortschritt gebracht, ganz im Gegenteil. Lassen Sie uns doch endlich einmal anders denken, nicht rüstungspolitisch, sondern friedenspolitisch. Es wird höchste Zeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Herr Kollege Kauder, möchten Sie erwidern? – Nein. – Dann hat jetzt das Wort der Kollege Schneider für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kauder hat gerade gesagt, er sei mit dieser Koalition ganz zufrieden. Ich sage: Wir Sozialdemokraten sind mit den ersten sechs Monaten in dieser Koalition sehr zufrieden, nicht nur bezogen auf den Bundeshaushalt, über den wir heute diskutieren, sondern auch im Hinblick auf die anderen Maßnahmen. Das Rentenpaket zum Beispiel, das wir in den letzten Wochen beschlossen haben, wurde vielfach unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit kritisiert. Der heutige Haushalt ist das Gegenstück dazu. Denn unter die Schuldenaufnahme, die in den letzten 40 Jahren in Deutschland stattgefunden hat, werden wir einen Schlusspunkt setzen; das wird es nicht mehr geben. Bereits dieser Haushalt 2014 ist strukturell ausgeglichen. 2009 hat ein sozialdemokratischer Finanzminister mit Zustimmung von SPD und CDU/CSU die Schuldenbremse im Grundgesetz installiert. Ab 2015 werden wir, dann unter einem christdemokratischen Finanzminister, keine neuen Schulden mehr machen. Ich finde, das ist ein guter Erfolg. Darauf kann man stolz sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Kollegen von den Grünen, auch Herr Hofreiter, haben ausgeführt, dieser Haushalt sei angeblich von Subventionen durchsiebt. Klar, es gibt immer Subventionen. Klar ist aber auch: Wir wollen sie abbauen. Dabei machen wir einen sehr großen Schritt. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt?) Denn mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, die wir nächste Woche hier beschließen werden, wird die größte Einzelsubvention, die es im Bundeshaushalt jemals gab, abgeschafft. (Bettina Hagedorn [SPD]: Richtig!) Über 7 Milliarden Euro wird der Staat sparen, weil er keine Lohnkostenzuschüsse, also keine Subventionen für Niedriglöhne bzw. für Lohndumping mehr ausgeben wird. Das ist ein großer Erfolg. Das ist der erste Schritt hin zum Subventionsabbau, auf den wir Sozialdemokraten lange hingearbeitet haben. (Beifall bei der SPD) Der Mindestlohn führt nicht nur zu einer angemessenen Bezahlung – zumindest zu einer Untergrenze; ob sie für alle gerecht ist, ist eine andere Frage –, sondern er entlastet auch den Staatshaushalt. Diese Entlastung haben wir in der Finanzplanung noch nicht berücksichtigt, auch nicht für 2015. Ich gehe davon aus, dass uns dies Spielräume eröffnen wird, um im Jahr 2015 und in den fortfolgenden Jahren mehr Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Die positive Ausgangslage in Deutschland, die Herr Oppermann und Herr Kauder geschildert haben – gute Steuereinnahmen, niedrige Arbeitslosigkeit, Überschüsse in der Sozialversicherung –, hat ihre Ursachen in einer gut ausgebildeten Arbeitnehmerschaft, in einem Unternehmertum, das auf Innovationen setzt, und in erfolgreichen Wissenschaftlern. Aber sie haben ihre Ursache auch in den politischen Rahmenbedingungen. Diese politischen Rahmenbedingungen wurden in den vergangenen zehn Jahren unterschiedlich stark gewichtet und verändert. Ich glaube, es ist unstrittig, dass die Hauptursache für unser heutiges Standing die Reform der Agenda 2010 ist. Ohne sie stünden wir heute wirtschaftlich nicht so gut da, wie wir es tun. (Beifall bei der SPD) Auch die Investitionen, die wir als Antwort auf die Finanzkrise getätigt haben – insbesondere die Konjunkturprogramme, die damals vor allen Dingen von Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Olaf Scholz mit Zustimmung der Unionsfraktion durchgesetzt wurden –, haben uns gut durch diese Krise gebracht. Wenn Sie, Herr Hofreiter, sagen, das sei sozialdemokratischer Beton und habe nicht funktioniert – ich komme gerade nicht auf das Zitat, werde es aber nachlesen –, kann ich nur sagen: Hätten wir dies nicht gemacht, stünden wir heute viel schlechter da. (Beifall bei der SPD) Das kommunale Investitionsprogramm und die Abwrackprämie waren richtig. All die Dinge, die wir gemacht haben, haben sich ausgezahlt, auch die Bildungsinvestitionen. Es hat sich auch ausgezahlt, dass der Stabilitäts- und Wachstumspakt, über den heute und in den vergangenen Wochen schon gesprochen wurde, die notwendige Flexibilität ermöglicht hat. Er wurde 2005 und dann noch einmal 2010/2011 reformiert; die Stichworte lauten Six-Pack und Two-Pack. Im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes kann man in Krisenzeiten investieren, muss dann aber in guten Zeiten Geld zurückführen. In den vergangenen Jahren haben wir hier sehr oft über Maßnahmen zur Euro-Rettung abgestimmt; dabei gab es harte Kontroversen. Wir haben den Maßnahmen mit breiter Mehrheiten zugestimmt. Das wurde nicht von jedem in der Wissenschaft goutiert. Einige sollten sich im Nachklapp einmal fragen, ob sie immer richtig lagen. Heute zeigt sich, dass wir aufgrund der Intervention der Europäischen Zentralbank mehr oder weniger eine Vergemeinschaftung von Staatsschulden haben. Das gilt aber nicht für die Einnahmeseite, also für die Steuerpolitik und im Hinblick auf die Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Die Frau Bundeskanzlerin hat vorhin gesagt, dass die wirtschaftspolitische Koordinierung – unabhängig von den Fragen, wer Kommissionspräsident wird und was die Europäische Union und die Kommission in den nächsten fünf Jahren tun werden – ganz gezielt in den Mittelpunkt gerückt werden muss, und das nicht nur auf dem Papier. Was Herr Van Rompuy bisher vorgelegt hat – zumindest das, was ich gelesen habe –, ist noch zu wenig. Wir brauchen eine noch stärkere Koordinierung, was die Wirtschaftspolitik betrifft. Wir brauchen eine noch stärkere Koordinierung und auch gemeinsames Handeln, insbesondere was die Steuerpolitik betrifft. Das ist eine grotesk offene Flanke: Bei den Ausgaben, bei den Staatsschulden sitzen wir, weil wir eine gemeinsame Währung haben, mehr oder weniger in einem Boot; bei der Steuerpolitik kann aber jeder mehr oder weniger machen, was er will. Das ist ein Konstruktionsfehler. Die Vervollständigung hin zu einer Fiskalunion wird für die nächsten fünf Jahre eine der Hauptaufgaben sein, wenn wir den Euro dauerhaft stabilisieren wollen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Da haben wir innerhalb der Koalition gute Ansätze, auch aus der alten Regierung noch. Ich denke an die Initiative gegen Steuerdumping bzw. legale Steuergestaltung – das Ganze steht unter der Chiffre BEPS –, die von der OECD aufgearbeitet wird. Es geht darum, dass sich große Konzerne wie zum Beispiel Amazon, Google etc. die günstigsten Steuersätze aussuchen und ihre Gewinne und Verluste dann in die entsprechenden Länder verschieben. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Dazu gehört, dass es auf diesem Gebiet nicht wieder zu großer nationaler Autonomie kommt. Ich sehe mit Sorge, dass in Spanien – im Übrigen unter einem Programm des Rettungsschirms für den Bankensektor – für den Bereich der Unternehmensteuern jetzt Senkungen angepeilt werden, obwohl das Land noch hohe Defizite hat. Ich persönlich kann das nicht akzeptieren, und ich erwarte, dass die Bundesregierung, der Bundesfinanzminister, das einmal artikuliert. Jedes Land muss erst einmal selber sehen, dass es ausreichende eigene Steuereinnahmen generiert. Unseren Freunden in Frankreich – Thomas Oppermann hat darauf hingewiesen – soll Zeit zum Abbau des Defizits gegeben werden – wenn denn tatsächlich auch strukturelle Reformen stattfinden. Wenn wir über die Weiterentwicklung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sprechen – das werden wir am Ende des Jahres müssen; denn da ist eine Revisionsklausel eingebaut –, gehören zwei Dinge dazu: Erstens. Wenn sich ein Mitgliedstaat in einem Defizitverfahren befindet, muss die Kontrolle über die wirtschaftspolitischen Maßnahmen seitens der Kommission oder des Rates ausgebaut und definitiv gestärkt werden. Das steht bisher nur auf dem Papier und wird nicht angewandt. Nicht einmal Deutschland hält sich an die Empfehlungen des Europäischen Semesters für die Wirtschaftspolitik. Das ist ein nicht hinnehmbarer Zustand; denn dann braucht man sich solche Regeln nicht zu geben. Das Europäische Parlament hat ausgewertet, was von den empfohlenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen tatsächlich umgesetzt wurde. Es waren nicht einmal 12 Prozent. Ich habe mir das für Deutschland noch einmal angesehen. Im Rahmen des Europäischen Semesters gibt die Kommission Empfehlungen, und die sind gar nicht einmal so verkehrt. So heißt es etwa, dass Deutschland die Frauenerwerbsquote erhöhen und die Kinderbetreuung ausbauen muss. Das ist richtig, das wollen wir auch. Ich glaube, wir müssen dort auch noch mehr tun. Es stellt sich die Frage, wie der Fonds für den Kitaausbau, den Ministerin Schwesig zu verwalten hat, im Jahre 2015 befüllt wird. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie dafür die über 500 Millionen Euro, die wir verabredet haben, zur Verfügung stellt. Dieses Geld muss tatsächlich investiert werden; denn wir brauchen gute Kinderbetreuungsplätze in Deutschland, qualitativ und quantitativ. (Beifall bei der SPD) Die Kommission empfiehlt uns aber auch, dass wir im Bereich der Steuerpolitik Änderungen vornehmen. Die Steuer- und Abgabenlast für Geringverdiener sei in Deutschland zu groß. Das ist interessant. Interessant ist auch, dass sich der Deutsche Gewerkschaftsbund dafür einsetzt, dass wir nicht nur die kalte Progression, sondern auch den steilen Anstieg im unteren Bereich der Einkommensteuersätze korrigieren sollen. Ich wäre sehr dafür zu haben, wenn wir diese Maßnahmen vollständig gegenfinanzieren. Wir Sozialdemokraten glauben, dass wir uns hier nicht vier Jahre lang Stillstand leisten können. Wenn jemand Arbeit aufnimmt, wenn jetzt – Thomas Oppermann hat darauf hingewiesen – viele Leute Lohnerhöhungen bekommen und zum Beispiel nicht mehr, wie bei mir in Erfurt, 5,50 Euro, sondern 8,50 Euro verdienen und damit erstmals wieder nicht mehr nur Sozialabgaben, sondern auch Steuern zahlen, dann soll das nicht dazu führen, dass sie im Endeffekt weniger haben, als wenn sie Transferleistungen bezögen. Arbeit muss sich lohnen; deswegen können wir uns eine Entlastung in diesem Bereich durchaus vorstellen, mit einer Gegenfinanzierung zum Beispiel – der Deutsche Gewerkschaftsbund hat darauf hingewiesen – im Bereich der Abgeltungsteuer das heißt, der Steuern auf Zinsen und andere Kapitalerträge. Zweitens. Bei der europäischen Koordinierung stellt sich neben der Frage der Verbindlichkeit auch die Frage der politischen Unterstützung. Wenn wir vergleichen, was verschiedene Länder in den letzten Jahren gemacht haben, so ist doch festzustellen, dass insbesondere Länder, die unter Programmen des ESM oder der EFSF – das sind Abkürzungen, die keiner versteht – stehen, also finanzielle Hilfen aus anderen Euro-Ländern, auch von uns, bekommen, im Gegenzug Auflagen zu erfüllen haben, an die sich breite parlamentarische Mehrheiten in den Empfängerstaaten binden mussten. Das gilt zum Beispiel für Portugal und auch für Irland. Dort sind tatsächlich Reformen angegangen worden, die für eine langfristige Steigerung des Wirtschaftspotenzials sorgen. Von daher finde ich, dass eine weitere Verschärfung dieses Paktes auch darin liegen kann, dass für solche Hilfsmaßnahmen eine breite parlamentarische Mehrheit erforderlich ist. Es kann nämlich nicht sein wie 2010 in Griechenland, als der damalige Oppositionsführer -Samaras dem damaligen Präsidenten der Sozialistischen Partei, dessen Name mir gerade nicht einfällt (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Papandreou!) – Papandreou –, quasi nicht geholfen hat. Er hat dort nicht für eine breite Unterstützung geworben. Wir haben zwei Jahre verloren, bis endlich eine Regierungsmehrheit stand. Wenn ein Land Finanzhilfen braucht, dann ist dort eine breite politische Unterstützung – auch im Parlament – für die entsprechenden Maßnahmen notwendig. Ich finde, das könnte eine Erweiterung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sein. (Beifall bei der SPD – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sehr richtig!) Wenn wir über die Ausgaben des Bundeshaushaltes sprechen, den wir in dieser Woche beschließen werden, dann nehme ich natürlich auch die Einnahmen mit in den Blick. Zunächst zu den Ausgaben. Mit Blick auf unser Wachstumspotenzial sind die Investitionsausgaben zu niedrig. Für den Infrastrukturbereich packen wir in den nächsten fünf Jahren zwar 5 Milliarden Euro drauf, das heißt aber, dass wir der Empfehlung der Kommission „Nachhaltige Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ unter dem Vorsitz von Herrn Bodewig nicht nachkommen, pro Jahr etwa 6 bis 7 Milliarden Euro zu investieren, um den Bestand und die wirtschaftliche Substanz – es geht also nicht um Neubaumaßnahmen wie Ortsumfahrungen und anderes – zu erhalten. Hier müssten wir deutlich mehr investieren. Ich sehe es für die nächsten drei Jahre als unsere Aufgabe in dieser Koalition an, uns nicht auf den Lorbeeren vergangener Zeiten auszuruhen, sondern auch in die Zukunft zu investieren. Es geht um Investitionen in die In-frastruktur, aber auch in die Bildung, und ich schließe mich hier den Ausführungen von Herrn Kauder an: Die Länder müssen das Geld, das wir als Bund zur Verfügung stellen, auch tatsächlich in den Bildungs- und Forschungsbereich investieren. Daneben müssen wir es denjenigen ermöglichen zu studieren, die dazu aufgrund des Geldbeutels ihrer Eltern nicht in der Lage sind. Deswegen ist es gut, dass wir als Bund das BAföG jetzt komplett übernehmen und wir uns als Sozialdemokraten – das haben wir von Anfang an gesagt – für eine deutliche Erhöhung des BAföG einsetzen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]) Zu den Einnahmen. Wir haben darauf hingewiesen, dass es hier in der Union und in der SPD unterschiedliche Vorstellungen gibt. In den grundsätzlichen Fragen, aber auch in kleinen Bereichen machen wir Fortschritte. Wir beraten gerade das Kroatien-Gesetz. Das klingt technisch, aber die Kollegen im Finanzausschuss haben hier schwergewichtige Fragen geklärt. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit, ob in Deutschland jeder nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert wird. Wir haben in Deutschland zwar auch eine große Schere zwischen den Einkommen, aber vor allen Dingen zwischen den Vermögen. Der Fall des Erben eines großen Automobilherstellers, dessen Autos sich die meisten hier nicht leisten können, ist öffentlich geworden. Er verfügt über ein Milliardenvermögen. Es liegt zum großen Teil in stillen Reserven einer Kapitalgesellschaft und wird nicht versteuert, und über eine noch legale Steuergestaltung will er dieses Vermögen nun ins Ausland, in die Alpen, transferieren. Jeder kann sich innerhalb der Europäischen Union seinen Wohnsitz suchen, aber klar ist auch: In Deutschland erarbeitetes Vermögen muss auch in Deutschland versteuert werden. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]) Deswegen hoffe ich sehr, dass es uns in der nächsten Woche gelingt, diese Lücke zu schließen und dafür zu sorgen, dass nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Manager, die hier Einkommensteuer zahlen, sondern auch diejenigen ihren Beitrag leisten, die über hohe Vermögen verfügen, die sie nur aufgrund der Stabilität der Wirtschaft und der Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer, auch des Unternehmertums, erzielen konnten. Das ist eine Frage der Fairness und wird uns als Sozialdemokraten in den nächsten drei Jahren in dieser Großen Koalition hier im Deutschen Bundestag auch weiterhin umtreiben. Ich hoffe, wir haben Sie dabei an unserer Seite. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Haushalt ist für uns alle Anlass zu großer Freude. Erstmals seit über 40 Jahren verabschieden wir einen strukturell ausgeglichenen Haushalt, und erstmals seit über 40 Jahren erwarten wir für das kommende Jahr einen ausgeglichenen Haushalt. Das ist eine historische Zäsur in der Haushaltspolitik dieses Landes, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich danke dem Bundesfinanzminister für die Vorlage dieses Entwurfs und den Haushaltspolitikern für die intensive Arbeit bei der Beratung, die trotz der in den letzten Wochen und Monaten aufgetauchten Schwierigkeiten dazu geführt hat, dass der Entwurf im Kern, nämlich mit dem Endergebnis „strukturell ausgeglichener Haushalt“, erhalten werden konnte. Das ist ein ganz wichtiges Signal. Das ist ein großer Erfolg, ein Erfolg, der den Menschen in unserem Land zugutekommt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist auch unsere Aufgabe. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Warum machen wir das? Warum ist das so wichtig? Gerade die Erfahrungen der letzten Jahre in einigen europäischen Ländern haben uns gezeigt, dass eine gute wirtschaftliche Entwicklung und eine gute Beschäftigungslage ganz wesentlich mit stabilen öffentlichen Finanzen zusammenhängen. Stabile öffentliche Finanzen auf der einen Seite und Wachstum und Beschäftigung auf der anderen Seite – das sind nicht zwei Gegensätze, sondern das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille. Ohne solide Haushaltspolitik kann es kein Vertrauen der Menschen und der Wirtschaft in die Politik eines Landes geben, ohne dieses Vertrauen wird es keine Investitionen geben, und ohne Investitionen gibt es kein Wachstum und keine Beschäftigung. Das ist eine ganz einfache volkswirtschaftliche Rechnung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) Zu soliden Finanzen und Stabilität gehört aber auch, dass mit dem, was der Staat an Steuergeldern einnimmt, sauber und verantwortungsvoll gewirtschaftet wird und dass nicht bei der ersten Schwierigkeit, die sich dabei ergibt, nach Steuererhöhungen gerufen wird. Mir kommt in der heutigen Debatte fast ein bisschen zu kurz, dass auch dies zu solider Haushaltspolitik gehört: mit dem auszukommen, was man einnimmt. Deshalb war es für uns auch so wichtig, zu Beginn der Legislaturperiode klarzustellen: Es wird keine Steuererhöhungen geben. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Ganze gilt natürlich nicht nur für uns, sondern das gilt auch für Europa. Wir haben in diesem Haus in den vergangenen Jahren, als es darum ging, die Staatsschuldenkrise in Europa zu bewältigen, intensiv über den richtigen Weg diskutiert, gerungen und sogar gestritten. Heute können wir sagen: Der eingeschlagene Kurs war richtig. Die Hartnäckigkeit unserer Bundeskanzlerin in Europa hat sich bewährt. Das Prinzip „Solidarität ja, aber nur in Verbindung mit Solidität“ hat sich bewährt. Das heißt: Hilfe ja, aber nur in Verbindung mit der Einhaltung von Auflagen, nur in Verbindung mit Sparen und solidem Haushalten und in Verbindung mit den notwendigen Strukturreformen. Heute können wir sagen: Die Programmländer, die schwierigen Länder in dieser Staatsschuldenkrise haben ihre Hausaufgaben zum überwiegenden Teil gemacht. Die Ergebnisse sind sichtbar. Der Kurs war richtig. Dabei müssen wir auch bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) Wir haben den Stabilitätspakt unter großen Anstrengungen ein Stück weit verschärft, konkretisiert. Wir haben den Fiskalpakt auf europäischer Ebene eingeführt, etwas, was viele uns Jahre vorher nicht zugetraut hätten. Weil dieser Kurs erfolgreich war, müssen wir daran festhalten. Es kann kein Aufweichen des Stabilitätspakts in Europa geben. Es kann auch kein Abweichen von dem geben, was dann in der Folge dieses Stabilitätspakts auf europäischer Ebene vereinbart und beschlossen wurde. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt, wenn es darum geht, in Sachen Stabilität in Europa auf Kurs zu bleiben und für solide Verhältnisse in Europa zu sorgen. Jedes Land, auch Frankreich, auch Italien, muss seine Hausaufgaben im nationalen Bereich machen. Wenn diese Hausaufgaben national gemacht werden, dann wird auch die Gefahr von rechtsextremen Gruppen in diesen Ländern geringer werden. Auch das gehört dazu. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie doch nicht so ein Zeugs! Das ist doch wirklich Quatsch! Das ist doch einfach zynisch, muss man sagen, wenn man sich anschaut, dass wir über 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland haben! Das als erfolgreich zu bezeichnen!) Solide Haushaltspolitik machen wir aber nicht nur aus den genannten Gründen, sondern der wesentliche Grund dafür ist unsere Verantwortung für diejenigen, für die wir unsere politische Arbeit eigentlich machen, nämlich die, die nach uns kommen: unsere Kinder, unsere Enkelkinder, die Zukunft unseres Landes. Das Beste, was wir unseren Kindern und Enkelkindern geben können, ist ein Land ohne Schulden, ohne zusätzliche Verpflichtungen, ein Land, in dem sie dann Spielräume für die Herausforderungen haben werden, denen sie sich in ihrer Zeit gegenübersehen. Deshalb ist solide Haushaltspolitik für uns so wichtig, deshalb ist nachhaltige Politik wichtig. Wir sind nicht nur in der Verantwortung für uns und für unsere heutige Generation und für unsere Zeit, sondern wir sind in der Verantwortung für die Zukunft unseres Landes. Das haben wir von denen, die vor uns Verantwortung getragen haben, gelernt. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb ist auch der Aspekt, der vorhin schon mehrfach angesprochen wurde, Bildung, Forschung und Qualifizierung der Menschen, von so großer Bedeutung. Eines will ich aber schon klarstellen, da von einigen Rednern der Opposition immer wieder die Situation im Bildungswesen schlechtgeredet wurde: Als ich zu meiner Schulzeit das Gymnasium besuchen wollte, musste ich ins Internat gehen, weil es keine weiterführende Schule in der Region gab. Heute sind die Verhältnisse völlig anders – ich rede jetzt von meinem Heimatland Bayern, in vielen anderen Ländern gilt das auch –: In meiner Heimat ist es so, dass jedes Kind, egal in welcher Region es wohnt, ohne Probleme und mit öffentlicher Förderung eine weiterführende Schule besuchen kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dass die Durchlässigkeit unseres Bildungssystems, von der Grundschule bis zur Universität, heute gewährleistet ist, war auch nicht immer so. Das ist auch nicht überall so. Das ist in unserem Land so, und da sollten wir die Situation nicht schlechter reden, als sie ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Kein Abschluss ohne Anschluss!) Ich will dazu noch ein Weiteres sagen. Bei allen Vergleichen, gerade bei der Jugendarbeitslosigkeit, mit anderen Ländern spüren wir doch, dass unsere jungen Menschen gut ausgebildet sind, hochqualifiziert sind. Das hängt nicht nur mit dem System und den politischen Entscheidungen zusammen, sondern das hängt auch von dem Engagement und der Qualifikation der Lehrkräfte, der Professoren ab. Diesen Menschen gebührt herzlicher Dank dafür. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich will hinzufügen: Der Mensch beginnt nicht erst mit dem Abitur und dem Studium. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Deshalb legen wir großen Wert auf die duale Ausbildung, auf das duale Studium, das mittlerweile in vielen Bereichen Realität ist. Ich danke all denen in den Unternehmen und Betrieben, die diese duale Ausbildung durchführen, Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen und den Jugendlichen damit eine Chance geben, sich gut zu qualifizieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dass wir diesem Aspekt, der Bildung, Forschung, Innovation und Qualifizierung der Menschen, einen hohen Stellenwert beimessen, zeigen wir mit diesem Haushalt. Mit dem Haushalt in diesem Jahr und in den kommenden Jahren werden wir in dieser Legislaturperiode 9 Milliarden Euro zusätzlich und damit noch mehr, als wir schon vorher dafür ausgegeben haben, für Bildung und Forschung ausgeben. Auch dass wir das BAföG vonseiten des Bundes voll übernehmen und für diese Legislaturperiode eine Erhöhung des BAföG angekündigt haben und auch vornehmen werden, macht deutlich: Das hat hohen Stellenwert in unserer Politik, und das ist auch gut so. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zur Entwicklung unseres Landes gehört aber auch eine wettbewerbsfähige Wirtschaft. Ich will nur auf einen Aspekt eingehen, der in diesen Tagen von besonderer Bedeutung ist, und zwar die Energiepolitik. Ich schließe mich dem an, was Volker Kauder gesagt hat: Es war eine Riesenleistung, das Erneuerbare-Energien-Gesetz so zu novellieren, dass wir auf der einen Seite die Entwicklung in Richtung noch mehr erneuerbare Energien durchaus vorantreiben, dass wir aber auf der anderen Seite die damit verbundene Kostendynamik bremsen und dass wir zum Dritten unsere Wirtschaft wettbewerbsfähig erhalten. Da geht es nicht um einige wenige Arbeitsplätze. Vielmehr ging es bei der energieintensiven Industrie und der Frage der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie auf internationaler Ebene um Zigtausende von Arbeitsplätzen. Dass diese gesichert werden konnten, ist das Verdienst unserer Bundeskanzlerin und des Bundeswirtschaftsministers. Deshalb möchte auch ich ganz herzlich für dieses großartige Engagement auf der europäischen Ebene danken. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zur wettbewerbsfähigen Wirtschaft gehört aber auch ein gutes Einvernehmen zwischen Sozialpolitik auf der einen Seite und Wirtschaftspolitik auf der anderen Seite. Diese Balance zu halten, für die Schwächsten, die Schwachen und Hilfsbedürftigen da zu sein und die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft zu erhalten, ist eine Aufgabe, die wir in einer sozialen Marktwirtschaft permanent haben. Ich denke, wir haben sie in unserem Land insgesamt ganz gut bewältigt. Wir haben eine Reihe von neuen Herausforderungen, beispielsweise im Bereich der Familienpolitik mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, in der Pflege und in der Behindertenarbeit. Ich denke, wir haben sie gut bewältigt und werden sie auch weiter bewältigen. Auch in den Bereichen Pflege und Behindertenarbeit ist die Vorarbeit geleistet. Der Gesetzentwurf für die Pflegeversicherung liegt bereits vor. Daraus wird ersichtlich: Wir nehmen diese Themen ernst. Genau das haben wir auch bei der Rente beachtet. Wir haben, als wir die Mütterrente beschlossen haben, sehr wohl im Blick gehabt, dass sie finanzierbar sein muss. Aber weil vorhin vonseiten der Linken und der Grünen die Finanzierung angesprochen wurde, will ich auch darauf hinweisen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass wir für die Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung – nur für diese Leistung – seit 1998 100 Milliarden Euro Steuergelder ausgegeben haben. Wir haben mehr ausgegeben, als für diese Leistung erforderlich war. (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!) Das sollte man nicht vergessen, wenn wir über diese Frage diskutieren, die eine Gerechtigkeitsfrage ist. Denn es ist niemandem klarzumachen, dass eine Mutter, die vor 1992 Kinder geboren hat, schlechter behandelt wird als diejenige, die nach 1992 Kinder geboren hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) Wir haben vor wenigen Wochen in diesem Haus an die Verabschiedung und das Inkrafttreten des Grundgesetzes gedacht. Wir haben in diesem Jahr eine Reihe von Gedenkveranstaltungen und Gedenktagen, die uns an die wechselvolle Geschichte unseres Landes erinnern. Das alles bietet immer wieder Anlass, dankbar zu sein: dankbar zu sein für das, was die Menschen – nicht nur die Politiker – in unserem Land geleistet haben, dankbar zu sein auch für die Geschenke, die wir mit der europäischen Einigung bekommen haben, eine gute, friedvolle Entwicklung – immer wieder mit neuen Herausforderungen. Bei aller Dankbarkeit sollten wir uns nicht zurücklehnen. Vielmehr sollte das für uns Auftrag sein, die erfolgreiche Entwicklung unseres Landes fortzusetzen. Dieser Haushalt ist ein gute Grundlage dafür. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort die Kollegin Bettina Hagedorn. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bettina Hagedorn (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte meine Rede mit einem Zitat beginnen: Wesentliches Markenzeichen der Großen Koalition ist die solide Haushalts- und Finanzpolitik, die mit weniger Schulden auskommt und gleichzeitig mehr Investitionen in entscheidende Zukunftsfelder unserer Gesellschaft und Wirtschaft vornimmt. Ich finde, das ist eine prima Überschrift für diese Haushaltswoche. Die Tatsache, dass dieses Zitat aus einer Rede des Finanzministers der letzten Großen Koalition, Peer Steinbrück, vom 16. September 2008 stammt, macht deutlich, dass wir sowohl in der letzten als auch in der jetzigen Großen Koalition einen langen roten Faden und damit eine gemeinsame Tradition insbesondere in der Finanz- und Haushaltspolitik haben, die gut für Deutschland ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kollegin Hasselfeldt, ich will ganz gewiss nicht den Anschein eines künstlichen Konflikts erzeugen. Aber Sie haben gerade in Ihrer Rede mit Blick auf die Einhaltung der Stabilitätskriterien in Europa ständig vom Stabilitätspakt gesprochen. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass er sich Stabilitäts- und Wachstums-pakt nennt. Das haben wir – das ist keine Kleinigkeit – auch schon in der letzten Großen Koalition gemeinsam so verstanden. Sie haben eben auch darauf hingewiesen, es sei wichtig, mit dem Geld auszukommen, das man hat. Ich glaube, dem stimmen alle im Haus zunächst einmal zu. Aber die letzte Große Koalition hat bewiesen, dass es davon Ausnahmen geben kann. Diese hängen mit dem zusammen, was sich unter dem Begriff „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ subsumieren lässt. Als die durch den Zusammenbruch von Lehman Brothers hervorgerufene Krise begann, standen wir unmittelbar vor einem strukturell ausgeglichenen Haushalt; das war schon damals unser gemeinsames Ziel. Aber wir haben damals sehr bewusst und richtigerweise das Erreichen dieses Ziels hintangestellt, um Konjunkturpakete auf den Weg zu bringen und Wachstumsimpulse, die Deutschland damals gebraucht hat, überhaupt erst zu ermöglichen. Wir haben beispielsweise mit dem Kurzarbeitergeld Menschen in Lohn und Brot gehalten. Nur dadurch war es möglich, dass die Wirtschaft später schnell wieder anspringen konnte – und zwar als erste in ganz Europa – und dass Deutschland, wie es die Kanzlerin heute Morgen ausgedrückt hat, zur Wachstumslokomotive wurde. Und darum: Sparen ist kein Selbstzweck. Stabilität ist gut und richtig. Aber Wachstum gehört dazu. Es ist schön, dass wir uns an dieser Stelle einig sind. (Beifall bei der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau! Deswegen müssen wir nichts ändern!) Wir sind uns auch über die Schwerpunkte des Haushalts einig; das haben die Haushaltsberatungen erneut bewiesen. Wir haben schon in der letzten Großen Koalition enorme gemeinsame Anstrengungen im Bildungsbereich unternommen und nicht nur wegen der -Lissabon-Strategie in Europa erkannt, dass die Bildungsinvestitionen erhöht werden müssen; denn nur wenn wir in die Köpfe der jungen Menschen mehr investieren, als es traditionell in den letzten Jahrzehnten der Fall war, geht uns die wichtigste Ressource, die Jugend, nicht verloren. Wir brauchen sie, um die wirtschaftliche Stabilität in unserem Land auch in Zukunft zu erhalten. Das setzen wir in dieser Großen Koalition fort. Es ist schon ein bisschen befremdlich, dass Sie, Herr Gysi, als Oppositionsredner sich ausgerechnet die Bildung vorgenommen haben, um die Große Koalition zu kritisieren. Es ist auch nicht wahr, was Sie gesagt haben, nämlich dass 500 Millionen Euro gekürzt worden seien. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Natürlich!) Machen Sie sich einmal bei der Haushaltsausschussvorsitzenden Frau Lötzsch schlau. Die Wahrheit ist: Das Geld, das 2014 nicht mehr ausgegeben werden kann, weil die Vereinbarungen so sind, wie sie sind, (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Globale Minderausgabe!) werden wir in den Folgejahren zur Verfügung stellen. Fakt ist aber, dass wir mit diesem Haushalt Investitionen in Höhe von 9 Milliarden Euro – darauf ist vielfach hingewiesen worden – in Bildung tätigen. Das tun wir in erster Linie und maßgeblich über die Länder, aber auch über die Kommunen; denn wir sind gemeinsam von dem Gedanken getragen, dass Bildung nicht nur Hochschulbildung ist, sondern dass Bildung gerade und in erster Linie in den Schulen, in den Kitas und in den Krippen durch mehr Lehrer und Erzieher qualitativ verbessert werden muss. Dazu gehört eine verbesserte Ausbildung, damit die hohen Schulabbrecherquoten, die wir in Deutschland immer noch haben – die PISA-Ergebnisse will ich nur am Rande erwähnen –, gesenkt werden. Diese sind nicht nur eine Schande für unser Land und ganz furchtbar für junge Menschen, über die wir reden, sondern es ist auch volkswirtschaftlich ein Wahnsinn, wenn wir nicht gegensteuern. Aber wir steuern dagegen. Dafür ist dieser Haushalt ein wichtiges Beispiel. (Beifall bei der SPD) Ich möchte gerne ein paar Dinge aufgreifen, die in den Haushaltsberatungen der letzten zwei Monate geglückt sind. Auch ich möchte mich, wie es schon andere vor mir getan haben, bei meinen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU im Haushaltsausschuss dafür bedanken, dass wir unsere Feuerprobe in dieser Legislatur bestanden haben. Für viele war es gar keine Feuerprobe, weil wir schon eine andere Große Koalition erfolgreich hinter uns gebracht haben. Ich will darauf hinweisen, was der Haushaltsausschuss eigentlich gegenüber der ersten Lesung, die hier im April stattgefunden hat, verändert hat. Mir ist besonders wichtig – das Thema hatten wir eben schon –, dass wir unter anderem 10 Millionen Euro mehr für die syrischen Flüchtlinge und 40 Millionen Euro mehr für Integrationskurse in diesem Land zur Verfügung gestellt haben. Ich möchte diesen Hinweis aber damit verbinden – Herr de Maizière ist jetzt nicht da –, dass wir als Haushaltsausschuss auch die Erwartung hegen, dass wir diese Nachbesserung im zweistelligen Millionenumfang bei den Integrationskursen nicht in jedem Haushaltsjahr wieder machen müssen; wir erwarten vielmehr von unserer Bundesregierung, dass sie die Integrationskurse von Anfang an in dem Umfang ausfinanziert, wie es erforderlich ist. Wir sind jetzt bei 245 Millionen Euro, und das ist das Mindeste, was wir an dieser Stelle tun müssen. (Beifall bei der SPD) Ich möchte das Technische Hilfswerk erwähnen. Wir unterstützen das Technische Hilfswerk mit 10 Millionen Euro mehr. Ich bin sehr froh, dass das gelungen ist. Auch mit Blick auf die Debatte heute will ich nicht unerwähnt lassen, dass das Technische Hilfswerk unter anderem in Jordanien in den Flüchtlingslagern für die Bereitstellung von Wasser sorgt. Wir alle wissen, was das für die Gesunderhaltung der Flüchtlinge dort bedeutet und vor welchen dramatischen Herausforderungen ein Land wie Jordanien – die Kanzlerin hat darauf hingewiesen – steht. Das deutsche Technische Hilfswerk trägt zuverlässig zur Gesunderhaltung der Menschen bei. Dafür unser herzlicher Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das Technische Hilfswerk hat eine besondere Struktur mit über 80 000 ehrenamtlichen Mitarbeitern, die dort tätig sind. Nur ungefähr 800 hauptamtliche Mitarbeiter halten diese Organisation aufrecht. Wenn wir an die Flut vor einem Jahr in Deutschland denken, so stellen wir fest, dass es das Technische Hilfswerk war, das gemeinsam mit anderen herausragende Arbeit geleistet hat. Wir wollen das Technische Hilfswerk auf der Ebene der Ortsvereine maßgeblich stärken. Auf dieser Ebene wird nämlich hervorragende Jugendarbeit geleistet und wird immer wieder Nachwuchs für das THW rekrutiert. Wir investieren in die dortige Aus- und Fortbildung und mit 7 Millionen Euro in die Verbesserung seines Fuhrparks. Das ist eine gute Sache. Vielen Dank allen, die dafür gesorgt haben, dass uns das gemeinsam geglückt ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir erhöhen die Mittel für die Bundeszentrale für politische Bildung um 10 Millionen Euro. 3,5 Millionen Euro davon fließen an eine sehr bunte Trägerschaft von Angeboten in ganz Deutschland, die mit der Bundeszentrale für politische Bildung kooperiert. Politische Bildung in unseren Bundesländern ist nach unserer festen Überzeugung ein wichtiger Baustein dafür, dass Menschen Angebote in ihrer Region wahrnehmen können, die letztendlich zu mehr Verständnis und mehr Wertschätzung gegenüber unserer Demokratie beitragen. Es handelt sich also um ein wertvolles Instrument im Kampf gegen rechts und dessen Nährboden. Die entsprechenden Angebote werden von jungen Menschen in einem ganz großen Umfang wahrgenommen – Gott sei Dank. Neben dem Bundesfreiwilligendienst stärken wir den Heimkinderfonds Ost mit insgesamt 35 Millionen Euro. Für die Finanzierung der HIV-Stiftung stellen wir 10 Millionen Euro bereit. Die Zuschüsse für den Asse-Fonds sind verdoppelt worden. In den nächsten Jahren werden sie sogar verdreifacht; später werden sie dann verstetigt. Mit der Bereitstellung von 85 Millionen Euro stärken wir den Rückbau von Forschungsreaktoren in Deutschland. Das alles sind wichtige Aufgaben. Ich denke, es ist besonders wichtig, zu erwähnen, dass wir das alles machen und am Ende eine Neuverschuldung von trotzdem nur 6,5 Milliarden Euro vornehmen. Das ist schon eine Leistung. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass mein Kollege André Berghegger von der Union seine Rede gestern mit einer Fußballerweisheit beendet hat, als er sagte, dass das nächste Spiel immer das schwerste ist. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, heißt das!) Das nächste Spiel für uns Deutsche findet ja morgen gegen die USA statt. Aber für uns Haushälter ist das nächste Spiel – um im Bild zu bleiben – die Aufstellung des Haushalts für das Jahr 2015. Dafür haben wir uns eine Menge vorgenommen, vor allen Dingen natürlich, die Nettoneuverschuldung auf null zu senken. Wir wissen natürlich auch, dass die Herausforderungen 2015 enorm sein werden. Wenn der Bund die Einnahmen aus der Brennelementesteuer zurückzahlen muss, sind womöglich Steuerausfälle im Umfang von mindestens 3 Milliarden Euro gegenzufinanzieren. Deutschland profitiert seit Jahren von historisch unglaublich niedrigen Zinsen. Das niedrige Zinsniveau hat unseren Bundeshaushalt in den letzten Jahren um zweistellige Milliardenbeträge entlastet. Das heißt, wir haben gespart, ohne uns dafür wirklich anstrengen zu müssen. Das wird möglicherweise nicht so bleiben. Wir können also durchaus irgendwann in Schwierigkeiten kommen. Risiken dieser Art schweben über uns. Aber nachdem wir diesen Haushalt so gut und kollegial miteinander aufgestellt haben, bin ich von Zuversicht getragen, dass wir das auch in den nächsten drei Jahren schaffen werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dabei wollen wir den Pfad der verstärkten Investitionen in die Bereiche Bildung und Infrastruktur weitergehen. Für diese Bereiche soll also mehr Geld zur Verfügung gestellt werden, und zwar seriös finanziert. Ich freue mich, dass wir die Beratungen über den Haushalt 2014 erfolgreich abgeschlossen haben. Aber schon mit dem Kabinettsbeschluss nächste Woche starten wir in die Beratungen über den Haushalt 2015. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für den Bundesrat spricht jetzt Sven Morlok, Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Landes Sachsen. Sven Morlok, Staatsminister (Sachsen): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, Sie haben heute Morgen in Ihrer Rede die Frage nach den Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Entwicklung in den nächsten Jahren gestellt. In der Tat, die Lage ist gut. Die Rahmenbedingungen stimmen aber nicht, zumindest nicht in jedem Fall. Es fehlen Investitionen in die öffentliche In-frastruktur, aber es fehlen insbesondere auch Investitionen im Bereich der privaten Wirtschaft. Sie haben, Frau Bundeskanzlerin, auf der CeBIT die Eröffnungsrede gehalten und sind auch heute auf das Thema „Industrie 4.0“ eingegangen. Insofern ist schon deutlich geworden: Sie haben die Herausforderungen erkannt, vor denen wir angesichts dieser technologischen Veränderungen stehen. Die Zielstellung „ein schnelles Internet, flächendeckend in ganz Deutschland, Übertragungsraten von 50 Megabit – und das bis 2018“ ist eine Zielstellung, die wir nachdrücklich unterstützen. Wenn wir uns aber einmal fragen, was bisher erreicht wurde, erkennen wir: Das sieht schon etwas anders aus. Wir haben ein Ministerium für digitale Infrastruktur. Wir haben einen Minister für digitale Infrastruktur. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die machen nur nichts!) Was fehlt, ist das Geld. Wir haben kein Geld für digitale Infrastruktur. Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie da auf die digitale Dividende verweisen, dann greifen Sie zu kurz. Die digitale Dividende wird erst im Jahr 2016 zur Verfügung stehen. Wenn man 2018 am Ziel sein möchte, kann man nicht erst 2016 anfangen. Nächstes Thema: Verkehrsinfrastruktur. Herr Schneider hat bereits auf die Beschlüsse der Verkehrsministerkonferenz hingewiesen. In der Tat: Es fehlen 40 Milliarden Euro. 2,7 Milliarden Euro – so war der Vorschlag – braucht man jedes Jahr, um allein den Instandhaltungsrückstau zu beseitigen. Das, was Sie zusätzlich bereitstellen, ist nicht einmal die Hälfte dessen, was die Verkehrsminister länderübergreifend und damit auch parteiübergreifend gefordert und als sachgerecht angesehen haben. Sie wollen die Rente mit 63 mit 160 Milliarden Euro finanzieren, nehmen aber die Sperrung von Straßen und Brücken billigend in Kauf. Deutschland, sehr geehrte Damen und Herren, hätte kein Rentenpaket gebraucht; ein Infrastrukturpaket wäre dringend nötig gewesen. (Beifall der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Frau Bundeskanzlerin, Sie haben das falsche Paket geschnürt. Ich möchte das einmal an zwei Ministerien der Regierung deutlich machen. Da haben wir das Ministerium für Arbeit und Soziales. Das ist – ich sage es einmal salopp – das Ministerium, in dem das Geld eher verteilt wird. Dann haben wir das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Das ist das Ministerium, in dem man eher in die Zukunft investiert. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird viel Geld verschwendet im Verkehrsministerium!) Das sind das Gegenwartsministerium und das Zukunftsministerium. Wir haben nicht zu wenig Geld im Bundeshaushalt; das Geld steckt im falschen Ministerium. Schauen wir uns die Situation in der Wirtschaft an! „Abschied auf Raten“, das titelte die Welt am Sonntag und schrieb: Deutsche Konzerne flüchten aus der Heimat. – In der Tat, es gibt Sorgen um den Investitions-standort Deutschland. Bei den Investitionen hält man sich zurück. Wir haben einen Investitionsstau. Ursachen dafür sind die fehlenden Mittel für die öffentliche Infrastruktur und die Rente mit 63; es fehlen Fachkräfte, und jetzt werden zusätzlich welche weggenommen. Auch der Mindestlohn ist ein entscheidendes Problem. Sehr geehrte Damen und Herren, es sind eben die Bäcker und die Fleischer und der kleine Laden um die Ecke in der Nahversorgung im ländlichen Raum, bei denen die Arbeitsplätze verloren gehen werden. Auch im Taxigewerbe können wir eine flächendeckende Versorgung 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche nicht gewährleisten. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Staatsminister, denken Sie bitte an die Redezeit. (Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Sven Morlok, Staatsminister (Sachsen): Gerne. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Die ist abgelaufen. (Heiterkeit) Kommen Sie bitte zum Schluss. Einen letzten Satz gewähre ich Ihnen noch. Sven Morlok, Staatsminister (Sachsen): Die Politik, die Sie betreiben – Sie verlagern Kosten in den nächsten Haushalt; Beispiel Rente: Die Rentenkassen sind leer –, ist keine nachhaltige Politik. Das, was Sie machen, erfolgt eher nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“. Das ist nicht generationengerecht und auch nicht verantwortungsvoll. Vielen Dank. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sehen viele Mütter in Deutschland anders!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Der Kollege Dr. Peter Tauber ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Peter Tauber (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haushalt enthält mehrere Meilensteine. Auf zwei dieser Meilensteine, vor allem aus Sicht der jüngeren Generation, will ich eingehen. Zunächst aber, lieber Herr Gysi – hier muss ich Sie in die Pflicht nehmen –, ein Wort zu Ihnen. Sie haben eine Chance verpasst. Sie hätten in Ihrer Replik auf die Rede unseres Fraktionsvorsitzenden die Chance gehabt, geradezurücken, was Mitglieder Ihrer Partei an unerträglichen Aussagen rund um den Konflikt in der Ukraine vom Stapel lassen. Sie hätten die Chance gehabt, geradezurücken, wie es die Linke mit den Institutionen und Repräsentanten unseres Staates, ganz besonders mit Blick auf den Bundespräsidenten, hält. Das haben Sie nicht getan. Sie haben etwas anderes getan, und das ist noch viel schlimmer. Sie haben den Eindruck erweckt, dass es in einer großen Partei normal sei, dass einem nicht jede Aussage eines Parteifreundes jeden Tag Freude bereitet. An diesem Punkt gehe ich sogar mit; das kann ich persönlich nachvollziehen. Aber der große Unterschied zwischen den Linken und allen anderen demokratischen Parteien in diesem Hohen Hause ist: Wenn es zu einer solchen Entgleisung kommt, dann ist für Christdemokraten, Sozialdemokraten und auch für Grüne unmissverständlich klar, dass dieser Mann, diese Frau, dieses Mitglied oder dieser Funktionsträger – in Ihrem Fall reden wir von einem Landtagsabgeordneten; das ist kein beliebiges Parteimitglied – sich entschuldigt und im Zweifel auch die Konsequenzen zieht, zurücktritt und das Amt zur Verfügung stellt. Das geschieht in allen Parteien bei einer entsprechenden Entgleisung, in Ihrer Partei nicht. Deswegen ist die Nivellierung, die Sie betreiben, Hohn und Spott gegenüber den Werten, für die diese Demokratie steht. Sie haben wieder bewiesen, wohin Sie eigentlich gehören und woher Sie kommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zu den zwei wesentlichen Meilensteinen in diesem Haushalt, an denen unsere Fraktion Anteil hat, hier ganz besonders die jüngeren Kolleginnen und Kollegen in der Jungen Gruppe, die bei uns mit 25 Männern und Frauen stark vertreten ist. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Rentenpaket, Herr Tauber, oder?) – Ich bin leider ein bisschen zu alt dafür, auch wenn ich im Gegensatz zu Ihnen noch jung genug aussehe, lieber Herr Kollege Kindler. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) – Wenn er eine so billige Vorlage macht, muss ich den Elfer verwandeln. Das ist wie morgen Abend. Da zählt das Tor; entscheidend ist auf dem Platz. Der ausgeglichene Haushalt, den wir vor Augen haben, und die strukturelle Neuverschuldung, die so niedrig ist wie seit Ende der 60er-Jahre nicht mehr, sind ein ganz klares Signal an die junge Generation, dass wir es mit einem Ausgleich der Interessen von Jung und Alt in diesem Land ernst meinen. Deswegen passen das Rentenpaket und der ausgeglichene Haushalt zusammen. Wir haben uns nämlich vorgenommen, dass wir eine Politik für alle Generationen machen, dass wir niemanden gegeneinander ausspielen. Nach dem Rentenpaket ist dies das Signal an die junge Generation. (Beifall bei der CDU/CSU) Der erste Meilenstein ist der ausgeglichene Haushalt, den wir vor Augen haben und den wir realisieren wollen. Es gibt einen zweiten Meilenstein, der für die junge Generation mindestens genauso wichtig ist. Das ist der Einzelplan, in dem es um Bildung und Forschung geht. Wir haben seit 2005 die Ausgaben in diesem Bereich um 84 Prozent erhöht; das ist fast eine Verdoppelung. Damit hängen viele Dinge zusammen: die Finanzierung der -Exzellenzinitiative bis zum Jahr 2017. Über das BAföG, das der Bund künftig komplett übernimmt, ist schon gesprochen worden. Aber neben den Zahlen, die sich ganz konkret im universitären Alltag und in der Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen abbilden, steht ein ganz anderer Gedanke, um den es mir hier geht. Wir müssen deutlich machen, dass diese Republik ihre klügsten Köpfe nicht nur ehrt, wenn sie etwas Besonderes geleistet haben, sondern dass wir sie auf dem Weg dahin begleiten und ihnen eine Grundlage dafür geben, dass Innovation, Forschung und Fortschritt in diesem Land willkommen sind und wir nicht verzagt sind, wenn sich neue Chancen und Technologien ergeben. Wir wollen, dass Deutschland Vorreiter ist. Wir brauchen eine neue Gründerzeit in diesem Land. Das bringen wir mit diesem Etat zum Ausdruck. Deswegen ist der Haushalt, den wir auf den Weg bringen, ein ganz wichtiger Meilenstein. (Beifall bei der CDU/CSU) Gestern wurde Karlheinz Brandenburg zum dritten Mal die Ehrendoktorwürde verliehen, von der Polytechnischen Universität Valencia. Jetzt weiß nicht jeder, wer Karlheinz Brandenburg ist. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Doch!) Das ist der Erfinder des MP3-Formats. Wichtig ist, dass wir immer wieder über solche Persönlichkeiten reden. Das sind die Vorbilder, die wir brauchen. Es lohnt sich, diesen Männern und Frauen nachzueifern. Genau das müssen wir der jungen Generation vermitteln – deswegen mehr Geld für Bildung und Forschung –: Es lohnt sich, sich anzustrengen; es lohnt sich, in diesem Land etwas zu leisten. Das ist der Geist, den auch dieser Bundeshaushalt atmet. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen, zuzustimmen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Martin Dörmann, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Martin Dörmann (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute auch über den Haushalt für den Bereich „Kultur und Medien“. Da ist uns in der Schlusskurve wirklich ein Coup gelungen. Während der noch von der Vorgängerregierung erstellte Entwurf eine Absenkung des BKM-Haushaltsansatzes um fast 6 Prozent vorsah, konnten wir den Etat nun, da die SPD an den Beratungen beteiligt war, im parlamentarischen Verfahren um 7,5 Prozent, das heißt um 90 Millionen Euro, steigern. Insgesamt beträgt er jetzt 1,3 Milliarden Euro. Wir, das sind die Kultur- und Medienpolitiker sowie die zuständigen Haushälter beider Koalitionsfraktionen. Bei ihnen allen möchte ich mich ebenso herzlich bedanken wie bei unserer Staatsministerin. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das war eine sehr gute Zusammenarbeit, geprägt von dem Willen, die ehrgeizigen Vorhaben des Koalitionsvertrags umzusetzen und gemeinsam ein deutliches Zeichen für Kultur und Medien zu setzen. Das ist uns gelungen, und daran knüpfen wir im Herbst an, wenn wir den Haushalt für 2015 verhandeln. Ich will daran erinnern, dass es noch nie einen Koalitionsvertrag gab, der sich so konkret und ausführlich mit dem Bereich „Kultur und Medien“ beschäftigte. Dieses Programm gilt es nun Schritt für Schritt umzusetzen. Lassen Sie mich einige der wichtigsten Verbesserungen im Haushalt für 2014 darstellen; meine Fraktionskollegin Hiltrud Lotze wird weitere benennen. Insgesamt ist es uns gelungen, dafür zu sorgen, dass kulturelle Substanz gesichert, gleichzeitig aber auch neue Impulse gesetzt werden können. Das sehr erfolgreiche und segensreiche Denkmalschutzprogramm beispielsweise wird mit Mitteln in Höhe von 29 Millionen Euro wieder aufgelegt. Dadurch können nicht nur unser national bedeutsames kulturelles Erbe gefördert und Kulturdenkmäler gepflegt werden; davon profitieren auch kleine und mittlere Betriebe, die zum Teil noch alte Handwerkstechniken einsetzen. Das ist Kulturförderung im besten Sinne – keine Subvention, sondern eine Investition in die Zukunft. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Nationale Kultureinrichtungen in Ostdeutschland, bei denen es immer noch erheblichen Investitionsbedarf gibt, werden weiterhin mit 4 Millionen Euro jährlich gefördert. Das ist ein gutes Signal, gerade 25 Jahre nach der friedlichen Revolution und der Wiedervereinigung. Es deutet an, welcher kulturelle Wert in den neuen Ländern vorhanden ist und zum Teil noch wiederentdeckt werden muss. Das wollen wir fördern. Wir setzen zusätzliche Mittel ein, um unser nationales Filmerbe zu digitalisieren und zukünftig auch auf neuen Wegen zugänglich zu machen. Wir wollen auch den Kinos in der Fläche helfen, die als kulturelle Orte unheimlich wichtig sind, aber die Kosten der Digitalisierung nicht alleine tragen können. Als eines der zentralen medienpolitischen Anliegen möchte ich die Stärkung der Deutschen Welle hervorheben. Ich freue mich, dass es mit diesem Haushalt gelingt, dort eine echte Trendwende hinzubekommen. Nachdem in den vergangenen Jahren die Mittel zwar stabil geblieben sind, aber aufgrund der Kostensteigerungen faktisch eine Kürzung stattfand, machen wir nun mit einem Aufwuchs von 10 Millionen Euro deutlich, dass wir die Deutsche Welle als unseren Auslandssender stärken wollen. Das gilt umso mehr, als die Welt in vielen Ländern im Umbruch ist, sei es in der Ukraine, im arabischen Raum oder auf dem afrikanischen Kontinent. Mit den verbesserten finanziellen Möglichkeiten wird die Deutsche Welle in die Lage versetzt, diesen Herausforderungen besser zu begegnen. Zudem unterstützen wir den Sender ganz wesentlich in seinem derzeitigen Reformprozess, der neue Schwerpunkte setzt und die Reichweite der Deutschen Welle weiter erhöhen wird. Lassen Sie mich als Sozialdemokrat sagen: Ich bin sehr froh, dass dieser Umstrukturierungsprozess laut den Ankündigungen des Intendanten ohne betriebsbedingte Kündigungen vonstatten gehen wird. Ich möchte auch noch etwas zu einem Projekt sagen, das sich zwar nicht in einem ausgewiesenen Haushaltstitel findet, aber von uns umgesetzt wird: der Mediendatenbank. Nachdem diese 2012 erstmalig realisiert werden konnte, geht es nun darum, sie weiterzuentwickeln. Seitens der Länder gibt es bereits Signale, dass sie bereit sind, über die Landesmedienanstalten ihren Anteil zu leisten. Noch bestehende Finanzierungslücken werden wir – darauf haben wir uns in der Koalition bereits verständigt – im BKM-Haushalt entsprechend abbilden. Die in der Mediendatenbank erfassten Daten ermöglichen eine bessere Beurteilung von Meinungsmacht und deren crossmedialen Auswirkungen. Das ist angesichts des zunehmenden Drucks auf die Pressevielfalt ein gutes und notwendiges Projekt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich noch kurz einen Blick auf den nächsten Haushalt werfen; denn bereits nächste Woche legt die Bundesregierung den Entwurf für 2015 vor, der uns gleich nach der Sommerpause im Parlament beschäftigen wird. Innerhalb der Koalition sind wir uns einig, dass wir uns in den nächsten Monaten unter anderem mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie die vielfältigen Vorhaben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ausfinanziert werden. Zudem werden wir selbstverständlich den Anspruch des nächste Woche zu verabschiedenden gesetzlichen Mindestlohnes auch für den Kultur- und Medienbereich einlösen. Es ist übrigens darüber hinaus auch ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema, in dem zum Teil von hoher Selbstausbeutung geprägten Kultur- und Medienbereich darauf zu drängen, dass über den Mindestlohn hinaus Tarifverträge und soziale Standards nicht nur vereinbart, sondern auch eingehalten werden. Lassen Sie mich ein Fazit zum Haushalt für den Bereich „Kultur und Medien“ ziehen. Die Koalition ist auf einem guten Weg. Wir halten, was wir versprechen, und wir haben uns für die Zukunft noch einiges vorgenommen. Gerade in diesen Tagen der Fußballweltmeisterschaft gilt der viel zitierte Satz von Sepp Herberger: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Übrigens hat er 1954 die deutsche Mannschaft zur Fußballweltmeisterschaft geführt. Ich deute das als gutes Omen. Das ist keine sportliche Prognose, aber dennoch eine Hoffnung. Ich hoffe, sie wird eingelöst. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Marco Wanderwitz, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Dörmann hat in vielem, was er heute gesagt hat, recht, zum Beispiel darin, dass wir im Kultur- und Medienausschuss traditionell seit vielen Jahren fraktionsübergreifend gut zusammenarbeiten. Lieber Siegmund Ehrmann, ich glaube, das hat auch etwas damit zu tun, dass du als neuer Ausschussvorsitzender weiter in diese Kerbe schlägst. Du bist ein guter Ausschussvorsitzender; das würden alle deine Ausschussmitglieder unterschreiben. Hab herzlichen Dank dafür. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die enge Zusammenarbeit der Kultur- und Medien-politiker in der Großen Koalition begann bereits während der Koalitionsverhandlungen. Zehn Seiten des Koalitionsvertrages gehören dem Bereich „Kultur und Medien“, so viel wie noch nie zuvor. Das zeigt, welchen Stellenwert dieses Politikfeld für unsere Koalition hat. Wir sind froh, dass uns das gelungen ist. Wir haben uns natürlich auch Hausaufgaben gegeben, die wir abarbeiten wollen. Wir haben in den Koalitionsvertrag geschrieben: Wir wollen den Kulturhaushalt „auf hohem Niveau weiterentwickeln“. Ich glaube, mit den für 2014 vorgesehenen 1,29 Milliarden Euro ist uns das recht gut gelungen. Ich möchte mich bei unseren Haushältern ganz herzlich bedanken – ich sehe Rüdiger Kruse für unsere Fraktion hier sitzen –: Ihr seid einerseits natürlich Haushälter, so wie Haushälter eben sind – ihr müsst das Geld zusammenhalten –; (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) andererseits – und das habe ich bei allen Haushältern im Kultur- und Medienbereich wahrgenommen – seid ihr auch Kämpfer für Kultur und Medien. Es ist gut, wenn man als Fachpolitiker solche Haushälter an seiner Seite hat. Unsere neue Kulturstaatsministerin hat ihre Feuertaufe bestanden, sowohl in den letzten Wochen und Monaten in Bezug auf viele inhaltliche Themen als auch jetzt bei diesem Haushalt. Dass die Schuhe, die Bernd Neumann nach acht Jahren hinterlassen hat, ziemlich groß waren, konnte man nicht nur in den Zeitungen lesen. Das ist uns allen bewusst, die wir acht schöne Jahre mit ihm als Kulturstaatsminister – es waren acht gute Jahre für die Kultur in Deutschland – erlebt haben. Ich denke, liebe Monika Grütters, die Schuhe passen ganz gut. Ich habe gestern Abend Bernd Neumann getroffen und ihm das so gesagt. Ich glaube, auch er ist sehr zufrieden damit, wie der Übergang funktioniert hat. Er ist sehr froh und glücklich, dass Kultur und Medien in unserem Land weiterhin in guten Händen sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich will aufgrund der Kürze der Zeit nur einige wenige Inhalte ansprechen: Wir haben uns vorgenommen, die Künstlersozialversicherung zu reformieren. Das ist ein ganz wichtiges -kulturpolitisches Projekt dieser Bundesregierung. Das Schöne ist, dass wir so schnell liefern konnten. Die Künstlersozialversicherung ist eines der wichtigsten Instrumente zur sozialen Absicherung der Künstlerinnen und Künstler. Wir erweitern jetzt die Überprüfungsmöglichkeiten, stärken die Abgabegerechtigkeit und stabilisieren den Beitragssatz. Ich glaube, damit hat die Künstlersozialversicherung in Deutschland Zukunft, und das ist gut so; denn sie sucht in Europa ihresgleichen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wenn wir sagen, dass Künstlerinnen und Künstler oft in einer schwierigen sozialen Lage sind – das wissen wir –, dann müssen wir fast zwangsläufig darüber reden, dass Künstlerinnen und Künstler von ihrer kreativen Arbeit besser leben können sollen. Damit sind wir bei dem Thema Urheberrecht in der digitalen Zeit. Dieser Aspekt kommt mir in der Debatte immer viel zu kurz. Deswegen will ich dieses Thema heute ansprechen. Es geht um Menschen, die hinter diesem geistigen Eigentum stehen. Darüber müssen wir reden. Wir als Koalition müssen natürlich auch an dieser Stelle liefern. Wir haben uns fest vorgenommen, hierbei zu Verbesserungen zu kommen. Ich bin sehr optimistisch, dass der zuständige Bundesjustizminister uns in Bälde einen ersten Aufschlag in diese Richtung geben wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will einen letzten Punkt ansprechen. Nachdem Martin Dörmann zum Thema Deutsche Welle im Grunde alles gesagt hat, will ich nur noch Folgendes sagen: Auch wir unterstützen die wichtigen Reformen, die Peter Limbourg als neuer Intendant auf den Weg gebracht hat. Wir werden seine Arbeit in den Gremien der Deutschen Welle begleiten und im Bundestag darüber diskutieren. Ich will noch ganz kurz den deutschen Film ansprechen. Wir haben es geschafft, die Mittel für den Deutschen Filmförderfonds auf dem hohen Niveau von 60 Millionen Euro zu verstetigen. Unser Ziel ist – so steht es auch im Koalitionsvertrag –, ihn zu entfristen, um noch mehr Planungssicherheit zu erreichen. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen für den deutschen Film, aber auch für den internationalen Filmstandort Deutschland. Deswegen freue ich mich sehr, dass uns auch das gelungen ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Harald Petzold, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Alle freuen sich über die zusätzlichen 90 Millionen Euro im Haushalt 2014 für Kultur und Medien. Ich freue mich mit. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Gut so!) Das ist gut so. Ich sage Ihnen aber auch: Ob dieses Mehr tatsächlich auch ein Besser sein wird, da habe ich meine Zweifel. Das will ich Ihnen an drei Beispielen ganz kurz begründen und nachweisen: (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, dann mal los!) Das erste Beispiel – Herr Kauder, Sie können gleich gut zuhören – ist das Sonderprogramm Denkmalschutz. Wir freuen uns natürlich, dass dafür 29 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stehen sollen. Ich sage aber auch: Es bleibt ein Sonderprogramm. Damit haben die Länder und die Kultur keine Planungssicherheit. Ich sage auch: Sie wissen um die finanziell klamme Situation der Länder und Kommunen. Also werden nur die reichen Bundesländer tatsächlich von diesem Programm Gebrauch machen können. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist doch Quatsch! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!) Das bleibt unsere Kritik. Da fordern wir Nachbesserungen. Zweitens. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass das Sonderprogramm zur Sanierung der Konzentrationslager-Gedenkstätten eingestellt werden soll. Wir haben von der Kanzlerin groß und breit etwas über das notwendige Gedenken aus Anlass des 100. Jahrestages des Ersten Weltkrieges gehört. Ich frage mich: Wie soll künftig das Gedenken an die vielen Tausenden Toten in den Konzentrationslagern finanziert werden, wenn das Sonderprogramm eingestellt wird? Auch hier fordern wir Nachbesserungen. Das halten wir nicht für zulässig. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Drittens: Medienpolitik. Der Kollege Dörmann hat richtigerweise gesagt, wir freuen uns über die zusätzlichen 10 Millionen Euro für die Deutsche Welle. Wenn ich mir das genau anschaue, stelle ich fest, dass das Reformprojekt genau das Problem ist. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Ein Schwachsinn!) So wie es aussieht, soll der Sender nämlich in einen Verkündigungssender für die deutsche Außenpolitik umgewandelt werden. (Martin Dörmann [SPD]: Quatsch! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Quatsch!) Anstatt die 10 Millionen Euro zu benutzen, um endlich mit den prekären Beschäftigungsverhältnissen, mit den unsicheren Beschäftigungsverhältnissen in diesem Sender Schluss zu machen, freuen Sie sich darüber, dass das ohne betriebsbedingte Kündigungen über die Bühne gehen soll. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Menschenskind!) Wer soll denn noch gekündigt werden? Es ist eine große Unsitte im journalistischen Bereich, mit vielen freien Mitarbeitern und prekären Beschäftigungsverhältnissen zu arbeiten. Die Linke wird an diesem Problem dranbleiben. (Beifall bei der LINKEN) Außerdem fordern wir in der Medienpolitik eine größere Anstrengung sowohl des Bundes als auch der Länder beim Thema „Medienbildung“. Mein Fraktionsvorsitzender hat in seinem Redebeitrag heute sehr engagiert über die Macht der Medien gesprochen. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Habe ich gar nicht mitgekriegt!) Wenn wir daraus tatsächlich Konsequenzen ziehen wollen, dann die, dass wir dem Thema „Medienbildung“ einen viel größeren Stellenwert beimessen, als das gegenwärtig der Fall ist. Dazu finde ich in unserem Bundeshaushalt nichts. Deswegen fordern wir als Linke hier eine vereinigte Initiative von Bund und Ländern ein. (Beifall bei der LINKEN) Die Bundeskanzlerin sagt, Deutschland soll künftig sowohl Anker als auch Motor sein. Das mit dem Anker bekommen wir vielleicht mit dem Bundeshaushalt hin und verharren auf der Stelle. Motor sind wir noch nicht. Da müssen wir noch viel nachbessern. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Hiltrud Lotze. (Beifall bei der SPD) Hiltrud Lotze (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste auf den Besuchertribünen! Auch für den Bundeshaushalt 2014 haben die Haushälter der Fraktionen wieder eine Allianz für die Kultur gebildet. Die Kulturpolitik bekommt 90 Millionen Euro mehr, als im Etat vorgesehen war. Insgesamt beläuft sich der Etat jetzt auf 1,3 Milliarden Euro. Ich sage noch einmal herzlichen Dank an alle, die zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Dies zeigt, dass die Parlamentarier in diesem Hohen Hause die Kulturpolitik wertschätzen, und das aus gutem Grund; denn in keinem anderen Politikfeld werden die Fäden so sehr von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft gesponnen wie in der Kulturpolitik. Kultur ist für uns alle identitätsstiftend. Sie ist der Nährboden für Vielfalt. Kultur – so hat es Dietrich -Bonhoeffer einmal gesagt – ist der Spielraum der Freiheit. Sie zu erhalten und zu fördern, ist deswegen eine unserer vornehmsten Aufgaben. Das Gedenken und Erinnern ist ein wichtiger Teil von Kultur. Es bewahrt uns davor, geschichtsvergessen zu sein, und es befähigt uns auch, aus der Geschichte zu lernen. Erinnern ist Arbeit, kann sehr harte Arbeit sein. Manchmal ist es auch sehr schmerzhaft, nämlich dann, wenn wir die Opfer betrauern oder weil wir über die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit erkennen. Zugleich würdigen wir aber mit Gedenken und Erinnern das Lebensschicksal von Menschen, von Verfolgten, Flüchtlingen und Vertriebenen, um nur drei Gruppen stellvertretend zu nennen. Gedenken und Erinnern ist auch Mahnung zu Frieden und Versöhnung. Es kann auch beglückend sein, nämlich dann, wenn wir uns an gelungene Ereignisse unserer Geschichte erinnern. In jedem Fall hilft uns Gedenken und Erinnern bei der Bewusstseins- und Meinungsbildung. Es hilft uns auch, eine Haltung zur Vergangenheit, zur Gegenwart und zur Zukunft zu entwickeln. Diese Auffassung spiegelt sich auch in den Projekten wider, die jetzt finanziell gefördert werden. Als die zuständige Berichterstatterin für das Thema „Gedenken und Erinnern“ will ich vier Projekte benennen. Da gibt es zum Ersten das Denkmalschutz-Sonderprogramm, das mein Kollege Martin Dörmann schon erwähnt hat. Ich will noch einmal auf die Bedeutung von Denkmälern als Zeugnisse unserer Geschichte eingehen. Ich bin überzeugt davon, dass sich die Bürgerinnen und Bürger in unseren Städten und Gemeinden leichter mit ihrer Heimat identifizieren und leichter mit Geschichte auseinandersetzen, wenn sie sehen, dass vor Ort ein Denkmal, ein Wahrzeichen oder ein Gebäude saniert und so für die Nachwelt gesichert wird. In meiner Stadt, der Hansestadt Lüneburg, ist es zum Beispiel das mittelalterliche Rathaus aus dem Jahre 1230. In Lüchow-Dannenberg, das auch zu meinem Wahlkreis gehört, sind es die weltweit einzigartigen Rundlingsdörfer. Ich glaube, jeder von Ihnen hat vor seinem geistigen Auge Denkmäler aus seiner Stadt, aus seiner Region. Wenn das nicht so ist, dann lohnt es sich vielleicht, ein bisschen genauer hinzuschauen, zum Beispiel am Tag des offenen Denkmals am 14. September. Dass dieses Sonderprogramm im Übrigen auch für das Handwerk vor Ort sehr gut ist, hat mein Kollege schon gesagt. Zweitens möchte ich das mehrjährige Projekt „100 Jahre Gegenwart“ des Hauses der Kulturen der Welt zum Ersten Weltkrieg und seinen Folgen nennen. Es wird mit 15 Millionen Euro gefördert. Hier geht es um die Auseinandersetzung mit der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Wir sehen und hören davon in diesen Tagen sehr viel. Es geht darum, aus dieser Erfahrung Schlüsse zu ziehen für unser heutiges Zusammenleben, für unsere heutige Gesellschaft und für unsere Art und Weise, Politik zu machen. Drittens möchte ich die Projekte zum Reformationsjubiläum nennen, die jetzt ebenfalls mit zusätzlichem Geld ausgestattet werden. Die Bedeutung der Reformation für Freiheit, Bildung, Politik, Toleranz und Musik geht weit über den kirchlichen Wirkungskreis hinaus. Die Reformation war ein Wendepunkt der Geschichte, der nicht nur Deutschland, sondern auch Europa für immer verändert hat. Deswegen ist es gut, richtig und wichtig, auch hier Geld einzusetzen. Viertens und abschließend möchte ich das Bauhaus-jubiläum im Jahr 2019 nennen. Die Künstler und Architekten der damaligen Zeit, Walter Gropius, Oskar Schlemmer und andere, haben vor fast 100 Jahren mit ihrer Utopie den Sprung in die Moderne möglich gemacht und haben mit ihrem Design Standards gesetzt. Im Jahr 2019 feiern wir 100 Jahre Bauhaus. Das ist ein Ereignis, das auch international viel Aufmerksamkeit erregen wird und das der Bund finanziell unterstützt. Für 2014 stehen der Stiftung Bauhaus Dessau und dem Bauhaus-Archiv in Berlin zusätzlich jeweils 500 000 Euro für Planungen zum Jubiläum zur Verfügung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, August Strindberg hat einmal gesagt: „Die ganze Kultur ist eine große, endlose Zusammenarbeit.“ Beim Kulturetat 2014, besonders im parlamentarischen Verfahren, hat die Zusammen-arbeit gut funktioniert und zu einem guten Ergebnis -geführt. Ich denke, das ist auch Anerkennung für Kul-turschaffende und Institutionen. Für uns, für meine Kolleginnen und Kollegen und mich, ist es zugleich Motivation und Auftrag, im nächsten Haushalt wieder für die Kultur zu streiten. Das werden wir tun. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Ulle Schauws, Bündnis 90/Die Grünen. Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Wer Kultur fördert, der fördert auch die Freiheit, die Demokratie und eine vielfältige Gesellschaft. Aber eine starke Kultur braucht auch ein starkes Fundament und verlässliche Rahmenbedingungen. Dafür Sorge zu tragen, das muss unser prioritäres Ziel in der Kulturpolitik sein. Sie, meine Damen und Herren von der Bundesregierung, stellen diese verlässlichen Rahmenbedingungen aber gerade auf die Probe. Denn bei den laufenden TTIP-Verhandlungen wäre ein klares Signal für den Schutz der Kultur absolut notwendig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Sie müssen daher sicherstellen, dass dieser Schutz der Kultur beim Freihandelsabkommen auch garantiert wird. Beschwichtigende Lippenbekenntnisse reichen da nicht aus, Frau Staatsministerin. Die Kulturschaffenden in diesem Land und auch wir Grünen werden Ihnen erst vollständig glauben, wenn wir einen garantierten und umfassenden Schutz der Kultur und Medien bei TTIP schwarz auf weiß vor uns haben, ohne Wenn und Aber. So lange – das müssen Sie so hinnehmen – bleiben begründete und auch berechtigte Zweifel bestehen. Kultur als Handelsware ist ein Worst-Case-Szenario, nicht nur für Kulturschaffende. Gerade der Streit zwischen YouTube und den Independent-Labels der Musikbranche muss Sie doch aufhorchen lassen. Er zeigt doch deutlich, wie schnell eine Schieflage durch ungleiche Wettbewerbsbedingungen entsteht. Hier werden letztlich Existenzgrundlagen der Kleinen wirklich gefährdet. Das finde ich völlig inakzeptabel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ein starkes Fundament für die Kultur braucht aber auch eine solide finanzielle Grundlage. 1,29 Milliarden Euro, das ist ein schöner Ansatz, aber Geld allein macht noch keine gute Kulturpolitik. Durch die Haushaltspolitik der Regierung sind auch in diesem Jahr viele gute und sinnvolle Projekte auf der Strecke geblieben. Ich nenne nur ein paar. Was ist denn mit der Einführung eines Fonds für neue Musik? Fehlanzeige. Den Haushaltsantrag der Grünen-Bundestagsfraktion haben Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, abgelehnt, und dies, obwohl der Koalitionsvertrag vollmundig die Einführung eines ebensolchen Fonds verspricht. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, auch an anderer Stelle haben wir Ihren Einsatz vermisst. Die Stärkung des Deutschen Filmförderfonds haben Sie vielerorts angekündigt und versprochen. Am Ende haben nur wir Grüne für eine Aufstockung des Fonds plädiert. Das ist bedauerlich, und das können Sie auch nicht mehr kleinreden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will noch eines sagen: Nur auf unsere Initiative hat der Haushaltsausschuss die finanzielle Stärkung des Bundesverbandes Soziokultur und der Kulturstiftung des Bundes aufgegriffen. Das wiederum ist wirklich sehr zu begrüßen. Jetzt zu Ihnen, liebe Frau Staatsministerin Grütters. Auch Sie sprechen ja gerne über unser Verständnis als Kulturnation. Allerdings zeigt Ihr Ansatz im Kulturhaushalt einen eindeutigen Förderschwerpunkt in Berlin. Für mein Empfinden ist das ein sehr einseitiges Verständnis von Kulturnation. In Ihrer Antrittsrede haben Sie gesagt: … was in dieser Hauptstadt kulturell gelingt, wird in den Augen der Welt dem ganzen Land gutgeschrieben. Wenn ich das so höre, dann frage ich mich: Für wen machen Sie Ihre Kulturpolitik? Um was geht es Ihnen? Um Berlin und das kulturpolitische Ansehen Deutschlands im Ausland oder um die Menschen in diesem Land? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für mich ist Berlin nicht, wie Sie, Frau Grütters, sagen, „unser aller Mittelpunkt“. Berlin ist die Hauptstadt, ja, das ist richtig, und das ist wichtig. Aber die Kultur in Berlin ist nicht mehr wert als die Kultur in jeder anderen Stadt in diesem Land oder in den ländlichen Bereichen. Hinzu kommt, dass Berlin jetzt schon mehr als genug kulturpolitische Großbaustellen hat. Die Freiheits- und Einheitsdenkmäler in Berlin, aber zum Beispiel auch in Leipzig, sind 15 Millionen Euro teure Nationalsymbole, die die Nation und die Bürgerinnen und Bürger so jedenfalls nicht wollen. Das ist also keine wirklich gute Idee. Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, wollen wir Grüne eine qualifizierte Sperrung der Mittel und ein Moratorium für beide Bauvorhaben, und zwar so lange, bis die Voraussetzungen für würdige Gedenkorte geschaffen sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nun zu der von Ihnen angestoßenen erneuten Debatte über einen Museumsbau auf der Museumsinsel in Berlin. Frau Grütters, Sie machen ja keinen Hehl aus Ihrer Vision, dass die Alten Meister auf der Museumsinsel zu sehen sein sollen. Aber diese Debatte in Zeiten zu führen, in denen sich die Kosten vieler kulturpolitischer Bauvorhaben überschlagen, ist eindeutig das falsche Signal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nicht zuletzt ist da die größte aller Baustellen: das Berliner Stadtschloss. Die bauliche Hülle ist nicht das einzige Problem. Nein, große Fragezeichen gibt es im Bereich der inhaltlichen Konzeption des Humboldt-Forums. Bis heute ist nicht klar, wo die Reise überhaupt hingehen soll. Stattdessen verschieben Sie diese entscheidende Debatte auf den Sankt-Nimmerleins-Tag und reden laut über Personalfragen. Aber das ist doch der zweite vor dem eigentlich ersten Schritt. Davon abgesehen müssen diese Personalentscheidungen auf jeden Fall öffentlich und durch eine Findungskommission begleitet werden. Da sage ich Ihnen ganz klar: Eine Entscheidung über eine Intendanz in Hinterzimmern werden wir nicht akzeptieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Noch ein Punkt. Auch über das Thema „Raub- und Beutekunst“ müssen wir reden, wenn wir über das Humboldt-Forum sprechen. Frau Grütters, gerade in der Debatte um Raub- und Beutekunst dürfen Sie das Thema „Koloniale Kunst“ nicht länger von der Hand weisen. Aus dieser Verantwortung, der wir uns stellen müssen, werden wir Grüne Sie nicht entlassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut!) Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich noch ein Wort darüber verlieren, worauf es bei der Kulturpolitik neben den verlässlichen Rahmenbedingungen ganz wesentlich ankommt. Wir brauchen den Willen, Kultur für alle erlebbar zu machen. Dazu gehört der Mut, finanzielle Mittel auch kleinen Initiativen in der ganzen Bandbreite zur Verfügung zu stellen. Auch in der Kulturpolitik ist es unsere Pflicht, nachhaltig zu wirtschaften und die eingesetzten Mittel gerecht zu verteilen. Das gilt für eine Verteilung im ganzen Land, und das gilt auch im Hinblick auf eine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Kulturschaffenden. Denn nur so erhalten wir eine Kultur der echten Vielfalt und Freiheit, und zwar in der gesamten Republik. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist Rüdiger Kruse, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Rüdiger Kruse (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von einigen Vorrednern wurden die Haushälter ja gelobt; da haben Sie natürlich recht. Es ist aber so, dass wir im Rahmen zwischen dem Wünschbaren und dem Vertretbaren geblieben sind. Das ist auch die Aufgabe von Haushältern. Bei Kultur fällt es leicht, mit relativ wenig Geld gute Akzente zu setzen. Für mich ist das vielzitierte Denkmalschutzprogramm die Einstiegsdroge in die Kulturförderung. Man muss ja mit irgendetwas anfangen, und es ist am leichtesten, mit diesem Thema Zustimmung zu gewinnen; denn es gibt eine breite Zustimmung – nicht nur hier im Hause, sondern in der ganzen Republik –, dass wir das Vergangene vor dem Vergehen bewahren wollen. Darin darf sich Kulturpolitik aber nicht erschöpfen. So haben wir auch andere Akzente gesetzt, zum Beispiel beim Reformationsjubiläum, mit dem wir über ein die deutsche Geschichte prägendes Thema reflektieren. Neu ist der Akzent, den wir mit „100 Jahre Gegenwart“ setzen. Wenn 100 Jahre zur Gegenwart erklärt werden, kommt man ins Nachdenken, wie das denn gehen soll. Damit ist nicht gemeint, dass wir uns nach langen Sitzungen so fühlen, als wären wir 100 Jahre alt. 100 Jahre können jedem Menschen tatsächlich gegenwärtig sein; denn das ist der Zeitraum, aus dem er direkte Informationen bezieht. Meine Großmutter zum Beispiel ist 1903 geboren; somit war sie am Ende des Ersten Weltkriegs 15 Jahre alt. Das heißt, ich hatte einen Zugang zu einer direkten Zeitzeugin aus dieser Zeit. Was sie mir erzählt hat, ist ganz anders in meinem Bewusstsein verankert als der mir natürlich auch bekannte Krieg von 1870/71; das ist für mich ein geschichtliches Datum, bei dem ich nur auf geschichtliche Quellen zurückgreifen kann, weil niemand mir davon direkt berichten konnte. So geht es jeder Generation: Die Dinge in einem Erlebnisraum von etwa 100 Jahren sind uns tatsächlich gegenwärtig und prägen damit unser aller Entscheidungen. Das Narrativ der Europäischen Union setzt bei der Jahrhundertkatastrophe des Ersten Weltkriegs und den Veränderungen in der Gesellschaft auf. Es war übrigens auch der Erste Weltkrieg, der als Erster mit der Armbanduhr geführt worden ist; erst dadurch konnte er überhaupt so werden, wie er war, das heißt, die Industrialisierung war dort angekommen. Dies zu reflektieren und die Entscheidungen zu sehen, die wir vor diesem Hintergrund treffen, ist eine spannende Aufgabe. Ein wichtiger Akzent ist auch, dass wir zum zweiten Mal – nachdem wir das Anthropozän-Projekt gemacht haben, also die Frage, inwieweit der Mensch die Erde inzwischen so dominiert, dass es rein geologisch schon ein Zeitalter des Menschen geben müsste – einen offenen Diskurs anregen. Es ist ja nicht üblich, dass Politiker Sachen in Auftrag geben, bei denen sie vorher noch keine Meinung haben, was hinterher dabei herauskommt. Aber bei beiden Prozessen machen wir das so. Wir haben einen offenen Prozess für vier Jahre gestaltet, und wir haben ihn jetzt sehr auskömmlich ausgestattet: mit 15 Millionen Euro. Das Ganze findet statt im Haus der Kulturen der Welt, das nicht zufällig in absoluter räumlicher Nähe zu diesem Haus liegt und zum Bundeskanzleramt. Das heißt, wir haben hier eine Möglichkeit, einen Denkraum zu fördern, zu entwickeln, der uns Impulse liefert und dem wir Impulse geben können, in dem wir einen gesellschaftlichen Diskurs führen können. Ich glaube, es steht dieser Republik sehr, sehr gut an, dass wir in dieser Art und Weise mit Themen umgehen, die auch internationales Interesse berühren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich glaube, dass dieser Prozess auch etwas verändert, so wie in dieser langen Linie seit der Wiedervereinigung das Verhalten dieser Nation sich verändert hat: dass wir jetzt – das muss man sich ja einmal vorstellen! –, nach 100 Jahren, eine neue Debatte über den Ersten Weltkrieg führen. Wenn wir es schaffen, dass wir eine Institution haben, der wir als Parlament uns, der sich aber auch die Bundesregierung und alle Bürger dieses Landes und auch die Bürger anderer Länder bedienen können, um sich intellektuell den Themen der Zeit zu nähern, dann haben wir etwas geleistet, was über unsere sonstige Vierjahresplanung weit hinausgeht. Das ist die eigentliche Leistung: dass aus diesem Haus, dass vom Parlament dieser Impuls ausgegangen ist, dass wir uns diese Möglichkeit schaffen, wir gleichzeitig aber gute Haushälter und gute Abgeordnete sind, die die Nachhaltigkeit des Haushaltes nicht infrage stellen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der letzte Redner oder die letzte Rednerin vor einer namentlichen Abstimmung steht immer vor besonderen Herausforderungen, weil sehr viel Bewegung entsteht. Das Wort hat jetzt Annette Schavan, die sich mit ihrer Rede von uns verabschieden möchte. Ich muss sagen, nicht nur mich erfüllt das mit Wehmut; denn wir alle kennen sie als eine engagierte, streitbare, geradlinige, aufrichtige und immer faire Kollegin. Wir bedauern das und wünschen alles Gute für die Zukunft. Wir werden uns sicher wiedersehen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Annette Schavan (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Regierung und Opposition haben in einer Debatte wie der heutigen – das liegt in der Natur der Sache – unterschiedliche Bilder von dem Land, in dem sie leben. Irgendwie fand ich auch heute morgen, wie an vielen Tagen der letzten Jahre, dass diese Unterschiedlichkeit nicht nur in dem manchmal so kritisierten Sinn Streit ist, sondern auch den Esprit der Politik und der Parlamentsarbeit ausmacht. Wir haben hier in diesem Hause in solchen Debatten ganz unterschiedliche Bilder von Deutschland, aber das eine oder andere Thema zog sich durch den ganzen Vormittag, zum Beispiel der Paradigmenwechsel, den wir nach vielen Jahren bei der Konsolidierung des Haushalts erreicht haben. Er ist ein starkes Signal an die junge Generation (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) und macht dieses Land noch zukunftsfähiger und attraktiver für junge Leute. Es gilt nicht nur für Berlin, aber hier erleben wir es besonders: Deutschland ist für junge Leute aus aller Herren Länder immer attraktiver geworden. Wenn es so etwas wie politische Ziele eines ganzen Parlamentes gibt, dann ist es doch ein solches Ziel, dass Deutschland mit seinen 16 Ländern und vielen attraktiven Standorten besonders attraktiv für junge Leute und Talente aus aller Welt ist. Deutschland muss auch in den nächsten Jahren Talentschmiede sein. Dafür legt dieser Haushalt das Fundament. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) In mancher Rede ist gefragt worden – zuletzt auch in der Rede über die Kulturpolitik –, ob wir uns nicht besser mehr in Deutschland als international engagieren sollten. Durch unser nationales und internationales Engagement in vielen Politikbereichen wissen wir – auch das zeigt dieser Haushalt in vielen Ressorts –: Das, was wir in Deutschland und international tun – ich persönlich habe es in der Bildungs- und Forschungspolitik erlebt –, sind nur zwei Seiten einer Medaille. Das sind keine Alternativen. Deutschland ist ein Motor nicht nur in Europa, Deutschland ist Motor für Innovationen in vielen Bereichen auch international, im globalen Dialog und in den globalen Verhandlungen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wie in den letzten Jahren auch ist dieser Haushalt wieder einmal ein Haushalt, der die Zukunftschancen der jungen Generation verbessert. Wenn man mich fragt, was ich in all den Jahren in der Politik getan habe, dann antworte ich, dass ich in Wirklichkeit nur ein Thema hatte: die Zukunftschancen der jungen Generation. Ich bin zutiefst davon überzeugt: Es ist eine der vornehmsten Aufgaben jeder guten und überzeugenden politischen Kultur, nicht gegenwartsverliebt zu agieren und sich nicht in dem zu erschöpfen, was hier und heute wichtig ist, sondern bei allen Entscheidungen und allen Projekten den Blick auch auf die nächste Generation zu richten, auf deren Kreativität, auf deren Gestaltungswillen, auf deren Leistungsbereitschaft und auf deren Talente. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich finde, dass dieser Haushalt über Deutschland hinaus – ich denke an unsere europäischen Nachbarn, an die Partner, mit denen wir regelmäßig zu tun haben – auch ein starkes Signal dafür ist, dass uns die Zukunftschancen der jungen Generation so sehr am Herzen liegen und dass wir es in diesem Parlament nicht akzeptieren werden und nie akzeptieren dürfen, dass 25 Prozent der jungen Erwachsenen im Alter bis 25 Jahre in Europa ohne Berufsperspektive sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist ein europäischer Skandal. Wir in Deutschland haben viele Möglichkeiten, aufgrund unserer Erfahrungen deutlich zu machen, wie europäische Weichenstellungen aussehen können. In diesem Zusammenhang möchte ich aber vor einem warnen. Der eine oder andere Redner hat heute Morgen gesagt, das Bildungssystem in Deutschland sei völlig undurchlässig und produziere nicht das, was junge Leute brauchen. Das Bildungssystem in Deutschland spiegelt unsere Überzeugung wider – diese ist fraktionsübergreifend präsent –, dass eben nicht nur das akademische Studium der Königsweg ist, sondern dass anspruchsvolle berufliche Bildung, die damit verbundenen Berufsbilder und die damit verbundene berufliche Selbstständigkeit für uns gleichbedeutend und gleichwertig sind. Deshalb dürfen wir uns in diesem Parlament nicht verrückt machen lassen. Die große Bandbreite unseres Bildungssystems ist seine Stärke; sie sollte zu einer europäischen Stärke werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Den Abschluss jeder Haushaltsdebatte über den Kanzleretat am Mittwoch bildet die Kulturpolitik. Wenn Bildung und Forschung für uns die Quellen künftigen Wohlstands sind und wenn wir davon überzeugt sind, dass die Zukunftschancen der jungen Generation nur gewahrt, gestärkt und verbessert werden können, wenn wir die Quellen des künftigen Wohlstands pflegen, dann ist das, was in der Kulturpolitik geschieht, die Quelle des kulturellen Wohlstands. Auch das gehört zur Attraktivität unseres Landes. Auch das gehört zu dem, was junge Leute in Deutschland und in Europa suchen: kulturelle Substanz; Orte, an denen deutlich wird, von welchen Überzeugungen die Gesellschaft in Deutschland und die europäischen Gesellschaften geprägt sind, was die geistige und spirituelle Substanz dieses Kontinentes ausmacht oder, wie Jacques Delors einmal gesagt hat, was die Seele Europas ausmacht. Damit hat die Kulturpolitik viel zu tun. Deshalb ist es ein starkes Signal, dass die Kulturpolitik in diesem Jahr erneut einen Zuwachs erfährt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, wir alle haben in den letzten Jahren erlebt, was es heißt, dass die Kunst der Politik nicht in erster Linie der Umgang mit dem Bekannten und dem Erwartbaren ist. Vielmehr ist die Kunst der Politik da besonders gefragt, wo es um das Unerwartete geht. Es geht darum, ob in einer Situation, in der alles anders wird, als es bislang war, die eigenen Ziele, die Prioritäten und die Bilder, die wir mit dem jeweiligen Haushalt verbinden, beibehalten werden. Ich finde, gerade angesichts der Veränderungen und der noch nicht überwundenen Finanzkrise gehört zu den großen Leistungen der Bundesregierung, der Großen Koalition, dass sie in diesem Haushalt an ihren Prioritäten festhält: Bildung und Forschung, die Kräfte des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft, die kulturelle Substanz und der große internationale Einsatz. Das ist ein zukunftsträchtiger Haushalt, um den uns viele beneiden. Diese Haushaltsdebatte ist ganz anders als viele Haushaltsdebatten, die in anderen europäischen Parlamenten geführt werden und geführt werden müssen. Meine Damen und Herren, die Präsidentin – jetzt ist ein Präsident da – hat vorhin gesagt: Meine Fraktion hat mir die Gelegenheit gegeben, heute diese wenigen Worte zu einem Thema zu sagen, das mich zeit meines politischen Lebens innerlich bewegt hat. Dafür danke ich sehr. Ich danke für gutes Miteinander und faires Ringen im Hohen Hause. Ich danke auch für die Situationen, in denen nach einem Streit neue Gemeinsamkeit gewonnen werden konnte. Zur Gemeinsamkeit kommt man ja nicht ohne Streit; man muss zwischendurch auch streiten dürfen. Ich war gerne Mitglied des Parlamentes. Ich war gerne in der Politik. Ich sage herzlichen Dank für gutes Miteinander und wünsche Ihnen allen, den Mitgliedern des Hohen Hauses, dem Parlament und den Mitgliedern der Bundesregierung, von Herzen persönliches Wohlergehen und Gottes Segen. (Lang anhaltender Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der LINKEN – Die Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie die Mitglieder der Bundesregierung erheben sich.) Vizepräsident Johannes Singhammer: Liebe Kollegin Schavan, gestatten Sie auch mir, Ihnen ein dreifaches Dankeschön auszusprechen. Die Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses haben sich erhoben, und daran können Sie die Wertschätzung erkennen, die Sie hier im Deutschen Bundestag bei den Kolleginnen und Kollegen genießen. Ich möchte Ihnen für Ihre Rede danken, ich möchte Ihnen für viele Jahre erfolgreiche, sympathische und vor allem auch sehr kollegiale Zusammenarbeit in diesem Hohen Hause danken, und ich möchte Ihnen für viele Jahre verantwortliche Führung des Ministeriums für Bildung und Forschung danken. Für Ihre neue Aufgabe in der Ewigen Stadt, 1 500 Kilometer weiter südlich, wünschen wir Ihnen Glück und selbstverständlich Gottes Segen. (Beifall) Damit schließe ich die Aussprache. Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, möchte ich Ihnen mitteilen, dass interfraktionell vereinbart worden ist, die Beratung der Einzelpläne 14, Verteidigung, und 23, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, zu tauschen. – Nachdem sich kein Widerspruch erhebt, gehe ich davon aus, dass Sie alle damit einverstanden sind. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 04, Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt, in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1824 vor. Über diesen werden wir zuerst abstimmen. Wir stimmen also jetzt über den Änderungsantrag der Grünen ab. Wer für diesen Änderungsantrag stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wir stimmen nun über den Einzelplan 04 namentlich ab. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen an dieser Stelle auf drei weitere namentliche Abstimmungen am heutigen Tag hinweisen. Die namentlichen Abstimmungen über Bundeswehreinsätze werden in etwa einer halben Stunde bzw. in einer guten Stunde erfolgen. Die vierte namentliche Abstimmung erfolgt dann zum Einzelplan 23. Durch den soeben beschlossenen Tausch in der zeitlichen Abfolge wird diese nach jetzigem Stand bereits gegen 18 Uhr stattfinden. Ich bitte jetzt die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Darf ich fragen, ob die Plätze an den Abstimmungsurnen besetzt sind? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich hiermit die Abstimmung über den Einzelplan 04. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Ich sehe jetzt niemanden mehr, der seine Stimme abgeben möchte. Dann schließe ich hiermit die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen wie üblich später bekannt gegeben.1 Ich bitte, jetzt wieder zu einem etwas geringeren Pegel der Besprechungsintensität zurückzukehren, damit wir in der Tagesordnung fortfahren können. Ich rufe Tagesordnungspunkt III auf: – Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013 Drucksachen 18/1416, 18/1811 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/1812 Über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in dieser Debatte ist der Kollege Roderich Kiesewetter, CDU/CSU, dem ich hiermit das Wort erteile. (Beifall bei der CDU/CSU) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute abschließend über die Fortsetzung des -MINUSMA-Mandats, der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali. Blicken wir zurück. Diese Mission ist seit etwa einem Jahr in Kraft und ist zu einem tatsächlichen Stabilitäts- und Erfolgsfaktor in Mali geworden. Die malische Regierung kann in Teilbereichen des Landes ihre Verantwortung wahrnehmen, in einigen Teilbereichen aber noch nicht. Trotzdem ist es im November bzw. Dezember letzten Jahres gelungen, eine Präsidentschafts- und eine Parlamentswahl durchzuführen. Einzelne Bereiche des Landes sind aber für humanitäre Hilfe und zivile Krisenprävention nicht erreichbar. Deshalb brauchen wir MINUSMA. Diese Mission besteht aus rund 9 000 Soldaten, Polizisten sowie zivilen Helferinnen und Helfern, insbesondere Fachexperten. Die Bundeswehr beteiligt sich mit 150 Soldatinnen und Soldaten. Was ist unsere Aufgabe dabei? Sie besteht zunächst in der Gewährleistung sowohl des Lufttransports von MINUSMA-Truppen in das Land als auch des taktischen Lufttransports innerhalb des Landes. Des Weiteren leisten wir Luftbetankung. Das alles sind sehr sinnvolle und wichtige Aufgaben. Wir sollten daran denken, dass dort insgesamt 40 Staaten engagiert sind und dass wir einen wesentlichen Beitrag im Bereich der Versorgung leisten. Wenn wir allerdings die Berichterstattung der Medien in dieser Woche betrachten, dann stellen wir fest, dass die Vereinten Nationen infolge einer Überarbeitung ihrer Truppenbereitstellung künftig auf deutsche Flugzeuge bis auf Weiteres verzichten möchten. Folglich wird die Bundeswehr die beiden Transall-Maschinen zunächst abziehen, aber in Bereitschaft halten. Ich möchte die Haushaltswoche dazu nutzen, uns ins Bewusstsein zu rufen, dass wir für unsere Streitkräfte eine ausreichende Ausstattung brauchen, die dazu geeignet ist, auch in heiklen Klimazonen zu bestehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es ist für uns sicherlich ein gutes Zeichen, dass wir nach einer gewissen Zeit Teile unserer Besatzungen wieder herauslösen können. Trotzdem möchte ich auf ein Wort unseres Bundespräsidenten verweisen, der vor kurzem sehr klar hervorgehoben hat, dass wir in Krisenregionen nicht von vornherein die Befähigung zum Einsatz in hochintensiven Gefechten aufgeben dürfen. Das bedeutet aber auch, dass wir in Europa, insbesondere in Deutschland und Frankreich, über unsere Sicherheitskultur nachdenken müssen. Unsere rationalen Überlegungen in den letzten 20 Jahren haben sich bewährt. Wir haben immer gesagt: Deutschland ist von Freunden und Partnern umgeben. – Aber es geht nicht mehr um unsere Freunde und Partner, weder in der Östlichen Partnerschaft noch im fragilen Süden. Ich nenne als Beispiele die Ukraine und Libyen. Deshalb kommt es mir am Rande dieser Haushaltswoche sehr darauf an, auf die nachhaltige Finanzierung unserer Bundeswehr zu drängen. In Mali leisten wir nicht nur militärische Einsätze. Die Bundesrepublik Deutschland ist im Rahmen des vernetzten Ansatzes sehr stark in den Bereichen der zivilen Krisenprävention und der humanitären Hilfe engagiert. Insgesamt sind es rund 20 Millionen Euro seit dem letzten Jahr. Das beweist aber auch, dass wir im Rahmen des vernetzten Ansatzes in der Lage sind, wertvolle Hilfe und Beiträge zu leisten. Das ist nicht eine Frage der Zahl der Soldaten oder der unterstützenden und beratenden Kräfte. Vielmehr ist es eine Frage der Fähigkeiten, die wir einbringen, sowie der Verlässlichkeit und des Vertrauens. Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich deshalb abschließend als Außenpolitiker noch auf einen anderen Aspekt verweisen. Wenn wir in Deutschland im Kerngehäuse Europas für unsere Nachbarstaaten und für unsere Freunde verlässlich Sicherheit bereitstellen, dann müssen wir auch genauso verlässlich und sicher mit Blick auf Afrika die Lage um Mali bewerten. Es nützt uns nichts, uns ausschließlich auf die Mission in Mali zu konzentrieren, wo wir mit einer EU-Mission zur Ausbildung malischer Soldaten präsent sind. Wir dürfen eines nicht außer Acht lassen: Eine der Hauptursachen für die Krisen und Konflikte im nördlichen Afrika ist der Staatszerfall in Libyen. Wir haben seinerzeit gut daran getan, uns nicht an der Mission gegen Libyen zu beteiligen. Allerdings haben wir auch nicht viel beitragen können, um eine Folgemission zu verantworten. Wir müssen uns in den nächsten Jahren intensiv mit Libyen befassen, (Beifall der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) um diesen Ort der Proliferation von konventionellen Waffen, diesen Ort des Rückzugsgebiets des internationalen Terrorismus wieder auf ein Niveau zu heben, das Libyen die Rückkehr in eine gleichberechtigte Partnerschaft mit anderen Staaten in der Region ermöglicht. Ich bitte Sie deshalb abschließend, dem MINUSMA-Mandat zuzustimmen. Wir haben bereits erhebliche Fortschritte zu verzeichnen. Ich glaube, das Engagement der Bundeswehr ist aller Ehren wert. Ich danke allen, die für diesen Einsatz geworben haben. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Buchholz, Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Christine Buchholz (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin von der Leyen, Sie lassen keine Gelegenheit aus, um die Ausweitung der Auslandseinsätze der Bundeswehr zu bewerben. Letzte Woche haben Sie in New York nach dem Gespräch mit UN-Vize Eliasson auch die Leitung sogenannter UN-Friedensmissionen in Aussicht gestellt. Es soll der Eindruck entstehen: Nicht die Bundesregierung drängt überall mit Soldaten hin, sondern die UNO ruft die Bundeswehr. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es auch!) Dann die große Überraschung: MINUSMA, die UN-geführte Militärmission in Mali, erklärt, auf den deutschen Beitrag zum Lufttransport von Soldaten verzichten zu wollen. Ich sage: Wir brauchen weder die alten Transall noch moderne Transportmaschinen wie den A400M. Wir brauchen überhaupt keine Bundeswehrmaschinen, die Soldaten in den Krieg fliegen. (Beifall bei der LINKEN) Das Problem, Herr Kiesewetter, ist auch nicht die veraltete Ausstattung, die nicht auf heikle Klimaregionen ausgerichtet ist, das Problem ist, dass die sogenannten Friedensmissionen der UNO völlig ungeeignet sind, um Frieden zu schaffen. Das zeigt auch MINUSMA, der UN-geführte Einsatz in Mali. Der Einsatz der Bundeswehr in diesem Rahmen soll die europäische Militärmission EUTM Mali ergänzen. Die dabei ausgebildeten malischen Gefechtsverbände – ich zitiere den Antrag der Bundesregierung – „sollen … im Norden Malis zur … Wiederherstellung der staatlichen Integrität … eingesetzt werden“. Dieser Auftrag hat direkte kriegerische Auseinandersetzungen zur Folge gehabt. Laut Nachrichtenagentur Reuters hat die malische Armee am 21. Mai einen Überraschungsangriff auf die von Tuareg gehaltene Stadt Kidal gestartet. Mit dabei: Soldaten aus den mithilfe Deutschlands ausgebildeten Gefechtsverbänden. Das ist keine Friedensmission. Das Ergebnis ist ein Desaster. Die Armeeoffensive scheiterte und hinterließ 50 tote malische Soldaten. Der malische Verteidigungsminister musste zurücktreten. Doch die Bundeswehr meldet: Der nächste Ausbildungsgang hat schon begonnen. – Es zeigt sich einmal mehr: Es geht nicht um Frieden in Mali. Es geht um die Stabilisierung einer Regierung, die dem Westen genehm ist. Wie genehm, das können wir nur ahnen. So kündigte die neue Regierung in Bamako im letzten Herbst zunächst die Überprüfung der überaus unvorteilhaften Verträge mit den internationalen Bergbaukonzernen an. Dagegen machte die EU Druck. Seitdem haben wir nichts mehr von einer Neuausschreibung gehört. Fakt ist: Die Goldförderung boomt in Mali, doch von dem Reichtum bleibt kaum etwas bei den Menschen im Lande. Deswegen sagt die Linke: Nur wenn die sozialen und wirtschaftlichen Probleme angepackt und gelöst werden, kann es in Mali und der ganzen Sahelregion dauerhaft Frieden geben. (Beifall bei der LINKEN) Die internationale Militärintervention, die von Frankreich geführt und von Deutschland unterstützt wird, hat kein Problem gelöst, aber sie hat humanitäre Notlagen an anderer Stelle massiv verschärft. So sitzen immer noch 140 000 Flüchtlinge in Zeltlagern fest, darunter viele Tuareg. Der österreichische Standard hat in einer eindrucksvollen Reportage darüber berichtet. Wallet -Fadimata, die Vorsitzende der Frauen des Flüchtlingscamps Goudebou an der Grenze zu Burkina Faso sagte – ich zitiere –: Wir hatten gehofft, dass Frankreich den Krieg beenden und für Recht und Ordnung sorgen würde. Stattdessen kam es zu zahlreichen Verbrechen an der Zivilbevölkerung. Es ist schlimmer als zuvor. Während im Flüchtlingslager Goudebou verschiedene Ethnien friedlich zusammenleben, hat die malische Armee, ermutigt durch den internationalen Militäreinsatz, einen Rachefeldzug gegen Tuareg durchgeführt. Doch die Bundesregierung ignoriert diese Realität. Denn eine ehrliche Bilanz des Mali-Einsatzes kann nur zu einer Schlussfolgerung führen: die Bundeswehrsoldaten aus Mali zurückzuholen, die alten Transall-Maschinen zu verschrotten. Sie brauchen auch keine neuen Transportmaschinen wie den A400M anzuschaffen. Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Buchholz, bevor Ihre Redezeit abgelaufen ist, darf ich Sie noch fragen, ob Sie eine Zwischenfrage oder eine Anmerkung des Kollegen Otte gestatten? Christine Buchholz (DIE LINKE): Eine Zwischenfrage stellen oder eine Anmerkung machen kann der Kollege Otte gerne, wenn ich den nächsten Satz beendet habe. – Dieses Geld wird an vielen anderen Stellen gebraucht, beispielsweise für viele sinnvolle humanitäre und zivile Projekte in Mali, in der Sahelregion und an vielen anderen Orten der Welt. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Otte, ich gebe Ihnen nun im Anschluss an diese Rede die Möglichkeit zu einer Kurzintervention. Henning Otte (CDU/CSU): Herr Präsident, herzlichen Dank. – Ich wollte Frau Kollegin Buchholz fragen, ob sie bestätigen kann, dass sie dabei war, als unser Ausschuss mit unserer Verteidigungsministerin Mali besucht hat, und dass die dortigen Gesprächsteilnehmer uns gesagt haben, dass für sie am wichtigsten ist, dass sie Stabilität bekommen, dass der Staat über das Gewaltmonopol verfügt, um so eine Grundlage für eine wirtschaftlich erfolgreiche und friedliche Entwicklung zu schaffen. Oder haben Sie damals weggehört, als diese Gesprächsteilnehmer das unserer Delegation gesagt haben? Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Buchholz, möchten Sie darauf erwidern? Christine Buchholz (DIE LINKE): Aber gerne erwidere ich darauf. – Mich wundert es nicht, dass die Vertreter der malischen Regierung und des Militärs diese Einschätzung teilen. Aber die vielen Vertreterinnen und Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen und beispielsweise auch die Menschen in den Flüchtlingslagern haben einen anderen Eindruck. Ich bitte Sie, diese Realität zur Kenntnis zu nehmen und nicht nur auf diejenigen zu hören, auf die Sie hören wollen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Bevor gleich der Kollege Wolfgang Hellmich reden wird, darf ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Einzelplan 04, Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt, bekannt geben: abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 471, mit Nein -haben gestimmt 116, Enthaltungen keine. Der Einzelplan 04 ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 587; davon ja: 471 nein: 116 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Annette Schavan Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier-Heite Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz Frank Junge Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özo?uz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Nein DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Pia Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Wolfgang Hellmich, SPD. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Wolfgang Hellmich (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Anders als die Fraktion der Linken – es ist immer wieder schön, zu sehen, welche Vorlagen gegeben werden – bin ich froh darüber, dass die Franzosen den Vormarsch auf Bamako im Süden von Mali energisch aufgehalten haben. Sonst stünden wir hier nämlich und würden darüber reden, wie wir mit einem dschihadistischen Regime in Mali umzugehen haben, und wir würden nicht über die Frage sprechen, wie wir sozialen und demokratischen Fortschritt sowie Sicherheit in diesem Lande mit garantieren können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich glaube, genau darin zeigt sich der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Sie würden einen solchen Vormarsch einfach in Kauf nehmen, weil Sie nämlich nicht bereit wären, die malinesische Bevölkerung vor solchen Angriffen aus dem Norden zu schützen. An diesem Punkt unterscheiden wir uns grundsätzlich. Wir Sozialdemokraten stimmen der Verlängerung dieses Mandates auf jeden Fall zu. Die Verlängerung dieses Mandates ist nötig, um Fortschritte, die in Mali erzielt worden sind, zu sichern und um darüber hinaus dazu beizutragen, dass der begonnene Prozess in Mali vorangehen kann. Dazu gehört vor allem eine demokratisch gewählte und legitimierte Regierung, die in diesem Lande Verantwortung übernehmen will und übernehmen wird. Dass dort überhaupt Wahlen durchgeführt werden konnten, ist der Unterstützung durch MINUSMA mit zuzuschreiben; denn logistische Bemühungen wurden vor allem im Rahmen dieses Mandates unterstützt. Es ist Bestandteil des Mandats, auch an der Stelle für einen demokratischen Aufbau in Mali zu sorgen. Das ist gut so. Deshalb brauchen wir diese Mission weiterhin. Wir werden die Mission unterstützen, damit der Dialog, der mit den Tuareg begonnen worden ist zu der Frage, wie denn ein dezentral organisierter Staat aufgebaut werden kann, so abgesichert stattfinden kann, dass es dort zu einem Fortschritt und nicht zu Rückschritten kommt. Ansonsten würden wir angesichts der terroristischen Bedrohung, die es nach wie vor aus dem Norden Malis gibt und die auch ausgeübt wird, zu keiner Vereinbarung mit den Tuareg kommen können. Ich denke, es gibt durchaus eine Verbesserung der humanitären Lage in Mali, wenn es um die Wasserversorgung und auch um die ärztliche Versorgung geht. Ärzte ohne Grenzen werden über staatliche Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt. Ohne alle diese Initiativen, die auch von NGOs breit mitgetragen werden, würde Mali letztendlich in einer Situation versinken, die die gesamte Region destabilisieren würde. Alle benachbarten Länder sehen das auch so und unterstützen den Prozess. Es gibt keine Alternative dazu, diesen Weg mit -MINUSMA und anderen Elementen konsequent weiterzugehen. MINUSMA ist nur ein Baustein im Zusammenhang mit EUTM Mali, wo es um den Aufbau und die Ausbildung der malischen Armee geht. Es ist ein Element im Zusammenhang mit EUCAP, der europäischen Mission, in der im Sahel-Bereich und in Mali Polizeikräfte, Sicherheitskräfte und andere Kräfte im Bereich Staatsbildung ausgebildet werden. In diesem gesamten Kontext ist MINUSMA zu sehen. Es ist ein Kernelement, um dieses Land weiter nach vorn zu bringen und den Menschen zu helfen. Es geht darum, dafür zu sorgen, dass die 120 Millionen Euro, die im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit nach Mali gehen, nicht in einer kriegerischen Situation sozusagen verfrühstückt werden und letztendlich verloren gehen. Ich glaube, das ist der richtige Ansatz. Es gilt, deutlich zu machen, worum es uns bei diesem Element -MINUSMA geht. Richtig ist: Der Verzicht auf die Transall – das ist gerade genannt worden – ist letztlich eine technische Frage. Auch auf der Grundlage der Anforderungen und Bitten der malischen Regierung haben die UN nun eine Veränderung ihres Kräftedispositivs und ihrer Strategie vorgenommen und entschieden, sich stärker auf den Norden Malis, aber auch auf den weiteren Ausbau von humanitären Hilfen für Mali zu konzentrieren. Das beinhaltet, auch Drohnen in Mali einzusetzen; das will ich an der Stelle dazusagen. Die malische Regierung drängt auf diese Fähigkeit und bittet, sie einzusetzen, weil sie nämlich mit ihren eigenen Streitkräften nicht in der Lage ist, die Region im Norden Malis komplett unter Kontrolle zu halten. Es braucht einen breiteren Ansatz an der Stelle, um die Situation im Norden Malis in den Griff zu bekommen. Das ist der Kern, um den es geht: im Norden Malis zu einer Situation zu kommen, die es ermöglicht, dass der malische Staat sich weiter aufbauen kann. Das ist ein Kernbestandteil dessen, was MINUSMA zu leisten hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Unser eigener Beitrag in Mali ist vorhin genannt worden: 150 Soldatinnen und Soldaten werden eingesetzt; das ist die Obergrenze. Im Moment ist es vor allem Stabsarbeit, und es ist die Ausbildung von Soldatinnen und Soldaten. Es geht aber auch um die Entwicklung der malischen Armee und den Aufbau der zivilen Verwaltung. Beispiel Kidal: Es wurde gerade genannt, was in Kidal falsch gelaufen ist. Zu entscheiden, mit einer dafür nicht ausgebildeten Truppe in eine kriegerische Auseinandersetzung zu gehen, war ein Fehler. Dieser Fehler hat zuerst einmal den malischen Verteidigungsminister das Amt gekostet. Er hat die Verantwortung übernommen und ist zurückgetreten. Aber man hat es letztendlich hinbekommen, auch in Gesprächen mit den Tuareg, die Situation in Kidal wieder in den Griff zu bekommen und zu erreichen, dass die Stadt nicht mehr kriegerisch belagert wird und sich nicht mehr in kriegerischen Auseinandersetzungen befindet. Auch administrativ hat man die Lage wieder in den Griff bekommen. Das ist ebenfalls ein Ergebnis dessen, dass MINUSMA mit den Kräften, die dort sind, in diese Situation hineingegangen ist. Wir sehen zu MINUSMA in Mali keine Alternative. Deshalb stimmen wir der Verlängerung dieses Mandats zu. Wir brauchen dieses Mandat. Wir brauchen die anderen Elemente, die anderen Initiativen, die dort tätig sind. NGOs müssen arbeiten können, damit es humanitär weitergehen kann und diese Region in Afrika stabilisiert und nicht destabilisiert wird mit der Folge, dass auch alle Nachbarregionen destabilisiert werden. Damit sind wir im Einklang mit all denjenigen, die in Afrika, in diesem Land Mali selbst und in den benachbarten Ländern Verantwortung tragen. Deshalb stimmen wir der Verlängerung dieses Mandats zu. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt der Kollegin Agnieszka Brugger das Wort. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Letzte Woche war Ministerin von der Leyen in den USA und hat dort auch die Vereinten Nationen besucht. Wie für Sie üblich, Frau Ministerin, gab es viele Schlagzeilen zu dieser Reise. Eine davon war: Deutschland soll sich stärker innerhalb von VN-Friedensmissionen einbringen. Diese Forderung ist richtig; denn Deutschland ist zwar erfreulicherweise viertgrößter Geldgeber solcher Friedensmissionen, aber bei der Personalbereitstellung belegen wir nur Rang 48. Wir Grüne fordern schon lange mehr Verantwortung und ein stärkeres Engagement bei der Unterstützung der Vereinten Nationen für mehr Frieden und Sicherheit auf der Welt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber noch während Sie Ihre schönen Pressestatements in New York gaben – zur gleichen Zeit fanden die Beratungen des deutschen Beitrages zur VN-Mission MINUSMA in Mali statt –, wurden wir von der Bundesregierung informiert, dass die Transallflugzeuge und ihre Besatzung, die ein Großteil dieses Mandates bilden, in Zukunft angeblich nicht mehr gebraucht werden und demnächst abgezogen werden sollen, obwohl wir sie heute hier mandatieren. Gleichzeitig erfahren wir aber, dass Portugal an dieser Stelle einspringt. Ich finde, das zeigt, wie viel Substanz sich hinter Ihren Versprechen verbirgt. Einerseits versprechen Sie mehr Unterstützung der Vereinten Nationen, und auf der anderen Seite stutzen Sie das deutsche Engagement bei einer Friedensmission. Das finde ich entlarvend, blamabel und unglaubwürdig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber, meine Damen und Herren, noch wichtiger als die Bereitstellung von Transallflugzeugen ist es, eine schlüssige, zivile Gesamtstrategie zur Lösung der Konflikte in Mali zu entwickeln. In den letzten Wochen und Monaten gab es sehr besorgniserregende Vorfälle. Sie sind hier schon angesprochen worden. In Kidal ist es zu Protesten, Gewaltausbrüchen, Geiselnahmen und Todesopfern gekommen. Daraufhin haben die malischen Streitkräfte eine Offensive gestartet. Sie sind von den Rebellen der Tuareg besiegt worden und mussten fliehen. Die Rebellen der Tuareg haben auch wieder Teile des Nordens unter ihre Kontrolle gebracht. Ich finde es immer interessant, wie Sie von der Linkspartei, liebe Frau Kollegin Buchholz, es schaffen, auszublenden – das gehört auch zur Wahrheit –, dass es ein Ende der Gewalthandlungen und einen Waffenstillstand gab und dass -MINUSMA dabei eine sehr zentrale und wichtige Rolle gespielt hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Aber man sollte die Lage in Mali nicht schönreden. Sie ist ernst, und sie bleibt fragil. Das sieht man an den zahlreichen Regierungsumbildungen und vielen Rücktritten von Ministern, insbesondere aber daran, dass der Versöhnungsprozess immer wieder ins Stocken gerät und beide Seiten – sowohl die malische Regierung als auch die Gruppen im Norden – diesen Prozess immer wieder verzögern, verschleppen, teilweise sogar torpedieren und blockieren. Meine Damen und Herren, es gibt viel zu tun. Statt Schaufensterreden und wolkigen Debatten über Afrika geht es darum, konkret aufzuzeigen, wie wir mehr Personal für VN-Missionen zur Verfügung stellen können. Hier geht es nicht nur um Militär, sondern vor allem um zivile Expertinnen und Experten sowie um Polizeikräfte. Frau Ministerin von der Leyen, ich erwarte, dass Sie dann konkret sagen, wie Sie sich innerhalb der VN-Friedensmission einbringen wollen und wie Sie die Evaluation der Bundeswehrreform daraufhin ausrichten wollen. Das betrifft auch bestimmte Fähigkeiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ganz speziell für Mali gibt es viel zu tun. Aus den Vorfällen in Kidal müssen Lehren für die VN-Mission MINUSMA gezogen werden, aber auch für die EU-Ausbildungsmission, die vor Ort ist. Es ist noch einmal klargeworden, dass es ganz zentral ist, die politische Kontrolle über die malischen Streitkräfte zu verstärken. Für die Lösung der Konflikte in Mali sind der politische Prozess und vor allem die Versöhnungsverhandlungen ganz wichtig. Die internationale Gemeinschaft und auch -MINUSMA müssen diese weiter unterstützen und vorantreiben und beide Seiten in die Pflicht nehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Den militärischen, zivilen und polizeilichen Einsatzkräften – auch den Transallbesatzungen der letzen Jahre – gehört nicht nur unser Dank, sondern wir sollten alles dafür tun, dass ihr Engagement nicht umsonst war und wir am Ende des Tages einen engagierten und nachhaltigen Beitrag für mehr Frieden, Stabilität und Sicherheit für die Menschen in Mali leisten. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Um die Entwicklungen in Mali richtig beurteilen und bewerten zu können, muss man sowohl kurzfristige Entwicklungen betrachten als auch langfristige Entwicklungen berücksichtigen. Kurzfristig betrachtet – da sind wir uns alle einig –, gab es natürlich einen Rückschlag. Der Besuch des Premierministers Moussa Mara in Kidal war eine unnötige Provokation. Der Versuch der malischen Streitkräfte, Kidal dann zu erobern, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die internationale Gemeinschaft hat Moussa Mara davon abgeraten, diesen Versuch zu unternehmen; er hat es trotzdem gemacht und ist gescheitert. Man hat fast das Gefühl, die malische Regierung wollte zu schnell zu viel und hat dadurch genau das Gegenteil erreicht. Die malische Armee ist empfindlich geschwächt und demoralisiert. Plötzlich steht die Frage im Raum: Wer hat den Angriffsbefehl gegeben? Die Autorität ist beschädigt, und das Vertrauen in verantwortungsvolles Handeln der Regierung ist auf allen Seiten gestört. Interessant ist aber, wie man in Mali selbst innenpolitisch mit diesem Rückschlag umgegangen ist. Es gab zu dem Thema einen Misstrauensantrag im Parlament; es gab eine lange, kontroverse Debatte, die in weiten Teilen live im Fernsehen übertragen worden ist. Die Regierung kam unter Druck; sie musste sich rechtfertigen und hat umfassende Aufklärung versprochen. Die Art und Weise, wie man damit umgegangen ist, ist für mich ein Hoffnungsschimmer; denn es zeigt, dass dort zumindest in Teilen wieder demokratische Verhältnisse herrschen, auch wenn der staatliche Einfluss der malischen Regierung nicht weit in den Norden reicht. Ein zweiter Lichtblick war, dass bereits zwei Tage nachdem die malische Armee gescheitert ist, ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet worden ist und in der Zwischenzeit auch die Separatistengruppen und die Regierung mit ihren ersten formellen Gesprächen begonnen haben. Das könnte der Beginn des lange angekündigten, aber bisher noch nicht stattgefundenen Verhandlungsprozesses sein. Man darf aber auch nicht – das habe ich vorhin schon gesagt – die längerfristige Perspektive aus den Augen verlieren. Die Versöhnung zwischen den ethnischen Gruppen wird keine Frage von wenigen Monaten oder einigen Jahren sein, sondern eine Frage von Generationen. Der Status Nordmalis ist seit der Gründung des Staates, seit Jahrzehnten umstritten. Konflikte mit den Tuareg bestehen seit Jahrhunderten. Es hat sich aber seit dem Putsch im Jahr 2012 einiges verändert. Vielleicht das Wichtigste im Hinblick auf Versöhnung und Verhandlungen ist, dass Mali heute relativ fest in ein Korsett internationaler Unterstützungs- und Stabilisierungsmaßnahmen eingebunden ist. Sie haben es vielleicht mitbekommen: Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank haben im April ihre Zahlungen gestoppt und gute Regierungsführung eingefordert; sie haben die Regierung unter Druck gesetzt und darauf gedrängt, da zu liefern. Die Nachbarstaaten, zum Beispiel Algerien, übernehmen eine große Verantwortung, laden die Rebellengruppen ein, um eine gemeinsame Verhandlungsposition zu erarbeiten, und setzen die Regierung unter Druck. Die Afrikanische Union hat zum Beispiel bei den Verhandlungen über das Waffenstillstandsabkommen massiv vermittelt, was dazu führte, dass es zustande kommen konnte. Die Vereinten Nationen haben mit -MINUSMA eine umfassende Stabilisierungsmission auf den Weg gebracht, die heute Teil der Debatte ist. Die Europäische Union, insbesondere auch Deutschland, hilft nicht nur mit ihrem Beitrag zu MINUSMA, sondern leistet auch massive humanitäre Unterstützung und ergreift Entwicklungshilfemaßnahmen. Ich möchte noch auf das BMZ eingehen. Minister Müller war vor einigen Wochen in Mali und hat die dortigen Projekte besucht. Es geht um die Stabilisierung von Gemeindestrukturen, um Ernährungssicherung und um die Wiederherstellung der Wasserversorgung. Allein aufgrund der laufenden Projekte kann dort eine halbe Million Menschen mit frischem Wasser versorgt werden. Der Beitrag, den wir heute diskutieren, ist ein kleiner Beitrag zu MINUSMA. MINUSMA ist keine Mission unter unserer Führung. Das Angebot, das wir unterbreiten, nämlich die Logistik mit Transall-Maschinen zu unterstützen, darüber hinaus Luftbetankungen durchzuführen und als Berater in den Stäben von MINUSMA zu operieren, ist ein Mosaikstein und eher ein kleiner Beitrag. Wie gesagt: Wir sind nicht in der Führung. Wir müssen deshalb natürlich akzeptieren, wenn die VN aus einsatztaktischen oder vielleicht aus finanziellen Gründen entscheidet, vorübergehend nicht auf unser Angebot zurückzugreifen. Meine Damen und Herren, wir können nur das anbieten, was wir haben. Ich appelliere an Sie, Mali und -MINUSMA weiter bei diesem langen Prozess in Richtung Frieden und Versöhnung zu unterstützen. Ich bitte Sie deswegen um Zustimmung zu diesem Mandat. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA). Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/1811, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 18/1416 anzunehmen. Wir stimmen nun über diese Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Abstimmungsurnen alle besetzt? – Dann eröffne ich die Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich hiermit die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekanntgegeben.2 Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV auf: – Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 2115 (2013) vom 29. August 2013 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Drucksachen 18/1417, 18/1813 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/1814 Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Darf ich die Kolleginnen und Kollegen, die hier vorne stehen, bitten, sich hinzusetzen, damit wir mit der Debatte beginnen können? Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Dr. Johann Wadephul, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren über die Fortsetzung des UNIFIL-Mandats im Libanon, an dem die deutsche Marine beteiligt ist. Ich möchte Ihnen die Fortsetzung dieses Mandats für ein weiteres Jahr, bis zum 30. Juni 2015, empfehlen. Das UNIFIL-Mandat besteht seit vielen Jahren. Ursprünglich 1978 zur Stabilisierung des Nahen Ostens, nämlich zum kontrollierten Abzug der israelischen Truppen und zur Stabilisierung des Südlibanon, geplant, bekam es 2006 eine neue Dimension, indem das UNIFIL-Mandat auf eine Maritime Task Force ausgeweitet wurde, an der sich auch deutsche Marineeinheiten mit Erfolg beteiligen. Es geht um die Wiedergewinnung der libanesischen Staatshoheit über den Südlibanon sowie die Sicherung der Seegrenzen. Es geht um die Ermöglichung der Entwaffnung der Hisbollah durch libanesisches Militär, nicht durch deutsches Militär, sowie die Verhinderung des seeseitigen Waffenschmuggels. Außerdem geht es – das ist wichtig; das macht unsere Marine mit großem Erfolg – um die Ausbildung der libanesischen Marine. Dieser Einsatz ist Teil unseres Engagements für den Libanon, das natürlich sehr viel breiter angelegt ist. Wir unterstützen den Libanon, wo sich derzeit sehr viele syrische Flüchtlinge aufhalten – das ist heute Morgen schon Gegenstand der Debatte gewesen –, mit etwa 100 Millionen Euro für die Flüchtlinge in der Region. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier war im Mai noch einmal im Libanon und hat weitere 5 Millionen Euro zugesagt. Er bot an, eine internationale Hilfskonferenz für die syrischen Flüchtlinge im Libanon in Deutschland auszurichten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so wichtig es ist, dass unser außenpolitischer Fokus in diesen Tagen auf der Ukraine liegt – wir dürfen diesen Konflikt im Nahen Osten nicht vergessen. Wir müssen uns um diesen Konflikt kümmern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In Syrien und mittlerweile auch im Irak ereignet sich eine ungeheure humanitäre Katastrophe. Jeder Euro, den wir dort zur Verfügung stellen, ist im Sinne der Menschlichkeit gut angelegt. Es ist in dieser Situation richtig, dass Flüchtlinge aus dieser Region zu uns kommen und hier Obhut finden können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) Darin weiß ich mich mit großen Teilen dieses Hauses einig. Wir sollten das fortsetzen. Der Bundeswehreinsatz der Marine hat ganz offensichtlich dazu beigetragen, die Waffenschmuggler abzuschrecken. Wir haben vor allen Dingen eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit der libanesischen Marine. Dafür möchte ich an dieser Stelle allen Soldatinnen und Soldaten der deutschen Marine, die dort eingesetzt werden, ganz herzlich danken. Es ist wie jeder Auslandseinsatz ein fordernder, ein schwieriger Einsatz. Man ist von den lieben Menschen zu Hause entfernt und setzt sich natürlich Gefahren aus. Ein herzliches Dankeschön und alles Gute an die Soldaten, die da für uns Dienst tun! (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da wir in dieser Situation darüber debattieren, ob wir das Mandat fortsetzen sollen – die Linksfraktion hat das bisher kritisch kommentiert, und man muss befürchten, dass Sie auch heute nicht über Ihren Schatten springen –, möchte ich Ihnen sagen: (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Es muss keiner über seinen Schatten springen!) Gerade jetzt ist es erforderlich, dass wir aktiv bleiben und uns nicht zurückziehen. Wir erleben, dass sich dort staatliche Strukturen auflösen und infrage gestellt werden. Keiner weiß, wie Syrien aussehen wird, wenn dieses Schlachten und Morden hoffentlich bald ein Ende gefunden haben wird. Keiner kennt die Zukunft des Irak. Die Kurden im Norden des Irak spekulieren schon jetzt und sagen: Es wird in Zukunft gar keinen Irak mehr geben. In dieser Situation haben Staaten wie Jordanien und wie der Libanon eine wichtige, stabilisierende Funktion. Sie haben in dieser Weise bisher auch funktioniert. Insbesondere der Libanon hat als ein Staat funktioniert, in dem es einen Ausgleich der Interessen von Religionsgruppen und Volksgruppen gegeben hat. Gerade in dieser Situation dürfen wir uns von dort nicht zurückziehen, sondern müssen im Libanon bleiben. Das ist unser Beitrag, den wir beisteuern können. Ich habe schon etwas zur humanitären Hilfe und zur außenpolitischen Hilfe, die der Bundesaußenminister angeboten hat, gesagt. Dieses Mandat ist essenziell, damit wir in der Region glaubwürdig bleiben, und es ist ein Beitrag dazu, dass nicht noch mehr Konflikte entstehen, sondern eingedämmt werden. In diesem Sinne bitte ich Sie herzlich um Zustimmung zur Verlängerung des Mandats. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Bevor ich der Kollegin Kunert das Wort erteile, gebe ich das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013 bekannt: abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 518, mit Nein haben gestimmt 64, Enthaltungen 5. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 587; davon ja: 518 nein: 64 enthalten: 5 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Annette Schavan Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier-Heite Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz Frank Junge Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özo?uz Markus Paschke Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Renate Künast Markus Kurth Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Irene Mihalic Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Nein SPD Klaus Barthel Cansel Kiziltepe Christian Petry Waltraud Wolff (Wolmirstedt) DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Pia Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Peter Meiwald Corinna Rüffer Hans-Christian Ströbele Enthalten SPD Marco Bülow Petra Hinz (Essen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Sylvia Kotting-Uhl Monika Lazar Beate Müller-Gemmeke Jetzt hat das Wort die Kollegin Katrin Kunert, Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Katrin Kunert (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Wadephul, die deutsche Beteiligung an diesem Militäreinsatz scheint für Sie wirklich eine Erfolgsgeschichte zu sein. Ich finde, das kann man aber nur dann so sehen, wenn man sich allein auf die Feststellung beschränkt, dass es von der Seeseite her keinen Waffenschmuggel gegeben hat. Wir merken kritisch an: Erstens. Der Einsatz ist sehr gefährlich und die Sicherheitslage im Libanon weiterhin instabil. Zweitens. Inzwischen sind über 1 Million syrische Flüchtlinge ins Land gekommen. Drittens. Trotz des deutschen Marineaufgebotes ist die Hisbollah bestens, sogar besser als vor dem Libanonkrieg 2006 bewaffnet. Das ist die bisherige Bilanz. Es ist keine Erfolgsgeschichte. (Beifall bei der LINKEN) Nach einem blutigen Bürgerkrieg im Libanon wurde 1978 die UNIFIL-Vereinbarung unter dem Dach der Vereinten Nationen abgeschlossen, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Lange Zeit war diese Vereinbarung eine reine Beobachtermission. Trotzdem wurden seit 1978 mehr als 250 UN-Blauhelmsoldaten und zivile Helfer getötet, weil sie sich in umkämpften Gebieten aufhielten. Seit 2006 schippern deutsche Schiffe vor der libanesischen Küste. Sie sollen den Waffenschmuggel unterbinden. Zudem sollen mit dem Einsatz die Ausbildung und der Ausbau der libanesischen Marine unterstützt werden. Hier beginnen die Ungereimtheiten im Antrag der Bundesregierung. Wenn Ausbildung und Ausbau der Marine Bestandteil des UN-Mandats sind: Warum wurde im März 2014 noch ein zusätzlicher Vertrag über Ausstattungs- und Ausbildungshilfe Deutschlands für die libanesischen Streitkräfte abgeschlossen? Warum handelt also die Bundesregierung ausgerechnet in dieser Frage auf eigene Faust und am UN-Mandat vorbei? Kann es sein, dass Sie neue Märkte für deutsche Rüstungsgüter stärker im Blick haben als Frieden und Stabilität im Libanon? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wahrscheinlich! Wahrscheinlich!) Die Linke sagt deutlich und einmal mehr: Keine Rüstungs- und Waffenexporte und schon gar nicht in Krisenregionen wie den Nahen Osten! (Beifall bei der LINKEN) Wir haben das Mandat bisher abgelehnt, und ich werde Ihnen auch sagen, warum: Erstens. Wir bemängeln seit Jahren die fehlende Neutralität des Mandates. Waffenlieferungen in den Libanon sollen unterbunden werden. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir haben gar keine geliefert!) Aber zugleich werden aus Deutschland hochmoderne Waffensysteme nach Israel exportiert. Aus historischen Gründen haben wir zweifelsfrei eine große Verantwortung gegenüber Israel. (Niels Annen [SPD]: Hört! Hört!) Israel ist bereits die größte Militärmacht im Nahen Osten und hat die Gründung eines eigenen Staates Palästina bisher verhindert. Hier wird klar, dass Deutschland in dieser Region nicht militärisch auftreten und dort nicht einwirken darf. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens. Das erweiterte UNIFIL-Mandat ist seit 2006 nach Artikel 7 der UN-Charta ein Kampfeinsatz. Diese Einsätze lehnen wir ab, selbst wenn die Konfliktparteien diese Einsätze begrüßen sollten. Die UNO kann ihre Friedensaufgaben nur erfüllen, wenn sie dabei nicht selbst Teil eines Konfliktes wird. Drittens. Dieser Marineeinsatz ist völlig überflüssig, weil er praktisch nutzlos ist. Selbst die Stiftung Wissenschaft und Politik hat bereits vor Jahren das Urteil gefällt, dass es sich beim UNIFIL-Mandat um reine Symbolpolitik handelt. Bisher wurden bei diesem Einsatz keinerlei Waffen gefunden. Die Waffenlieferungen, um die es hier geht – das räumen Sie selber immer wieder ein –, erfolgen über den Landweg in den Libanon und nicht über den Seeweg. Deshalb ist es falsch, von einem erfolgreichen Mandat zu sprechen und dieses auch noch verlängern zu wollen. (Zuruf des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU]) Was wäre zum Beispiel, wenn es zu Konfrontationen mit israelischen Soldatinnen und Soldaten käme? Es gab in der Vergangenheit bereits Zwischenfälle wie den irrtümlichen Beschuss des deutschen Bootes „Alster“ durch israelische Kampfflugzeuge oder Drohangriffe mit Schnellbooten und Drohnen. Wir haben nicht das Recht, unsere Soldatinnen und Soldaten in solche Situationen zu bringen, (Beifall bei der LINKEN) in denen sie unter Umständen gezwungen sein könnten, auf israelische Soldatinnen und Soldaten schießen zu müssen. Wir haben allerdings das Recht, das Mandat heute zu beenden und die geplanten Mittel für zivile Zwecke und humanitäre Hilfe einzusetzen. Frieden und Stabilität im Nahen Osten kann es nur durch politische Verhandlungen geben. Deshalb schlägt die Linke vor, eine Friedenskonferenz für den Nahen Osten nach dem Vorbild der KSZE durchzuführen. Vollständiger Gewaltverzicht und umfassende Abrüstungsschritte von allen Seiten müssen das Ziel sein. Darüber sollten wir hier diskutieren. Schönen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Sozialdemokraten spricht jetzt der Kollege Dr. Rolf Mützenich. (Beifall bei der SPD) Dr. Rolf Mützenich (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! UNIFIL war von Beginn an keineswegs nur ein Mandat für den Einsatz internationaler Streitkräfte im Auftrag der Vereinten Nationen. Das Mandat war immer auch ein Beitrag, um ein Mindestmaß an Sicherheit, Souveränität und Staatlichkeit im Libanon durchzusetzen. Ich möchte daran erinnern: 36 Nationen sind im Auftrag der Vereinten Nationen heute im Libanon aktiv, entweder seeseitig oder an Land. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen, also Sicherheit, Souveränität und Staatlichkeit im Libanon durchzusetzen. Wir müssen auch daran erinnern: Einige der dort eingesetzten Soldatinnen und Soldaten sind während dieses Einsatzes ums Leben gekommen. Es ist in der Tat ein gefährlicher Einsatz. Aber nicht nur von Deutschland, sondern auch von vielen anderen Nationen wird dieses Mandat befürwortet. Ich finde, wir müssen, wenn wir im Deutschen Bundestag darüber diskutieren, gerade auch an die internationale Solidarität erinnern und daran, dass dies ein hervorragender internationaler Einsatz ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutschland hat von Beginn an mit Marinekräften im Bereich Ausbildung, aber auch mit der Bereitstellung von Ausrüstung mitgewirkt. Die Bundespolizei, der Zoll und zivile Aufbauhelfer sind vor Ort. Genau das verstehen wir unter einem internationalen Mandat. Wem diese Argumente nicht reichen, der sei an Folgendes erinnert: In der jüngsten historischen Entwicklung ist gerade durch das UNIFIL-Mandat – das sage ich auch in Richtung der Linken – die Quarantäne libanesischer Häfen durch israelische Streitkräfte aufgehoben worden. Dies ist unmöglich gemacht worden. Auch das hat zur Herstellung von Souveränität beigetragen. Wenn man darüber diskutiert, ob man bei dieser Entscheidung nicht über seinen Schatten springen sollte, dann muss man auch diesen Aspekt berücksichtigen. Wem das nicht reicht, dem sage ich zum Zweiten: Die Armee ist in der Tat einer der wenigen Stabilitätsanker im Land. Deswegen stellt sich auch die Frage der Ausstattung. Wenn die Armee wirklich eine neutrale Position im Libanon einnimmt, wie wir es wollen, dann muss sie die Mittel, die Ausbildung und letztlich auch die Ausstattung dafür haben. Das dritte Argument für UNIFIL ist: Nur weil wir uns beteiligen, haben wir auch Einfluss auf die Akteure; denn wir sind dort gewünscht. Es ist gewünscht, dass Deutschland diesen Beitrag leistet. Diese Einladung aller libanesischen Akteure ist wichtig. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Außenminister ist in den Libanon gereist. Er hat gesagt – ich finde, das war ein sehr ehrlicher Standpunkt –, er sei mit weniger Zuversicht aus diesem Land abgereist. Das deutet insbesondere darauf hin, wie fragil die Situation ist. Da er von Mitgliedern des Deutschen Bundestages begleitet wurde, war es richtig, dass er an dieser Stelle auch deutlich gemacht hat, dass wir in Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen. Das war ein wichtiges Signal, für die Gespräche innerhalb der Bundesregierung, aber auch für die Gespräche mit den Ländern. Auch ich glaube, das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber Deutschland leistet einen wichtigen Beitrag, auch im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Kommunen. Frau Kollegin Kunert, Sie sagen: Wir lehnen das Mandat ab, weil es gefährlich ist. – Ich habe darauf hingewiesen, dass internationale Krisen gefährlich sind. Sie lehnen das Mandat außerdem ab, weil Flüchtlinge in den Libanon gekommen sind. Ja, das ist in der Tat so. Ich glaube, die Libanesen wünschen sich am wenigsten, dass noch mehr Flüchtlinge ins Land kommen. Aber das kann doch kein Grund sein, dass wir uns nicht daran beteiligen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn Sie die Neutralität des Mandates infrage stellen – es handelt sich um ein Mandat im Auftrag der Vereinten Nationen –, sollten Sie sich fragen: Welcher internationalen Organisation sprechen Sie hier die Neutralität ab? Das ist doch gerade die Idee der internationalen Ordnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich finde, Sie sollten sich einmal überlegen, welche Vorwürfe Sie im Hinblick auf dieses Mandat erheben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Tat: Der Libanon ist in einer sehr schwierigen Situation, im Sog des syrischen Bürgerkrieges. Der syrische Bürgerkrieg ist ein Brandbeschleuniger für die inneren Verhältnisse im Libanon, und zwar weiterhin entlang konfessioneller Bruchlinien. Die Hisbollah ist dort aktiv, Sunniten, Salafisten und viele andere sind es auch. Es gibt keinen neu gewählten Präsidenten. Insbesondere die christliche Minderheit fühlt sich innerhalb des politischen Systems nicht repräsentiert. Flüchtlinge verändern das labile Gleichgewicht im Libanon, auch das labile Gleichgewicht zwischen den Konfessionen. Dennoch – ich finde, auch das gehört zu dieser Debatte –: Es gibt auch Beharrungskräfte im Libanon. Was haben wir seit 2011 nicht alles befürchtet! Ich glaube, das zeigt, dass diese Gesellschaft bereit ist, sich im Inneren zu versöhnen. Es besteht die Möglichkeit, den Versöhnungsprozess mit internationaler Begleitung aus dem Inneren heraus zu schaffen. Ich glaube, UNIFIL bietet dafür zumindest einen Rahmen, wenn die Akteure bereit sind, diese Vereinbarung zu treffen. Es gibt dort eine Regierung, und es gibt die Verabredung von Baabda; das wissen Sie aus den Diskussionen im Auswärtigen Ausschuss. Ich finde, das gehört zu einer ehrlichen Diskussion dazu. Nun möchte ich noch eine grundsätzliche Bemerkung zu den Diskussionen machen, die wir über die Herausforderungen im Irak, aber auch im Zusammenhang mit dem Libanon führen. Ich bestreite nicht, dass es aufgrund der historischen Entwicklung konfessionelle Gegensätze und auch Bruchlinien in den arabischen Ländern gibt. Aber ich finde schon, wir sollten eine ehrliche Diskussion führen und an uns selbst appellieren, nicht darauf hereinzufallen und einfach zu sagen: Nur darin liegt der Kern des Gegensatzes. Es gibt auch viele gedachte Gegensätze, mit denen versucht wird, zu verschleiern, was die Regierungen bisher nicht geleistet haben; das hat ja zu den Umbrüchen geführt. Dabei geht es um gute Regierungsführung, soziale Gerechtigkeit und viele andere Dinge. Deswegen sage ich: Wir müssen das zur Kenntnis nehmen. Aber wir dürfen nicht nur auf das erste Argument, das für die Gegensätze angeführt wird, hören. Wir werden die konfessionellen Gegensätze nicht überwinden. Aber wir müssen dazu beitragen, für soziale Gerechtigkeit in diesen Ländern zu sorgen, damit zwischen den Akteuren Vertrauen geschaffen wird, damit es im politischen System mehr Kompromisse gibt, damit die schlechte Regierungsführung ein Ende findet und damit die Einmischung von außen aufhört, insbesondere in Bereichen, in denen es immer wieder zur Anwendung von Gewalt kommt. Die Umbrüche in der arabischen Welt werden bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Grenzen Sie das nicht aus! Blenden Sie das in der Diskussion nicht aus! Es wird lange Konflikte an den europäischen Außengrenzen geben. Nur eine kluge Diplomatie, die auf die Akteure zugeht, kann helfen, auch die Ausgegrenzten in diesen Ländern anzusprechen. Deswegen plädiere ich für eine kluge Diplomatie, die weiterhin mit allen Gruppen in diesen Ländern zumindest in der Diskussion steht. Dazu zählen für mich durchaus auch – wenn sie von Gewalt absehen – Vertreter des politischen Islams. Ich glaube, für einen Versöhnungsprozess braucht man letztlich alle Gruppen. Das ist es wert, den Libanon weiterhin zu unterstützen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Agnieszka Brugger, Bündnis 90/Die Grünen. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Grüne werden dem heutigen UNIFIL-Mandat für eine UN-Friedensmission mit übergroßer Mehrheit zustimmen. Diese Mission wird vom Libanon, aber auch von Israel als sehr wichtiger Beitrag angesehen, und die deutsche Beteiligung wurde von beiden Seiten explizit begrüßt. Ihre Aufgabe ist die Kontrolle des Seegebiets, die Erschwerung von Waffenschmuggel, aber auch die Ausbildung der libanesischen Streitkräfte, damit sie diese Aufgaben selbst übernehmen können. Über das rein Praktische hinaus leistet diese UN-Friedensmission einen sehr wertvollen Beitrag zur Deeskalation und vor allem auch zur Vertrauensbildung zwischen zwei ehemaligen Kriegsparteien. UNIFIL ist in dieser Region etwas Positives, ein Hoffnungsschimmer angesichts der vielen besorgniserregenden Nachrichten, die uns in den letzten Monaten und Jahren erreicht haben. Damit meine ich nicht nur die blutigen Verbrechen des Assad-Regimes, sondern natürlich auch die Gräueltaten der ISIS-Milizen, die mittlerweile nicht nur aus Syrien, sondern auch aus dem Irak kommen und zur Destabilisierung, zur Eskalation der Gewalt und zum Entstehen von großen Flüchtlingswellen beitragen. Das alles hat Auswirkungen auf die innenpolitische Lage im Libanon. Die Hisbollah unterstützt das Assad-Regime; darüber hinaus gibt es im Libanon eine Spaltung entlang konfessioneller Linien. Die Parlamentswahlen im Libanon wurden schon mehrfach verschoben. Egal wer aus diesen Wahlen als Sieger hervorgeht: Er wird vor der Riesenherausforderung stehen, politische und religiöse Gräben zuzuschütten und zu verhindern, dass der Libanon in den Strudel der Gewalt hineingezogen wird. Meine Damen und Herren, die Eskalation der Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Gräueltaten, der weiter andauernde blutige und schreckliche Krieg in Syrien, das alles darf nicht dazu führen, dass wir uns achselzuckend abwenden, nur weil wir keinen Masterplan dafür haben, wie man diesen Konflikt schnellstmöglich lösen könnte. Wir müssen uns weiter engagieren, wir müssen uns stärker engagieren, Deutschland ebenso wie die internationale Gemeinschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Auch wenn es gerade aussichtslos erscheint: Man muss immer wieder den Verhandlungsweg gehen und dabei alle Akteure in der Region mit in die Verantwortung nehmen. Dazu gehört aber auch, dass man eine völlig irrsinnige deutsche Rüstungsexportpolitik beendet: Saudi-Arabien und Katar werden mit deutschen Waffen beliefert, obwohl dies zwei Staaten sind, aus denen heraus islamistische Kräfte, dschihadistische Kräfte, die den Irak und Syrien mit Terror überziehen, massiv unterstützt werden. Ich fordere Sie auf: Stoppen Sie die Rüstungsexporte nach Katar und nach Saudi-Arabien! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Auch im Hinblick auf die Flüchtlinge kann man noch einiges tun. Die UN gehen davon aus, dass es in diesem Jahr 4 Millionen Flüchtlinge außerhalb von Syrien geben wird. Das ist eine erschreckende Zahl. Der Libanon ist das einzige Land, das seine Grenzen für Flüchtlinge aus Syrien noch offenhält. Im Libanon sind 1 Million Flüchtlinge registriert; wahrscheinlich halten sich dort aber viel mehr auf. Jeder Vierte im Libanon ist vor dem Krieg in Syrien geflüchtet. Die humanitäre Situation dieser Menschen ist verheerend. Wir diskutieren und streiten hier immer lange um die Erhöhung der Kontingente. Deutschland möchte jetzt 20 000 Flüchtlinge aufnehmen. Ich glaube, wenn man sich anschaut, was der Libanon für die Menschen dort leistet, dann wird man feststellen, dass sowohl Deutschland als auch die anderen EU-Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung an dieser Stelle nicht gerecht werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deshalb ist es unheimlich wichtig, dass mehr Mittel für humanitäre Hilfe zur Verfügung gestellt werden, die Kontingente aufgestockt werden und eine unbürokratische Aufnahme ermöglicht wird. Das ist nicht nur ein Gebot von Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe, sondern das hat auch sicherheitspolitische Gründe; denn die katastrophale Situation in den Flüchtlingslagern ist natürlich auch ein Nährboden für Radikalisierung, welche Anlass zu neuen Spannungen bieten kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, angesichts der vielen Hiobsbotschaften aus dieser Region wäre es verantwortungslos, jetzt eine durchaus erfolgreiche Friedensmission dort zu beenden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, mit seiner kleinherzigen und zögerlichen Flüchtlings-politik, aber vor allem auch mit seiner verantwortungslosen Rüstungsexportpolitik – ich denke nur an Saudi--Arabien und Katar – droht Schwarz-Rot wiederum, die Fortschritte der positiven Geschichte von UNIFIL zunichtezumachen. Kehren Sie hier um; denn wir sollten alles dafür tun, um in der Region – nicht nur im Libanon, sondern auch für die syrischen Flüchtlinge – Leid und Gewalt zu mindern. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Abschließende Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Julia Bartz, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Julia Bartz (CDU/CSU): Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit inzwischen 36 Jahren unterstützt die internationale Gemeinschaft Israel und den Libanon bei den -gemeinsamen Anstrengungen, friedlich miteinander zu leben. Seit nunmehr acht Jahren unterstützen wir mit -unseren Streitkräften die maritime Komponente von -UNIFIL und beteiligen uns dabei besonders an der Ausbildung von Marineeinheiten des Libanon. Hierbei haben wir uns nicht nur den Zuspruch der Vereinten Nationen, sondern gleichermaßen auch den Zuspruch Israels und des Libanon erworben. Bei der Etablierung von UNIFIL und insbesondere bei der Einführung der maritimen Komponente lag das Hauptaugenmerk auf dem israelisch-libanesischen Konflikt. Mittlerweile verschärft der anhaltende Bürgerkrieg in Syrien die Lage in der Region. Derzeit halten sich circa 1 Million Flüchtlinge aus Syrien im Libanon auf. Das ist eine beachtliche Zahl, insbesondere wenn man bedenkt, dass der Libanon selbst nur 4 Millionen Einwohner hat. Dementsprechend steht die medizinische und die infrastrukturelle Versorgung kurz vor dem Kollaps. Deshalb unterstützt Deutschland die notleidenden syrischen Flüchtlinge als weltweit viertgrößter Geldgeber. Seit 2012 haben wir den Menschen dort mit knapp 100 Millionen Euro geholfen. Wir leisten humanitäre Hilfe bei der medizinischen Basisversorgung, bei der Ernährungs- und Winterhilfe und auch beim Wiederaufbau von Flüchtlingslagern. Sehr geehrte Damen und Herren, neben der humanitären Lage stehen wir auch vor einer sicherheitsrelevanten Brisanz. In diesen Tagen beobachten wir mit größter Sorge die zerstörerischen Bestrebungen der sunnitisch-salafistischen ISIS. Dadurch rückt unser Ziel eines dauerhaften Friedens im Nahen Osten in weite Ferne. Auch im Hinblick auf unsere nationalen Interessen als Handelsnation birgt dieser Destabilisierungsprozess Gefahren unabsehbaren Ausmaßes. In solchen Zeiten, in denen ISIS auch im Libanon gegen die ihnen verhasste schiitische Hisbollah agiert und damit die fragile Lage weiter religiös aufheizt, ist es wichtig, dass der Dialog zwischen dem Libanon und Israel fortgeführt wird. UNIFIL schafft dafür den Rahmen und leistet einen wichtigen Beitrag, um die fragile politische Situation im Libanon zu stabilisieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Es liegt in unserem besonderen Interesse, dieser Vermittlerrolle in der Region gerecht zu werden. Zum einen haben wir als Handelsnation ein Interesse an stabilen Handelspartnern und freien Handelswegen, zum anderen – und das ist noch viel bedeutender – haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber dem israelischen Volk, der wir mit unserem Einsatz gerecht werden. Die internationale Gemeinschaft ist auch besonders aufgefordert, mit einem weiteren starken Engagement beim Aufbau der libanesischen Streitkräfte zu helfen. Hier haben wir gute Erfolge erzielt, und diese Aufgabe haben wir inzwischen zu einem Schwerpunkt unseres Engagements gemacht. Dieser Weg ist richtig und sollte mit der Verlängerung des Mandats fortgesetzt werden. Erst dann, wenn der Ausbildungsauftrag und die Anstrengungen zu einer zeitgemäßen Ausrüstung abgeschlossen sind und der Libanon als souveräner Staat die Sicherungsaufgaben selbst übernehmen kann, kann über eine Beendigung des Mandats nachgedacht werden. Das ist aktuell eher eine langfristige Perspektive. Aber, meine Damen und Herren, wie wir schon vergangene Sitzungswoche im Rahmen der Verlängerung des Kosovo-Mandats deutlich gemacht haben, ist es notwendig, über die zeitliche Grenze eines Mandats hinauszudenken. Wir sehen auch am Beispiel Libanon, dass aktuelle Krisen Jahrzehnte währen und Generationen beschäftigen. Deshalb liegt unser Augenmerk auf der Nachhaltigkeit unseres Engagements. Unsere Hilfe zur Selbsthilfe wird diesem Anspruch innerhalb unseres ressortübergreifenden und damit vernetzten sicherheitspolitischen Ansatzes in besonderem Maße gerecht. Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag zuzustimmen. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 18/1813 zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Interimsstreitkraft der Vereinten Nationen im Libanon, UNIFIL. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache 18/1417 anzunehmen. Wir stimmen nun über diese Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Abstimmungsurnen schon besetzt? – Das ist nicht der Fall. Vorne brauchen wir noch jemanden. – Jetzt sind alle Abstimmungsurnen vorschriftsmäßig besetzt. Damit eröffne ich die Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Jetzt sehe ich niemanden mehr, der seine Stimme abgeben möchte. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird, wie üblich, später bekannt gegeben.3 Wir setzen jetzt die Beratungen der Einzelpläne fort. Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt II.10 auf: Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Soziales Drucksachen 18/1011, 18/1023 Berichterstatter sind die Kolleginnen und Kollegen Ekin Deligöz, Axel E. Fischer, Ewald Schurer und Dr. Gesine Lötzsch. Zum Einzelplan 11 liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Weil ich keinen Widerspruch höre, ist das damit so beschlossen. Die Aussprache wird hiermit eröffnet. Das Wort erteile ich als erstem Redner dem Kollegen Klaus Ernst, Die Linke. (Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Klaus, aber jetzt vernünftig! Realität!) Klaus Ernst (DIE LINKE): – Wie immer! – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ministerin! Natürlich freut es uns, dass die Zahl der Arbeitslosen bei uns in der Bundesrepublik zurückgeht. Es freut uns auch, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt. Und: Die Zahl junger Menschen ohne Arbeit ist im Vergleich zu der anderer Länder geringer. Wer würde sich darüber nicht freuen? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Aber, Frau Ministerin, das alles darf nicht den Blick auf die Kehrseite der Medaille verstellen: Seit dem Jahr 2000 stagnieren in unserem Land die Löhne. Fast 25 Prozent der abhängig Beschäftigten sind im Niedriglohnbereich tätig und werden, wie Sie wissen, teilweise zu Hungerlöhnen beschäftigt. Wir haben einen der am wenigsten regulierten Arbeitsmärkte in Europa. Die Zahl der Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer liegt bei fast 1 Million. Immer mehr Menschen sind nur befristet beschäftigt oder über Werkverträge in Arbeit. Das ist wahrlich keine Erfolgsgeschichte. (Beifall bei der LINKEN) Auf den Hauptpunkt will ich noch einmal hinweisen. Mit den Arbeitsmarktreformen wurde uns versprochen: Es kommt zu mehr Arbeit. – Der eigentliche Indikator für mehr Arbeit ist die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Die Arbeitsstunden werden doch gar nicht mehr angegeben!) Will man also die Frage nach dem Erfolg der Arbeitsmarktpolitik der letzten Bundesregierungen stellen – Herr Straubinger, das gilt auch für Sie –, dann muss man vergleichen, wie viele Arbeitsstunden es im Jahr 2000 und wie viele es im Jahr 2013 waren. Wenn man dies tut, stellt man fest, dass diese Zahl annähernd gleich geblieben ist. Es sind circa 58 Milliarden Arbeitsstunden. Was zeigt das? Wir können die Arbeit noch so billig machen, wir können den Arbeitsmarkt noch so stark deregulieren, wie Sie das gemacht haben: Es führt im Ergebnis nicht dazu, dass tatsächlich ein Mehr an Arbeitsstunden entsteht. Das Ergebnis der Arbeitsmarktpolitik der letzten Regierungen ist: Arbeit wurde schlechter bezahlt, und Arbeit wurde auf mehr Menschen verteilt; das ist alles. Das ist keine Erfolgsgeschichte. (Beifall bei der LINKEN) Ich erlebe in dieser Frage so viel Eigenlob vonseiten der Regierung, dass mir manchmal ganz schwindlig wird. Das erinnert mich an den Satz: Das Unterbewusstsein unterscheidet nicht, wer auf die Schulter klopft. – So haben wir die Regierung in den letzten Tagen erlebt. Es gibt keinen Grund, um sich auf die Schulter zu klopfen. Stichwort „Entwicklung der Langzeitarbeitslosen“: Seit 2009 stagniert die Zahl der Langzeitarbeitslosen auf hohem Niveau. Gleichzeitig hatte die letzte Bundesregierung die Ausgaben zur Eingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt drastisch gekürzt. Der Etat für Eingliederungsleistungen sank von 6,6 Milliarden Euro 2010 auf 3,9 Milliarden Euro 2013. Im aktuellen Haushalt wird an dieser Zahl festgehalten. Das ist fast eine Halbierung im Vergleich zu dem, was wir vor 2010 hatten. Legt man die durchschnittliche Pro-Kopf-Förderung aus dem Jahre 2010, also vor den Kürzungen, zugrunde, Frau Nahles, dann müsste der Etat bei 5,5 Milliarden Euro liegen, also 1,6 Milliarden Euro höher als der, den Sie uns vorlegen. Deshalb haben wir in unserem Änderungsantrag gefordert, den Etat entsprechend aufzustocken, um für die Betroffenen zumindest wieder den Stand pro Kopf zu erreichen, den wir vor 2010 hatten. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren insbesondere von der CDU/CSU, Sie versuchen, das Problem der Langzeitarbeitslosigkeit durch Ausnahmen beim Mindestlohn zu lösen. Aber wenn in der Frage der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen tatsächlich der Lohn ausschlaggebend wäre, dürfte es das Problem gar nicht geben. Zurzeit gibt es schließlich noch keinen Mindestlohn. Aber das Problem gibt es trotzdem. Deshalb sagen wir: Diese Frage mit Ausnahmen zu regeln, ist ein Riesenunfug und eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die beste Lösung, Langzeitarbeitslosigkeit anzugehen, sind die Qualifizierung und entsprechende Hilfen bei der Eingliederung. Genau da setzen Sie leider die Politik fort, die die alte Bundesregierung gemacht hat. Damals wurde eine Kürzung von 32 Milliarden Euro beschlossen, allein 16 Milliarden Euro bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Der Paritätische Gesamtverband sagte dazu 2014: Was Frau von der Leyen mit ihrer arbeitsmarktpolitischen Abrissbirne noch stehen gelassen hat, ist ein Feld arbeitsmarktpolitischer Verwüstung. Wir bräuchten in diesem Bereich einen Ausbau, Frau Nahles. Einen solchen Ausbau können wir aber nicht erkennen. (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wenn wir schon über Kürzungsprogramme reden, will ich übrigens noch eines anführen: Frau von der Leyen hätte eigentlich im Verteidigungshaushalt kürzen müssen. Die Ausgaben sind aber höher als 2010. Wenn sich also noch jemand an diese Vorgaben hält, dann Sie. Andere haben sich schon lange davon verabschiedet. Sie brauchen nicht aus Gehorsam gegenüber der alten Regierung Ihre Grundsätze von früher zu vergessen. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte noch eine zweite himmelschreiende Ungerechtigkeit ansprechen. Frau Schwesig hat als Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern Folgendes gesagt – Zitat –: Noch nie hat es eine derart tatenlose Bundesfamilienministerin gegeben, die dem Sparhammer der Bundesregierung gegen Familien nicht nur zustimmt, sondern dann auch noch öffentlich applaudiert … Schwarz-Gelb streicht der alleinerziehenden Hartz-IV-Empfängerin das Elterngeld, der Hausfrau mit gut verdienendem Ehemann aber nicht … Das ist nicht nur sozial unverantwortlich, sondern auch fachlich purer Unsinn. (Beifall bei der LINKEN) Damit hat Frau Schwesig vollkommen recht. Ich frage mich: Reden Sie eigentlich nicht mit ihr, dass Sie nach wie vor an dieser Ungerechtigkeit festhalten, die Bezieher von Arbeitslosengeld II anders zu behandeln als den Rest der Welt? Ich fordere Sie auf: Reden Sie mit ihr! Vielleicht kommen Sie dann zu einem anderen Ergebnis. Die letzte Ungerechtigkeit in diesem Haushalt, die ich ansprechen möchte, ist die willkürliche Berechnung der Höhe des Existenzminiums im Arbeitslosengeld-II-Bezug. Es gibt ein Gerichtsurteil aus Berlin, in dem deutlich gemacht wird, dass die 391 Euro nicht ordentlich berechnet worden sind. Das geht jetzt zum Bundesverfassungsgericht. Es wäre sinnvoll gewesen, in diesem Haushalt nicht nur den Istzustand fortzuschreiben, sondern im Zuge dessen, was Sie bei der Wahl gesagt haben, Initiative zu entwickeln, nämlich eine deutliche Aufstockung des Regelsatzes beim ALG II vorzunehmen. Erinnern Sie sich an das, was Sie vor der Wahl gesagt haben! Dann bekommen Sie auch mehr Zustimmung und müssen es nicht immer alleine machen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Bevor jetzt gleich die Bundesregierung das Wort erhält, darf ich das Ergebnis der letzten namentlichen Abstimmung bekannt geben. Es ging um den Entwurf des Einzelplanes 23 – Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das kommt noch!) – Darüber haben wir noch nicht abgestimmt. Ich bitte darum, mir das richtige Abstimmungsergebnis vorzulegen, damit ich es bekannt geben kann. Dann machen wir das später. Jetzt erteile ich der Bundesregierung, vertreten durch die Bundesministerin Andrea Nahles, das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 11 ist das Herzstück des Bundeshaushalts. Zum einen hat das etwas mit dem Umfang zu tun, zum anderen vor allem damit, dass sich in diesem Haushalt das am meisten abbildet, was Zusammenhalt in unserem Land organisiert: die soziale Marktwirtschaft. Es ist gut, dass wir uns in der heutigen Debatte mit Ihnen und Ihrer Kritik strittig auseinandersetzen, meine Damen und Herren von der Linken, weil es selbstverständlich immer wieder unterschiedliche Ansätze geben kann. Aber allein Ihre Änderungsanträge zur Anhebung des Regelbedarfs, zur Vorabentlastung der Kommunen, zur Anhebung der Eingliederungsleistungen, der Wiedereinführung der Bundesbeteiligung, der Rentenangleichung Ost/West, 6,6 Milliarden Euro mehr für die Mütterrente und 500 Millionen Euro mehr für Behindertenpolitik würden allein insgesamt Mehrkosten bzw. Mehrausgaben in Höhe von 34,2 Milliarden Euro zur Folge haben. Das müsste selbst Ihnen zu viel sein. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Nein!) Selbst Ihnen müsste klar sein, dass das nicht geht. Sie versprechen viel, übernehmen aber keine Verantwortung für dieses Land und die Finanzen des Bundeshaushalts. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist die Kürzung aus 2010!) Mit Verlaub, so geht es nicht. Die großen Lebensrisiken müssen in unserem Land nicht von jedem Einzelnen getragen werden, sondern werden solidarisch bewältigt. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Ach!) Gerade bei der Alterssicherung haben wir in den letzten Jahren Reformen durchgeführt, die den Ausgleich zwischen den Generationen herstellen. Mit diesen Reformen waren harte Einschnitte verbunden, und sie haben den Menschen viel abverlangt. Die gemeinsame Überzeugung der diese Regierung tragenden Koalition ist, dass es gerecht und angemessen ist, dass wir dort, wo die Leistungen eines langen Lebens nicht ausreichend gewürdigt werden, mehr Anerkennung und Respekt zeigen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das drückt sich in der Mütterrente, die wir beschlossen haben, der Erwerbsminderungsrente für diejenigen, die gesundheitlich eingeschränkt sind, und der Abschlagsfreiheit zugunsten derjenigen aus, die 45 Jahre gearbeitet haben und mit 63 Jahren in Rente gehen. Ja, davon profitieren 10 Millionen Menschen. Ja, das kostet auch etwas. Aber das können wir uns leisten. Das ist solide finanziert. Dafür stehen diese Große Koalition und diese Bundesregierung. Wir können das, was wir tun, rechtfertigen und finanzieren es solide. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will Ihnen aber ehrlich sagen, wir müssen auch dafür sorgen, dass dort, wo Arbeitsleistung gebracht wird, auch anständige Löhne gezahlt werden; denn davon hängt nun einmal unser gesamtes Sozialversicherungssystem ab. Wir sollten nicht nur darauf schauen, was sich wie verteilen lässt, sondern auch darauf achten, dass wir durch Wertschöpfung dafür sorgen, dass entsprechende Steuern und Beiträge gezahlt werden können. Nur so kann unser Gesellschaftsvertrag in diesem Land funktionieren. Deswegen werden wir als nächstes großes Projekt einen gesetzlichen Mindestlohn für 5 Millionen Menschen, die heute weniger als 8,50 Euro verdienen, in Ost und West sowie in allen Branchen gleichermaßen einführen. Das ist der nächste Schritt zur Stabilisierung unseres Sozialstaats und des Bundeshaushalts. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Denn es bringt selbstverständlich zusätzliche Einnahmen, wenn wir die Arbeit der Menschen besser vergüten. Wie bereits angesprochen, haben wir über einen relativ langen Zeitraum hinweg sinkende Arbeitslosigkeit und Rekordbeschäftigung zu verzeichnen. Das ist wirklich einmal ein Grund, sich zu freuen. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja!) Vielleicht sind Sie schon so sehr in Ihren apokalyptischen Grundton verfallen, dass Sie es nicht mehr schaffen, sich über diesen unbestreitbar positiven Fakt zu freuen. Ich glaube, das können wir alle gemeinsam tun. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hat Herr Ernst am Anfang seiner Rede gemacht! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wie lange sollen wir uns denn freuen?) Deswegen lasse ich es mir nicht gefallen, dass hier der Eindruck vermittelt wird, als würden wir für die Integration von Arbeitslosen weniger tun. Sie haben die Pro-Kopf-Ausgaben, also das, was die Jobcenter pro Kopf für Betreuung und Integration aufwenden, thematisiert. Das ist mir recht; denn im Vorkrisenjahr 2008 haben wir pro erwerbsfähigem Hilfebedürftigen für Eingliederung und Verwaltung 1 850 Euro zur Verfügung gestellt, während es in diesem Jahr 1 892 Euro sind. Es sind nicht weniger, sondern mehr Mittel, die pro Kopf aufgewendet werden können, um eine erfolgreiche Integration der Arbeitslosen in diesem Land zu organisieren. Dass es in den Krisenjahren 2009, 2010 und 2011 mehr Mittel waren, ist doch klar; aber das ist doch dem Umstand geschuldet, dass wir ein Riesenproblem hatten. Wenn Sie aber das letzte Jahr, über das wir sagen konnten, dass es ein normales Arbeitsjahr mit einer normalen wirtschaftlichen Situation war, mit der heutigen guten Situation vergleichen, dann stellen Sie fest, dass wir mindestens dieselben Mittel zur Verfügung haben. Also, versuchen Sie nicht, mit dem, was Sie hier vortragen, die Leute hinter die Fichte zu führen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Gegenüber 2010 gekürzt! Damals waren Sie dagegen!) – Sie haben die Pro-Kopf-Vergleiche angestellt. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ich habe mit 2010 verglichen!) Dann müssen Sie sich auch gefallen lassen, dass ich mich darauf vorbereite und Ihre Frage sehr wohl beantworten kann. Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pothmer? Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Nein, im Moment nicht. Danke. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade!) Wir sind nämlich an einem entscheidenden Punkt. Bei aller Freude darüber, dass wir weniger Arbeitslosigkeit haben und dass wir pro Kopf immer noch genügend Mittel haben, um die Integration sicherzustellen, will ich um eines nicht herumreden: Es gibt eine Gruppe, die nicht im selben Umfang von dieser Entwicklung profitiert. Das sind die Langzeitarbeitslosen. Deren Situation treibt mich um, und darauf will ich mein Augenmerk legen. Wir haben sehr viel probiert, auch meine Vorgängerin Frau von der Leyen, zum Beispiel Integrationsprogramme, Förderungen, ESF-Programm, Bürgerarbeit usw. Ich nenne nur einmal Stichworte, um zu zeigen, was in diesem Bereich investiert wurde. Wir haben mit der Bürgerarbeit viele Menschen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt – das finde ich nicht schlecht –, aber die Mehrheit leider nicht. Wir müssen feststellen, dass 46 Prozent der Langzeitleistungsbezieher im SGB II länger als vier Jahre arbeitslos sind und viele Vermittlungshemmnisse aufweisen. Ich behaupte, dass wir noch nicht den Stein der Weisen gefunden haben. Aber das darf uns nicht resignieren lassen. Das darf uns auch nicht egal sein, im Gegenteil. Wir haben gestern hier in Berlin eine Aktion gemacht: Deine Geschichte ist Gold! – Sie können überall in der Stadt Gesichter von Langzeitarbeitslosen finden, die bereit waren, ihre Geschichte, die oft mit Umwegen verbunden war, zu erzählen. Nadine zum Beispiel hat es nach vielen Umwegen mithilfe des Projekts geschafft, doch noch Pflegekraft zu werden. Es gibt sehr positive Beispiele, die auch helfen, gerade bei Arbeitgebern mehr Offenheit gegenüber Menschen zu schaffen, die kurvige Wege zurückgelegt haben und die Schwierigkeiten hatten, Tritt zu fassen. Das ist die Gruppe von Langzeitarbeitslosen, von der ich glaube, dass ihr unser ESF-Programm, das wir im nächsten Jahr auflegen können, wirklich helfen kann. Damit können wir Mittel in die Hand nehmen, und das ist das richtige Programm, das wir auf den Weg bringen. Aber ich glaube, dass darüber hinaus neue Ansätze notwendig sind. Wir müssen uns auch um die kümmern, die sehr weit von der Integration in den ersten Arbeitsmarkt entfernt sind. Ich habe den Ausschuss Arbeit und Soziales eingeladen, mit mir dazu eine eigene Sitzung zu machen. Ich will in den Dialog einsteigen. Ich möchte gar nicht so tun, als ob das, was wir tun, der Weisheit letzter Schluss sei. Aber ich verspreche Ihnen, dass die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit gerade im nächsten Halbjahr ein Schwerpunkt meiner Arbeit werden wird. Wann, wenn nicht jetzt? Es ist auch nicht schlimm, wenn Leute Umwege gehen, nur aufgeben dürfen wir nicht. Wir dürfen die Leute nicht aufgeben, und die Leute selber dürfen nicht aufgeben. Das muss das entscheidende Ziel sein. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es ist mir auch wichtig, dass wir uns neben der Gruppe der Langzeitarbeitslosen den jungen Menschen widmen. Wir werden die Fachkräfteinitiative, die wir im Koalitionsvertrag verabredet haben, nutzen, um gerade jungen Leuten die Chance zu geben, eine Ausbildung zu machen. Das betrifft auch diejenigen, die vielleicht die erste Möglichkeit auf eine Ausbildung verpasst haben. Wir brauchen in Zukunft ausgebildete Fachkräfte. Jeder Jugendliche muss eine Ausbildung machen, und sei es mit 25 Jahren. Das muss das Ziel sein. Wir müssen über die Jugendberufsagenturen und andere Ansätze verhindern, dass uns zu viele junge Leute von der Fahne gehen, vielleicht weil sie in der Schule schlechte Erfahrungen gemacht haben. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Es müssen Ausbildungsplätze her! Wer nicht ausbildet, muss zahlen!) Es muss unser Ehrgeiz sein, alle jungen Leute in Ausbildung zu bringen. Dafür werden wir uns auch einsetzen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland zu bekämpfen: Das hat auch für mein Haus ganz klar Priorität. Im Vergleich zur Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland ist die Jugendarbeits-losigkeit in Europa dramatisch. Wir haben mit MobiPro ein Angebot gemacht, das vielen jungen Menschen aus den Krisenländern Chancen auf Ausbildung, aber auch auf Beschäftigung eröffnet hat. Die Nachfrage nach Teilnahme an diesem Programm hat uns überwältigt. Das ist aus meiner Sicht ein Indiz dafür, wie stark der Druck in diesen Ländern ist. Natürlich müssen dort auch selber Möglichkeiten geschaffen werden, die Mittel, die auf der europäischen Ebene über die Jugendgarantie zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zur Verfügung -gestellt wurden, den jungen Leuten auch zukommen zu lassen – eine nicht ganz leichte Aufgabe. Ich möchte mich bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, bei den Berichterstattern und allen anderen, dafür bedanken, dass es uns gelungen ist, die Mittel für MobiPro mehrfach aufzustocken (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) und dass ein weiterer Nachschlag in Höhe von 27 Millionen Euro möglich war. Das ist ein Verdienst dieses -Parlamentes. Das hätte ich aus eigener Kraft, glaube ich, nicht geschafft. Dafür herzlichen Dank, auch im Namen der jungen Menschen, die davon profitieren! Genauso wichtig ist es mir, darauf hinzuweisen, dass wir die Finanzierung guter Deutschkurse gesichert haben. Über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge werden diese Kurse – abgekürzt heißen sie „BAMF-Kurse“ – angeboten, und sie werden auch wahnsinnig gut angenommen, was ja ein tolles Zeichen ist und den Integrationswillen zum Ausdruck bringt. Wir haben 45 Millionen Euro aufgebracht, um dieses Programm fortzuführen. Durch eine Nachbewilligung konnte der Löwenanteil daran, 34 Millionen Euro – sie stammen aus ESF-Restmitteln –, zur Verfügung gestellt werden. Diese Kurse sollen auch Bestandteil des künftigen ESF-Programms sein, das wir, wie ich hoffe, wieder genehmigt bekommen. Auch für die Zukunft planen wir, die damit verbundenen Anstrengungen fortzusetzen. 17 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern profitieren in diesem Jahr von diesem Angebot, und davon profitieren wir alle, weil es die Integration der Teilnehmer ungleich mehr fördert als -vieles andere, was wir tun. Deutschkenntnisse sind nun einmal die Eintrittskarte ins gesellschaftliche Leben und bedeuten eine sehr gute Integrationschance. Ich bin froh, dass die BAMF-Kurse fortgeführt werden, bis im nächsten Jahr das neue Programm kommt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass wir eine gute, konstruktive Zusammenarbeit hatten. Ich danke allen im Fachausschuss und im Haushaltsausschuss, insbesondere den Berichterstattern für die gute, konstruktive -Zusammenarbeit. Das darf gerne bei den nächsten -Haushaltsberatungen so weitergehen. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zum Einzelplan. Danke. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Pothmer, Sie haben jetzt das Wort zu einer Kurzintervention. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Ministerin Nahles, ich wollte Sie eigentlich nur fragen, ob es Ihnen genauso geht wie mir. Denn die Argumentation, die Sie in Sachen Pro-Kopf-Förderung von Langzeitarbeitslosen vorgetragen haben, war identisch mit der Argumentation, die Ihre Vorgängerin in dieser Frage vorgetragen hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich jedenfalls kann mich gut daran erinnern, dass Sie in Ihrer Rolle als Oppositionsabgeordnete diese Argumentation heftigst kritisiert haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wenn ich richtig informiert bin, dann haben Sie in der letzten Legislaturperiode die Aufstockung der Mittel zur Förderung von Langzeitarbeitslosen und von Arbeitslosen insgesamt um weit über 1 Milliarde Euro gefordert. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Man lernt dazu, Frau Pothmer!) Inzwischen fließen dafür nur noch ein paar Millionen Euro. Können Sie mir erklären, welches arbeitsmarktpolitische Wunder sich inzwischen ereignet haben soll, weswegen die von Ihnen verlangte – wie ich fand, richtige – Förderung jetzt nicht mehr auf der Tagesordnung steht? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das Wunder ist die Regierungsbeteiligung!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Bundesministerin Nahles, möchten Sie darauf erwidern? – (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Würde ich auch nicht! Kann nur schlimmer werden!) Nein. Ich darf jetzt das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt geben über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in -Lebanon“ (UNIFIL) auf der Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 2115 (2013) vom 29. August 2013 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, Drucksachen 18/1417 und 18/1813: abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 513, mit Nein haben gestimmt 66, Enthaltungen 8. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 588; davon ja: 514 nein: 66 enthalten: 8 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Annette Schavan Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier-Heite Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz Frank Junge Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Aydan Özo?uz Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Tom Koenigs Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Renate Künast Markus Kurth Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Irene Mihalic Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Nein SPD Klaus Barthel Willi Brase Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Hilde Mattheis Rüdiger Veit Waltraud Wolff (Wolmirstedt) DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Harald Weinberg Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Pia Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Monika Lazar Hans-Christian Ströbele Enthalten SPD Cansel Kiziltepe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Maria Klein-Schmeink Sylvia Kotting-Uhl Peter Meiwald Beate Müller-Gemmeke Lisa Paus Corinna Rüffer Dr. Harald Terpe Nächster Redner in unserer Aussprache ist der Kollege Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, wenn man Ihre Rede so hört, stellt man fest, dass Sie eigentlich weitgehend blind gegenüber den wichtigsten sozialpolitischen Problemen in Deutschland sind – wie es die Sozialpolitik der Großen Koalition insgesamt ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Wir beobachten in den letzten 15 bis 20 Jahren einen massiven, dramatischen Anstieg der Armut in Deutschland – das ist ein Begriff, der weder im Koalitionsvertrag noch in Ihrer Rede auftaucht –, und das hat sich durch die gute wirtschaftliche Lage in den letzten Jahren kein bisschen gebessert. Wir haben in Deutschland über 7 Millionen Menschen – über 7 Millionen! –, die Grundsicherungsleistungen beziehen; das sind 9 Prozent der Bevölkerung. Wenn man dazu noch diejenigen zählt, die verdeckt arm sind, also einen Anspruch hätten, den aber nicht geltend machen, ist man bei einer Zahl von mindestens 10 Millionen Menschen – vielleicht sind es sogar noch mehr –, die auf Grundsicherungsniveau leben – „Hartz-IV-Niveau“, vereinfacht gesagt – oder sogar darunter. Über 10 Millionen Menschen! Zu diesen Menschen haben Sie kein Wort gesagt, und dazu hat diese Bundesregierung kein Konzept. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Traurig genug!) Am deutlichsten wird diese Politik der Bundesregierung, die meines Erachtens weniger zusammenführt als vielmehr spaltet, bei der Rente. Wenn man sich anguckt, wer alles nicht davon profitiert, dann wird deutlich, wie diese Politik der Großen Koalition funktioniert. Von der Rente mit 63 profitieren alle diejenigen nicht, die weniger als 45 Versicherungsjahre haben. Das sind nicht die Stärksten im Land, sondern das sind eher die Schwächsten. Diejenigen, die erwerbsgemindert sind und wegen Erwerbsminderung in Rente müssen, müssen Abschläge in Kauf nehmen – im Gegensatz zu denen, die 45 Versicherungsjahre haben. Wer Witwenrente bezieht, bekommt die Mütterrente teilweise angerechnet, profitiert also nur teilweise davon. Von keiner Ihrer schönen Maßnahmen profitieren alle diejenigen, die in der Grundsicherung im Alter sind oder in der Zukunft in die Grundsicherung im Alter kommen werden. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Was nachrangig ist! – Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist logisch!) Wir haben jetzt schon einen massiven Anstieg der Altersarmut in Deutschland. Die Grundsicherungszahlen steigen. Die Armutsziffern steigen auch. Das ist eines der größten Zukunftsprobleme, und da machen Sie nichts. Das ist völlig fatal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich nenne so etwas eine exklusive Sozialpolitik, -„exklusiv“ im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist nämlich eine ausgrenzende Sozialpolitik für einige wenige, die im System drin sind, denen es halbwegs gutgeht – auch nicht richtig gut, aber halbwegs gut –, während diejenigen, denen es am schlechtesten geht, nicht profitieren. Noch viel schlimmer: Die müssen das Ganze auch noch bezahlen: durch höhere Beiträge, durch geringere -Renten. Das muss erst einmal jemand hinkriegen: ein Rentenpaket mit einem Umfang von 10 Milliarden Euro jährlich zu machen, wobei am Ende die Beiträge steigen, die Renten sinken und nichts gegen Armut passiert. Diese gesamte Rentenreform ist ein absolutes Fehlergebnis. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der SPD) Statt so einer exklusiven Sozialpolitik brauchen wir eine andere Politik, nämlich eine, die darauf aus ist, nicht auszugrenzen, Ausgrenzung in der Gesellschaft möglichst zu verhindern und selbstbestimmte Teilhabe für alle tatsächlich zu ermöglichen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dafür muss man ganz andere Prioritäten setzen, als Sie das tun: Erstens. Bei der Rente muss man mit einer Garantierente anfangen. Dazu haben wir einen Änderungsantrag zum Haushalt gestellt. Er zeigt, wie wir den Einstieg in die Garantierente hinbekommen. Zweitens. Beim Arbeitsmarkt muss man bei denjenigen anfangen, die am schwierigsten in den Arbeitsmarkt zu vermitteln sind. Der Kollege Ernst hat es schon -gesagt: Die Arbeitsmarktentwicklung ist insgesamt betrachtet durchaus positiv, sie geht aber an den Langzeitarbeitslosen vorbei; die Langzeitarbeitslosigkeit sinkt nur ganz schwach. Der Teil derjenigen, die tatsächlich dauerhaft in der Langzeitarbeitslosigkeit sind, stellt ein besonderes Problem dar. Ich freue mich, dass Sie das auch so sehen, Frau Nahles. Dazu haben wir einen Vorschlag gemacht, nämlich den Vorschlag zur Einrichtung eines Sozialen Arbeitsmarktes. Ich finde, das muss ein Schwerpunkt sein und Priorität haben. Wenn wir das in der nächsten Zeit zusammen hinkriegen, ist das sehr positiv. Es ist ein grüner Erfolg, wenn wir Sie dazu bekommen, dass Sie beim -Sozialen Arbeitsmarkt – ich gucke insbesondere die CDU/CSU-Kolleginnen und -Kollegen an – mitmachen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der dritte Punkt betrifft die Grundsicherung. Auch dieser Themenbereich ist von Ihnen überhaupt nicht angesprochen worden, obwohl 7 Millionen Menschen Grundsicherungsleistungen beziehen. Wir sagen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Berechnung der Regelsätze nach wie vor nicht vollständig umgesetzt ist. Wir müssten den Regelsatz auf mindestens 420 Euro erhöhen. Im nächsten Jahr werden wir eine -Debatte zur Neuberechnung haben, aber die Erhöhung auf 420 Euro muss sofort erfolgen. Auch dazu haben wir einen Antrag gestellt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber es hilft natürlich nicht, einfach nur den Regelsatz zu erhöhen. Das ist eine notwendige Maßnahme. Wir müssen vielmehr dazu kommen, dass Menschen gar nicht erst in die Grundsicherung fallen, damit die Zahl nicht noch weiter steigt. Ich muss zugeben, dass der Mindestlohn hierauf durchaus eine Wirkung haben wird. Aber auch vom Mindestlohn wird eine schwache Gruppe, nämlich die Langzeitarbeitslosen, wieder ausgenommen. Das ist ein Unding. Denjenigen, denen es gut geht, geben Sie etwas. Denjenigen, denen es schlecht geht, geben Sie an der Stelle nichts. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unsoziale Politik!) Auf Unternehmensseite profitieren davon Unternehmen, die nicht nach Tarif bezahlen – die anderen können ja gar nicht weniger an Langzeitarbeitslose zahlen –, die quasi noch subventioniert sind. Gleichzeitig geht es zulasten der Langzeitarbeitslosen. Das ist eine Politik, die alles andere als sozial ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Na wunderbar!) Das Problem der Armut trotz Erwerbstätigkeit wird durch den Mindestlohn nur zum Teil behoben. Wir brauchen auch Maßnahmen zur besseren Absicherung für Teilzeiterwerbstätige und Selbstständige. Das ist auch eine große und wichtige Baustelle, an die wir noch herangehen müssen. Wie gesagt: Wir brauchen insgesamt eine Politik, die nicht exklusiv ist, sondern wir brauchen eine inklusive Sozialpolitik, mit der wir tatsächlich selbstbestimmte Teilhabe für alle schaffen, wovon alle profitieren und nicht nur ausgewählte Gruppen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Axel E. Fischer. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident, bevor Sie mir entwischen, weil Frau Bulmahn wartet, um die Sitzungsleitung zu übernehmen, möchte ich Sie für Ihre Krawatte mit der Deutschlandfahne ausdrücklich loben und ebenso unsere Parlamentarische Geschäftsführerin, Frau Noll, für ihre Tasche in den Deutschlandfarben. Ich hoffe, dass es gute Signale für das Fußballspiel morgen Abend sind. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Lieber Herr Kollege Strengmann-Kuhn, Sie haben über die Armut in Deutschland gesprochen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Ich zitiere aus der heutigen FAZ: Vom Aufschwung bleibt endlich etwas hängen … Nach Abzug der Teuerung blieb ihnen im ersten Quartal dieses Jahres ein Lohnzuwachs von durchschnittlich 1,3 Prozent … Dies ist der stärkste Anstieg der Reallöhne seit 2011. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Armut und Grundsicherung zu tun?) Ich finde, dass die Arbeitnehmer mehr in der Tasche haben, als es bisher der Fall war, ist ein schönes Signal, das wir von den Haushaltsberatungen heute senden können. Das ist mit ein Erfolg dieser Bundesregierung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit -Armut zu tun? Nichts!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundeshaushalt 2014, über den wir heute debattieren, ist nach überwundener inländischer Wirtschafts- und Finanzkrise ein erster gelungener Wurf der Großen Koalition. Bevor jetzt haufenweise Zwischenfragen kommen, sage ich gleich: Machen Sie nachher eine Kurzintervention, dann werde ich darauf reagieren. Ich werde keine Fragen zulassen, weil ich nicht vorhabe, diese Debatte gewaltig in die Länge zu ziehen. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Gemeinsam haben wir in der Großen Koalition Verantwortung übernommen und neue Akzente im Bereich der Sozialversicherungen, des Arbeitsmarktes und im Bildungsbereich gesetzt. Das Rentenpaket, die Entlastung von Ländern und Kommunen durch die Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter, MobiPro-EU, ein Programm, das ausländischen arbeitslosen -Fachkräften und ausbildungswilligen Jugendlichen eine Perspektive in Deutschland geben soll, sind einige Stichworte für die Herausforderungen, derer sich die Große Koalition im vergangenen halben Jahr angenommen hat. Ich bin Ihnen, Frau Ministerin, sehr dankbar, dass Sie deutlich gemacht haben, dass MobiPro auch deshalb möglich war, weil wir hier im Deutschen Bundestag – ich schließe ausdrücklich alle Fraktionen mit ein – ganz klar zu diesem Thema standen und noch einmal eine Schippe drauflegen konnten. Ich danke Ihnen und auch den Mitarbeitern, die hinten sitzen, herzlich, dass vom Ministerium der Hinweis kam, dass man das aus dem Etat heraus finanzieren kann. Ich danke ausdrücklich auch der Bundesagentur für Arbeit mit Herrn Weise an der Spitze, dass das möglich war. Darüber sollten wir alle uns gemeinsam freuen; denn wir alle haben gemeinsam daran gearbeitet. Ich glaube, es ist ein wichtiges Signal für unseren Arbeitsmarkt, auch für die Zukunft. Meine Damen und Herren, im Bereich des Einzelplans 11 sind in diesem Jahr Ausgaben des Bundes in Höhe von 121,9 Milliarden Euro vorgesehen. Das sind fast 3 Milliarden Euro mehr, als noch im Haushalt des vergangenen Jahres vorgesehen waren. Gemeinsam setzen wir aber auch den erfolgreichen Konsolidierungspfad der unionsgeführten Koalitionsregierung der Vergangenheit fort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dafür steht Angela Merkel, dafür steht auch Wolfgang Schäuble, dafür steht die gesamte Große Koalition. Denn wir wissen, dass es unverantwortlich wäre, die Chancen der jüngeren Generation leichtfertig zu verspielen. Dank unseres mutigen Vorgehens in den vergangenen Jahren, insbesondere aber auch dank des Wachstums-pakts und einer zeitgemäßen Modernisierung unseres Arbeitsmarkts konnten wir die Krise des Jahres 2009 hinter uns lassen. Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit liegt unter 3 Millionen; danach würden sich andere Regierungen die Finger lecken. Die Sozialkassen sind gut gefüllt. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch!) Die Neuverschuldung erreicht mit 6,5 Milliarden Euro in diesem Jahr den niedrigsten Wert – hören Sie gut zu! – seit 40 Jahren. Meine Damen und Herren, voraussichtlich im kommenden Jahr werden wir erstmals seit 1969 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen können, ohne Neuverschuldung. Das ist doch wirklich ein Wort. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Eigenlob stinkt!) In Deutschland sind knapp 30 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, so viele wie noch nie. Es kommt nicht von ungefähr, dass wir den Beitragssatz der Rentenversicherung auf unter 19 Prozent absenken konnten und jetzt zusätzlich das Rentenpaket aus den Rentenversicherungsbeiträgen und den angesparten Rücklagen finanzieren können. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dicke Ende kommt 2018! Das dicke Ende kommt noch!) Das ist Resultat der erfolgreichen Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik der vergangenen Jahre. Es ist nur billig, an dieser Stelle die Solidarleistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hervorzuheben, ohne die Mütterrente, Rente mit 63 sowie Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente und beim Rehabudget nicht finanzierbar gewesen wären. Unsere vergleichsweise gute Wirtschaftslage und Haushaltssituation heute dürfen aber nicht den Blick auf die vor uns liegenden, zukünftigen finanziellen Herausforderungen bei der dauerhaften Finanzierung des Rentenpakets verstellen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Die Hypothek ist groß! Sagen Sie mal was dazu!) – Sie werden mir gleich zustimmen; davon bin ich überzeugt. – Denn den absehbar sinkenden Reserven in der Rentenkasse steht eine aufwachsende Verantwortung des Bundes für die hier entstehenden zukünftigen Finanzlasten gegenüber. – Ich sehe ein Nicken. Das freut mich. Sie stimmen da also zu. – (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie finanzieren Sie das denn?) Dafür müssen wir finanzielle Vorsorge treffen; denn dann wird auch die Solidarität der nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigten Bevölkerungsteile gefragt sein. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn nicht jetzt schon bei der Mütterrente?) Meine Damen und Herren, die Gesamtausgaben für die Grundsicherung für Arbeitsuchende, also für Arbeitslosengeld II, Eingliederungshilfe und Ausgaben für die Kosten der Unterkunft, werden in diesem Jahr einen historischen Tiefstand von nur gut 31 Milliarden Euro erreichen. Unsere niedrige Arbeitslosigkeit, ein hoher Beschäftigungsstand und die weiterhin guten wirtschaftlichen Aussichten zeigen, wie erfolgreich die Politik der vergangenen Jahre den Menschen berufliche Perspektiven eröffnet hat, sie an den Arbeitsmarkt herangeführt und in den Arbeitsmarkt integriert hat. Eine gute Wirtschaftspolitik ist die beste Sozialpolitik, wusste schon Ludwig Erhard, der als Wirtschaftsminister und Bundeskanzler mit dem deutschen Wirtschaftswunder die wirtschaftliche Basis für unseren heutigen Wohlstand und unsere sozialen Netze mit gelegt hat. So wollen wir in diesem Jahr und in den kommenden Jahren trotz gesunkener Arbeitslosigkeit noch einmal 350 Millionen Euro mehr für die Eingliederungshilfe ausgeben als im vergangenen Jahr. Denn auch schwierige Fälle sollen eine berufliche Perspektive haben. An dieser Stelle möchte ich betonen: Arbeitsmarktpolitik findet nicht im luftleeren Raum statt. Wir hatten 2006 Ausgaben für Eingliederungshilfen in Höhe von 8 Milliarden Euro für 4,5 Millionen Arbeitslose und nehmen heute noch einmal 350 Millionen Euro mehr in die Hand bei weniger als 3 Millionen Arbeitslosen. Das zeigt, welche Perspektiven wir von der Großen Koalition den Menschen am Arbeitsmarkt geben wollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir bringen Menschen wieder in Arbeit. Uns geht es mit der Aufstockung der Mittel um konkrete Hilfe für Betroffene und nicht um die Konservierung kommunaler oder regionaler Betreuungsstrukturen für Langzeitarbeitslose. Dieser Tage haben die Gewerkschaften den Einstieg in die Rente mit 60 proklamiert. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alte FDP-Forderung!) Bei allem Verständnis und bei aller Sympathie für die Zielsetzung, den Übergang aus dem Arbeitsleben in den letzten Lebensabschnitt flexibler zu gestalten: Die Wirkung dieser plakativen Forderung ist fatal und steht den Erfordernissen für eine ganzheitliche, gedeihliche und nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft diametral entgegen. Bei einem immer späteren Eintritt ins Arbeitsleben, einer weiter steigenden Lebenserwartung und einer im Allgemeinen immer besseren körperlichen und geistigen Verfassung unserer älteren Mitbürger, bei steigenden Leistungen aus der Rentenversicherung und angesichts des heute spürbar zunehmenden Fachkräftemangels kann eine weitere zusätzliche Verkleinerung der Arbeitskräftebasis nicht die geeignete Antwort sein. Das Renteneintrittsalter für die gesetzliche Rentenversicherung wurde unlängst auf 67 Jahre angehoben. Bei einem durchschnittlichen Eintritt ins Berufsleben im Alter von 22 Jahren und einem Ausscheiden mit 67 Jahren würden 45 Beitragsjahre erreicht, bei einem Ausscheiden mit 60 hingegen nur noch 38 Beitragsjahre. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rechnen kann er!) Das hieße: Ein Arbeitnehmer bezahlt rund 20 Prozent weniger Beiträge, gleichzeitig bezieht er länger Rente. Bei einer Lebenserwartung von 80 Jahren steigt die Dauer des Rentenbezugs von 13 auf 20 Jahre, das heißt, um rund 50 Prozent. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch! Das ist nicht der Durchschnittswert!) 20 Prozent weniger Beiträge und 50 Prozent höhere Leistungen – da fragen wir uns: Wie sollen zukünftige Arbeitnehmer das finanzieren? Es liegen also noch wichtige Aufgaben vor uns. Ich möchte abschließend unserer Hauptberichterstatterin herzlichen Dank sagen. Liebe Ekin Deligöz, du hast das phantastisch gemacht, ganz klasse. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vielen Dank auch den Mitberichterstattern. Auch dem Kollegen Ewald Schurer möchte ich – in Abwesenheit der Kollegin Lötzsch – herzlich danken. Es war ein gutes Miteinander. Ich habe es vorhin angesprochen: Das Thema MobiPro hat gezeigt, dass man gemeinsam etwas erreichen kann. Mein Dank geht auch an Sie, Frau Ministerin, an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mein Dank gilt auch Herrn Weise und seinem Team. In der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales haben wir etwas Gutes geleistet. Es wäre schade, wenn wir diese Erfolge kaputtreden würden. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Eine so nette Danksagung wollte ich nicht unterbrechen; sie ist ja auch gerechtfertigt. Trotzdem bitte ich alle Kolleginnen und Kollegen noch einmal um Zeitdisziplin, weil wir sonst sehr lange in den Abend hinein tagen. Herr Kollege Schurer, Sie haben das Wort. (Beifall bei der SPD) Ewald Schurer (SPD): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte macht deutlich – die Ministerin hat die Zahlen genannt: 121,9 Milliarden Euro und 41 Prozent des gesamten Haushaltes –, dass der Haushalt für Arbeit und Soziales das Herzstück des Bundeshaushaltes ist. Herr Kollege Strengmann-Kuhn, es wäre schön, wenn sich die Debattenbeiträge von Regierungsfraktionen und Opposition inhaltlich so weit decken würden, sodass man sagen kann: Wir sprechen über das gleiche Thema. Für uns als Haushälterinnen und Haushälter ist es eine riesige Aufgabe, einen gesellschaftlichen Diskurs über die gesellschaftliche Entwicklung und die Bekämpfung von Armut zu führen mit dem Ziel, möglichst viele Menschen durch Beruf und Ausbildung gesellschaftlich zu integrieren. Das ist des Pudels Kern auch in einer solchen Debatte. Man darf sich hier nicht hinter Zahlen verstecken. Ich finde, die Opposition läuft quasi unter der Latte durch, wenn sie hier per se sagt, dass diese Regierung hinsichtlich der Bekämpfung von Armut nichts leistet. Das stimmt einfach nicht. Fakt ist, dass die Erwerbsminderungsrente, die wir im Rahmen des Rentenpakets erhöht haben – wir haben das in der ersten Lesung schon durchdekliniert –, einen manifesten Bestandteil der Bekämpfung von Armut darstellt. Fakt ist – der Kollege Ernst hat die Daten vielleicht übersehen –, dass wir bei der Ausstattung der Jobcenter – vier mal 350 Millionen Euro – den Trend, den Schwarz-Gelb eingeleitet hat, wieder umdrehen, um in die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit mehr Substanz hineinzubekommen, um besser individuell fördern zu können. Fakt ist auch – wir reden noch darüber –, dass der Mindestlohn ein großes Projekt ist, um die in diesem Land seit den 90er-Jahren auf dem Arbeitsmarkt entstandenen Verwerfungen – Stärkung des Niedriglohnsektors – zu bekämpfen. (Beifall bei der SPD) Es ist mehr als eine Höflichkeitsformel, wenn ich sage – der Kollege Fischer hat das schon gesagt; auch der Kollegin Deligöz, der Hauptberichterstatterin, möchte ich dafür danken –, dass wir eine sehr gute fachliche Diskussion geführt haben. Das ist die Grundlage für gute Inhalte. Dem Haus und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist zu danken; denn mit dem Rentenpaket und der Mindestlohngesetzgebung mussten zwei Megajobs erledigt werden. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass das gelungen ist. Deshalb gilt mein Dank und meine Anerkennung – über die Höflichkeit hinaus – dem Haus A & S für diese wirklich großartige Arbeit in den letzten Monaten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Haushalt wurde skizziert. Er ist in der Tat das Herzstück des Bundeshaushalts und hat eine wichtige Funktion. Man spricht in diesem Zusammenhang nicht nur über die Rente und nicht nur über den Mindestlohn, sondern man spricht auch über integrale, große Bestandteile einer Volkswirtschaft. Sozialsysteme – das habe ich in der ersten Lesung schon gesagt – sind keine isolierten Bestandteile der makroökonomischen, der volkswirtschaftlichen Entwicklung, sondern sie tragen in manifester Form durch ausgeschüttete Beiträge, die zum Teil selbst erarbeitet wurden und zum Teil aus Steuerzuschüssen resultieren, zur Wertschöpfung einer Volkswirtschaft bei. In Form von Kaufkraft, Ausgaben und Beschäftigung sind Sozialbeiträge immer integraler Bestandteil wirtschaftlichen Handelns. Das muss man einfach einmal so sehen. Wir haben zwei große Schwerpunkte. Mit 88,4 Milliarden Euro – inkludiert sind die neuen Ausgaben, die aus dem Rentenpaket resultieren – sind die Zuschüsse an die Rentenversicherung natürlich dominierend. Es gibt einen zweiten großen Block: 31,2 Milliarden Euro für die Arbeitsmarktförderung. Das sind in diesem Haushalt natürlich die größten Posten. Es gibt weitere kleinere Posten wie die Gelder für die Kriegsopferfürsorge und dergleichen mehr, die auch wichtig sind. Mir ist es wichtig, dass wir im Zusammenhang mit der Armut-Reichtum-Debatte auch über die Kommunen reden, die Träger vieler sozialer Leistungen sind. Wir wissen aus der aktuellen Presseberichterstattung, dass die Kommunen in wirtschaftlich schwierigen Gebieten mit steigenden Sozialkosten kämpfen, weil dort mehr Menschen desintegriert sind. Es gibt reichere Gegenden im Land, und es gibt Gegenden, die große ökonomische Probleme haben, also mit Folgelasten zu kämpfen haben. Es ist wichtig, dass der Bund 2014 100 Prozent der Kosten für die Grundsicherung im Alter übernimmt. Auch das ist eine Form der Armutsbekämpfung – über die Kommunen, die ein wichtiges Gebilde im Staat sind. Wir haben über 12 000 Kommunen in Deutschland vorzuweisen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Im Sinne einer Zwischenlösung erhalten die Kommunen ab 2015, also ab dem nächsten Jahr, bis 2017 jährlich 1 Milliarde Euro, und spätestens 2018 – mir wäre 2017 lieber – werden wir durch ein Bundesteilhabegesetz mit einer manifesten inhaltlichen Bindung – Inklusion – in der Lage sein, mit 5 Milliarden Euro im Interesse der Menschen massiv gegenzusteuern. Ich weiß, dass das ein sehr anspruchsvolles Vorhaben des Ministeriums ist. Mit dem Bundesteilhabegesetz haben wir ein anspruchsvolles Gesetz zu gestalten, durch das das Zeitalter der Integration überführt wird in das Zeitalter der Inklusion. (Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür reicht aber ein Gesetz nicht!) Dieser Prozess wird noch andauern. 2015 werden wir, glaube ich, eine erste Vorlage erhalten. Auf dieser Grundlage können wir dann über den Inklusionsprozess diskutieren. Das ist ganz wichtig. Das Programm MobiPro ist schon genannt worden. Darauf will ich jetzt nicht mehr ausführlich eingehen, da der Kollege Axel Fischer dazu bereits Ausführungen gemacht hat. Herzlichen Dank dafür. Wir als Haushälter haben unter Zuhilfenahme eurer fachpolitischen Intuitionen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Mittel auf fast 100 Millionen Euro verdoppelt. Es gibt jetzt 96,1 Millionen Euro für diesen so wichtigen Bereich. Ich würde mir bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit von der Europäischen Union manchmal die gleiche Eloquenz und Durchsetzungsfähigkeit beim Auf-die-Strecke-Bringen von Programmen wünschen, die wir an den Tag gelegt haben. Das ist ein kleiner Baustein zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und der Perspektivlosigkeit junger Menschen aus europäischen Nachbarländern; aber er hat eine hohe Symbolik nicht nur für die Betroffenen, sondern eben auch für unsere Wirtschaft, die in manchen Regionen zum Teil an einem Mangel auszubildender junger Menschen leidet. Egal, ob die jungen Menschen bei uns bleiben oder vielleicht mit einer Berufsausbildung nach Spanien, Griechenland oder in andere Länder zurückgehen und dort neue Arbeitsplätze schaffen: Es ist ein tolles Programm! (Beifall bei der SPD) Die Sprachkurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge sind schon genannt worden. Zum Schluss komme ich, Frau Präsidentin, noch in aller Kürze zum Mindestlohn. Dabei handelt es sich um ein sehr großes Reformprojekt; denn es werden 5 Millionen Einkommen im Lande erhöht. Die Betroffenen leben schließlich davon. Man muss sich das einmal vorstellen: Wir reden nicht nur über eine nackte Zahl, sondern 5 Millionen Existenzen – sehr oft handelt es sich um Frauen – werden über den Mindestlohn künftig in der Gesellschaft deutlich besser abgesichert sein. Die Folgewirkungen: Es gibt mehr Steuern, mehr Sozialabgaben, mehr Kaufkraft und mehr Binnenkonjunktur. Das wird sich positiv auswirken. Von daher kann ich sagen: Liebe Freundinnen und Freunde von den Grünen und von der Linkspartei, es ist euer größter Fehler – den habt ihr heute wieder einmal gemacht –, das Mindestlohngesetz zu unterschätzen und so zu tun, als wenn das nicht ein manifester Beitrag zur Bekämpfung von Armut in der Gesellschaft sei. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wer sagt denn das?) Lasst euch nicht so sehr vom Kurs der Stiftung neue oder alte Soziale Marktwirtschaft beeinflussen. Ihr müsst einen neuen Kurs finden, mit dem ihr euch identifizieren könnt. Das vermisse ich bei euch. (Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin empört!) Ich sage nur: Der Mindestlohn, das ist eine tolle Geschichte. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe den Mindestlohn schon früher gefordert als die meisten von euch!) Er stellt eine Zeitenwende, eine Kulturwende mit dem Ziel dar, dass Menschen auskömmlich und würdevoll von ihrer Arbeit leben können. Sie sollen in der Lage sein, selbstbewusst an dieser Gesellschaft zu partizipieren. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat Matthias W. Birkwald das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Bundesrepublik ist eines der reichsten Länder der Welt. Davon spüren aber Millionen von Menschen nichts. Sicher, vielen geht es gut. Es gibt 1,1 Millionen Dollar-Millionäre in Deutschland. Mit anderen Worten: Die soziale Spaltung nimmt zu. Nach aktuellen Zahlen des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung verfügen knapp 28 Prozent der Erwachsenen hierzulande über kein oder nur über ein negatives Vermögen. So heißt das in der kalten Sprache der Wirtschaftsforscher. Auf Deutsch heißt das: Ein Drittel der Menschen in unserem Land hat nur Nullen oder Schulden auf dem Konto, und es gibt 10 Millionen Arme. Das, meine Damen und Herren, ist die Realität. Darum brauchen wir dringend eine Umverteilung von oben nach unten. (Beifall bei der LINKEN) Schlägt sich das im Haushalt der Arbeits- und – ich betone – der Sozialministerin irgendwie nieder? Nein, tut es nicht. Frau Ministerin Nahles, Sie fügen sich dem Mantra von Finanzminister Schäuble. Der ruft fünfmal am Tag: Keine Steuererhöhung, keine neuen Schulden! – (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Richtig!) Das bedeutet: CDU/CSU und SPD ignorieren die soziale Spaltung. Das darf nicht so bleiben. Wir brauchen einen Haushalt des sozialen Ausgleichs, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb fordert die Linke hier und heute: Erstens. Der Regelsatz für Hartz-IV-Beziehende muss endlich auf 500 Euro im Monat angehoben werden. (Beifall bei der LINKEN) Zweitens. Für die Grundsicherung im Alter brauchen wir für arme Seniorinnen und Senioren ebenfalls menschenwürdige Regelsätze. (Beifall bei der LINKEN) Drittens. Hartz-IV-Betroffene und ihre Kinder sind auf jeden Cent angewiesen. Darum darf das Elterngeld nicht mehr auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden. (Beifall bei der LINKEN) Viertens. Lassen Sie die Rentnerinnen und Rentner im Osten nicht länger im Regen stehen und gleichen Sie endlich den Rentenwert Ost an das Westniveau an. Ein Vierteljahrhundert nach der Einheit müssen 45 Jahre -Arbeit als Verkäuferin oder als Kfz-Mechatroniker – völlig egal, ob man in Halle an der Saale oder in Halle in Westfalen wohnt – auch die gleiche Rente bringen. Fünftens. Menschen mit Behinderungen haben das gleiche Recht auf Arbeit, auf Mobilität, auf Bildung, auf Theater, auf Reisen und vieles andere wie Menschen ohne Behinderungen. Darum, meine Damen und Herren von der -Koalition, fordere ich Sie auf: Sagen Sie nicht sofort, das Bundesteilhabegesetz dürfe aber nicht so viel kosten, sondern diskutieren Sie mit den Menschen mit Behinderungen darüber, was inhaltlich im Gesetz stehen muss, (Dr. Martin Rosemann [SPD]: Das machen wir doch!) damit allen Menschen mit Behinderungen die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft garantiert werden kann, bedarfsgerecht und unabhängig von Einkommen und Vermögen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ralf Kapschack [SPD]: Genau das machen wir!) Frau Ministerin Nahles, legen Sie schnell erste Eckpunkte und einen Fahrplan vor, wie die Expertinnen und Experten in eigener Sache an der Erarbeitung des Bundesteilhabegesetzes aktiv beteiligt werden sollen. Die Menschen mit Behinderungen werden es Ihnen danken und wir auch. (Beifall bei der LINKEN) Sechstens. Frau Nahles, angesichts des weltweiten Flüchtlingselends sage ich: Fassen Sie sich ein Herz, und sorgen Sie dafür, dass die in Deutschland asylsuchenden Menschen, die Geduldeten und die Bürgerkriegsflüchtlinge, beispielsweise aus Syrien, endlich dieselben Grundsicherungsleistungen erhalten wie alle anderen, die zwischen Rostock und Berchtesgaden auf Hartz IV oder auf Sozialhilfe angewiesen sind. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich ahnte schon: Für diese Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit rührt sich bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU/CSU, keine Hand. Deshalb, Frau Ministerin Nahles, sage ich: Ihr Haushalt ist kein Haushalt des sozialen Ausgleichs. Ihr Haushalt ist ein Haushalt der Tricksereien. Das ist durch und durch schlecht. (Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss -[Wesel I] [CDU/CSU]: Tricksereien! Ich glaube es ja nicht!) – Warum Tricksereien, Frau Weiss? Ich sage es Ihnen. Die sogenannte Mütterrente kostet mehr als 6,5 Milliarden Euro jährlich. Aber, Wunder, oh Wunder, davon taucht nichts in Ihrem Haushalt auf, auch in den nächsten vier Jahren nicht. Danach soll es dann ein paar Euro mehr aus dem Steuersäckel geben, aber bis dahin werden die Beiträge der Rentenversicherten für die Mütterrente verfrühstückt, wie es Gregor Gysi heute Morgen hier erläutert hat. Alles gegen jede Vernunft! Das ist getrickst, das ist falsch, und das ist ungerecht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Und sozial gerecht!) Das Rentenniveau sinkt immer weiter, durch das Rentenpaket noch mehr als bisher. Das ist sozial ungerecht. Mit Lebensversicherung und Riester-Rente können die allermeisten Menschen die Löcher in ihrer gesetzlichen Rente nicht stopfen. Bei den Lebensversicherungen wollen sie die Auszahlungen jetzt auch noch kürzen und die Garantiezinsen von mickrigen 1,75 Prozent auf noch mickrigere 1,25 Prozent absenken. Das heißt, 62 Millionen Lebensversicherte zahlen für die Krise, die sie nicht verursacht haben. Das ist die Wahrheit. Das zeigt: Die gesetzliche Rentenversicherung muss gestärkt werden. Sie ist viel besser als Riester und Co. Aber Sie pumpen in diese Riester-Verträge in diesem Jahr noch einmal 3,5 Milliarden Euro Steuermittel. Das heißt, bis 2018 werden knapp 44 Milliarden Euro geflossen sein. Dazu sage ich: Das ist eine Verschwendung von Steuermitteln gepaart mit Realitätsverweigerung, sonst nichts. (Beifall bei der LINKEN) Warum rede ich jetzt von 2018? Schauen Sie einmal in Ihren Haushaltsplan. Dort stehen nämlich diesen Milliardensummen an Riester-Förderung im Jahr 2018 gerade einmal 49 Millionen für Ihr nächstes Pseudobollwerk gegen Altersarmut, die Lebensleistungsrente, gegenüber. 49 Millionen Euro, um Minirenten aufzustocken, und 3,5 Milliarden Euro, um gefloppte Riester-Verträge zu retten – 70-mal mehr für Unsinn als gegen Altersarmut, das ist echt nicht zu fassen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dabei rechnen Sie selbst im Haushalt mit einem jährlichen Anstieg der Zahl der Grundsicherungsbeziehenden im Alter und bei Erwerbsminderung von jährlich 6,6 Prozent. Im Jahr 2018 werden nach Ihren eigenen Zahlen also knapp 1,3 Millionen ältere und kranke -Menschen am Rande des Existenzminimums leben. Das muss unbedingt verhindert werden. (Beifall bei der LINKEN) Ich komme zum Schluss. Aus den genannten Gründen fordert die Linke eine solidarische Mindestrente, die -ihren Namen verdient. Niemand soll von weniger als 1 050 Euro monatlich leben müssen. Deshalb, Frau Nahles, will die Linke Steuererhöhungen für Menschen mit hohen Einkommen und Vermögen. Dann hätten wir 52 Milliarden Euro mehr im Steuertopf, also deutlich mehr als die 34 Milliarden Euro. Dann könnte man -endlich aus dem Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Soziales einen Haushalt des sozialen Ausgleichs machen. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Freibier für alle!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Jetzt hat die Kollegin Sabine Weiss das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Schönen Dank. – Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Viele Dinge sind schon angesprochen worden. Aber manche Dinge sind einfach so gut, dass man sie nicht oft genug wiederholen kann. (Heiterkeit der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Wir freuen uns, dass in Deutschland rund 42 Millionen Männer und Frauen erwerbstätig sind. Wir freuen uns, dass die Arbeitslosenquote deutlich zurückgegangen ist. Wir freuen uns, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufwächst. Wir freuen uns, dass Deutschland mit 7,9 Prozent die geringste Jugendarbeitslosenquote in Europa hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Anders als in der Vergangenheit steht der Fachkräftemangel heute neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ganz oben auf der Agenda. Leitbild und Erfolgs-rezept ist die soziale Marktwirtschaft. Sie bringt unserem Land Wohlstand und soziale Sicherheit und gibt uns – dem können Sie nicht widersprechen – eines der sichersten Sozialsysteme der Welt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Unsere ausgewogene Wirtschaftsstruktur mit einem starken Mittelstand, einer leistungsfähigen Industrie und der gelebten Sozialpartnerschaft von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden bringt uns weltweit Anerkennung ein. Dem Ergebnis einer Umfrage des britischen Senders BBC zufolge war Deutschland 2013 das beliebteste Land weltweit. Das ist eben nicht selbstverständlich. Seit 2005 haben wir die Bedingungen für die Wirtschaft entscheidend verbessert. Mittelstand und Industrie wachsen und schaffen neue Arbeitsplätze. Seit 2005 hat sich der deutsche Arbeitsmarkt vom Sorgenkind zum internationalen Vorbild entwickelt. 2011 konnte ein Rekordstand seit der Wiedervereinigung erreicht werden, und das trotz Finanz- und Wirtschaftskrise. (Beifall bei der CDU/CSU) Mittlerweile gilt Deutschland als Vorbild, und das nicht nur für die Krisenbewältigung. Für das Jahr 2014 sieht der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Ausgaben von rund 122,3 Milliarden Euro vor. Er ist der mit Abstand größte Einzeletat im gesamten Bundeshaushalt, sozusagen – Frau Nahles hat es erwähnt – das Herzstück. Den größten Posten innerhalb dieses Haushaltes nehmen natürlich die Zahlungen des Bundes an die Rentenversicherung ein. Die kürzlich beschlossenen Verbesserungen bei der Mütterrente und der Erwerbsunfähigkeitsrente sind hier enthalten. Alles ist solide finanziert. (Beifall bei der CDU/CSU) Demnächst – damit zeigen wir, dass wir keinen Stillstand wollen – werden wir Regelungen für einen flexiblen Übergang ins Alter erarbeiten. Wer sich fit fühlt und sich noch nicht aufs Altenteil zurückziehen will, soll leichter über die Regelaltersgrenze hinaus arbeiten und seine Rentenansprüche steigern dürfen. Ziel ist hier, nicht so früh wie möglich in Rente zu gehen, sondern so lange wie möglich zu arbeiten. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Kümmern Sie sich lieber darum, dass diejenigen, die kaputt sind, eher gehen können!) Mehr als 31 Milliarden Euro wenden wir für Arbeitsförderung und Grundsicherung sowie für das Arbeits-losengeld II auf. 1,34 Milliarden Euro fließen für Zwecke der sozialen Entschädigung. Wenn uns vorgeworfen wird, wir würden einfach so weitermachen wie bisher, dann kann ich nur sagen: Gut so! Denn wir haben ja Erfolge. Das ist das tolle Resümee, das wir heute ziehen können. Es ist also gut, dass wir in vielen Bereichen so weitermachen wie bisher. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Einzelplan 11, der jetzt debattiert wird, ist ein wesentlicher Teil des sozialstaatlichen Leistungssystems in diesem Lande. Aufgrund der sehr guten Konjunktur- und Beschäftigungslage kommt die Bundesagentur für Arbeit auch 2014 wieder ohne Darlehen aus; auch das muss gesagt werden. Wir alle in der Großen Koalition wissen aber auch: Es besteht nicht ausschließlich Anlass zur Selbstzufriedenheit; denn wir wollen noch besser werden. Frau Nahles hat schon angesprochen, dass wir uns um den relativ statischen Sockel der Langzeitarbeitslosen kümmern wollen. Ich denke, da werden wir gemeinsam gute Ideen entwickeln – wobei man dazusagen muss: Es gibt da nicht den Königsweg; denn jeder Mensch ist ein Einzelfall, jeder Mensch hat seine eigene Lebensgeschichte. Deshalb müssen wir auf jeden Menschen anders zugehen. Jeder Langzeitarbeitslose, der den Sprung in die geregelte Beschäftigung schafft, ist ein Erfolg. Dabei wollen wir den einzelnen Menschen begleiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ein Beispiel für gut angelegtes Geld ist für mich das Programm „Perspektive 50plus“, das ich aus meinem Wahlkreis kenne. Die Vermittlungsquote ist gut. Das Programm wird demnächst neu ausgeschrieben. Wir werden in dieser Wahlperiode – das ist auch schon angesprochen worden – die Teilhabe von behinderten Menschen vorantreiben. Diese Menschen haben Potenziale, die deutlich besser erschlossen werden müssen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Bundesagentur für Arbeit hat hier neue Schwerpunkte gesetzt – das ist gut –, sie will zum Beispiel vermehrt mit Handwerksbetrieben das Gespräch suchen, damit Menschen mit Handicaps dort eine Chance bekommen. (Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Derzeit kocht die Debatte wieder hoch, dass ein Großteil der Anträge zu Hartz IV falsch bzw. fehlerhaft beschieden werde. Die Gerichte sind mit den vielen – oft berechtigten – Klagen überlastet. Ich denke, hier müssen wir bald etwas ändern. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht zulasten der Betroffenen bitte!) – Inhaltlich will ich jetzt gar nicht näher darauf eingehen, Herr Birkwald; das muss mit Sorgfalt erarbeitet werden. Ich möchte etwas über die Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter sagen. Sie werden oft gescholten und wenig gelobt. Viele haben nur befristete Arbeitsverhältnisse. Sie haben beim Fördern und Fordern eine hochkomplexe Rechtsmaterie anzuwenden und sind in den allermeisten Fällen gute und versierte Fachleute. Das ist ein ausgesprochen harter Job. Die Arbeit dieser Mitarbeiter möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich würdigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) An ihnen liegt es nicht, wenn irgendwo etwas klemmt. Wir engagieren uns weiterhin auf dem Weg zu einem gemeinsamen europäischen Arbeitsmarkt. Auch das ist angesprochen worden; aber weil es so gut ist, wiederhole ich es: Mit Programmen wie „MobiPro“, der Sprachausbildung für zugewanderte Arbeitskräfte, leisten wir einen Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in -Europa. Als die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen 5 000 spanische Jugendliche mithilfe eines Ausbildungspakts in deutsche Betriebe bringen wollte, erntete sie Kopfschütteln und Skepsis; manche warfen ihr sogar blinden Aktionismus vor. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass man in Deutschland die Chance auf Ausbildung hat. Von Beginn des Programms „MobiPro“ bis Ende März 2014 haben nahezu 9 000 junge Menschen die Teilnahme beantragt. Mehr als 40 000 Anträge zu den einzelnen Fördermaßnahmen gingen ein. Über die Hälfte stammt allein aus dem ersten Quartal 2014. Im Rahmen eines ESF-Programms zur Sprachausbildung haben zudem rund 120 000 Jugendliche und Erwachsene etwa 6 400 Sprachkurse besucht. Alle diese Programme sind sehr erfolgreich. Wir beherzigen damit, was Wissenschaftler uns immer gesagt haben – sie sind sich darin einig –: dass der zentrale -Faktor für eine gelungene Integration das Bildungsniveau ist. Entscheidend hierfür ist der Abbau von Sprachbarrieren mithilfe von Deutschkursen; so erreicht man einen schnellen Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt. Dass erheblich mehr Anträge auf Teilnahme an den Programmen gestellt wurden als ursprünglich erwartet, hat einige Träger von Sprachkursen in Schwierigkeiten gebracht. So hat in meinem Wahlkreis die Akademie Klausenhof, ein hochanerkannter Bildungsträger in der Region, circa 30 mit ESF-Mitteln geförderte Sprachkurse durchgeführt. Die Akademie hatte, wie auch andere Träger, große Sorgen, als Anfang April plötzlich ein Programmstopp verkündet wurde. Ich finde es gut und danke der Ministerin und auch den Haushältern, dass hier Wege gefunden wurden, kurzfristig noch Finanzmittel für das laufende Jahr 2014 zu mobilisieren, um zumindest die bis Anfang April bewilligten Anträge zu bedienen. Jetzt werden die Programme neu ausgeschrieben. Die Akademie Klausenhof wird sich wieder bewerben – und andere Träger auch. Ich persönlich hoffe dabei, dass die guten Träger die Zeit bis zum Beginn des Nachfolgeprogramms ab 2015 gut überbrücken können und uns nicht verloren gehen. Daher bitte ich darum, dass die Ausschreibung für die nächste Förderperiode zügig erfolgt. Wir haben in den vergangenen Jahren viel erreicht, es gibt aber auch noch viel zu tun. Diesen Aufgaben werden wir uns stellen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Corinna Rüffer das Wort. Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wäre diese Bundesregierung aus ganzem Herzen und mit tiefer Überzeugung daran interessiert, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, dann sähe dieser Haushalt anders aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Es wäre nämlich erkennbar, dass wir uns von der Förderung großer Institutionen wegbewegen, und es würde deutlich werden, dass sich Unterstützungsleistungen stattdessen an den Bedarfen der Menschen orientieren, die sie tatsächlich brauchen. Ich spreche hier nicht von großen Summen, die neu aufgebracht werden müssten, sondern es geht ganz einfach um eine andere Verteilung der Mittel. Es geht darum, dass wir von den Sonderwelten für behinderte Menschen wegkommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ich mir Ihren Haushalt angucke, dann sehe ich bestenfalls Andeutungen, dass Sie verstanden haben, worum es geht. Das ist auch deswegen so dramatisch, weil sich die behindertenpolitische Debatte mehr und mehr zuspitzt. Mit dem Gestus des Märtyrertums wagen sich nach und nach diejenigen hervor, die mit einer inklusiven Gesellschaft nichts anfangen können. Man werde ja quasi gesteinigt, wenn man sich traue, etwas gegen Inklusion zu sagen, behaupten sie. Dann zeichnen sie finstere Bilder: Behinderte Kinder werden auf Regelschulen Tag für Tag ins Unglück gestürzt, egal wie sehr sich ihre Lehrerinnen und Lehrer bemühen; ihre Mitschüler begegnen ihnen mit purem Desinteresse, und so äußern die behinderten Schülerinnen und Schüler schon in der ersten Grundschulklasse, dass sie nicht mehr leben wollen. Ich habe das gelesen und – ganz ehrlich – meinen Augen nicht getraut. Inklusion führt also dazu, dass Kinder nicht mehr leben wollen? Das ist der größte Unsinn, den ich je gehört habe. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es gibt natürlich ebenso die weniger drastische Variante. Berichtet wird auch über spuckende, schimpfende und störende Schmuddelkinder auf Regelschulen. Da wird so lange Problem auf Problem geschichtet, bis alle überzeugt sind, dass das ja wirklich nicht gehen kann mit der Inklusion. Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich kann Inklusion gelingen. Sie gelingt bereits jeden Tag – Tag für Tag. Es gibt genügend Menschen, die begeistert sind und sich starkmachen. Mittlerweile preisen selbst die Arbeitgeberverbände die Qualitäten behinderter Menschen – glücklicherweise. Wir wissen aber auch: Die Zahl der Plätze in den Werkstätten für behinderte Menschen steigt seit Jahren an; sie sinkt nicht. Gibt es in Deutschland immer mehr Menschen, die nur in solchen Institutionen arbeiten können? Ich bezweifle das. Hören Sie endlich auf, nur von Inklusion zu reden! Das ist wie mit den bellenden Hunden, die nicht beißen: Solange Sie nur von Inklusion sprechen, ändert sich gar nichts. Machen Sie auch in Ihrem Haushalt deutlich, wohin die Reise gehen muss! Wir haben jahrzehntelang sehr viel Geld in den Ausbau und die Finanzierung von Sonderwelten gesteckt. Wer eine inklusive Gesellschaft möchte, der muss das ändern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte etwas konkreter auf zwei Entscheidungen eingehen, die Sie mit diesem Haushalt treffen. Wir haben hier schon oft über die Beteiligung des Bundes an den Kosten der Eingliederungshilfe gesprochen. Sie haben im Koalitionsvertrag sehr viel versprochen – 5 Milliarden Euro jährlich – und bisher wenig gehalten. Sie zahlen nur 1 Milliarde Euro, Sie zahlen erst ab 2015, und Sie haben das handwerklich schlecht gelöst. Es gibt keinen richtigen Zusammenhang zwischen der Form Ihrer Milliardenunterstützung und den steigenden Kosten in der Eingliederungshilfe. Sie haben sich für einen Weg entschieden, mit dem Sie gar nicht sicherstellen können, dass das Geld genau da ankommt, wo es gebraucht wird. Ich möchte auch auf falsche Entscheidungen zu sprechen kommen, die weniger im Fokus stehen. Der Slogan der Behindertenbewegung „Nichts über uns ohne uns“ erfreut sich immer größerer Beliebtheit; das ist sehr gut so. Erst kürzlich hat die Kollegin Kerstin Tack hier im Bundestag darauf hingewiesen, dass Gesetzgebungsverfahren sinnvollerweise nur unter Beteiligung behinderter Menschen stattfinden können. Ich teile diese Auffassung, solange es ernst gemeint ist. Wir wissen alle, wie sehr sich behinderte Menschen darum bemühen, an Gesetzgebungsprozessen beteiligt zu werden. Gleichzeitig müssen sie sich um die Finanzierung ihrer Projekte bemühen und darum kämpfen – Tag für Tag. Es gibt eine große Zahl von Initiativen behinderter Menschen, die nicht an etablierte Verbände angebunden sind und sich daher von Projektantrag zu Projektantrag hangeln müssen. Wenn ich mir den Haushalt dieser Bundesregierung ansehe, dann bekomme ich den Eindruck, dass dieses Problem nicht sonderlich ernst genommen wird. Sie -finanziert lieber teure Kongresse an repräsentativen Orten, auf denen möglichst häufig „Inklusion“ gesagt wird. Sie finanziert außerdem eine Studie zum Wahlrechtsausschluss, die wir gar nicht brauchen. Wenn Sie wollten, dann könnten Sie selbstverständlich dafür sorgen, dass unabhängige Initiativen behinderter Menschen solider -finanziert werden. Von Beteiligung zu sprechen, ohne sich darum zu kümmern, die Möglichkeiten für Beteiligung zu verbessern, ist doppelzüngig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir unsere Gesellschaft inklusiv gestalten möchten, dann haben wir noch sehr viel vor uns. Das ist eine Menge Arbeit, bei der wir jede Unterstützung brauchen, die wir kriegen können. Es ist aber nicht in erster Linie Arbeit, und es ist nicht in erster Linie ein Haufen Probleme, ganz im Gegenteil: Es macht Spaß. Es ist eine spannende Herausforderung. Für viele Menschen ist es die Chance auf etwas Neues. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Eines ist ganz sicher: Es wäre leichter und ein noch größerer Spaß, und nicht zuletzt wären wir erfolgreicher, wenn sich auch die Bundesregierung entscheiden könnte, ihre Finanzen entsprechend zu ordnen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Jetzt hat der Kollege Ralf Kapschack das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ralf Kapschack (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Wir reden heute über viel Geld, über rund 120 Milliarden Euro – eine Summe, die man sich eigentlich gar nicht vorstellen kann. Aber es geht nicht um Zahlen, sondern um Politik und die Frage, was wir mit diesem Geld konkret machen, um den Alltag der Menschen in diesem Land zu verbessern; darum geht es. Darüber streiten wir sehr intensiv, und das ist auch gut so. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns keine Schaukämpfe, sondern klare Alternativen. Die sind jetzt auf den Tisch gekommen. Darüber streiten wir uns; das ist auch gut so. Aber die Bürgerinnen und Bürger erwarten kein Wünsch-dir-was. Ich will ein Beispiel nennen: Nach Jahren des Abbaus der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik stoppen wir jetzt den Trend und setzen Akzente. Deshalb, mit Verlaub, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, ist es schon ziemlicher Unsinn, wenn Sie in Ihrem Antrag behaupten, die Große Koalition führe die Politik der schwarz-gelben Vorgängerregierung fort. Die Ministerin hat schon etwas zur Finanzierung gesagt. Das brauche ich jetzt nicht zu wiederholen; Sie haben es ja auch aufgegriffen. Wir können darüber diskutieren, dass es immer gerne noch ein bisschen mehr sein könnte; kein Problem. Man kann auch immer darüber streiten, ob das Glas halb voll oder halb leer ist: Meins ist drei viertel voll. Wir haben es zum Beispiel hinbekommen, dass für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen mehr Geld zur Verfügung steht. Das kann man doch nicht ernsthaft bestreiten. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch Umschichtungen in der Verwaltung!) Bislang war es so, dass nicht verausgabte Mittel am Ende des Jahres in den allgemeinen Haushalt zurückgeflossen sind, Kollege Kurth. Diese Mittel waren für Projekte gegen Langzeitarbeitslose weg. Das haben wir geändert. Damit stehen zusätzliche Mittel zur Verfügung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist im Koalitionsvertrag so verabredet, und das machen wir jetzt auch – Schritt für Schritt. Zugegeben: Es könnte mehr sein. Auch ich könnte mir mehr vorstellen, aber mehr ist im Moment nicht drin. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Wer sagt das?) – Das ist unsere Einschätzung. Da sind wir unterschiedlicher Meinung. Das ist auch in Ordnung so. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie haben die Steuern an dieser Stelle nicht erhöht! Das ist das Problem!) – Gut, ich habe kein Problem mit Steuererhöhungen. Ich glaube, darüber haben wir ausreichend gesprochen. Wir haben einen Koalitionsvertrag; da gibt es Verabredungen. Daran halten wir uns; Punkt! Ich möchte etwas zum Thema Eingliederungsmittel sagen. Dass diese Mittel eben nicht mehr wie in der Vergangenheit zur Haushaltskonsolidierung genutzt werden, macht deutlich – bei aller Bescheidenheit möchte ich das doch sagen –, dass hier auf Initiative der SPD ein Umdenken stattgefunden hat. Das ist auch dringend notwendig. Es ist schon angesprochen worden: Die Zahl der Beschäftigten steigt, auch die der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Aber nur sehr wenige Langzeitarbeitslose profitieren davon. Das heißt, die, die übrig bleiben, haben so gut wie keine Chance mehr. Ich sage ihnen ganz offen: Wir als Sozialdemokraten wollen uns nicht damit abfinden, dass Hunderttausende in diesem Land keine Chance haben, einen Job zu bekommen. (Beifall bei der SPD) Ob das immer eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt sein muss, darüber kann man streiten. Ich bin froh, dass die Arbeitsministerin angekündigt hat, ab dem nächsten Jahr mit ESF-Mitteln ein neues Programm für 30 000 Langzeitarbeitslose ohne abgeschlossene Berufsausbildung aufzulegen. Anders als bei dem Vorgängerprogramm sollen diese Menschen länger, gezielter und intensiver betreut werden. Ich hoffe, dass dieses Programm gerade auch in den Regionen Früchte trägt, die von Langzeitarbeitslosigkeit besonders betroffen sind, wie dem Ruhrgebiet. Ich gehe einmal davon aus, dass das funktioniert. Um es klar zu sagen: Ich halte diesen Ansatz für einen Schritt in die richtige Richtung, aber er reicht auf Dauer nicht; das wissen wir alle. Es bleibt dabei – auch das sage ich Ihnen ganz offen –, dass die SPD weiterhin für einen öffentlich geförderten sozialen Arbeitsmarkt eintritt, (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) um auch denen eine Chance zu geben, für die der erste Arbeitsmarkt praktisch unerreichbar ist. Das ist in dieser Legislaturperiode schwierig, weil das der Koalitionsvertrag nicht hergibt. Das ändert aber nichts an der Richtigkeit des Ziels. Deshalb werden wir das weiterhin offensiv vertreten und dazu auch Ideen entwickeln. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Jetzt hat die Kollegin Astrid Freudenstein das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Astrid Freudenstein (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die Ministerin hat ihre Rede mit dem Verweis auf die Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft begonnen, das bietet sich bei Haushaltsdebatten an. Auch ich will das tun. Unser Tun dient nicht der Stunde, dem Tag oder diesem Jahr. Wir haben die Pflicht, in Generationen zu denken und unseren Kindern und Kindeskindern ein festes Fundament für eine glückliche Zukunft zu bauen. Dieses wirklich schöne Zitat stammt von Ludwig Erhard, dem Vater der sozialen Marktwirtschaft. Diese Worte gelten heute ebenso wie vor 50 Jahren, als sie der Bundeskanzler damals in seiner Regierungserklärung vorgetragen hat. Diese Worte haben selten eine solche Bedeutung wie bei Debatten um den Bundeshaushalt. Hier bedeutet „in Generationen zu denken“ nämlich tatsächlich: keine neuen Schulden zu machen, Schulden, die den nachfolgenden Generationen das Leben schwer machen. In diesem Jahr wäre Ludwig Erhard vermutlich ausgesprochen stolz auf uns, so stolz wie lange nicht mehr. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Nettoneuverschuldung in diesem Jahr ist die niedrigste seit 40 Jahren und wird im kommenden Haushaltsjahr auf null reduziert. Das ist ein großes Vorhaben der Großen Koalition, vermutlich unser wichtigstes Zukunftsprojekt. Dass dies zuletzt ebenfalls einer Großen Koalition gelungen ist, nämlich der unter Bundeskanzler Kiesinger 1969, sei in diesem Zusammenhang auch erwähnt. Den haushaltspolitischen Erfolg haben wir uns seit der Finanzkrise erarbeitet. Kaum ein anderes Land ist so gut aus der Krise herausgekommen wie wir in Deutschland. Von einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung begleitet, haben die unionsgeführten Bundesregierungen den manchmal harten, aber sehr konsequenten Konsolidierungskurs gehalten. Der Erfolg gibt uns recht. (Beifall bei der CDU/CSU) Doch auch der ausgeglichene Bundeshaushalt ist nur dann gut, wenn wir Fachpolitiker die vorhandenen Mittel effektiv und effizient einsetzen. Wir müssen das, was da ist, bestmöglich ausgeben. Der Einzelplan 11 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, um den es gerade geht, hat mit seinen geplanten Ausgaben von mehr als 122 Milliarden Euro einen Anteil von gut 40 Prozent am Gesamtetat. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die könnte man effizienter und effektiver einsetzen!) Wenn wir in diesem Bereich gut, effektiv und effizient wirtschaften, dann ist das ein Signal für den gesamten Haushalt. Der vorliegende Haushaltsplan ist dafür ein durchaus gutes Beispiel, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Begünstigt wird unsere Politik – auch das zu erwähnen, gehört zur Ehrlichkeit in der Debatte – von günstigen Rahmenbedingungen. Wir haben in unserem Land eine Rekordbeschäftigung, sinkende Arbeitslosenzahlen und daraus resultierend Rekordüberschüsse in den Kassen der Sozialversicherung. Aber auch das kommt nicht von ungefähr. In den vergangenen Jahren hat die Bundesregierung die Weichen mit einer klugen Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik entsprechend gestellt. Auch im vorliegenden Plan greifen wir an den notwendigen Stellen an und setzen die Mittel genau dort ein, wo sie gebraucht werden. Trotz der niedrigen Arbeitslosenzahlen bleibt zum Beispiel – das wurde schon erwähnt – die Zahl der langfristig Arbeitslosen hoch, zu hoch. Deshalb soll an der Höhe der Eingliederungsleistungen im SGB II festgehalten werden. Es werden sogar weitere 350 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. So können schwer zu vermittelnde Arbeitslose mit sehr individuellen Biografien besser betreut und vermittelt werden. Es ist richtig, dass die Bundesregierung, dass die zuständige Ministerin die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu einem Schwerpunkt machen will. Wir stehen bei diesem Thema zwar vergleichsweise gut da, doch Zeiten der Arbeitslosigkeit in jungen Jahren wirken sich ausgesprochen negativ auf den Rest der Erwerbsbiografie aus. Deshalb dürfen wir bei diesem Problem nicht lockerlassen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ein weiteres positives Beispiel aus dem Einzelplan ist die Aufstockung bei der Förderung der Inklusion von Menschen mit Behinderung. Hier sind Ausgaben in Höhe von mehr als 260 Millionen Euro geplant: so viel wie nie zuvor. Mit dem Bundesteilhabegesetz wird ein neues Kapitel der Behindertenpolitik aufgeschlagen. Auf dessen Konzeption muss nun unser Augenmerk liegen. Wir werden das mit Gründlichkeit und Verantwortungsbewusstsein tun. Ich möchte ausdrücklich davor warnen, sich darin zu übertreffen, nur immer mehr Geld zu fordern. Die Formel „Je mehr Geld, umso mehr Teilhabe“ ist zu einfach und wird der Aufgabe nicht gerecht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Mast [SPD]) Frau Rüffer, ich weiß nicht, was Sie damit bewirken wollen, die Beschäftigten in Werkstätten Sonderwelten zuzuordnen. Ich glaube nicht, dass das unserem gemeinsamen Projekt der Inklusion Vorschub leistet. (Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah! Das ist interessant! Dann haben wir ein unterschiedliches Projekt!) In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder über die Entlastung der Kommunen diskutiert. Ich möchte deshalb noch einmal hervorheben, dass der Bund ab diesem Jahr die Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung komplett übernimmt. Dadurch werden die Kommunen um fast 6 Milliarden Euro entlastet. Auch das ist ein wichtiger Schritt, der den Kommunen wieder mehr politischen Gestaltungsspielraum eröffnet und den sozialen Zusammenhalt in Deutschland stärkt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Besonders erfreulich ist auch, dass es in den parlamentarischen Beratungen noch gelungen ist, die Mittel für das Bundesprogramm „MobiPro“ zu erhöhen. Damit können wir unsere Zusagen einhalten. Das Programm bietet vielen Jugendlichen aus Europa wieder eine -Perspektive. Wir leisten damit ganz konkrete Hilfe für arbeitslose Jugendliche etwa aus Spanien und zeigen auch, wie attraktiv unser Land für junge Fachkräfte ist. Mit diesen Beispielen aus dem Einzelplan sind natürlich nur einzelne Punkte angesprochen. Noch einmal erwähnt sei die Mütterrente. Sie war für uns von der Union ein Herzensanliegen. Sie wird 9,5 Millionen Frauen in unserem Land helfen und ihre Erziehungsleistungen in besonderer Weise würdigen, und das ist gut so. (Beifall bei der CDU/CSU) In der kommenden Woche werden wir über eines unserer großen Projekte, das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie, in zweiter und dritter Lesung im Plenum -diskutieren. Mit diesem Gesetz wird es in Zukunft erleichtert, abgeschlossene Tarifverträge, die berechtigten öffentlichen Interessen dienen, für allgemeinverbindlich zu erklären. Das wird für mehr Ordnung auf dem deutschen Arbeitsmarkt sorgen. Auch der Mindestlohn steht auf unserer Agenda. Um es hier ganz deutlich zu sagen: Als christliche Partei liegt es in unserem ureigenen Interesse, dass Arbeit so entlohnt wird, dass der Arbeiter sein materielles, soziales und kulturelles Dasein angemessen gestalten kann, ohne auf Hilfe vom Staat angewiesen zu sein. Das steht völlig außer Diskussion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Es muss aber auch klar sein, dass politisches Handeln keine Arbeitsplätze vernichten darf. Nur eine gute Arbeitsmarktpolitik ist auch eine gute Sozialpolitik. Doch bei der ganzen Freude über die gute wirtschaftliche, arbeitsmarktpolitische und haushaltspolitische Situation dürfen die schwierigen Entwicklungen, die unseren Einzelplan beeinflussen, nicht vergessen werden. Unser Haushalt ist nicht nur der größte Einzeletat des Bundeshaushalts. Er ist auch der Haushalt, der am meisten vom demografischen Wandel betroffen ist. Wir sprechen im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel zumeist von Lösungen für die Mehrheit der vielen alten Menschen, die wir bald in Deutschland sein werden: von Barrierefreiheit, von Arbeitsplätzen für alte Menschen und von Pflegekräften. Wir dürfen dabei allerdings die Jungen nicht vergessen, die dann mit uns zusammenleben werden, die weniger werden und die wir mit unserer Politik nicht über Gebühr belasten dürfen. Der angepeilte ausgeglichene Bundeshaushalt für 2015 darf keine Ausnahme sein. Er muss für uns zur Regel werden. Dabei sind wirtschaftliche Vernunft und manchmal auch haushaltspolitische Bescheidenheit gefragt. Das ist genau das, was Ludwig Erhard in dem eingangs erwähnten Zitat meinte. Als Arbeitsmarkt- und Sozialpolitiker sind wir dabei besonders gefordert. In unseren Händen nämlich liegt das Werkzeug, um „unseren Kindern und Kindeskindern ein festes Fundament für eine glückliche Zukunft zu bauen“. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Jetzt hat die Kollegin Katja Mast das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Katja Mast (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen mit diesem Haushalt auf vorsorgende Arbeitsmarktpolitik und vorsorgende Sozialpolitik. Wir machen das in Europa genauso wie in Deutschland. Das will ich beispielhaft anhand der Jugendlichen deutlich machen. Viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner haben schon auf die Erfolge bei „MobiPro“ hingewiesen. Wir haben die Mittel dafür im Haushalt 2014 verdoppelt und werden sie bis 2018 verdreifachen. Es gibt valide Berechnungen, wonach wir noch mehr ausgeben können. Wir eröffnen so Chancen auf Ausbildung und Arbeitsmarktbeteiligung für die Jugend in Europa hier bei uns in Deutschland. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir setzen ferner in diesem Haushalt, aber auch mit unserer Politik in dieser Koalition auf vorsorgende Arbeitsmarktpolitik und Chancenpolitik für die Jugendlichen in Deutschland. Wir wollen die Teilzeitausbildung und die assistierte Ausbildung fördern. Wir wollen eine Kultur der zweiten Chance auf Ausbildung etablieren. Auch jemand, der zwischen 25 und 35 Jahre alt ist, soll eine zweite und manchmal sogar eine dritte Chance auf Ausbildung bekommen. Wir wissen genau, dass in diesem Bereich die Lebenschancen entschieden werden. Es ist klar: Wer eine abgeschlossene Ausbildung hat, dessen Risiko ist geringer, arbeitslos bzw. langzeitarbeitslos zu werden. Wir wollen, aufbauend auf vielen Vorbildern aus ganz Deutschland, insbesondere aus Hamburg, Jugendberufsagenturen etablieren. Wir setzen dabei auf die Zusammenarbeit von Jugendhilfe, Arbeitsvermittlung und Jobcentern. All das sind Punkte, bei denen die abstrakten Begriffe „vorsorgende Politik“ und „vorsorgende Arbeitsmarktpolitik“ für die Jugend in Deutschland, aber auch in Europa konkret werden. Wir sind mächtig stolz darauf, dass wir das in dieser Koalition mit unserer Ministerin und mit diesem Hause so umsetzen werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jetzt habe ich noch zweieinhalb Minuten Redezeit. Ich habe meine Rede auf zweieinhalb Minuten kondensiert, weil ich auf ein paar Punkte eingehen möchte, die hier in der Debatte genannt worden sind. Ich habe gehört: Ihr in der Koalition macht gar nichts zur Bekämpfung von Armut. Ich habe gehört: Ihr macht nichts, was die Kehrseite des Arbeitsmarkts betrifft. Die Arbeitsmarktzahlen sind gut, viele Menschen sind in Arbeit, viele in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung; aber Antworten, was die Kehrseite des Arbeitsmarkts betrifft, gibt es keine. – Das kann ich nicht unwidersprochen stehen lassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir kämpfen in dieser Koalition für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro in Ost und West, ohne Branchenausnahmen. Darüber werden wir in der nächsten Sitzungswoche diskutieren. Damit holen wir bis zu 5 Millionen Menschen aus der Erwerbsarmutsfalle heraus. Ich finde: Wenn das kein Programm zur Bekämpfung von Armut ist, dann weiß ich nicht, was ein Programm zur Bekämpfung von Armut in dieser Republik ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das gilt insbesondere dann, wenn man weiß, dass Kinderarmut von der Erwerbsarmut der Eltern abhängt. Auch das ist ein wichtiger Aspekt in dieser Debatte. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben in unserem Rentenpaket die Erwerbsminderungsrente verbessert. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wie viel im Durchschnitt netto?) Erwerbsminderungsrentner sind diejenigen, die heute von Altersarmut betroffen sind. Auch da tun wir etwas gegen Altersarmut, bzw. wir haben es schon getan, und zwar ganz konkret durch unsere Gesetzgebung. (Beifall bei der SPD) Wir werden die solidarische Lebensleistungsrente einführen. – Diese Regierung hat noch nicht einmal zwölf Monate hinter sich, und schon wird ihr vorgeworfen, sie würde nichts tun. Ich finde, das ist eine ganz ordentliche Bilanz für die ersten Monate dieser Koalition. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dann wird hier behauptet – da muss ich meinen Kolleginnen und Kollegen von den Gewerkschaften schützend zur Seite stehen –, es werde eine Rente ab 60 gefordert. Niemand in den Gewerkschaften hat eine Rente ab 60 gefordert. Das ist einfach Quatsch. In den Gewerkschaften gibt es eine berechtigte Debatte darüber, wie wir Flexibilität beim Übergang in die Rente organisieren können. Dazu gibt es ein Modell, das sich Teilrente nennt. Das wenden heute ungefähr 1 000 Menschen in der Republik an. Deshalb kennt man dieses Modell in der Regel nicht. Diese Teilrente ist starr, unflexibel und unattraktiv. Aber sie ist ein ideales Instrument, um in der Erwerbsphase weniger, dafür aber über das Rentenalter hinaus zu arbeiten, um insgesamt eine positive Rentenbilanz zu haben. Das ist das, was der DGB in die Debatte geworfen hat. Ich finde es unlauter, zu sagen, die Gewerkschaften forderten eine Rente ab 60. Das tut tatsächlich gar niemand. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich ärgere mich aber auch – das soll mein letzter Punkt sein, Frau Präsidentin – über manche Diskussionen über die Inklusion im Zusammenhang mit dem Teilhabegesetz. Es wird behauptet, dass wir Menschen mit Behinderung nicht an der Erarbeitung des Gesetzes beteiligen wollten. In unserem Koalitionsvertrag steht klar – Frau Ministerin Nahles hat das auch in unserem Ausschuss deutlich gemacht –, dass wir Zeit, Geduld und Muße für dieses große Vorhaben brauchen, weil wir die Menschen mit Behinderung beteiligen wollen. Deshalb wird das auch kein Schnellschuss; denn das ist ein tiefgreifendes Reformprojekt. Nichts ohne uns, sondern mit uns – das ist unser Grundsatz. Den setzen wir auch zusammen um. Im Übrigen werden wir uns an die Finanzierungszusagen halten, die wir in diesem Zusammenhang im Koalitionsvertrag gemacht haben. Wichtig ist, dass wir das Bundesteilhabegesetz nur mit den Menschen und den Betroffenen ändern und nicht ohne sie, schon gar nicht gegen sie; denn wir wollen die Inklusion in Deutschland für alle Menschen erreichen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als letzter Redner in dieser Debatte hat jetzt der Kollege Mark Helfrich das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Mark Helfrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Debatte über den Einzelplan 11 zeigt eines ganz deutlich: Wir reden über sehr viel Geld. Der Einzelplan 11 stellt auch in diesem Jahr den mit Abstand höchstdotierten Einzelplan im Bundeshaushalt dar, und das, obwohl wir die 34,2 Milliarden Euro in Summe, die die Linken in ihren Änderungsanträgen zusätzlich fordern, ablehnen werden. Die Bewilligung der geforderten Mittel entspräche sportlichen 28 Prozent on top eines bereits sehr großen Einzeletats. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das entspricht den Kürzungen aus 2010!) Das Mantra – keine Steuererhöhungen, keine neue Verschuldung –, das Sie, Kollege Birkwald, vorhin hier vorgetragen haben, stand Ihnen, wie ich finde, sehr gut. Wir alle wissen, dass Wiederholung auch eine Lernmethode ist. Insofern wünsche ich Ihnen viel Erfolg, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) und es bleibt Hoffnung für die nächsten Haushaltsberatungen. Mit der Höhe des Etats wächst zugleich unsere Verantwortung dafür, dass die zur Verfügung stehenden Mittel effektiv und effizient eingesetzt werden. Sie sollen den Menschen zugutekommen, aber auch ihr arbeitspolitisches Ziel nicht verfehlen; denn das macht eine erfolgreiche Arbeits- und Sozialpolitik aus. Damit diese Politik zukunftsfähig ist, braucht sie eine solide finanzielle Basis und gute wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Die haben wir in Deutschland in den letzten Jahren dank einer an Wachstumszielen orientierten und auf sparsames Haushalten ausgerichteten Politik erreicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ziehen wir zunächst einmal Bilanz, und zwar eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Wir haben in Deutschland so viel Beschäftigung wie seit den Wirtschaftswunderjahren nicht mehr. Wir haben seit zwei Jahren konstant die geringste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, und wir haben Rekordüberschüsse in der Sozialversicherung. Das sind gute und nachhaltige Entwicklungen. Wir haben die höchste Erwerbstätigenquote, die es in dieser Republik jemals gab. Im Übrigen haben wir auch – das zeigen die neusten Analysen des IAB – einen starken Anstieg des Pro-Kopf-Arbeitsvolumens zu verzeichnen. Was heißt das? Das heißt, dass der Trend zu immer mehr Teilzeit- und Minijobs gebrochen ist. Auch das ist eine gute Nachricht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) So viele Menschen wie nie sind in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, und der Anteil der über 55-Jährigen an der Gesamtzahl der beschäftigten Erwerbstätigen liegt bei 61,5 Prozent. Selbst bei den über 60-Jährigen sind es noch über 46 Prozent. Diese Zahlen zeigen, dass in den Unternehmen unseres Landes ein Umdenken begonnen hat: Immer mehr Firmen sehen ältere Mitarbeiter als Gewinn. Angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Land, der steigenden Anzahl von Schul- und Bildungsgescheiterten und des damit einhergehenden Fachkräftemangels wird qualifizierte Arbeit immer knapper. Das wird ein Riesenthema für uns. Insofern werden ältere Mitarbeiter immer wichtiger, immer wertvoller. Sie werden einen immer höheren Stellenwert in den Firmen bekommen. Das ist auch gut so; denn sie verfügen über großes Wissen und zum Teil über jahrzehntelange Erfahrung. Sie sind ein unschätzbares Kapital für unser gesamtes Land. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Genau deshalb ist richtig, was wir mit der Anhebung des Rehadeckels und der Anpassung der Rehaleistungen an die demografische Entwicklung angestoßen haben. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir sind auch international gut aufgestellt, was die Quote der älteren Erwerbstätigen angeht. Das EU-2020-Ziel, dass 60 Prozent der 55- bis unter 65-Jährigen erwerbstätig sind, haben wir bereits erreicht. Lediglich Schweden macht es derzeit noch besser. Ich bin mir sicher, dass, wenn wir unsere Bemühungen hier verstärken, am Ende doch noch etwas geht und wir an dieser Stelle noch besser werden können. Eine altersgerechte Arbeitswelt zu schaffen, um Fachkräfte für unsere Volkswirtschaft zu sichern, und den Menschen eine auskömmliche Rente zu ermöglichen, das sind zwei gleichberechtigte Ziele. Sie müssen zentrale Ziele unserer Arbeits- und Sozialpolitik sein und bleiben. Nur dann wird es uns gelingen, den Wohlstand in unserem Land dauerhaft zu sichern. Ich freue mich sehr, dass wir uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen, sondern auch ins europäische Ausland schauen. Mit dem Programm MobiPro-EU ist eine Möglichkeit gegeben, zum einen Probleme, die andere EU-Mitgliedsländer haben, zu lindern und zum anderen Fachkräfte für Deutschland zu gewinnen. Es ist uns gelungen, im Laufe des Haushaltsverfahrens annähernd eine Verdreifachung der Mittel auf jetzt 96,1 Millionen Euro hinzubekommen. Ich weiß, dass das in den Reihen der Opposition kritisch gesehen wird in dem Sinne, dass es zu wenig sei. Ich möchte an der Stelle sagen: Es war nie als ein Regelinstrument der Arbeitsmarktförderung gedacht, sondern immer als ein Sonderprogramm. Natürlich ist es so, dass wir das nur in dem Umfang machen können, wie wir auch Mittel im Bundeshaushalt zur Verfügung stellen können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: So ist es! Es hat alles Grenzen!) Die Hoffnung ist, dass wir hiermit etwas anschieben, das dann von alleine laufen lernt. Wenn Unternehmen merken, wie gut das funktioniert, dann werden sie ihre Bemühungen intensivieren. Eine Förderung aller jungen Menschen, die in Europa auf der Suche nach einer qualifizierten Ausbildung sind, werden wir mit MobiPro-EU nie erreichen können; das zu sagen, gehört zur Ehrlichkeit der Diskussion dazu. Ich will nicht nur in die europäische Ferne schweifen, wenn ich über das Thema Fachkräftemangel rede, sondern natürlich auch an diejenigen Menschen denken, die bereits hier sind und die durch schwierige Situationen im Leben nicht im Arbeitsmarkt verankert sind. Es gilt, unser Augenmerk auf diese Menschen zu richten. Wir wollen alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den Fachkräftemangel auch aus den eigenen Reihen zu decken. Das sind Jobchancen für langzeitarbeitslose Menschen in unserem Land. Wir haben heute 670 000 Langzeitarbeitslose weniger als 2007. Das ist ein Rückgang um 39 Prozent. Auch das ist eine Zahl, die ich beeindruckend finde. Es sind aber immer noch über 1 Million Menschen, über 1 Million Schicksale. Dies zu ändern, daran arbeiten wir, und daran müssen wir in Zukunft verstärkt arbeiten. Wir müssen denen, die arbeitslos sind, durch Weiterbildung und Qualifizierung helfen, damit sie den Sprung in eine Beschäftigung schaffen, die dauerhaft und existenzsichernd ist. Das ist das Ziel. Deshalb senken wir trotz rückläufiger Arbeitslosenzahlen nicht die Mittel für Betreuung und Vermittlung von Menschen, die Arbeit suchen; nein, wir stellen in dieser Legislaturperiode den Jobcentern viermal 350 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. Wer sich dessen bewusst ist, dass es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Rechtsvereinfachung im SGB II“ gibt, dem bleibt zumindest die Hoffnung, dass zukünftig mehr Geld für die eigentliche Aufgabe zur Verfügung steht und weniger Geld für Verwaltung draufgeht. Das ist auch noch etwas, von dem ich glaube, dass dadurch die Vermittlungsarbeit in den Jobcentern gestärkt wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Unser Ziel ist und bleibt es, die Langzeitarbeitslosigkeit abzubauen und Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. In diesem Zusammenhang möchte ich gern noch auf das Sonderprogramm des Bundes „Perspektive 50plus“ mit derzeit 78 regionalen Beschäftigungspakten für ältere Langzeitarbeitslose über 50 verweisen. Mit diesem Programm soll die Beschäftigungsfähigkeit älterer Menschen verbessert werden, um ihre Chancen auf Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen. Die hier erzielten Erfolge sprechen für sich. 930 000 langzeitarbeitslose Menschen wurden von den Maßnahmen erreicht, und knapp 330 000 sind in den allgemeinen Arbeitsmarkt zurückgekehrt. Das ist eine ganz positive Bilanz. Meine Damen und Herren, das alles zeigt, dass wir es mit dem Prinzip „Fördern und Fordern“ ernst meinen. Es zeigt, dass wir den Menschen wirklich eine Chance geben, auf den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren. Die Arbeitsmarktdaten sind Beweis dafür, dass das Prinzip „Fördern und Fordern“, auf dem gute Arbeitsmarktpolitik aufgebaut ist, richtig und wichtig ist. In der letzten Sitzungswoche haben wir hier über einen Antrag der Linken debattiert, mit dem sie die Abschaffung der Sanktionsmöglichkeiten bei Hartz IV und damit quasi ein bedingungsloses Grundeinkommen für diesen Personenkreis gefordert haben. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, kein bedingungsloses Grundeinkommen! Herr Kollege, das war etwas anderes!) – Für diesen Personenkreis! Meine Damen und Herren, Solidarität ist keine Einbahnstraße. Das ist hier gesagt worden, und es bleibt dabei. Es gehört zu einer verantwortungsvollen Arbeits- und Sozialpolitik – und im Übrigen auch zur Haushaltspolitik –, wenn der Staat einfordert, dass Menschen, die arbeiten können und denen Arbeit angeboten wird, diese dann auch annehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich bin im Übrigen davon überzeugt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter sehr verantwortungsvoll mit dem Instrumentarium der Sanktionen umgehen und dass wir ihnen sehr dankbar sein können für diese gute Arbeitsmarktbilanz, die wir in Deutschland verzeichnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ihnen bin ich sehr dankbar für die Aufmerksamkeit und dafür, dass Sie mir eine Minute länger zugehört haben, als eigentlich geplant war. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Um präzise zu sein: Es waren anderthalb Minuten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Ich komme nächst zur Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1826. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Das ist die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Das sind alle anderen Fraktionen. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist dieser Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Ich lasse über den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1827 abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Das ist die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Das sind alle anderen Fraktionen. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist dieser Änderungsantrag gegen die Stimmen der Linken mit den Stimmen des Rests des Hauses abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 11 in der Ausschussfassung? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die Linke. Wer enthält sich? – Niemand. Damit ist der Einzelplan 11 in der Ausschussfassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tagesordnungspunkt II.12 auf: Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksachen 18/1019, 18/1023 Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Volkmar Klein, Sonja Steffen, Michael Leutert und Anja Hajduk. Zu den Beschlussempfehlungen liegen ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden wir später namentlich abstimmen. Darüber hinaus hat die Fraktion Die Linke zwei Entschließungsanträge eingebracht, über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Niema Movassat das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Niema Movassat (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein japanisches Sprichwort besagt: Der Scherz ist das Loch, aus dem die Wahrheit pfeift. – Herr Minister Müller, aus dem Loch haben Sie letzte Woche laut gepfiffen. Was war passiert? Sie sind mit der kompletten Spitze Ihres Ministeriums zur Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, GIZ, nach Eschborn gereist. Danach haben Sie gewitzelt – ich zitiere –: Das ist wie beim Staatsbesuch eines Staatschefs eines Entwicklungslandes. Er muss alle mitnehmen, damit er wieder zurückkehren kann und nicht geputscht wird. (Dr. Gerd Müller, Bundesminister: Es sind heute auch alle bei der Debatte dabei!) Hoppla, was ist Ihnen denn da herausgerutscht? Sie suggerieren damit, dass alle Entwicklungsländer Bananenrepubliken sind, in denen ständig Staatsstreiche stattfinden. Das ist, was man dem entnehmen kann. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie sind noch nicht lange in der Politik! Sonst wüssten Sie, dass man manchmal auch Ironie anwendet! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Auch wenn Sie jetzt sagen, das sei nur ein Scherz – das hat Herr Brüderle damals auch gesagt –: Manche Scherze sagen einiges über die Denkweise aus. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ihr Scherz zeigt: Sie meinen es nicht ernst mit der Entwicklungspolitik auf Augenhöhe, von der Sie gerne reden. Solche Äußerungen sind eines Entwicklungsministers unwürdig. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Sie bringen sonst immer wohlformulierte Worte, denen man kaum widersprechen kann; aber diese Kommunikationsstrategie hat nun zu bröckeln angefangen. Taten folgen den schönen Worten meistens nicht. Sie sagen zum Beispiel, dass Sie soziale und ökologische Mindeststandards für deutsche Unternehmen im Ausland wollen. Das klingt super; denn es muss Schluss damit sein, dass deutsche Unternehmen im Ausland Menschen- und Arbeitsrechte verletzen, zum Beispiel im Textilsektor. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Gerd Müller, Bundesminister: Genau!) Nur werden es die Konzerne nicht freiwillig machen; das haben sie nie getan. Die Profitmaximierung hatte für sie immer Vorrang vor Menschenrechten. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sie haben ein eigenartiges Verständnis von Unternehmern!) Wer will, dass mit Dumpinglöhnen in Bangladesch und Co. und einstürzenden Fabriken, die Menschen unter sich begraben, Schluss ist, der muss in Deutschland verbindliche gesetzliche Regelungen auf den Weg bringen. (Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ein menschenverachtendes Bild vom Unternehmer!) Leere Versprechen erleben wir auch beim Haushalt. 1970 wurde international vereinbart, dass die Industriestaaten mindestens 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit aufwenden sollen. Herr Müller, Sie haben sich zu diesem Ziel bekannt, und auch die Kanzlerin tut das immer wieder. (Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Wir alle!) Aber 44 Jahre später legt diese Regierung einen Haushalt mit einer kläglichen Quote von 0,38 Prozent vor. Der vorliegende Entwicklungshaushalt ist erneut Betrug an den ärmsten Menschen auf der Welt. (Beifall bei der LINKEN) Großbritannien, Schweden, Norwegen, Dänemark und Luxemburg haben die Marke von 0,7 Prozent längst überschritten. Das müssen wir doch auch schaffen können. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Für die SPD ist dieser Haushalt ein Offenbarungseid. In der Opposition haben Sie lautstark nach mehr Entwicklungsgeldern gerufen. Davon ist nichts geblieben. Sie sind als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Es wäre schön, wenn ihr nicht immer nur Opposition machen würdet, sondern auch mal selber etwas tätet!) Entwicklungszusammenarbeit ist übrigens keine noble Geste. Entwicklungszusammenarbeit ist nach jahrhundertelanger kolonialer Ausbeutung eine historische Verpflichtung. (Johannes Selle [CDU/CSU]: Was? Das ist Mitmenschlichkeit!) Sie ist Kompensation für den Klimawandel, dessen Hauptverursacher wir sind. Sie ist Wiedergutmachung für die Zerstörung von lokalen Märkten durch unfaire und ausbeuterische internationale Handelsbeziehungen. Deshalb brauchen wir endlich mehr Geld für Entwicklungspolitik. (Beifall bei der LINKEN) Aber nicht nur das; es kommt auch auf die richtige Verwendung an. Auch hier enttäuscht der Budgetentwurf Ihres Ministeriums. Nehmen wir zum Beispiel die Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“. Ich finde es richtig, wenn Sie sagen: „Afrika kann sich selbst ernähren“, und: „Wir müssen die kleinbäuerliche Landwirtschaft stärken“. Allerdings setzen Sie in der Praxis vor allem auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen wie Bayer, BASF oder Metro. Unter dem Deckmantel der Hungerbekämpfung fördern Sie so die Expansionsbestrebungen von deutschen Unternehmen auf afrikanischen Märkten. Weder stärken Sie damit Kleinbauern noch die Unabhängigkeit der afrikanischen Landwirtschaft. Eine Welt ohne Hunger werden Sie damit schon gar nicht schaffen. Wir als Linke sagen: Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne! (Beifall bei der LINKEN) Wie widersprüchlich Ihre Hungerbekämpfungspolitik ist, zeigt sich am Beispiel Land Grabbing. Es gibt die Freiwilligen Leitlinien für Landnutzung. Diese sollen Landraub verhindern. Auf internationaler Ebene setzt sich die Regierung für die Umsetzung der Leitlinien ein. Bei Unternehmen, die zu 100 Prozent in deutscher Staatshand sind, nimmt es die Bundesregierung aber nicht so genau, etwa bei der DEG, der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, die mit ihren Finanzierungen Land Grabbing gefördert hat. Ich habe deswegen eine Anfrage an Ihr Ministerium gestellt, ob die DEG die Leitlinien anwendet. Die lapidare Antwort ist, dass Ihr Ministerium darüber keine Informationen besitzt, und das, obwohl Sie den Aufsichtsratsvorsitz stellen. Ihr Einsatz ist nicht ernst zu nehmen, wenn Sie nicht einmal bei Ihren eigenen Unternehmen die Leitlinien durchsetzen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Kommen wir zur nächsten leeren Ankündigung. Herr Müller, Sie haben letzte Woche gesagt, dass Friedensarbeit, Versöhnungsarbeit und Krisenprävention gestärkt werden müssen. Es ist ja schön, dass Sie das sagen; aber unter Ihrer Kanzlerin ist Deutschland drittgrößter Waffenexporteur der Welt geworden. Das ist die Friedenspolitik Ihrer Regierung. Echte Friedenspolitik heißt: Stopp von Waffenexporten! (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie konsequent sein wollen, müssen Sie zudem den Kooperationsvertrag zwischen der Bundeswehr und der GIZ kündigen; denn zivile Hilfe und Militär gehören nicht zusammen. Deshalb sollten Entwicklungsgelder auch nicht für zivil-militärische Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Diese Verquickung – wie in Afghanistan – gefährdet Entwicklungshelfer, und damit muss Schluss sein. (Beifall bei der LINKEN) Im Koalitionsvertrag haben Sie in Aussicht gestellt, mehr Geld für multilaterale Projekte auszugeben, also für internationale Organisationen – das begrüßt die Linke –; aber im vorliegenden Haushalt spiegelt sich das nicht wider. Konsequent wäre, den Vereinten Nationen endlich deutlich mehr Geld zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei der LINKEN) Das wäre besonders im Gesundheitsbereich wichtig; denn der zweitgrößte Geldgeber der UN-Weltgesundheitsorganisation ist mittlerweile die private Stiftung von Bill Gates. Gesundheit ist aber eine öffentliche Aufgabe, über die wir die demokratische Kontrolle auf keinen Fall weiter verlieren dürfen. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage Ihnen: Wir können die globalen Probleme nur international lösen. Zivile Hilfe und Solidarität, das wäre eine echte Wahrnehmung internationaler Verantwortung, statt der ständige Ruf nach mehr Militäreinsätzen. Herr Müller, in den ersten Monaten Ihrer Amtszeit haben Sie durch schöne Worte viele überzeugt. Ich hoffe, im Budgetentwurf für 2015 lassen Sie Ihren Worten auch endlich Taten folgen. Wenn Sie hingegen Ihre Politik der leeren Versprechungen fortführen, müssen Sie zwar keinen Putsch befürchten, aber Ihre Glaubwürdigkeit werden Sie damit verlieren. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Volkmar Klein hat als nächster Redner das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Volkmar Klein (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war eben, wie erwartet, eine typische Oppositionsrede. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee, nee, nee! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Linksparteirede!) Mehr für einen guten Zweck ausgeben: Wer würde das nicht wollen? (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie!) Das als Opposition zu fordern, ist ja auch einfach; (Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das kann jeder!) denn eine Umsetzung ist nicht geplant, da man keine Verantwortung trägt. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein sehr billiges Argument! Das ist eine Regierungsrede!) Bei der allgemeinen Diskussion heute Morgen haben wir aus ähnlich großer oppositioneller Freiheit heraus bereits die Forderung gehört, die Verschuldung schneller zu senken und die Steuersätze vorsichtiger anzusetzen. Im Grunde ist das wie links und rechts gleichzeitig blinken. Das ist dann wie eine Warnblinkanlage, die auf einen Problemfall, meist verbunden mit Fahruntüchtigkeit, hinweist. Genau das scheint mir hier der Fall zu sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ha, ha, ha!) Das kann man von der Großen Koalition nicht sagen. Wir sind unterwegs, und wir sind gut unterwegs. Wir sind auf dem richtigen Weg. Das dokumentiert der Haushalt in doppelter Art und Weise. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zum einen geben wir sehr viel Geld für Entwicklungszusammenarbeit aus. Der Ansatz steigt gegenüber dem Vorjahr um 2,3 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro, obwohl der Gesamthaushalt um 1,8 Prozent auf unter 300 Milliarden Euro sinkt. Das stärkt das komparative Gewicht der Entwicklungszusammenarbeit und unterstreicht, welch große Bedeutung wir diesem Bereich beimessen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zum anderen ist es wichtig, für die Nachhaltigkeit unserer Haushalte zu sorgen und Haushaltskonsolidierung zu betreiben. Das ist nicht nur ethisch, sondern auch im Interesse der Stabilität geboten. Das ist aber auch Voraussetzung dafür, in Zukunft leistungsfähig zu sein, also stark genug zu sein, um Hilfe leisten zu können. Deswegen ist es auch für den Haushalt für den Bereich Entwicklungszusammenarbeit so wichtig, dass wir kein strukturelles Defizit mehr haben und in absehbarer Zeit überhaupt keine Schulden mehr machen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen auch in Zukunft leistungsfähig sein, auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Das wollen wir nicht nur sein, sondern das müssen wir sogar sein; denn wir dokumentieren das ausdrücklich als Selbstverpflichtung. Insgesamt haben wir inzwischen, wie aus dem Haushaltsentwurf für alle sichtbar hervorgeht, rund 30 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen für Entwicklungszusammenarbeit, für Technische Zusammenarbeit, für Finanzielle Zusammenarbeit, für die gesamte bilaterale Zusammenarbeit, auch durch Kirchen und Private, aber auch Entwicklungsbanken und multinationale Fonds samt dem Globalen Fonds eingestellt. In diesem Jahr wurden davon 8 Milliarden Euro zusätzlich ausgebracht. Mit unserem Beschluss werden sie als Verpflichtungsermächtigungen hinzukommen. In der Summe sind das dann 30 Milliarden Euro. Damit verpflichten wir uns als Parlament, entsprechende Mittel in künftige Haushalte einzustellen. Damit ermöglichen wir es der Regierung schon heute, verbindliche Zusagen für mehrjährige Programme zu machen. Genau das ist wichtig. Kontinuität ist wichtig. (Beifall bei der CDU/CSU) Geld wird auf jeden Fall gebraucht – keine Frage –; aber wir bieten mehr als Geld. Darauf zu schauen, ist, glaube ich, mindestens genauso wichtig. Wir bieten Expertise. Deutsche Expertise in Entwicklungszusammenarbeitsfragen wird geschätzt, auch von anderen Geldgebern, die beispielsweise die GEZ beauftragen. An dieser Stelle muss man ein bisschen aufpassen, dass die GEZ-Preise nicht höher als die Qualität werden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Ein berechtigter Beifall. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Trilaterale Projekte der KfW unterstreichen ebenfalls, wie sehr unsere Expertise geschätzt wird. Wir bieten aber nicht nur Expertise, sondern wir bieten auch Vielfalt, und zwar jenseits staatlicher Entwicklungszusammenarbeit. Wir beauftragen mit dem Geld des Steuerzahlers auch Private, Kirchen und Stiftungen. Diesen Ansatz haben wir im Rahmen der Haushaltsberatungen gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsentwurf der Regierung im Übrigen noch einmal gestärkt. In vielen Entwicklungsländern ist ja gerade der Staat das Problem und nicht Teil der Lösung. Deswegen ist es wichtig, dass wir den Bereich der internationalen Zusammenarbeit mit Regionen noch einmal stärken. Das bietet nämlich unseren Entwicklungszusammenarbeitsinstitutionen die Chance, jenseits von völkerrechtlichen Verträgen mit diesen Regionen zusammenzuarbeiten. Wir sind aber auch Katalysator. Deswegen haben wir den Ansatz für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft erhöht. Beratungsleistungen der DEG, der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, von rund 20 Millionen Euro werden aus diesem Titel finanziert. Das bedeutet Investitionen, das bedeutet Arbeitsplätze, und das bedeutet am Ende mehr Steuerzahler in den entsprechenden Ländern, die ihrerseits in der Lage sind, die notwendige Infrastruktur zu bezahlen. Ganz abgesehen davon sind steuerzahlende Bürgerinnen und Bürger auch viel selbstbewusster gegenüber ihren oft schlechten Regierungen. Sie haben viel mehr Kraft, gute Politik einzufordern und den Einsatz der oft erheblichen nationalen Mittel zu kontrollieren. Eine starke Bürgergesellschaft, das muss unser Beitrag sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Axel Schäfer [Bochum] [SPD]) Lassen Sie mich noch kurz zwei inhaltliche Punkte ansprechen: Der Bereich der politischen Schwerpunkte – „Eine Welt ohne Hunger“, „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“, „Stabilisierung in Nordafrika und dem Nahen Osten“ – ist, glaube ich, mit 160 Millionen Euro, die wir für dieses Jahr plus Verpflichtungsermächtigungen eingestellt haben, ein ganz wichtiger Punkt. Einerseits dienen wir damit den Menschen. Das hilft uns aber auch mit Blick auf unsere Interessen; denn Sicherheit und sich langfristig entwickelnde Länder, die dann auch wirtschaftlich für uns interessanter sind, das ist auch in unserem Interesse. Das ist nicht nur ein ethisches Gebot, sondern für alle gut. Das wird im Moment natürlich stark überschattet von den dramatischen Herausforderungen, die wir gegenwärtig in Syrien und im Irak, in der Nahostregion insgesamt erleben. Deswegen ist es gut, dass wir durch all diese Instrumente aktuell Spielraum haben. Der Minister hat angekündigt, dort 50 Millionen Euro zusätzlich einzusetzen, um etwas zu bewegen. Wenn man aber die Dimension des Problems sieht, ist unsere Leistungsfähigkeit – das betrifft auch die 50 Millionen Euro – sicher begrenzt. Deswegen stellt sich schon die Frage, ob wir auf europäischer Ebene nicht viel lauter eine konzertierte Aktion einfordern müssen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Europäische Union hat ganz andere Möglichkeiten, einmal im Bereich der eigenen Mittel, aber auch im Bereich des Europäischen Entwicklungsfonds, in den wir auch in diesem Jahr wieder 670 Millionen Euro einzahlen und der bekanntermaßen Abflussprobleme hat. Was hindert die Europäische Union daran, 1 Milliarde Euro in die Hand zu nehmen, um genau das zu tun, was unser Minister – dabei geht es um die Richtung, in der wir uns bewegen sollten – bereits angezeigt hat? Das sollte honoriert werden, und es sollte in dieser Richtung etwas bewegt werden. Das wäre eine gute Förderung. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich komme zu einem weiteren inhaltlichen Punkt, dem Green Climate Fund. Bei der ersten Beratung hier war das alles noch viel weniger absehbar. In der Zwischenzeit haben sich die Dinge konkretisiert. Deswegen ist es auch richtig, 750 Millionen Euro Verpflichtungsermächtigungen in den Haushalt einzustellen, um sie gegebenenfalls einzubringen. Ich sage „gegebenenfalls“, weil wir natürlich ein Interesse daran haben, das im Gleichschritt mit anderen zu tun. Deswegen sollten wir diese Position ziemlich genau beobachten. Wir sind aber in der Lage, zu handeln, und 750 Millionen Euro sind ein Wort. Insgesamt geht es darum, genauer hinzuschauen, wo Geld ausgegeben wird. In den letzten Wochen ist das Buch Poor Economics der französischen Autorin Esther Duflo und des indischen Autors Abhijit V. Banerjee erschienen. Das hat mir gezeigt: Es kommt eben nicht darauf an, wie viel Geld insgesamt irgendwo hineingepumpt wird, sondern darauf, dass es an der richtigen Stelle ausgegeben wird. Deswegen ist es völliger Unfug, die Qualität der Entwicklungszusammenarbeit immer nur an der Menge des hineingepumpten Geldes zu bemessen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir brauchen sich selbst tragende Strukturen und Länder, in denen immer mehr Menschen zu Arbeitnehmern bzw. Steuerzahlern werden, damit sie in der Lage sind, ihre Aufgaben selber in die Hand zu nehmen. Dafür bietet dieser Haushalt, glaube ich, eine gute Voraussetzung. Vor allen Dingen hat Minister Müller damit eine hervorragende Grundlage, seine ausgesprochen gute und anerkannte Arbeit fortzusetzen. Dafür alles Gute und viel Erfolg in unserem gemeinsamen Sinne. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Jetzt hat die Kollegin Anja Hajduk das Wort. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine werten Kollegen! Lieber Herr Klein, ich kann es Ihnen nicht so durchgehen lassen – das will ich auch nicht im Sinne der Sache, über die wir hier reden –, dass Sie hier die Behauptung aufstellen, dieser Haushalt sei im Vergleich zu anderen Haushalten, auch von seiner Ausstattung her, gut aufgestellt. Das ist schlicht und ergreifend falsch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will das ganz kurz belegen. Es ist ein Etat, der lediglich durch eine Verschiebung des Titels „Internationaler Klimaschutz“ aus dem EKF überhaupt wächst. Sonst würde er um sage und schreibe gerade einmal 0,1 Prozent wachsen. Im Übrigen ist er einer von fünf Etats, die die Große Koalition während der Haushaltsberatungen gekürzt hat. Er wurde, insgesamt gesehen, nur um eine kleine Summe – 203 000 Euro – gekürzt. (Zuruf des Abg. Volkmar Klein [CDU/CSU]) – Das haben Sie gar nicht gemerkt, Herr Klein. Wir haben es einmal überprüft. Als zweiten Punkt möchte ich – das ist mir auch noch wichtig – feststellen, dass die Dinge, die Sie gerade in Bezug auf die Stärkung von Titeln beschrieben haben, letztendlich Anträge aus der Koalition betreffen, die ich höchstens als Trostpflaster bezeichnen möchte. Das ist ein Nullsummenspiel. Sie kürzen 40 Millionen Euro bei der bilateralen Technischen Zusammenarbeit und verteilen sie lediglich neu, um einige Akteure ein bisschen zu beruhigen. Das nennt man Beruhigungspille oder Ablenkungsmanöver. Es hilft aber nicht in der Summe. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Der dritte Punkt ist mir von der Dimension der politischen Botschaft her wichtig. Die ersten beiden Punkte will ich gar nicht so hochhängen; es sind nur kleine Belege. Der dritte Punkt ist, dass dieser Etat der Rolle und der Verantwortung Deutschlands in der Welt nicht gerecht wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Die dramatische Aussage ist, dass wir einen Etat für das Jahr 2014 und eine Finanzplanung für das Jahr 2015 vorlegen, bei denen völlig in den Sternen steht, wann Deutschland die Zusage, eine ODA-Quote von 0,7 Prozent des BIP zu erreichen, einlösen will. Das steht völlig in den Sternen. Es ist eine Nullaussage. Genau genommen ist es eine Absage der deutschen Regierung an dieses internationale Ziel. Das ist die schlechte Botschaft, die diesem Etat innewohnt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Hajduk, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Klein zu? Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das muss ich wohl. Volkmar Klein (CDU/CSU): Frau Kollegin Hajduk, Sie wissen, dass in allen Einzelplänen die Ansätze für Öffentlichkeitsarbeit der Ministerien gekürzt wurden, also auch in diesem Einzelplan. Der Umstand, dass die Regierung weniger Mittel für Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung hat, wird normalerweise von der Opposition begrüßt. Zweitens. Der beschriebene Umstand, dass sich Geld aus dem EKF im Einzelplan 23 findet, stimmt. Umgekehrt darf dann aber nicht vergessen werden – das ist nachlesbar auf Seite 54 dieses Einzelplans –: 127 Millionen Euro, die zufällig im letzten Jahr aus Goldverkäufen und Abführungen an den Internationalen Währungsfonds im Haushalt standen, stehen nun zusätzlich für Entwicklungshilfe zur Verfügung. Das heißt, eigentlich können beide Positionen – deswegen habe ich sie eben nicht erwähnt – gestrichen werden, und man kann bei dieser deutlichen Steigerung von 2,3 Prozent bleiben. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Werter Herr Kollege, zu den Streichungen: Wenn Sie die Mittel des Ministers für Öffentlichkeitsarbeit kürzen, dann versperren wir uns dem nicht grundsätzlich. Ich wollte nur deutlich machen: Bei anderen Etats haben Sie es dann aber an anderer Stelle kompensiert. Das haben Sie beim Einzelplan 23 noch nicht einmal in dieser kleinen Größenordnung geschafft. Deswegen bleibe ich dabei: Ihre Ausführungen zum Einzelplan 23 sind mit großen Worten versehen, aber mit wenigen Zahlen unterlegt. Wir bleiben bei unserer Analyse, dass es eine Verschiebung ist und dieser Etat nicht ausreichend wächst. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Volkmar Klein [CDU/CSU] meldet sich erneut zur einer Zwischenfrage) – Ich möchte meine Rede jetzt fortsetzen. Ich habe schon deutlich gemacht – ich möchte nicht, dass dieser Punkt zu kurz kommt –: Der Minister weiß, dass es für ihn auf internationalem Parkett schwierig ist. Es reicht nicht aus, die sogenannte Niebel-Delle auszugleichen. Bei der Niebel-Delle trägt im Übrigen auch die CDU/CSU Verantwortung. Sie haben diese Delle mit verursacht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie dürfen sich jetzt nicht dafür auf die Schulter klopfen, dass Sie diese gerade einmal ausgleichen. Sie haben die Öffentlichkeit glauben machen wollen, dass Sie die Mittel im Entwicklungsbereich um 2 Milliarden Euro erhöhen. Der Minister hat es eingeräumt: Ja, es ist ein Fortschritt, aber nur ein Erkenntnisfortschritt. Es sind ja nur 1,5 Milliarden Euro. Ein materieller Fortschritt steht aus. Ich muss ganz deutlich sagen: Liebe SPD, es geht nicht, dass Sie sich in der Großen Koalition zurücklehnen. Sie haben bei den letzten Haushaltsberatungen in diesem Hause namentlich mit 137 Abgeordneten dafür gestimmt, dass ein Weg aufgezeigt werden muss, wie Deutschland die ODA-Quote erfüllt. Was jetzt bei diesem Einzelplan herauskommt, ist eine gnadenlos große Enttäuschung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Sie müssen nachlegen. Nächste Woche steht der Kabinettsbeschluss zum Haushalt 2015 an. Dann muss der Minister liefern. Da müssen Sie liefern. So geht es nicht weiter. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir reden hier nicht von Theorie. Die Grünen haben vorgelegt, wie man gegenfinanziert den Weg zur Erreichung der ODA-Quote bestreiten kann. Wir legen Haushaltsverbesserungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro vor; unsere Vorschläge sind gegenfinanziert. Ich muss noch einmal in aller Härte an die Kollegen von der SPD sagen: Ihr haushaltspolitischer Sprecher Johannes Kahrs hat uns gestern angegriffen, wir würden ein kleines Karo zeichnen, wenn wir uns darüber aufregten, ob 800 Millionen Euro als Steuermehreinnahmen richtig veranschlagt sind oder nicht. Wenn wir 1,3 Milliarden Euro mehr für den Einzelplan 23 zur Verfügung stellen könnten mit der festen Aussicht darauf, dass Deutschland die ODA-Quote erreicht, dann ist das kein kleines Karo, sondern eine Aussage mit großer Wirkung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn Sie selber noch nicht einmal kleine Karos können, wie wollen Sie sich dann überhaupt an solchen internationalen Zielen messen? Da müssen Sie in sich gehen und liefern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte noch ein Wort zum internationalen Klimaschutz sagen. Deutschland hat im Zusammenhang mit der globalen Klimaerwärmung neben der ODA-Quote eine zweite messbare, wichtige und große internationale Verantwortung wahrzunehmen. Wir stehen im Wort, was die auf dem Klimagipfel in Kopenhagen 2009 selbst gegebene Zusage angeht, dass Deutschland dabei ist, wenn ab 2020  100 Milliarden Euro für die internationale Klimafinanzierung zur Verfügung gestellt werden. Deutschland trägt daran einen Anteil von 10 Prozent. Wenn man grob kalkuliert, dass sich private und öffentliche Hand die Beiträge teilen, was ich richtig finde, dann müssen wir unsere Beiträge bis zum Ende dieses Jahrzehnts verdoppeln. Jetzt liegen sie bei 1,8 Milliarden Euro. Wir müssen aber mindestens an 4 Milliarden, wenn nicht an 5 Milliarden Euro herankommen. Dafür, Herr Minister, müssen Sie einen glaubwürdigen Aufwuchspfad beschreiben. Das können Sie auch zusammen mit der Kollegin Hendricks tun; das ist an beide Häuser gerichtet. Es kann aber nicht die Antwort sein, dass Frau Merkel ihre Teilnahme am New Yorker Ban-Ki-moon-Gipfel absagt und nicht dorthin fährt. Deutschland muss seine internationalen Versprechen halten. Deswegen ist es falsch, dass Sie Mittel beim internationalen Umweltschutz gekürzt haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen hier 500 Millionen Euro draufpacken. Nehmen Sie sich ein Beispiel daran. Wenn Sie es diese Woche nicht schaffen, haben Sie nächste Woche im Kabinett die Gelegenheit dazu. Wir werden Sie daran messen. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Jetzt hat die Kollegin Bärbel Kofler das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Bärbel Kofler (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn Sie, Frau Kollegin Hajduk, sie als Bagatellen abgetan haben, möchte ich zu Beginn auf einige Punkte hinweisen, die wir Fachpolitiker uns sehr wohl überlegt haben, auch wenn sich die Aufwüchse im Millionenbereich bewegen, es manchmal um 5 Millionen Euro und manchmal um 10 Millionen Euro geht. Außerdem haben wir perspektivisch für die nächsten Jahre Verpflichtungsermächtigungen eingestellt, also Planungssicherheit für die Institutionen hergestellt; darauf möchte ich schon hinweisen. Es geht mir um ein paar Dinge, zum Beispiel um den Zivilen Friedensdienst. Er ist für uns ein ganz wichtiges Projekt und nicht zur Beruhigung gedacht. Die Mittelaufwüchse inklusive der Verpflichtungsermächtigungen sollen – das ist mit den Organisationen so besprochen – einen ordentlichen Aufbau an Expertise und Personal ermöglichen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich finde eines besonders wichtig – ich unterstreiche das am Beispiel des Zivilen Friedensdienstes –: Hier geht es um zivile Krisenprävention und um Konfliktbearbeitung. Es muss uns gelingen, für einen Aufwuchs an Personal zu sorgen. Der Zivile Friedensdienst sagt ja selbst, dass er bei einem Mittelaufwuchs wie dem, den wir beschreiben, mehr Personal in fragile Staaten entsenden und dort zur Konfliktbearbeitung beitragen könnte. Das ist nicht zur Beruhigung gedacht und wird nicht nebenbei gemacht, sondern ist ein ganz wichtiger und entscheidender Punkt. Ähnliches gilt für die Stiftungen. Wir haben hier schon oft darüber diskutiert, welch herausragendes Instrument sie für uns in Deutschland im Hinblick auf die internationale Politik sind. Ich finde es richtig, dass wir den Baransatz für die Stiftungen um 5 Millionen Euro, die Verpflichtungsermächtigungen aber um 40 Millionen Euro erhöhen. Damit eröffnen wir eine Perspektive für die Zukunft, die ich für richtig halte, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) um Demokratisierungs- und Friedensinitiativen und die Entwicklungsförderung voranzutreiben. Ähnliches gilt – das ist von allen Vorrednern schon erwähnt worden – für den Green Climate Fund. Es war nicht selbstverständlich, dass wir die 750 Millionen Euro jetzt in unserem Haushalt haben. Ich finde es richtig, dass das BMUB und das BMZ gemeinsam die Verantwortung für diese Mittel übernehmen. Auch das ist nicht etwa Makulatur. Wir wissen ganz genau, dass es dabei um Anpassungsmaßnahmen geht; Barbara Hendricks, die Umweltministerin, sagte das ganz deutlich. Es geht um die Länder, die am stärksten vom -Klimawandel betroffen sind, aber die geringsten Möglichkeiten haben, sich zu schützen oder eigene klimapolitische Entwicklungen voranzutreiben. Diese Mittel gehören eingestellt. Selbstverständlich – zu diesem Punkt stehe ich und zu diesem Punkt kommen wir in den nächsten Haushaltsberatungen auch noch – kann das nur der erste Schritt sein; das muss man an dieser Stelle deutlich machen. Wir wissen, welche großen Herausforderungen wir mit der Langfristfinanzierung in Kopenhagen zugesagt haben und wie groß der deutsche Anteil in den nächsten Jahren ungefähr sein wird: 8 Milliarden Euro. Hier haben wir große Herausforderungen vor uns. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hajduk zu? Dr. Bärbel Kofler (SPD): Sicher. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kollegin, ich möchte Sie fragen: Stimmen Sie mir denn zu, dass dieser Antrag, jetzt eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 750 Millionen Euro in den Haushalt aufzunehmen, letztlich nichts anderes ist als die Bereinigung einer Lücke, die wir schon gemeinsam in der ersten Lesung festgestellt haben? Sie ist nötig, damit Deutschland sich – ich würde es mal so beschreiben – auf dem Ban-Ki-moon-Gipfel im Herbst nicht blamiert, wo wir mit leeren Händen dagestanden hätten. Das ist im Grunde nichts anderes als die Bereinigung einer Lücke; schließlich war diese Verpflichtungsermächtigung schon im letzten Etat von Schwarz-Gelb vorgesehen. Das war eine Pflichtaufgabe, würde ich einmal sagen. Ich würde Sie fragen, ob Sie dem zustimmen – vielleicht mit einer etwas anderen Rhetorik. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Über die Rhetorik können wir immer streiten. – Aber ich bin selbstverständlich der Meinung, dass es eine Pflichtaufgabe Deutschlands ist, ordentlich Mittel für den internationalen Klimaschutz einzustellen. Wenn man im ersten Haushaltsentwurf eine Lücke feststellt, ist es doch prima, wenn man bereit ist, an dieser Lücke zu arbeiten und eine Veränderung vorzunehmen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das gilt im Übrigen auch – zu diesen Punkten möchte ich dann auch noch kommen – für eine ganze Menge anderer internationaler Verpflichtungen. Wir haben hier schon über den Globalen Fonds gesprochen. Ich finde es gut, dass wir den Ansatz für die Barmittel im Vergleich zum Haushaltsansatz 2013 um 45 Millionen Euro erhöht haben. Aber ich sage auch – das wissen wir alle, die wir hier sitzen –: Das reicht nicht. Gerade der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria hat Millionen Menschen das Leben gerettet, Millionen HIV-Infizierten, Millionen Tuberkuloseerkrankten. Greifen wir im Bereich der Malariaprophylaxe Tansania heraus: Mittlerweile können 65 Prozent der Kinder dort unter einem Moskitonetz schlafen. Die Kindersterblichkeit ist um 45 Prozent zurückgegangen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich erwähne das auch deshalb, weil das ein Beispiel dafür ist, dass wir, was die Verpflichtungsermächtigungen für den Globalen Fonds anbelangen, noch einiges zu tun haben; das möchte ich in diesem Hause ganz deutlich unterstreichen. Die Wiederauffüllungskonferenz für diesen Fonds steht im Juni 2016 an. Es ist dringend nötig, darzustellen, wie wir uns den Pfad für den deutschen Anteil in Zukunft vorstellen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich sage ganz deutlich – man kann das auch mit Zahlen untermauern –: Bei den Verpflichtungsermächtigungen müssen mindestens 750 Millionen Euro für drei Jahre eingestellt werden. Ich halte das für essenziell. Wir haben noch viel zu tun, auch in anderen internationalen Bereichen: Ich erwähne die Impfkampagne GAVI, für die im Februar des nächsten Jahres eine Wiederauffüllungskampagne ansteht. Auch hierfür werden wir Verpflichtungsermächtigungen einstellen müssen, wenn wir beim Schutz von Menschen in Entwicklungsländern durch Gesundheitsprävention ordentlich vorankommen wollen. Das werden Summen sein, die sich in der Größenordnung von 250 Millionen Euro bewegen; das muss man an dieser Stelle deutlich aussprechen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]) Das gilt für die nächsten Haushalte. Ähnliches wird auf uns bei der Globalen Bildungskampagne, der Partnerschaft für Bildung, zukommen. Wir wissen: Es ist in den letzten Jahren viel in Grundbildung investiert worden, sowohl seitens der internationalen Gemeinschaft als auch seitens der Entwicklungsländer selbst; es ist viel erreicht worden. Aber wir wissen, dass große Summen nötig sind, um die Bildung qualitativ voranzubringen und den Menschen wirklich dauerhaft Zugang zu guter Bildung zu verschaffen. Wir -wissen, wir werden auch hier Verpflichtungsermächtigungen in dreistelliger Millionenhöhe brauchen; das muss man an dieser Stelle aussprechen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dagmar G. Wöhrl [CDU/CSU]) Ich nenne diese Zahlen auch deshalb so deutlich, weil ich die Hoffnung habe, dass es dem BMZ gelingt, das Finanzministerium – leider ist vom Finanzministerium keiner da, wenn es ums Geld geht; schade! – (Zuruf von der CDU/CSU: Kommt doch! – Parl. Staatssekretär Steffen Kampeter nimmt auf der Regierungsbank Platz und entgegnet: Unterschätzen Sie mich nicht!) zu überzeugen, dass Investitionen in diese Bereiche Investitionen in die Zukunft sind, die mittelfristig auch Gelder sparen werden, auch für Deutschland. Es ist auch ökonomisch sinnvoll, in den Klimaschutz, in die Gesundheitsvorsorge und in die Bildung zu investieren, und ich hoffe, dass das BMZ diese Erkenntnis dem Finanzministerium für den Haushalt 2015 nahebringen kann. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU]) Einen Schmerz – es ist vielleicht nur ein kleiner Schmerz – verspüre ich bei diesem Haushalt schon. Ich finde es sehr schade, dass es nicht gelungen ist, dem Antrag Folge zu leisten, den wir als Fachpolitiker zum Thema „Deutsches Institut für Entwicklungspolitik“ fraktionsübergreifend eingebracht haben. Ich hoffe, hier gibt es in der nächsten Zeit noch eine konstruktive Lösung. Worum geht es? Es geht um geringe Summen und um die Verstetigung der Entwicklungsforschung in Deutschland. Für die, die es nicht wissen: Mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik haben wir eines der weltweit führenden Institute in diesem Bereich. Wenn man sich das Global Think Tank Ranking anschaut, dann sieht man, dass es auf dem Gebiet der Entwicklungsforschung zu den fünf führenden Instituten in Europa und zu den sieben führenden Instituten weltweit gehört. Ich glaube, das ist ein Bereich, den wir stützend voranbringen und weiter fördern sollten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woran scheitert es?) Weil wir über den Haushalt reden, was immer die Gelegenheit ist, auch noch ein paar andere Akzente zum Thema Entwicklungspolitik einzubringen, möchte ich schon auch noch einmal auf eine für mich große Herausforderung der Entwicklungspolitik in der nächsten Zeit eingehen. Eine der größten Herausforderungen ist es, für menschenwürdiges Leben und Arbeiten in der gesamten Welt Beiträge zu leisten. Worum geht es? Es geht darum – die ILO nennt erschreckende Zahlen; das muss man sich wirklich immer vor Augen halten –, dass rund 21 Millionen Menschen – das ist eine Zahl der ILO – unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten. Ich muss an dieser Stelle auch sagen: Für menschenwürdige Arbeitsbedingungen brauchen wir verbindliche Regeln in der einen Welt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Freiwillige Selbstverpflichtungen, so schön sie von dem einen oder anderen auch sein sollen und so schön sie von der einen oder anderen Institution auch gemeint sind, reichen hier nicht aus. Sie verbessern die Arbeitsbedingungen der Menschen nicht. Sie schaffen keine neuen Fluchtwege und Sanitäranlagen und sorgen nicht für Lärm- und Gesundheitsschutzmaßnahmen am Arbeitsplatz. Das erreichen wir nicht durch freiwillige Regelungen. Sie tragen auch nicht dazu bei, dass die Menschen ausreichende Einkommen erwirtschaften können, von denen sie sich selbst ernähren und zum Beispiel einen Beitrag für die Ausbildung ihrer Kinder in der Zukunft leisten können. Hier brauchen wir verpflichtende Standards und verpflichtende Regeln. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Die Entwicklungspolitik hat die Aufgabe, international Anstöße zu geben. Man kann sehr wohl mit Partnern auch einmal über das dortige Arbeitsrecht sprechen. Aber auch wir müssen über unsere nationalen Regelungen und darüber nachdenken, wie wir sie verändern müssen. Ich nenne einmal ein paar Beispiele: Für die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte braucht man einen Nationalen Aktionsplan. Wir brauchen eine EU-Richtlinie zu den Konfliktmineralien, um hier für verbindliche Regeln zu sorgen. Die sozialen Sicherheitssysteme müssen weltweit vorangebracht werden; denn wer krank ist und durch seine Krankheit seine Arbeit verliert und mittellos wird, kann sich nicht nachhaltig selbst aus der Armut befreien. Schließlich geht es auch darum, Ressourcen in den Entwicklungsländern selbst zu gewinnen und die finanziellen Ressourcen der Entwicklungsländer zu stärken und zu verbessern. Hierbei geht es um das Steuersystem in diesen Ländern. Dazu kann man sehr viel beitragen – auch im Rahmen der Entwicklungspolitik –: durch Beratung, Unterstützung und Know-how. Wir müssen aber auch die Frage stellen, wie zum Beispiel Transparenz bei Rohstoffentnahmen hergestellt werden kann, damit die Unternehmen – auch deutsche –, die in Entwicklungsländern tätig sind, ihre Gewinne ordentlich versteuern und die abgeführten Gelder in die Systeme der dortigen Länder eingespeist werden können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das zeigt: Es gibt eine Reihe von Herausforderungen, die wir sicher nicht nur alleine im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bewältigen können. Hier sind auch die Außenpolitik, die Umweltpolitik, die Energiepolitik, die Wirtschaftspolitik, die Rechtspolitik und zum Teil auch die Forschungspolitik gefragt. Ich glaube aber, die Entwicklungspolitik hat hier die Aufgabe, der Motor zu sein und dafür zu sorgen, dass sich die internationale Zusammenarbeit an den Zielen der Armutsbekämpfung und der nachhaltigen Entwicklung orientiert. Danke. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Jetzt hat die Kollegin Sibylle Pfeiffer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Wir schauen heute gemeinsam auf den Einzelplan 23 des vorliegenden Haushalts. Und was sehen wir? Die Mittel im Haushalt des BMZ wurden nicht zurückgefahren, der Haushalt bleibt stabil. Ich finde, auch das kann man einmal so sagen. Es ist auch ein Bekenntnis Deutschlands, zu seinen Verpflichtungen gegenüber den Schwellen- und Entwicklungsländern zu stehen und seine Verantwortung in der Welt wahrzunehmen. Der Haushaltstitel des BMZ ist im Übrigen der zehntgrößte und insgesamt immerhin der zweitgrößte Investitionshaushalt. Auch darüber können wir ruhig einmal -reden; das ist eine tolle Leistung. Das ist nämlich keine Selbstverständlichkeit. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass 2005 dem Haushalt für Entwicklungszusammenarbeit noch nicht einmal 4 Milliarden Euro zur Verfügung standen. Heute beläuft er sich auf knapp 6,5 Milliarden Euro. Das ist eine Steigerung von etwa 50 Prozent. Es gibt nur einen einzigen Haushalt in der Bundesrepublik Deutschland, der einen größeren Aufwuchs hat: Das ist der Haushalt des Ministeriums für Bildung und Forschung. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist wahr!) In beiden Fällen bin ich der Meinung, dass das Geld hervorragend angelegt ist. Die Anlagen sind auf Nachhaltigkeit, auf Entwicklung und in unserem Fall auch auf internationale Zusammenarbeit ausgerichtet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Was sehen wir noch, wenn wir uns diesen Haushalt anschauen? Wir sehen zum Beispiel drei Sonderinitiativen unseres Ministers, die sich zusammen auf insgesamt 160 Millionen Euro Barmittel belaufen. Die erste Initiative „Eine Welt ohne Hunger“, liebe Freunde, bedeutet, Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung mehr denn je in den Mittelpunkt zu rücken. Das brauchen wir angesichts der großen Anzahl von hungernden Menschen, nämlich über 1 Milliarde. Deshalb ist es richtig, darauf den Schwerpunkt zu legen, Herr Minister. Die zweite Initiative „Fluchtursachen bekämpfen“ widmet sich den Maßnahmen für Flüchtlinge einerseits sowie den Auswirkungen in den Aufnahmeländern oder -regionen andererseits. Dabei stehen natürlich die Konflikte, wie zurzeit in Syrien, in der Zentralafrikanischen Republik, in Mali, im Südsudan, im Fokus. Die humanitären Katastrophen in diesem Zusammenhang sind -unzählig. Ich bin froh, dass Volkmar Klein schon etwas dazu gesagt hat. Wir wollen mit Unterstützung des Ministers versuchen, hier die Europäische Union einzubeziehen. Ich glaube, das ist dringend notwendig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die dritte Sonderinitiative „Nordafrika und Naher -Osten“ deckt alle Maßnahmen ab, die zur Stabilisierung dieser Region beitragen. Diese Region betrifft uns, und zwar direkt und unmittelbar. Deshalb sind Maßnahmen zur Demokratisierung, zur Krisenprävention, zur Konfliktprävention, zur Stärkung der zivilgesellschaftlichen Strukturen – Maßnahmen, die in unserem ureigenen Interesse liegen – wichtig. Ich finde es gut, dass wir diese Maßnahmen ergreifen. Wir helfen vor allen Dingen den Menschen vor Ort. Das ist das Wichtigste, was wir -machen können. Das sind die drei Sonderinitiativen des Ministers. Der Minister hat hervorragende Prioritäten gesetzt. Vielen Dank und Anerkennung dafür, lieber Gerd Müller, das ist wirklich eine tolle Leistung. Aber auch wir Abgeordneten waren nicht untätig. Wir haben unsere eigenen Prioritäten gesetzt. Aber vielleicht darf ich an dieser Stelle einen weiteren Dank aussprechen, einen Dank an dich, liebe Bärbel Kofler, für die vertrauensvolle und unkomplizierte Zusammenarbeit. Ich danke ausnahmsweise auch einmal den Haushältern. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das will etwas heißen!) Das gelingt mir nicht immer. Es ist definitiv das erste Mal, lieber Norbert Barthle, lieber Volkmar Klein, liebe Frau Steffen, dass es uns mit eurer Unterstützung gelungen ist, dass vor allem die parlamentarischen Initiativen fast eins zu eins übernommen wurden. Darauf sind wir als Entwicklungspolitiker ganz besonders stolz. Wir -haben auch lange darauf hingearbeitet; das gebe ich zu, das war auch nicht immer ganz einfach. Aber das ist unsere Art, sicherzustellen, dass die Themen auf unserer Prioritätenliste umgesetzt werden, zum Beispiel das Thema Klima- und Ressourcenschutz, das Thema Gesundheit in den Entwicklungsländern, das Thema Unterstützung des Green Climate Fund, das Thema gute -Regierungsführung, aber vor allen Dingen auch das Thema Stärkung der Zivilgesellschaft; das ist für die Union ein Herzensanliegen. Deshalb sind wir immer wieder froh über die gute Zusammenarbeit mit den Kirchen und den Stiftungen vor Ort. Das sind Kontakte, Möglichkeiten, Beziehungen und damit verbundene -Erkenntnisse, die wir nicht missen wollen. Das ist für unsere Zusammenarbeit richtig und gut, und wir können uns darauf verlassen. Deshalb sind die Mittel dafür gut angelegtes Geld. Das Bekenntnis zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft ist mir persönlich auch ein Anliegen. Es gibt keinen Grund, mit Scheuklappen und Schaum vor dem Mund daranzugehen. Es geht um die Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, und das ist wichtig. Denn wir müssen die wirtschaftliche Zusammenarbeit stärken. Wir müssen die kleinen und mittelständischen Unternehmen in den Entwicklungsländern stärken. Sie müssen anfangen, ihre eigene Wirtschaftsfähigkeit, Überlebensfähigkeit und Lebensfähigkeit für die Zukunft für sich und ihre Kinder zu entwickeln. (Beifall des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU]) – Soll ich kurz unterbrechen? Wollt ihr klatschen? (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Charles M. Huber [CDU/CSU]: Das ist so spannend!) Ich will so viel sagen. Deshalb muss ich mich schon wieder beeilen. Das ist doch furchtbar. Auch die Kooperation mit der Wirtschaft trägt dazu bei, dass wir peu à peu über das 0,7-Prozent-Ziel reden können. Jawohl, liebe Frau Hajduk – sie hört gerade nicht zu –, (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir hören schon zu!) auch ich habe die Erklärung unterschrieben. Nicht unterschrieben habe ich erstens, dass es sofort passieren muss. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2015! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Bis 2015!) Ich habe zweitens nicht unterschrieben, dass ich es unter Missachtung sämtlicher haushalterischer Notwendigkeiten machen will. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen es nicht unter Missachtung machen!) Ich habe zum Dritten nicht unterschrieben, dass ich es unter Missachtung jeglicher gesamtpolitischer Verantwortung mache, die ich für mich sehr wohl sehe. Ich bin zwar Entwicklungspolitikerin, aber ich habe auch eine Verantwortung für die Gesamtpolitik. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich auch!) Jetzt kommen wir nämlich zu den Milliardenbeträgen, die wir dafür brauchen, liebe Freunde. Das sage ich mit Blick auf die Anträge. Ich komme zuerst zu der Linksfraktion. Ich habe einmal nachgerechnet. Im Ausschuss haben Sie uns 5 Milliarden Euro vorgelegt. Na prima, das ist eine stolze Summe. Das kann man schon machen. Jetzt ist es nur noch 1 Milliarde Euro an Barmitteln ohne jegliche Gegenfinanzierung. (Widerspruch der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]) Natürlich habe ich von den lieben Kollegen von den Linken nicht sehr viel mehr erwartet. Meine Erwartungen waren nicht sehr hoch. Aber bezeichnend ist für mich, dass der Kollege Movassat bis zum heutigen Tag von Entwicklungshilfe spricht. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Ich habe von Entwicklungszusammenarbeit gesprochen! Wann habe ich denn von Entwicklungshilfe gesprochen? Das stimmt doch gar nicht, was Sie sagen!) Lieber Kollege, darüber sind wir zum Glück schon sehr, sehr lange hinaus. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Was wir machen, ist Entwicklungszusammenarbeit. Wir machen eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Wir arbeiten mit den Partnerländern zusammen, zielgerichtet und in Absprache mit ihnen. Das Thema Entwicklungshilfe, lieber Freund, haben wir schon lange, lange hinter uns. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb konnte ich von dem, was Sie uns an Anträgen vorgelegt haben, auch nicht enttäuscht sein. Die Enttäuschung über die Grünen war extrem viel größer, um ehrlich zu sein. Natürlich kann man die Haushaltsmittel um 800 Millionen Euro anheben. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegenfinanziert!) – Barmittel, nicht gegenfinanziert und schon gar nicht mit entsprechenden Verpflichtungsermächtigungen auf Nachhaltigkeit angelegt. In dem Zusammenhang ist nichts vorgesehen. Aber machen wir uns nichts vor: Es passt nicht zusammen. Wir haben nicht die entwicklungspolitischen Strukturen, durch die wir in der Lage wären, in einem halben Jahr, wohlgemerkt, diese Menge an Geld zu -verteilen. Das hat weder mit Nachhaltigkeit noch mit Verantwortung zu tun. Ich glaube, es ist keine gute Idee, das so zu machen, wie Sie es vorschlagen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können nicht einfach falsche Behauptungen aufstellen! Lesen Sie sich mal unseren Antrag durch!) Ich finde es wunderbar und prima, dass wir genau darüber namentlich abstimmen. Denn Ihnen fehlt für meine Begriffe die Ernsthaftigkeit. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, Frau Pfeiffer!) Insofern bin ich auch froh, dass wir diese Änderungsanträge ganz seriös mit Nein bescheiden. Denn ich glaube, das nehmen Ihnen auch Ihre Kooperationspartner nicht ab. Das alles kann man definitiv unter dem Stichwort Schaufensteranträge sehen. Es nimmt Ihnen keiner ab. Es tut mir nur leid; denn es fehlt Ihnen die entsprechende Seriosität. Mir fehlt in dem Zusammenhang schlicht und einfach Ihre gesamtpolitische Verantwortung, die Sie schließlich haben. In der Rede Ihres Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter hörte es sich plötzlich ganz anders an, als es darum ging, wie ein Haushalt aussieht und wie finanzielle Mittel eingesetzt werden. Das ist leider nicht konsistent. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig frech!) Ich glaube, dass wir einen hervorragenden Haushalt vorgelegt haben. Wir wissen, dass wir die 1,5 Milliarden Euro, die in den nächsten drei Jahren noch zu verteilen sind, sinnvoll, effektiv und effizient einsetzen. Wir haben mit unserem Herrn Minister einen hervorragenden Verwalter dieser Mittel. Ich glaube, dass wir uns in der Entwicklungszusammenarbeit nicht zu verstecken brauchen, weder national noch international. Es ist ein toller Haushalt. Viel Erfolg bei der künftigen Arbeit, lieber Gerd Müller! Unsere Unterstützung hast du; das ist ganz klar. Wir freuen uns auf weitere erfolgreiche Jahre. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Kollegin Pfeiffer, ich finde Ihr Urteil sehr heftig, insbesondere weil ich feststellen muss, dass Sie sich über die von uns beantragten Haushaltsänderungen nicht sehr kundig gemacht haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte das in aller Ruhe noch einmal deutlich sagen: Wir finanzieren selbstverständlich einen Aufwuchs in Höhe von 1,3 Milliarden Euro zugunsten der ODA-Quote nicht im eigenen Etat gegen. Das würde zugunsten der ODA-Quote auch gar nicht so gut aufgehen, nur als kleine Nebenbemerkung. Wenn wir aber schon eine Prioritätenverschiebung zugunsten der globalen Entwicklungszusammenarbeit und des internationalen -Klimaschutzes vornehmen, dann betrifft das den Haushalt des BMZ und den Haushalt des AA, insbesondere im Hinblick auf die sehr wichtigen Herausforderungen der dramatischen Flüchtlingsentwicklung und des internationalen Klimaschutzes; das habe ich sogar in meiner Rede erwähnt. Alle diese zusätzlichen Ausgaben sind unserem Anspruch gemäß gegenfinanziert. Wir haben die Kürzung vieler Ausgaben für umweltschädliche Subventionen beantragt. Sie können inhaltlich dagegen sein. Aber bitte stellen Sie hier nicht die Behauptung auf, dass es uns -dabei an Ernsthaftigkeit mangelt. Wir halten mit 6,5 Milliarden Euro die gleiche Nettokreditaufnahme als Zielsetzung aufrecht. Argumentieren Sie inhaltlich dagegen, aber sprechen Sie uns nicht die finanzielle Solidität ab. Das wäre ein bisschen billig. Machen Sie sich die Mühe, sich unsere Vorschläge zu vergegenwärtigen. Ich lade Sie dazu ein. Über unsere Anträge wird erst am kommenden Freitag abgestimmt. Vielleicht geben sie Ihnen einen kleinen Ruck im Hinblick auf den Einfluss, den Sie in Ihrer Fraktion noch ausüben können. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin Pfeiffer. Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Hajduk, ich nehme das jetzt schlicht und ergreifend zur Kenntnis. Ich habe sehr wohl das Gefühl, dass es sich bei Ihren Vorschlägen um Schaufensteranträge handelt; denn sonst hätten Sie nicht namentliche Abstimmung zu diesem Haushalt beantragen dürfen. Denn das heißt: Wir wollen es in diesem Haushalt, und deshalb stimmen wir über den Einzelplan 23 in diesem Zusammenhang ab. – Wenn Sie uns aufgefordert hätten, uns die anderen Haushalte anzuschauen, dann wäre das in Ordnung gewesen. Aber dann hätten Sie keine namentliche Abstimmung verlangen dürfen. Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Michael Leutert, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Michael Leutert (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte es heute eigentlich etwas ruhiger angehen lassen. Aber hier wird ja richtig scharf geschossen. Frau Kollegin Hajduk, was mich bei Ihrem Redebeitrag etwas -geärgert hat, ist Folgendes: Als 2000 die ODA-Ziele verbindlich festgelegt wurden, haben Sie regiert. Wir haben als PDS schon damals die Forderung und entsprechende Anträge gestellt, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen. Aber 2005, also am Ende der Zeit Ihrer rot-grünen Regierung, lag die ODA-Quote bei nur 0,3 Prozent. Das ist einfach Fakt. (Beifall bei der LINKEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht gut! Das haben wir auch gesagt!) – Exakt, das ist nicht gut. Nun möchte ich doch versuchen, es etwas gemütlicher angehen zu lassen. Herr Minister, bestimmt können Sie es nicht mehr hören, aber bei Ihrem Vor- und Nachnamen drängt sich angesichts der laufenden Fußballweltmeisterschaft – die deutsche Nationalelf spielt morgen wieder – ein Vergleich auf. Auch Thomas Müller ist nicht schlecht und hat bislang schon drei Tore bei der Fußballweltmeisterschaft geschossen. Das haben Sie auf dem politischen Spielfeld leider noch nicht geschafft. Trotzdem muss ich sagen: Sie spielen schon souverän und gut, aber eher als Abwehrspieler. Wenn Sie auch ein Tor schießen wollen, müssen Sie Stürmer werden, möglichst links außen. (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN) Was ich damit sagen will, Herr Minister: Es wurde hier viel kritisiert, aber es gibt natürlich auch Dinge, die wir als Linke begrüßen, weil sie gut laufen. Vielleicht bin ich jetzt wegen der Politik Ihres Amtsvorgängers etwas verwöhnt. Richtig ist, dass Sie inhaltliche Schwerpunkte gebildet haben, zum Beispiel mit den Initiativen „Fluchtursachen bekämpfen“, „Eine Welt ohne Hunger“ oder „Stabilisierung und Entwicklung in Nordafrika und Nahost“. Diese inhaltliche Ausrichtung findet sich folgerichtig auch im Etat wieder. Auch wurde das Ministerium strukturell verändert und an diese Aufgaben angepasst. Strukturelle Fehler des Amtsvorgängers sind korrigiert worden. Die Instrumente der Entwicklungs-politik – das haben Sie zumindest angekündigt – sollen evaluiert und verbessert werden. Die öffentlichen Statements, die Sie abgeben, finden auch auf unserer Seite durchaus Zustimmung. Nur einmal eine Kostprobe: Als Sie in Nigeria waren, haben Sie gesagt: „Armut und Pers-pektivlosigkeit sind der Nährboden für Terror und Unruhen.“ Genau das ist die richtige Analyse. Jetzt muss danach gehandelt werden. (Beifall bei der LINKEN) Nun müssen, wie gesagt, die Ergebnisse kommen. Die Tore müssen jetzt wirklich fallen, und die Ergebnisse müssen die sein, dass in den definierten Zielländern bei den jeweiligen Schwerpunkten wirkliche und nachhaltige Fortschritte erzielt werden. Die Frage ist also: Wird es gelingen, in Nigeria Strukturen aufzubauen, die es wirklich ermöglichen, im landwirtschaftlichen Bereich mit Kleinbauern eine nachhaltige Versorgung sicherzustellen? Wird es in den nächsten Jahren gelingen, in Mali Strukturen aufzubauen, die eine gesicherte Trinkwasserversorgung der Bevölkerung garantieren? Wird es gelingen, in Indien Klimaschutzprojekte zu installieren, die garantieren, dass die Bevölkerung eine Energieversorgung hat, die ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist? Das klingt alles so einfach, aber das sind Mammutaufgaben. Da setzt auch unsere prinzipielle Kritik an. Die ist jetzt schon mehrfach heftig geäußert worden. Ich befürchte einfach, dass Sie für diese Aufgaben zu wenig Geld haben. Das hängt ganz einfach damit zusammen, dass Deutschland sein internationales Versprechen, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen, nicht einhalten wird. Bis nächstes Jahr muss das Ziel erreicht sein, so lautet die Selbstverpflichtung auf internationaler Bühne. Heute geben wir lediglich die Hälfte dafür aus. Ich hatte es schon in meiner letzten Rede gesagt und möchte es jetzt gerne wiederholen: Die Glaubwürdigkeit Deutschlands wird genau an der Erfüllung dieses Versprechens gemessen. (Beifall bei der LINKEN) Sie wird nicht daran gemessen, ob wir uns international im militärischen Bereich mehr engagieren, sondern daran, ob wir diese Aufgabe bewältigen können. Da müssen Sie noch ein bisschen Überzeugungsarbeit bei Ihren Kollegen im Auswärtigen Amt und im Verteidigungsministerium leisten. Ich möchte noch ein Thema ansprechen, das auch schon erwähnt worden ist, nämlich den Waffenexport. Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen, aber der Waffenexport aus Deutschland, insbesondere der von Klein- und Handfeuerwaffen, ist ein Beitrag dazu, dass bewaffnete Konflikte überhaupt ausgetragen werden können. Somit ist der Waffenexport ein Hauptgrund für die Flucht. Es ist doch wirklich absurd, dass aus Deutschland Waffen in Konfliktgebiete exportiert werden, insbesondere Klein- und Handfeuerwaffen, und Sie als BMZ-Minister dann in diesen Konfliktregionen Projekte starten, um wieder Frieden herzustellen und Versöhnungsarbeit zu leisten. Sie als Minister sind Mitglied des Bundessicherheitsrates. Sie können direkten Einfluss darauf ausüben, dass diese Kleinwaffenexporte nicht stattfinden. Ich möchte Sie hier auffordern, diesen Einfluss geltend zu machen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, das sind gerade Vorschläge gewesen, die eine hohe Effektivität haben werden, aber kein Geld kosten. Also können Sie sofort mit deren Umsetzung beginnen und handeln. Danke. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Axel Schäfer, SPD-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der SPD) Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für einen Sozialdemokraten ist diese Haushaltsdebatte deshalb ein bisschen schwierig, weil dies die erste Regierung mit Beteiligung der SPD in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist, in der wir nicht das Entwicklungsministerium führen. Seit 1961 waren es 27 von 53 Jahren, in denen wir den Minister gestellt haben. Deshalb ist der Maßstab, den wir an den neuen Minister anlegen und der von „Ben Wisch“ bis Heidi Wieczorek-Zeul definiert wurde, hoch. Ich wollte deshalb eines einleitend sagen. Der Kollege Müller ist jemand, der – unabhängig davon, dass es Themen gibt, bei denen man immer wieder Diskussionsbedarf hat und nicht automatisch einer Meinung ist – Sachen offen und fair angeht, mit dem man sich ordentlich auseinandersetzen kann und der auch zu seinem Wort steht. Ich glaube schon, dass das eine gute Zusammenarbeitsbasis für das ist, was wir hier gemeinsam in dieser Koalition, in diesem ganzen Haus und speziell im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung machen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Natürlich müssen wir bei den Finanzen immer ein Stück selbstkritisch sein. Wir haben, wie gesagt, einen Mittelaufwuchs von 2,3 Prozent. Das ist für die SPD akzeptabel, aber auf jeden Fall ausbaufähig und sogar ausbaunotwendig. Wenn wir über diese Mittel reden, ist es wichtig, dass wir zugleich darauf hinweisen, dass wir als Teil der Europäischen Union in dieser Gemeinschaft immerhin mehr als 60 Prozent der internationalen Entwicklungszusammenarbeit leisten und damit weltweit der größte Geber sind. Als größter Binnenmarkt der Welt ist die EU zudem ein wichtiger Handelspartner vieler Entwicklungs- und Schwellenländer und hat damit natürlich auch wichtigen Einfluss auf die Welthandelsordnung. Die Kombination aus finanziellem, wirtschaftlichem und politischem Einfluss macht deshalb die Europäische Union und damit einen ganz wichtigen Teil Deutschlands zu einem entscheidenden Akteur in der internationalen Entwicklungspolitik. Diesen Einfluss gilt es für strategische Partnerschaften wie die mit den USA, China, Brasilien, Indien, Japan und auch den afrikanischen Staaten zu nutzen, um nicht nur für die europäischen, sondern auch für die universellen Werte wie Demokratie, Grundrechte, Stabilität, Sicherheit, Wohlstand und Chancengleichheit weltweit einzutreten. Eins ist für uns klar: Bilaterale Abkommen sind dabei insgesamt nicht nachhaltig. Es wird darauf ankommen, dass die Mitgliedsländer der EU mit einer Stimme sprechen, damit man stark genug ist, um international wirklich Einfluss zu nehmen. Nur wenn wir diesen Einfluss nehmen, können wir auch einen Beitrag zur Bekämpfung von Armut und einen Beitrag zu einer gerechteren Welt leisten. Das ist ja immer noch unser gemeinsamer Anspruch. (Beifall bei der SPD) Der EU-Afrika-Gipfel im April dieses Jahres hat die Wichtigkeit einer einheitlichen europäischen Linie abermals verdeutlicht. Die EU setzt sich für eine kontinuierliche Unterstützung der Afrikanischen Union zur Wahrung und Verbesserung der Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik, in der Demokratischen Republik Kongo, in der Region der Großen Seen, im Südsudan, in Somalia und in Mali ein. Wahlbeobachtungen zum Beispiel sind hier ein ganz wichtiger Ansatz. Von unserem Selbstverständnis her muss sich die EU und müssen wir uns – mittenmang – insbesondere um eine friedliche und dauerhafte Lösung des internen Konflikts im Südsudan bemühen, der bekanntlich mit schwerwiegenden Folgen auch auf Nachbarregionen übergreifen könnte. Afrika bildet für die EU und die deutsche Entwicklungszusammenarbeit einen Schwerpunkt. Minister Müller wird nicht müde, das zu betonen. Wir betonen unsere Bitte, dass er dabei die Ansätze seiner Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul aufnimmt und ihre Politik fortsetzt. – Er nickt. Das ist schon einmal ein ganz gutes Zeichen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Aber nicht alles!) – Nicht alles. Wir sind ja auch nicht eine Partei. Unsere Fraktionen bilden ja nur eine Koalition auf Zeit; so ist es nun einmal. Eins ist klar: Afrika ist vom Alter seiner Einwohner her nicht nur der jüngste Kontinent – ich persönlich hoffe, dass die afrikanischen Länder bei der Fußball-WM ein bisschen erfolgreicher als bisher abschneiden –, sondern zeichnet sich auch durch ein enormes Wachstumspotenzial aus, da sich die Anzahl seiner Einwohner im nächsten Jahrzehnt annähernd verdoppeln wird. Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite sind die schrecklichen Bilder von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer. Sie verdeutlichen uns einerseits, wie nah uns Afrika ist, und andererseits unsere besondere Verpflichtung. Als wichtigstes Instrument der Europäischen Union für die Zusammenarbeit mit den berühmten AKP-Staaten, also mit Staaten aus Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum, gibt es seit 55 Jahren den Europäischen Entwicklungsfonds. Dieser Fonds finanziert notwendige Projekte und Programme, die zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der Region beitragen. Er umfasst mehrere Einzelinstrumente, wie nichtrückzahlbare Hilfe, Risikokapital und Darlehen auch an den Privatsektor. Der Anteil der Förderung für überregionale Programme ist im mehrjährigen Finanzrahmen bis 2020 immerhin um 15 Prozent erhöht; er umfasst nunmehr fast 27 Milliarden Euro. Damit unterstreichen auch wir innerhalb der Europäischen Union und als EU insgesamt, dass die ökonomische Integration als Basis für nationale und lokale Entwicklung zu fördern ist. Neben den wichtigen Punkten, die meine Vorrednerin Bärbel Kofler bereits zum Thema „Gute Arbeit weltweit“ angesprochen hat, gibt es noch einen anderen wichtigen Prozess: Auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit wird der Schwerpunkt weiter auf der Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele sowie auf der Vorbereitung für den neuen Rahmen für nachhaltige Entwicklung und Armutsbeseitigung in der Zeit nach 2015 liegen. Wir wissen, dass das für uns noch ein ordentliches Stück des Weges ist; das muss man selbstkritisch feststellen. Deshalb ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass dabei der Europäischen Union eine Schlüsselrolle zukommt, insbesondere bei der Ausarbeitung des neuen universellen Rahmens, der auf drei Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung ausgerichtet ist, nämlich Wirtschaft, Soziales und Umwelt. Die SPD setzt sich konkret dafür ein, dass wir erstens den Kampf gegen Hunger und Armut führen, dass wir zweitens die universellen Menschenrechte vertreten und auf ihre Einhaltung drängen, dass wir drittens gute Arbeit weltweit sowie ein faires und offenes Handelssystem erreichen, dass wir viertens eine krisensichere globale Finanzstruktur mit Steuergerechtigkeit verbinden und dass wir fünftens gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels durchführen. Ich möchte, liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle einmal auf einen anderen Punkt eingehen, der in der Entwicklungszusammenarbeit aus meiner Sicht eine herausragende Bedeutung hat. Wir werden in Zukunft, auch in unserer Diskussion in diesem Haus, schauen müssen, wie wir uns in Europa, im europäischen Zusammenhang besser vernetzen, wie wir nicht nur miteinander arbeiten, sondern auch voneinander lernen können. Das heißt, auch selbstkritisch zu schauen, wie weit wir bei unseren eigenen Zielen sind und was wir als Beitrag dazu leisten können. Es gibt einen interessanten Beitrag, finde ich, der bisher unterschätzt wird. Wenn ich auf Claudia Roth gucke oder auf meinen Freund Frithjof Schmidt, dann komme ich dazu, zu sagen: Wir müssen es fördern, dass Mitglieder des Europäischen Parlaments auch einmal Mitglieder des Deutschen Bundestages werden. Das ist in den beiden Fällen so geschehen. Das ist bei der Linkspartei bei Sahra Wagenknecht der Fall. Das ist auch bei der Union der Fall. (Dagmar G. Wöhrl [CDU/CSU]: Der Minister auch!) – Es ist auch gut, dass das bei Gerd Müller der Fall ist, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat gutgetan!) der genau dann in den Bundestag wechselte, als ich ins Europäische Parlament gewählt wurde. So gesehen gibt es da ganz wichtige Verbindungslinien. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Gerade bei einem solchen Thema, bei dem es Gott sei Dank nicht darum geht, zu ideologisieren, sondern darum, eine gemeinsame Verantwortung wahrzunehmen, können wir so, auch durch Diskussionen in den Fraktionen, zu gemeinsamen Ergebnissen kommen. Willy Brandt hat vor langer Zeit einmal gesagt: „Die Entwicklungspolitik von heute ist die Friedenspolitik von morgen.“ Ich bin als stellvertretender Fraktionsvorsitzender neben meiner Zuständigkeit für Europa jetzt auch im Entwicklungsbereich dabei. Für mich als ehemaligen Referenten von Willy Brandt, wenn ich das einmal persönlich sagen darf, ist das ein bisschen die Rückkehr zur Basis und zu dem, was es vor 30 Jahren an Dritte-Welt-Projekten gegeben hat. Ich lerne noch ein bisschen dazu und freue mich auf unsere Diskussionen und die weitere Zusammenarbeit im Ausschuss. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Uwe Kekeritz, Bündnis 90/Die Grünen. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Müller – ich fange jede meiner Reden mit Ihrem Namen an; ich weiß nicht, woran das liegt –, Ihr Start war sehr gut. Sie haben mit einer neuen Rhetorik viel Hoffnung geweckt. Es war Ihnen von Anfang an klar, dass Sie natürlich nicht an den Worten bewertet werden, sondern an den Taten. Damit war Ihnen auch von Anfang an klar, dass ein angekündigter Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik nicht auf Worthülsen basieren kann. Ein Paradigmenwechsel verlangt vor allem Ehrlichkeit und Transparenz, und genau das leistet Ihr Haushaltsentwurf nicht. Um nicht ganz bloß dazustehen, übernehmen Sie konsequent die kreative Buchführung Ihres Vorgängers. Der Haushalt brilliert durch Rechentricks, und dafür verdienen Sie – ganz im Zeichen der Fußballweltmeisterschaft – diese Gelbe Karte hier. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Aber bitte nicht beißen!) Sie können sich dagegen wehren und sagen: Moment! Das ist doch viel zu hart. – Man könnte diese Gelbe Karte auch 80 Prozent des Parlaments geben. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Diese Gelbe Karte entspricht nicht dem vorgegebenem Format!) – Ich habe sie extra für Sie vergrößert, damit Sie sie auch deutlich sehen. – Im Sinne von Fairplay ist das auf jeden Fall nicht. Aber nicht nur Ihre Buchhaltung ist ein Problem. Es wird immer deutlicher, dass auch Ihre programmatische Ausrichtung sehr fraglich ist. Nehmen wir den Bereich der Ernährung und der ländlichen Entwicklung speziell für Afrika. Wer den Hunger bekämpfen und die Ernährungssituation verbessern will, darf nicht unkritisch gegenüber den Folgen der globalen Agrarentwicklung der letzten Jahrzehnte sein. (Dr. Gerd Müller, Bundesminister: Nein, das kann nicht sein!) – Doch, das sind Sie. Sie arbeiten immer noch mit der German Food Partnership zusammen. Sie übernehmen immer noch die westlichen Technologien und versuchen, sie in Afrika zu implementieren. Wir wissen doch, dass mit veralteten westlichen -Agrarkonzepten die Ernährungssituation nicht verbessert werden kann. Diese Konzepte ignorieren die negativen ökologischen, klimatischen und sozialen Auswirkungen der industriellen Agrarproduktion. Der Verlust der -Artenvielfalt, die Verödung der Böden, die Erhöhung der Erosion, die Verschlechterung des Grundwassers, negative Klimaauswirkungen, Landflucht und Entwurzelung sind die Folgen. Ernährungssicherheit geht anders. Inhaltliche Schwächen zeigen sich auch in jenen -Bereichen, die das Ministerium überhaupt nicht angeht. Wo sind Ihre Initiativen gegen das Landgrabbing, das dramatische ökologische und soziale Folgen hat? Wo sind Ihre Analysen über unsere westliche Energiepolitik und Ihre Konsequenzen für die ländliche Entwicklung in Afrika, Asien und Südamerika? Wo sind Ihre Alternativen zum Neoextraktivismus, der inzwischen global praktiziert wird? Wir kennen die Folgen des heutigen Bergbaus. In keinem anderen Industriebereich sind mehr Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen. Nirgendwo wird die Umwelt so stark und irreversibel geschädigt wie in diesem Bereich. Wo und wie setzen Sie sich für strukturelle Veränderungen in Deutschland und auf europäischer Ebene ein, die in den Entwicklungsländern weit mehr bewirken können als Projekte? Ich spreche hier zum Beispiel von einem kontrollierten, fairen globalen Finanz- und Steuersystem, das wir in Europa, Deutschland und weltweit etablieren müssen und das den Entwicklungsländern Milliardeneinnahmen sichern würde. Ich spreche natürlich auch von der Unternehmensverantwortung, die Sie immer wieder betonen. Aber Sie erklären den Leuten eben nicht, dass Sie das auf freiwilliger Basis machen möchten. Genau in dem Bereich der Unternehmensverantwortung brauchen wir Verbindlichkeit. Alles andere führt nicht zum Ziel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wo sind Ihre Initiativen gegen die unsäglichen Freihandelsverträge? Im Ausschuss erklären Sie, Herr Minister, dass Sie sich wenigstens gegen die Deadline des EPA-Vertrages zum 1. Oktober wehren würden. Diese, so Ihre Begründung, sei völlig kontraproduktiv und würde vor allen Dingen die ärmsten Länder schädigen. Allerdings traue ich nicht allen verbalen Äußerungen, und deshalb habe ich schriftlich in Ihrem Haus nachgefragt. Die Antwort ist verblüffend. Sie lautet: Über eine Nichtanwendung der Anpassung der Marktzugangsverordnung liegen der Bundesregierung keine Kenntnisse vor. Und: Die Bundesregierung setzt sich gegenüber der Europäischen Kommission nachdrücklich für einen zügigen … Abschluss der Verhandlungen ein. Die Bundesregierung treibt also die EU voran. Sie setzen den ärmsten Ländern der Welt die Pistole auf die Brust: Entweder unterschreibt ihr den Vertrag, oder euer privilegierter Marktzugang nach Europa ist Geschichte. Es ist doch schön, dass ich das schriftlich habe. Vizepräsident Peter Hintze: Herr Kollege, es gibt einen Wunsch aus der CDU/CSU-Fraktion. Charles M. Huber möchte Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Huber, gerne. Charles M. Huber (CDU/CSU): Herr Kollege Kekeritz, wenn wir über afrikanische Volkswirtschaften sprechen, sprechen wir in der Regel von informellen Volkswirtschaften. Ich habe dazu eine Frage: Wie wollen Sie in einer informellen Volkswirtschaft, wo die meisten Unternehmen nicht erfasst sind – deswegen heißt es „informelle Volkswirtschaft“ –, ein Steuersystem überhaupt implementieren? Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Antwort ist ganz einfach: Wenn Sie meinen, dass das nicht geht, dann sind Sie in diesem Ausschuss falsch. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das funktioniert einfach nicht. Außerdem ist es völlig falsch, von „informellen Gesellschaften“ zu reden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: „Volkswirtschaften“!) Sprechen Sie doch mal mit Kenianern oder mit Senegalesen und sagen Sie ihnen: „Ihr habt eine informelle Gesellschaft“! Meine Antwort ist ganz klar: Ihre Fragestellung ist einfach falsch; die mit der Fragestellung implizierte Aussage ist grottenfalsch. Das muss ich Ihnen wirklich sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: „Volkswirtschaften“! – Charles M. Huber [CDU/CSU]: Ich habe „Volkswirtschaften“ gesagt!) – Ja, selbstverständlich, „Volkswirtschaften“. Was wollen Sie denn? Natürlich gibt es in vielen Ländern Steuersysteme. Es gibt das Problem der Korruption – das streitet keiner ab –, aber wir müssen das überwinden. (Charles M. Huber [CDU/CSU]: Erklären Sie es mir nicht! Ich lebe zum Teil im Senegal!) – Wenn Sie es eh wissen, warum fragen Sie dann? (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Charles M. Huber [CDU/CSU]: Ich frage nur, um zu schauen, ob Sie es auch wissen!) – Natürlich weiß ich das. Ich beschäftige mich schon sehr lange mit der Situation, und ich kenne vor allen Dingen auch die Ausgaben des Bundesministeriums, die damit verbunden sind, dass die GIZ seit Jahren in vielen Ländern versucht, entsprechende Strukturen aufzubauen. – Herr Bundesminister, hoffentlich sagen Sie einmal Herrn Huber, dass Sie mit Ihrer Politik nicht völlig falsch liegen und sie nicht wirkungslos ist. – Danke schön. Schade, wirklich schade, Herr Minister! Sie sind gerade dabei, sich Ihren positiven Ruf, den Sie aufgrund guter Rhetorik gewonnen haben, etwas zu verspielen. Wie glaubwürdig ist eine solche Rhetorik, wenn Sie nicht einmal den Schneid haben, einzugestehen, dass Sie gerade dabei sind, das 0,7-Prozent-Ziel mithilfe einer bereitwilligen SPD zu beerdigen! (Dagmar G. Wöhrl [CDU/CSU]: Das hat kein Mensch gesagt!) Das geschieht trotz der Unterschrift von Frau Pfeiffer unter einem Aufruf zur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels, die offensichtlich nicht mehr weiß, was sie vor drei Jahren unterschrieben hat. Da stand auch drin: „bis 2015“. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2015!) Daran erinnern Sie sich nicht mehr. Aber Sie meinen ganz genau zu wissen, dass die Grünen nicht seriös arbeiten und an Entwicklungspolitik überhaupt kein Interesse haben. Das halte ich für eine reife Leistung. Unsere Partner in den Entwicklungsländern, die international tätigen Organisationen, die Zivilgesellschaft, aber auch der Deutsche Bundestag haben einen Anspruch, zu erfahren, wie Deutschland zukünftig seinen Verpflichtungen nachkommen wird. Dieses mehr als berechtigte Interesse, Herr Minister, umspielen Sie, aber nicht gut und nicht fair. Diese Politik ist letztlich ein böses Foul an den Ärmsten der Armen. Wer in einem Spiel zweimal die Gelbe Karte bekommt, (Zuruf von der CDU/CSU: Fliegt vom Platz!) der bekommt auch die Rote Karte. Aber Sie haben Glück: Jetzt kommen die Sommerferien. Vizepräsident Peter Hintze: Bei Ihnen droht gleich auch die Rote Karte, weil die Zeit schon stark überzogen ist. (Heiterkeit) Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jawohl. Ich bin gleich fertig. – Nutzen Sie die Zeit in den Ferien! Reflektieren Sie noch mal! Wir müssen anfangen zu liefern, anders als bisher. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Frau Pfeiffer möchte eine Kurzintervention machen. Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Präsident, vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, es tut mir leid; aber wenn Kollege Kekeritz beim Zuhören Fehler macht, dann muss ich das leider korrigieren. Wenn schon beim Zuhören Fehler gemacht werden, möchte ich gar nicht wissen, welche Fehler noch passieren können. Ich habe mich zu dem Aufruf erklärt. Ich habe gesagt: Jawohl, ich habe es unterschrieben. – Ich habe nicht -unterschrieben, dass das Ziel sofort, unter Missachtung jeglicher haushalterischer Notwendigkeiten, schon gar nicht unter Missachtung meiner gesamtpolitischen Verantwortung, erreicht werden muss. Das möchte ich hier auch für Sie, Herr Kekeritz, noch einmal zu Protokoll geben; ich gebe es Ihnen gerne auch schriftlich. Es wäre ganz nett, wenn Sie mir das nächste Mal zuhören würden, wenn ich da vorne etwas sage, bevor Sie hier irgendwelche Dinge behaupten. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Kollege Kekeritz darf darauf antworten. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Pfeiffer, herzlichen Dank für die Frage. (Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Ich habe keine Frage gestellt!) Sie können sicher sein, dass ich immer zuhöre, wenn Sie sprechen – da höre ich besonders aufmerksam zu. Es ist für mich wichtig, festzustellen, dass Sie heute nicht mehr wissen, was Sie damals unterschrieben haben. Es wird auch nicht dadurch besser, dass Sie Ihre Aussage drei- oder viermal wiederholen. Mit dem Aufruf war ein Aufholplan verbunden. Dass er von heute auf morgen umgesetzt werden soll, stand nicht darin; es hat auch kein Mensch gesagt, dass das von heute auf morgen geht. Das war vor etwa dreieinhalb Jahren. Wir wollten einen Aufholpfad beschreiten, und das haben Sie unterschrieben. Jetzt ist die Zeit natürlich fast abgelaufen; es ist jetzt nicht mehr möglich, das bis 2015 aufzuholen, obwohl das in dem Aufruf, den Sie unterschrieben haben, vorgesehen war. Danke. (Beifall der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wäre ich Schiedsrichter, würde ich jetzt sagen: Lieber Herr Kollege Kekeritz – Platzverweis! (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wow!) Ich glaube, ich muss nicht kommentieren, was Sie vorhin gesagt haben. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind wie der Schiedsrichter in der ersten Begegnung von Brasilien!) Liebe Claudia, ich habe dein Gesicht gesehen; das hat für sich gesprochen. Ich möchte deswegen keinen Kommentar zu dem abgeben, was der Kollege Kekeritz hier von sich gegeben hat. Wir kennen ihn. Deswegen lassen wir das einfach so stehen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Entwicklungspolitiker kennen es zur Genüge, ob wir hier in Berlin sind oder draußen im Wahlkreis: Wir werden immer wieder von den Bürgerinnen und Bürgern gefragt: Wofür gebt ihr das Geld aus? Was bewirkt ihr eigentlich mit dem Geld? Es ist ja sehr viel: fast 6,5 Milliarden Euro. Unser Haushalt ist der zweitgrößte Investitionshaushalt mit einem Aufwuchs von fast 150 Millionen Euro in diesem Jahr. Wir lassen uns diesen Erfolg auch nicht schlechtreden, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. Wir sind froh, dass uns diese Mittel zur Verfügung stehen, und wir sind froh, dass wir sie effizient einsetzen können. Ich glaube, manchmal haben es diejenigen, die in der Entwicklungspolitik tätig sind, etwas schwerer als die anderen Kollegen aus den anderen Ressorts; sehen Sie mir das bitte nach. Denn die Probleme, mit denen wir es zu tun haben, sind sehr komplex und manchmal sehr schwer verständlich für die Öffentlichkeit, für die Bevölkerung vor Ort. Die Wirkzeit unserer Programme ist oft langfristig angelegt, ihre Wertigkeit ist oft nicht überschaubar. Hinzu kommt, dass der Einzelne bei uns vor Ort nicht unmittelbar betroffen ist. Um Sympathie und Verständnis zu erwecken – und das wollen wir in der Entwicklungszusammenarbeit –, braucht man ein Gesicht. Das ist immer dann sehr einfach, wenn Katastrophenberichte über den Fernseher in unsere Wohnzimmer flimmern. Dann ist die Empathie für die Opfer sofort da, und die Spendenbereitschaft steigt. So ist es momentan bei den Flüchtlingen: Wir bekommen ihr Schicksal zu Hause hautnah mit. Wir sehen die Not in den verschiedenen Krisenregionen. Allein im Irak sind seit den letzten Wochen 500 000 Menschen auf der Flucht. In der Zentralafrikanischen Republik, einem Land, das von der Weltgemeinschaft überhaupt nicht beachtet worden ist, sind über 900 000 Menschen auf der Flucht, inzwischen sind die meisten Schulen geschlossen, und 1,5 Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Der schlimmste Exodus seit dem Massaker von Ruanda findet in Syrien statt. 160 000 Menschen wurden massakriert, und jeden Tag werden es mehr. Allein über 10 Millionen Menschen sind auf der Flucht, davon 6,5 Millionen Binnenflüchtlinge, über 3 Millionen befinden sich außerhalb von Syrien im Exil. Jeden Tag kommen 9 000 Flüchtlinge hinzu – jeden Tag! Viele Kollegen haben das jordanische Flüchtlingslager Za’atari besucht. Dort, wo es früher nur Wüste gab, gibt es jetzt ein Flüchtlingslager, in dem inzwischen 85 000 Menschen leben. Die Menschen, die dort leben, müssen sich darauf einstellen, dass sie wahrscheinlich ihr ganzes Leben dort bleiben werden. Inzwischen ist Za’atari die drittgrößte Stadt in Jordanien. Die Hälfte der Bewohner ist minderjährig. Ein Blick nach Syrien zeigt, dass Assad nicht bereit ist, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten. Auch die Fahne des Roten Kreuzes hilft dort nicht weiter. Wir kommen mit unseren humanitären Hilfsaktionen nicht vor Ort an. Aushungern wird als Kriegswaffe benutzt. Zig Dörfer, zig Gegenden sind abgeschottet. Dort gibt es keinen Zugang zu humanitärer Hilfe, Wasserressourcen werden einfach gekappt. Jordanien und Libanon erbringen eine riesengroße Leistung, die uns alle schwer beeindruckt. Dafür gebührt ihnen unser Respekt. Das sind Länder, die selbst mit Problemen hinsichtlich ihrer Infrastruktur und ihrer Wasserressourcen zu kämpfen haben. Allein der Libanon, ein Land mit 4,4 Millionen Einwohnern – das ist die Hälfte der Einwohnerzahl von Rheinland-Pfalz –, nimmt 1,1 Millionen Flüchtlinge auf, obwohl das Land selber mit sehr großen Problemen zu kämpfen hat. Diese Länder sind damit längst überfordert. Deshalb bin ich dem Minister sehr dankbar, dass er darauf hingewiesen hat, dass wir die Hilfe für diesen Bereich noch aufstocken müssen, dass wir weiterhin unterstützend tätig sein müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) All das zeigt: Wir können uns nicht einfach hinstellen und wie Empörungsrhetoriker die Weltpolitik kritisieren, ohne Lösungen anzubieten. Für mich ist unsere Aufgabe klar. Wir sind gefordert: menschlich, aber auch politisch. Humanitäre Hilfe, so wie wir Entwicklungspolitiker sie verstehen, ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch politische Vernunft. Wir alle wissen: Wenn wir es nicht schaffen, diesen Flächenbrand wirklich einzudämmen, wird eine Destabilisierung der ganzen Region die Folge sein. Es ist wichtig, dass wir mehr internationale Verantwortung übernehmen. Dieser Weg ist richtig. Das heißt jedoch nicht automatisch, was hier manchmal unterstellt wird, dass wir uns militärisch mehr engagieren müssen. In diesem Zusammenhang muss aber eines klar sein: Humanitäre Hilfeleistungen bleiben wirkungslos, wenn nicht durch extern bereitgestellte Sicherheitskräfte ein sicheres Umfeld geschaffen wird. Zu einem sicheren Umfeld können wir beitragen, indem wir diese Länder durch Ausbildung befähigen, selbstständig Sicherungsverantwortung zu übernehmen. Wir wollen einen ganzheitlichen, einen vernetzten Ansatz von Sicherheit und Entwicklung. An allererster Stelle stehen immer die Diplomatie und die Entwicklungszusammenarbeit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Internationale Verantwortung zu übernehmen, bedeutet auch, die Sorgen der anderen nicht nur als Problem irgendwo in der Welt zu betrachten. Das sind auch unsere eigenen Probleme. Es ist nicht so, dass die Mittel der Entwicklungszusammenarbeit milde Gaben sind, dass wir einfach irgendetwas geben. Die Entwicklungszusammenarbeit wird viel zu wenig als eine Investition verstanden, die auch in unserem eigenen Interesse liegt. Ich bin froh, dass wir gerade in Bezug auf Syrien unserer Verantwortung gerecht werden. Ich bin froh, dass wir das Kontingent aufgestockt haben. Ich bin froh, dass wir für Syrien und die Nachbarländer Syriens inzwischen über eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung gestellt haben. Eines muss aber auch klar sein: Wir können das nicht alleine machen. Ganz wenige Mitgliedstaaten der Europäischen Union nehmen in diesem Zusammenhang ihre Verantwortung wahr. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nur Schweden!) Wir brauchen hier aber eine gesamteuropäische Verantwortung. Sie muss eingefordert werden. Wir brauchen eine europäische Flüchtlingskonferenz, und wir brauchen, wie es der Minister gesagt hat – das finde ich richtig –, einen europäischen Flüchtlingskommissar. In Zukunft wird es nicht weniger Flüchtlinge geben. Am Weltflüchtlingstag wurde das deutlich gesagt: Es gibt weltweit 51 Millionen Flüchtlinge. Das sind 6 Millionen mehr als vor einem Jahr. Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Die Zahlen steigen; das haben wir auch am Beispiel Irak gesehen. Die Hälfte der Flüchtlinge sind Kinder. Das ist eine verlorene Generation. Der größte Teil davon sind Mädchen, die teilweise zwangsverheiratet werden oder die auf der Flucht zu Survivalsex gezwungen werden, das heißt, die sich prostituieren müssen, um Lebensmittel zu bekommen. Es gibt Kinder, die mit Waffen aufwachsen, die nur den Krieg kennen. Man mag sich nicht vorstellen, wie die Zukunft dieser Kinder aussieht. Deswegen müssen wir Unterstützung leisten. Wir können Nothilfe leisten – das ist klar –, wir können auch humanitäre Hilfe leisten, aber vor allen Dingen müssen die Ursachen von Armut, Krieg, Hunger und klimabedingten Naturkatastrophen bekämpft werden. Da sind wir gefordert. Die Perspektivlosigkeit dieser jungen Menschen muss beseitigt werden. Es ist wichtig, dass wir uns mit der Flüchtlingsproblematik beschäftigen. Wir haben Anhörungen dazu durchgeführt. Ich bin froh, liebe Claudia Roth, dass auch der Unterausschuss Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik am kommenden Montag dazu eine Anhörung durchführen wird. Das ist ein wichtiges Thema. Um diese Probleme zu bewältigen, brauchen wir aber das Engagement aller, der Innenpolitiker und der Entwicklungspolitiker in Deutschland und in der Europäischen Union. Vizepräsident Peter Hintze: Denken Sie bitte an die Redezeit. Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU): Wir haben in diesem Bereich vieles gemacht. Es gibt Rückkehrprogramme und es gibt Klimaschutzprogramme. Die GIZ ist in diesem Bereich sehr aktiv. Ich gehe jetzt nicht auf die einzelnen Programme ein. Klar ist: Das kostet Geld. Aber ich glaube, es ist gut angelegtes Geld. Dieser Einsatz ist auch in unserem eigenen Interesse; denn sonst werden die Probleme in diesen Ländern bald die Probleme vor unserer Haustür sein. Dieses Engagement ist gut für die Menschen in den betroffenen Ländern und gut für uns. Uns kann es nur gut gehen – davon bin ich überzeugt –, wenn es auch den anderen Menschen auf der Welt gut geht. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Sonja Steffen, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Sonja Steffen (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Ich möchte einer schönen Tradition folgen und zunächst unserem Hauptbericht-erstatter, Herrn Klein, für die gute Zusammenarbeit danken. Ausdrücklich danken möchte ich auch der Mitberichterstatterin Frau Hajduk und dem Mitberichterstatter Herrn Leutert. Ich glaube, wir haben ganz gut zusammengearbeitet, aber nicht nur wir. Deshalb möchte ich mich an der Stelle auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Fraktionen und dem Ausschussdienst, aber auch bei denen von uns Abgeordneten bedanken, die eine sehr gute Arbeit geleistet haben. (Beifall im ganzen Hause) Dann geht mein Dank auch noch an das Ministerium. Herr Müller, auch mit Ihnen und Ihrem Haus haben wir, glaube ich, ganz gut zusammengearbeitet. Es ist vorhin schon einmal erwähnt worden – ich glaube, Frau Wöhrl, Sie haben das gesagt –, dass es sich um einen Bereich handelt, wo man sehr viel mit besonderen Begriffen zu tun hat. In dem Bereich der Entwicklungszusammenarbeit spricht man fast eine eigene Sprache. Da müssen viele Erklärungen abgegeben werden. Gerade für jemanden, der neu in diesem Bereich tätig ist, gibt es viele Fragen. Die sind, glaube ich, fast alle beantwortet worden. In meiner Rede zur ersten Lesung habe ich verschiedene Wünsche geäußert. Ich hatte gehofft, dass wir im Vergleich zu dem Entwurf, der uns damals vorlag, einige Verbesserungen vornehmen können. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass uns das gelungen ist. Wir hatten eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Fachpolitikern. Gemeinsam mit den Haushältern haben wir einige Dinge erreicht. Das freut mich sehr. Eine Sache, die wir erreicht haben, ist bereits genannt worden. Ich will das aber noch einmal erwähnen, weil ich es in meiner ersten Rede ganz am Anfang angeführt hatte. Dabei handelt es sich um die Stärkung des zivilgesellschaftlichen, kommunalen und wirtschaftlichen Engagements. Hier stellen wir 2014 insgesamt 775 Millionen Euro zur Verfügung. Wir haben in diesem Haushalt die Mittel für die politischen Stiftungen, die kirchlichen Organisationen und den zivilen Friedensdienst noch einmal um jeweils 5 Millionen Euro Barmittel erhöht. Des Weiteren haben wir entsprechend deutliche Erhöhungen bei den Verpflichtungsermächtigungen für die nächsten Jahre erreichen können. Bei den privaten Trägern wie CARE und Oxfam haben wir die Verpflichtungsermächtigung für die nächsten Jahre um 10 Millionen Euro erhöht. Ich denke, die Stärkung dieser Organisationen ist schon deshalb besonders sinnvoll, weil sie den großen Vorteil haben, auf bestehende Strukturen aufbauen zu können. Sie arbeiten zum Teil schon fast seit Jahrzehnten vor Ort und können dort auf diese Strukturen zurückgreifen. Es besteht eine große Nähe zur Bevölkerung, sodass hier eine gute Hilfe gewährleistet ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Gerade im Bereich der Nachbetreuung nach Naturkatastrophen, Hungersnöten und Kriegen leisten sie eine unverzichtbare Arbeit. Wir blicken gerade mit großer Sorge auf Länder wie die Ukraine, Syrien und den Irak. Es ist vorhin schon gesagt worden: Im Augenblick befinden sich – Frau Wöhrl, Sie hatten diese Zahl genannt – allein im Irak 1,2 Millionen Menschen auf der Flucht. Heute Morgen hat die Kanzlerin erwähnt, dass in Jordanien inzwischen 20 Prozent der Bevölkerung aus Flüchtlingen bestehen. Diese Probleme stehen vor uns. Sie werden uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter – wahrscheinlich noch viel intensiver – beschäftigen. Auch der Klimawandel, meine Damen und Herren, wird weitere Flüchtlinge hervorbringen. Überweidung, Überdüngung, falsche Bewässerungsmethoden und das Abholzen von Wäldern führen dazu, dass die Qualität der Böden gerade in den ärmsten Ländern zunehmend abnimmt und die Verfügbarkeit von Wasser immer schlechter wird. Man spricht davon, dass bis 2080 möglicherweise 1,8 Milliarden Menschen in einem wasserarmen Umfeld leben werden. Bis 2050 rechnet man mit bis zu 200 Millionen sogenannten Klimaflüchtlingen. Diese Zahlen belegen, dass wir uns noch weit intensiver mit der Flüchtlingsproblematik beschäftigen müssen. Deshalb möchte ich – das habe ich auch in meiner Rede zur ersten Lesung schon gesagt – noch einmal betonen, dass ich besonders die Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“ begrüße. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nur so können wir dazu beitragen, dass Fluchtursachen zukünftig erst gar nicht entstehen. Ich habe mich über das Zitat von Willy Brandt gefreut, das der Kollege Axel Schäfer vorhin gebracht hat – ich will es noch einmal wiederholen –: „Entwicklungspolitik von heute ist Friedenspolitik von morgen.“ Ich finde, das passt auch in diesem Zusammenhang sehr gut. (Beifall bei der SPD) Beim Klimaschutz stehen wir als Industriestaat und Verursacher von Umweltverschmutzung in einer großen Verantwortung. In unserem Koalitionsvertrag haben wir uns zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichtet und anerkannt, dass Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel und der Bewältigung seiner Folgen unterstützt werden müssen. Ich bin daher sehr froh, dass wir in der Bereinigungssitzung – Herr Klein hat erklärt, warum das so spät passierte – eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 750 Millionen Euro in den Etat für die Entwicklungszusammenarbeit einstellen konnten. Diese Mittel sind für den Green Climate Fund, über den heute schon viel geredet worden ist. Es ist in der Tat so: Deutschland und die anderen Industrieländer haben zugesagt, dass wir ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für den Klimaschutz zur Verfügung stellen wollen. Das ist sehr viel Geld, aber ich denke, es ist wichtig, dass wir als Industrieländer das tun. Wir stehen vor einer großen Herausforderung. Wir müssen bis 2020 den Aufwuchs in der Finanzierung des Klimaschutzes so gestalten, dass wir diese Zusage auch einhalten können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der dritte Bereich, in dem wir gegenüber dem ersten Entwurf des Haushalts mehr Mittel erreichen konnten, betrifft den Gesundheitsbereich. Auch an dieser Stelle möchte ich kurz aus dem Koalitionsvertrag zitieren. Dort heißt es: Gesundheit bildet die Grundlage für nachhaltige Entwicklung. Der Globale Fonds spielt hierbei eine wichtige Rolle, die sich in der Politik der Bundesregierung widerspiegeln soll. Wir haben es vorhin schon gehört: Wir haben den GFATM, den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, und wir haben den Fonds GAVI; das ist die globale Impfallianz. In beiden Fonds haben wir für dieses Jahr zusätzliche Barmittel durchsetzen können. Im GFATM sind es insgesamt 45 Millionen Euro, also 5 Millionen mehr, und bei GAVI sind es 3 Millionen Euro. Ich schließe mich ausdrücklich dem an, was meine Kollegin Bärbel Kofler vorhin schon gesagt hat: Wenn wir den Zielen gerecht werden wollen, dann ist es mit dieser Hilfe nicht getan. Herr Silberhorn – ich weiß nicht, ob er noch da ist; da oben sitzt er – hat vor einigen Wochen auf einem Forum gesagt: Es gilt, „das Ziel von GAVI, bis zum Jahr 2020 weitere 300 Millionen Kinder zu impfen, mit aller Kraft zu unterstützen“. Wir Sozialdemokraten, Herr Silberhorn, nehmen Sie an dieser Stelle beim Wort. Insbesondere weil wir 2015 voraussichtlich Ausrichter der GAVI-Konferenz sind, denke ich, sollte Deutschland bei der Finanzierung dieses Fonds mit gutem Beispiel vorangehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die GFATM-Auffüllungskonferenz steht ebenfalls an, und zwar ein Jahr später im Juni 2016. Ich denke, dass wir auch hier weitere deutliche Zeichen brauchen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Auch hier hoffen wir Sozialdemokraten auf Ihre Unterstützung, Herr Minister. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Jetzt will ich noch ganz kurz etwas zum Änderungsantrag der Grünen sagen. Frau Hajduk, wir lehnen uns bei diesem Etat nicht zurück. Ich und die Koalition insgesamt sehen das ganz anders als Sie. Wir haben jetzt ganz viele Bereiche genannt, in denen wir einiges bewirken konnten. Über Ihren Antrag ist vorhin schon mehrmals gesprochen worden. Ich zitiere jetzt einmal aus diesem Antrag Ihre Aussage zur Gegenfinanzierung. Sie schreiben: Die Verstärkung der Programme wird über den Abbau von umweltschädlichen Subventionen im Gesamthaushalt gegenfinanziert. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch super!) Das ist Ihre Begründung für den Haushalt 2014. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Antrag liegt vor!) Sie legen eine Reihe von Anträgen vor, aber eine seriöse Gegenfinanzierung sieht völlig anders aus. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie denn? Beschreiben Sie uns das doch einmal!) Es reicht einfach nicht, zu sagen: Abbau von umweltschädlichen Subventionen. – Das ist irgendwie alles und nichts. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zum Schluss möchte ich noch eines sagen. Wir haben hier heute viel über die ODA-Quote geredet. Ich habe dies schon in meiner letzten Rede gesagt: Wir Sozialdemokraten und ich persönlich werden uns weiter dafür einsetzen, dass die zusätzlichen Mittel in Höhe von insgesamt 2 Milliarden Euro keinen Deckel darstellen. Wir hoffen aufgrund des guten, optimistischen Ausblicks auf Steuermehreinnahmen, damit wir auch in diesem Bereich in den nächsten Jahren noch einiges erreichen können. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Kurzintervention) Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin Hajduk, es folgt jetzt eine erste Rede. Der Redner ist schon aufgestanden. Wollen wir ihn nicht reden lassen? (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Dazu muss sie etwas sagen!) Oder wollen Sie trotzdem? (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) – Kurz, ja. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Das muss die Welt erfahren! – Gegenruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist wichtig!) Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Es soll auch kurz sein. Es tut mir leid, dass ich das in meiner Doppelfunktion nicht so schnell realisiert habe. Weil ich von der Kollegin, die mit mir im Haushaltsausschuss sitzt, persönlich angesprochen wurde, möchte ich sagen: Wir haben in der Begründung unseres Antrags, zu dem selbstverständlich ein ausführlicher Entschließungsantrag vorliegt, auf die Gegenfinanzierung hingewiesen. Sie könnten das wissen, weil Sie im Haushaltsausschuss über große Teile unserer Gegenfinanzierung schon selber abgestimmt haben, auch wenn Sie ihnen nicht zugestimmt haben. Denn auch dort haben wir diesen Entschließungsantrag zur Gegenfinanzierung eingebracht. Wir können gerne unterschiedlicher Auffassung darüber sein, ob Sie sich diese Gegenfinanzierung zu eigen machen, ich könnte auch sagen: zutrauen. Aber Sie müssen in der Öffentlichkeit bitte eingestehen, dass wir all unsere Forderungen titelscharf mit vollständigem Finanztableau gegenfinanziert haben. Ich werde Ihrem Büro diesen Antrag zukommen lassen. Das ist ein Service, den ich Ihnen von Haushaltskollegin zu Haushaltskollegin anbieten kann. – Das wollte ich an dieser Stelle für meine Fraktion ausdrücklich klarstellen. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Ich setze noch einmal an: Im Leben eines jeden Parlamentariers ist es etwas Besonderes, seine erste Rede im Parlament zu halten. Das hat jetzt der Kollege Dr. Georg Kippels vor. Wir begrüßen ihn zu seiner ersten Rede im Deutschen Bundestag. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben seitens der Opposition schon einige Ausführungen auf ideologischer und auf philosophischer Basis gehört. Bei meinem Einstieg in das parlamentarische Leben würde ich mich jetzt gerne einigen systematischen Aspekten widmen und hierzu einige Ausführungen machen. Das Spektrum einer nachhaltigen Entwicklungspolitik ist stark vernetzt. Zahlreiche Faktoren spielen deshalb eine entscheidende Rolle für den Erfolg der Arbeit. Meinen Fokus möchte ich nun auf die Themen Gesundheit und Frauenrechte richten. Hier besteht eine intensive innere Verbindung. Gesundheit und Frauenrechte sind Fundamente der nachhaltigen Entwicklung eines Landes. Gesundheit ist die Basis von gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Entwicklung. Ohne eine gesunde Bevölkerung von Kindesbeinen an scheidet eine erfolgreiche Entwicklung der Gesellschaft aus, weil ganz einfach die Selbstgestaltungskräfte fehlen. Gesundheit ist das Fundament von Bildung, Bildung das Fundament einer qualifizierten Arbeit, und qualifizierte Arbeit führt aus der Armut heraus. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Diese Rangfolge findet sich auch im neuen Haushalt des BMZ wieder. Für den Bereich Gesundheit sind bilaterale Zusagen in Höhe von 250 Millionen Euro angesetzt. Allein auf Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit von Müttern und Kindern entfallen davon 190 Millionen Euro. Damit unterstützen wir klar die Umsetzung der MDGs 4 und 5. Hier wurden schon Fortschritte erzielt, aber es müssen weitere Fortschritte gemacht werden. Es besteht unverändert Handlungsbedarf. Allerdings sind wir mit dieser Ausrichtung auf dem richtigen Weg in Richtung der SDGs. Im Rahmen der regionalen Orientierung ist der Fokus auf Afrika gerichtet. Afrika steht vor vielen Herausforderungen, gerade im Bereich der Gesundheit. Die Dimension der Hilfe leitet sich aus der Bevölkerungsentwicklung und dem demografischen Aufbau der Gesellschaft ab. Für den Erfolg des Prozesses ist es deshalb erforderlich, dass die Entwicklung im Dialog und vor allen Dingen auf Augenhöhe stattfindet. Die Selbstverpflichtung der afrikanischen Staaten, 15 Prozent ihrer Budgets in den Bereich Gesundheit zu investieren, ist noch lange nicht eingelöst. Diese Eigenleistung ist ein wichtiger Baustein bei der Implementierung des Entwicklungsprozesses. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dieser Prozess muss durch die Entwicklungsländer aktiv mitgestaltet und auch mit verantwortet werden. Gleichwohl bedarf Afrika noch großer Unterstützung. Dies spiegelt sich in der Schwerpunktsetzung des Haushalts wider: 50 Prozent der regionalen Mittel gehen in die Schwerpunktregion Afrika. Ziel ist eine ganzheitliche Verbesserung der Lebenssituation der Menschen. Die Gesundheit der Menschen ist der Quell ihrer Schaffenskraft und ihrer persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Wo keine Gesundheit ist, schwindet die Chance auf ein glückliches, selbstverantwortetes und damit erfolgreiches Leben. Dies beginnt bei den Schwächsten der Gesellschaft, den Kindern, die auf eine grundlegende Versorgung angewiesen sind und für die wir alle Verantwortung übernehmen müssen. Gerade in diesem Bereich stehen uns – wir haben es gerade schon gehört – leistungsfähige Konzepte zur Verfügung, zum Beispiel die Internationale Impfallianz, GAVI, die wir in diesem Jahr mit 15 Millionen Euro unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die Unterstützung von GAVI ist eine Investition in die Zukunft, weil GAVI erstens kosteneffizient und zweitens anwendungssicher Krankheitsrisiken bekämpft, zum Beispiel durch eine Fünffachimpfung für Säuglinge und durch Impfkampagnen gegen Meningitis A, Tetanus bei Müttern und Neugeborenen, Masern und Gelbfieber. GAVI hat in den letzten 14 Jahren enorme Erfolge erzielt und die Zahl der Krankheits-, vor allen Dingen aber die Zahl der Sterbefälle massiv reduziert. In über 70 Ländern wird Kindern dank GAVI eine glückliche Zukunft geschenkt. Hierbei ist die schrittweise Überleitung in die Eigenverantwortung der Staaten genau das richtige Konzept. Die Ausrichtung der GAVI-Wiederauffüllungskonferenz in Berlin im Februar 2015 unterstreicht den hohen Stellenwert, der GAVI national und international beigemessen wird. Nur dann, wenn Kinder und Jugendliche körperlich in die Lage versetzt werden, Bildung und die für ihre Zukunft notwendigen Fähigkeiten zu erwerben, macht die Entwicklungszusammenarbeit Sinn; denn dann ist sie nachhaltig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) In die gleiche Richtung zielt die Steigerung des Beitrags an den Global Fund auf in diesem Jahr 245 Millionen Euro; denn auch Aids, Tuberkulose und Malaria sind große Feinde der Entwicklung vieler Staaten. Internationales Engagement kann allerdings kein Allheilmittel sein. Wir sollten auch Wert darauf legen, dass die wissenschaftliche Kompetenz Deutschlands in die EZ eingebracht wird und eine ressortübergreifende Zusammenarbeit von BMG und BMBF mit dem BMZ stattfindet. Technische Fortschritte können zu einer entsprechenden Mittelkompensation führen. Durch eine Steigerung der Mittel allein lässt sich nicht zwangsläufig eine Verbesserung der Qualität der EZ erreichen. Insofern können wir feststellen, dass die ODA-fähigen Ausgaben des BMG bei immerhin 19 Millionen Euro, die des BMBF sogar bei 132 Millionen Euro liegen. Ich komme an dieser Stelle zu den Frauenrechten. Die Position der Frauen in der Gesellschaft ist für den Grad der Freiheit der Menschen und für die Gerechtigkeit entscheidend. Die Bedeutung der Frauenrechte wird im Haushalt daran deutlich, dass wir die Mittel für die Unterstützung des UNFPA verstetigen. Der Prozess der Gleichstellung der Frauen lässt sich aber nicht allein durch entsprechende Mittel umsetzen, dazu bedarf es vor allen Dingen einer zielgerichteten Aufklärungs- und Bildungspolitik. Wir müssen mit geeigneten Steuerungsinstrumenten auf einen gesellschaftspolitischen Wandel hinwirken, zu dem unsere international tätigen Entwicklungspartner wie etwa die GIZ, aber auch die KfW entscheidende Beiträge leisten können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die Emanzipation verändert auch die demografische Entwicklung: Je emanzipierter Frauen sind, desto eher ist eine verantwortliche Familienplanung möglich, und die ist für eine Demokratisierung ein wesentlicher Baustein. Wenn sich die gesellschaftliche Situation von Frauen verbessert, stärkt dies den Demokratisierungsprozess. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Fortschritte in der Mädchen- und Frauenbildung, ein Anstieg der weiblichen Erwerbstätigkeit und sinkende Geburtenraten sind ein wichtiger Motor für Demokratisierung. Frauen investieren direkt in die Familie. Erlangen Frauen wirtschaftliche Entscheidungskompetenz, führt dies zu einer sachgerechten Verwendung des Einkommens für Nahrung, Bildung und vor allen Dingen Gesundheit und damit letztendlich zu einer Verbesserung der Lebenssituation. Nach Schätzungen der FAO können Frauen mit gleichem Zugang zu Produktionsmitteln die landwirtschaftliche Gesamtproduktion um 2,5 bis 4 Prozent steigern. Dies alleine würde für 100 bis 150 Millionen Menschen ein Ende des Hungers bedeuten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Gleichstellung der Frau in Staat und Gesellschaft ist deshalb ein weiterer Schwerpunkt der EZ und ein Kernauftrag an alle handelnden Institutionen. Hierbei sind auch die Stiftungen maßgeblich gefordert. Ich komme zum Schluss. Der Auftrag der Millenniumsziele findet mithin einen nachhaltigen Niederschlag in den Inhalten des Einzelplanes 23. Diese Positionierung ist eine wertvolle Vorlage für die Weiterentwicklung der SDGs, denen wir uns 2015 widmen müssen. Das BMZ wird durch seine Arbeit neue Signale setzen, die die Menschen aus Armut, Hunger und Krankheit führen werden. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Wir gratulieren dem Kollegen Dr. Georg Kippels, CDU/CSU-Fraktion, herzlich zu seiner ersten Rede vor dem Plenum des Deutschen Bundestages. Wir wünschen Ihnen eine interessante parlamentarische Arbeit mit vielen lebendigen Debatten. (Beifall) Als letztem Redner in der Aussprache erteile ich das Wort dem Abgeordneten Tobias Zech, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Tobias Zech (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute eineinhalb Stunden über den Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gesprochen. Ein paar kleine Schärfungen möchte ich noch vornehmen. Wir haben schon einige große Themen erwähnt. Drei lebensnotwendige Grundvoraussetzungen möchte ich noch nennen: Erstens. Über 840 Millionen Menschen fehlt weiterhin genügend Nahrung und damit die Basis zum Überleben. Zweitens. Wie wir der Presse und den Schlagzeilen mittlerweile täglich entnehmen können, nehmen die Sicherheit und die Stabilität weltweit eher ab statt zu. Die steigende Anzahl an gewaltsamen Auseinandersetzungen – ob direkt an unseren Grenzen, ob in der Zentralafrikanischen Republik oder in Syrien und im Irak – zeichnet ein äußerst beunruhigendes Bild. Die Konsequenz für unsere deutsche Entwicklungsarbeit ist unübersehbar; denn Sicherheit bedingt Entwicklung, so wie Entwicklung Sicherheit bedingt. Fehlende wirtschaftliche und soziale Perspektiven sind Brandbeschleuniger in Konflikten. Sie vermehren den sozialen Sprengstoff und verhindern den Aufbau von Stabilität. Drittens. Wir blicken auf eine sich verschärfende Flüchtlingsproblematik. Am 9. April 2014 haben wir vom Minister gehört: Meine Botschaft … ist nicht Resignation, sondern Aufbruch, neues Denken und Mut, Investitionen in Zukunft, Frieden und das Leben. Herr Minister, das waren die richtigen Worte. Sie haben recht mit diesem Appell. Es geht um Aufbruch und nicht um Resignation. Das ist auch die Message, die wir in der Großen Koalition im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und mit diesem Haushalt unterstreichen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Kekeritz, Sie haben uns vorhin ja passend zur WM die drei Karten gezeigt. Leider haben Sie dabei eher an die Schiedsrichterleistung im Spiel Uruguay gegen Italien angeknüpft. Ohne der FIFA irgendwie zu nahe treten zu wollen, denke ich nämlich, die Bilanz unserer Arbeit kann sich sehen lassen. Zur Bewältigung einiger der großen Herausforderungen der zukünftigen Entwicklungsarbeit wurden bereits die drei Sonderinitiativen „Eine Welt ohne Hunger“, „Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren“ und „Nordafrika und Naher Osten“ angestoßen. Sie versetzen uns in die Lage, schnell zu reagieren, bieten uns aber auch die Möglichkeit, uns nicht nur auf die Bekämpfung von Symptomen zu beschränken. Eine weitere Botschaft lässt sich zudem aus den ersten Tagen unserer Regierungsarbeit ablesen: Neues zu schaffen, hat mehr Wert, als zu protestieren. Insgesamt unterstreicht der Einzelplan 23 mit der Neuausrichtung und der Erhöhung um 2,3 Prozent auf einen Etat von 6,44 Milliarden Euro die Botschaft des Ministers. Im Gegensatz zum gesunkenen Gesamthaushalt steigt der Anteil für Entwicklungshilfe. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ja, die Mittel sind nicht unendlich. Umso genauer muss auf ihre Verwendung geachtet werden. Entwicklungspolitik muss Ursachenbekämpfung sein. Genau hier setzen zum Beispiel die politischen Stiftungen an. Als zuständiger Berichterstatter für die politischen Stiftungen in meiner Fraktion begrüße ich ganz besonders die Erhöhung der Ausgaben für die Stiftungen um circa 5 Millionen Euro, die für 2014 zur Verfügung stehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ein Blick in die Welt zeigt: Neben der elementaren Grundsicherung sind funktionierende Rahmenbedingungen für eine wirklich nachhaltige Entwicklung und für Wohlstand notwendig. Als Grenzgänger zwischen Zivilgesellschaft und Staat sind politische Stiftungen ein für uns entscheidendes -Instrumentarium, um bei der Verbreitung und oft auch Verteidigung wesentlicher politischer Menschenrechte anzusetzen. Die Schaffung von Rahmenbedingungen wie Mitsprache, Erwachsenenbildung, Rechtsstaatlichkeit oder Good Governance steht seit jeher im Fokus politischer Stiftungen und nun auch im Zielsystem der Post-2015-Agenda mit den Grundprinzipien Menschenrechte, Chancengerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Hierfür ließen sich bei jeder politischen Stiftung unzählige Beispiele finden. Sie gestatten mir, dass ich heute nur die Tätigkeit der Hanns-Seidel-Stiftung und der Konrad-Adenauer-Stiftung sowohl in Indonesien als auch in Tunesien erwähne. Nichtsdestotrotz machen alle vertretenen politischen Stiftungen sehr gute Arbeit. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Aber vor allem in Tunesien und im Nahen Osten werden über die Stiftungen Werte wie Pluralismus, Grundrechte und Good Governance vermittelt und gefördert. Das hilft nicht nur, diese Länder zu stabilisieren, sondern trägt auch dazu bei, ganze Regionen zu stabilisieren. Das sind nur zwei Beispiele aus der Arbeit unserer politischen Stiftungen, die wesentlich von lang andauernden und somit nachhaltigen Kontakten vor Ort geprägt sind und daher einer kontinuierlichen Förderung bedürfen. Fehlende funktionierende Rahmenbedingungen schaffen nicht nur politische Unsicherheit. In der Konsequenz bewirken sie einen politischen und wirtschaftlichen Dämmerzustand. Als Dominoeffekt ziehen sich Investoren und Handel zurück. Die Transaktionskosten steigen und die Korruption verschärft sich. Ich begrüße daher die vom Minister angekündigten 20 Millionen Euro, die zusätzlich für die Entwicklungszusammenarbeit mit der Ukraine bereitgestellt werden; denn in der Arbeit mit unseren näheren Nachbarn – der Flug von Berlin nach Kiew dauert zweieinviertel Stunden – müssen wir den Fokus noch stärker auf die Etablierung von Rechtsstaatlichkeit legen. Herr Minister, schon einmal vielen Dank für das schnelle Reagieren und das gute Engagement mit Blick auf die Ukraine! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die aktuelle Lage in der Ukraine steht beispielhaft für die beschriebene Kettenreaktion. Es droht ein Staatsbankrott, wenn nicht schnellstmöglich Mittel aus dem Ausland zur Verfügung gestellt werden. Zur Abwendung der Staatsinsolvenz werden 35 Milliarden Euro benötigt. Ich selbst war im Auftrag des Europarates als Wahlbeobachter in Kiew und konnte mir vor Ort einen Eindruck verschaffen. In Gesprächen vor und nach der Wahl am 25. Mai dieses Jahres wurde vor allem eines deutlich: Die mangelnde Rechtssicherheit stellt ein zentrales Problem dar; denn Rechtssicherheit und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung verhalten sich zueinander komplementär: Das eine kann es ohne das andere nicht geben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Zwei Botschaften lassen sich aus dem Fall Ukraine ablesen: Erstens. Die Krise in einem Land in unserer direkten Nachbarschaft zeigt deutlich, dass Entwicklungsarbeit für Deutschland nicht nur ethische Verpflichtung ist, sondern damit auch ganz klar deutsche und europäische Wirtschaftsinteressen vertreten werden. Zweitens. Bei den Gesprächen in der Ukraine hat sich auch gezeigt: Deutschland kann mehr als nur Geld transferieren. Es war beeindruckend, welches Interesse mir an der deutschen Expertise – wir schimpfen immer über unsere Bürokratie – im Bereich der deutschen Verwaltungsstrukturen entgegengebracht worden ist. Es ging um eine effektive und schlanke Verwaltung und um unser Rechtsstaatssystem. Hier können wir mit unserem Wissen und mit den Kontakten, die wir haben, noch viel mehr leisten. Diese Vorreiterrolle im Ausland spielen oft auch deutsche Privatunternehmen mit ihren sozialen Arbeits- und Umweltstandards. Ein besonderes Jubiläum unterstreicht die Funktion der Wirtschaft in der Entwicklungszu-sammenarbeit: Seit 15 Jahren ist die Bundesregierung mit Entwicklungspartnerschaften des Programms -„develoPPP.de“ in über 70 Ländern aktiv. Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Entwicklungsarbeit ist von zahlreichen Kausalitäten gekennzeichnet, die wir alle im Blick haben müssen. Einige habe ich genannt. Unsere Arbeit muss Sicherheit genauso wie ökologische und ökonomische Entwicklung berücksichtigen. Wir müssen die Grundvoraussetzungen zum Überleben – Nahrung, Sicherheit und Menschenwürde – sicherstellen und auch die politischen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Stabilisierung durchsetzen. Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und der Staat müssen Partnerschaften eingehen. Kurz: Unser Ansatz muss umfassend sein. Ich bin der Meinung, wir sind auf dem richtigen Weg. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 23 – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – in der Ausschussfassung. Es liegen mehrere Erklärungen gemäß § 31 der Geschäftsordnung vor.4 Zum Einzelplan 23 liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen werden. Wir beginnen mit dem Änderungsantrag der Fraktion Die Linke. Wer für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1846 stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist dieser Änderungsantrag gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt. Wir kommen nun zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/1847. Wir stimmen über diesen Änderungsantrag auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen ordnungsgemäß besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. (Unterbrechung von 18.25 bis 18.36 Uhr) Vizepräsident Peter Hintze: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Sven-Christan Kindler, Ekin Deligöz und weiterer Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014, hier: Einzelplan 23, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, liegt nun vor: abgegebene Stimmen 559. Mit Ja, also für diesen Änderungsantrag, haben gestimmt 108, mit Nein haben gestimmt 447. Enthalten haben sich 4 Kolleginnen und Kollegen. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 559; davon ja: 106 nein: 449 enthalten: 4 Ja DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Susanna Karawanskij Katja Kipping Jutta Krellmann Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Cornelia Möhring Niema Movassat Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Martina Renner Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Pia Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Luise Amtsberg Kerstin Andreae Annalena Baerbock Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Katharina Dröge Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Anja Hajduk Britta Haßelmann Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Renate Künast Markus Kurth Monika Lazar Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Peter Meiwald Irene Mihalic Beate Müller-Gemmeke Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Corinna Rüffer Manuel Sarrazin Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Nein CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Artur Auernhammer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Julia Bartz Günter Baumann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexandra Dinges-Dierig Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Jutta Eckenbach Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Charles M. Huber Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Marlene Mortler Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Ronald Pofalla Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Stritzl Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Oliver Wittke Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Willi Brase Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier-Heite Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Ulrike Gottschalck Michael Groß Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Michael Hartmann (Wackernheim) Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Dr. Barbara Hendricks Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Matthias Ilgen Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Ulli Nissen Mahmut Özdemir (Duisburg) Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Gerold Reichenbach Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Claudia Tausend Michael Thews Wolfgang Tiefensee Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Andrea Wicklein Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Enthalten SPD Marco Bülow Dr. Karamba Diaby Dr. Sascha Raabe Stefan Rebmann Jetzt erst stimmen wir über den Einzelplan 23 in der Ausschussfassung ab; die Grünen hatten mit ihrem Änderungsantrag ja beantragt, diese Ausschussfassung zu ändern. Das sage ich allen, die das trotz langjähriger parlamentarischer Erfahrung nicht so ganz auf dem Schirm hatten. Das ist Demokratie. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 23 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Einzelplan 23 in der Ausschussfassung mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom Deutschen Bundestag angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt II.11 auf: Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Drucksachen 18/1023, 18/1024 Berichterstatter sind die Abgeordneten Bartholomäus Kalb, Karin Evers-Meyer, Michael Leutert und Dr. Tobias Lindner. Zum Einzelplan 14 hat die Fraktion Die Linke drei Entschließungsanträge eingebracht, über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich erteile als erster Rednerin in dieser Debatte das Wort Christine Buchholz, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Auch das noch!) Christine Buchholz (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau von der Leyen, Herr Steinmeier und Herr Gauck haben den Ton für die außen- und sicherheitspolitische Marschrichtung der Großen Koalition gesetzt, als sie unisono auf der Münchner Sicherheitskonferenz ihre Entschlossenheit zur Entsendung von mehr deutschen Soldaten ins Ausland vortrugen. Ziel ist es, wie bereits 2010 zu Beginn der Bundeswehrreform erklärt wurde, die Zahl der sich im Einsatz befindenden Soldatinnen und Soldaten durchhaltefähig auf wenigstens 14 000 zu erhöhen. Genau diese Ausrichtung drückt sich in dem vorliegenden Haushalt aus, und genau deshalb lehnen wir ihn ab. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Warum kommt so ein Quatsch in der ersten Rede?) Nehmen wir zum Beispiel den Militärtransporter A400M. Dieses Flugzeug soll dort eingesetzt werden, wo Truppen und Ausrüstung über weite Strecken in Kriegsgebiete geflogen werden. Sie sollen die veralteten Transall-Maschinen ersetzen. Für den A400M werden allein im laufenden Haushaltsjahr 900 Millionen Euro versenkt. Dieses Geld könnte eingespart werden. (Beifall bei der LINKEN) Daneben werden einige Milliarden für weitere Rüstungsgroßprojekte verplant, darunter Hubschrauber, Kampfflugzeuge, Schiffe, Spähprogramme usw. usf. (Michael Brand [CDU/CSU]: Weil sie notwendig sind!) Schließlich sieht die Vorlage der Bundesregierung auch noch 815 Millionen Euro für sogenannte „wehrmilitärische“ Forschung vor. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Genau!) Rechnen wir das alles zusammen, so ergeben die sogenannten verteidigungsinvestiven Ausgaben, also das Geld für militärische Beschaffung und Rüstungsforschung, 2014 nach der Regierungsvorlage eine Summe von insgesamt 5,5 Milliarden Euro – 5,5 Milliarden Euro, die tatsächlich besser für andere Dinge eingesetzt werden könnten. (Beifall bei der LINKEN) Diese immensen Ausgaben sind auf die Zukunft einer Bundeswehr im Dauereinsatz gerichtet. Daneben schlagen die laufenden internationalen Einsätze in diesem Jahr mit Zusatzkosten von 775 Millionen Euro zu Buche. Schließlich – das sollten wir nicht vergessen – kostet uns die Beteiligung an der NATO allein in diesem Jahr zusätzlich 200 Millionen Euro. (Henning Otte [CDU/CSU]: Frieden gibt es nicht umsonst!) Wir sehen: „Vom Einsatz her denken“ – so die Devise – führt nicht nur zur Beteiligung an immer mehr Kriegs- und Krisenherden der Welt; dieser Ansatz verschlingt auch Milliarden, und diese Milliarden fehlen in den Kindergärten, in den Schulen, in den Schwimmbädern, in Krankenhäusern, aber auch für Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit in vielen Teilen der Welt. Nun hat Frau von der Leyen (Dr. Karl A. Lamers [CDU/CSU]: „Ministerin” heißt es! – Henning Otte [CDU/CSU]: Frau Ministerin! – Gegenruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ruhe da vorne!) 15 Rüstungsgroßprojekte auf Eis gelegt. Es handelt sich um das Eingeständnis, dass die Kosten völlig aus dem Ruder laufen. Dabei geht es nicht nur um das laufende Haushaltsjahr. Nehmen wir das Beispiel des Eurofighters. Der Bundesrechnungshof wirft dem Verteidigungsministerium vor, den – Zitat – „Überblick über die aufgelaufenen und noch anfallenden Ausgaben beim EUROFIGHTER“ vollständig verloren zu haben. Es ist das mit Abstand teuerste Rüstungsprojekt der Bundesrepublik Deutschland. Der Eurofighter wird den Steuerzahler bis zu seiner Ausmusterung schließlich 60 Milliarden Euro gekostet haben, so der Bundesrechnungshof. Frau von der Leyen lässt das Projekt jetzt überprüfen. Aber ich sage: Das reicht nicht. Ziehen Sie auch hier endlich die Reißleine! Wir brauchen dieses Kampfflugzeug nicht. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Sicherheit gibt es nicht umsonst!) Vor allem: Neue Milliardengräber wie der Eurofighter dürfen gar nicht erst ausgehoben werden. (Beifall bei der LINKEN) Kommen wir in diesem Zusammenhang auf ein Thema, Frau von der Leyen, das Sie gar nicht so gern mögen: Reden wir über Drohnen! Zur Frage der Kampfdrohnen haben Sie ja keinen Mucks in der Öffentlichkeit gesagt. Jetzt soll erst einmal eine Ethikdebatte im Bundestag geführt werden. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Was ist daran falsch?) Doch wer sich die Details anguckt, bemerkt, dass im Haushaltsentwurf längst zwei Titel für das sogenannte System zur Abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes – kurz: SAATEG – enthalten sind. Dabei handelt es sich um nichts anderes als die Umschreibung für die Entwicklung und Beschaffung von Drohnentechnologie. Im laufenden Haushaltsjahr sind dafür bescheidene 22 Millionen Euro veranschlagt; bis 2018 und darüber hinaus sind aber Summen von zusammengerechnet rund 300 Millionen Euro reserviert. Was Sie nicht laut sagen: Das schließt auch die Beschaffung von Kampfdrohnen ein. So hat die Bundesregierung auf Anfrage der Linken jüngst erklärt, für die zu beschaffenden Drohnen sei konzeptionell eine Bewaffnungsfähigkeit gefordert. Der Haushaltsentwurf zeigt also: Während die Bundesregierung vorgibt, erst eine Ethikdebatte führen zu wollen, sind die Weichen zur Beschaffung von Kampfdrohnen längst gestellt. Die Linke sagt: Wir brauchen diese Drohnen nicht. Das wollen wir nicht. Das will auch die Bevölkerung nicht. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Wir brauchen die Linken nicht!) Noch etwas: Selbst für den Euro-Hawk-Nachfolger plant die Große Koalition laut Haushaltsentwurf bis 2018 und darüber hinaus fast 700 Millionen Euro ein. SPD und CDU/CSU sind gemeinsam dabei, Deutschland in die nächste Rüstungsspirale hineinzudrehen und zur Drohnennation zu machen. Dem werden wir uns widersetzen. (Beifall bei der LINKEN) Die Bundesregierung hat nun ein Problem. Die Ausrichtung der Bundeswehr auf internationale Einsätze macht den Dienst immer unattraktiver. Unabhängig von den Plänen zur Steigerung der Attraktivität, die Sie neulich medienwirksam verkündet haben, stehen im Haushalt für Nachwuchswerbung bereits 30 Millionen Euro zur Verfügung. Davon werden Messestände, PR-Filmchen und Adventure Camps bezahlt – alles Maßnahmen, die nur einen Zweck haben, nämlich jungen Leuten vorzugaukeln, die Bundeswehr biete ihnen eine Perspektive. (Dr. Karl A. Lamers [CDU/CSU] und Michaela Noll [CDU/CSU]: Das tut sie auch!) Aber wer sich mit Soldatinnen und Soldaten unterhält, die mit Posttraumatischen Belastungsstörungen aus dem Einsatz gekommen sind, kennt die Realität dieser Einsätze, eine Realität, die Frau von der Leyen wegwerben will. Für die Nachsorge von Traumatisierten stehen im Übrigen viel zu wenig Mittel bereit. Hier wäre das Geld sinnvoll angelegt. (Beifall bei der LINKEN) Dieser Haushalt, meine Damen und Herren, ist inakzeptabel. Er verspricht der Rüstungsindustrie ein großes Geschäft, mit der die Bundesregierung auch in engem Kontakt steht. Buchstäblich im Wochentakt gehen die Spitzenvertreter von Rüstungsfirmen in den Ministerien ein und aus. Das musste die Bundesregierung auf Anfrage der Linken einräumen. Schon werden die Stimmen aus den Reihen der Industrie – wen wundert es? –, aber auch der SPD und der CDU lauter, die eine Erhöhung des Militärhaushaltes verlangen. Wir sagen: Das ist der falsche Weg. Deutschland muss sich aus den Auslands-einsätzen zurückziehen. Deutschland muss abrüsten, besser heute als morgen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Bartholomäus Kalb, CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach langen und intensiven Beratungen im Ausschuss haben wir in dieser Woche den Bundeshaushalt 2014 abschließend zu beraten. Wir sind, wie gestern und heute schon festgestellt werden konnte, zu einem sehr, sehr guten Ergebnis gekommen. Unsere Ziele bezüglich des Haushaltsvolumens und der Nettokreditaufnahme, die wir uns vorgenommen haben, konnten erreicht werden. Es ist ganz wichtig, dass wir die vorgesehene Nettokreditaufnahme in Höhe von 6,5 Milliarden Euro trotz der Überraschungen, die uns erreicht haben, am Ende der Haushaltsberatungen auch einhalten konnten. Wichtig ist auch, dass wir alle Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass wir im Jahre 2015 wie geplant einen Bundeshaushalt vorlegen und hoffentlich auch verabschieden können, der absolut ausgeglichen ist. Das hat etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun. Das hat etwas mit Zukunftssicherung zu tun. Ich habe davon gesprochen – Kollege Kahrs wird es mir bestätigen –, dass wir kurz vor der Abschlussrunde von unangenehmen Ereignissen überrascht worden sind: Urteil des Finanzgerichtes Hamburg, Rückzahlung der Brennelementesteuer, weniger Einnahmen. Auf all diese Dinge will ich nicht im Einzelnen eingehen, weil wir jetzt über den Fachetat sprechen. Diese Ereignisse haben aber dazu geführt, dass wir sowohl auf der Einnahme- wie auf der Ausgabenseite noch große Anstrengungen unternehmen mussten. Leider – ich sage: leider – ist auch der Verteidigungsetat nicht ungeschoren davongekommen. Wir mussten eine globale Minderausgabe in Höhe von 400 Millionen Euro einstellen. Schon beim Haushaltsentwurf haben wir im Einzelplan 60, in dem die Kosten für ziviles Überhangpersonal ausgewiesen sind, zunächst Reduzierungen in Höhe von 500 Millionen Euro vorgenommen. Im nächsten Jahr sind es noch einmal 300  Millionen Euro. Diese Mittel werden genauso wie die globale Minderausgabe – so wurde es in den Vorgesprächen vom Finanzminister zugesagt – zeitgerecht und bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt. Ich sage: Die jetzt vorgenommenen Einsparmaßnahmen sind vielleicht optisch nicht schön, aber vertretbar, weil wir im Moment deutliche Verzögerungen beim Zulauf von entsprechenden Beschaffungsvorhaben haben. Insofern ist es ganz wichtig, dass dann die jetzt vorgenommenen Einsparungen bedarfsgerecht zur Verfügung gestellt werden. Die Bundeswehr stand und steht auch jetzt ständig vor immer neuen Herausforderungen. Sie steht immer wieder vor der Herausforderung, so aufgestellt sein zu müssen, dass sie ihren Beitrag leisten kann, damit Deutschland nach innen und nach außen seiner Verantwortung gerecht werden kann. Damit sichert die Bundeswehr unsere internationale Handlungsfähigkeit. Sie dient den Menschen hier im Land, aber auch den Menschen in der Welt, wo die Angehörigen der Bundeswehr für Frieden, Freiheit und die Durchsetzung der Menschenrechte eintreten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn ich sage „im Innern“ dann erinnere ich mich, dass ich vor ziemlich genau einem Jahr mittags hier noch eine Rede halten sollte, aber wegen der damaligen Flutkatastrophe in meinen Wahlkreis musste. Die Bundeswehr hat uns auch hier wieder gezeigt, wie wichtig ihr Einsatz im Zusammenwirken mit den anderen Hilfs-, Katastrophenschutz- und Rettungskräften ist, um den Menschen hier im Lande zu dienen, wenn Not am Mann ist, weil die Flut kommt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir haben heute wieder über zwei Missionen abgestimmt. Ich bin sehr froh, dass unsere Bundeswehr, auch wenn wir nicht mehr die allgemeine Wehrpflicht haben, eine Parlamentsarmee bleibt. Ich glaube, wenn es um Einsätze geht, nehmen wir alle jede Entscheidung sehr ernst. Keiner macht sich eine solche Entscheidung leicht. So soll es sein und bleiben: Wir entscheiden uns immer wieder in großer Verantwortung für oder gegen den einen oder anderen Einsatz. Die Soldaten, die Angehörigen der Bundeswehr müssen immer wissen, dass wir als Parlament hinter ihrem Einsatz stehen und die Verantwortung dafür übernehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hätte gedacht, dass heute Morgen alles Notwendige zu der unsäglichen Aussage eines gewissen Landtagsabgeordneten Müller von den Linken gesagt worden ist, der einen Sitz im Potsdamer Landtag hat. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Jetzt kommen Sie wieder mit der Nummer! Unmöglich!) Aber Sie sind wieder damit gekommen. Es ist unsäglich, eine solche Aussage über unser Staatsoberhaupt zu treffen oder die Ministerin und andere, die sich entsprechend äußern, verunglimpfen zu wollen. (Beifall bei der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Unglaublich!) Ich bin schon ziemlich lange im Parlament; ich weiß, wie wir damals um den ersten Einsatz im Ausland, auf dem Balkan, gerungen haben, vor einem völlig anderen Hintergrund, mit einer anderen Sicht auf die Verfassungslage. Es wird aus heutiger Sicht niemand abstreiten können, dass wir eine große Verantwortung dafür tragen, wie es beispielsweise am Südrand Europas weitergeht – deswegen diese Dinge. (Beifall der Abg. Karin Evers-Meyer [SPD] – Zurufe von der LINKEN) Sie werden doch nicht abstreiten können, dass wir Bündnisverpflichtungen haben, dass wir gesamteuropäische Verpflichtungen haben, dass wir NATO-Verpflichtungen haben, dass wir Verpflichtungen im Hinblick auf den Frieden in einer Region haben, in der es auch um die Sicherheit Israels geht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gerade wir Deutsche haben hier eine große Verantwortung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Verantwortung zu übernehmen, bedeutet, Frieden und Freiheit zu sichern und bereit zu sein, die entsprechenden Mittel und Möglichkeiten zu nutzen. Das bedeutet, den Menschenrechten Geltung zu verschaffen und die territoriale Inte-grität zu wahren. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Vor allem in Saudi-Arabien! – Gegenruf der Abg. Karin Evers-Meyer [SPD]: Durch Ihre Zurufe wird es auch nicht wahrer!) Es bedeutet, dem Völkerrecht zu dienen. Deswegen müssen wir all die Vorwürfe von der Linken zurückweisen. Offensichtlich haben solche Aussagen bei Ihnen Methode; ich will nicht länger darauf eingehen. Die Bundeswehr steckt mitten in einem großen Umstrukturierungsprozess; sie ist auf dem Weg von der ehemaligen Wehrpflichtarmee zur neuen Form. Wir werden nur noch 170 000 Berufs- und Zeitsoldaten haben. Wir haben keine Wehrpflichtigen mehr. Wir gehen davon aus, dass es uns gelingt, 12 500 freiwillig Dienstleistende zu gewinnen, und wir beziehen auch die Reservisten – ihre geplante Zahl liegt bei 2 500 – ganz intensiv mit ein. Auch das zivile Personal wird natürlich entsprechend reduziert. Es gibt also große Reformen, große Umbrüche, große Herausforderungen für alle, die in der Bundeswehr zivil oder militärisch Dienst leisten. Deswegen gilt ihnen besonderer Dank und besondere Anerkennung dafür, dass sie trotz dieser Umstrukturierung ihren Auftrag hervorragend erfüllen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen demzufolge vor ganz neuen Herausforderungen, was die Personalgewinnung betrifft, Stichwort „Attraktivitätsprogramm“. Wir stehen im Wettbewerb mit anderen Berufsfeldern und Berufsbildern am Arbeitsmarkt. Deswegen begrüße ich ausdrücklich, Frau Ministerin, Ihre Anregung, den Angehörigen der Bundeswehr mehr Möglichkeiten der Weiterbildung und Weiterentwicklung zu bieten und diese stärker herauszustellen. Unter Umständen können diese Weiterbildungsmaßnahmen mit entsprechenden Zertifikaten abgeschlossen werden, damit diejenigen, die die Bundeswehr nach einer gewissen Zeit in die Privatwirtschaft verlassen, ihre Kenntnisse belegen können und dort auch entsprechend Anklang finden. Auch diese Form der Qualifizierung scheint mir sehr wichtig zu sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir erteilen unseren Soldatinnen und Soldaten nicht nur Aufträge, sondern wir müssen auch dafür sorgen, dass sie entsprechend gut ausgerüstet sind. Das ist eine permanente Aufgabe, die von uns im Haushaltsausschuss und auch von den Fachkollegen im Verteidigungsausschuss wahrgenommen wird. Auf anderen Feldern, Stichwort „Kommunikationstechnologie“, beklagen wir, dass wir in Deutschland und auch in Europa überhaupt nicht mehr die entsprechenden Fähigkeiten haben. Wir müssen schon dafür sorgen, dass wir auch künftig die technologischen Fähigkeiten haben, die wir brauchen, um unseren Aufgabenstellungen gerecht werden zu können. Das Verteidigungsbudget in Deutschland und auch die Verteidigungsbudgets unserer Verbündeten in Europa werden immer kleiner. Die Nachfrage sinkt, und es wird daher immer schwieriger, die Fähigkeiten zu erhalten. Es nützt uns auch nichts, nur die Fähigkeiten, die wir jetzt haben, zu erhalten. Die Welt wandelt sich sehr schnell, und woanders können im Bereich der militärischen Forschung und Entwicklung Mittel in ganz anderem Umfang eingesetzt werden. Wir müssen dafür sorgen, dass wir bei der technologischen Entwicklung nicht abgehängt werden. Wir müssen uns die Frage stellen: Welche Märkte stehen uns überhaupt zur Verfügung, um unsere Fähigkeiten auch in der Zukunft nutzen zu können? Nicht dass unsere Nachfolger hier im Parlament möglicherweise feststellen müssen: Wir würden ja gerne bestimmte Aufgaben wahrnehmen und die Verantwortung für bestimmte Bereiche übernehmen, aber wir haben nicht mehr die entsprechenden Fähigkeiten. Ich möchte hinzufügen: So manche Entwicklung, die im militärischen Bereich stattgefunden hat, weil gerade dort der Zwang zur Miniaturisierung und zur Präzisierung sehr groß ist, ist im Bereich der zivilen Technologien sehr nutzbringend eingesetzt worden. Auch diesen Aspekt sollten wir nicht übersehen. Ich bedanke mich zum Schluss ganz herzlich bei meiner Kollegin Mitberichterstatterin, Frau Karin Evers-Meyer, bei Dr. Tobias Lindner und bei Michael Leutert, aber auch bei Ihnen, Frau Ministerin, und Ihren Mitstreitern, Staatssekretären und Mitarbeitern im Haushaltsreferat – ganz herzlichen Dank! Wir hatten trotz unterschiedlicher Auffassung im Einzelfall eine gute Beratung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Ich bitte die nachfolgenden Redner, nicht einfach durch Zusammenfalten des Manuskripts beim Präsidium den Eindruck zu erwecken, der Redner sei fertig, und dann geht es doch noch ziemlich lange. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Alter Fuchs!) Bitte halten Sie sich an die Zeit. Das ist auch fair den anderen Kollegen gegenüber. Als Nächstem erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Tobias Lindner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. (Johannes Kahrs [SPD]: Guter Mann!) Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann Sie, Herr Präsident, beruhigen: Mein Manuskript ist auf Pappe gedruckt, und dadurch wird das Zusammenfalten etwas schwierig. Wir führen die jährliche Debatte über den Verteidigungshaushalt. Das ist durchaus eine besondere Debatte, weil wir über die finanziellen Grundlagen des Dienstes unserer Soldatinnen und Soldaten reden, eines Dienstes, der nur schwerlich mit anderen Berufen vergleichbar ist. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD) Die Debatte in diesem Jahr ist auch besonders, weil wir über den Etat einer Ministerin sprechen, die sich – so ist mein Eindruck – auf den selbstgewählten Weg zur Kanzlerinnenkandidatur begeben hat. Frau von der Leyen, Sie sind mit großen Schritten – oder besser gesagt: mit großen Ankündigungen – in dieses Amt gestartet. Sie selbst haben die Maßstäbe, an denen Sie gemessen werden, definiert. Wir sprechen beim Einzelplan 14 über einen Etat, der mit über 32 Milliarden Euro der zweitgrößte Fachetat, nach dem Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, des Gesamthaushaltes ist. Wenn am Freitag dieser Haushalt mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen werden wird, dann vertrauen Ihnen Union und SPD eine ganze Menge Geld an. Die Opposition fragt sich zu Recht, ob die richtigen Schwerpunkte gesetzt wurden, ob diese 32 Milliarden Euro in die richtigen Bereiche fließen. Als grüne Fraktion müssen wir vor allem bezweifeln, dass Sie mit dem Geld, das Ihnen anvertraut wird, Frau von der Leyen, so umgehen, wie es das Parlament erwarten darf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Aufregung war groß, vor allem bei den Kolleginnen und Kollegen der Union, als ich hier in der ersten Lesung ein Rüstungsmoratorium für die 15 größten Projekte gefordert habe. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine gute Sache!) Es ist Ihnen natürlich interpretatorisch freigestellt, über welche unserer Anträge Sie sich aufregen wollen und über welche nicht. Wir Grünen sind aber schon der Meinung, dass man das, was Sie angekündigt haben, Frau von der Leyen, ernst nehmen sollte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Brand [CDU/CSU]) Da Sie im Frühjahr Projektstatusberichte nicht gebilligt haben, finden wir es recht und billig, dass der Haushaltsausschuss Gelder für diese Projekte erst dann freigibt, wenn Sie dem Ausschuss einen gebilligten Statusbericht vorlegen und wir sicher sein können, dass zumindest das eigene Haus von diesen Projekten noch überzeugt ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen nicht – das haben wir in diesen Haushaltsberatungen gezeigt –, dass der Abend, an dem das Rüstungsboard tagte, eine bloße Inszenierung mit den tragischen Opfern Stéphane Beemelmans und Detlef Selhausen bleibt, sondern, dass daraus echte Konsequenzen erwachsen. Haushaltsberatungen – das hat Bartholomäus Kalb gerade demonstriert – sind gewöhnlich auch ein Ort des Dankes an die Kollegen im Ausschuss, an die Mitarbeiter und an das Ministerium. Ich will heute besonders den von mir geschätzten Kollegen Karin Evers-Meyer und Bartholomäus Kalb für einen Änderungsantrag in der Bereinigungssitzung zum Bundeshaushalt danken. Sie haben es fertiggebracht, dass wir binnen 30 Minuten Beratung im Ausschuss den Verteidigungshaushalt um 400 Millionen Euro kürzen konnten. Ich zitiere aus der Begründung des Antrags der Koalitionsfraktionen: Begründung: Zu erwartende Minderausgaben aufgrund von Verzögerungen im Bereich der militärischen Beschaffungen. Vor wenigen Wochen haben Sie sich hier noch über unsere Forderung nach einem Rüstungsmoratorium aufgeregt und mich vielleicht sogar für irre gehalten. Ich gratuliere Ihnen zu dieser kognitiven Leistung und zu dieser Konsequenz, die Sie gezogen haben. Auch wenn die Kürzung unserer Ansicht nach deutlich stärker hätte ausfallen können, bin ich froh, dass es an dieser Stelle in die richtige Richtung gegangen ist. Dieser Antrag zeigt noch etwas anderes: Die Große Koalition (Johannes Kahrs [SPD]: Wirkt!) vertraut ihrer eigenen Ministerin nicht. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!) Wenn man sich fragt, wer der Verlierer oder die Verliererin dieser Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuss ist, dann wird schnell klar: Es ist die Bundesministerin der Verteidigung. Sie haben sie selbst dazu auserkoren. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dieser Haushalt zeigt vor allem noch einen anderen Punkt: Frau Ministerin, Sie befinden sich auf einer haushaltspolitischen Geisterfahrt. Wenn Sie in dieses Parlament einen Haushaltsplan einbringen, aus dem die -eigene Koalition noch am Tag der Bereinigung 400 Millionen Euro herauskürzen kann, dann hat dieser Etatentwurf wenig mit Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben hier in der ersten Lesung ausgeführt, dass 2013 1,5 Milliarden Euro nicht abgeflossen sind. Jetzt wurde der Etat noch einmal um 400 Millionen Euro gekürzt. Damit sind wir bei einer Kürzung um 1,9 Milliarden Euro. Sie haben ausgeführt, dass Herr Schäuble -Ihnen in den kommenden Jahren zusätzlich 800 Millionen Euro für Beschaffungsprojekte dazugibt. Nach Adam Riese bleibt eine Differenz von 1,1 Milliarden Euro. Selbst wenn die Kosten heute nicht anfallen, wird die Rechnung für diese Rüstungsaltlasten kommen. Im Moment ist es Ihr Geheimnis, wie Sie sie bezahlen wollen, zumal Sie angekündigt haben – durchaus zu Recht –, die Attraktivität des Dienstes und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern zu wollen. Das kostet aber Geld. Wir fragen uns, wie Sie das in Zukunft bezahlen wollen, wenn Sie übermorgen die Rechnungen für Rüstungsprojekte von vorgestern bekommen, die vielleicht irgendwann einmal zulaufen werden. Zum Abschluss möchte ich noch auf einen anderen Punkt eingehen. Über die Attraktivität ist viel geredet worden, zum Teil wurde auch zu Unrecht Kritik geübt, beispielsweise hinsichtlich der Flachbildschirme und der Minikühlschränke. Ich will das gar nicht flapsig konnotieren. Ich glaube, dass das durchaus eine Verbesserung darstellen kann, wenn das nicht die einzige Maßnahme bleibt bzw. man die Verbesserung des Dienstes nicht darauf reduziert. Ich bin aber davon überzeugt, dass unsere Soldatinnen und Soldaten, gerade diejenigen, die momentan im Auslandseinsatz sind, in diesen Tagen ganz andere Sorgen haben als fehlende Flachbildschirme oder Minikühlschränke. Ihnen geht es eher um Schutzwesten und aktiven Gehörschutz. Es ist aber vor allem die Sorge darum, ob ihre Waffe, die sie hoffentlich nie einsetzen müssen – ich spreche vom Sturmgewehr G36 –, tatsächlich unter allen Umständen trifft. Das Ministerium hat seit Jahren diese Probleme kleingeredet. Dann sollte es plötzlich die Munition gewesen sein. Schließlich schrieb Ihnen der Rechnungshof vor wenigen Tagen ins Stammbuch, dass es doch erhebliche Zweifel an der Waffe selbst gibt und umfangreiche Überprüfungen notwendig sind. Dann erfahren wir als gewählte Abgeordnete am Sonntag durch die BAMS, dass nun ein angeblicher Beschaffungsstopp erfolgt sein soll. Ich glaube, die Menschen in diesem Land stellen sich unter Beschaffungsstopp vor, dass kein Gewehr mehr reinkommt und kein Geld mehr dafür rausgeht, bis man die Ursache des Problems kennt. Stattdessen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nimmt das Bundesministerium der Verteidigung noch gemäß alten geltenden Verträgen in diesem Jahr mehrere Hundert, wenn nicht gar Tausend G-36-Gewehre ab und wird dafür Millionen zahlen. Das ist das Gegenteil eines Beschaffungsstopps. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will dazu nur sagen: Wenn das Ihre neue Herangehensweise bei der Reformierung des Beschaffungsprozesses ist, Frau Ministerin, habe ich den Glauben verloren, dass sich im Herbst tatsächlich etwas ändern wird. Ich komme zum Schluss. Wir Grüne haben in diesen Haushaltsberatungen nicht nur den Finger in die Wunde gelegt, sondern auch aufgezeigt, was wir unter „mehr Verantwortung Deutschlands in der Welt“ verstehen. Wir stellen uns darunter vor, dass Deutschland für eine atomwaffenfreie Welt eintritt und eine nukleare Teilhabe aufgibt. Wir stellen uns darunter vor, dass militärisches Eingreifen immer noch die Ultima Ratio bleibt. Deswegen beantragen wir einen Ressortkreis „Zivile Krisenprävention“ im AA, im BMZ und auch im Verteidigungsministerium. Das alles haben Sie nicht gewollt. Stattdessen legen Sie einen Haushalt vor, der heute die Kosten für Probleme von gestern präsentiert und sich den Herausforderungen der Zukunft verweigert. Deswegen werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat nun Kollegin Karin Evers-Meyer das Wort. (Beifall bei der SPD) Karin Evers-Meyer (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rüstungsboard, Attraktivitätsoffensive und globale Minderausgaben waren die etwas negativ aufgeladenen Schlagworte zum Verteidigungsetat in der ersten Jahreshälfte. Ich hätte mir ein bisschen bessere vorstellen können. Das aber nur vorweg. Lassen Sie mich heute trotzdem ganz unmissverständlich und deutlich sagen, meine Damen und Herren: Wir verabschieden einen Etat, der im Großen und Ganzen in Ordnung ist. Ich bin mit dem Verlauf der vergangenen Verhandlungen zufrieden. Mein Kollege Bartholomäus Kalb hat das schon ausgeführt. Ich kann mich seinen Ausführungen dazu nur anschließen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht versäumen, mich bei den Mitberichterstattern, Herrn Kalb, Herrn Lindner und Herrn Leutert, herzlich für die gute Zusammenarbeit zu bedanken. Auch bei Ihnen und Ihrem Hause, Frau Ministerin, möchte ich mich für die gute Zusammenarbeit und die stete Bereitschaft, mit uns zu reden, bedanken. Der Haushalt umfasst in der vorliegenden Form gut 32 Milliarden Euro und bleibt damit weiterhin auf einem stabilen Niveau. Angesichts des schrumpfenden Personalkörpers, der immerhin noch ein Drittel der Gesamtausgaben bindet, und in Zeiten der Haushaltskonsolidierung ist das für unsere Bundeswehr ein wirklich gutes Ergebnis. Dass aus diesem umfangreichen Haushalt immerhin 148 Millionen Euro zugunsten der Gegenfinanzierung des Betreuungsgeldes gezogen werden, ist für mich auch besonders erwähnenswert. Aus meiner Sicht laufen jedoch bisweilen die nicht abfließenden Mittel der Wahrheit und Klarheit – genau -darum geht es bei uns im Haushaltsausschuss – der Haushaltsführung zuwider. Der Bereich der verteidigungs-investiven Ausgaben – dort geht es um einen Anteil an militärischen Beschaffungen von fast 15 Prozent – bleibt problembehaftet. Der Bundesrechnungshof hat entsprechende Rügen ausgesprochen. Ich kann nur betonen, dass sich solch eine Situation eigentlich nicht so oft wiederholen sollte. An Vorschlägen und Bereitschaft, diesen Missstand zu beheben, hat es in den vergangenen Monaten nicht gemangelt, an der Umsetzung manches Mal schon. Die Anträge, die aus der Opposition kamen, waren nicht hilfreich. Das muss man leider so sagen. Besonders befremdet mich in diesem Fall, dass die Linken wider besseres Wissen von einer Hinwendung zu einer Interventionsarmee sprechen. (Zurufe von der LINKEN) Das ist allein aufgrund unserer demokratischen Prinzipien so ein Unfug, dass man es kaum wiederholen kann. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE]) Vor allen Dingen – das muss ich hier auch einmal deutlich sagen – empfinde ich das als Beleidigung gegenüber all denjenigen Männern und Frauen, die sich für einen Dienst bei unserer Bundeswehr entscheiden, egal ob in Uniform oder ohne. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die deutsche Gesellschaft, also wir alle, sind unseren Soldatinnen und Soldaten für ihren Dienst zu Dank verpflichtet. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Landesverteidigung! – Johannes Kahrs [SPD]: Die Linke ist nicht regierungsfähig und nicht koalitionsfähig! – Gegenruf von der CDU/CSU: Das merkt euch!) – Ich würde jetzt gerne fortfahren. Der Umgang des Ministeriums mit den Herausforderungen des ersten Halbjahres war nicht immer ganz so, wie wir uns das gewünscht hätten. Frau Ministerin, was die Auslieferung von großen Beschaffungsprojekten betrifft, so sind Sie ganz bestimmt nicht für die Verzögerungen verantwortlich zu machen. Sie müssen aber den Damen und Herren der Industrie endlich einmal sagen, dass eine Aneinanderreihung von Katastrophen nicht vertrauensbildend ist. Zu spät, zu teuer und nicht bedarfsgerecht sind weitere Schlagworte, mit denen wir uns leider ständig herumschlagen müssen. Der sogenannte Global Deal und der Transporter A400M sind hier nur zwei schlechte Beispiele. Wenn Sie das auch so sehen, Frau Ministerin, dann beteiligen Sie das Parlament und seinen Haushaltsausschuss ruhig noch frühzeitiger, und legen Sie uns alle Fakten vor, ganz so, wie Sie es uns versprochen haben. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU]) Transparenz soll die Basis unserer Zusammenarbeit sein. Da wünsche ich mir noch ein bisschen mehr Entgegenkommen von Ihnen. Dann können wir Ihnen ganz sicher auch helfend zur Seite stehen. (Beifall des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Die Herausforderung einer globalen Minderausgabe von 400 Millionen Euro – das ist hier ja schon ausreichend gewürdigt worden – haben wir ja auch zusammen gestemmt. Werfen wir aus haushalterischer Sicht noch einen Blick auf die sogenannte Attraktivitätsoffensive. Ich begrüße Ihren Maßnahmenkatalog, Frau Ministerin. Meine Fraktion ist natürlich bereit, Sie weitgehend zu unterstützen. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass die anfängliche Skepsis der Zielgruppe – das sind ja unsere Soldatinnen und Soldaten – endlich in Zustimmung umschlägt. Ich glaube, das Verteidigungsministerium muss da noch Kohle drauflegen, noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten und vor allen Dingen eine noch bessere Kommunikationsstrategie fahren. Wer eine Attraktivitätsoffensive wirklich will, muss auch Geld in die Hand nehmen. Ich bin wirklich gespannt, ob die 103 Millionen Euro bis 2018 ausreichen werden und wo dieses Geld eingespart werden soll. Denn eines ist bei diesem ganzen Prozedere offensichtlich: Für das Personal ist im Sinne der Attraktivitätssteigerung noch viel nachzuholen. Ein gutes und zeitgerechtes Einkommen für die Menschen in der Bundeswehr ist die beste Attraktivitätsoffensive. Ein Beispiel sind die Zulagen in der Bundeswehr. Hier gilt es, seit den 90er-Jahren bestehende Versäumnisse bei der Anpassung der Zulagen an die Lebenshaltungskosten nachzuholen. Ein weiteres Beispiel ist die Überstundenvergütung. Sogar die Anpassung aus 2012 auf einen Stundensatz von 65 Euro für 24 Stunden zusammenhängenden Dienst bleibt hinter dem früheren Anspruch zurück. Das Verteidigungsministerium hatte schon während der Zeit von Verteidigungsminister zu Guttenberg eine Anhebung auf 95 Euro formuliert. Auch das wäre ein anzustrebender Fortschritt. Bei Ausrüstung und Infrastruktur der Bundeswehr muss ich vor einem Investitionsstau warnen. Der Bedarf für Modernisierungen ist wirklich sehr groß. Keiner sollte auf weitere Klagen aus der Truppe warten. Mit modernem Equipment zu arbeiten, ist ein wesentlicher Faktor für Berufszufriedenheit. Wir warten ganz gespannt auf die Umsetzung der ersten Maßnahmen. Die Zeit ist hier ein entscheidender Faktor. Ein junger Offizier hat das neulich mir gegenüber ganz toll auf den Punkt gebracht. Er sagte: Wir haben dann Attraktivität, wenn ich meiner Familie meinen Arbeitsplatz, meine Unterkunft und meine Ausrüstung zeigen kann, ohne mich zu schämen. Ich finde, genau so ist das. Daran kann man das festmachen. Allen Beteiligten sei gesagt: Angesichts der vergangenen Haushaltsberatungen und eines auf Jahre stabilen und größtmöglich deckungsfähigen Etats ist das sicher auch finanzierbar. Damit komme ich auf den Beginn meiner Ausführungen zurück. Frau Ministerin, ich hoffe, dass die Schlagworte, die die nächsten Monate bestimmen, Fortschritt und Modernisierung lauten werden, ganz so, wie es unsere Soldatinnen und Soldaten verdient haben. Ich biete Ihnen erneut gute Zusammenarbeit an. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Bundesministerin der Verteidigung, Dr. Ursula von der Leyen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte auch ich mich bei den Haushaltsberichterstatterinnen und -erstattern für die ausgesprochen konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Frau Evers-Meyer, auch ich wünsche mir, dass die Schlagworte der nächsten sechs Monate oder des nächsten Jahres ausschließlich Fortschritt und Modernisierung lauten. Aber ich glaube, ich bin Realistin genug, um zu wissen, dass es angesichts eines so großen Haushalts, hinter dem eine 250 000 Mann starke Belegschaft und, wie wir wissen, immer wieder Großprojekte stehen, blauäugig wäre, zu glauben, es würden sich nicht tagtäglich auch Probleme ergeben. (Karin Evers-Meyer [SPD]: Aber man darf sich ja etwas wünschen!) Wir sind ja auch dazu da, diese Probleme zu lösen. Das wollen wir gemeinsam angehen. Ich habe vorhin sehr aufmerksam gelauscht, als sich Frau Buchholz darüber ausgelassen hat, (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das lohnt nicht!) in welchen Krisen und Konfliktherden die Bundeswehr im Rahmen der Bündnisse einen Beitrag leistet. Wenn man sich die ersten sechs Monate dieses Jahres vor Augen führt, stellt man fest: Zu Anfang hatten wir nicht den Hauch einer Vorstellung davon, was im Osten Europas los sein wird. (Henning Otte [CDU/CSU]: Oh ja!) Es gab zwar Konflikte in Afrika, aber von Zentralafrika war in dieser Dimension noch überhaupt keine Rede. Die Situation in Mali hatte noch nicht die Brisanz, die wir inzwischen erleben. Schwierig ist nach wie vor die Situation in Somalia. Hinzu kommt der Krisenbogen vom Norden Afrikas über den Irak, Afghanistan und Pakistan; das ist neu. All das sind Themen, von denen wir in dieser Kombination vor sechs Monaten nichts geahnt haben. Die sicherheitspolitische Lage ist und bleibt angespannt. Sie ist hochkomplex. Gerade in diesem Zusammenhang erwarten unsere Bündnispartner, dass sich Deutschland tatsächlich gemäß seinem Gewicht und seiner Größe einbringt. Das war der Sinn der Debatte, die auf der Münchner Sicherheitskonferenz ausgelöst wurde und jetzt fortgeführt wird. Ich finde es ganz interessant, dass man an dieser Debatte auch sieht, wie dringend es ist, dass wir sie führen. Denn von denjenigen, die sie im Grundsatz ablehnen, wird sie erst einmal nur schwarz-weiß geführt; sie sind gar nicht bereit, sich auf eine differenzierte Debatte einzulassen. Deshalb habe ich mich gefreut, Frau Brugger, dass Sie heute Nachmittag in der UNIFIL-Debatte sehr deutlich gesagt haben: Wir dürfen uns nicht achselzuckend abwenden. – Das kommt mir sehr vertraut vor. „Indifferenz ist keine Option“, habe ich stattdessen gewählt. Frau Brugger, so wie ich Sie und die Grünen kenne, würde ich niemals so platt wie unter anderem die Linke reagieren – das gilt manchmal aber auch für andere Diskutanten – und sagen: Nur weil Sie Verteidigungspolitikerin sind, gehe ich davon aus, dass der Satz: „Wir dürfen uns nicht achselzuckend abwenden“ automatisch heißt, dass Sie mehr Militäreinsätze und mehr Kampfeinsätze verlangen. – Nein, so platt würde ich niemals argumentieren. Gerade weil Sie Verteidigungspolitikerin sind und deshalb den umfassenden sicherheitspolitischen Ansatz, den die große Mehrheit in diesem Hause verfolgt, teilen, wissen Sie nämlich ganz genau, dass Mili-tär-einsätze immer in die vernetzte Sicherheit eingebettet sind, dass Diplomatie und wirtschaftlicher Aufbau immer den Vorrang haben. Aber wir wissen eben auch, dass Militäreinsätze manchmal als Ultima Ratio, also zum Schluss, notwendig sein können, um Völkermord, Genozid, zu verhindern, um Parteien, die einander bekämpfen, zu trennen und dann Versöhnungsarbeit zu leisten. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass wir dieses Konzept der vernetzten Sicherheit richtig verstehen und dass wir deshalb auch die Sätze, dass man sich nicht achselzuckend abwenden kann oder dass Indifferenz keine Option ist, richtig verstehen. Das sollte die Grundlage unserer differenzierten Debatte sein. (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Unsere Bündnispartner erwarten, dass wir uns einbringen. Wir sind das größte Mitglied der EU, wir sind der zweitgrößte Beitragszahler in der NATO, wir sind drittgrößter Beitragszahler bei den Vereinten Nationen, viertgrößter bei den Peacekeeping-Missionen. Das heißt, durch unser Engagement können wir frühzeitig mit-gestalten und dort Einfluss nehmen, wo unser Beitrag -einen Unterschied macht. Das ist eine Frage der Grundhaltung. Ich möchte noch einmal auf das Thema von heute Nachmittag, dass sich die Vereinten Nationen einen stärkeren Beitrag von Deutschland wünschen, eingehen. In diesem Zusammenhang ist die Debatte über die Transall aufgekommen. Ich habe ein bisschen gestaunt, Frau Buchholz, dass Sie jetzt auch noch Friedensmissionen der Vereinten Nationen ablehnen. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Diese Friedensmission!) Das war schon sehr verblüffend. Ich darf vielleicht einmal den Vizegeneralsekretär der Vereinten Nationen, Jan Eliasson, zitieren – Sie können das bei dpa nachlesen; das ist gestern gelaufen –: Wir brauchen Deutschland auch in Afrika … Wir sind für jeden Beitrag dankbar, gerade auch den Deutschen. Deutschland hat viele Fähigkeiten, die für uns sehr wichtig sind. Wir sind dankbar für jede Unterstützung und rechnen damit, weiter auf Deutschland zählen zu können … … die Deutschen sollten auch wissen, dass eine UN-Mission anders als jeder andere militärische Einsatz ist … Wir bitten gerade oft afrikanische Staaten um Soldaten. Aber bei Logistik und Kommunikation gibt es manchmal Probleme und das ist etwas, was die Europäer und gerade die Deutschen sehr gut können. Klarer kann man nicht sagen, dass der deutsche Beitrag von den Vereinten Nationen aktuell gewünscht wird, und dem wollen wir auch entsprechen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde, zu einer differenzierten Debatte gehört auch, dass wir gerade beim Thema Transall hören, was die VN sagen: … wir sind jetzt in einer Phase, in der der strategische Lufttransport nicht mehr Priorität hat. Jetzt geht es darum, innerhalb des Landes entlegene Regionen zu erreichen. Die C-160 ist dafür nicht so gut geeignet, zumal das Flugzeug Probleme mit der extremen Hitze bekommen könnte. Das heißt, kein Wort davon, dass die Vereinten Nationen im Grundsatz keinen stärkeren Beitrag von Deutschland wollen – das Gegenteil ist der Fall. Ich finde es völlig legitim, dass die VN auch sagen, sie brauchen das richtige Material für die klimatischen Bedingungen. Das ist auch ein Ausdruck dafür, dass es allerhöchste Zeit wird, dass der A400M auf den Hof kommt, damit wir dieses Flugzeug endlich nutzen können. (Beifall der Abg. Henning Otte [CDU/CSU] und Karin Evers-Meyer [SPD]) – Da bin ich ganz bei Ihnen, Frau Evers-Meyer. – Ich erwarte, dass im November dann tatsächlich das erste Flugzeug ausgeliefert wird, damit wir uns auch mit modernem Material in die Mission einbringen können, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zu welchem Preis?) Diese Diskussion zeigt: Jede Krise ist anders. Ich möchte der Ordnung halber einmal festhalten – es gab in den letzten Tagen eine Diskussion über den Einsatz -Active Fence in der Türkei –: Nein, es ist nicht so, wie zum Teil kolportiert wurde, dass der Einsatz infrage steht, weil Deutschland nicht durchhaltefähig ist. Das ist nicht der Fall, Deutschland ist durchhaltefähig bei -Active Fence. Der Oberbefehlshaber der NATO hat Ende Mai bei der regelmäßigen Überprüfung festgestellt, dass das Bedrohungspotenzial sinkt. Wir wissen, dass der Abtransport der syrischen Chemiewaffen erfolgreich ist. Es sind schon bis zu 100 Prozent aus dem Land gebracht. Wir wissen noch nicht, ob alle Lager tatsächlich identifiziert sind. Aber es gibt bei der NATO bisher keine Festlegung zur Zukunft des Einsatzes. Deshalb bleibt es auch bei der Verantwortung der Bundeswehr für diesen Einsatz. Ich will nur noch einmal festhalten: Wir sind bei diesem Einsatz durchhaltefähig. In der Debatte kam in den letzten Tagen – das spiegelt auch unser Haushalt wider – die Frage auf, ob wir in der NATO genügend Beitrag leisten angesichts der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten einen hohen Beitrag leisten und dass die Forderung im Raum steht, jedes Land müsse 2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben dort einbringen. Ich glaube, es lohnt sich, diese Debatte zu führen – und das fällt auch unter den Begriff „differenzierte Debatte“ –; denn ich bin der festen Überzeugung: Wenn ich mir die Entwicklung der Verteidigungsetats der letzten Jahre anschaue, ist die Frage nicht so sehr, ob 2 Prozent des Bruttoinlands-produkts aufgewendet werden; denn dann müsste man fragen: 2 Prozent wovon? Es gibt Länder, die ihre Verteidigungshaushalte in den letzten Jahren drastisch gekürzt haben. Das Bruttoinlandsprodukt ist dort zum Teil aber schneller gesunken, als die Verteidigungshaushalte gekürzt werden konnten, sodass in Relation die 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch eine schrumpfende Wirtschaft eher erreicht wurden. Bei uns ist das Problem – in Anführungsstrichen – eher umgekehrt: Unsere Wirtschaft ist robust, unser Bruttoinlandsprodukt wächst. Wir alle wissen – darum geht es in der Debatte über diesen Bundeshaushalt hier –, dass wir uns bemühen, den Anteil des Staates insgesamt zu reduzieren. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass wir nicht so viel darüber diskutieren sollten, ob 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts das Maß aller Dinge sind; denn eine schrumpfende Wirtschaftsleistung führt ja nicht zu einer stärkeren Verteidigung, sondern im Gegenteil: Wir sollten darüber diskutieren, wie und wofür wir das Geld einsetzen. Das sollte in der Debatte auf dem nächsten NATO-Gipfel der Weg für uns gemeinsam sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Das heißt, wir brauchen Investitionen in Fähigkeiten, in Hochtechnologie und in gutes Personal. Hier bin ich bei Ihnen, Frau Evers-Meyer. Sie haben gefordert, mehr Faktenklarheit über die Großprojekte und die Rüstungsprojekte zu bekommen. Das ist doch genau der Grund, warum wir im Frühjahr dieses Jahres gesagt haben: Wir müssen eine gemeinsame Basis herstellen, sodass wir wissen, wie die 15 größten Rüstungsprojekte – es laufen weitaus mehr, weshalb auch die Ausgaben weiter getätigt werden müssen und der Haushalt nicht in einem -Moratorium enden darf – in Bezug auf die Vollkosten insgesamt zu beurteilen sind. Das ist der Sinn der Expertenkommission, die die Statusberichte im Sommer noch einmal spiegeln wird. Ich bin der Meinung: Es ist gut und an der Zeit, dass wir für diese Transparenz sorgen; denn es ist das oberste Gebot und die Pflicht eines Ministeriums, gegenüber dem Souverän und den Haushältern, die die Mittel genehmigen, Transparenz in Bezug auf die tatsächliche Kostenentwicklung und die Risiken herzustellen. Das ist mein Ziel, das ich mit dem Einsetzen dieser Expertengruppe verfolge. Wir haben hier über die globale Minderausgabe von 400 Millionen Euro debattiert. Ja, eine globale Minderausgabe von 400 Millionen Euro im Verteidigungshaushalt schmerzt; das sage ich ganz offen. Ich bin aber lange genug Ministerin, um zu wissen, dass eine globale Minderausgabe, die auch alle anderen Haushalte betrifft, Ausdruck des gemeinsamen Verständnisses ist, dass der Bundeshaushalt konsolidiert werden muss. Ich finde das richtig. Herr Kalb hat vorhin sehr deutlich über die globale Minderausgabe und das Geld gesprochen, das zurückfließt, weil es voraussichtlich nicht ausgegeben wird. Diese Beträge werden in den nächsten Jahren kompensiert, wenn das Material, das dann geliefert wird, auch zu bezahlen ist. Ich finde es klüger, das Geld in einem Haushalt, das voraussichtlich nicht ausgegeben wird, tatsächlich einzusparen, um das Ziel eines konsolidierten Haushaltes zu erreichen, als darauf zu sitzen und eifersüchtig gegenüber den anderen Ressorts darüber zu wachen, und ich finde es sehr sinnvoll, die Rechnungen zu begleichen, wenn sie anfallen. Da ich mich auf die Haushälter verlasse und weiß, dass ich ihnen vertrauen kann, weiß ich auch, dass die Kostenplanung für den Haushalt in den nächsten Jahren in guten und sicheren Händen ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Damit bin ich beim Thema Attraktivität. Frau Evers-Meyer, ich kann Sie beruhigen: Die 103 Millionen Euro, die wir bis 2018 für die Steigerung der Attraktivität zur Verfügung stellen werden, betreffen die untergesetzlichen Maßnahmen. Ich kann Ihnen versichern, dass ein Artikelgesetz, das mehr Kosten nach sich ziehen wird, weil es die ganzen Themen aufgreift, die im Koalitionsvertrag bereits verankert sind, Ende September ins Kabinett eingebracht und dann diesem Hohen Haus auch vorgelegt werden wird. Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass wir die Attraktivität der Bundeswehr in der Tat auch durch konkrete Maßnahmen – in diesem Gesetz werden zum Beispiel Zulagen behandelt; das ist ja auch im Koalitionsvertrag verankert – weiter steigern müssen. Wir werden, wenn man nach vorne schaut, 2 bis 3 Prozent eines jeden Jahrgangs in der Bundeswehr brauchen – und zwar nicht als Bewerber, sondern als Einstellungen; 2 bis 3 Prozent sind richtig hohe Zahlen –, wenn wir die Qualität und die Quantität, die in der Neuausrichtung vereinbart worden sind, auf Dauer erhalten wollen. Um das zu erreichen, müssen wir als Arbeitgeber, als Dienstherr deutlich bessere Rahmenbedingungen schaffen. Ich habe ganz oft den Satz gehört: Soldatin oder Soldat zu sein, ist kein Beruf wie jeder andere. – Ja, es ist richtig: Das ist kein Beruf wie jeder andere. Wir verlangen von diesen Männern und Frauen viel, mehr als von vielen anderen, gerade in den Einsätzen. Wir verlangen das Beste von ihnen. Gelegentlich erwarten wir auch, dass sie in Einsätzen Leib und Leben gefährden. Das sollte man deutlich aussprechen. Ich sehe überhaupt nicht ein, warum das ein Grund sein sollte, diese Menschen hier zu Hause im Grundbetrieb schlechter und anders als jeden anderen und jede andere Beschäftigte zu behandeln. Ich finde, es muss eine Selbstverständlichkeit sein, hier im Land die besten Rahmenbedingungen zu bieten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich sehe gerade mit Schrecken, dass ich meine Redezeit schon weit überschritten habe, Frau Präsidentin. Deshalb werde ich einen direkten Schlenker zu meinen Schlussworten machen. Ich bitte Sie darum – Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat –, gemeinsam eine solide Grundlage zu schaffen, auf der wir den eben skizzierten Herausforderungen, die in den nächsten Jahren auf uns zukommen werden, begegnen können, und freue mich mit Blick auf diesen Haushalt, den wir hoffentlich in dieser Woche so verabschieden werden, auf eine konstruktive Zusammenarbeit. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, zu glauben, dass, wenn ein Minuszeichen vor der Zeitanzeige der Uhr erscheint, die noch verbleibende Redezeit angezeigt wird. Aber bei einer erfahrenen Parlamentarierin gehe ich davon aus, dass sie das Zeichen versteht. Wir werden darüber sicherlich gleich noch verhandeln. Erst einmal hat der Kollege Michael Leutert für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Michael Leutert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich möchte versuchen, nach Ihrer Rede einiges zurechtzurücken. Ich muss sagen: Sie sind ganz kühn in Ihr Amt gestartet. Allerdings bewegen Sie sich mittlerweile doch auf sehr dünnem Eis. Sie wussten, dass Sie eines der schwierigsten Ministerien überhaupt übernehmen. Sie wussten auch, dass schon einige gestandene Männer vor Ihnen als Verteidigungsminister Schiffbruch erlitten haben. Aus diesem Grund haben Sie versucht, sowohl personell als auch inhaltlich eine klare Trennlinie zur Vergangenheit zu ziehen. Der Kollege Lindner hat die personellen Konsequenzen als „tragische Opfer“ umschrieben und damit Staatssekretär Beemelmanns und Abteilungsleiter Selhausen gemeint. Ich möchte noch ein tragisches Opfer hinzufügen: Staatssekretär Wolf. Inhaltlich haben Sie versucht, eine Trennlinie zu ziehen, indem Sie sich in der Öffentlichkeit mit der Attraktivitätsoffensive, mit dem Thema „Vereinbarkeit von Dienst und Familie“ und auch mit der Nichtbilligung der Statusberichte von Großprojekten präsentiert haben. Aber ich glaube, dass die Zeit inzwischen abgelaufen ist und die Vergangenheit Sie einholt. Die Faktenlage sieht bisher so aus: Sie waren gerade in New York und haben bei der UN wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass sich die Bundeswehr in Zukunft mehr an internationalen Einsätzen beteiligen soll oder will. Zur gleichen Zeit kommt von der UN-Mission in Mali die Nachricht, dass sie auf die Unterstützung durch deutsche Transportflugzeuge gerne verzichten würden. Der Grund: Die Transall-Maschinen sind zu alt und zu schlecht. Hier sieht man ja schon, wie Realität und Anspruch auseinanderklaffen. Hinzu kommt: Heute beraten wir abschließend den Etat des Verteidigungsministeriums, in dem Sie für alle 15 Großprojekte, ob das nun das Transportflugzeug A400M – das ist schon angesprochen worden –, der Transporthubschrauber NH90 oder der Kampfhubschrauber Tiger ist, frisches Geld vom Parlament haben wollen. Aber Sie haben, wie gesagt, nicht einen einzigen Statusbericht dieser Projekte gebilligt, und zwar – das ist klar – wegen massiver Lieferverzögerungen, wegen technischer Mängel, wegen Kostenexplosionen. Keinem einzigen Projekt haben Sie das Okay gegeben. Trotzdem wollen Sie heute vom Parlament neues Geld für diese Projekte haben. Das halte ich für absurd. Dem kann eigentlich niemand hier zustimmen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dann kommt uns witzigerweise Ihre eigene Koalition zu Hilfe und streicht Ihnen in der nächtlichen Bereinigungssitzung 400 Millionen Euro. (Karin Evers-Meyer [SPD]: Also, so war es ja nun nicht!) Nicht dass wir Linke das nicht gut finden würden. Das ist absolut okay. Sie haben damit schon 10 Prozent unserer Forderungen erfüllt. Aber 400 Millionen Euro sind mehr, als alle Auslandseinsätze, von Afghanistan abgesehen, pro Jahr kosten. Ich würde als Minister dieses Verhalten als Misstrauensvotum betrachten, das Ihnen Ihre eigene Koalition entgegengebracht hat. Hinzu kommt: Seit zwei Tagen wissen wir aus der Presse – so viel zur Transparenz und zur frühzeitigen Information des Haushaltsausschusses –, dass es einen neuen Bericht des Bundesrechnungshofs gibt – wir haben ihn erst heute bekommen –, wonach das Sturmgewehr der Bundeswehr, das G36, nicht weiter beschafft werden soll, weil die Mängel und die damit verbundenen Risiken mittlerweile so groß sind, dass es nicht mehr vertretbar ist. Jetzt existiert das Problem der Beschaffung nicht nur bei den Großprojekten, sondern auch bei der Standardausrüstung. Trotzdem wird weiter davon gesprochen, dass deutsche Soldaten in noch mehr Auslandseinsätze geschickt werden sollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unabhängig von prinzipiellen Differenzen zu Auslandseinsätzen: Bei dieser Ausrüstungssituation halte ich das den Soldatinnen und Soldaten gegenüber für fahrlässig. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Das ist doch Heuchelei, was Sie sagen!) Die Bundeswehr ist mittlerweile an 18 Auslandseinsätzen beteiligt. Wir haben heute wieder über zwei Einsätze abgestimmt. Das kostet pro Jahr weit über 1 Milliarde Euro. Ich vermute, ein Großteil der Abgeordneten wäre derzeit nicht mehr in der Lage, alle Einsätze ad hoc aufzulisten. Aber auch die Soldaten wissen nicht mehr genau, warum sie überall eingesetzt werden. Der Gesamtauftrag ist für sie nicht mehr klar ersichtlich. Ich war vor zwei Wochen vom Reservistenverband zu einem Vortrag in die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg eingeladen. Dort ist – im Übrigen von aktiven Soldaten – genau das angesprochen worden. Sie haben da ein Problem, Frau Ministerin. Der Exberichterstatter Koppelin würde jetzt sagen: Es geht um Menschen. Ich darf ihn zitieren; er ist der einzige FDP-Abgeordnete, der immer gegen Auslandseinsätze gestimmt hat. Das fehlt uns jetzt im Parlament. Die Soldaten wollen wissen, wann sie warum etwas tun sollen. In dieser Frage sind wir als Linke wesentlich konkreter, Frau Ministerin. Wir sagen Ja zur Bundeswehr mit dem klaren Auftrag der Landesverteidigung, aber Nein zu Auslandseinsätzen nach dem Motto „Koste es, was es wolle“. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Frau Ministerin, Sie haben über 32 Milliarden Euro zur Verfügung. Nutzen Sie dieses Geld für Abrüstung und Konversion! Dazu haben wir als Linke in den Beratungen ganz konkrete Vorschläge unterbreitet. Und gehen Sie in Zukunft sorgsam mit den Soldatinnen und Soldaten um! Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Rainer Arnold spricht nun für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Rainer Arnold (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren den Verteidigungshaushalt vor dem Hintergrund einer Welt, in der an allzu vielen Stellen vieles in Unordnung geraten ist. Die Risiken – die Ministerin hat es beschrieben – rücken näher an Europa heran, und mit der Ukraine haben wir eine Problemzone mitten in Europa. Um nicht missverstanden zu werden: Keines dieser Probleme ist ausschließlich militärisch zu lösen. Sie sind komplex. Es gibt keine einfachen Analysen, keine einfachen Antworten. Aber sie machen eines sichtbar: Wir brauchen eine leistungsfähige Bundeswehr. Dies erwarten auch die Bürgerinnen und Bürger von der Politik. Wir lernen auch immer mehr. Kein Land, auch nicht die USA, wird alleine mit diesen großen Herausforderungen der Welt fertig. Deshalb ist es notwendig, dass wir als Deutsche in den internationalen Bündnissen ein verlässlicher Partner mit angemessenen Fähigkeiten sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Vor diesem Hintergrund ist es wichtig und überfällig, dass die Rolle und Verantwortung Deutschlands in der Welt diskutiert wird. Davon leiten wir ab, welche Streitkräfte wir brauchen. Wenn wir merken, dass sich die Welt verändert hat, brauchen wir auch die Kraft und den Mut, darüber zu reden, ob das, was vor zwei Jahren noch alles gegolten hat – auch bei der Reform –, uns heute noch in die Zukunft führen kann. Dazu gehört auch ein auskömmlicher Bundeshaushalt – selbstverständlich. Ich meine, die 32 Milliarden Euro sind auskömmlich. Ich will ausdrücklich unserer Haushälterin Karin Evers-Meyer für die nicht nur kollegiale, sondern auch freundschaftliche Zusammenarbeit in den letzten Monaten danken. Aber: Natürlich tut es Fachpolitikern weh, wenn 400 Millionen Euro gestrichen werden. Die 400 Millionen Euro sind auch überproportional viel im Vergleich zu anderen Etats. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! Da haben Sie recht!) Da dürfen wir nicht drumherum reden. Die Rechnungen werden in den Folgejahren kommen; denn hoffentlich findet dann auch der Zufluss der großen Projekte statt. Das Geld muss dann auch da sein. Wenn uns dies nicht gelingt, werden wir wieder eine Bundeswehr haben, die plötzlich über neue Geräte verfügt, aber im inneren Gefüge hohle Strukturen aufweist und gar nicht in der Lage ist, diese Geräte tatsächlich so zu verwenden und einzusetzen, wie es notwendig wäre. Ich verstehe die Haushälter: Wenn es der Regierung nicht gelingt, den Mittelabfluss haushaltskonform zu gestalten, darf man nicht unnötig Geld in den Etat einstellen. Auch wir wollen unseren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Schließlich sind wir keine Fachpolitiker mit Scheuklappen. Aber es ist ganz klar: Die Intransparenz im Verteidigungsressort führt dazu, dass viel zu spät erkannt wird, wo die Risiken in den Projekten liegen, und dass dann nicht mehr rechtzeitig gegengesteuert werden kann. Insofern ist der Weg, den die Ministerin geschildert hat, richtig. Man darf nicht einfach nur annehmen und Ja sagen, sondern man muss alles noch einmal kontrollieren. Das ist überfällig. Aber, Frau Ministerin, es ist ebenfalls überfällig, dass die Spitzen, die für diesen Bereich Verantwortung tragen, nun besetzt werden; das ist notwendig. Wir haben auch keine hundert Tage Zeit mehr für Diskussionen und Einarbeitung. Wir müssen im Herbst eine ganze Reihe schwieriger Entscheidungen treffen. Über das Versagen und die Verantwortung der Rüstungswirtschaft wurde hier schon geredet. Wir sollten uns Regressforderungen, die die öffentliche Hand hat, nicht leichtfertig abhandeln lassen, sondern auch ein Zeichen setzen, das deutlich macht: Versprochen ist versprochen, und Verträge gelten nicht einseitig, sondern für beide Seiten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Teil der Debatte über die Verantwortung Deutschlands in der Welt ist die Frage: Wollen wir in Zukunft die Kernfähigkeiten der Rüstungswirtschaft in Deutschland erhalten? Es wird bei schrumpfenden Etats sicherlich nicht gelingen, alle diese Fähigkeiten zu erhalten. Aber welche sind uns wichtig? Wollen wir abhängig werden von amerikanischen Produkten, oder wollen wir im Sinne von eigener Souveränität gemeinsam mit der Rüstungswirtschaft – deshalb, liebe Kollegen von der Linken, müssen wir mit Vertretern dieser Branche reden – einen Pfad finden und für eine gewisse Grundauslastung sorgen, sodass das Ingenieurwissen, das in vielen Bereichen in Deutschland sehr gut ist, tatsächlich erhalten werden kann? Das hat nichts mit Wirtschaftspolitik zu tun, sondern mit Sicherheitspolitik und der Wahrung nationaler Interessen. Diesen Pfad müssen wir beschreiten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich finde es interessant, zu sehen, wie reflexhaft manche in unserer Gesellschaft, aber auch in der Politik – ich muss nur auf die linke Seite schauen – reagieren, wenn Politiker über die Rolle Deutschlands in der Welt reden. Meine Damen und Herren von der Linken, die Äußerungen Ihres Kollegen aus Brandenburg sind wirklich unentschuldbar. Statt Zurufe zu machen, sollten Sie sich entschuldigen und vielleicht auch ein bisschen schämen, dass jemand aus Ihren Reihen so etwas sagt. (Karin Binder [DIE LINKE]: Entschuldigen? Wo gibt es denn so was? Das ist ja wohl ein Unding!) Ich habe mir heute vorgenommen, mich nicht mit Ihnen, meine Damen und Herren von der Linken, auseinanderzusetzen; denn Sie malen sich ein surreales Bild der Welt. Das heißt, das hat mit der Realität nichts zu tun. Das ist ein Fantasie- und Traumgebilde. Auf die Welt, wie Sie sie malen, geben Sie Ihre politischen Antworten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Dies ist keine Basis für eine ernsthafte Diskussion. Stellen Sie sich endlich der Wirklichkeit! Dann werden wir logischerweise über den richtigen Weg zwischen Regierung und Opposition streiten. Aber solange Sie sich nicht der Realität stellen, ist alle Mühe in dieser Beziehung vergebens. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Bundespräsident hat einen nachdenklichen, reflektierten Beitrag zu dieser Diskussion geleistet; der ist in Ordnung. Wir sind froh, dass vom Bundespräsidenten solche Impulse kommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Es ist doch ganz eindeutig: Dort, wo Politik, dort, wo Diplomatie, dort, wo Prävention versagt, und dort, wo sich kriminelle Energien mit ethnischen Interessen und übelsten Verbrechen wie Menschenhandel verbinden und wo islamistischer Fanatismus hinzukommt, wird es leider immer nur eine Antwort geben. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Waffenlieferungen!) Dort, wo Menschenrechte übelst missachtet werden wie im Norden Malis oder in Zentralafrika, wird es Situationen geben, in denen man die Kraft haben muss, sich dazu zu bekennen, dass wir Streitkräfte brauchen, die sich notfalls mit Waffengewalt schützend vor die Menschen stellen. Etwas anderes ist in solchen Situationen nicht möglich. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Man kann mit solchen Menschen nicht verhandeln. Man muss sie abwehren. Das ist die Wirklichkeit, von der ich spreche. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Nun wird auch durch die Krise in der Ukraine in der NATO der Ruf immer lauter, mehr Geld auszugeben. Das ist eine Illusion. Wir wissen das. Es gibt nicht mehr Geld, auch nicht in Deutschland. Das ist ganz klar. Aber richtig und wichtig ist auch, dass wir die Befindlichkeiten der Balten und der Polen, die aus der Historie begründet sind, zumindest verstehen. Ich bin sehr froh, dass die deutsche Regierung, insbesondere der Außenminister, dieses Verständnis aufbringt, gleichzeitig aber auch in den NATO-Gremien mäßigend wirkt. Es kommt nicht darauf an, mehr Soldaten in Osteuropa zu stationieren, es kommt nicht darauf an, mehr Geld in die NATO zu pumpen, sondern es kommt in erster Linie darauf an, mehr Intelligenz in die NATO zu geben. Wir müssen mehr darüber nachdenken, wie wir dieses Bündnis leistungsfähig halten, aber wir sollten es auch nicht schlechtreden. Die NATO gibt insgesamt zehnmal so viel für die Streitkräfte aus, wie es die Russen tun. Die NATO hat auch insgesamt in fast allen Bereichen zehnmal mehr Fähigkeiten, ganz eindeutig. Das Problem ist aber klar: Dies alles gilt nur, wenn man die USA mit einbezieht. Wir Europäer haben Defizite. Deshalb ist es richtig und notwendig, die europäischen Fähigkeiten durch eine bessere Vernetzung und Verzahnung zu stärken, nicht durch mehr Geld. Es darf nicht sein, dass wir die 260 Milliarden, die Europa ausgibt, so ineffizient einsetzen, wie es in Europa geschieht. Ich bin der Meinung, dass jetzt ein Zeitfenster offen ist, um innerhalb der NATO, zum Beispiel auf dem Gipfel, mit einem Framework-Konzept und mit vielen anderen Dingen Impulse zu setzen. Auch in der Europäischen Union wurden diese Woche gute Impulse gesetzt, und zwar durch die Rede von Herrn Juncker und durch das Ansinnen, die Rüstungswirtschaft enger zu verzahnen. Jetzt brauchen wir eine Bundesregierung, die das als Motor vorantreibt. Wir werden Sie dabei unterstützen. Der entscheidende Weg ist, eine engere Verzahnung und Arbeitsteilung herzustellen. An unseren Koalitionspartner und die lieben Freunde gerichtet, sage ich: Es geht uns bei dieser Diskussion nicht darum, recht zu haben, ob „Breite vor Tiefe“ richtig oder falsch war und ist. Es geht uns darum, eine erfolgreiche Regierung nach dreieinhalb Jahren zu haben und ein lernendes System zu bleiben. Es sind nur noch drei Jahre, Herr Kollege Otte, die Zeit vergeht. Wir möchten die Ministerin ermuntern, diese Veränderungen aufzunehmen. Wir sind dankbar und froh und unterstützen dies auch, dass Sie die Aufforderung im Koalitionsvertrag aufgenommen haben und bis Ende des Jahres eine Evaluierung mit den Maßnahmen, die zu Änderungen führen, vorlegen werden. Das Stichwort Attraktivität haben Sie schon genannt. Ich sage nur, weil meine Redezeit zu Ende geht: Wir werden Sie in dem Bereich, den wir immer gefordert haben, auch da, wo Sie neue Impulse setzen und wo Sie vieles aufnehmen, was im Koalitionsvertrag steht, gegen alle Störfeuer, egal von welchen Seiten sie kommen mögen, verteidigen. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Das freut mich!) Denn man muss erkennen: Attraktivität und gute Ausstattung stehen nicht miteinander in Konkurrenz, sondern das sind zwei Seiten einer Medaille. Wenn eine Prägung nicht stimmt, haben wir am Ende eine schlechte Bundeswehr. Deshalb werden wir beides in den nächsten Jahren voranbringen. Das ist der Schlüssel für den Erfolg. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir all die Dinge, die wir derzeit diskutieren und die wir aufs Gleis setzen werden, in den nächsten drei Jahren realisieren werden. Das ist anspruchsvoll; wir werden dabei mithelfen, soweit wir das als Parlamentarier können. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Arnold, das müssen Sie jetzt mit Ihren Kollegen austragen. Rainer Arnold (SPD): Ich bin gleich fertig. – Dann wird diese Koalition die Sicherheitsinteressen der Deutschen gut vertreten haben, diese Koalition wird dann am Ende eine richtig gute Koalition für die Menschen, die in der Bundeswehr sind, gewesen sein. Recht herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Doris Wagner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Solche Haushaltsverhandlungen sind eine verführerische Angelegenheit; denn es geht um wirklich viel Geld. Ich sehe die Gefahr, dass wir bei dem Geschacher um Millionen und Milliarden aus den Augen verlieren, dass es dabei doch um die Zukunft unseres Landes geht, darum, wie unser Land künftig aussehen soll und welche Ziele wir ansteuern. Auch in Ihrem Haushaltsentwurf, Frau Ministerin, ist leider nirgends zu erkennen, dass Sie tatsächlich eine Zielvorstellung davon haben, wie die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik in den kommenden Jahren aussehen soll. Dabei haben Sie doch noch bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar so kühne Visionen in den Raum gestellt. Sie haben sehr präzise benannt, welchem Leitmotiv die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik unter Ihrer Federführung folgen wird. Damals haben Sie gesagt: Mir scheint, dass wir schon zu viel Zeit auf die nationale Nabelschau verwendet haben, statt unseren Fokus auf die gemeinsame europäische Perspektive zu richten. Wenn wir Europäer ein ernsthafter sicherheitspolitischer Akteur bleiben wollen, müssen wir gemeinsam planen und handeln. Jetzt allerdings müssen wir feststellen: Ihre Ankündigungen waren bisher nichts als Lippenbekenntnisse. Konkrete Vorschläge für eine Intensivierung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (Henning Otte [CDU/CSU]: Waren Sie im Urlaub?) – Herr Otte, Sie sind gleich dran, glaube ich – (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Gedulden Sie sich!) waren aus Ihrem Haus nicht zu hören. Auch Ihr Haushaltsentwurf zeigt nicht, dass Sie vorhaben, den Parolen von einer Europäisierung der Verteidigungspolitik wirklich Taten folgen zu lassen. Setzen Sie doch bitte Ihre klugen Erkenntnisse auch wirklich in praktische Politik um. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Fraktion hat im Zuge der Haushaltsberatungen Änderungsanträge eingebracht, um den Weg zu mehr Gemeinsamkeit in der europäischen Verteidigung zu ebnen. Wir haben das Verteidigungsministerium wiederholt aufgefordert, endlich eine realistische Bestandsanalyse durchzuführen, um eine verlässliche Grundlage für die deutsche Sicherheitspolitik zu haben. Diese Analyse muss Fragen beantworten wie: Was soll die Bundeswehr eigentlich können? Auf welche Fähigkeiten können wir verzichten, weil andere EU-Staaten sie vielleicht viel besser einbringen können? Wie können wir die Aufgaben zwischen den EU-Partnern so verteilen, dass kostspielige Doppelungen abgebaut werden? Welche Erfahrungen haben wir in den internationalen Einsätzen gewonnen, und welche Schlussfolgerungen ziehen wir daraus für die Bundeswehr? Der zweite Schritt wäre, endlich Ernst zu machen mit Pooling and Sharing, einem Konzept, das seit Jahren auch von Ihrer Regierung propagiert wird, das bisher aber kaum konkrete politische Konsequenzen nach sich zieht. Auch hierzu brauchen wir zunächst eine Bestandsaufnahme: Welche Ausrüstung haben wir? Was haben die anderen, und was braucht Europa, um seiner außen- und sicherheitspolitischen Verantwortung gerecht zu werden? Wie können wir dann die benötigten Geräte möglichst kostengünstig beschaffen? Auf der Grundlage dieser Analysen ließe sich ein konkreter Vorschlag für die gemeinsame Streitkräfte- und Einsatzplanung innerhalb der EU erarbeiten. Gleichzeitig könnte der Verteidigungsetat um viele Milliarden Euro entlastet werden: Viele Rüstungsprojekte könnten wir uns sparen. Eine kleinere und spezialisiertere Bundeswehr wäre deutlich kostengünstiger als die Armee, die wir uns derzeit leisten – und eigentlich gar nicht leisten können. Leider halten Sie, Frau Ministerin, an dem von Ihrem Vorgänger beschlossenen Konzept „Breite vor Tiefe“ fest und nehmen damit eine Überstrapazierung nicht nur unseres Haushaltes, sondern auch unserer Soldatinnen und Soldaten in Kauf. Das ist doch keine tragfähige Politik. In der Presse war in den letzten Wochen zu lesen, dass Sie beabsichtigen, eine Unternehmensberaterin von McKinsey zur neuen Rüstungsstaatssekretärin zu berufen. In einigen Berichten hieß es sogar, dass diese Berufung das deutsche Engagement für eine EU-Armee erheblich verstärken werde. Offenbar bedarf es erst einer Person von außerhalb der Politik, damit die Bundesregierung endlich konsequent die Ziele verfolgt, die sie sich angeblich schon längst auf die Fahnen geschrieben hat. Das, meine Damen und Herren, ist, wie ich finde, ein Armutszeugnis. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Henning Otte. (Beifall bei der CDU/CSU) Henning Otte (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Beratung des Bundeshaushaltes geht es im Allgemeinen nicht nur um bloße Zahlen; beim Einzelplan 14 geht es im Besonderen darum, immer wieder über die sicherheitspolitische Ausrichtung zu diskutieren und zu überlegen, ob wir gut aufgestellt sind. Nun erfolgt das vor dem Hintergrund einer in der Ausdehnung überraschenden Entwicklung in der Sicherheitspolitik. Die Haushaltsdiskussionen der vergangenen Jahre über Außen- und Verteidigungspolitik waren geprägt durch die Auslandseinsätze in Afghanistan zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus und somit auch zum Schutz unseres Landes oder am Horn von Afrika zur Bekämpfung der Piraterie und somit auch zum Schutz unserer nationalen Handelsflotten. Seit nunmehr einigen Monaten sehen wir uns einer neuen Lage, ja einer sicherheitspolitischen Bedrohung ausgesetzt, die neues Denken erfordert. Mit der Annexion der Krim durch Russland – der ersten völkerrechtswidrigen Grenzverschiebung seit 1945 – hat sich die Lage elementar verändert. Russland hat mit dieser Vorgehensweise deutlich gemacht, dass es ihm in einer von ihm selbst definierten Einflusszone klar um die Durchsetzung von Interessen auch mit militärischen Mitteln geht. Diese vielleicht nicht überraschende, aber doch völlig unerwartete Entwicklung kann uns aufgeklärte Europäer nicht unberührt lassen. Die Vorgehensweise des russischen Präsidenten ist mehr als ein unfreundlicher Akt gegen die liberale und pluralistische Gesellschaft, wie wir sie in Europa zu leben pflegen. Diese Vorgehensweise Russlands soll offensichtlich auch einen Abstand vom westlich-freiheitlichen gesellschaftlichen Leben schaffen – zugunsten einer primär am Staatswohl orientierten Gesellschaft. Leider nur zu oft wird diese russische Gesellschaftsdoktrin von der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag ideologisch verteidigt und propagiert. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Kalter Krieger, was? – Weiterer Zuruf der Abg. Inge Höger [DIE LINKE]) Es wäre gut, Sie würden sich um die Soldatinnen und Soldaten sowie um die Sicherheit unseres Landes so viele Gedanken machen, wie Sie sich offenbar Gedanken um diese Doktrin machen; über die Vorgehensweise Russlands sind Sie ja informiert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Mit dieser Haltung bedroht Russland den bisherigen Weg einer erfolgreichen wirtschaftlichen europäisch-russischen Kooperation und auch den Weg einer erfolgreichen sicherheitspolitischen NATO-Russland-Kooperation. Die NATO hat das Ziel, eine dauerhafte und gerechte Friedensordnung auf Grundlage unseres Wertesystems im Bündnisgebiet zu erreichen. Genau diese Ziele sind durch das Vorgehen gefährdet, nämlich die Ideale von Freiheit, Frieden und Pluralismus. Offenbar ist Russland sogar bestrebt, mit seiner aktuellen Politik die beiden in Europa relevanten Bündnisse, EU und NATO, zu schwächen. Nur so ist zu verstehen, dass Putin radikal europafeindliche Kräfte lobt wie die französische Europagegnerin Marine Le Pen und – ich füge hinzu; auch Sie haben es eben gesagt – die Partei Die Linke in Deutschland. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Oh! Ganz furchtbar!) Meine Damen und Herren, versetzen wir uns dabei in die Lage unserer östlichen Bündnispartner, zum Beispiel Polens oder der baltischen Staaten! Sie fühlen sich durch das aktuelle Vorgehen und das große Militärpotenzial Russlands konkret bedroht. Russland – und insbesondere Russlands Präsident – bleibt aufgefordert, zukünftig einen stetigen und vertrauensbildenden Beitrag zur Schaffung und zum Erhalt einer gerechten Friedensordnung auf dieser Erde zu leisten. Die aktuell nicht unberechtigten Sorgen unserer Partner dürfen wir in Deutschland nicht ignorieren oder wegdiskutieren. Wir sind aufgefordert, unseren Bündnispartnern zur Seite zu stehen. Es geht dabei um mehr als nur bloße Sicherheitspolitik; es geht auch darum, für eine Art und Weise, zu leben, einzutreten – und das selbstverständlich in erster Linie politisch. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Hellmich [SPD]) Das russische Vorgehen muss diplomatisch beantwortet werden. Alle Kräfte müssen aufgebracht werden, um eine diplomatische Lösung zu bekommen. Genau deswegen brauchen wir eine schlagkräftige und damit glaubhafte militärische Rückendeckung; denn nur aus einer glaubhaften Position der Stärke heraus können wir erfolgreich diplomatisch agieren und Einfluss geltend machen. Ich rede hier nicht einem Militäreinsatz das Wort – niemand in der Bevölkerung Europas und auch niemand in der Bevölkerung Russlands will eine militärische Auseinandersetzung –, aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir glaubhaft dokumentieren müssen, dass die NATO als Militärbündnis und dass insbesondere auch unsere Bundeswehr einsatzbereit und einsatzfähig sind. Deswegen ist es richtig, dass der Ansatz „Breite vor Tiefe“ bei der Neuausrichtung der Bundeswehr zur Anwendung gekommen ist und wir in der Lage sind, eigene, selbst zu wählende Fähigkeiten in die mandatierten Strukturen der EU und der NATO einzubringen. Diese Fähigkeiten sind Ausdruck nationaler Souveränität. Das gilt übrigens auch für die Wehrtechnik. Es ist vom Kollegen Arnold gesagt worden: Nur mit einer deutschen Wehrtechnik ist Deutschland auch in der Lage, eine eigene Sicherheitsvorsorge zu gewährleisten und darüber hinaus mit einer geregelten Exportpolitik gestaltend, auch politisch gestaltend, tätig zu werden – im Sinne einer Stabilisierungspolitik. (Zuruf der Abg. Inge Höger [DIE LINKE]) Lassen Sie uns das in der Großen Koalition gemeinsam konsequent umsetzen! (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Karl A. Lamers [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Hören Sie mal zu! Da können Sie noch viel lernen!) Wir werden von unseren Partnern um unser breites Fähigkeitsprofil beneidet. Durch eine solide Finanzpolitik – ich füge hinzu: eine solide unionsgeführte Finanzpolitik – sind wir auch in der Lage, dieses abzubilden. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der SPD?) Lieber Herr Kollege Dr. Lindner, es ist doch ein gutes Zeichen, wenn durch die Abschmelzung des Schuldendienstes der Bundesrepublik der Verteidigungsetat nach „Arbeit und Soziales“ auf Platz zwei kommt. An erster Stelle steht Arbeits- und Sozialpolitik. Aber das alles geht nur mit Sicherheitspolitik. Deswegen ist das eine gute Reihenfolge. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Guttenbergs Zeiten war das anders!) Die Sicherheit ist die Grundlage für Freiheit und Wohlstand. Hier dürfen wir keine Abstriche machen. Die Strukturen unserer Streitkräfte sind richtig. Die Ausrüstung als Arbeitswerkzeug muss jedoch stets modern, einsatzbereit und in ausreichendem Maße vorhanden sein. Vor diesem Hintergrund sehe ich durchaus Modernisierungsbedarf. Deutschland übernimmt Verantwortung in Europa, in der NATO, in der Welt, weil es als Rechtsstaat mit seiner sozialen Marktwirtschaft und mit seiner Parlaments-armee erfolgreich bewiesen hat, verantwortungsvoll für Frieden und Freiheit einzutreten. (Beifall bei der CDU/CSU) Aber als Verantwortungs- oder Führungsnation in Europa und als sicherheitspolitischer Anlehnungspartner müssen wir einen höheren Anspruch haben, als nur über den Etat der Bundeswehr zu sprechen. Um konkret zu werden: Es geht nicht nur um die Frage, ob NATO-Truppen verstärkt an den östlichen Grenzen Europas, vielleicht in rotierenden Formen, stationiert werden sollen, sondern um eine grundlegende Initiative. Wir müssen nicht nur durch unsere Anstrengungen dafür sorgen, dass sich unsere östlichen Bündnispartner sicher fühlen, sondern auch dafür sorgen, dass das Bündnis in seinen Fähigkeiten und im Zusammenhalt gestärkt wird. Ich schlage vor, dass wir unseren östlichen Bündnispartnern eine enge Zusammenarbeit anbieten, wie wir es erfolgreich mit den Niederländern bei der Eingliederung der Luftmechanisierten Brigade demonstriert haben, wie auch unsere Bundesverteidigungsministerin in Stadtallendorf sehen konnte. So können wir europäische Fähigkeiten sinnvoll zusammenfassen und den Verteidigungsetat sinnvoll einsetzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Rein mathematisch addiert sind die Kräfte der NATO überlegen. Aber wir müssen unsere östlichen Bündnispartner in die Lage versetzen, auf Augenhöhe zu sein. Der Anspruch ist, für eine Integration im Sinne der Anlehnungspartnerschaft einen vergleichbaren Grad an Modernität zu erreichen. Wir müssen die Alliierten gerade an der östlichen Grenze unseres Bündnisses in die Lage versetzen, leistungsmäßig an unserer Seite zu stehen. Dies ist derzeit nur in Teilbereichen der Fall. Deutschland muss den Partnern eine tiefgreifende strukturelle Zusammenarbeit und eine umfassende Ausrüstungsverbesserung anbieten. Das ist Arbeitsteilung im besten Sinne. Dies alles ist nicht zum Nulltarif zu bekommen. Aber durch eine solide Haushaltsführung, durch eine Bewältigung der Wirtschaftskrise in Europa unter Führung unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel sind wir in der Lage, auch über solche Dinge zu diskutieren. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Kollege Otte, kommen Sie bitte zum Schluss. Henning Otte (CDU/CSU): Es darf kein Tabu sein, vermehrt Geld für die Sicherheit unseres Landes, die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger in die Hand zu nehmen. Wir müssen uns hier engagieren. Das sollte uns unsere Sicherheit und Freiheit wert sein. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Henn. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heidtrud Henn (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten den Etat des Bundesministeriums der Verteidigung. Sehr geehrte Ministerin, es ist keine Schmeichelei, wenn ich sage, dass Sie eine schwierige Aufgabe stemmen müssen, und es ist kein Geheimnis, wenn ich sage, dass Sie unsere Unterstützung auch für das Attraktivitätsprogramm der Bundeswehr haben, übrigens auch deshalb, weil sich hier viele Ideen, Forderungen und Vorschläge von uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus den letzten Jahren finden. „Aktiv. Attraktiv. Anders. – Bundeswehr in Führung“, das klingt gut, das klingt spannend und einladend. Auch wenn es insgesamt für die Bundeswehr oder für den öffentlichen Dienst schwierig sein dürfte, tatsächlich attraktiver als die Wirtschaft zu sein, so ist es doch gut und richtig, dass mit dem Programm zur Attraktivitätssteigerung der Bundeswehr ein wichtiger Schritt gemacht worden ist. Wir Politikerinnen und Politiker kennen das ja gut: Wo neue Ideen sind, ist die Häme nicht weit. Kritik und Häme an den guten Ideen zur Verbesserung der Bundeswehr waren nicht nur bei manchen Medien zu finden. Flachbildschirme, hübschere Stuben, Kitas und Kosmetik – mehr scheint bei einigen Redakteuren und Besserwissern nach der Vorstellung des Attraktivitätsprogrammes der Bundeswehr nicht hängen geblieben zu sein. Hier möchte ich allen Lästerern mit auf den Weg geben: Man lebt auch bei der Bundeswehr im 21. Jahrhundert, sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Man kann sich fragen, ob die Lästerer selber schon im Jahre 2014 angekommen sind. (Beifall der Abg. Rainer Arnold [SPD] und Michaela Noll [CDU/CSU]) Wer mit Soldatinnen und Soldaten spricht, weiß, wie bescheiden sie sind. Das hat mich insbesondere bei meinen Besuchen in Afghanistan und in der Türkei sehr beeindruckt. Den Bundeswehrangehörigen geht es nicht um WLAN, Flat Screens oder Kuschelkissen; die Bundeswehrangehörigen wollen ihre Aufgabe so gut wie möglich erfüllen. Sie erwarten von einem professionellen Arbeitgeber nur zu Recht, dass ihnen die Ausstattung die Möglichkeit dazu gibt. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, 103 Millionen Euro kostet das Attraktivitätsprogramm – im Vergleich zum Gesamthaushalt eine kleine Summe. Und trotzdem: Diese Investition in die Zukunft ist sehr wichtig. Wir wollen gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen und sie gut ausbilden. Es ist richtig, dass es Versetzungen in Zukunft nur noch zweimal jährlich zum Halbjahreswechsel an den Schulen geben soll. So viel Planbarkeit ist notwendig. Hier ist es wichtig, dass bei notwendigen Umzügen Hilfe angeboten wird. Natürlich spielt auch die Betreuungskommunikation eine wichtige Rolle. Freie Internetnutzung und das kostenlose Telefonieren aus dem Einsatz nach Hause müssen selbstverständlich sein. Wir müssen über die Bundeswehr reden und über den Auftrag, den sie in den nächsten Jahren erfüllen soll. Das ist wichtig. Wir müssen auch sagen, dass unsere Soldatinnen und Soldaten Trainerinnen und Trainer sind, dass sie im Ausland ausbilden, dass sie helfen, dass sie gern gesehen werden. Unser Sanitätsdienst beispielsweise leistet Großartiges. In Leer habe ich bestaunen dürfen, wie hervorragend die Ausbildung funktioniert und wie das scheinbar Unmögliche mit sicheren Handgriffen aufgebaut wird. Weltweit genießt dieses Sanitätswesen einen guten Ruf. An den Standorten bei uns zu Hause sind die Bundeswehrkrankenhäuser sehr beliebt. Das Sanitätswesen braucht aber eine bessere Organisation. Hier muss schneller reagiert werden können, wenn beispielsweise durch Elternzeit oder Auslandseinsätze Vakanzen entstehen. Wir müssen aber auch erklären, dass die Soldatinnen und Soldaten unseren Bündnisauftrag mit bester Ausbildung und bester Ausrüstung erfüllen sollen. Es ist wichtig, dass wir alle Bürgerinnen und Bürger mitnehmen und dass wir so über Sicherheits- und Verteidigungspolitik sprechen, dass alle verstehen, was wir wollen. Der Arbeitgeber Bundeswehr sind wir alle. Damit meine ich nicht nur uns Parlamentarier, sondern alle Bürgerinnen und Bürger. Unsere Bundeswehr ist für Frieden und Freiheit unterwegs. Sie ist eine Armee im Einsatz. Aber sie ist keine Armee von Kriegstreibern. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit – (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Frau Kollegin Henn, ich setze mich jetzt für das Rederecht Ihres Kollegen Felgentreu ein. Bitte machen Sie einen Punkt. Heidtrud Henn (SPD): – das habe ich – und wünsche Ihnen Gottes Segen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Ingo Gädechens das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Ingo Gädechens (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Freiheit gibt es nicht umsonst“ – dies stand vor kurzem über einem sehr lesenswerten Kommentar in der FAZ. Ich denke, dieser richtigen Erkenntnis können wir uns alle anschließen. Meine Damen und Herren, die deutsche Gesellschaft richtet sich aus meiner Sicht viel zu sehr in einer komfortablen Wohlfühlzone ein, als ob innere und äußere Sicherheit eine Selbstverständlichkeit wären. Der lange Zeitraum, die Jahrzehnte in Frieden und Freiheit haben die Sicherheit zu einem ständigen, ja für viele zu einem selbstverständlichen Gut werden lassen. Viele Bürgerinnen und Bürger sind offensichtlich der Meinung, dass die Krisen in der Welt keinerlei Auswirkungen auf unser Leben haben könnten. Wir in der CDU/CSU-Fraktion, aber gerade auch unsere Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr wissen, dass dem nicht so ist. Unsere Bundeswehrsoldaten wissen, dass ihr leider nicht immer ungefährlicher Einsatz dazu beiträgt, ein Mehr an Sicherheit zu gewährleisten. Sie haben deshalb nicht nur höchste Anerkennung und Respekt für ihren Dienst verdient, sondern auch die bestmögliche Ausbildung, Besoldung, Ausstattung, Ausrüstung und Unterbringung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Alle Demokraten sind aufgefordert, das in weiten Teilen der Bevölkerung grassierende Desinteresse in ein ehrliches Interesse umzuwandeln, (Michaela Noll [CDU/CSU]: Richtig!) in Anerkennung für das, was unsere Bundeswehr leistet und wofür unsere Soldatinnen und Soldaten stehen, (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Heidtrud Henn [SPD]) und in ein Interesse dafür, warum wir Parlamentarier Einsatzkräfte in weit entfernte Teile der Welt entsenden, nämlich um Humanität und Menschenrechte in einem sichereren Umfeld entstehen zu lassen und zu wahren. In direkter Umgebung dieser von mir benannten deutschtypischen „Wohlfühlzone“ gibt es Krisenherde; meine Vorrednerinnen und Vorredner haben es beschrieben. Es gibt kriegerische Auseinandersetzungen und regionale Instabilität. Die NATO und die EU sind mehr denn je gefordert, Sicherheit zu gewährleisten oder sie dort, wo sie verloren gegangen ist, wiederherzustellen. Als starke Wirtschaftsmacht wird Deutschland zu Recht von den Bündnispartnern in die Pflicht genommen. Wir müssen unseren Beitrag unter den freien Völkern dieser Welt leisten. Ein Wegducken oder Herumlavieren kann sich Deutschland, wenn es verlässliche Außen und Sicherheitspolitik oder verlässliche Verteidigungspolitik gestalten will, auf gar keinen Fall leisten. Ich danke der Ministerin, dass sie dies jüngst auf ihrer USA-Reise so klar und deutlich angesprochen hat. Ja, es stimmt: Wir müssen eine vertiefte Debatte darüber führen, wie Deutschland mehr Verantwortung übernehmen kann und welche Fähigkeiten Deutschland zuverlässig vorhalten muss; denn unser Land ist wie keine andere europäische Nation abhängig vom weltweiten Handel. Die Bundeswehr leistet schon heute Herausragendes. Unsere Soldatinnen und Soldaten sind nicht nur gut ausgebildet, sondern auch hochmotiviert. Der mit der Neuausrichtung der Bundeswehr eingeschlagene Weg ist und bleibt richtig. Natürlich verkenne ich nicht die eine oder andere Verunsicherung bei den Kameradinnen und Kameraden. Die Beschaffungsprozesse dauern auch mir noch zu lange – das wurde schon kritisch benannt – und erzeugen bei vielen von uns Verärgerung. Den Kameradinnen und Kameraden muss man angesichts des Umbruchs im Zuge der Neuausrichtung bei der Bundeswehr sagen, dass der gute alte Spruch „Einem jeden Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann“ immer noch Gültigkeit hat. Aber wir bemühen uns, bei der Bundeswehr weitestmöglich Gerechtigkeit vorzuhalten. Wir sind auf dem richtigen Weg, nicht nur was den Bundeshaushalt insgesamt angeht, sondern gerade mit Blick auf den Einzelplan 14, den wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten. Wie in jedem Jahr, so auch in diesem: Das Budget ist knapp, aber angemessen. Sosehr ich die Forderung, man möge doch 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigungsausgaben einplanen, unterstütze, so sehr habe ich auch die Argumente dafür verinnerlicht, eine dauerhafte und effektive Haushaltskonsolidierung zu gewährleisten. Ich komme zum Schluss, bevor hier „Präsidentin“ aufleuchtet. Ich musste ein paar Minuten meiner Rede der Ministerin opfern. Das habe ich gerne getan. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Einzelplan 14 ist solide aufgestellt. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Fritz Felgentreu für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und Herren! Parlament kommt von „parler“. Hier ist also ein Ort, an dem viel geredet und viel gestritten wird. Aber einmal im Jahr wird es hier ganz handfest und konkret. Dann drückt sich Politik in konkreten Zahlen aus, nämlich immer dann, wenn wir unseren Haushalt aufstellen. Wer den Haushalt eines Staates lesen kann, der versteht auch seine Politik. Ich finde es spannend, dieses Ana-lyseinstrument zugrunde zu legen und den Haushalt, so wie er uns heute vorliegt, in Beziehung zu den heutigen Diskussionsbeiträgen zu setzen. Gleich im ersten Redebeitrag, im Beitrag der Kollegin Buchholz, wurde gesagt, dass sich Deutschland international wesentlich offensiver aufstellt, dass wir Debatten darüber führen, international mehr Verantwortung zu übernehmen, an mehr Schauplätzen aktiv zu werden. Wenn wir uns den Haushalt 2014 anschauen, stellen wir überraschenderweise etwas anderes fest; auch das hat Frau Buchholz bereits erwähnt. Schauen wir im Einzelplan 14 – jetzt wird es technisch – einfach einmal in das Kapitel 1403 und da in die Titelgruppe 08: Für Auslandseinsätze werden – Frau Buchholz hat es angesprochen – 775 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das ist viel Geld; vollkommen richtig. Wenn wir uns aber die Vergleichsgröße für 2013 anschauen, stellen wir fest, dass es im letzten Jahr noch 900 Millionen Euro waren. Wir geben in diesem Jahr also 125 Millionen Euro weniger für Auslandseinsätze aus als im letzten Jahr. Es lässt sich leicht nachvollziehen, woran das liegt: Wir geben insgesamt 45 Millionen Euro weniger für das im Ausland eingesetzte Personal aus. Wir geben 45 Millionen Euro weniger für militärische Beschaffungen aus, also für Waffen und Gerät, und wir geben 15 Millionen Euro weniger für die Beschaffung sogenannter Quartiermeistermaterialien aus; das ist alles von der Büromaschine bis zur Sanitätseinrichtung. Der Hauptgrund dafür ist die Rückverlegung aus Afghanistan. Damit sind wir wieder bei dem Ausgangspunkt meiner Ausführungen: Politik drückt sich in Zahlen aus. Wir sind zu einer neuen politischen, vielleicht abschließenden Bewertung unseres Einsatzes in Afghanistan gekommen. Wir haben gemeinsam mit unseren Verbündeten die Überzeugung gewonnen, dass die Afghanen heute selber in der Lage sind, die Sicherheitsverantwortung für ihr Land zu tragen. Sie haben das bei der Durchführung der Präsidentenwahl im April und bei der Stichwahl im Juni dieses Jahres eindrucksvoll bewiesen. Deswegen können wir es uns leisten, weniger Geld für die Auslandseinsätze auszugeben, unsere Truppen aus Afghani-stan größtenteils zurückzuverlegen und gemeinsam mit den Verbündeten den Auftrag dort neu zu definieren. Das ist ein großer Fortschritt. Dieser Befund widerspricht dem, worüber wir im Moment mit einer gewissen Aufgeregtheit diskutieren. Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich das klarmacht und dass wir uns mit einer gewissen Gelassenheit den Aufgaben stellen, die auf uns zukommen. Eines ist sicherlich klar: Auch in Zukunft wird es Auslandseinsätze der Bundeswehr geben. Es wird Auslandseinsätze im Rahmen gemeinsamer Anstrengungen geben. Wir werden uns dieser Verantwortung nicht entziehen. Welche das konkret sein werden, wissen wir aber noch nicht. Wir müssen sie im konkreten Einzelfall hier im Deutschen Bundestag beraten, mandatieren und finanzieren. Bei diesen Einzelfallprüfungen werden wir uns von den Erfordernissen des jeweiligen Auftrags, der jeweiligen Problemstellung leiten lassen. Wir werden es immer vorziehen – das hat die Ministerin dankenswerterweise noch einmal gesagt –, Probleme mit diplomatischen Mitteln und mit den Mitteln der Entwicklungshilfe zu lösen. Wenn es sein muss, werden wir uns aber auch der Diskussion über eine militärische Verantwortung nicht entziehen. Das kommt auf uns zu; aber es ist immer einzelfallbezogen, und am Ende drückt es sich immer in den nüchternen Zahlen eines Haushalts aus. Das können wir aus dem Haushalt 2014, wie ich finde, besonders eindrucksvoll lernen. Mit dieser nüchternen Verfahrensweise sollten wir uns dem stellen, was in der Zukunft auf uns wartet. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Abschließend hat für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Michaela Noll das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Michaela Noll (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin, die heutige Debatte war für Sie, glaube ich, nicht ganz so einfach. Wir hatten eine Debattenzeit von 96 Minuten angedacht. Mittlerweile dauert die Debatte aber schon weit über 100 Minuten. Der Einzelplan 14 ist wichtig. Das, was die Ministerin und der Kollege Otte angesprochen haben, sind wichtige Punkte: Die sicherheitspolitische Lage, die Erwartungshaltung der Bündnispartner, die Investitionen in gutes Personal und die globale Minderausgabe sind angesprochen worden. Das heißt, dass wir einen relativ großen Bogen gespannt haben. Das, was Ingo Gädechens eben sagte, kann ich zu 100 Prozent unterstreichen: Freiheit gibt es nicht umsonst. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Diese Meinung teilen wir, glaube ich, alle. Herr Kollege Arnold, ich freue mich, wenn Kollegen eine ausgewogene Rede halten. In Bezug auf einen Punkt kann ich Sie hundertprozentig unterstützen; da sind wir ganz an Ihrer Seite. Zur Attraktivitätsoffensive haben Sie gesagt, sie sei der Schlüssel zum Erfolg. Da gebe ich Ihnen recht. Ich bin zuversichtlich, dass wir sie entsprechend begleiten werden. Wir sprechen heute zwar über Zahlen. Ich möchte aber auf das, was meine sehr geschätzte Kollegin Henn angesprochen hat, zurückkommen, nämlich auf den Inhalt der Attraktivitätsoffensive. Wir waren gemeinsam, Sie, ich und unser Kollege Dr. Felgentreu, in Masar-i-Scharif. Es gab diverse Kommentare, zum Teil in Zeitungen, in denen die Attraktivitätsoffensive etwas kritisch betrachtet wurde. Anscheinend haben die Kommentatoren aber nicht mit den Soldaten gesprochen. Die Kollegin Henn und ich hatten die Gelegenheit, mit den Soldaten abends in der Oase zu sitzen und einfach einmal zu fragen: Was haltet ihr davon? Die Soldaten haben uns gesagt, dass sie an dieser Attraktivitätsoffensive schätzen, dass sie zum ersten Mal im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Die sicherheitspolitische Lage ist das eine. Den Soldaten geht es aber darum, dass man einmal den Blick auf sie richtet und sich um sie kümmert. Die Kultur des Sichkümmerns kommt meiner Meinung nach durch diese Attraktivitätsoffensive sehr deutlich zum Ausdruck. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich habe auch die Gelegenheit genutzt – so oft kommt es im Alltag nicht vor, dass wir Soldaten begegnen –, um einfach einmal zu fragen: Warum sind Sie überhaupt zur Bundeswehr gegangen? Was hat die Bundeswehr für Sie so attraktiv gemacht? – Das wurde mit einem Wort beantwortet: Kameradschaft. Dabei geht es um Kameradschaft nicht nur im Sinne des § 12 Soldatengesetz. Es geht um mehr. Viele von Ihnen können sich vielleicht noch an den TV-Beitrag von Kerner erinnern. In dessen Verlauf bekam ein junger Sanitäter, Ralf Rönckendorf, einen Sonder-Bambi für seinen Einsatz in Kunduz am 2. April. Bei diesem Einsatz setzte er sich für die Rettung eines Kameraden ein und verlor dabei sein Augenlicht. Er antwortete auf die entsprechende Frage, dass er es immer wieder tun würde. Leider ist unser Kollege Dr. Jung, ehemaliger Verteidigungsminister, heute nicht hier. Er war mit einer derjenigen, die das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Nach diesem Gesetz muss der Soldat, der im Einsatz verwundet wurde, die Truppe nicht verlassen. Er wird weiter seine Heimat in der Bundeswehr haben. Auch das war schon ein Signal des Sichkümmerns. Deswegen glaube ich, dass dieser Weg der richtige ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein Satz des Sanitäters ist bei mir besonders hängen geblieben. Er machte eine kleine Pause und sagte: Als aktiver Soldat hoffe ich einfach auf ein kleines bisschen mehr Anerkennung in unserer Gesellschaft für die Soldaten. – Meine Damen und Herren, das ist etwas, was nichts kostet. Es ist eine Frage der Empathie mit den Soldaten. Diese Empathie sollten wir haben; denn wenn sich die Soldaten von der Gesellschaft im Stich gelassen fühlen – vielleicht auch gelegentlich an der einen oder anderen Stelle von der Politik; nicht von uns hier, aber wenn ich nach links schaue, könnte das hin und wieder passieren –, gibt es dringenden Handlungsbedarf. Wir müssen ihnen das Gefühl geben, dass sie Teil unserer Gesellschaft sind. Durch die Wehrpflicht war die Verankerung der Bundeswehr in der Gesellschaft vorhanden. Durch die Aussetzung der Wehrpflicht haben wir jetzt ein anderes Bild. Oft findet die Bundeswehr bzw. das Leben in der Bundeswehr in den Familien nicht mehr statt, weil die jungen Menschen nicht mehr gezogen werden. Sie gehen jetzt freiwillig. Ich glaube, da gibt es dringenden Handlungsbedarf; denn mittlerweile gibt es in der öffentlichen Diskussion manchmal eine ungute Mischung von Missverständnissen und Vorurteilen, meistens gespeist aus Unwissenheit. Es ist nicht Aufgabe der Soldaten, zu erklären, warum sie in einen Auslandseinsatz gehen, sondern es ist unsere Aufgabe, zu erklären, warum wir sie dahin schicken, damit sie wissen, dass sie mit unserer Rückendeckung gehen. Das erhoffe ich mir. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Heidtrud Henn [SPD]) Vielleicht noch ein kleiner Hinweis: Wir haben morgen wieder ein Fußballspiel. Das ist schön und gut. Wenn die jungen Fußballer zurückkommen, ist ganz Deutschland euphorisch und feiert sie. Wissen Sie, was ich mir manchmal wünsche? Ich wünsche mir, dass die Soldaten, wenn sie von einem Einsatz nach Hause kommen, das Gefühl, in der Heimat willkommen zu sein, genauso vermittelt bekommen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 14 – Bundesministerium der Verteidigung – in der Ausschussfassung. Wer stimmt für diesen Einzelplan? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 14 ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe nun Tagesordnungspunkt II.13 auf: Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Drucksachen 18/1005, 18/1023 Berichterstatter sind die Abgeordneten Doris Barnett, Alois Karl, Michael Leutert und Dr. Tobias Lindner. Zu dem Einzelplan 05 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte, die notwendigen Umgruppierungen jetzt zügig vorzunehmen, damit wir die notwendige Aufmerksamkeit für den ersten Redner herstellen können. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die Fraktion Die Linke der Kollege Dr. Diether Dehm. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst haben Sie von der CDU/CSU und von der SPD die Öffentlichkeit getäuscht, indem Sie gesagt haben, der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion würde automatisch Kommissionspräsident werden. Dann wackelt die Kanzlerin weg von Herrn Juncker und setzt sich dem Erpressungsmanöver des David Cameron aus, der für seine britische Bankenlobby noch mehr aus der EU herausholen will, (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Das haben wir überwunden!) um dann auf dem Katholikentag wieder ein wenig in Richtung Juncker zurückzuwackeln. Die Tagesschau sagte zu diesem Geschacher – ich zitiere –: Erst einigen sich die großen Parteifamilien auf Spitzenkandidaten … Und jetzt wird ein Betrug in aller Offenheit geplant. Seit fünf Jahren schlagen Sie alle Empfehlungen der Linken in den Wind, aus dem Europäischen Parlament endlich (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auszusteigen!) ein echtes Parlament zu machen. Dann würde nämlich jetzt der Kommissionspräsident einfach nur gewählt werden. Aber Sie wollten ein kastriertes Parlament wie die Kastration des europäischen Traums, nämlich diese EU. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn gegen den Vertrag von Lissabon gestimmt?) Ich zitiere den EU-Arbeitskommissar Laszlo Andor: Angesichts von beinahe 26 Millionen Arbeitslosen müssen wir für den Moment schlussfolgern, dass die soziale Krise weitergeht. Wie anders färbte Herr Gauck gestern in Portugal die Krise und die Jugendarbeitslosigkeit schön. Der Bundespräsident spricht für die Menschenrechte der Gläubiger. Für die Gläubigen hingegen und die wirklichen Menschenrechte sprach jüngst Papst Franziskus – ich zitiere –: Wir schließen eine ganze Generation aus, um ein Wirtschaftssystem aufrechtzuerhalten, das nicht mehr zu ertragen ist. Ja, diese Krise ist nur gegen den Finanzkapitalismus lösbar. Irgendwann wollte Sigmar Gabriel die Trennung von Spekulationsbanking und klassischem Kreditgeschäft sogar einmal zum Wahlkampfthema machen. Hoppla, dachte ich mir als früheres SPD-Mitglied, da hat der Sigmar an sich heruntergeschaut und eine sozialdemokratische Wurzel gesehen. Aber dann fand das im Wahlkampf überhaupt nicht statt, kein Plakat, nichts dergleichen, und im Koalitionsvertrag findet sich erst recht nicht ein Wort über das Trennbankensystem. In der EU bleibt es bei der Macht von fünf Großbanken und drei Ratingagenturen, die sich großspurig wie eine Gottheit „die Finanzmärkte“ nennen und für die Frau Merkel von der Demokratie Marktkonformität fordert. Aber es sind doch gerade die EU-Staaten, denen Sie am meisten das Soziale kaputtgekürzt haben, deren Staatsverschuldung danach am allerhöchsten gestiegen ist. Hören Sie zumindest einmal richtig hin, wenn Linke mahnen! In der letzten Sitzungswoche taten Sie empört, als meine Kollegin Da?delen Brecht zitierte. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Fraktionsvorstand im Übrigen auch!) Ich wiederhole das mit Genehmigung der Präsidentin. Aus dem Leben des Galilei – ich zitiere –: Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher. Kein Kollege – das wissen Sie so gut wie ich – darf einen anderen hier „Verbrecher“ oder „Dummkopf“ nennen, (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) und das hat auch niemand getan. (Beifall der Abg. Inge Höger [DIE LINKE] – Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Doch, das hat sie getan! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) – Und das hat auch niemand getan. Selbst das Bürgerliche Gesetzbuch unterscheidet zwischen unwissentlichen und falschen Aussagen, die bewusst getroffen werden. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat Frau Da?delen das denn bewusst oder unbewusst so erzählt?) Was können wir als kleine, aber umso konsequentere Opposition denn anderes tun, als öffentlich aufzurütteln oder Sie als Regierung gegenüber dem Faschismus – nicht nur in der Ukraine, sondern auch in weiten Teilen Europas – etwas bösgläubiger zu machen? Jetzt können Sie entscheiden, ob Sie das verdrängen, verharmlosen, (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Niemand tut das! Sie bauen einen Pappkameraden auf!) die Wahrheit eine Lüge nennen oder ob es vielleicht die Wahrheit ist und Sie das nicht widerlegen können. – Wenn Sie mir einen Moment Ihre geschätzte Aufmerksamkeit schenken würden. – Falls Sie das widerlegen können, wir uns also irren und Sie uns diesen Irrtum nachweisen können, dann tun Sie das. (Beifall der Abg. Inge Höger [DIE LINKE]) Ich wiederhole ein paar Fakten – achten Sie darauf; denn dann ist immer noch zu sehen, ob Sie bös- oder gutgläubig damit umgehen –: Erstens. Es sind immer noch vier Minister in der ukrainischen Regierung lupenreine Faschisten. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Quatsch! Das ist dummes Zeug! Sie relativieren den Begriff „Faschismus“ in einer unerträglichen Art und Weise!) – Immer noch vier Minister. Zweitens. Die EU unterstützt das, was der Sozialdemokrat Günter Verheugen jüngst einen „Epochenbruch“ nannte. Drittens. Die Swoboda-Partei hat bei der Präsidentenwahl zwar nur 2 Prozent erhalten. Aber der nicht minder rechtsextreme Kandidat Oleg Ljaschko bekam 8 Prozent. Viertens. Der Generalstaatsanwalt, ein Faschist der Swoboda-Partei, ist zwar von Präsident Poroschenko abberufen, aber hernach sofort zum Präsidentenberater gemacht worden. Fünftens. Im April wurde im Kiewer Zentrum für zeitgenössische Kunst von sogenannten Maidan-Künstlern der – ich zitiere – „Ukrainischen Kulturfront“ eine Ausstellung mit dem Titel „Vorsicht Russen“ eröffnet. Dort werden russische Menschen in Tierkäfigen mit einem Schild „Bitte nicht füttern“ gezeigt. Sechstens. Mehrere Holocaust-Gedenktage mussten in der Ukraine abgesagt werden. Rabbiner wie der Rabbi Cohen wurden auf offener Straße verprügelt. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Unglaublich!) Siebtens. In Riga, in Lettland, wurde gerade erst ein funkelnagelneues Denkmal für die Waffen-SS errichtet. – Nun schreien Sie nicht „Unglaublich!“, sondern widerlegen Sie die Fakten, die ich Ihnen eben genannt habe! Das sind Fakten, und darüber muss ein Antifaschist hier wütend werden dürfen. (Beifall der Abg. Inge Höger [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Dehm, gestatten Sie eine Bemerkung oder Frage des Kollegen Grund? Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Ich gestatte gerne eine Frage. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh nein! Jetzt ziehen Sie das doch nicht noch in die Länge!) Manfred Grund (CDU/CSU): Ich finde es schwer erträglich, wie der Begriff des Faschismus hier relativiert und jedes Ereignis, jede Bewegung, die Ihnen nicht passt, mit „faschistisch“ etikettiert wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Faschismusvorwurf ist immer wieder von Moskau hervorgeholt worden, wenn im Ostblock, vor der Haustür sozusagen, irgendwelche Freiheitsbewegungen entstanden sind. 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn, selbst 1961 beim Mauerbau musste immer der Faschismusvorwurf herhalten, den Sie jetzt auf die Freiheitsbewegung in der Ukraine anwenden. Instrumentalisieren Sie bitte nicht die jüdische Bevölkerung in der Ukraine für Ihre Argumentation! (Erika Steinbach [CDU/CSU]: So ist es!) Zuletzt hat sich der Oberrabbiner von Lemberg entschieden dagegen verwahrt, dass die jüdische Bevölkerung in der Ukraine in dieses Instrumentalisierungsschema hi-neingepresst wird. Die von Ihnen so gescholtene Regierung hat mindestens zwei der Gouverneure, die sie eingesetzt hat, aus dem jüdischen Teil der Bevölkerung genommen, unter anderem Igor Kolomoiskij in Dnipropetrowsk. Noch etwas: Die Faschisten, wenn es solche gibt, oder die Neofaschisten in Westeuropa pilgern nicht nach Kiew. Ataka, Jobbik oder auch Le Pen gehen nach -Moskau und suchen sich dort ihre Bündnispartner. (Beifall bei der CDU/CSU – Abg. Manfred Grund [CDU/CSU] nimmt wieder Platz) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Sie können für die Antwort gerne stehen bleiben. Ich habe auch nichts gegen eine zweite Frage, weil ich Sie zurückfragen würde: Wie, glauben Sie, kommt es bei der jüdischen Bevölkerung in der Ukraine, in der West- oder der Ostukraine oder im Umfeld, an, dass die Swoboda-Partei, auf die ich mich eben bezogen habe, ihre Parteihochschule bis in den Frühsommer dieses Jahres nach Joseph Goebbels benannt hat? Wie anders ist das zu nennen als Faschismus? Wer das nicht Faschismus nennt, der verharmlost den Faschismus, meine Damen und Herren. (Beifall der Abg. Inge Höger [DIE LINKE]) Dazu möchte ich noch etwas sagen. Es sind dort -Holocaust-Gedenktage, die man abhalten wollte, abgesagt worden, weil die Menschen Angst um ihre Sicherheit hatten. Wie nennen Sie denn so etwas? (Manfred Grund [CDU/CSU]: Nennen Sie mal die Belege dazu! Die Belege von eben will ich sehen!) – Ich habe Ihnen einen Namen und Fakten genannt: Der Rabbiner Cohen ist auf offener Straße angegriffen und verprügelt worden. Wenn das so ist, wenn solche Dinge stattfinden, dann können Sie das nicht einfach wegwischen. Das sind keine Lügen. Sie sollten Ihre Politik im Hinblick auf die Ukraine und die Faschisten dort überdenken! Das muss eigentlich die Moral von dieser Sache sein! (Beifall auf der Besuchertribüne) – Das ist schön. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Dehm, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Sarrazin? Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Aber natürlich. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank für die Möglichkeit der Frage. Herr Kollege, wir kennen uns ja ganz gut aus dem Ausschuss. Wir haben, glaube ich, noch nicht darüber geredet, dass ich beispielsweise schon während meiner Schulzeit bei einem Projekt aktiv war, das sich antifaschistisch organisiert hat und versucht hat, an Hamburger Schulen gegen Rechtsextremismus, gegen Aus-grenzung, gegen Fremdenfeindlichkeit zu arbeiten. Deswegen glaube ich, dass wir uns gegenseitig nicht in irgendeiner Hinsicht vorwerfen müssen, da nicht auf der richtigen Seite zu stehen. Bei meiner letzten Reise habe ich in Kiew Hinweise bekommen – sozusagen aus berufenem Munde: aus dem Bereich der Partei der Regionen –, dass an der Finanzierung der hier genannten Partei Swoboda bzw. des Rechten Sektors – die politisch in keinster Weise irgendjemandem in diesem Hause, der mir nahesteht, nahestehen – auch Kreise von Herrn Janukowitsch oder zumindest Kreise der Partei der Regionen oder des Kreml beteiligt gewesen sind. Ich glaube, es gehört zur Wahrheit dazu, sozusagen in Abgrenzung von diesen beiden Gruppierungen – es gibt noch andere, von denen man sich -abgrenzen müsste, zum Beispiel Samoobrona – zu sagen, dass Herr Janukowitsch bzw. die Partei der Regionen auch ein Teil dieser Geschichte sind. Ich glaube, es ist dann glaubwürdig, sich auch von diesen abzugrenzen. Ich würde Sie fragen, ob Sie dazu auch bereit sind. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Herr Sarrazin, ich gehe fast jedem Ihrer Hinweise gerne nach; aber gehen Sie bitte meinen genauso ernsthaft nach. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Antworten Sie doch einmal auf eine Frage!) Ich will das gerne prüfen. Was Sie jetzt in den Raum -gestellt haben, ist aber erst einmal eine These. Ich habe Ihnen hier Fakten genannt. Sagen Sie, wo die nicht -stimmen! (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er doch!) Zu den Fakten zählt auch, dass der Chefredakteur des ukrainischen Fernsehens vor laufender Kamera geprügelt wurde, er gezwungen wurde, Erklärungen zu verlesen, die er sonst nicht verlesen hätte. Alle diese Dinge sind passiert. Wenn ich Ihnen hier diese Beispiele nenne – auch die Beispiele von den Holocaustgedenktagen, die nicht stattfinden konnten –, dann sind das doch auch Hinweise, die Sie nachdenklich machen müssten. Wenn wir hier in dieser Diskussion erreichen, dass, statt dass wir uns hier oberlehrerhaft bevormunden, (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das sagt der Richtige!) in irgendeiner Weise Nachdenklichkeit gestiftet wird, wir den Hinweisen des Andersdenkenden nachgehen, dann haben wir in dieser Demokratie schon viel gekonnt. Und wenn, denke ich, das alles keine Lügen sind, kann man die Politik ja auch ändern. Wie lange warnen wir hier als linke Opposition vor Krieg und Waffenlieferungen! Als Sie noch Präsident al-Maliki im Irak unterstützt haben, während er die Sunniten gezielt diskriminierte, warben wir für eine Regierung der Versöhnung und des runden Tisches. Sie haben die Opposition gegen Assad hochgejubelt. Jetzt schreibt selbst die Konrad-Adenauer-Stiftung – CDU, genau hinhören, es ist ganz aktuell –: Tatsächlich stellt die Opposition in Syrien für viele Syrer keine vertrauenswürdige Alternative zu Assad dar. Wir haben vor Waffenlieferungen in die Türkei gewarnt. Dort bekommen die ISIS-Kämpfer Unterschlupf gewährt, und dort wurden sie mit Waffen gestopft. Desgleichen bei den mit Deutschland befreundeten Golfmonarchien Katar, Kuwait, Saudi-Arabien: alles gute Kunden deutscher Waffenexporteure. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Dehm, Sie reden jetzt auf Kosten des Kollegen Leutert; ich mache Sie nur darauf aufmerksam. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Dann komme ich jetzt gerne zum Schluss dieser Rede, weil ich mich auch ganz besonders auf den Kollegen Leutert freue. Heute Morgen ist Herr Gauck zitiert worden. Jetzt möchte ich Herrn Gauck ganz präzise zitieren: Es habe „früher eine gut begründete Zurückhaltung“ gegen Militäreinsätze gegeben, die die Deutschen jetzt – ich zitiere ihn jetzt wörtlich – „vielleicht ablegen“ könnten. Da kann ich nur sagen, wie mein Leipziger Kabarettkollege Meigl Hoffmann Herrn Gauck, über den sich auch viele Pfarrer aufregen, genannt hat: die „Worthülse im Patronengürtel der NATO“. Da halte ich es lieber mit Papst Franziskus – ich zitiere –: Damit das System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben. Einen Dritten Weltkrieg kann man jedoch nicht führen, und so greift man eben zu regionalen Kriegen. So weit Papst Franziskus. Wenn Sie uns schon nicht glauben, glauben Sie wenigstens ihm! (Beifall bei der LINKEN – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich glaube nicht an den Papst!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Doris Barnett das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Doris Barnett (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich bei meinen Mitberichterstattern Herrn Alois Karl, Herrn Michael Leutert und Herrn Tobias Lindner für die gute Zusammenarbeit bedanken. Mein Dank geht aber auch an meine eigenen Mitarbeiter und an das Haus, allen voran an den Minister, aber auch an den Staatssekretär Steinlein und an den Leiter des Haushaltsreferats, Herrn Kindsgrab, und seinen Stab, von denen wir vertrauensvoll unterstützt wurden. Jetzt komme ich aber zum vorliegenden Haushalt. Ohne oberlehrerhaft zu sein, möchte ich sagen, dass wir in dem Haushalt nicht nur eine neue und klare Struktur erkennen, sondern im Vergleich zum ersten Regierungsentwurf auch deutliche Aufwüchse in wichtigen außenpolitischen Feldern und damit die Handschrift des neuen Ministers. Dieser Haushalt umfasst mit etwas mehr als 3,7 Milliarden Euro zwar nur 1,2 Prozent des Gesamt-volumens des Bundeshaushalts, aber es ist wie immer im Leben: Es kommt darauf an, was man daraus macht. Gegenüber dem alten Soll von 2013 haben wir zusätzliche Mittel von über 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt – das ist ein Aufwuchs von 4 Prozent –, die überwiegend in die Bereiche humanitäre Hilfe und zivile -Krisenprävention sowie in den Bildungsbereich fließen. Damit setzen wir auch Zeichen, und die sind angebracht. Der Bürgerkrieg in Syrien kann wohl als die größte humanitäre Katastrophe der letzten Jahrzehnte gelten. Über 2,8 Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen, weitere 9,3 Millionen Menschen brauchen in Syrien selbst Hilfe. Ich habe großen Respekt vor dem Libanon, einem Land, das fast 1 Million registrierte Flüchtlinge aufgenommen hat. Das entspricht etwa einem Viertel der -Bevölkerung dort. Man stelle sich das im Verhältnis nur einmal in Deutschland vor: Was hier auf den Straßen los wäre! Ja, wir helfen vor Ort – und dürfen dabei nicht die Einheimischen vergessen, die ebenfalls unmittelbar durch diesen Bürgerkrieg betroffen sind. Wir hören auch den Ruf des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen. Deutschland hat vor wenigen Tagen beschlossen, weitere 10 000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Damit sind es insgesamt schon 25 000. Ich gebe zu: Andere Länder in Europa könnten auch noch etwas mehr tun. Rund 34 000 Syrierinnen und Syrer leben seit Beginn der Krise, also seit 2011, in Deutschland. Viele fanden und finden immer noch Unterkunft und Hilfe bei ihren hier lebenden Verwandten. Ich bin mir sicher: Wenn es die Lage erfordert, dann werden wir uns auch über die bereits eingestellten 303 Millionen Euro hinaus engagieren. Das möchte ich all jenen sagen, die meinen, man könne jetzt gar nicht genug Geld bereitstellen. Angesichts der Lage in der Ukraine ist es uns gelungen, ein klares Signal zur Unterstützung der dortigen -Zivilgesellschaft und an die Nachbarländer Moldawien, Georgien und Belarus zu senden. Mit einem Maßnahmenpakt von insgesamt 5 Millionen Euro für 2014 wollen wir gerade den jungen Menschen dort helfen, sich eine Zukunft aufzubauen. Hier müssen wir vorsichtig vorgehen. Wir dürfen nicht alle über einen Kamm scheren, und wir dürfen vor allem nicht das berühmte Kind mit dem Bade ausschütten, sondern wir müssen ihnen auf dem steinigen Weg in die neue Welt zu helfen versuchen. Das ist mehr als nur ein Zeichen des guten Willens. Es ist unsere unmissverständliche Ansage, den Weg der Ukraine in ein demokratisches, rechtsstaatliches Land tatkräftig zu unterstützen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) An dieser Stelle will ich auch ausdrücklich auf den guten Einfluss der OSZE bei der Befriedung des Konflikts hinweisen. Die Mittel, die wir dafür ausgeben – der Mitgliedsbeitrag –, liegen seit Jahren unverändert bei 17,5 Millionen Euro. Das ist gut angelegtes Geld, und ich rege an, dass der Ministerrat der OSZE unbedingt über eine Erhöhung des Budgets nachdenken sollte, was dann auch der Parlamentarischen Versammlung zugutekommt. Die Stärke der parlamentarischen Seite der Organisation ist: Wir bringen Menschen zusammen. Wir bringen sie dazu, miteinander zu reden, sich nicht die Köpfe einzuschlagen und sogar zu Ergebnissen zu kommen. Am 11. April 2014 waren wir mit der ukrainischen und der russischen Delegation in Wien. Wir haben erreicht, dass die Mitglieder dieser Delegation über drei Stunden miteinander gesprochen haben. Ergebnis war, dass erstens über die ukrainischen Rentenbezieher auf der Krim Vereinbarungen getroffen wurden und dass zweitens Vereinbarungen getroffen wurden, wie die Ukrainer, die auf der Krim leben, an den Wahlen beteiligt werden. Schon wenige Tage nach diesen Vereinbarungen wurde dann in Kiew ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Parlamentarier können sich also positiv einbringen. Dazu werden aber auch die entsprechenden Mittel notwendig sein. Einen klaren Schwerpunkt bei den Beratungen haben wir auf die Stärkung der zivilen Krisenprävention und Konfliktberatung gelegt. Zum einen stehen jetzt zusätzliche Projektmittel zur Verfügung, und zum anderen verstärken wir die erfolgreiche Arbeit des Zentrums für -Internationale Friedenseinsätze durch zusätzliches Personal. Auch das war nicht ganz einfach. Aber trotzdem ist es uns in den Beratungen gelungen, hierfür zusätzliche Mittel zu finden und zur Verfügung zu stellen. Es ist mir ein ganz besonderes Anliegen, dass Ausbildungspartnerschaften durch das Auswärtige Amt auch in Zukunft gefördert werden können und das Engagement verstärkt werden kann. Es stehen jetzt 1 Million Euro zur Verfügung, um erste Projekte in diesem Jahr anzustoßen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Berufliche Aus- und Weiterbildung nach deutschem Vorbild und der Export der dualen Ausbildung sind kein ausschließliches Instrument der Entwicklungshilfe. Im Gegenteil: Dort, wo deutsche Unternehmen Niederlassungen haben, können und sollen Angebote ähnlich der hiesigen Ausbildung gemacht werden. Nicht der Mercedes oder der Volkswagen, die Werkzeugmaschine oder das Haushaltsgerät allein sind das Qualitätsprodukt. Auch die Ausbildung der Menschen, die diese herstellen, gehört untrennbar dazu. Ausbildung ist ein nachhaltiges und wichtiges Instrument einer zukunftsfähigen Außenpolitik, das allerdings nicht auf die Kooperation der davon profitierenden Wirtschaft verzichten sollte. Mir geht es dabei nicht um die Eins-zu-eins-Kopie des deutschen Systems. Vielmehr können wir helfen, die im Ausland vorhandenen Strukturen weiterzuentwickeln. Auch darum geht es bei der Ausbildungspartnerschaft. Auch wenn wir über den europäischen Tellerrand blicken und uns engagieren, so vergessen wir nicht, dass ebenfalls in Europa wichtige Aufgaben zu erledigen sind. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in der Ukraine ist es wichtig, den Gesprächsfaden in Russland nicht abreißen zu lassen, sondern den Dialog zu pflegen. Russland war und ist unser Nachbar und Wirtschaftspartner, den wir bei unseren Entscheidungen mit bedenken müssen. Deshalb werden wir auch den Petersberger Dialog weiterführen und stärken. Wir stellen mit jeweils 1 Million Euro einen Zukunftsfonds sowohl für Italien als auch für Griechenland bereit, mit denen geholfen werden soll, die Vergangenheit mit Projekten vor Ort aufzuarbeiten. Die in Nürnberg eingerichtete internationale Akademie Nürnberger Prinzipien werden wir ebenfalls, allerdings nicht alleine, institutionell fördern, weil hier ein Forschungsinstitut zur Weiterentwicklung des internationalen Strafrechts an historischem Ort entsteht. Angesichts weltweit zunehmender Übergriffe staatlicher Institutionen und auch nichtstaatlicher Gruppierungen, die die Bevölkerung terrorisieren, drangsalieren und schwere Menschenrechtsverletzungen begehen – man denke hier nur an Mali –, wird hier die notwendige Arbeit unter anderem mit Richtern aus diesen Ländern geleistet. Solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfen nicht ungestraft bleiben. An diesem Institut wird gelehrt, wie wir seinerzeit in Deutschland Kriegsverbrechen aufgearbeitet haben. Neben diesen wichtigen Anliegen ist auch die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ein Schwerpunkt. Wir wollen sie als tragende Säule der deutschen Außenpolitik auf- und ausbauen. Deshalb sind wir froh, dass es uns gelungen ist, die vorgesehenen Kürzungen von 17 Millionen Euro beim DAAD weitestgehend zurückzunehmen. Die Arbeit, die der DAAD und das Goethe-Institut als Mittlerorganisation für Deutschland leisten, können wir gar nicht hoch genug einschätzen. Hier werden junge Menschen an die deutsche Sprache herangeführt, an das, was uns ausmacht. Die zur Verfügung gestellten Stipendien helfen, nicht nur Fachleute in Deutschland auszubilden und sie möglichst hier zu behalten, sondern auch, ein Netzwerk mit Menschen zu knüpfen, die später weltweit an wichtigen Stellen sitzen und Kenner und Fürsprecher für unser Land sind. Deshalb plädiere ich dafür, dass die jetzt zu verteilenden Sondermittel für Bildung und Forschung auch für weitere Projekte des Auswärtigen Amtes in Sachen Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zur Verfügung gestellt werden. Das ist in die Zukunft angelegtes Geld für ein gutes und friedliches Miteinander. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich gehe davon aus, dass die Opposition mit ihren zusätzlichen Anträgen, die mehrere 100 Millionen Euro umfassen, es mit dem Außenministerium eigentlich gut meint. Aber zugegeben, mangels seriöser Deckungsvorschläge (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) bleibt uns letztendlich nichts anderes übrig, als sie abzulehnen. Sie können doch nicht das eine Ministerium gegen das andere ausspielen und dann sagen, das sei seriös. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das nennt man politische Prioritätensetzung!) Ich würde mich freuen, wenn wir für den von uns vorgelegten Haushalt die breite Unterstützung des Hauses finden würden, und danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Omid Nouripour für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Welt ist in einem Wandel von atemberaubender Geschwindigkeit. Die Konflikte reihen sich aneinander. Sie kommen immer schneller, und viele von ihnen gehen auch nicht wieder weg. Im Südchinesischen Meer ist der Konflikt längst nicht gelöst. Die Atomverhandlungen mit dem Iran sind am Scheideweg. Es deutet sich ein Krisenbogen von Somalia über Südsudan und die Zentralafrikanische Republik bis nach Mali an. Der Nahe Osten ist in einer der schwierigsten Situationen seiner Geschichte. Die Kerry-Initiative steckt zumindest derzeit noch in einer Sackgasse. Hoffentlich gibt es zumindest nach diesem Sommer einen Neuanlauf. Der sogenannte Arabische Frühling ist in vielen Ländern zu einem Albtraum geworden. Es gibt auch Hoffnung wie in Tunesien, aber in vielen anderen Ländern ist das alles für viele Menschen mittlerweile nur noch mit großem Leid verbunden. Nach Syrien droht nun mit dem Irak das zweite große Land im Nahen Osten zu implodieren. Herr Außenminister, Sie haben Anfang des Jahres gesagt – ich zitiere –: „Deutschland ist ein bisschen zu groß und wirtschaftlich zu stark, als dass wir die Welt-politik nur von der Seitenlinie kommentieren könnten.“ Wir teilen diese Auffassung. Auch vieles, was der Bundespräsident sagt, verstehen wir im Gegensatz zu von der Leyen, Gysi und Dieter Dehm nicht in erster Linie militärisch. Deshalb finden wir mehr Verantwortung – das ist das Leitmotiv Ihrer Reden in den letzten Monaten gewesen – völlig richtig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Das Problem ist, dass aus einem Leitmotiv noch lange kein gelungenes Musikstück wird. Es ist offenkundig, dass sich ein Land wie Deutschland mit diplomatischen und zivilen Instrumenten um mehr Verantwortung bemüht und dass Konfliktvor- und Konfliktnachsorge sehr viel stärker als bisher in den Mittelpunkt geschoben werden müssen. Sie haben in München gesagt – ich zitiere erneut –: „Die Übernahme außenpolitischer Verantwortung muss immer konkret sein.“ Es gibt nichts Besseres, um diese Konkretion nachzuweisen, als einen Haushalt. Sie haben mit dem Review-Prozess einen sehr guten Prozess angestoßen, um noch einmal genau zu überprüfen, was in der deutschen Außenpolitik anders werden muss und wo wir stehen. Das ist gut und richtig. Der gesamte Prozess wird von uns unterstützt. Aber macht es nicht Sinn, dass man am Anfang eines solchen Prozesses auch auf Großengagements schaut und überlegt, was man falsch gemacht hat? Macht es nicht Sinn, dass wir endlich eine wissenschaftliche unabhängige Evaluation vom größten Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr in Afghanistan bekommen? Es wurde immer wieder beantragt, und es wurde immer wieder abgelehnt. Das zeugt nicht unbedingt davon, dass der Review-Prozess nun konkret werden soll. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Wir haben eine super Anhörung gemacht!) – Sie haben Experten eingeladen, denen Sie selbst keine wirklich ernsthaften Fragen gestellt haben. Was die zivile Krisenprävention angeht, ist im Haushalt mehr Geld für Projekte vorgesehen. Das ist richtig. Unser Anliegen war aber, die Institutionen zu stärken. Wir haben in Anträgen gefordert, den Ressortkreis zu stärken. Sie sind abgelehnt worden. Der interfraktionelle Antrag zu Syrien ist daran gescheitert, dass die Regierungsfraktionen keine konkreten Zahlen zur humanitären Hilfe und zur Aufnahme von Flüchtlingen drin haben wollten. Bei den diplomatischen und den zivilen Instrumenten geht es auch um Personal, und zwar um Justizpersonal. Wir haben nicht genug Personal. Wo bleibt die Initiative, um mehr Justizpersonal für internationale Einsätze zu bekommen? Was Polizeieinsätze angeht, hat mein Fraktionsvorsitzender heute Morgen die Zahl der aus Deutschland entsandten Polizisten bei den VN-Missionen genannt: Es sind 19. Jenseits davon hat Deutschland derzeit 236 Polizisten in Auslandseinsätzen. Nepal schickt 900. Ich glaube nicht, dass das etwas mit dem Gewicht und der wirtschaftlichen Stärke zu tun hat, die Sie völlig zu Recht angemahnt haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vieles von dem, was Sie in den letzten Monaten konkret getan haben, kann und muss man loben, beispielsweise Ihr Engagement in der Ukraine. Was Sie zusammen mit der Troika gerade im Februar auf dem Maidan und um den Maidan herum erreicht haben, wurde von uns gelobt. Wir bleiben auch dabei. Im Übrigen bestreitet niemand, dass es auch Faschisten gibt, auch in der ukrainischen Regierung. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Aber die Zwischenrufe sind anders!) Auch wir Grüne bestreiten das nicht. Wir bekämpfen diese Faschisten genauso. Aber im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von der Linken, sind wir nicht bereit, alle in die gleiche Ecke zu stellen und zu behaupten, dass alle Faschisten sind, die dort die Macht an sich gerissen haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das glauben Sie nicht ernsthaft!) Wenn wir nicht nur zuschauen sollen, frage ich mich, was wir tun sollen. Libyen, ein Land in unmittelbarer Nachbarschaft Europas, zerfällt. Die Kollegin Keul hat in den letzten Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass wir mehr tun müssen. Es gab sehr viele Gründe, warum wir beim Libyen-Einsatz nicht dabei waren. Wenn wir aber schon nicht dabei waren, stellt sich die Frage, ob wir mit Libyen überhaupt nichts mehr zu tun haben wollen oder ob es nicht sinnvoll ist, dass wir dort als Nachsorge des Konflikts deutlich mehr tun. Schließlich handelt es sich um einen Nachbarstaat der Europäischen Union. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Weitere Beispiele. Die VN schreien gerade regelrecht nach mehr Engagement im Südsudan und bitten um Hilfe. Aber wir sind noch nicht einmal bereit, in die Nähe der Mandatsobergrenze zu gehen. Beim Irak verhält es sich wie folgt: Gerade weil wir 2003 bei dem Einsatz, den die Amerikaner begonnen und bei dem sie so viel falsch und kaputt gemacht haben, nicht dabei waren und gerade weil al-Maliki – das ist in diesem Hohen Hause nun Common Sense – in den letzten drei Jahren alles getan hat, um die Keime der Dynamik und der Hoffnung im Irak zu zerstören, finden wir in diesem Land anders Gehör und besitzen eine andere Glaubwürdigkeit. Ich frage mich aber, wo die Stimme erhoben wird, um Druck zu machen und dafür zu sorgen, dass die nächste Regierung im Irak auf die Belange der Sunniten anders eingeht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben völlig recht: Deutschland ist zu groß, um nur an der Seitenlinie zu stehen. Aber noch einmal: Das muss konkret sein. Wir müssen deutlich mehr tun. Das, was bisher gemacht wurde, reicht nicht. Wir sind froh, dass in einigen Bereichen sehr viel mehr gemacht wird als in der letzten Legislaturperiode. Aber die Ansprüche, die Sie nun formuliert haben, sind deutlich höher als diejenigen, die in der letzten Legislaturperiode gestellt wurden. Deshalb werden wir Sie anders messen. Wir wollen nicht, dass Deutschland an der Seitenlinie steht. Dabei ist anzumerken: Deutschland steht im Fall Irak gar nicht an der Seitenlinie, sondern sitzt auf der Couch und schaut sich die Bilder im Fernsehen an. Wir wollen aber, dass Deutschland eine andere Rolle in der zivilen Vor- und Nachsorge von Konflikten spielt. Ich möchte ganz zum Schluss noch etwas Persönliches sagen. Ich persönlich bin mit vielem, was der Herr Außenminister macht, einverstanden. Ich finde, dass nun einiges besser ist als in den vier Jahren zuvor. Aber ich möchte an dieser Stelle – ich glaube, ich spreche hier nicht nur für mich – dem ehemaligen Außenminister viel Kraft und seiner Familie viel Geduld wünschen, damit er eine schnelle Genesung erzielen kann. Ich glaube, dass das in unser aller Sinne ist. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Petra Pau: Diesem Wunsch hat sich das gesamte Haus angeschlossen. Nun spricht der Kollege Alois Karl für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Alois Karl (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen des Deutschen Bundestags! Sehr geehrter Herr Außenminister! Lieber Herr Steinmeier! Wer im Lauf des Tages die Haushaltsdebatten verfolgt hat, stellt fest, dass sich fast alles nach einem gewissen Ritual abspielt. Wir als Regierungsfraktionen loben unsere Einzelhaushalte quasi über den Schellenkönig (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Unrecht!) und die Opposition kritisiert. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!) Herr Nouripour hat allerdings gerade mit dem Loben begonnen. Das hat mir gut gefallen. Sie sind auf dem richtigen Weg, wenn Sie das so ausdrücken. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann haben Sie abgeschaltet!) Auch wenn das eine oder andere bei manchem Einzelhaushalt kritisiert werden kann, beim Haushalt des Außenministers wirklich nicht. Sie könnten ihm zustimmen. Das wäre ein Aufschlag, der durch die Presse gehen würde. Nicht nur Herr Oppermann, sondern auch Sie wären dann in der Zeitung. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das wäre doch einmal etwas. Das würde ich Ihnen gönnen. (Beifall bei der CDU/CSU – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir Herrn Oppermann nicht nehmen!) Herr Dehm, Jean-Claude Juncker wird nicht automatisch Präsident der Kommission. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Aber es ist so gemacht! Es wurde so getan!) Auch bei der Linken kommt die Weisheit nicht automatisch. Hier bedarf es einer gewissen Prozedur. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er war der Kandidat für den Posten! Das müssen Sie schon zugeben!) Wir verabschieden heute den Haushalt des Bundesaußenministers, einen Bikinihaushalt, könnte man sagen, kurz und knapp, Herr Steinmeier. (Heiterkeit) Aber er umfasst doch das Wesentliche, und er erregt Aufmerksamkeit. Das sind die Attribute, die man dem Haushalt wie auch einem guten Bikini zuerkennen möchte. Herr Außenminister, Sie haben vor kurzem in einer Rede und auch in dem Gespräch mit den Berichterstattern gesagt: Es hat den Anschein – so haben Sie sich ausgedrückt –, als habe Außenpolitik wieder Konjunktur. – Ich habe mir darüber Gedanken gemacht und überlegt: Was hat er denn damit gemeint? In der Tat, es ist schon so, dass sich in den letzten 25 Jahren zum Beispiel viele außenpolitische Probleme, die Europa jahrelang und jahrzehntelang im Griff gehabt haben, gelöst haben und außenpolitische Themen verschwunden sind. Es hat sich vieles zum Guten gewendet. Wenn ich nur an Folgendes denke: die Aussöhnung mit Frankreich, die Wiedervereinigung Deutschlands, Deutschland als geachteter Partner in der Welt, der Niedergang des Warschauer Pakts als bedrohliches militärisches Bündnis. All das hat sich in der Tat hervorragend in unserer Gegenwart entwickelt. Es ist schon so, dass es in der Außenpolitik nicht alle acht Tage Ausschläge wie Amplituden geben kann und spektakuläre Aktionen stattfinden können. Es ist vielmehr eine kontinuierliche und ruhige Arbeit, die von uns Außenpolitikern und von Ihnen, Herr Steinmeier, an erster Stelle gemacht wird. Das Spektakuläre an der deutschen Außenpolitik ist, glaube ich, die Berechenbarkeit, die Verlässlichkeit und die Unaufgeregtheit, mit der wir uns unseren Aufgaben stellen. In der Tat, Probleme sind immer da, und sie werden nie zur Gänze gelöst werden. Das sieht man in Osteuropa, im Nahen Osten, im Mittelmeerraum usw. Die Ereignisse vor 25 Jahren haben einem großen Bedrohungspotenzial in Europa ein Ende bereitet. Viele Bedrohungsszenarien haben sich verflüchtigt, aber dennoch: Die Welt ist nicht friedlicher geworden. Jeden Tag kann auch über uns wieder Unfriede hereinbrechen. Ich nenne als Beispiel für eine Gefahr den islamistischen Terrorismus. Sicher ist aber, dass wir mit unserer Außenpolitik Beiträge leisten können, um Frieden und Freiheit und der Achtung der Menschenrechte in Europa und weltweit Geltung zu verschaffen. Wir meinen, dass wir auf einem richtigen Weg sind. Würden wir Generationen vor uns befragen, so würden sie sagen, dass sie die heutige Situation in Deutschland für sich herbeigesehnt hätten, dass diese Situation geradezu ihre Idealvorstellung gewesen wäre. Wenn wir die Generation von vor 100 Jahren, 1914, befragen würden, die den Beginn des Ersten Weltkriegs erlebt hat, mit 20 Millionen Toten am Schluss, dann würde sie in der gleichen Weise antworten wie jene Generation, die vor 75 Jahren gelebt und den Beginn des Zweiten Weltkriegs erlebt hat, am Ende mit 60 Millionen Toten, 20 Millionen davon Russen, (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: 27 Millionen Sowjetmenschen!) 6 Millionen Deutsche und 6 Millionen ermordete Juden. Sie würden in der jetzigen Situation möglicherweise dankbar sein, möglicherweise dankbarer als manche von uns, die das als völlig selbstverständlich hinnehmen. Das ist die Gefahr, in der wir leben, nämlich dass wir vieles oder gar alles als selbstverständlich hinnehmen. Wir haben erleben können, dass die beiden deutschen Staaten heute wiedervereinigt sind, dass wir von keinem einzigen äußeren Feind mehr umgeben sind, dass wir seit 1945 fast 70 Jahre Frieden haben. Das ist es, was unsere aktive Außenpolitik auch in der Zukunft betreiben wird. Wir werden von uns aus in Europa, aber auch in anderen Erdteilen dazu beizutragen, Frieden und Freiheit zu gewährleisten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, all das ist natürlich haushaltsmäßig auszustatten. Frau Barnett hat darüber kurz gesprochen. Es ist, glaube ich – Frau Barnett, ich spreche in Ihrem Namen und auch im Namen der anderen Kollegen –, durchaus eine schöne Aufgabe, wenn man an dem Schnittpunkt von Haushaltspolitik und Außenpolitik arbeiten kann und wenn man weiß, dass unser Geld gut angelegt ist. Wir sind im westlichen Bündnis fest verankert. Eine der Konstanten unserer Außenpolitik ist, dass wir fest auf der Seite des Westens stehen, dass wir uns bemühen, in anderen Ländern als verlässlicher Partner aufzutreten. Diese Konstanten sind allerdings nicht überall Allgemeingut. Ich zitiere eine Umfrage zum Ukraine-Konflikt: 45 Prozent der Befragten haben gesagt, wir sollten, fest im Westen stehend, diesen Konflikt zu lösen versuchen. 49 Prozent, also mehr, haben gesagt, wir sollten uns heraushalten, uns also möglichst nicht einmischen. – Die Maxime der deutschen Außenpolitik ist das nicht. Wir können uns in der Tat nicht heraushalten. Wir müssen schon aktiv Außenpolitik betreiben, und wir müssen auch Farbe bekennen. Wenn der Bundespräsident, wenn die Bundeskanzlerin, wenn die Verteidigungsministerin und wenn Sie, sehr geehrter Herr Außenminister, betont haben, dass wir mehr Verantwortung in der Welt als bisher übernehmen müssen, dann ist das, meine ich, richtig. Unsere Verpflichtung ist es – erwachsend aus der Situation heraus, dass wir in den letzten 25 Jahren in Deutschland Hervorragendes schaffen konnten –, allen anderen dabei zu helfen, dass auch ihnen der Friede, die Freiheit und die Achtung der Menschenrechte zugutekommen. Mit Kriegseinsatz hat das natürlich nichts zu tun. Herr Dehm, nachdem Ihr junger Kollege aus Brandenburg diese dummen Sätze gesprochen hat, wäre es gut gewesen, wenn Sie oder heute früh Ihr Fraktionsvorsitzender Gysi dazu eine ganz deutliche Stellungnahme abgegeben hätten. Das ist nicht geschehen. Es wäre gut, wenn Sie mehr sagen würden, als Gysi es getan hat, indem er gesagt hat, dass er hier nicht für jeden Genossen und für jede Äußerung geradestehen kann. Es war eine ganz dumme und ganz unkluge Bemerkung, den Bundespräsidenten quasi einen Kriegstreiber zu nennen. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr geehrten Damen und Herren, dem Recht des Stärkeren können wir in der Tat nicht das Wort reden. Wir haben unsere Aufgaben, auch in der Ukraine; das ist angesprochen worden. Herr Steinmeier, Sie waren da, und Sie haben zusammen mit Fabius und Sikorski, dem polnischen Außenminister, viele Gespräche geführt. Ich glaube, Sie haben die Dinge vorangebracht. Es war leider ein Mitglied Ihrer Partei, das gesagt hat, es sehe zurzeit keinen, der die Initiative ergreife und der die Dinge in der Ukraine vorwärtsbringen könnte. „Doch!“, würde ich dem früheren Bundeskanzler – er kommt dummerweise aus Ihrer Partei – entgegenhalten. Ich würde ihm sagen: Steinmeier macht doch etwas. Steinmeier ist jemand, der die Initiative ergriffen hat. – Sie haben dazu beigetragen, dass sich die OSZE an der Konfliktlösung beteiligt, dass der Botschafter Ischinger seinen Beitrag dazu leistet und dass Wahlen in der Ukraine stattfinden konnten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte auf einen anderen Punkt eingehen – von der Ukraine nicht so weit weg –: auf das Baltikum. Herr Steinmeier, Sie waren vor wenigen Wochen da, weil das Baltikum heuer ein Jubiläum feiert. Auch da sind die Menschen, etwa 2 Millionen, vor 25 Jahren aufgestanden und haben den sogenannten baltischen Weg begründet, als Zeichen nach außen, dass sie sich von der Herrschaft der Sowjetunion loslösen wollen. Das war einer der Marksteine neben dem Durchschneiden des Eisernen Vorhanges durch den österreichischen Außenminister Alois Mock und den ungarischen Außenminister Gyula Horn in Sopron, womit man nach außen deutlich gezeigt hat, dass die Proletarier der Welt ihre Ketten abwerfen. Allerdings hat Karl Marx das anders gemeint: Er hat die Ketten des Kapitalismus gemeint. In Osteuropa hat man aber die Ketten des Kommunismus und des Sozialismus abgeworfen. Im Baltikum erleben wir seit 25 Jahren hervorragende Entwicklungen. Die Balten sind Ihnen, Herr Steinmeier, und uns insgesamt dankbar, dass wir in dieser Weise zu ihnen stehen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Konflikte gibt es mehrfach: im Nahen Osten, im Mittelmeerraum und an anderen Orten. Wir haben vor wenigen Jahren den Arabischen Frühling erlebt und reiben uns heute mit Erstaunen die Augen, wenn wir sehen, dass es geradezu eine Trendumkehr gibt: In Ägypten folgt dem autokratischen System Mubarak und dem autokratischen System der Muslimbrüder möglicherweise ein weiteres autokratisches System unter der Herrschaft von al-Sisi. Trotzdem wollen wir dort Transformationspartnerschaften begründen. Dafür geben wir 39 Millionen Euro aus. Weitere 20 Millionen Euro fließen in Wissenschaftspartnerschaften. Wir verfolgen mit großem Entsetzen die Situation in Syrien. Es sind 2,5 Millionen Binnenflüchtlinge, 1 Million Flüchtlinge im kleinen Libanon, 600 000 Flüchtlinge in Jordanien und 600 000 Flüchtlinge in der Türkei. Wir haben in unserem Haushalt mehr als 300 Millionen Euro dafür eingestellt, um hier humanitäre Hilfe zu leisten. Wir wissen, dass wir da außer- oder überplanmäßig noch etwas tun müssen. Die Initiative von Bundesminister Gerd Müller, 1 Milliarde Euro zusätzlich aufzubringen, finde ich sehr bedenkenswert; allerdings ist das natürlich eine Aufgabe der Gebergemeinschaft der Welt. (Doris Barnett [SPD]: Ach so!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, uns fehlt ab und zu der finanzielle Spielraum, weil unsere Haushalte schon determiniert sind durch dauerhafte Ausgaben, zum Beispiel durch Zahlungen an die Vereinten Nationen und deren Unterorganisationen. Lieber Herr Bundesaußenminister, wir beteiligen uns augenblicklich an 15 Friedensmissionen – über Jahre bei den einen und über Jahrzehnte bei den anderen. Zu ihrem Beginn war es sicherlich richtig, dass wir uns beteiligt haben. Heute, meine ich manchmal, muss man kritisch nachfragen, ob alles noch seine Richtigkeit hat, ob nicht auch einmal etwas beendet werden kann. Bei der UNRWA ist das das Gleiche. Das ist eine Unterorganisation, die seit 65 Jahren humanitäre Hilfe in Palästina leistet. (Niels Annen [SPD]: Warum gerade jetzt?) Da muss ich fragen, ob das die nächsten 65 Jahre so weitergehen kann. Vizepräsidentin Claudia Roth: Denken Sie bitte an Ihre Redezeit. Alois Karl (CDU/CSU): Ich bin am Ende, liebe Frau Präsidentin, und komme zu meinem letzten Schachtelsatz, wenn Sie nichts dagegen haben. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Das hängt von Ihren Kollegen ab. Die müssen für den Schachtelsatz sozusagen bezahlen. Alois Karl (CDU/CSU): Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind in einer Zeit, wo wir den Haushalt konsolidieren wollen. Wir möchten im Herbst dieses Jahres einen Haushalt vorlegen, der eine Neuverschuldung von null hat. Das wird eine große Leistung sein – 45 Jahre nachdem zuletzt Franz Josef Strauß einen Haushalt mit Nullverschuldung vorgelegt hat. Der Gesamthaushalt sinkt um 4,4 Prozent, der Haushalt des Bundesaußenministers steigt um 4,4 Prozent. Das ist eine gewisse Reverenz an die Arbeit der Mitarbeiter dort, an unsere Außenpolitik und an Sie persönlich, lieber Herr Steinmeier. Wir stimmen dem Haushalt zu und bitten die anderen Fraktionen, uns das gleichzutun. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Erst einmal schönen guten Abend von meiner Seite aus! Jetzt hat das Wort Außenminister Frank-Walter Steinmeier. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Lieber Alois Karl, ganz herzlichen Dank Ihnen und den Berichterstattern für die offenen und freundlichen Beratungen, die wir in den letzten Wochen und Monaten hatten. Danke auch für die humorvolle Eröffnung Ihres Beitrags eben. Ich kenne mich bei Bikinis überhaupt nicht aus, aber Sie haben ja mitgeteilt, dass das eine eher knappe Ausführung sei. Vizepräsidentin Claudia Roth: Es kommt auf die Figur an. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Das kann ich noch weniger beurteilen. – Aber die Eröffnung lässt einen hoffnungsfroh zurück; denn wenn das der Bikini-Haushalt ist, dann hoffe ich doch darauf – wir stehen vor den Beratungen für den Haushalt 2015 –, dass die wärmenden Wollhosen für den nächsten Winter bald nachgeliefert werden, lieber Herr Karl. (Heiterkeit) Herzlichen Dank Ihnen allen! Ich danke Ihnen auch dafür, dass wir den Einzelplan 05 hier trotz Fußballweltmeisterschaft beraten können – zwischen zwei Übertragungen im deutschen Fernsehen. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Günstige Gelegenheit!) Ich freue mich darüber, dass der Haushalt erstens Interesse findet und dass hier zweitens ernsthaft über Außenpolitik diskutiert wird. Viele haben im Augenblick nur Brasilien und Fußball im Kopf, und Fußball hat wenig mit Außenpolitik zu tun – das gebe ich gerne zu –, wenngleich es doch Bezüge gibt. Im Fußball kann immerhin gestritten werden. Es kann zum Beispiel darüber gestritten werden, ob der Elfmeter für Griechenland gestern Abend berechtigt war oder nicht. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War er! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War er nicht! – Heiterkeit) Es kann darüber gestritten werden, ob der Biss ins Schulterblatt noch regelkonform ist. Aber warum kann darüber gestritten werden, und warum hat das am Ende etwas mit unserem Thema zu tun? Es kann darüber gestritten werden, weil dort Regeln bestehen, weil Spielregeln bestehen, weil das Spielregeln sind, die im Prinzip anerkannt sind, und weil es eine unabhängige Institution gibt, die durch einen Pfiff entscheiden kann, was gilt und was nicht gilt. Das alles fehlt, meine Damen und Herren, in einem größer werdenden Teil der internationalen Beziehungen, wobei schon das Wort „Beziehungen“ mit Blick auf die Entwicklung im Mittleren Osten fast ein Euphemismus ist. Wir erleben, wie staatliche Strukturen in Syrien und im Irak gegenwärtig zerfallen. Auch dort, wo im sunnitisch-schiitischen Ringen um die Vorherrschaft in der islamischen Welt das tägliche Blutvergießen kein Ende nimmt, auch dort, wo zwischen Bagdad und dem Mittelmeer ein riesiger gesetzloser, herrschaftsloser Raum zu entstehen droht, der zum Tummelplatz von Söldnern, Terroristen und kriminellen Clans werden könnte, auch dort, wo es kein Schwarz-Weiß gibt und die Unterscheidung zwischen Gut und Böse immer schwerfällt, haben wir in einem gewissen Maß Verantwortung. Die Verantwortung beginnt damit, dass wir überprüfen, ob die alte Philosophie „Der Feind des Feindes ist unser Freund“ noch gültig sein darf. Mit dieser Philosophie sind in Syrien Monster gezüchtet worden, Gruppen, die im Kampf gegen Assad begonnen haben, die moderate Opposition zu vernichten und Herrschaftsansprüche mit rücksichtsloser Brutalität auch außerhalb Syriens zu verfolgen. Der Feind des Feindes ist nicht schon deshalb unser Freund. Das sollte die Lehre aus diesem Konflikt sein. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Vordringen der ISIS-Gruppen mit dieser Geschwindigkeit, das wir dort erleben – einige haben es hier zum Ausdruck gebracht –, ist für viele eine Überraschung gewesen. Wir alle haben das in den letzten Tagen am Fernsehen verfolgt. Ich selbst war in der Türkei und habe mir die Bedrohungslage in der Nachbarschaft angesehen. Ich habe mit den Kurden im Nordirak gesprochen. Wir müssen uns einfach bewusst sein: So schlimm die Sache ist, Hilfe von außen ist im Augenblick nur ganz schwer möglich. Ich glaube, dass wir zu den Menschen einfach ehrlich sein müssen. Die Lösung muss im Augenblick eher von innen, aus dem Irak selbst, kommen. Ich habe heute die Äußerungen von Maliki mit einiger Sorge gehört. Ich glaube, es wird überhaupt nur dann Chancen für eine politische Lösung im Irak geben, wenn die politische Elite im Irak bereit ist, eine Regierung zu formen, in der alle Religionen und alle Regionen tatsächlich integriert sind. Nur dann wird es gelingen, die augenblickliche Verbindung zwischen ISIS und den vielen Enttäuschten, vor allen Dingen aus dem sunnitischen Lager, wieder aufzubrechen. Nur dann wird dem Vormarsch von ISIS tatsächlich die Basis entzogen werden können. Das wird aber nicht reichen. Wir müssen versuchen – wir sind dabei –, den Nachbarstaaten deutlich zu machen, dass keiner, aber auch wirklich keiner ein Interesse am Zerfall der staatlichen Integrität des Irak hat. Es würde im Zweifel alles noch schlimmer machen in dieser Region des Mittleren Ostens. Ja, wir müssen auch realisieren, dass ohne den Nachbarstaat Iran am Ende nichts zu erreichen sein wird. Auch mit diesem Tabu müssen wir brechen. Deshalb: Wir müssen im Augenblick – wo wir im Irak nicht über den notwendigen Einfluss verfügen, um die richtigen Dinge auf den Weg zu bringen; jedenfalls ist das meine Auffassung – von unserer Seite helfen, die Explosivkraft dieses Konflikts, die ungeheuer ist, vor allen Dingen mit Blick auf die Nachbarregionen zu entschärfen. Viele haben hier gesagt: Das Flüchtlingsdrama ist ein Flüchtlingsdrama wegen der Vielzahl der Flüchtlinge. Davon ist nichts zurückzunehmen. Aber es ist eben auch eine Gefährdung für fragile Nachbarstaaten wie den Libanon oder etwa Jordanien. 1,4 Millionen Flüchtlinge allein in Jordanien! Würden alle syrischen Flüchtlinge ihre Kinder in die libanesischen Schulen schicken, wären jetzt mehr syrische als libanesische Kinder in den Schulen. Damit wäre das Schulsystem überfordert. Faktisch ist es natürlich so, dass die meisten ihre Kinder gar nicht in die Schule schicken. Das führt dazu, dass jetzt im Libanon eine Generation Kinder von syrischen Flüchtlingsfamilien ohne jeden Kontakt mit Bildung aufwächst. Es ist deshalb gut – das sage ich ganz ausdrücklich, auch mit Blick auf die Länder –, dass der Bundesinnenminister gemeinsam mit den Landesinnenministern beschlossen hat, mehr Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Es ist gut, dass Bundesminister Müller 50 Millionen Euro zusätzlich für Flüchtlinge einsetzen wird. Ich bin dennoch davon überzeugt, dass wir mehr tun müssen. Wir müssen in dem vergleichsweise wohlhabenden Europa mehr tun, um das Leid vor Ort zu verringern. Das muss sich bei uns in der Haushaltsplanung widerspiegeln. Das tut es in gewissem Umfang auch. Aber es betrifft nicht nur uns, sondern auch die europäischen Partnerstaaten. Ich habe gerade die europäischen Partnerstaaten in einem gemeinsamen Brief mit Herrn de Maizière ermuntert, dasselbe zu tun wie wir, nämlich Flüchtlingskontingente in einer bestimmten Größenordnung aufzunehmen. Ich weiß: 30 000 oder 40 000 Flüchtlinge sind gegenüber den 1,4 Millionen Flüchtlingen, die Libanon bereits aufgenommen hat, wenig. Aber wenn 28 europäische Staaten das Gleiche täten, dann ließe sich die Not in der Region wenigstens signifikant verringern. Dazu müssen wir bereit sein. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich bin gestern aus Kiew zurückgekommen. Ich bin ein weiteres Mal in der Region gewesen, weil ich finde, dass wir jetzt in einer historischen und entscheidenden Phase sind. Ich glaube, nur wer sich wirklich mit dem Konflikt auseinandersetzt und die Strukturen betrachtet, der weiß, wie das Verhalten des neugewählten Präsidenten Poroschenko in einer Situation einzuschätzen ist, in der die Mehrheit der Bevölkerung etwas anderes will als einen Friedensplan. Die Mehrheit der Bevölkerung wünscht eine aktive Bekämpfung der Separatisten im Osten. Wer sich ein bisschen in diesen Konflikt hineinkniet, der kann vielleicht nachspüren, was für ein Mut dazugehört, als neugewählter Präsident in einer solchen Situation nicht die Alternative einer aktiven polizeilichen und militärischen Bekämpfung zu wählen, sondern einen Friedensplan vorzulegen, der ein Angebot an diejenigen ist, zu denen das Vertrauen im Augenblick völlig zerbrochen ist. Deshalb, lieber Herr Dehm, finde ich das, was Sie hier am Mikrofon veranstaltet haben, so infam. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Denn niemand von uns hat in der Vergangenheit irgendetwas verschwiegen. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!) Niemand von uns hat gesagt, dass es auf dem Maidan keinen rechten Sektor gab. Niemand von uns hat behauptet, dass eine umfängliche Aufklärung aller Verbrechen stattgefunden hat. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Und in Odessa? Durch den Generalbundesanwalt?) Niemand von uns hat das behauptet. Nur Sie machen es sich, verdammt noch mal, viel zu einfach, (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nein! Sie machen es sich zu einfach!) indem Sie die gesamte politische Führung in der Ukraine zu Faschisten erklären. Ich will Ihnen nichts von Ihren Meinungen nehmen. Machen Sie weiter so. Sie werden dafür keine Zustimmung finden, weder im Deutschen Bundestag noch in der Öffentlichkeit. Nur ein Satz, den Sie vielleicht bedenken sollten: Warum werden eigentlich die Separatisten von den Faschisten in ganz Europa unterstützt, von der Front National über Geert Wilders und deutsche Neofaschisten bis hin zu italienischen Neofaschisten? (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Jobbik! – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Wie kann man denn ein Parteiinstitut nach Joseph Goebbels benennen?) Wenn Sie den Eindruck haben, dass es dort Faschismus gibt, dann müssen Sie doch thematisieren, warum es gerade die Faschisten in ganz Europa sind, die gegen diese ukrainische Regierung kämpfen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ein Parteiinstitut mit dem Namen „Joseph Goebbels“!) So wird doch ein Zusammenhang daraus. Insofern sage ich: Das, was Sie hier tun, ist eine Verzweiflungstat, weil Sie schlicht und einfach keine Haltung zu einer Ukraine-Krise finden, (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Keine -Argumente!) die in der Tat ein bisschen komplexer und schwieriger zu verstehen ist, als Sie hier tun. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben gestern in Kiew ein langes Gespräch mit dem Präsidenten Poroschenko gehabt. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Ich habe Kiew verlassen, bin zum Flughafen gefahren und habe gedacht, dass wir zwar nicht den Durchbruch geschafft haben, aber ein Stück weiter sind. (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Das heißt, die vier Faschisten sind raus aus der Regierung?) Ich habe wirklich gedacht, dass wir ein Stück weiter sind und zur Entschärfung der Krise beitragen können, (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Geben Sie doch mal eine Antwort darauf!) weil mitten im Gespräch mit Poroschenko die Nachricht hereingekommen war, dass Präsident Putin bereit ist, auf die vom Föderationsrat erteilte Interventionsvollmacht zu verzichten. Das erschien wie eine wirkliche Entspannung der Situation, weil es ein erstes Signal war, dass wir die Talsohle vielleicht durchschritten haben könnten. Mit diesem Eindruck bin ich gestartet. Als ich gestern Nachmittag in Brüssel landete, erfuhr ich von dem Abschuss des Hubschraubers, bei dem es neun Tote gab. Das zeigt, wie fragil die gegenwärtige Lage ist. Es zeigt mir aber auch, dass wir gar keine andere Möglichkeit haben, als zu versuchen, immer wieder anzusetzen und nach Möglichkeiten zu suchen – ich bin immer noch davon überzeugt, dass es geht –, tatsächlich eine Entschärfung der Krise zu erreichen. Ich will mich ganz herzlich auch dafür bedanken, dass die Ausstattung der Auswärtigen Kulturpolitik mit diesem Haushalt deutlich besser geworden ist. Ich freue mich darüber, dass Jungs und Mädchen aus aller Welt in der Lage sein werden, unsere verdammt schwere Sprache zu lernen, vielleicht auf deutsche Schulen zu gehen, hoffentlich deutsche Stipendien zu erhalten. Ich will ebenfalls mit einem persönlichen Wort schließen; das liegt mir am Herzen. Mein Amtsvorgänger und langjähriger Kollege Guido Westerwelle ist, wie Sie wissen, schwer erkrankt. Im Namen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Amts und mit Sicherheit auch in Ihrem Namen möchte ich sagen: Wir wünschen Guido Westerwelle alle Kraft, die erforderlich ist, für den Kampf gegen die Krankheit und für eine vollständige Genesung. Vielen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frank-Walter Steinmeier. Der Bundestag schließt sich diesen Wünschen von Herzen an. Nächster Redner in der Debatte: Michael Leutert für Die Linke. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Alois Karl [CDU/CSU]) Michael Leutert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich will in der Kürze der Zeit versuchen, auf einen Punkt einzugehen. In unserem Berichterstattergespräch haben Sie in einem sehr nachdenklichen Beitrag Ihre Einschätzung darüber gegeben, wie es derzeit in der Welt aussieht. Ich fand es schon sehr bedrückend, was Sie erzählt haben. Man kann den Eindruck bekommen, dass derzeit vieles um uns herum zusammenbricht; das wurde schon angesprochen. Ob das die Ukraine ist – die gerade Thema war –, ob das Irak, Syrien oder der ganze Nahe Osten ist, ob in Afrika, zum Beispiel in der Zentralafrikanische Republik: Überall gibt es Probleme. Die Bundeswehr ist derzeit an 18 internationalen Einsätzen beteiligt. Weltweit gibt es 17 Friedensmissionen der UN. Man denkt immer, das alles ist sehr weit weg, aber dem ist nicht so. Die am weitesten entfernten Krisenherde liegen 5 000 Kilometer von hier, das sind zehn Flugstunden. Wenn man die Situation auf der Karte betrachtet, sieht man, dass es in Fernasien und auf dem ganzen amerikanischen Kontinent keinen einzigen Einsatz gibt. Die Einsätze finden in den Krisenherden um uns herum statt: Afrika, Mittlerer und Naher Osten, aber auch in Europa, und das wird immer wieder vergessen. Allein in Europa gibt es sechs Einsätze: einen im Kosovo, zwei im Mittelmeer, einen in der Türkei, einen auf Zypern – er hat dieses Jahr im Übrigen 50-jähriges Jubiläum – und einen in der Ukraine. Das bedeutet, die Probleme finden nicht irgendwo da draußen statt, sondern sie sind nicht fern von hier. Ich glaube, wir sind uns alle einig, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Probleme können nicht militärisch gelöst werden, aber sie müssen gelöst werden. Wenn ich mir die Debatten der letzten Wochen und Monate hier in Deutschland anschaue, dann bin ich mir nicht ganz sicher, ob wir in der Lage sind, dazu beizutragen, diese Konflikte zu lösen. Es gibt viele, die meinen, Deutschland müsse sich international mehr engagieren, auch militärisch. Viele sind der Meinung, das müsse nicht nur Deutschland tun, sondern eigentlich Europa. Allerdings befindet sich die Europäische Union derzeit in einem Zustand, angesichts dessen man bezweifeln mag, ob sie dazu in der Lage ist: Finanz- und Schuldenkrise, ökonomische Probleme und soziale Verwerfungen und meines Erachtens auch ganz klar politische Probleme. Dies wird am Postengeschacher nach der Wahl zum Europäischen Parlament -deutlich, bei dem es darum geht, ob nun der eine Kommissionspräsident wird und der andere dafür Parlamentspräsident. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Hat doch ein gutes Ende genommen!) Das ist eine Verhöhnung der Wählerinnen und Wähler, so als hätten wir überhaupt keine Wahlen gehabt. (Alois Karl [CDU/CSU]: Wie geht es bei euch bei Vorstandswahlen?) Wir brauchen in Europa – und darum geht es mir – klare, transparente, verlässliche und demokratische Strukturen, auf die sich die Menschen verlassen können. Wir brauchen Strukturen und Regeln – über Regeln hat der Außenminister gerade gesprochen –, denen die Menschen in Europa auch wieder vertrauen. Das geht nur, wenn wir endlich dafür sorgen, dass die EU eine Verfassung bekommt, die auch dem Europäischen Parlament die notwendigen Rechte zuschreibt, und die Kommission (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn den Vertrag von Lissabon abgelehnt?) vom Parlament bestimmt wird, so wie es eine ganz normale demokratische Gepflogenheit ist. Egal was in der Vergangenheit stattgefunden hat: Das ist die heutige Faktenlage. Ich bin der Meinung, wir brauchen einen Neustart für eine europäische Verfassung. (Beifall bei der LINKEN) Diese Debatte zu führen und den Prozess zu begleiten, ist auch Aufgabe des Auswärtigen Amts. So steht zum Beispiel im Vorwort des heute abzustimmenden Etats: Das Auswärtige Amt dient dem Aufbau eines vereinten Europas. – Das spiegelt sich bei den Ausgaben aber überhaupt nicht wider. Zwei Titel im Etat des Auswärtigen Amts beschäftigen sich mit Europa. Der eine Titel lautet „Förderung des europäischen Gedankens“ und ist mit 800 000 Euro ausgestattet, der andere Titel lautet „Intensivierung der europäischen Integration“ und hat 2 Millionen Euro. Mehr nicht. Insgesamt sind das 2,8 Millionen Euro. Vorhin wurde davon gesprochen, dass 3,6 Milliarden Euro ein Bikinihaushalt sind. Was sind dann diese 2,8 Millionen Euro für die europäische Integration? (Alois Karl [CDU/CSU]: Ein Stringtanga!) Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, ich glaube, es ist ein Fehler, dass wir dafür nicht mehr Geld bereitstellen. Wenn sich Europa nicht schnell zu einer echten politischen, sozialen und wirtschaftlichen Union weiterentwickelt, werden wir die Konflikte in und um Europa nicht lösen können. Eine Währungsunion allein reicht dafür nicht. Vizepräsidentin Claudia Roth: Kommen Sie bitte zum Ende. Michael Leutert (DIE LINKE): Ich bin davon überzeugt – das ist mein letzter Schachtelsatz –: Nur ein demokratisches, soziales, friedliches und stabiles Europa wird die Kraft haben, die Krisen um uns herum und die Krisen in Europa nachhaltig zu lösen. Dazu sollten wir unseren Beitrag auch im Haushalt leisten. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. Der Schachtelsatz hielt sich aber in Grenzen. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Zu mehr reicht es nicht!) Nächster Redner ist Philipp Mißfelder für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Leutert, zu Ihren Einschätzungen zur Europapolitik und zu den Aktivitäten des Auswärtigen Amts möchte ich nur so viel sagen: Die Bundesregierung bemüht sich, beispielsweise den Europäischen Auswärtigen Dienst weiter zu stärken und damit der europäischen Außenpolitik ein Gesicht zu geben. Die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag beteiligen sich aktiv an den Bemühungen, die gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion weiter aufrechtzuerhalten. Ich glaube, die Euro-Krise bzw. die Verschuldungskrise in Europa hat gezeigt, dass gerade die Bundesrepublik Deutschland zu Europa steht und mit großen Beträgen dafür einsteht. Gradmesser der Europapolitik ist nicht, wie viele Broschüren zur Europapolitik man druckt, sondern ob man bereit ist, in allen Feldern der Politik Vergemeinschaftungen voranzutreiben, und ob man bereit ist, demokratische Kontrolle zu gewähren, was wir im Deutschen Bundestag tun. Ich glaube, die Zahl, die Sie genannt haben, stimmt nicht ganz. Als die Amerikaner ihre Idee, den Fokus ihrer Außenpolitik vornehmlich auf Asien zu richten, präsentiert haben, haben sie sich wahrscheinlich nicht träumen lassen, dass dieses Vorhaben – Pivot to Asia – so schnell und so rasant gestoppt würde. Der Arabische Frühling ist nur ein Grund, warum man mit dieser geplanten Neuprogrammierung der amerikanischen Außenpolitik strandete. Auch wir haben, als wir unsere Schwerpunktsetzung vornahmen, sicherlich mit vielen Krisen auf der Welt gerechnet, aber vor zwölf Monaten hätte kaum jemand prognostiziert, dass wir uns heute so intensiv mit der Ukraine beschäftigen müssen. Vor sechs Monaten hätte kaum jemand prognostiziert, dass wir bezüglich des Irak heute nicht über die Förderung staatlicher Strukturen reden, sondern über die Gefahr der Errichtung eines Gottesstaates diskutieren müssen. Das sind die Fragen, mit denen sich Außenpolitik beschäftigen muss. Deshalb gilt jetzt, da wir den Etat des Auswärtigen Amts beraten, der Dank den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ihren Dienst im Auswärtigen Amt und im Diplomatischen Korps leisten und die daran beteiligt sind, dass wir als Friedensmacht Deutschland Schwerpunkte setzen. Ich danke allen, die für unser Land ihren Dienst tun, und insbesondere ihren Familien, die häufig über Jahre Entbehrungen hinnehmen, um die Tätigkeit ihres Ehe- bzw. Lebenspartners zu unterstützen. Deshalb gilt mein ganz herzlicher Dank all denjenigen, die ihren Dienst für Deutschland an dieser Stelle tun. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Expertise, die wir hier im Haus haben, die Parlamentarier sammeln, die aber auch die uns nahe stehenden Stiftungen und die all diejenigen sammeln, die in der Außenpolitik Deutschlands aktiv sind, reicht bei weitem nicht aus, um Ereignisse zu prognostizieren. Die wechselhaften Ereignisse im Rahmen des Arabischen Frühlings sind nur ein Beispiel dafür. Deshalb finde ich es richtig – der Kollege Karl hat es angesprochen –, dass wir in diesem Bereich weiterhin einen Schwerpunkt, auch einen finanziellen Schwerpunkt setzen, um auf Ereignisse reagieren zu können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Situation in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ist. Deutschland stand der Intervention in Libyen sehr reserviert gegenüber. Sicherlich wäre es besser gewesen, wenn man einen Plan für die Zeit nach Gaddafi gehabt hätte. Gleiches gilt natürlich für die Intervention im Irak. Deshalb ist es besonders wichtig, jetzt nicht so zu tun, als hätte das alles nicht stattgefunden. Vielmehr müssen wir die Länder, die sich im Transformationsprozess befinden oder in denen der Transformationsprozess vollkommen ins Stocken geraten ist, weiterhin besonders unterstützen. Ich finde, die politischen Stiftungen, die aus meiner Sicht eine hervorragende Expertise gesammelt haben und sehr gute Arbeit leisten, werden zu Recht besonders unterstützt. Was die wechselhaften Ereignisse in der arabischen Welt angeht, möchte ich nur darauf verweisen, dass in der vergangenen Woche der tunesische Premierminister hier war. Trotz aller Schwierigkeiten, die in Ägypten vorhanden sind, und trotz aller Herausforderungen, die wir in Libyen sehen, sollte nicht vergessen werden, dass Tunesien gerade einen sehr großen Fortschritt macht. Das sollten wir an dieser Stelle erwähnen. Wir sollten auch dort genau hinschauen, wo es gut läuft. Das will unsere Fraktion auch tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Was den Irak angeht, möchte ich an das anknüpfen, was gerade gesagt worden ist. Ich begrüße es ausdrücklich, dass unser Außenminister, der im Moment wichtige Telefonate führt, mit den Kurden gesprochen hat. Die schlechte Nachricht, die heute aus Bagdad kam, möchte ich sehr stark kritisieren. Maliki weigert sich, eine Einheitsregierung zu bilden. Ich halte es für einen sehr großen Fehler, die Sunniten systematisch von der Macht fernzuhalten und die Kurden systematisch an den Rand zu drängen. Ich glaube, das wird nicht zur Stabilisierung des Landes beitragen, ganz im Gegenteil. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zur Genese dieses Konfliktes muss aktuell gesagt werden: Wir sollten uns vielleicht um die Länder, in denen wir nicht besonders stark diplomatisch und auch nicht durch Militär vertreten sind, intensiver kümmern. Das gilt insbesondere für den Irak. Unsere Fraktion kümmert sich, was die humanitäre Hilfe angeht, um die Binnenflüchtlinge. Es gibt also nicht nur das Engagement von Volker Kauder, der sich vor allem für die Christen in aller Welt einsetzt. Innerhalb des Irak gibt es 2,5 Millionen Binnenflüchtlinge. Es gibt sowohl aus Syrien als auch aus dem Süden des Irak einen Riesenandrang auf Kurdistan. Das zeigt doch, dass dieses Land eventuell vor einer weitaus größeren humanitären Katastrophe steht, als uns die momentanen Kämpfe um einige Ölhochburgen erahnen lassen. Wenn heute überlegt wird, was wir konkret tun können und wo Deutschland mehr Verantwortung zeigen kann, kann man nicht von einer Militarisierung der Außenpolitik sprechen, sondern ich glaube, dass wir den humanitären Beitrag ganz klar in den Mittelpunkt unserer Außenpolitik stellen. Das tun wir auch mit diesem Bundeshaushalt und mit dem, was wir im Etat von Herrn Müller – und zwar jedes Jahr – mobilisieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Was die Situation in Kurdistan und im Irak insgesamt angeht, ist es, glaube ich, schon vonnöten, dass sich Deutschland stärker einbringt. Das gilt auch gerade für eines der wichtigsten außenpolitischen Ziele, das wir verfolgen, nämlich für das Existenzrecht des jüdischen Staates Israel aktiv einzutreten. Gerade das, was sich im Unruheherd Mittlerer Osten tut, zeigt uns doch eigentlich, dass von einer Verschiebung des Schwerpunktes unserer Außenpolitik nach Asien überhaupt keine Rede sein kann. Ganz im Gegenteil: Wir werden in Zukunft wahrscheinlich genauso viel Aufmerksamkeit wie in der Vergangenheit – wenn nicht sogar mehr – in die Regionen Nordafrika und Mittlerer Osten investieren müssen. Das wird viele Ressourcen binden, die uns eventuell an anderer Stelle fehlen werden. In den letzten Wochen ist häufig gesagt worden, dass sich die europäische Außenpolitik immer nur um einen großen Konflikt kümmern kann. Das bereitet mir natürlich große Sorgen. Ich frage mich: Was sind unsere Kapazitäten? Wie können wir sie am effizientesten einsetzen? Ich glaube, dass in dieser Hinsicht der Haushalt gelungen ist. Herr Minister, auch die unter Ihrem Vorgänger Guido Westerwelle angestoßenen Organisationsreformen haben das Auswärtige Amt fit gemacht, auf diese Herausforderungen reagieren zu können. Wir als Parlament wollen das Auswärtige Amt dabei unterstützen. Ich komme zum letzten Punkt. Das kleine Zaunkönigtum der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ist gerade schon angesprochen worden. Auch ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, etwas mehr Geld zu mobilisieren. Es wäre schön, wenn wir es bis zum Herbst schaffen würden, noch deutlich mehr Geld dafür auszugeben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Philipp Mißfelder. – Nächster Redner der Debatte ist Manuel Sarrazin für das Bündnis 90/Die Grünen. Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass die Einschätzung, dass sich die Ukraine in einer entscheidenden Phase befindet, sehr richtig ist. Ich bin sehr froh darüber, dass Herr Steinmeier diesen Eindruck schon sehr früh zum Ausdruck gebracht hat und dass offenkundig das notwendige Bewusstsein für die Situation vorhanden ist. Ich glaube, wir müssen uns vor dem Hintergrund der hoffnungerweckenden Nachrichten vor Augen halten, dass die Androhung von Sanktionen, intelligent vorgetragen, auf die Dauer doch eine gewisse Wirkung hat. Diesen Moment müssen wir jetzt in zweierlei Hinsicht nutzen. Herr Poroschenko muss auf dem Weg, den er bisher gegangen ist, gestärkt werden. Da schließe ich mich an das an, was Sie gesagt haben. Außerdem müssen wir, so gut es geht, mit der Androhung von Sanktionen den Kreml drängen, die Lage, was die Schließung der Grenze angeht, auch von der russischen Seite aus zu stabilisieren. Die Kapazität der Europäischen Union, für Stabilität in ihrer Nachbarschaft zu sorgen, wird entscheidend dafür sein, wie Europa in 5, 10 oder 15 Jahren aufgestellt sein wird. Ich glaube, früher oder später wird der Zeitpunkt kommen, an dem man in der Europäischen Union einen mutigeren Ansatz braucht und auch über Beitritte aus diesem Teil der Nachbarschaft reden muss; denn sonst wird man diese Stabilität nicht erreichen. Die neue Legislaturperiode des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission ist auch eine Chance für einen Neustart in Europa. Viele sagen zu Recht: Im Rahmen der Krise sind Europa und der Euro zumindest nicht zerbrochen. Aber weil die Krise nicht überwunden ist, brauchen wir einen Neustart. Ich glaube, wir müssen jetzt in der deutschen Europapolitik den Mut finden, aus diesem Neustart heraus Impulse für Europa zu geben. Die Bundesregierung hat in den letzten Wochen den Fehler gemacht, in der Europapolitik eine Art Kick and Rush aufzuführen. Wenn man das tut, dann scheidet man – das hat man ja gesehen – relativ schnell aus. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie in den 60er-Jahren!) Kick and Rush ist, dass man den Ball blind nach vorne pölt und dann David Cameron sagt, er solle hinterherrennen in der Hoffnung, dass das schon klappen wird. So ähnlich hat es in dem Fall Frau Merkel – nicht Herr Steinmeier – gemacht. Sie hat in der Frage der Besetzung der Position des Kommissionspräsidenten monatelang Herrn Juncker schlechtgeredet, gegen ihn intrigiert und bei Herrn Cameron den Eindruck erweckt: Am Ende verhindern wir den Mann gemeinsam. – Jetzt zeigt sich, dass sich beide verspekuliert haben. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Sie behaupten, was Sie nicht belegen können!) – Sie können doch nicht bestreiten, dass England blamabel aus der Weltmeisterschaft ausgeschieden ist. Sie können mir auch nicht einreden, dass Frau Merkel nicht über Monate hinweg versucht hat, Herrn Juncker erst in ihrer Parteifamilie zu schwächen und als Kandidaten zu verhindern, und dann aus dem Kanzleramt klare Signale gesendet hat, man würde den Mann nicht wählen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Belegen Sie das einmal! Das stimmt überhaupt nicht!) Wenn man sich anschaut, welche Auswirkungen diese Situation in England haben wird, wie Herr Farage und die Rechtspopulisten jetzt mit Freudengeschrei auf diese Nachricht springen werden, wäre es klüger gewesen, einen anderen Stil in der Europapolitik zu wählen. Man hätte den Engländern eine klare Ansage machen sollen, dass man an den Geist der Verträge glaubt, statt Herrn Cameron in sein Verderben laufen zu lassen und am Ende so zu tun, als hätte man damit nichts zu tun gehabt. Herr Außenminister, Sie sind auch der Europaminister. Wir Grüne werden Ihre Arbeit als Minister nicht nur daran messen, wie Sie in internationalen Krisen handeln, sondern wir wollen auch, dass Sie einen Neustart in der Europapolitik beginnen und mit Ihrem Amt mehr Impulse in der Europapolitik setzen, als es in der letzten Legislaturperiode der Fall war. Wir wollen, dass Sie das Kanzleramt in Fragen der Zukunft der Europäischen Union und der europäischen Demokratie sowie in Fragen von Wachstum, aber auch Erweiterung herausfordern. Wir möchten, dass Deutschland wieder zu einem Motor der europäischen Politik wird, und zwar nicht in der Systematik, wie sie in den letzten Jahren vorgeherrscht hat. Da hat man versucht, europäische Institutionen zu schwächen, gegen die gemeinsamen europäischen Ansätze zu arbeiten und mit der berühmten intergouvernementalen Unionsmethode Nebenschienen aufzubauen. Wir glauben, dass es Ihre Aufgabe ist, dort Paroli zu bieten. Wir als Opposition werden Sie immer unterstützen, wenn Sie an diesen Stellen so handeln, und wenn Sie nicht genug liefern, werden wir Sie kritisieren und zu mehr Anstrengungen anhalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im großen Konflikt der kommenden Jahre wird es darum gehen, dass wir unterschiedliche Wertemodelle haben; diese stehen auch gerade in einer Art kompetitivem Wettbewerb. Wenn wir in unsere Nachbarschaft schauen, sehen wir, dass es um Demokratie gegenüber Autokratie geht. Es geht um die Rechte eines jeden Individuums gegenüber einer Rekreation von Volkskörpern, die angeblich mehr wert seien. Es geht auch um politischen Pluralismus gegenüber einer eindeutigen ideologischen Meinung, der sich ganze Völker unterordnen sollen. Wir glauben, dass Europa nur dann Stärke und Attraktivität haben wird, wenn wir uns trauen, zu unserem Modell zu stehen und mit Überzeugung dafür einzustehen. Wir brauchen eine klare Ansage, dass wir von Europa überzeugt sind. Das gilt im Europäischen Rat, wenn es um Herrn Juncker und um die Agenda für die Kommission geht. Das gilt gegenüber Herrn Putin und gegenüber der AfD. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Nächster Redner in der Debatte Nobert Spinrath für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Norbert Spinrath (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Vor fünf Wochen haben wir bei der Wahl zum Europäischen Parlament eine deutliche Zäsur erlebt. Der Anteil radikaler, europaskeptischer oder populistischer Parteien beträgt rund 20 Prozent, eine Entwicklung, die uns sicherlich nicht kaltlassen kann. Erstaunlich aber finde ich, wie schnell so mancher das Ergebnis für die eigenen Interessen interpretierte. Im Vereinigten Königreich wurde Premier Camerons Partei abgestraft. Dennoch glaubt er, daraus für sich ein Mandat zur Fundamentalopposition in Brüssel ableiten zu können. Auch wenn es so scheint, als bediene er damit seine nationale Wählergalerie: Seine Politik der Konfrontation und der Verunglimpfung gegenüber der Gemeinschaft wird scheitern, weil sie einen künstlichen Gegensatz zwischen einem „Wir“ und einem „Die da“ schafft. Ich sage: Wirtschaftlichen und politischen Erfolg werden alle Mitgliedstaaten wie auch das Vereinigte Königreich nur gemeinsam für sich, aber auch für Europa erzielen können. Wir brauchen nicht weniger Europa, und wir brauchen keine Reduzierung auf einen reinen Binnenmarkt, sondern wir brauchen ein anderes, ein besseres Europa, ja, auch ein soziales Europa. Ich bin ganz sicher, dass Frank-Walter Steinmeier, der ja nicht nur Außen-, sondern auch Europaminister ist, gemeinsam mit Staatsminister Michael Roth dafür sorgt, dass wir in diesem Sinne in Europa vorankommen. Im Europawahlergebnis spiegelt sich eine tiefe Verunsicherung der Menschen wider. Gründe sind die Finanzmarktkrise, die Globalisierung, die Zuwanderung, bewaffnete Konflikte um Europa herum und die zunehmende Konkurrenz aus Asien. Die Märkte werden als Bedrohung wahrgenommen. Wirklich etwas zu verlieren aber haben die Menschen in den Krisenländern. Dadurch entsteht Angst. Der Sieg von SYRIZA in Griechenland zum Beispiel ist Ausdruck dieser Angst. Die Krise hat dort oftmals Lebensentwürfe, Hoffnungen und Perspektiven zerstört. Dies allein der Troika, der EU und auch Deutschland anzulasten, ist menschlich nachvollziehbar. Es geht aber an den Ursachen vorbei. Diese sind vor Jahrzehnten im eigenen Land entstanden. Wir müssen feststellen: Diese Angst beschränkt sich nicht nur auf die derzeitigen Krisenländer, sondern sie hat auch den Kern Europas, den Kern der EU erreicht. Das Abschneiden des – ich nenne es einmal so – Fami-lienunternehmens Front National in Frankreich ist Ausdruck einer auch dort tief sitzenden Verunsicherung. Seit Jahren versuchen wir, den Menschen nahezubringen, die Europäische Union als ihr Europa zu begreifen. Dies wird zunehmend schwieriger, wenn sich dieselben Menschen verunsichert fühlen, wenn sie Ängste entwickeln. Gerade der Stabilitäts- und Wachstumspakt sollte dazu dienen, für eine stabile Finanzpolitik der Mitgliedstaaten zu sorgen und dadurch auch die Voraussetzungen für Wachstum und folglich für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu schaffen. Deshalb denke ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es möglich bleiben muss, Spielräume zu nutzen. Das bedingt natürlich, dass sich die betroffenen Staaten dazu verpflichten, nachhaltige Reformanstrengungen in einem überschaubaren Zeitraum durchzuführen. Wir Deutsche wissen doch, wovon wir reden. Vor zehn Jahren gaben uns unsere EU-Partner den Spielraum, eigene Versäumnisse der Vergangenheit durch mutige Reformen zu beseitigen. Zugegeben: Das war damals nicht immer ganz konfliktfrei. Dass Deutschland vergleichsweise unbeschadet durch die Krisen gekommen ist und die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt positiv blieb, beruht auf diesen Reformen. Das deutsche Beispiel ist deshalb das beste Argument für eine kluge Anwendung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. (Beifall bei der SPD) Was uns Deutschen damals recht war, das müssen wir heute auch anderen zubilligen. Denn wo öffentliche Investitionen unterbleiben, wo private Investoren wegen der Schwäche der Wirtschaft ausfallen, da braucht es europäischer Hilfe, um Wachstum zu generieren. Der Stabilitätspakt ist eben auch ein Wachstumspakt; man kann das nicht oft genug sagen, und man muss den Versuch, ihn auf die erste Vokabel zu reduzieren, zurückweisen. Austerität allein – so hat es gestern mein Kollege Lothar Binding an diesem Pult erklärt – kann kein nachhaltiges Konzept für Europa sein. Wir Sozialdemokraten verfolgen deshalb keine andere Strategie. Aber wir wollen die Möglichkeiten, die der Stabilitäts- und Wachstumspakt hergibt, konsequent nutzen. Das Handeln muss dann in den Mitgliedstaaten erfolgen. Ein besseres Europa lässt die Menschen in sozialer Sicherheit leben und sichert den gesellschaftlichen Frieden. Nur dort, wo sozialer Frieden herrscht, kann auch wirtschaftlicher Wohlstand wachsen. Gerade junge Menschen brauchen eine Perspektive. Es muss möglich sein, zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit Kredite aufzunehmen, auch für Krisenländer, die sich in der Haushaltskonsolidierung befinden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Denken Sie bitte an Ihre Redezeit! Norbert Spinrath (SPD): Ich denke an die Zeit, und ich komme zum Schluss; vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich glaube, wenn die Menschen so weit verunsichert werden, dass sie sich vielleicht sogar dauerhaft von diesem Friedens- und Stabilitätsprojekt Europa abwenden, dann werden wir möglicherweise einen hohen Preis dafür zahlen, einen zu hohen Preis, nämlich den Fortbestand der Europäischen Union. Vizepräsidentin Claudia Roth: Kommen Sie bitte zum Ende Ihrer Rede! Norbert Spinrath (SPD): Ein letzter Satz: Die größte Bedrohung für den sozialen Frieden innerhalb Europas ist die Perspektivlosigkeit junger Menschen; denn wer selbst keine Perspektiven hat, wird schwerlich für zukünftige Generationen Perspektiven und dauerhaften Frieden schaffen können. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Es tut mir leid, wenn ich Sie in dieser spannenden Debatte auf Ihre Redezeit hinweisen muss. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Doch, doch! Das ist in Ordnung! In dem Fall ist das in Ordnung!) Aber wir haben heute schon so lange debattiert, dass ich alle Kolleginnen und Kollegen bitte, sich möglichst an die Redezeit zu halten. Nächste Rednerin: Erika Steinbach für die CDU/CSU. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Erika Steinbach (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Spinrath, man muss Fehler, die man vor zehn Jahren gemacht hat, nicht wiederholen. (Zuruf von der SPD: War doch kein Fehler!) Außerdem enthält unser Koalitionsvertrag eine eindeutige Aussage zu der Thematik; so weit dazu. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie die noch einmal wiedergeben?) Die außenpolitischen Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben, haben sich nach dem Ende des Kalten Krieges signifikant verändert. Die Hoffnungen, die viele daran knüpften, eine Welt in Frieden zu haben, diese Hoffnungen haben sich leider nicht erfüllt, nicht einmal innerhalb Europas, wie uns gerade das russische Verhalten gegenüber der Ukraine deutlich zeigt. So ist die internationale Staatengemeinschaft noch immer auf der Suche nach Mechanismen, mit denen sich die heutigen, oft sehr unübersichtlichen und komplexen Konflikte und ihre Folgen bewältigen lassen. Deutschland stellt sich dieser Aufgabe mit einer Außenpolitik, die sowohl die deutschen Interessen als auch unsere Werte berücksichtigt. Wir machen eine wertgeleitete Außenpolitik. Mit dem Eintreten für Demokratie und mit dem Eintreten für Menschenrechte hat sich unser Land in der Völkergemeinschaft über die Jahre ein hohes Ansehen erworben und ist auch zu einem gefragten Partner geworden. Die zahlreichen Brennpunkte weltweit, etwa der Bürgerkrieg in Syrien, die jüngste Eskalation im Irak oder die Krisenregionen Afrikas, aber auch die bedrängte Ukraine, das alles hält uns zunehmend in Atem. Massenhafte Menschenrechtsverletzungen und immer neue humanitäre Katastrophen stellen uns auch vor immer größere Herausforderungen. Leider ist ein Ende überhaupt nicht abzusehen. Prioritäten zu setzen, ist in Anbetracht der Vielzahl der Konflikte, deren Zahl sich ja gemehrt hat, nicht leicht; letztlich müssen wir sie alle als Herausforderung im Blickfeld behalten und gemeinsam mit unseren Partnern auf der Ebene der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, auf staatlicher Ebene und – unverzichtbar – natürlich auch mit den Nichtregierungsorganisationen an Lösungen arbeiten. Systematische Verstöße gegen Menschenrechte verletzen nicht nur die Würde der jeweiligen Opfer, sie können auch den Frieden und die internationale Sicherheit in einer ganzen Region bedrohen. Wir bekommen das tagtäglich vor Augen geführt. Das hat Auswirkungen bis hierher nach Deutschland. Da mache sich niemand etwas vor: Der Konflikt in Syrien führt uns das in drastischer Weise nun schon seit über zwei Jahren vor Augen. Dieser Bürgerkrieg hat bislang über 160 000 Tote gefordert. Rund 1 Million Menschen wurden verletzt. Fast 3 Millionen Syrer sind auf der Flucht innerhalb des eigenen Landes und in die umliegenden Staaten hinein, und sie suchen Zuflucht auch in Europa. Die Aufnahmekapazität der Nachbarländer, insbesondere des Libanon, ist bereits dramatisch überschritten. Da ist kaum noch Platz. Der Bürgerkrieg in Syrien hat die schwerste humanitäre Katastrophe seit Jahrzehnten verursacht. Deutschland hat den Schwerpunkt seiner humanitären Hilfe auf die syrischen Flüchtlinge vor Ort gelegt. So haben wir seit 2012 rund 520 Millionen Euro bereitgestellt, um die Not der Menschen vor Ort zu lindern. Mit der zunehmenden Dauer des Konfliktes hat Deutschland darüber hinaus natürlich auch syrische Flüchtlinge hier im Lande aufgenommen – deutlich mehr als alle anderen EU-Staaten. Trotzdem ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Syrien ist aber nur einer der Brandherde weltweit, der eine ganze Region destabilisieren kann und zu destabilisieren droht. Wir müssen uns vor Augen führen: Weltweit sind mehr als 40 Millionen Menschen auf der Flucht. Dieses Elend lässt sich nicht hier bei uns in Deutschland durch die Aufnahme von Flüchtlingen beheben. Selbst wenn wir es wollten: Es wäre nicht möglich. Es lässt sich auch nicht in Europa beheben. Ich sage es jetzt einmal ganz provokant: Das satte und bequeme Europa wird früher oder später überrollt werden und aus den Fugen geraten, wenn wir nicht gemeinsam versuchen, die Brandherde zu löschen – möglichst mit allen Möglichkeiten durch Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort (Beifall bei der CDU/CSU) und – das füge ich auch hinzu – als Ultima Ratio auch mit dem Einsatz von Sicherheitskräften, um Leben zu retten. Das trifft in weiten Teilen unserer Bevölkerung nicht auf große Zustimmung. Ich höre das, und Sie hören das wahrscheinlich auch: Was geht uns das eigentlich an? Was haben wir da verloren? Dem müssen wir wirklich mit Engagement entgegenhalten: Wenn wir unseren Wohlstand, unsere Demokratie und unsere Werte bewahren wollen, dann führt kein Weg daran vorbei, den Millionen Flüchtlingen vor Ort mit allen Möglichkeiten, die uns geboten sind, zur Seite zu stehen. Ich bin der festen Überzeugung: Wenn Deutschland, wenn Europa, wenn die demokratischen Staaten dieser Welt nicht gemeinsam alles tun, um dieses massenhafte Elend vor Ort einzudämmen und zu lindern, dann werden wir früher oder später bei uns im Lande selbst die Folgen zu spüren bekommen. Es wird keine einzige Mauer geben – und sei sie noch so hoch –, die imstande wäre, verzweifelte Bürgerkriegs- und Armutsflüchtlinge abzuhalten. Es wird auch kein Meer geben – und sei es noch so breit –, das hindernd wirken könnte. Die pure Not wird Menschen hierhertreiben, wenn wir nicht alles tun, um vor Ort Linderung zu verschaffen. Es ist gut, dass sich die Bundesregierung in ihrer Außenpolitik von dieser Erkenntnis leiten lässt. Jeder dritte Euro des Haushaltes des Auswärtigen Amtes wird aus gutem Grund für Frieden und für Stabilität in Krisenregionen ausgegeben. Das ist gut und richtig. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Doris Barnett [SPD]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Steinbach. – Nächster Redner in der Debatte ist Michael Stübgen für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Michael Stübgen (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte versuchen, in wenigen Sätzen die Ergebnisse der Europawahl – sie ist inzwischen schon ein paar Wochen her – etwas genauer zu analysieren. Vor der Europawahl ist viel diskutiert worden, viele Bedenken sind geäußert worden; denn diese Europawahl stand unter einem besonders schwierigen Vorzeichen. Wir befinden uns nach wie vor – hoffentlich – am Ende der sogenannten Euro-Finanzierungskrise. In der Europäischen Union gibt es eine ganze Reihe sogenannter Euro-Krisenländer. Obwohl wir die Stabilität des Euro nach außen hervorragend sichern konnten, ist es eindeutig, dass gerade in den Euro-Krisenländern die fiskalischen, sozialpolitischen und arbeitsmarktpolitischen negativen Folgen noch längst nicht überwunden sind. Wenn Menschen Zukunftsangst haben, die Arbeitslosigkeit enorm hoch ist, die Jugendarbeitslosigkeit aufgrund fehlender Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen grassiert und alte Menschen Angst um ihre Renten haben, dann passiert es oft, dass diese Menschen eher rechten und linken Populisten folgen, die scheinbar einfache Antworten haben und natürlich mit dem Finger auf andere zeigen, die an allem angeblich Schuld sein sollen. Deshalb haben viele, auch ich, vor dieser Europawahl Bedenken gehabt. Das Ergebnis dieser Europawahl ist eindeutig: Vier Fünftel der in ganz Europa gewählten Abgeordneten gehören Parteien und Gruppierungen an, die sich eindeutig für Europa einsetzen. Diese Abgeordneten gehören ganz unterschiedlichen politischen Familien an und haben ganz unterschiedliche politische Überzeugungen, aber sie sind für Europa. Wenn eine Wahl in einer solchen Krise so ausgeht, zeigt das für mich ganz deutlich: Das ist ein Stabilitätsbeweis für die Europäische Union. Die Menschen in Europa wollen Europa. Das ist ein gutes Ergebnis dieser Europawahl. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Doris Barnett [SPD]) Ich möchte noch kurz auf die Wahlergebnisse in zwei Mitgliedsländern eingehen, die mich doch etwas überrascht haben, weil sie eben nicht typisch waren. Das erste Land ist Großbritannien; es ist schon einige Male genannt worden. In Großbritannien hat die Partei UKIP – sie nennt sich UK Independence Party – immerhin 27 Prozent der Stimmen bekommen. Sie verfolgt als einziges Ziel – das ist der einzige politische Inhalt –, im Europaparlament dafür zu sorgen, dass Großbritannien möglichst schnell aus der Europäischen Union austritt. Worin liegen die Ursachen dafür, dass es in Großbritannien dazu kommen konnte? Meine Überzeugung ist: Neben der historisch bedingten Tatsache, dass die Insellage und ein erhöhtes Selbstbewusstsein – Stichwort: ehemaliges Empire etc. – dazu geführt haben, dass Großbritannien mental eher unabhängiger agiert als zentraleuropäische Länder, liegt ein wesentlicher Grund darin, dass alle politischen Führungen der letzten 20 Jahre, ob David Cameron oder vor ihm Gordon Brown, ob Tony Blair, John Major oder Maggie Thatcher – ihr Verhalten in Fontainebleau ist dafür geradezu beispielhaft –, während ihrer Regierungszeit immer meinten, dem Volk in erster Linie mit europakritischen Tönen kommen und sagen zu müssen, was in Europa alles nicht funktioniert. Ich meine nicht, dass wir über das, was in Europa nicht funktioniert, nicht diskutieren sollten; das tun wir in diesem Haus sehr oft. Aber wenn man nicht voranstellt, wie wichtig und gut Europa ist, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass die Menschen dann einer Partei folgen, die sagt: Dann machen wir diesem europäischen Elend ein Ende. (Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Seehofer?) Großbritannien braucht politische Führung für Europa. Das ist entscheidend. Es reicht nicht, ein Referendum darüber zu machen, ob man in Europa bleiben will oder nicht. Vielmehr muss sich die politische Klasse zu Europa bekennen. Ich hoffe, dass das noch geschehen wird. Das, was David Cameron jetzt im Zusammenhang mit der Nominierung des Kommissionspräsidenten macht, ist das Gegenteil von politischer Führung. Ich will noch kurz auf das Wahlergebnis in Frankreich eingehen. In Frankreich hat eine dezidiert rechtsradikale und antieuropäische Partei, der Front National, 25 Prozent der Stimmen bekommen. Die regierenden Sozialisten sind weit abgeschlagen dahinter gelandet. Aber auch die konservative Partei konnte nicht von der Schwäche der Regierungspartei profitieren. Worin liegen hierfür die Ursachen? In Frankreich fanden 2012 Präsidentschaftswahlen statt. Die Franzosen – das ist eindeutig – wollten Sarkozy nicht mehr haben. Der Präsidentschaftskandidat Hollande hat in seinem Wahlkampf – daran können sich die meisten sicherlich erinnern – den Fehler gemacht, den Menschen das Blaue vom Himmel zu versprechen: früheres Renteneintrittsalter – auf der Höhe der Euro-Krise wohlgemerkt –, höhere Renten, höhere Löhne und höheres Arbeitslosengeld. Er wurde gewählt, mit einem fulminanten Ergebnis. Mittlerweile haben die Franzosen in den vergangenen zwei Jahren allerdings gemerkt, dass es in Frankreich nicht nur nicht besser, sondern kontinuierlich schlechter wird. Neben der Tatsache, dass es jedem Politiker gerade im Wahlkampf eine Lehre sein sollte, nicht so zu agieren und nichts zu versprechen, was man nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit umsetzen kann, entwickelt sich dies alles auch zu einem gefährlichen europäischen Problem. Frankreich ist das letzte Euro-Land, das faktisch noch nicht mit Fiskal-, Arbeitsmarkt- und Sozialreformen angefangen hat. Deshalb wächst seit vier Jahren in Frankreich die Arbeitslosigkeit kontinuierlich, ohne auch nur ein einziges Mal rückläufig zu sein. Sie wächst Jahr um Jahr, Monat um Monat. Das Haushaltsdefizit vergrößert sich. Frankreich ist im Defizitverfahren und wird es weder in diesem noch im nächsten Jahr schaffen, sein Defizit abzubauen. Es wird nicht ausreichen, darüber zu reden, ob wir den Fiskalvertrag ändern bzw. aufweichen können und ob es möglich ist, dass ein Land mehr Zeit braucht. Natürlich können wir das. Das beinhalten schon die bestehenden Regeln. Entscheidend ist, dass Frankreich jetzt mit Reformen beginnt. Es ist nicht nur eine französische Krise. Wir alle wissen spätestens seit der Euro-Finanzierungskrise, dass die Finanzmärkte, was die Risikobewertung von Euro-Staatsanleihen angeht, manchmal jahrelang vor sich hinschlummern, ohne etwas zu merken und zu ändern. Wir wissen aber auch und haben es alle bei Staatsanleihen erlebt, dass die Kapitalmärkte dann ganz plötzlich rabiat, ohne jede Vorwarnung und nicht angemessen, sondern absolut hysterisch reagieren. Das ist eine Gefahr für ganz Europa. Deswegen halte ich es für notwendig, dass wir einerseits die Flexibilität des Fiskalvertrags und des Stabilitäts- und Wachstumspaktes auch für Frankreich nutzen. Andererseits müssen aber auch die neue Kommission bzw. der Europäische Rat dafür sorgen, dass die Reformpolitik in Frankreich beginnt. Sonst werden die nächsten Jahre für uns und auch für die Europäische Union sehr schwierig sein. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Stübgen. – Letzter Redner in der Debatte: Dr. Christoph Bergner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner dieser Debatte möchte ich mit wenigen Bemerkungen noch einmal die Aufmerksamkeit auf den Einzelplan 05 und die Schlussfolgerungen lenken, die wir für diese Beratungen ziehen sollten. Die Debatte und in besonderer Weise die Rede unseres Bundesaußenministers haben uns verdeutlicht, dass die deutsche Außenpolitik gegenwärtig in einer besonderen Verantwortung steht, die nicht oder nur schwer mit den Herausforderungen vergleichbar ist, vor denen die deutsche Außenpolitik in den letzten Jahren gestanden hat. Ich möchte ausdrücklich die Leistungen der Bundesregierung bei der Krisenbewältigung, Friedenssicherung und Festigung des europäischen Zusammenhaltes würdigen und unserem Bundesaußenminister besonders für seinen Einsatz zur Verständigung in unterschiedlichsten Krisenherden, bei dem er sich wahrlich nicht schont, ein ausdrückliches Wort des Dankes sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, eine solche Politik verdient Unterstützung, und sie verdient auch ausdrücklich die Unterstützung durch unsere Haushaltsentscheidungen. Dazu möchte ich auf drei Aspekte hinweisen. Der erste Aspekt betrifft den Haushalt in seinem Gesamtvolumen. Kollege Karl und Frau Barnett haben als Haushaltsberichterstatter zu Recht darauf hingewiesen: Wir befinden uns in der Phase der Konsolidierung. Trotzdem ist es wichtig, richtig und notwendig, dass das Gesamtvolumen des Haushaltes jetzt ein höheres Niveau hat als der Vorwahlentwurf. Ich denke, das wird den gegenwärtigen Erfordernissen in besonderer Weise gerecht. Zweiter Punkt. Wir haben in dieser Wahlperiode Ausgabenschwerpunkte außerhalb der Außenpolitik: Bildung, Forschung, Kommunalfinanzen und Kinderbetreuung. Das alles ist in Ordnung. Aber wir sollten gerade vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Herausforderungen darauf achten, dass diese Ausgabenbereiche, die sehr stark mit der Verantwortung der Länder korrespondieren, nicht zu Erwartungshaltungen in den Ländern führen, die dann bundeseigene Aufgaben wie die Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik auf andere Weise beschneiden. Da sollten wir als Außenpolitiker eine besondere Wachsamkeit entwickeln. (Beifall bei der CDU/CSU) Dritter Punkt. Rasante Entwicklungen im außenpolitischen Umfeld stellen uns immer vor die Frage, ob wir lagebedingte Änderungen am Haushalt vornehmen können. Die Haushälter haben sich dazu Gedanken gemacht und Entscheidungen getroffen. Ad-hoc-Entscheidungen sind immer schwierig; denn es geht zuerst um Ausgabeermächtigungen. Die Umsetzungsvoraussetzungen spielen dann oft nur eine untergeordnete Rolle. Wir haben eine Reduzierung bei den Verpflichtungsermächtigungen im Bereich der Transformationspartnerschaften vorgenommen. Ich gebe Kollege Mißfelder recht, dass es nicht möglich ist, das auf null herunterzufahren. Vor dem Hintergrund der gegenwärtig schwierigen Situation der östlichen Nachbarschaftspolitik der EU und der Ukraine-Krise will ich auf die Bedeutung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik gerade für die östlichen Nachbarstaaten und die Staaten des östlichen Europas hinweisen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe in einem Positionspapier des Auswärtigen Amts aus dem Jahr 2011 nachgelesen. Damals wurde festgestellt – ich darf zitieren –: Mehr als 20 Jahre nach dem Ende des Eisernen Vorhangs sind die Ressourcen und Präsenzen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik noch sehr ungleich zwischen West- und Osteuropa verteilt. Hier besteht Nachholbedarf. Das wird unter anderem anhand der Goethe-Institute und der Zahl der Auslandsschullehrer belegt. Ich unterstelle, dass seit 2011 eine ganze Menge im Sinne des Ausgleichs geschehen ist. Ich finde es trotzdem richtig, dass die Haushälter unter dem Eindruck der aktuellen Entwicklung zumindest den Versuch unternommen haben, mit dem Haushaltstitel „Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft Ukraine, Moldawien, Georgien und Belarus“ – ich erlaube mir, zu sagen, dass vielleicht bei der nächsten Haushaltsänderung auch Armenien und Aserbaidschan aufgenommen werden sollten – im Bereich der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ein Zeichen zu setzen, dass hier mehr getan werden muss. Wir werden dieser Region in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik nicht allein dadurch gerecht, dass wir Erfahrungen und Strukturen des westlichen Europas auf das östliche Europa übertragen. Vielmehr haben wir spezifische Anknüpfungspunkte, derer wir uns bewusst werden sollten. Ich verweise beispielhaft auf das deutsche Schulwesen in Rumänien, das über Jahrhunderte die Vermittlung der deutschen Sprache in einer Effizienz betrieben hat, die mit unseren Mittlern auf keine Weise zu leisten ist. Dabei kommt es mehr auf die Unterstützung des Bestehenden als auf die Erweiterung anderer Institutionen an. Ich verweise auf die vielfältigen kulturellen Beziehungen, die wir mit Mittelosteuropa und Osteuropa haben und die ihren Ausdruck noch immer in der Existenz deutscher Minderheiten finden. Das ist ein Anknüpfungspunkt für die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, der aus meiner Sicht intensiver genutzt werden sollte. Mit Blick auf die begrenzte Redezeit habe ich noch einen einzigen Hinweis zu geben. Es hat einmal eine Diskussion darüber gegeben, wie die Auswärtige Kulturpolitik konzipiert sein soll: im Sinne einer Interessenvertretung Deutschlands oder im Sinne eines ergebnisoffenen Austauschprozesses. Ich will diese Diskussion hier nicht führen. Aber ich will darauf hinweisen, dass wir gut beraten sind, einen langen Atem zu haben, wenn es darum geht, in Krisenzeiten Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zu betreiben. Konkret gesagt: Obwohl gegenwärtig unsere Beziehungen zu Russland erkennbaren Belastungen ausgesetzt sind und wir uns bewusst an einem Sanktionsregime beteiligt haben, sollte das Jahr der russischen Sprache und Literatur in Deutschland und das Jahr der deutschen Sprache und Literatur in Russland uneingeschränkt durchgeführt werden. Ich glaube, hier kann Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ein wichtiges Zeichen setzen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Bergner. – Ich schließe die Aussprache. Ich danke Ihnen für eine sehr intensive Debatte zu einem sehr späten Zeitpunkt. Ich bin ziemlich sicher, dass unsere Gäste im Hohen Haus gespürt haben, dass alle Fraktionen und unser Außenminister in einer Welt, die voller Konflikte ist und so viel entgrenzte Gewalt erfährt, um Antworten auf sehr schwierige Fragen ringen. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 05 – Auswärtiges Amt – in der Ausschussfassung. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir jetzt zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/1850? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Zustimmung gab es vom Bündnis 90/Die Grünen, Ablehnung von der CDU/CSU und der SPD, Enthaltung von der Linkspartei. Abstimmung über den Einzelplan 05 – Auswärtiges Amt – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 05 ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, abgelehnt haben Bündnis 90/Die Grünen und die Linkspartei. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 26. Juni, 9 Uhr, ein. Ich wünsche den Haushältern und Haushälterinnen noch einen guten Restappetit. Sie haben ihn wirklich verdient. Ich lade alle Kolleginnen und Kollegen für morgen Abend – hoffentlich bei schönem Wetter – zum Sommerfest der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft ein. Ich verspreche Fußball inklusive. Einlass ist circa 17.30 Uhr. Ich garantiere Ihnen, dass wir einen schönen Abend zusammen verbringen werden. Die Sitzung ist geschlossen. Einen guten Restabend. (Schluss: 22.17 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 25.06.2014 Barchmann, Heinz-Joachim SPD 25.06.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 25.06.2014 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.06.2014 Beermann, Maik CDU/CSU 25.06.2014 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 25.06.2014 Da?delen, Sevim DIE LINKE 25.06.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 25.06.2014 Flosbach, Klaus-Peter CDU/CSU 25.06.2014 Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 25.06.2014 Groth, Annette DIE LINKE 25.06.2014 Hardt, Jürgen CDU/CSU 25.06.2014 Dr. Hendricks, Barbara SPD 25.06.2014 Kaster, Bernhard CDU/CSU 25.06.2014 Kolbe, Daniela SPD 25.06.2014 Kühn (Tübingen), Christian BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.06.2014 Lange (Backnang), Christian SPD 25.06.2014 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 25.06.2014 Maag, Karin CDU/CSU 25.06.2014 Rawert, Mechthild SPD 25.06.2014 Röring, Johannes CDU/CSU 25.06.2014 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.06.2014 Schindler, Norbert CDU/CSU 25.06.2014 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 25.06.2014 Dr. Schröder, Ole CDU/CSU 25.06.2014 Dr. Sieling, Carsten SPD 25.06.2014 Thönnes, Franz SPD 25.06.2014 Vogel (Kleinsaara), Volkmar CDU/CSU 25.06.2014 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 25.06.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 25.06.2014 Zdebel, Hubertus DIE LINKE 25.06.2014 Zimmermann (Zwickau), Sabine DIE LINKE 25.06.2014 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Bärbel Kofler, Bärbel Bas, Heike Baehrens, Dr. Karl-Heinz Brunner, Dr. Lars Castellucci, Elvira Drobinski-Weiß, Michaela Engelmeier-Heite, Saskia Esken, Dr. Johannes Fechner, Martin Gerster, Michael Groß, Bettina Hagedorn, Ralf Kapschack, Cansel Kiziltepe, Hilde Mattheis, Klaus Mindrup, Ulli Nissen, Dr. Simone Raatz, Stefan Rebmann, Andreas Rimkus, Dr. Martin Rosemann, Dr. Ernst-Dieter Rossmann, Johann Saathoff, Dr. Dorothee Schlegel, Svenja Stadler, Sonja Steffen, Gabi Weber, Gülistan Yüksel (alle SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Anja Hajduk, Sven-Christian Kindler, Ekin Deligöz, Dr. Tobias Lindner, Kerstin Andreae, Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Peter Meiwald, Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Dr. Franziska Brantner, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Tom Koenigs, Omid Nouripour, Lisa Paus, Brigitte Pothmer, Corinna Rüffer, Dr. Frithjof Schmidt, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 18/1847) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) hier: Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Tagesordnungspunkt II.12) Aus folgenden Gründen lehnen wir den vorliegenden Änderungsantrag ab: Der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum entwicklungspolitischen Haushalt stellt sehr spezifische finanzielle Forderungen für den entwicklungspolitischen Etat 2014, macht aber leider keine spezifischen Angaben zur Gegenfinanzierung. Die pauschale Forderung, eine Erhöhung des entwicklungspolitischen Etats über den allgemeinen Abbau von umweltschädlichen Subventionen zu finanzieren, stellt keine belastbare Gegenfinanzierung dar. Im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fehlen auch jegliche Verpflichtungsermächtigungen, die den zukünftigen Aufwuchs in den einzelnen Titeln sowie des Einzelplans 23 insgesamt abbilden. Gerade diese Aufwuchsperspektive über das Haushaltsjahr 2014 hinaus ist aber wichtig. Der vorliegende Haushalt der Koalition sieht im Vergleich zum Entwurf der Vorgängerregierung einen Zuwachs im Bereich der Verpflichtungsermächtigungen von rund 1,2 Milliarden Euro vor. Insbesondere die zusätzlichen 750 Millionen Euro zur anfänglichen Finanzierung des Green Climate Funds (GCF) sind ein wichtiger Schritt. Auch eine Aufwuchsperspektive für den Zentralen Friedensdienst (ZFD) von zusätzlichen 15 Millionen Euro ist uns persönlich sehr wichtig. Das Finanzministerium ist nun gefordert, die international zugesagte und von uns Sozialdemokraten gewollte, entwicklungspolitisch sinnvolle Erhöhung der Gelder zur Erreichung der ODA-Quote in den zukünftigen Haushalten abzubilden. Klimaschutz, soziale Sicherung und Friedensförderung sind Prioritäten sozialdemokratischer Entwicklungspolitik. Prinzipiell ist daher für die Vielzahl der entwicklungspolitischen Herausforderungen auch ein Mehr an Barmitteln nötig. Im diesjährigen Haushalt gibt es richtige Ansätze im Bereich der Zivilgesellschaft, der politischen Stiftungen und der Kirchen. Die Barmittel für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) sind mit 245 Millionen Euro um 45 Millionen Euro über dem Haushaltsansatz vom Jahr 2013, und die Globale Allianz für Impfung und Immunisierung (GAVI) erhält zusätzliche 3 Millionen Euro. Darüber hinaus brauchen wir im Haushalt 2015 dringend Verpflichtungsermächtigungen für GFATM und GAVI wie Zusagen für die Globale Partnerschaft für Bildung (GPE). Zu Titeln wie GAVI oder GPE äußert sich der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen leider gar nicht. Anlagen 1Ergebnis Seite 3727 D 2Ergebnis Seite 3734 D 3Ergebnis Seite 3745 D 4 Anlage 2 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 3684 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 42. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 25. Juni 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 42. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 25. Juni 2014 3685 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 3687 3848 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 42. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 25. Juni 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 42. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 25. Juni 2014 3847