Plenarprotokoll 18/70 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 70. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 27. November 2014 I n h a l t : Wahl des Abgeordneten Burkhard Lischka als Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses 6603 A Wahl der Abgeordneten Tabea Rößner als Schriftführerin 6603 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung 6603 B Nachträgliche Ausschussüberweisung 6603 D Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung) a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksachen 18/2000, 18/2002 6604 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826 6604 A I.12 Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Drucksachen 18/2809, 18/2823 6604 B Roland Claus (DIE LINKE) 6604 B Thomas Jurk (SPD) 6606 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6607 C Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) 6608 C Hubertus Heil (Peine) (SPD) 6611 A Klaus Ernst (DIE LINKE) 6613 A Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) 6614 C Michael Schlecht (DIE LINKE) 6617 B Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) 6617 C Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6617 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi 6619 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6620 B Klaus Ernst (DIE LINKE) 6622 A Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6624 A Michael Schlecht (DIE LINKE) 6628 B Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) 6629 C Michael Schlecht (DIE LINKE) 6630 A Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6632 D Thomas Jurk (SPD) 6634 A Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) 6635 C Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) 6637 C I.13 Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Drucksachen 18/2823, 18/2824 6639 B Roland Claus (DIE LINKE) 6639 C Anette Hübinger (CDU/CSU) 6640 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6642 B Swen Schulz (Spandau) (SPD) 6643 D Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin BMBF 6645 D Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) 6648 D Hubertus Heil (Peine) (SPD) 6650 A Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6652 C Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) 6653 D Willi Brase (SPD) 6655 D Dr. Thomas Feist (CDU/CSU) 6656 D Saskia Esken (SPD) 6658 C Rainer Spiering (SPD) 6659 C Tagesordnungspunkt III: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern Drucksache 18/3160 6660 C b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften zur Durchsetzung des Verbraucherschutzes Drucksache 18/3253 6660 C c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes Drucksache 18/3254 6660 C d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Mittelmeer-Luftverkehrsabkommen vom 10. Juni 2013 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung des Staates Israel andererseits (Vertragsgesetz Europa-Mittelmeer-Israel-Luftverkehrsabkommen – Euromed-ISR-LuftverkAbkG) Drucksache 18/3255 6660 D e) Antrag der Abgeordneten Roland Claus, Matthias W. Birkwald, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Anrechnung von NVA-Verletztenrente auf Grundsicherung im Alter Drucksache 18/3170 6660 D f) Antrag der Abgeordneten Ralph Lenkert, Caren Lay, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ökologischen Hochwasserschutz länderübergreifend sicherstellen und sozial verankern Drucksache 18/3277 6661 A Zusatztagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur zweiten Änderung des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien Drucksache 18/3234 6661 A b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Drucksache 18/3321 6661 A Tagesordnungspunkt IV: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ Drucksachen 18/2443, 18/2658, 18/3199 6661 B b)–f) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 115, 116, 117, 118 und 119 zu Petitionen Drucksachen 18/3172, 18/3173, 18/3174, 18/3175, 18/3176 6661 C Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung) a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksachen 18/2000, 18/2002 b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826 I.14 Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Soziales Drucksachen 18/2811, 18/2823 6662 A Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) 6662 B Andrea Nahles, Bundesministerin BMAS 6663 C Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6665 C Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) 6666 D Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6668 B Ewald Schurer (SPD) 6669 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6671 A Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 6672 A Karl Schiewerling (CDU/CSU) 6673 B Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) 6673 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6676 A Ralf Kapschack (SPD) 6677 B Jutta Krellmann (DIE LINKE) 6678 A Stephan Stracke (CDU/CSU) 6678 D Katja Mast (SPD) 6680 D Mark Helfrich (CDU/CSU) 6682 A Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) 6683 A I.15 Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksachen 18/2823, 18/2824 6684 C Michael Leutert (DIE LINKE) 6684 C Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ 6686 A Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6688 B Paul Lehrieder (CDU/CSU) 6689 A Alois Rainer (CDU/CSU) 6690 A Ulrike Gottschalck (SPD) 6692 A Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) 6693 C Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) 6695 A Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6697 C Sönke Rix (SPD) 6698 C Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6698 C Sylvia Pantel (CDU/CSU) 6700 B Josef Rief (CDU/CSU) 6702 B I.16 Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Drucksachen 18/2810, 18/2823 6704 A Karin Binder (DIE LINKE) 6704 C Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) 6704 C Cajus Caesar (CDU/CSU) 6705 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6707 A Ulrich Freese (SPD) 6708 C Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 6710 A Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) 6712 B Johann Saathoff (SPD) 6713 C Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6714 D Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) 6716 A Christina Jantz (SPD) 6718 B Gitta Connemann (CDU/CSU) 6719 B Willi Brase (SPD) 6721 B Rainer Spiering (SPD) 6722 C I.17 Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksachen 18/2815, 18/2823 6723 C Hubertus Zdebel (DIE LINKE) 6723 D Steffen-Claudio Lemme (SPD) 6725 A Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6726 D Christian Hirte (CDU/CSU) 6728 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) 6728 C Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB 6730 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) 6733 A Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) 6734 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) 6736 D Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 6737 A Ulli Nissen (SPD) 6738 B Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) 6739 B Michael Groß (SPD) 6741 C Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) 6742 B Nächste Sitzung 6743 D Berichtigung 6744 A Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6745 A Inhaltsverzeichnis 70. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 27. November 2014 Beginn: 9.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich. Vor Eintritt in die Tagesordnung müssen wir noch eine Wahl zur Besetzung des Gemeinsamen Ausschusses gemäß Artikel 53 a des Grundgesetzes durchführen und eine neue Schriftführerin wählen. Die SPD-Fraktion schlägt vor, als Nachfolger für den ausscheidenden Kollegen Michael Hartmann in den Gemeinsamen Ausschuss nach Artikel 53 a des Grundgesetzes den Kollegen Burkhard Lischka zu berufen. Darf ich dazu Ihr Einvernehmen feststellen? – Das ist offensichtlich der Fall. Damit ist der Kollege Lischka gewählt. Wir müssen auch eine neue Schriftführerin wählen, bedauerlicherweise. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlägt vor, als Nachfolgerin für die Kollegin Irene Mihalic die Kollegin Tabea Rößner zu wählen. – Auch dazu kann ich keine größere Bewegung im Plenum feststellen. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freude könnte aufkommen!) – Na ja, auch die Freude hält sich in Grenzen. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Es wäre ja auch ganz schön, wenn diese Aufgaben über einen Zeitraum wahrgenommen würden, für die die Wahlen normalerweise durchgeführt werden. – Jedenfalls nehmen wir damit diesen Vorschlag offenkundig zustimmend zur Kenntnis, und damit ist die Kollegin Tabea Rößner gewählt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren (Ergänzung zu TOP III) a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur zweiten Änderung des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien Drucksache 18/3234 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Drucksache 18/3321 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, wie in solchen Fällen üblich abgewichen werden. Schließlich mache ich noch auf eine nachträgliche Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Der am 7. November 2014 (64. Sitzung) überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz) Drucksache 18/3039 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Innenausschuss Sportausschuss Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ich frage Sie, ob Sie sich damit einverstanden erklären können. – Das ist offenkundig der Fall. Dann haben wir das hiermit so vereinbart. Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesordnungspunkt I – fort: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) Drucksachen 18/2000, 18/2002 b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018 Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826 Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt I.12 auf: Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Drucksachen 18/2809, 18/2823 Berichterstatter sind die Abgeordneten Thomas Jurk, Andreas Mattfeldt, Roland Claus und Anja Hajduk. Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir morgen nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 125 Minuten, also gute zwei Stunden, vorgesehen. – Auch dazu darf ich Einvernehmen feststellen. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Roland Claus für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Gabriel, wir haben intensiv über den Wirtschafts- und Energieetat beraten und diskutiert. In der Tat ist in diesem Etat an einigen Stellen einiges besser geworden. Das haben wir meist sogar einvernehmlich so beschlossen. Im Ganzen aber, muss ich Ihnen leider sagen, ist dieser Etat eine Enttäuschung geblieben – mehr Schein als Sein. (Beifall bei der LINKEN) Die Hälfte Ihres Etats ist traditionell an Subventionen gebunden, und für das vielgelobte Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, kurz: ZIM, wird gerade einmal ein Drittel dessen verausgabt, was an solchen Subventionen in Ihren Etat eingestellt ist. Insofern muss man sagen: Der Wirtschafts- und Energiehaushalt macht einiges möglich, davon auch manches Gute, nur wirkliche Wirtschaftspolitik kann man damit nicht machen. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Wenn ein Staat, Herr Bundesminister, nicht in der Lage ist, mehr als ein einziges Prozent des Gesamthaushalts für die Erneuerung seiner Wirtschaft einzusetzen, ist es um diesen Staat nicht gut bestellt. (Beifall bei der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist nicht nur ein Wirtschaftsetat!) Herr Bundesminister, Sie haben vor zwei Tagen ein Bündnis mit dem Titel „Zukunft der Industrie“ vorgestellt. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Gute Sache!) Sie haben in diesem Zusammenhang die Hauptprobleme der Wirtschaft präzise benannt. Ich will nur ein paar Stichworte sagen: unbewältigte Energiewende, Fachkräftemangel, zu geringe Investitionstätigkeit, schleppende Digitalisierung. Ich füge hinzu: sehr ungleiche Standortverteilung zwischen Ost und West. Gemessen an diesen Herausforderungen, die Sie ja selbst beschrieben haben, ist der Wirtschaftshaushalt leider ein Beitrag zur Verschärfung des Problems und kein Beitrag zur Lösung des Problems. Das wollen wir Ihnen nicht durchgehen lassen, Herr Minister. (Beifall bei der LINKEN) Der Gründungsaufruf zum Bündnis „Zukunft der Industrie“ ist natürlich wieder einmal ganz gut getextet. Die Abteilung „Überschriften“ hat geliefert. Die Wirtschaft und besonders der Mittelstand, Herr Minister, brauchen aber keine neuen Losungen, sondern konkrete Unterstützung. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Propaganda ist das!) Diesbezüglich herrscht in Ihrem Etat aber leider Fehl-anzeige. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Ich will ein Wort zum Aufreger dieser Woche sagen, der Frauenquote in Aufsichtsräten großer Unternehmen. Da muss ich ja vor allem die Union ansprechen, die sich sehr gegen diesen Schritt gewehrt hat. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Wer? Im Koalitionsausschuss sind wir uns immer einig!) Ich glaube, bei der Union ist das Problem, dass sie immer erst dann bereit ist, Frauen Verantwortung zu übertragen, wenn das Ganze schon voll gegen die Wand gefahren ist. Ich nehme nur einmal das Beispiel der bayerischen Hypo-Real-Estate-Bank, wo am Ende eine Frau den Laden sanieren musste. Ich rufe Ihnen zu: Versuchen Sie doch einmal, vor dem Schaden klug zu werden. Dieser Beitrag könnte hier eine Rolle spielen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Als Energieminister, Herr Gabriel, haben Sie natürlich eine Menge Großbaustellen. Ich will nur die Strom-trassen vom windreichen Norden in den energiebedürftigen Süden erwähnen, ein Projekt mit Shakespeare’scher Ambition: Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. – Wir, die Linken, meinen: Besser wäre es gewesen, ein gesamtstaatliches Energiekonzept aufzulegen, das in erster Linie auf Dezentralität setzt, auf die Stärkung von Stadtwerken, auf die Förderung von erneuerbaren Energien, und zwar dort, wo sie gebraucht werden, und erst dann die Frage der großen stromintensiven Industrien anzugehen. (Beifall bei der LINKEN) Sie werden mit der Bundesnetzagentur jetzt natürlich eine große Verantwortung bei der Lösung dieses Pro-blems übernehmen. Herr Bundesminister, Sie haben hier im Bundestag häufig über die Verhandlungen zum sogenannten Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, informiert. Die deutsche Übersetzung lautet ja: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft. Sie haben sich dafür starkmachen wollen, die sogenannten Schiedsverfahren, bei denen drei Richter ohne Widerspruchsmöglichkeit abschließend allein entscheiden können, erheblich zu verändern. Nun haben Sie dem Bundestag und anderen mitgeteilt: Diese Schiedsgerichte lassen sich nicht mehr rausverhandeln. – Da müssen wir Ihnen eines sagen, Herr Bundesminister: Wenn diese Schiedsgerichte sich nicht rausverhandeln lassen, dann darf sich Deutschland nicht in dieses Abkommen reinverhandeln lassen. Das wäre die Lösung. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Können wir nur mit Russland!) Herr Bundesminister, Sie sind ja jetzt im Kabinett als Minister auch für Ostdeutschland zuständig. Ich will Sie daran erinnern – bei der Einbringung des Etats haben Sie gerade einmal einen Halbsatz zur Lage in Ostdeutschland zustande gebracht –: Der „Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2014“, den wir vor kurzem beraten haben, enthält ja eine ganze Menge an Analysen zur wirtschaftspolitischen Entwicklung in Ostdeutschland. Sie haben das präzise beschrieben. Allerdings haben Sie bei den Schlussfolgerungen überhaupt nicht geliefert. Sie sind, was den Osten angeht, so ziemlich ein „Minister folgenlos“. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben natürlich mit dem Problem zu kämpfen, dass seit zehn Jahren, was die wichtigsten wirtschaftspolitischen Indikatoren angeht, keine Angleichung zwischen Ost und West zu beobachten ist. Wir haben einen verfestigten Niedriglohnsektor. Der Anteil der Zeitarbeiter ist im Osten doppelt so hoch. Wir haben Standortnachteile – Stichwort „Arbeitsproduktivität“ – bei großen Unternehmen und eine hohe Arbeitslosigkeitsrate. Das alles ist bekannt. Für die schwarze Null haben Sie sich hinreichend selbst abgefeiert. Irgendwann ist aber Ihr schlechtes Gewissen durchgebrochen. (Johannes Kahrs [SPD]: Wo haben Sie das denn entdeckt?) Ausdruck dieses schlechten Gewissens ist die Ankündigung des Bundesfinanzministers, für die Zeit ab 2016 ein 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm aufzulegen. (Johannes Kahrs [SPD]: Grober Unfug!) Das war in der Tat eine Nacht-und-Nebel-Aktion, für die es noch nicht einmal eine Deckung gibt; denn bislang ist nicht klar, aus welchen Mitteln dieses Programm gespeist werden soll. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Auch wieder falsch! – Johannes Kahrs [SPD]: Erst habt ihr es gefordert, dann kriegt ihr es, und dann klagt ihr immer noch!) Nun haben wir den Bundeswirtschaftsminister in den Beratungen natürlich gefragt, was dieses Programm für den Wirtschaftsetat bedeutet und wie das im Kabinett beraten wurde. Dabei stellte sich heraus: Das angekündigte 10-Milliarden-Euro-Programm hat im Kabinett überhaupt keine Rolle gespielt. Das Kabinett war damit überhaupt noch nicht befasst. – Wenn das nicht Ausdruck Ihres schlechten Gewissens und Ihrer Konzeptionslosigkeit ist, dann frage ich mich, was es dann sein soll. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Beim Kartellamt sind Sie erfreulicherweise auf die Vorschläge der Opposition eingegangen und haben einer besseren Ausstattung zugestimmt. „Links wirkt“, können wir dazu nur sagen. Wir sagen Ihnen: Wir brauchen eine zukunftsfähige Wirtschaftspolitik in diesem Lande. (Johannes Kahrs [SPD]: Was haben Sie denn damit zu tun?) Die Linke will eine sozial-ökologische Gerechtigkeitswende in der Wirtschaft und in der ganzen Gesellschaft. Davon sind wir weit entfernt. Da wollen wir aber hin, und da lassen wir auch nicht locker. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Jurk für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Bravo! Guter Mann!) Thomas Jurk (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an diesem schönen Morgen mit einem Zitat beginnen, das vielen Urhebern zugesprochen wird: Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. – Damit will ich kurz auf das jüngste Jahresgutachten des Sachverständigenrates eingehen. Unzweifelhaft ist die wirtschaftliche Dynamik nicht so hoch wie noch im Frühjahr erwartet. Ursachen hierfür sind auch nach Ansicht des Sachverständigenrates in erster Linie die geopolitischen Risiken sowie die ungünstige Entwicklung im Euro-Raum und nicht die von den Arbeitgeberverbänden kritisierte Einführung des Mindestlohns. Insgesamt sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen günstig und das Wachstum robust. Die konjunkturellen Frühindikatoren zeigen aufwärts und der Arbeitskräftebedarf steigt. Wir haben einen stabilen Arbeitsmarkt mit 43 Millionen Erwerbstätigen. Davon sind 30,3 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Wir haben also allen Grund, optimistisch in die Zukunft zu schauen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das tun übrigens auch die deutschen Unternehmen, wie der Anstieg des ifo-Geschäftsklimaindexes beweist. Optimistisch können wir auch sein, weil der Bund mit dem Haushalt 2015 nicht nur keine neuen Schulden macht, sondern der Etat des Bundeswirtschaftsministeriums auch kräftige Impulse für Investitionen und Innovationen vorsieht. Die Mittel für das wichtige und erfolgreiche Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand werden um 30 Millionen Euro auf nunmehr 543,5 Millionen Euro und die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ um 17 Millionen Euro auf 600 Millionen Euro angehoben. Lieber Herr Kollege Claus, auch wenn ich Sie als Kollege im Haushaltsausschuss sehr schätze, muss ich doch sagen, dass die Untergangsstimmung, die die Linke seit wenigen Tagen hier verbreitet, völlig unangebracht ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Roland Claus [DIE LINKE]: Aufbruch, nicht Untergang! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU], an die LINKE gewandt: Gut, dass ihr nichts zu sagen habt!) – Andreas, du bist doch gleich dran. – Und wenn Sie dann noch behaupten, die Linke „würgt“, dann muss ich sagen: Ich möchte sie nicht an meinem Hals spüren. Im parlamentarischen Verfahren haben wir mehr als 50 Änderungen vorgenommen und dabei insbesondere die Innovationsförderung gestärkt, was mir sehr wichtig ist; denn wie schon der amerikanische Informatiker Alan Curtis Kay sagte, besteht die beste Art, die Zukunft vo-rauszusagen, darin, sie zu erfinden. Besonders hervorheben möchte ich, dass wir im kommenden Jahr für die Forschungsinfrastruktur 4,5 Millionen Euro mehr ausgeben wollen, als ursprünglich im Entwurf vorgesehen war. Damit können die Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung und die Forschungsförderung in Ostdeutschland – Stichwort INNO-KOM-Ost – auf dem bisherigen Niveau fortgeführt werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Daneben haben wir die Mittel für die Informations- und Kommunikationstechnologien um 3,8 Millionen Euro erhöht. Denn die Digitalisierung der Wirtschaft ist eine der zentralen wirtschaftspolitischen Herausforderungen für Deutschland. Von der Mittelerhöhung profitieren gerade auch kleine und mittlere Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft einschließlich des Handwerks. Sie sollen künftig Gutscheine für externe Beratungsleistungen in den Bereichen IT-Sicherheit, Internetmarketing und digitale Geschäftsprozesse in Anspruch nehmen können. Außerdem wurden im Personalhaushalt des Ministeriums die Grundlagen für die Errichtung eines neuen Referates „Digitale Agenda“ geschaffen. Darüber hinaus stellen wir – auch das ist mir sehr wichtig – 5 Millionen Euro für ein Innovationsprogramm zur Verfügung, mit dem der notwendige Strukturwandel der Verteidigungswirtschaft unterstützt wird. Damit sollen Innovationsvorhaben für zivile Technologien, Produkte oder technische Dienstleistungen gefördert werden. Im Energiebereich stocken wir mit zusätzlichen Mitteln den Forschungsetat zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energien um insgesamt 322 Millionen Euro bis 2017 auf. Das sind in diesem Jahr zunächst 10 Millionen Euro, 2016 sind es 96 Millionen Euro, und diese Mittel wachsen bis auf 216 Millionen Euro im Jahre 2017. Neben der Förderung aus den Einzelplänen, allen voran dem Einzelplan für Wirtschaft und Energie, fördern wir Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende über ein anderes Instrument: über den hier altbekannten Energie- und Klimafonds. Hier haben wir einiges getan; denn wir stellen den Energie- und Klimafonds auf verlässliche Beine. Wie machen wir das? Zum einen sind die prognostizierten Einnahmen aus dem europäischen Emissionszertifikatehandel mittlerweile realistisch veranschlagt; das heißt, es wird für 2015 von einem Jahresdurchschnittspreis von 6,27 Euro pro Tonne CO2 ausgegangen. Zum anderen wird der 2014 erstmals gezahlte Bundeszuschuss an den Energie- und Klimafonds verstetigt. In 2015 sind dies maximal 781 Millionen Euro. Der Zuschuss wächst bis 2018 auf 836 Millionen Euro auf. Das stärkt die Einnahmenseite. Beide Maßnahmen führen dazu, dass die Gesamtfinanzierung des Energie- und Klimafonds gesichert wird. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Schon in meinen vorangegangenen Reden bin ich auf die Energieeffizienz eingegangen. Anfang Dezember dieses Jahres möchte das Kabinett unter anderem einen Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz verabschieden. Wir werden dann hier im Bundestag darüber diskutieren. Wichtig ist für mich, dass durch öffentliche -Förderung und ordnungspolitische Vorgaben Effizienzmaßnahmen vorangetrieben werden. Ziel muss es sein, die Wirtschaftlichkeit von Energieeffizienz- und Energiesparmaßnahmen zu erhöhen und bestehende Hürden abzubauen. Neben Fördern und Fordern sind aber auch Information und Beratung, wie Energie gespart oder effizient eingesetzt werden kann, notwendig. Hier sehe ich übrigens noch weiteren Handlungsbedarf. Bestehende Beratungsprogramme müssen treffgenauer und miteinander verknüpft sein. Wir verfügen bereits über gute Förderinstrumente wie das CO2-Gebäudesanierungsprogramm und den Energieeffizienzfonds im Energie- und Klimafonds oder das Marktanreizprogramm im Einzelplan des Ministeriums. Weitere Instrumente sind erforderlich, während die bestehenden Instrumente ihre Wirksamkeit nachweisen müssen. Gerade bei der Weiterentwicklung der bestehenden Programme sehen wir erwartungsvoll der Evaluierung durch das Bundeswirtschaftsministerium entgegen. Zum Schluss noch ein kurzer Ausblick. Wir werden in den Jahren 2016 bis 2018 insgesamt 10 Milliarden Euro für zusätzliche Investitionen mobilisieren. Für den Einzelplan des Bundeswirtschaftsministeriums hat dies zur Folge, dass wir uns ab dem Jahre 2016 nicht mehr mit der Finanzierung des Betreuungsgeldes herumplagen müssen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Diese Ausgaben werden dann aus dem Gesamthaushalt finanziert, und die freiwerdenden Mittel können so direkt für weitere Investitionen genutzt werden. Natürlich ist für unsere Wirtschaft nicht nur der sinnvolle Einsatz von Sachkapital wichtig, sondern ebenso die Einführung innovativer, neuer Produkte und Verfahren. Nur so können wir unseren Industrie- und Produk-tionsstandort langfristig sichern. Damit erschließen wir weitere Potenziale für neue Arbeitsplätze im Bereich der industriebezogenen und wissensbasierten Dienstleistungen. (Beifall des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]) Die Erfahrung lehrt, dass grundlegende Innovationen häufig nur deshalb realisiert werden können, weil sie eine gezielte staatliche Förderung erhalten. Eine zentrale Aufgabe von Wirtschaftspolitik muss es bleiben, die Leistungsfähigkeit des deutschen Forschungs- und Innovationssystems auch künftig sicherzustellen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dieser Aufgabe werde ich mich auch bei den nächsten Haushaltsberatungen mit großer Freude stellen. Angesichts des positiven Beratungsklimas mit meinen Mitberichterstattern und den Mitarbeitern des Ministeriums bin ich optimistisch, dass wir dazu einen konstruktiven Beitrag leisten werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Gabriel, in diesen Tagen wird viel über Investitionen gesprochen. Die Kritik an Deutschland wegen mangelnder Investitionstätigkeit ist allenthalben sehr groß. Ich teile diese Kritik ausdrücklich, wenngleich ich im Rahmen der Haushaltswoche hier auch erwähnen möchte, dass ich es für ein Missverständnis hielte, für höhere und intensivere Investitionen Schulden machen zu müssen. Das müssen wir nicht, aber wir müssen mehr investieren; ich glaube, das ist sehr klar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vor diesem Hintergrund ist es natürlich beachtlich, dass Sie, Herr Gabriel, Zweierlei getan haben: Sie haben in diesem Sommer eine Expertenkommission eingesetzt, die darüber beraten soll, wie wir Investitionen steigern können – soweit ich unterrichtet bin, geht es sowohl um die private als auch um die öffentliche Investitionstätigkeit –, und Sie haben einen Reformplan für Deutschland und Frankreich in Auftrag gegeben. Ich glaube, in dieser Angelegenheit werden Sie die Öffentlichkeit heute noch in Paris informieren – und vielleicht ja auch uns schon hier im Parlament. Jetzt frage ich Sie: Wie passt das eigentlich damit zusammen, dass Sie in diesem Haushalt 2015 in der Summe keine zusätzlichen Investitionen tätigen? Das ist doch einfach nicht zu verstehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ab 2016 gibt es – das ist relativ kurzfristig vom Finanzminister schnell noch entschieden worden – ein zusätzliches Investitionsprogramm im Umfang von 10 Milliarden Euro. Ich habe es schon gestern hier in diesem Haus gesagt, und ich wiederhole es noch einmal: Laut den Zahlen vom Bundesfinanzministerium selbst bedeutet das gemäß dem Finanzplan weiterhin eine He-rabsetzung der Investitionsquote von 10,1 Prozent auf 9,3 Prozent im Jahr 2018. Das kann also definitiv nicht die Lösung sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich bitte Sie, sich in der Großen Koalition nicht hinter einer neuen, anderen statistischen Aussage zu verstecken. Damit spreche ich noch einmal den Kollegen Kauder an. Selbst wenn wir die Investitionen etwas anders berechnen, nämlich über die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, bedeutet das allenfalls eine Stabilisierung der Investitionsquote. Warum ich diesen Punkt hier heute noch einmal so eingehend anspreche: Das passt auch schlicht nicht zu dem Ergebnis, das Herr Gabriel heute, wenn ich nicht ganz falsch unterrichtet bin, entgegennehmen muss. Der von ihm selbst in Auftrag gegebene Reformplan enthält nämlich die Aussage, Deutschland müsse seine Investitionen in die Infrastruktur bis zum Jahr 2018 auf 20 Milliarden Euro steigern. Man sieht also im Ergebnis: Ihre eigene finanzpolitische Strategie ist nicht ausreichend. Man kann nach einem Jahr Regieren auch sagen: Sie ist schlicht falsch und geht nicht auf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich komme zu einem zweiten Punkt, zur Energieeffizienz. Es gibt hier europäische Vorgaben. Obwohl wir häufig nachgefragt haben, gibt es bis zur heutigen Haushaltsdebatte keine belastbaren Aussagen der Regierung dazu, wie wir die EU-Energieeffizienzrichtlinie umsetzen und materiell untermauern wollen. Ich weiß, dass Sie uns in Aussicht stellen, diese Frage möglicherweise ab nächster Woche zu beantworten. Mit Blick auf den Haushalt 2015 – das ist der zweite Haushalt in dieser Legislaturperiode – stelle ich heute fest: Es geschieht nichts! Das, was Sie uns hier heute vorlegen, Herr Gabriel, ist in Bezug auf die Energiewende und auch klimapolitisch wirklich ein ganz schwaches Zeugnis – man könnte auch sagen: ein Armutszeugnis. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dabei könnte man die beiden von mir angesprochenen Punkte relativ einfach zusammenführen; denn um die Energieeffizienz zu fördern, muss man ein wirksames Investitionsprogramm auflegen. Damit können wir – wie sagt man im Volksmund so schön? – zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir können die Energieeffizienz steigern, und wir können die Wertschöpfung steigern. Wenn wir es schlau machen, können wir damit soziale Ziele verbinden, indem wir das Wohnen in schlecht sanierten Gebäuden günstiger machen. Ich frage mich: Wie lange wollen Sie noch warten, um diese Vorhaben entschlossen anzupacken? Wir Grünen haben Ihnen dazu einen Vorschlag gemacht: Wir wollen die jährliche Sanierungsquote auf 3 Prozent anheben. Wir wollen das KfW-Gebäudesanierungsprogramm aufstocken. Wir wollen einen Energiesparfonds mit einem Gesamtvolumen von 3 Milliarden Euro auflegen. All diese Maßnahmen ließen sich im Rahmen des 10-Milliarden-Euro-Programms von Herrn Schäuble finanzieren. Also: Strengen Sie sich an! Geben Sie sich einen Ruck, und setzen Sie das endlich um. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein kleiner Hinweis, weil nach mir Herr Mattfeldt als Vertreter der Koalition sprechen wird: Sie haben in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses 146 Millionen Euro für das KfW-Gebäudesanierungsprogramm bereitgestellt. Da hatten wir kurz geglaubt, Sie wollten jetzt wirklich etwas anpacken. Mittlerweile haben wir festgestellt: Das ist nichts anderes als die Umsetzung alter Förderzusagen. Dahinter steckt keine Zusage neuer Mittel. Auch da ist wirklich totale Fehlanzeige! Zum Schluss meiner Rede möchte ich Ihnen, Herr Gabriel, eine Frage stellen; ich weiß, dass Sie hier und heute noch Stellung nehmen. Wir haben uns in der ersten Lesung mit der CETA-Problematik und dem Investi-tionsschutz sehr genau auseinandergesetzt. Sie selber haben sehr präzise – das hat mich gefreut – dahin gehend Stellung bezogen, dass es nach Ihrer persönlichen Meinung bei einem Investitionsschutzabkommen nicht darum gehen darf, Gesetze oder die Willensbildung in einem demokratisch gewählten Parlament auszuhebeln, auch nicht auf indirekte Weise, also kein indirekter Druck auf den Gesetzgeber ausgeübt werden darf. Das sind Ihre Worte. Ich möchte Sie vor diesem Hintergrund fragen: Können Sie uns zusagen – das war Ihr damaliges Ziel –, dass Sie sowohl bei CETA als auch bei TTIP mit Blick auf die Investitionsschutzabkommen, verbunden mit dem großen Risiko eines hohen Entschädigungsanspruches – damit würde indirekt Druck auf die Gebietskörperschaften ausgeübt –, Fortschritte erzielt haben und weitergekommen sind, damit diese Regelung aus den Freihandelsabkommen verschwindet, sowohl aus dem mit Kanada als auch aus dem mit den USA? Ich bitte Sie um eine Stellungnahme dazu, ob Sie das einhalten, was Ihren eigenen Zielsetzungen und Ihren eigenen Maßstäben entspricht. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Andreas Mattfeldt ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass Wirtschaft zu 50 Prozent -Psychologie ist, haben wir alle von Bundeskanzler Ludwig Erhard gelernt. Dass man aber eine Rezession auch herbeireden kann – jetzt schaue ich zu den Linken –, (Zuruf des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) lernen wir in diesen Tagen, lieber Roland Claus, ganz deutlich von Ihnen. Deshalb bin ich froh, dass Sie zwar vielleicht in Thüringen etwas zu sagen haben werden – zum Leidwesen der Thüringer –, dass Sie aber auf Bundesebene davon hoffentlich noch weit entfernt sind. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist ein Trauma für Sie, das ist klar!) Als Kaufmann halte ich mich, was die wirtschaftliche Lage anbelangt, lieber an Zahlen und Fakten. Die Fakten sprechen eine ganz deutliche Sprache: Der deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich weiterhin sehr stabil. Zum Glück sind für uns in Deutschland eine niedrige Arbeitslosenquote und die hohe Zahl der Erwerbstätigen mittlerweile fast schon zur Normalität geworden. Ich sage: Es ist doch schön, dass wir uns längst an diese Zahlen gewöhnt haben und dass die Verkündung von neuen Arbeitsmarktzahlen am Ende eines jeden Monats heute nicht mehr die Begeisterungsstürme auslöst, die es anfangs gab, als die Zahl der Erwerbstätigen stieg oder – so darf ich sagen – sich die Situation in Deutschland besserte. Deshalb sage ich: Ein Blick in die jüngere Vergangenheit kann uns nicht schaden. Erinnern wir uns einfach an die desaströsen Arbeitsmarktzahlen, die 2005 zu verzeichnen waren, als die erste Große Koalition unter Angela Merkels Führung ihre Arbeit aufgenommen hat. Seinerzeit hatten wir eine Arbeitslosenquote von 11,7 Prozent, 5,3 Millionen Arbeitslose, und die Zahl der Erwerbstätigen lag bei lediglich 38,9 Millionen Beschäftigten. Heute haben wir mit einer Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent und 2,7 Millionen Arbeitslosen die Zahlen gegenüber 2005 fast halbiert und, was das Schönste ist, wir haben mit 43 Millionen Erwerbstätigen einen Rekordstand erreicht, der zeigt, wie wirtschaftlich stark diese Bundesrepublik Deutschland ist. (Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Man merkt, Schröders Reformen wirken!) – Auch Schröders Reformen wirken, keine Frage. Deshalb hat die Unionsfraktion ihnen klugerweise zugestimmt. Ich würde mich freuen – diesen Wink darf ich dem geschätzten Koalitionspartner geben –, wenn Sie selbstbewusst zu diesen Reformen stehen würden, statt sich peu à peu davon zu verabschieden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Tun wir doch, Andreas!) Selbst die in diesen Tagen eher kritischen Mitglieder des Sachverständigenrates prognostizieren einen weiteren Anstieg der Erwerbstätigenzahlen. Ich darf deshalb sagen, dass diese Regierung weiterhin auf einem richtigen Weg ist. Seit Mitte der 70er-Jahre in Westdeutschland und natürlich nach dem schwierigen Umbruch nach der deutschen Wiedervereinigung in Ostdeutschland ist die Bewältigung der Arbeitslosigkeit für jede Regierung in Deutschland die größte Herausforderung gewesen. Es gab unterschiedlichste Lösungsansätze, von denen einige auch wir entwickelt haben. Viele davon waren nicht sonderlich erfolgreich. Erst seit 2005 haben sich die Zahlen enorm verbessert. Es ist eben nicht selbstverständlich – auch und gerade mit Blick auf das europäische Ausland –, dass sich die Zahlen heute so präsentieren, wie wir sie wahrnehmen. Das war ein gemeinsamer Kraftakt von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und der Politik. Diesen Erfolg haben wir in Deutschland gemeinsam, alle Bevölkerungsgruppen, erreicht. In der Finanz- und Wirtschaftskrise haben ganz besonders die Arbeitnehmer die Zähne zusammengebissen. Sie haben auf Lohnsteigerungen verzichtet und Kurzarbeit hingenommen. So ist es gelungen, begleitet von klugen politischen Rahmenbedingungen, dass Deutschland gestärkt aus der Krise hervorgegangen ist. Nur deshalb stehen wir heute so gut da, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schön ist es doch, dass die Menschen in Deutschland mit anständigen Lohnzuwächsen am wirtschaftlichen Aufschwung partizipieren. Gute Lohnabschlüsse und eine niedrige Inflationsrate ermöglichen Reallohnzuwächse, die wir lange nicht hatten. Die Menschen haben heute wieder mehr Geld im Portemonnaie. Das zeichnet diese soziale Marktwirtschaft aus (Johannes Kahrs [SPD]: Sozialdemokratische Marktwirtschaft!) und zeigt mir, dass diese soziale Marktwirtschaft in Deutschland immer noch funktioniert. Den absoluten Miesmachern aufseiten der Linken hilft vielleicht der realistische Blick vom Ausland auf Deutschland. Deutschlands wirtschaftliche Stärke wird anerkannt, gerade auch, weil sich die konjunkturelle Lage sowohl in der Welt als auch im Euro-Raum nach wie vor schwierig darstellt. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen – mein Vater ist ja Franzose –: Die Wirtschaftsdaten von reformbereiten Ländern sind erheblich optimistischer als jene in den Ländern, die kaum Mut für Veränderungen zeigen. Das Gutachten des Sachverständigenrates für 2015 – es ist bereits angesprochen worden – geht von einem Wachstum von „nur“ 1 Prozent aus, wie die Gutachter schreiben. Ich sage: Auch 1 Prozent ist doch Wachstum, und zwar auf einem sehr hohen Niveau. Wie anfangs erwähnt, kann man eine Rezession auch herbeireden. Davor möchte ich aber ausdrücklich warnen und unterstütze deshalb die Annahmen der Bundesregierung, die von einem höheren Wachstum für 2015, nämlich von 1,3 Prozent, ausgeht. Dass dieser Aufschwung durch die Binnenkonjunktur getragen wird, merken wir auch. Der private Konsum ist die wichtigste Stütze der Binnenwirtschaft, und die Menschen haben jetzt mehr Geld im Portemonnaie. Das Schöne ist: Sie geben dieses Geld auch aus. Meine Damen und Herren, Sorge bereitet mir wie sicherlich auch dem gesamten Haus die Situation in Russland und der Ukraine. Auch hierbei möchte ich mich an Fakten orientieren. Die Fakten lassen nichts anderes zu als die Unterstützung der Position unserer Bundeskanzlerin, die bei ihrer Rede in Sydney darauf hingewiesen hat, dass die Ukraine-Krise zu einem Flächenbrand werden könnte. Putins Handeln oder – vielleicht muss man das eher sagen – Putins Nichthandeln stellt uns in Europa in der Tat vor nicht einfache Entscheidungen, die auch wirtschaftliche Auswirkungen haben. Es darf aber nicht sein, dass wir nach so vielen positiven Erfahrungen zwischen Russland und Deutschland wieder in eine Konfrontation zwischen den USA und Europa auf der einen Seite und Russland auf der anderen Seite hineinlaufen. Ein solches Blockdenken habe ich weiß Gott lange genug erleben müssen. Lassen Sie uns auch nicht vergessen, dass neben allen wirtschaftlichen Beziehungen auch zwischenmenschliche Beziehungen zwischen Russland und der EU gewachsen sind, die von großem Vertrauen geprägt sind, aber in diesen Tagen, übrigens auch in ganz vielen Familien, auf eine harte Probe gestellt werden. Deshalb mein Appell – vor allem an Russland –: Lassen Sie uns, auch im Interesse des russischen Volkes, doch nicht das zerstören, was wir seit 25 Jahren aufgebaut haben! Da kommen wir wieder zur Wirtschaft. Sie sprechen nun heute, Herr Minister Gabriel, das zweite Mal in dieser Funktion über Ihren Etat. Hinter uns liegen sehr anstrengende, aber auch konstruktive Beratungen. Ich möchte deshalb Dank sagen, Ihnen, Ihrem Haus, Ihren Staatssekretären auf der Regierungsbank, aber natürlich auch Dank sagen für die gute Zusammenarbeit zwischen uns Berichterstattern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Nach den parlamentarischen Beratungen hat der Etat des Wirtschaftsministeriums ein Gesamtvolumen von 7,3 Milliarden Euro. Das ist ein leichter Aufwuchs im Vergleich zum Regierungsentwurf, um circa 183 Millionen Euro, der sich natürlich aus der Notwendigkeit der Anpassung der Mittel für das Gebäudesanierungsprogramm ergibt. Gerade dieses Programm sorgt dafür, dass das Geld auch wirklich dorthin gelangt, wo es nach meinem Dafürhalten hin soll, nämlich zu den Hausbesitzern, die ihr Heim energetisch sanieren wollen und so einen effizienten Beitrag zur Energieeinsparung leisten. Als Nebeneffekt – das müssen wir auch sagen – ist dies natürlich auch ein gutes Konjunkturprogramm für unsere Handwerker. Die Energiewende ist das herausragende Projekt dieser Legislatur. Genau deshalb liegt ein Schwerpunkt des 2015er-Haushalts in diesem Bereich. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn? Aber nicht in diesem Haushalt!) Auf Ressortebene ist das Ziel „Energiepolitik aus einer Hand“ bereits erreicht worden: Sämtliche Energiefragen sind im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gebündelt worden. Jetzt müssen wir dafür sorgen, Herr Minister Gabriel, dass dies auch auf den darunterliegenden Ebenen fortgesetzt wird. Meine Damen und Herren, die Wirtschaftspolitik dieser Koalition ist zum großen Teil Mittelstandspolitik. Deshalb setzen wir unsere finanzielle Förderunterstützung vor allem für den Mittelstand fort. Der Mittelstand ist und bleibt das Rückgrat unserer Wirtschaft. Dass dies so bleibt, das war mir und meinem Koalitionsmitberichterstatter Thomas Jurk ein sehr wichtiges Anliegen. Wir beide waren nicht damit einverstanden – das ist, glaube ich, ein offenes Geheimnis –, dass im Haushaltsentwurf einige Ansätze im Bereich der Mittelstandsförderung gekürzt wurden. Deshalb haben wir rund 8 Millionen Euro für diese Zwecke wieder in die Förderinstrumentarien für den Mittelstand hereingeholt, und 1 Million Euro haben wir zusätzlich für Investitionen in Fortbildungseinrichtungen, vor allem denjenigen für das Handwerk, zur Verfügung gestellt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ein Thema, das vielleicht ab und an zu kurz kommt: Auch die Deutsche Zentrale für Tourismus erhält für 2015 mehr Mittel. Wir haben den Ansatz hierfür auf insgesamt 30 Millionen Euro angehoben, um im Ausland für unsere schöne Heimat, für den Tourismus bei uns in Deutschland zu werben. Das hatte ich bereits bei meiner Rede zur Einbringung des Haushaltes angekündigt; das haben wir jetzt umgesetzt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir wollen aber nicht nur im Bereich Tourismus mehr machen und die mittelständische Wirtschaft dort mit mehr Geldern unterstützen, sondern auch im Bereich der Digitalisierung. Hier haben wir in den Haushaltsberatungen knapp 4 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, so zum Beispiel zur Unterstützung vor allem kleiner und mittelständischer Betriebe. Diese erhalten zum Beispiel mit dem Modellvorhaben „go-digital“ Gutscheine für externe Beratungsdienstleistungen im Bereich IT-Sicherheit, Internetmarketing und digitale Geschäftsprozesse – Themen, die in kleinen und mittelständischen Betrieben häufig unterschätzt werden. So unterstützt der Bund auch bei diesen wichtigen Themen gerade kleine und mittelständische Unternehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Jetzt darf ich noch etwas sagen: Wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode viel Soziales gemacht, wir haben den einen oder anderen sehr ausgabefreudigen Entschluss gefasst. Jetzt müssen wir auch Haushaltskonsolidierung und die Wirtschaft wieder in den Fokus unseres Handelns rücken. Ich selbst komme aus der Wirtschaft und weiß, welche Belastungen diese Beschlüsse für die Wirtschaft mit sich bringen – sie bringen aber auch Gutes für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes; deshalb waren sie zu einem großen Teil richtig. Wir dürfen aber – diese Bemerkung sei mir gestattet – genauso die Leistungsfähigkeit der Unternehmen nicht überfordern; denn es sind die Unternehmen, die den Menschen Arbeit geben, ihren Lohn zahlen und vor allen Dingen Steuern entrichten. Wir geben dann diese Steuereinnahmen hoffentlich klug und geschickt aus. Deshalb: Jetzt ist es an der Zeit, auch an die Wirtschaft zu denken. Lassen Sie uns also alle gemeinsam die noch vor uns liegenden Herausforderungen zum Beispiel im Bereich der Infrastruktur anpacken und die dort bestehenden Probleme lösen. Nun werden einige Kollegen sagen: Du hast gar nichts über Fracking gesagt. – Das ist richtig. (Heiterkeit bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Und jetzt ist es auch zu spät. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Zug ist abgefahren! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber immer an die Wirtschaft denken, Herr Kollege!) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Dazu werde ich jetzt auch nichts sagen. Darüber werden wir auf kluge Weise in einer der anstehenden Sitzungen beraten. Ich darf heute dafür werben, diesem Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums die Zustimmung zu geben. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Hubertus Heil für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist häufig die Logik von Haushaltsdebatten, gerade wenn es um die Wirtschaft geht, dass man ein bisschen in der einen oder anderen Richtung in Extreme verfällt. Was will ich damit sagen? Ich glaube, dass wir uns in der Wirtschaftspolitik weder regierungsamtliche Schönfärberei noch oppositionsmäßige Schwarzmalerei leisten dürfen. Wir brauchen einen realistischen Blick darauf, was wirtschaftspolitisch vor uns liegt. Wenn man es nicht glaubt, dann sollte man vielleicht das Buch von Marcel Fratzscher, dem DIW-Chef, lesen, der über unser Land, wie ich finde, in bemerkenswerter Weise deutlich macht, dass wir wirklich das sind, was wir alle miteinander feststellen, nämlich die Wachstumslokomotive in Europa, ein starker volkswirtschaftlicher Wachstumskern in Europa, der über vernünftige Wertschöpfungsketten verfügt. Wenn man sich daran erinnert, wie es früher, vor etwa zehn Jahren, war, als über Deutschland als den kranken Mann Europas gesprochen wurde, muss man sagen: Dass sich das verändert hat, liegt daran, dass Vorgängerregierungen den Mut zu Reformen hatten, den andere nun offensichtlich unter schwierigeren Bedingungen erst aufbringen müssen. Herr Mattfeldt, ich sage das mit Hinweis auch auf Frankreich. Wenn Jacques Chirac und Sarkozy den gleichen Mut zu Reformen gehabt hätten wie beispielsweise die rot-grüne Bundesregierung, würden wir nicht vor solchen Problemen stehen, wie wir sie heute haben. (Johannes Kahrs [SPD]: So ist es!) Wir können Präsident Hollande nur den Mut und die Unterstützung wünschen, um zu Strukturreformen in seinem Land zu kommen. (Beifall bei der SPD – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: In Frankreich ist „Sozialdemokrat“ ein Schimpfwort bei Sozialisten!) – Sehen Sie das doch nicht einseitig durch die parteipolitische Brille, sondern versuchen Sie einfach, festzustellen: Ja, wir sind ein starkes Land. Herr Fratzscher hat aber in seinem Buch auch deutlich gemacht, dass es keinen Grund gibt, sich selbstzufrieden zurückzulehnen. Oder wie der Volksmund sagt: Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie am falschen Körperteil. Tatsache ist: Bei aller Freude über die Stärke unseres Landes haben wir auch ein paar wunde Punkte, die es zu bearbeiten gilt. Ein wunder Punkt ist die Investitionsquote in diesem Land, und zwar sowohl die private als auch die öffentliche. Deshalb bin ich froh, dass wir nicht nur mit dem Etat des Bundeswirtschaftsministeriums, sondern mit dem gesamten Bundeshaushalt dafür sorgen, dass die öffentlichen Investitionen gestärkt werden, und zwar sowohl im Bereich der Mittelstandsförderung und im Bereich der Verkehrsinfrastruktur als auch bei Bildung und Forschung. Nicht nur, dass wir Schritt für Schritt den Haushalt konsolidieren, wir investieren auch mehr in Zukunft. Hier sind wir auf einem guten Weg. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wird jetzt schöngeredet! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn das keine Schönrederei ist, dann weiß ich nicht, was Schönrederei ist!) Das reicht aber nicht. Deshalb ist es richtig und vernünftig, dass wir gerade in der momentanen Phase – Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat das angemahnt; Bundesfinanzminister Schäuble hat sich nun auf den Weg gemacht – zusätzliche Mittel, die sich aus den vorhandenen Spielräumen ergeben, für öffentliche Investitionen nutzen. Wir werden zwar über die Verteilung der Mittel noch im Einzelnen zu diskutieren haben. Aber aus wirtschaftspolitischer Sicht ist es wichtig, dass wir die Mittel nicht mit der Gießkanne verteilen, sondern sie tatsächlich für investive Maßnahmen einsetzen, beispielsweise für die energetische Gebäudesanierung, die Stärkung der Kommunen (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für Umgehungsstraßen in Bayern!) sowie für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und der Breitbandinfrastruktur in diesem Land. Da gehören die Mittel hin. Sie dürfen nicht mit der Gießkanne verteilt werden. (Beifall bei der SPD) Wenn wir über Investitionsquoten reden, dann dürfen wir nicht nur über die öffentlichen, sondern müssen auch über die privatwirtschaftlichen Investitionen reden und darüber, wie die Rahmenbedingungen der Wirtschaft für Investitionen in Deutschland sind. Ja, wir haben Standortstärken, zum Beispiel die berufliche Erstausbildung in diesem Land, eine im internationalen Vergleich noch immer gute Infrastruktur, eine Forschungslandschaft, die sich sehen lassen kann, und sozialen Frieden, der für Investitionssicherheit in diesem Land sorgt. Wir sind ein starkes Land. Aber wir haben auch ein paar Schwachstellen. Die zu bearbeiten, ist Aufgabe aktiver Wirtschaftspolitik. Deshalb bin ich froh, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Gegensatz zu manchem Vorgänger Wirtschaftspolitik nicht nach dem Motto „Wir schauen der Wirtschaft beim Wachsen zu“ oder – noch schlimmer – „Wir schauen ihr beim Schrumpfen zu“ betreibt, sondern dass er auf aktive Gestaltung der Rahmenbedingungen setzt, (Lachen des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) beispielsweise indem er die Energiewende wieder vom Kopf auf die Füße stellt. Das ist die wichtigste wirtschaftspolitische Aufgabe. Wir haben Aufräumarbeiten zu leisten, damit die Energiewende funktioniert. (Beifall bei der SPD – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geben Sie doch einfach einmal ein Beispiel! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Beispiel!) – Das kann ich gerne geben, Herr Kollege Krischer. Sie haben ja auch noch die Gelegenheit. Wir haben binnen eines Jahres dafür gesorgt, dass mit der EEG-Reform nicht nur Planbarkeit in den Ausbau der erneuerbaren Energien kommt, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sie ausgebremst: Die Photovoltaik ist vorbei in Deutschland!) sondern eben auch mehr Kosteneffizienz, damit wir nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip das Geld verschleudern. Hinzu kommt die Akzeptanz der Energiewende. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Abteilung Schrumpf!) – Frau Kollegin Göring-Eckardt, Sie verstehen von vielem etwas, aber von Wirtschaftspolitik wirklich nichts, wenn Sie hier so etwas sagen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: So viel zum Thema Frauenquote!) – Hören Sie doch einfach einen Moment zu. Sie haben nachher noch die Gelegenheit. Wir haben tatsächlich dafür gesorgt, dass die EEG-Reform vorangekommen ist, und – was wichtig ist, damit wir auch energieintensive Betriebe in Deutschland halten können – wir haben binnen eines Jahres den Konflikt mit der EU-Kommission beigelegt, damit die Grundstoffindustrien in Deutschland bleiben. Ich weiß nicht, was in dieser Frage passiert wäre, wenn Frau Göring-Eckardt Wirtschaftsministerin gewesen wäre. Ich bin froh, dass Sigmar Gabriel das geschafft hat. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man Argumente hat, dann muss man nicht so einen Quatsch sagen!) Wir haben aber energiepolitisch noch eine ganze Menge vor, beispielsweise für mehr Energieeffizienz zu sorgen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hubertus Heil plaudert!) Dafür werden am 3. Dezember entsprechende Maßnahmen im Kabinett getroffen. Dazu gehört beispielsweise die energetische Gebäudesanierung. Wir werden im kommenden Jahr die Entscheidung über das zukünftige Strommarktdesign treffen. Wir wollen, dass die Energiewende zum Erfolg geführt wird – für eine saubere, aber eben auch für eine sichere und bezahlbare Energieversorgung. Das sind wir der wirtschaftlichen Entwicklung und den Menschen in diesem Land schuldig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leg doch mal eine neue Platte auf!) – Das tut Ihnen weh. Das merke ich schon an den Zwischenrufen. Aber es ist so: Wir machen uns auf den Weg. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kaudert!) Es geht weiterhin darum, Industriepolitik in diesem Land zu betreiben. Da ist Energiepolitik ein ganz zentraler Bereich. Dazu gehört aber auch das Thema Fachkräftesicherung, an dem wir arbeiten, und nicht zuletzt die Frage der Akzeptanz von industrieller Wertschöpfung und von Innovation in diesem Lande. Deshalb ist das angesprochene Bündnis für Industrie in diesem Land, das Sigmar Gabriel mit Wirtschaft und Gewerkschaften geschlossen hat, ganz wichtig. Die großen Herausforderungen, vor denen der Industriestandort Deutschland steht, sind die demografische Entwicklung – Stichwort: Fachkräfte –, die Frage der Innovation – Stichwort: Digitalisierung, Industrie 4.0 –, die Frage der Internationalisierung und die Frage der Rohstoffknappheit und der Energiekosten. Das sind alles Fragen, die wir nicht alleine beantworten können; vielmehr brauchen wir abgestimmte Maßnahmen zwischen Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften in diesem Land. Das sind große Herausforderungen. Deshalb finde ich es richtig, dass Sigmar Gabriel die Initiative ergriffen hat. Ich bin dem BDI-Präsidenten, Herrn Grillo, und dem IG-Metall-Vorsitzenden Detlef Wetzel außerordentlich dankbar, dass sie mitmachen; denn sie wissen: Es gibt bei allen Interessenunterschieden, die es zwischen Arbeitnehmern und Gewerkschaften in diesem Land gibt, die es auch in der Politik, auch in der Großen -Koalition, gibt, die Notwendigkeit, zu einem neuen Industriekonsens in diesem Land zu kommen. Das ist der Schulterschluss, den wir für wirtschaftlichen Erfolg in diesem Land brauchen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schließlich müssen wir etwas für das wirtschaftliche Rückgrat dieses Landes tun, und das ist der Mittelstand. Aufgrund meiner begrenzten Redezeit nur ein Hinweis: Diese Regierung redet nicht über Bürokratieabbau, sie macht sich auf den Weg. Ich nenne zum Beispiel die One-in- und die One-out-Regelung. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie war das noch mal? Erklären Sie mir das noch mal!) – Das kann ich erklären. – Wir sorgen für eine Bürokratiebremse. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt für alles eine Bremse!) Es wird für jede neue Regelung eine alte Regelung gestrichen. Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Ich füge hinzu: Das meiste ist Steuerbürokratie in diesem Land. Die werden wir uns vornehmen müssen, damit wir diesem Land tatsächlich Investitionsimpulse geben, die übrigens nicht immer Geld kosten müssen, die aber gerade für die mittelständische Wirtschaft wichtig sind. Dieser Bundeswirtschaftsminister hat in einem Jahr dafür gesorgt, dass aus einem verwaisten Haus wieder ein gestaltendes Schlüsselressort dieser Bundesregierung geworden ist. Wir werden ihn auf diesem Weg weiter im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes unterstützen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Gut so!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nun erhält der Kollege Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Klaus Ernst (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Hubertus Heil, ich habe vor kurzem einen sehr schönen Spruch gehört von einem Kollegen der CDU. Dieser würde auf den Schlusssatz zutreffen, den Sie gerade gesagt haben: Zu viel Weihrauch schwärzt selbst den Heiligen. (Beifall bei der LINKEN) Der Heilige sitzt hier. (Heiterkeit bei SPD) Sigmar Gabriel, bei so viel Lob müssen wir aufpassen, dass du dann nicht auch inhaltlich schwarz wirst – bei so viel Weihrauch, der da kommt. (Beifall bei der LINKEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Sozialdemokraten unter sich!) Ich möchte auf Investitionen eingehen, meine Damen und Herren. Überall ist zu lesen und festzustellen: Deutschland hat viel zu wenige Investitionen und gefährdet damit das Wachstum. Deshalb stellt sich die Frage: Haben wir eigentlich auch zu wenig Geld oder nur zu wenig Investitionen? Deshalb müssen wir schauen, wie es um das Geld bestellt ist. Die Frankfurter Rundschau vom 20. November schreibt mit Verweis auf die Schweizer Bank UBS: Das Vermögen der Superreichen in Deutschland wuchs – ich zitiere – um 10 Prozent auf über 2,5 Billionen Dollar. – Hierbei handelt es sich um eine Steigerung um 10 Prozent innerhalb eines Jahres. Das heißt, der Vermögenszuwachs in einem Jahr betrug 10 Prozent. Die Frankfurter Rundschau schreibt weiter: Mit dieser Summe könnte man alle deutschen Arbeitnehmer zwei Jahre bezahlen oder sieben Jahre die Ausgaben der Bundesregierung finanzieren. Meine Damen und Herren, in diesem Lande fehlt es nicht an Geld, sondern diese Bundesregierung traut sich nicht, das für Investitionen benötigte Geld dort zu holen, wo es eigentlich ist. Das ist unser Problem. (Beifall bei der LINKEN) Ein immer größerer Teil des Kuchens geht ausschließlich an die Eigentümer größter Vermögen. In Deutschland gibt es einen Spruch dazu: Der Teufel macht immer auf den größten Haufen. Genau das ist das Problem in diesem Land. Meine Damen und Herren, wir haben ein massives Verteilungsproblem in der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Verteilungsproblem wird von dieser Regierung ignoriert und nicht angegangen. An dieser Stelle möchte ich die Zahlen des Statistischen Bundesamtes bemühen: Von 2000 bis 2013 haben wir eine Zunahme der Unternehmens- und Gewinneinkommen von 24 Prozent zu verzeichnen. Die realen Arbeitnehmerentgelte je Beschäftigten sind im selben Zeitraum um 3,1 Prozent gesunken. Ja, Herr Mattfeldt, Sie haben recht: Die Arbeitnehmer haben die Zähne zusammengebissen. Aber das Geld ist woanders gelandet. Andere haben das Gegenteil von Zähnezusammenbeißen gemacht: Diese haben kräftig kassiert und sich gleichzeitig privaten Investitionen verweigert. Meine Damen und Herren, die Renten langjährig Versicherter sind zwischen 2000 und 2012 ebenfalls gesunken, real um 19 Prozent im Westen und um 23,4 Prozent im Osten. Während sich bei einigen das Geld offensichtlich anhäuft, zerfällt die öffentliche Infrastruktur. Eltern streichen inzwischen die Klassenzimmer ihrer Kinder selbst. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich auch schon gemacht!) Jede zweite Betonbrücke in Deutschland ist inzwischen marode. Es bilden sich Bürgerinitiativen mit dem Ziel, öffentliche Schwimmbäder weiter zu betreiben, weil den Kommunen das Geld fehlt. Seit 2003 – und das wissen Sie, Herr Gabriel – reichen die Bruttoinvestitionen nicht mehr aus, um die Abschreibungen auszugleichen – ein Riesenproblem. Die 10 Milliarden Euro, die noch nicht einmal sicher sind und über die im Parlament nicht gesprochen wird, reichen hinten und vorne nicht aus. Mit Ihrer Politik läuft diese Republik auf der Felge. (Beifall bei der LINKEN) Staat und Unternehmen müssten jährlich allein 103 Milliarden Euro mehr ausgeben, um den Verschleiß auszugleichen, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Was macht diese Regierung? Wo sind die Initiativen, um das zu beheben? Wie auf einer Fronleichnamsprozession tragen Sie die schwarze Null vor sich her. (Zuruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]) Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, Sie warten auf eine göttliche Vorsehung in dieser Frage. Das hat ja schon religiöse Züge, was Sie hier machen. Wenn Sie wirklich etwas bei den Investitionen ändern wollen, dann kommen Sie nicht darum herum, auf das Vermögen der Superreichen zuzugreifen. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt will ich Ihnen eine Rechnung aufmachen. Allein der Zuwachs des Vermögens der Superreichen betrug im letzten Jahr 10 Prozent. Das ist ein Vermögenszuwachs von 285 Milliarden Dollar – das wird in Dollar ausgedrückt. 5 Prozent Steuern auf das Vermögen, wie wir es vorschlagen, entsprächen 129 Milliarden Dollar; das wären ungefähr 100 Milliarden Euro. Wenn Sie also die Forderungen der Linken realisieren würden, hätten Sie 100 Milliarden Euro mehr in Ihrem Staatshaushalt. Dann hätten Sie die Möglichkeit, den Investitionsstau innerhalb kurzer Zeit zu beseitigen. Warum machen Sie das eigentlich nicht? Gleichzeitig würde das kein Problem für die Superreichen bedeuten. Sie hätten immer noch über 100 Milliarden Euro mehr auf dem Konto. Glauben Sie, sie würden auf dem Zahnfleisch gehen, wenn sie nur noch 100 Milliarden Euro mehr statt 200 Milliarden Euro mehr hätten? Nein. Deshalb sage ich, meine Damen und Herren: Diese Regierung ist in dieser Frage nicht nur zahm, sondern auch bescheiden und sogar feige. Die Möglichkeiten, Probleme zu lösen, hätte sie nämlich; aber sie nutzt sie nicht. Jetzt wird man mir entgegnen: Es ist vor allen Dingen der Koalitionspartner, der sich weigert, diese Probleme anzugehen. – Dann sage ich der CDU/CSU: Sie sind für den Zustand, den wir in Deutschland bald haben werden, verantwortlich. – Denn wir leben permanent über unsere Verhältnisse, weil wir es den Reichen nicht nehmen, Herr Fuchs. Das ist unser Problem. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Deshalb kriegen Sie den Porsche abgenommen!) Eine letzte Bemerkung, weil ich nicht mehr viel Zeit habe. Ich möchte noch einmal auf die geplanten Handelsabkommen wie das TTIP zu sprechen kommen. Wir waren unterwegs und haben gesehen, was in der Welt los ist. Eins möchte ich Ihnen schon noch sagen: Es gibt neue und es gibt alte Studien. Selbst wenn man alte Studien heranzieht und berücksichtigt, was in der Grundwertekommission der SPD diskutiert wird – – (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Seit wann bist du denn da Mitglied?) – Da war ich eingeladen (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Echt?) – ja –, auf euren Vorschlag. Vielleicht warst du es, der mich eingeladen hat; ich weiß es nicht. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das war ein Irrläufer!) Ich möchte aus einem Diskussionspapier der Grundwertekommission der SPD zitieren. Dort ist zu lesen: Das durchschnittliche Wachstum pro Jahr, das man mit den Handelsabkommen erreichen würde, würde für die Europäische Union jährlich 0,04 Prozent und für die USA 0,03 Prozent bedeuten. In dem Text heißt es weiter: „weniger als jeder Witterungseffekt“. Meine Damen und Herren, wenn man an die Wachstumswirkungen der Handelsabkommen glaubt, dann kann man auch den Regenmachern glauben. Deshalb sollten wir diese Abkommen ablehnen. Ich danke fürs Zuhören. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort dem Kollegen Michael Fuchs für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Worte von Herrn Ernst hören wir eigentlich jedes Jahr fünf-, sechs-, siebenmal. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Leider! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Und sie werden nicht besser! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das könnte er sofort einstellen, wenn Sie es machen würden!) Lieber Herr Ernst, Sie sollten irgendwann mal irgendwas anderes sagen. Wir haben das alles schon gehört. Ihre gesamte Auffassung über die Vermögensteuer sollten Sie zunächst einmal mit dem Bundesverfassungsgericht abklären. Ich verweise auf den berühmten Halbteilungsgrundsatz. Nehmen Sie ihn doch zur Kenntnis. Es hat doch keinen Sinn, das immer wieder zu wiederholen. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Machen Sie doch eine andere Politik!) Sie wissen, dass das nicht funktioniert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir sagen es so lange, bis Sie es ändern!) Meine Damen und Herren, die deutsche Wirtschaft ist in einer ausgesprochen positiven Situation, so positiv, wie sie viele Jahre nicht gewesen ist. Trotz der schwierigen Situation im Umfeld, trotz des schwierigen Auslandsgeschäftes für die deutschen Unternehmen, trotz der Situation, die wir in der Ukraine, in Syrien, im Irak und in vielen Ländern Europas haben, wächst unsere Wirtschaft weiter, und zwar im nächsten Jahr um 1,2 Prozent. Ich will diese Zahl verdeutlichen. Was bedeutet 1,2 Prozent Wachstum? Das sind 34 Milliarden Euro zusätzliches Wachstum. Bei Griechenland wären es 10 Prozent Wachstum, bei Portugal wären es 15 Prozent Wachstum, ja, selbst bei Österreich wären es mehr als 10 Prozent Wachstum, wenn die Wirtschaft in diesen Ländern in der gleichen Größenordnung wachsen würde. Dass eine reife Volkswirtschaft wie die deutsche in einer Krisensituation so wächst, ist ausgesprochen positiv. Dies zeigt, wie robust unsere Wirtschaft ist, wie robust die Binnenkonjunktur ist und dass wir wettbewerbsfähige Unternehmen haben. Davon profitieren wir alle: Davon profitieren die Menschen; davon profitieren die Unternehmen. Davon profitiert allerdings auch der Staat, und deswegen sind wir überhaupt in der Lage, bei niedrigster Inflation einen solch ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, wie es heute der Fall ist. Nach 46 Jahren haben wir es endlich mal wieder geschafft, einen Haushalt auszugleichen. Ich bin dem Bundesfinanzminister, aber auch allen Haushältern dankbar, die das ermöglicht haben. Das ist eine tolle Leistung. Wenn das Gleiche in anderen europäischen Ländern gemacht würde, würde es uns allen wesentlich besser gehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Das ist ein Zeichen, dass das, was wir machen, funktioniert. Wir sollten darum kämpfen, dass das in ganz -Europa so gehandhabt wird. Meine Damen und Herren, die Lage ist positiv. Die Arbeitsmarktsituation ist so positiv wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Aber das ist kein Automatismus. Wir können uns darauf nicht ausruhen. Wir dürfen nicht glauben, dass uns das geschenkt wird. Die Situation hat sich wirklich verändert. Während Ende der 1990er-Jahre, Anfang dieses Jahrtausends die Wirtschaft in aller Regel darüber geklagt hat, dass die Löhne zu hoch sind und dass Deutschland deswegen nicht wettbewerbsfähig ist, so muss man jetzt feststellen, dass sich die Diskussion komplett auf andere Bereiche verlagert hat. Da geht es um die Energiepolitik; da geht es aber auch um eine gut ausgebaute Infrastruktur. Deswegen ist es vollkommen richtig, dass die Bundesregierung gesagt hat: Gerade der Breitbandausbau für das Internet in ganz Deutschland, im Land, auf der Fläche, ist dringend notwendig und muss vorangetrieben werden. – Dass dafür Gelder in die Hand genommen werden müssen, weiß jeder von uns; das ist klar. Aber das geht auch in andere Bereiche hinein: Luftverkehr, Bahnverkehr etc. All das muss besser ausgebaut werden; denn ein Land wie Deutschland braucht eine vernünftige Infrastruktur. Daran sollten wir weiter arbeiten. Wir haben ein weiteres großes Problem – da liegt eine zentrale Aufgabe für dieses Parlament –, und das ist die demografische Entwicklung. Ich nenne nur zwei, drei Zahlen. Im Jahr 2009 wurden in Deutschland 600 000 Ausbildungsverträge im Handwerk unterschrieben. Wir werden im Jahr 2015 überhaupt nur noch 500 000 Schulabgänger haben. Das heißt, da wird es eine gewaltige Lücke geben. In meinem Wahlkreis haben wir immerhin noch 365 offene Ausbildungsstellen im Handwerk. Dieser Rückgang wird zu einem Facharbeitermangel und zu einem Wettlauf um Facharbeiter führen. Das sind Dinge, die wir in der nächsten Zeit, Herr Minister, etwas intensiver adressieren müssen. Wir müssen uns gemeinsam überlegen, wie wir der Wirtschaft hierbei helfen können; denn wir konkurrieren mit anderen Standorten überall in der Welt. Wenn in Deutschland keine qualifizierten Arbeitnehmer mehr zu bekommen sind, dann kann es uns sehr schnell passieren, dass die Firmen dahin abwandern, wo die Arbeitnehmer sind. Deswegen bin ich auch froh, dass wir uns sehr intensiv mit dem Außenhandel beschäftigen. Die Bundeskanzlerin hat gestern vollkommen zu Recht sehr nachdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass TTIP vorangebracht werden muss. Wenn ich immer die Unkenrufe von allen möglichen Leuten höre, wie schlimm und fürchterlich das Ganze sein würde, kann ich nur sagen: Ich habe in der letzten Woche auf der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft feststellen können, wie notwendig die Freihandelsabkommen sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Jeder hat uns klargemacht, dass das dringend ist. Wenn man nur einmal die letzten fünf Jahre betrachtet – ich bin ja so ein alter Außenhändler (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eher Außenseiter!) und habe mich zeit meines Lebens mit Außenhandel beschäftigt, meine Damen und Herren –, dann hat man in den 31 größten Nationen, mit denen wir Handel betreiben, 860 neue Handelshemmnisse festzustellen. Beim Aufbau von Handelshemmnissen liegt Russland an erster Stelle. An zweiter Stelle liegt China. An dritter Stelle liegt Indien. Indien hat beispielsweise kurzerhand den Pkw-Importzoll von 75 Prozent auf 100 Prozent angehoben. All das ist in den letzten fünf Jahren passiert. An vielen Stellen sind Handelshemmnisse neu aufgebaut worden. Das schadet der deutschen Wirtschaft natürlich ganz erheblich. Deswegen ist es notwendig, dass wir so schnell wie möglich daran weiterarbeiten. Die Doha-Runde ist schon lange zum Stillstand gekommen. Seit über zehn Jahren hat sich nichts bewegt. Ich hoffe, dass der neue Präsident jetzt endlich mehr Schwung hineinbringt. Die Zeichen, die dadurch gesetzt wurden, dass Froman jetzt mit Indien verhandelt hat, sind positiv, und es könnte sein, dass sich da etwas bewegt. Aber noch viel mehr würde sich bewegen, wenn es uns gelingen würde, TTIP so schnell wie möglich abzuschließen. Was ist eigentlich der zentrale Grund dafür, dass TTIP für uns so wichtig ist? Meine Damen und Herren, mit diesem Abkommen werden Normen und Standards für den transatlantischen Raum gesetzt. Unsere Normen werden mit denen der Amerikaner abgeglichen und gleichgesetzt. Die Amerikaner – das hat man uns in Vietnam sehr nachdrücklich beigebracht, Herr Minister – verhandeln auch sehr intensiv über TPP. Das ist das Trans-Pacific Partnership Agreement. Wenn das zuerst fertig ist, dann werden Normen zwischen den Pazifikstaaten und den Amerikanern gesetzt, und dann können wir uns darauf verlassen, dass sie diese natürlich in die Verhandlungen mit uns über TTIP einbringen müssen, weil sie keine zwei verschiedenen Normensysteme – eines für den pazifischen und eines für den atlantischen Raum – haben können. Wenn das passiert, dass zuerst die transpazifischen Normen festgelegt werden, dann bedeutet das für uns, dass wir denen sozusagen nachlaufen müssen. Mir ist es andersherum lieber, nämlich dass die uns nachlaufen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Deswegen finde ich es sehr positiv, dass Frau -Malmström uns mitgeteilt hat, dass die Verhandlungen – in großer Transparenz; dafür bin ich unbedingt – so schnell wie möglich fortgesetzt werden sollen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich habe auch noch die Hoffnung, dass das schneller gehen könnte, und zwar deswegen schneller gehen könnte, weil in den USA jetzt in beiden Häusern die Republikaner das Sagen haben, die traditionell deutlich freihandelsfreudiger sind, als es die Demokraten nun einmal sind. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird hier sogar amerikanische Innenpolitik gemacht! Meine Herren!) Insofern sollten wir alles daransetzen – das ist eine der wichtigsten Aufgaben, Herr Minister, der nächsten Zeit –, dieses Abkommen weiter nach vorne zu bringen. Gerade der Mittelstand ist auf Freihandel angewiesen. Seine Unternehmen haben keine großen Rechtsabteilungen, die sich mit nichts anderem beschäftigen, als zu schauen, in welchem Land welche Regeln gelten; das kann sich der normale Mittelständler nicht leisten. Wenn wir es aber schaffen können, die Situation so darzustellen, dass er es kann, dann sollten wir das tun. Meine Damen und Herren, ein weiterer Bereich, in dem es dringend notwendig ist, etwas zu tun, ist der Investitionsbereich. Ich bin froh, dass der Bundesfinanzminister weitere 10 Milliarden Euro zur Verfügung stellt, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn nicht dieses Jahr?) die wir in den nächsten drei Jahren investieren werden. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendwann mal! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendwas mal!) Ich bin froh, dass im nächsten Haushalt festgelegt wird, wohin das Geld fließt. Das ist notwendig. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn jetzt nicht? – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Eingeständnis eines Fehlers! Mehr ist es nicht!) Je mehr Investitionen wir haben, desto größer ist die Chance, dass Deutschland den Wachstumspfad weiter verfolgen kann. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass Investitionen nicht nur im öffentlichen Sektor, sondern auch im privaten Sektor, im Unternehmenssektor, erfolgen. Dafür müssen die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass an den Standort Deutschland geglaubt wird und dass möglichst viel in Deutschland investiert wird. In Deutschland haben wir in den letzten Jahren die höchsten Forschungsetats überhaupt; aber wir geben erst 2,94 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung aus. Ich nenne mal die Zahlen anderer Länder: Südkorea investiert 4 Prozent und das wachstumsschwache Japan 3,4 Prozent. Wir sind da also noch nicht an der Spitze. Das kann noch deutlich mehr werden. Wir sollten daran arbeiten. Wir brauchen in Deutschland gute Bedingungen für Existenzgründer, für Risiko- und auch für Beteiligungskapital. Wir haben zurzeit 4,43 Millionen Selbstständige. Die Zahl klingt besonders gut; aber es ist nicht so, als wäre Deutschland das Gründerland der Europäischen Union oder gar der Welt – nein! Wenn man sich einmal überlegt, welche großen Unternehmen mit Weltgeltung in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden und welche danach, dann stellt man fest, dass es in Deutschland eigentlich nur ein einziges nach dem Zweiten Weltkrieg gegründetes Unternehmen gibt, das Weltgeltung erlangt hat, nämlich SAP. Wir sollten einmal darüber nachdenken, warum das bei uns so ist. In den USA sieht es anders aus. Ich nenne einfach nur Microsoft, Apple, Cisco Systems, Intel, Dell, Facebook, Google; all das sind Unternehmen mit Weltgeltung, die nach dem Zweiten Weltkrieg, zum Teil in den letzten 20 Jahren, entstanden sind. Ich meine, es muss schon einen Gedanken wert sein, warum das bei uns so schleppend vorangeht. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie denn dafür? Nicht nur nachdenken, sondern was tun! Sie regieren!) Das Risiko- und Beteiligungskapital spielt da bestimmt eine Rolle. Ich zitiere jemanden: Wenn im Silicon Valley … 15 Milliarden Euro Venture Capital … zur Verfügung gestellt werden, dann ist das, was wir in Deutschland zu bieten haben, eher auf der Ebene homöopathischer Dosen. Das Zitat stammt von Herrn Gabriel; da sitzt er. Wir sollten dafür sorgen, dass sich der Einsatz von Venture Capital in Deutschland lohnen kann. Da kann es nicht sein, dass Steuerbegünstigungen für Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzanteilen – die Begünstigungen sind im Prinzip dafür da, um eine Doppelbesteue-rung zu vermeiden – aktuell wieder zur Diskussion gestellt werden; (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, von Schwarz-Grün in Hessen!) denn dann wird da nicht investiert. Wir brauchen aber gerade diese Investitionen in kleine, in junge Unternehmen; das ist notwendig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Lieber Kollege Mattfeldt, ich habe noch drei Minuten Redezeit, und deswegen werde ich noch ein bisschen zur Energiepolitik sagen. Wir brauchen eine konsistente Energiepolitik – – Präsident Dr. Norbert Lammert: Einen Moment mal! Können wir einen Zeitabgleich machen? Wo sollen die drei Minuten herkommen? (Heiterkeit – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er wollte uns noch erklären, dass er für Fracking ist!) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Wir brauchen eine konsistente Energiepolitik, die dazu führt, dass wir sicher, zuverlässig und zu jeder Zeit preiswert Energie zur Verfügung stellen können, die selbstverständlich ökologisch sein sollte. – Prima, ich kriege noch Redezeit. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nein, nein. Nach Ablauf der Redezeit gibt es auch keine Zwischenfragen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Schade!) Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Dann kann ich nur sagen: Wir werden an dieser Energiepolitik intensiv arbeiten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Na also! Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Ich gehe davon aus, dass wir das gemeinsam schaffen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nun hat der Kollege Schlecht um eine Kurzintervention gebeten. Michael Schlecht (DIE LINKE): Herr Dr. Fuchs, Sie haben am Anfang Ihrer Rede ausgeführt, dass eine Vermögensteuer in Deutschland verfassungswidrig sei. Ich will Sie darauf hinweisen, dass das eine alte Mär ist bzw. eine Schutzbehauptung von Leuten, die befürchten, dass sie zur Steuerzahlung herangezogen werden. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes besagt, dass zum Beispiel der sogenannte Halbteilungsgrundsatz, mit dem jahrelang argumentiert worden ist, nicht gilt und dass er im Grunde genommen nie als Leitlinie für staatliches Handeln zu interpretieren war. Es gibt also klare Vorgaben vonseiten des Bundesverfassungsgerichts, dass eine Vermögensbesteuerung alleine in den Händen der Politik liegt. Bevor ich hier im Bundestag mein Mandat erworben habe, war ich Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung von Verdi (Zuruf von der CDU/CSU: Oje! Oje!) und habe renommierte Staatsrechtler beauftragt, Gutachten zu diesem Thema anzufertigen. Aus diesen Gutachten ging immer eindeutig hervor, dass die Politik die Vermögensbesteuerung völlig frei gestalten kann. Vielleicht können Sie das in Zukunft einmal zur Kenntnis nehmen und in Ihrer Argumentation berücksichtigen; auch wenn Einzelne, möglicherweise auch Sie, eine Vermögensbesteuerung befürchten. Danke schön. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zur Erwiderung Herr Kollege Fuchs. Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU): Erstens. Wir alle hier im Haus wissen – vielleicht die Linke nicht; davon gehe ich aus –, dass eine Vermögensbesteuerung von Unternehmensbesitz, automatisch, weil es sich um eine Substanzbesteuerung handelt, dazu führt, dass die Unternehmen weniger investieren. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Machen sie doch jetzt schon!) Das wollen Sie nicht zur Kenntnis nehmen, das sollten Sie aber zur Kenntnis nehmen. Zweitens. Das Bundesverfassungsgericht hat den Halbteilungsgrundsatz aufgestellt. Den müssen Sie zur Kenntnis nehmen, ob Sie das wollen oder nicht. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!) Es hat gesagt: Wenn jemand 50 Prozent Steuern zahlt, dann ist das genug. (Michael Schlecht [DIE LINKE]: Er ist vor fünf Jahren kassiert worden!) Auch ich bin der Meinung, dass damit genügend Steuer erhoben ist. Ob Sie wollen oder nicht: Das müssen Sie leider zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der CDU/CSU – Michael Schlecht [DIE LINKE]: Nein! Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass das nicht stimmt, was Sie sagen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun die Kollegin Katharina Dröge für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Gabriel! Herr Kollege Heil, ich bin noch neu im Bundestag. Deswegen habe ich vielleicht noch die eine oder andere Illusion. So habe ich mich tatsächlich gefragt, warum wir Grünen eigentlich immer die Einzigen sind, die Frauen in wirtschaftspolitische Debatten schicken, auch in diese Debatte. (Volker Kauder [CDU/CSU], an die SPD gewandt: So viel zur Frauenquote bei der SPD!) Durch Ihren Kommentar heute über Frau Göring-Eckardt habe ich allerdings einiges gelernt. Ich habe verstanden, was für ein Problem Sie und auch Ihre Partei mit dem Thema „Frauen und Wirtschaftspolitik“ leider immer noch haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich habe verstanden, warum Sie im Koalitionsausschuss so ein Problem mit der Frauenquote in der Wirtschaft hatten. Ich kann Ihnen nur raten: Tauschen Sie sich mit Frau Göring-Eckardt über Wirtschaftspolitik aus. Angesichts Ihrer Rede habe ich den Eindruck: Da können Sie noch das eine oder andere lernen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt zu Ihnen, Herr Minister Gabriel. Auch von Ihnen bin ich ein kleines bisschen enttäuscht – nicht, dass Sie etwas für die Ansicht von Herrn Heil in Bezug auf die Frauenquote könnten –: Sie haben leider Ihren Platz auf der Redeliste mit Herrn Heil getauscht. Ich hatte eigentlich gehofft, Sie würden vor mir reden; denn es macht mehr Spaß, Ihnen zu antworten als Herrn Heil. (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Sie haben mit Herrn Krischer getauscht! Das ist die Wahrheit!) Sie hätten vielleicht auch die eine oder andere Frage von Frau Hajduk beantworten können. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Kommen Sie irgendwann auch mal zur Sache?) – Die Sache spreche ich gerade an. Herr Gabriel, Frau Hajduk hat Ihnen die eine oder andere Frage zum Freihandelsabkommen TTIP gestellt und zu Ihrer Position in Bezug auf die Schiedsgerichte. Bei der letzten Debatte, die wir hier zu TTIP und CETA geführt haben, haben Sie dem Parlament einiges versprochen. Sie lassen die Welt nun aber etwas im Unklaren darüber, welche Position Sie vertreten. Wenn Sie vor mir gesprochen hätten, wäre ich jetzt schlauer. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, das ist -immer gut!) – Sie wissen es auch nicht, oder? – Ich hätte gerne gewusst, ob Herr Gabriel es geschafft hat, die Schiedsgerichte aus CETA herauszustreichen. Das wäre auch für Ihre Partei interessant; denn Sie haben ja einen entsprechenden Parteitagsbeschluss gefasst, in dem drinsteht: Rote Linien bei Schiedsgerichten im CETA. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Jetzt hat es Herr Gabriel anscheinend nicht geschafft, die Schiedsgerichte aus CETA herauszuverhandeln. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Die Schiedsgerichte sind notwendig! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Investorenschutz im Grundgesetz ist größer als bei CETA!) Die relevante Frage für Sie von der SPD ist doch jetzt: Wie gehen Sie mit Ihrem Parteitagsbeschluss um? Was machen Sie denn jetzt, wenn es doch Schiedsgerichte im CETA gibt? Es interessiert mich, was Herr Gabriel dazu sagen wird. Sie haben ja gleich in Ihrer Rede 20 Minuten Zeit, um darauf zu antworten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Bald ist die Redezeit zu Ende!) Jetzt aber zu Ihrem Haushalt; das ist ja das eigentliche Thema der Debatte. Herr Gabriel, ich muss Ihnen sagen: Bei Ihrem Haushalt habe ich ein Déjà-vu. Ich habe Ihnen schon öfter in Debatten gesagt, dass Sie mit Ihren Analysen durchaus richtig liegen. Das sehe ich auch hier bei der Wirtschaftspolitik. Ich will durchaus anerkennen, dass Sie sich darüber bewusst sind, dass mangelnde Investitionen in Deutschland ein Problem sind und dass die europäische Wirtschaftspolitik gerade in einer Krise steckt. Nur, mit dem Handeln klappt das irgendwie nicht bei Ihnen. Sie schließen Bündnisse, Sie schreiben Konzepte, Sie gründen Kommissionen – das ist zwar alles super, aber gute Analysen ersetzen eben noch keine gute Politik. Ich muss sagen: Von guter Politik ist in Ihrem Haushalt einfach nichts zu erkennen, trotz entsprechender Analysen und Rhetorik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Jurk [SPD]: Was? Das kann nicht sein! Kennen Sie den Haushalt?) Nun frage ich mich – das ist vielleicht für Sie nicht schön zu hören –: Wie fühlt man sich als Wirtschaftsminister, wenn man zwar in der Analyse immer richtig lag, dann aber ausgerechnet der Finanzminister von der CDU/CSU, der immer gesagt hat, für Investitionen sei kein Geld vorhanden, auf einmal damit um die Ecke kommt und im Haushalt 10 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stellt? Wenn Sie das, was Sie analysiert haben, ernst nehmen, dann können Sie mit diesen 10 Milliarden Euro, die Herr Schäuble im Haushalt vorsieht, auf keinen Fall zufrieden sein. Denn diese 10 Milliarden Euro gibt es erst ab dem Jahr 2016 – das heißt, sie wirken im nächsten Jahr noch nicht –, und sie werden außerdem auf drei Jahre verteilt. Das ist kein ernsthaftes Konzept für die Lage, in der wir uns aktuell befinden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte das nur noch einmal verdeutlichen. Wir sprechen in Europa mittlerweile von einer ganzen verlorenen Generation, von jungen Erwachsenen, die seit fast einem Jahrzehnt damit kämpfen, dass es in ihren Ländern keine Jobs für sie gibt, unabhängig davon, welche Ausbildung sie gemacht haben und wie gut sie qualifiziert sind. Sie finden einfach nichts. Das sind Menschen, die so alt sind wie ich und immer noch bei ihren Eltern wohnen müssen. Ich hoffe, meine Eltern hören das jetzt nicht oder verstehen es zumindest nicht falsch. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Aber es ist doch nicht schön, wenn man in diesem Alter noch bei seinen Eltern wohnen muss. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Diese Situation darf es eigentlich nicht geben. Junge Leute haben doch irgendwann auch ein Recht auf eine eigene Wohnung und eine eigene Familie. Es klingt jetzt vielleicht witzig, aber wir tragen dafür Verantwortung. Auch hier in Deutschland tragen wir Verantwortung dafür, wie die Wirtschaftspolitik in Europa aussieht. Wir müssen etwas gegen ungesund hohe Leistungsbilanzüberschüsse und zu geringe Investitionen unternehmen, und die neuen Mittel für Investitionen – also die 10 Milliarden Euro verteilt auf drei Jahre – können wirklich nicht die Antwort auf die Krise sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vielleicht noch ein anderer Vergleich: 10 Milliarden Euro, das ist etwa das Doppelte dessen, worauf uns das Unternehmen Vattenfall gerade für den Atomausstieg verklagt. Die Risiken, die wir mit dem Atomausstieg vor internationalen Schiedsgerichten eingehen, betragen nämlich 4,7 Milliarden Euro. (Max Straubinger [CDU/CSU]: EnBW klagt auch, liebe Kollegin! Das ist ja der Widerspruch!) Das heißt, die Hälfte dessen, was wir möglicherweise für Infrastruktur und Bildung ausgeben – wir wissen ja noch nicht genau, wofür die Bundesregierung dieses Geld ausgeben will –, haben wir jetzt als Risiken, weil es diese internationalen Schiedsgerichte gibt. Aber genau diese Schiedsgerichte wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, ja unbedingt in TTIP und CETA aufnehmen. Die Vereinbarung zu den Schiedsgerichten bekommt Herr Gabriel anscheinend nicht aus den Verträgen heraus. Deshalb stellt sich schon die Frage, auch an Herrn Schäuble als Finanzminister: Welche Risiken gehen Sie da eigentlich ein, und das angesichts der Tatsache, dass wir hier um jede Milliarde Euro streiten und dass Sie kein Geld für den Breitbandausbau und für die Infrastruktur haben? Stattdessen sagen Sie so locker: Wir nehmen diese Schiedsgerichte jetzt in verschiedenste Handelsverträge auf. – So riskieren Sie dann, dass uns internationale Konzerne auf Milliardenzahlungen verklagen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn Ihr Haushalt so üppig gestrickt ist, Herr Schäuble, dann können Sie tatsächlich noch etwas mehr Geld in die Hand nehmen, und zwar für notwendige Investitionen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Kollegin Dröge, manchmal finden es auch Eltern nötig, dass die Kinder endlich ausziehen. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dass die Kinder noch bei den Eltern wohnen, ist nicht nur bedauerlich für die Kinder, sondern manchmal auch für die Eltern. Ich wollte Ihnen, Frau Kollegin Dröge, aber noch einmal sagen, warum ich mich auf der Rednerliste habe nach hinten setzen lassen. Ich wollte Ihrem Kollegen Krischer, der ja immer spannende Reden hält, einmal die Möglichkeit geben, dass ich auf ihn antworten kann; denn dies ist die Stunde des Parlaments. Nun haben Sie aber mit Herrn Krischer getauscht (Thomas Oppermann [SPD]: Er ist -ausgewichen!) und konnten daher nicht nach mir sprechen. Die Haushaltsdebatte ist die Stunde des Parlaments, und da ist es angemessen, dass Ministerinnen und Minister dem Parlament auf ihre Debatte antworten und nicht vorweggehen. Das ist die Idee einer Haushaltsdebatte. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Legen Sie los!) Ich bin ja auch schon einige Jahre Parlamentarier, und es ist, wie ich finde, doch ganz spannend, wenn Sie als Abgeordnete etwas sagen und ein Minister wie ich muss hinterher antworten. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf Frauen antworten Sie wohl nicht, oder was?) Aber wenn man es, wie Ihr Kollege Krischer, lieber hat, sicher zu sein, dass ihm keiner mehr antworten kann, dann ist das kein Zeichen eines ausgesprochen großen Selbstbewusstseins, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen, Frau Kollegin Hajduk und Frau Kollegin Dröge. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre ja schön, wenn Sie antworten würden!) – Ich dachte, ich soll Ihre Fragen beantworten. Ich mache das gerne. Frau Kollegin Dröge, die Antwort auf Ihre Frage, was CETA angeht, habe ich Ihnen doch schon im Ausschuss gegeben. Da haben Sie und die Kollegin Hajduk mich doch schon einmal gefragt: Wie sieht es aus? Kriegen Sie die Investitionsschutzklauseln aus dem Abkommen raus? – Ich habe damals im Parlament wie auch noch einmal im Haushaltsauschuss gesagt, dass ich davon ausgehe, dass das mehr als schwierig ist und vermutlich nicht klappen wird. Denn das Abkommen ist ausverhandelt. Wir bemühen uns jetzt, die Investitionsschutzklauseln, die in CETA, dem europäisch-kanadischen Abkommen, enthalten sind, noch zu verbessern. Ich habe Ihnen übrigens nicht nur gesagt, sondern auch geschrieben, was der Gutachter dazu sagt; diesen können Sie übrigens einladen. Er sagt, dass der Investitionsschutz im europäisch-kanadischen Abkommen so schwach sei, dass er jedem kanadischen Unternehmen empfehlen würde, vor der deutschen Gerichtsbarkeit zu klagen, weil die Aussicht, dort Entschädigungen zugesprochen zu bekommen – vorausgesetzt, es gab einen entsprechenden entschädigungswürdigen Eingriff beispielsweise durch ein Gesetz –, wesentlich höher sei als vor einem Schiedsgericht. Der Grund dafür ist, dass Kanada mit Schiedsgerichtsverfahren mit den Vereinigten Staaten schlechte Erfahrungen gemacht hat und deshalb ein Interesse Kanadas bestand, diese Verfahren deutlich einzuschränken. Das alles wissen Sie. Das alles steht im Gutachten. Es ist überhaupt kein Problem für mich, zu wiederholen, dass wir im Hinblick auf CETA am Ende vor der Frage stehen, ob unser Unwohlsein und die Kritik an dem „Schweizer Käse“ des Investitionsschutzes – der Gutachter hat es so bezeichnet; so schwach findet er es – dafür ausreichen, dass Deutschland als alleiniges Land in Europa den gesamten Prozess anhalten kann. Sie werden sich als grüne Fraktion fragen müssen, wie Sie als europäisch-orientierte Partei, die Sie ja sind, mit Ihrer Position umgehen, wenn der Rest Europas dieses Abkommen will. Ich sage Ihnen: Deutschland wird dem dann auch zustimmen. Das geht gar nicht anders. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, darf die Kollegin Hajduk dazu eine Zwischenfrage stellen? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Selbstverständlich. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, ich möchte da einmal nachfragen. Es ist richtig, dass wir darüber bereits mehrfach gesprochen haben. Ich finde aber, dass es das Kapitel Investitionsschutz aufgrund seiner Bedeutung wert ist, diskutiert zu werden. Das hier ist also keine Schauveranstaltung, sondern eine sehr ernste Debatte. Sie wissen auch, welchen Resonanzboden das in der Bevölkerung hat. Im Übrigen ist das, was wir machen, nicht parteigebunden, sondern es herrscht eine allgemeine Verunsicherung. Sie haben damals im Ausschuss geantwortet, dass es ganz schwer sei, Mitstreiter zu finden. Sie haben auch gesagt, dass sich das besonders auf CETA bezieht. Ich habe das so verstanden, dass es bei TTIP noch viel offener wird. Deswegen habe ich dahin gehend noch Nachfragen. Sie haben im Ausschuss und öffentlich zu verstehen gegeben, dass Sie davon überzeugt sind, dass solche Regelungen gar nicht nötig sind. Da die Meinung der deutschen Regierung mit Blick auf die Bewertung eines solchen Abkommens aber nicht unwesentlich ist, möchte ich Sie fragen: Warum und aufgrund welcher Erkenntnis sind Sie so sicher, dass Entschädigungsansprüche, die sich aus mediativen Schiedsgerichtsverfahren ergeben, definitiv keinen indirekten Druck auf Gebietskörperschaften ausüben können? Es geht bei dieser Thematik nicht immer nur um die Bundesrepublik. Es kann auch um eine Kommune gehen. In dem Fall würden sich internationale Großunternehmen und die Rechtsabteilung einer Kommune vor internationalen Schiedsgerichten gegenüberstehen. Warum sind Sie so sicher, dass das, was Sie als Maßstab gesetzt haben – kein Druck auf souveräne Entscheidungen – nicht doch entsteht und dass sich die Schiedsgerichte schwächer auswirken als der ordentliche Rechtsweg in Deutschland? Da reicht mir kein gutachterliches Zitat. Da muss doch eine Prüfung in Ihrem Haus stattgefunden haben. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Antwort Nummer eins ist, dass wir in der Tat der festen Überzeugung sind, dass der Gutachter recht hat. Wir reden jetzt über das Abkommen zwischen Kanada und Europa und nicht über ein noch nicht existierendes Abkommen mit den USA. Der dort vorgesehene Investi-tionsschutz ist außerordentlich schwach. Der Gutachter hat daher mit seiner Beurteilung recht. Die Antwort Nummer zwei auf die Frage, wie die Kommunen von CETA und dem Abkommen mit den USA betroffen sind: Die öffentliche Daseinsvorsorge – darauf beziehen sich ja die Sorgen der Kommunen – ist von diesem Freihandelsabkommen ausgenommen. Das heißt, der Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, bei dem ja viele Sorgen haben, der Druck zur Privatisierung und zu einer weiteren Liberalisierung werde steigen, ist weder Bestandteil von CETA noch Bestandteil des Abkommens mit den USA. Es ist vorgesehen, die öffentliche Daseinsvorsorge von den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten auszunehmen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie ganz sicher, Herr Gabriel?) – Ich bin sicher, dass unser Begriff von öffentlicher Daseinsvorsorge von diesem Abkommen ausgenommen bleibt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das für eine Antwort?) – Der deutsche Begriff, Herr Krischer, „öffentliche Daseinsvorsorge“ ist in Deutschland nichts Umstrittenes. Dazu gehören Krankenhäuser, dazu gehört die Abwasserbeseitigung. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Abwasser ist in CETA drin!) Eine Kommune darf übrigens privatisieren; aber sie wird durch ein Freihandelsabkommen nicht dazu gezwungen, es zu tun. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr richtig!) In der Öffentlichkeit wird so getan – Frau Hajduk, ich meine nicht Sie persönlich, sondern andere –, als würde ein Freihandelsabkommen in Deutschland oder in Europa bestehende Gesetze verändern. Das ist bei keinem Freihandelsabkommen der Welt der Fall. Deutschland hat 130 Investitionsschutzabkommen geschlossen – übrigens nicht unbedingt immer mit dem besten Investitionsschutz. In all diesen Ländern gibt es amerikanische Konzerne. Kein einziger dieser amerikanischen Konzerne hat versucht, über ein Schiedsgericht sozusagen deutsche Gesetze zu verändern. Es gibt gar keine Erfahrung, die den Eindruck rechtfertigt, das könnte passieren. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie mal, was ein schwedischer Konzern macht!) – Mit Fragen ist es so: Wenn man eine Frage gestellt bekommt, muss man antworten, Herr Krischer. Deswegen möchten Sie ja lieber nach mir reden und nicht vor mir. Frau Hajduk, bereits die alte Bundesregierung hat in Bezug auf die Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten gesagt, dass sie ein Investitionsschutzabkommen zwischen zwei entwickelten Rechtssystemen wie den Vereinigten Staaten und Europa eigentlich nicht für notwendig hält. Die Antwort der Amerikaner ist relativ einfach – die der Europäer auch –: Es geht nicht um Deutschland, sondern um Länder wie Rumänien und Bulgarien, mit denen es amerikanische Investoren in Europa ebenfalls zu tun haben und bei denen auch Deutschland Schwierigkeiten hat, den Investitionsschutz für seine Unternehmen sicherzustellen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!) Es gibt ja durchaus Streitverfahren in erheblichem Umfang über deutsche Investitionen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, von denen wir nicht den Eindruck haben, dass sie mit dem Wettbewerbsrecht in der EU oder mit den Regeln der WTO in Einklang zu bringen seien. Deswegen, finde ich, müssen wir als Deutsche aufpassen, dass wir bei diesem Thema keine nationale Bauchnabelschau betreiben. Ich bin deshalb dafür, dass wir das alles öffentlich und in Ruhe debattieren. Ich habe überhaupt keine Zweifel daran, dass wir beim kanadisch-europäischen Abkommen noch Verbesserungen erreichen werden. Aber der Rest Europas hält die deutsche Debatte über das kanadisch-europäische Abkommen für – wie soll ich das einmal freundlich ausdrücken? – bemerkenswert. Wir werden doch am Ende vor der Frage stehen, ob die Sorgen, die wir haben und die von keiner Regierung, die am Ende in den europäischen Räten abstimmen muss, geteilt werden, berechtigt sind. Dabei ist es egal, ob Sozialdemokraten, ob Konservative oder ob Grüne wie in Schweden in der Regierung sind; die schwedische Regierung ist absolut dafür, das zu machen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Niederlande haben einen Beschluss gefasst!) – Nein, Frau Kollegin, ich habe mit der niederländischen Kollegin gesprochen. Sie ist der Überzeugung, dass man CETA verabschieden muss. Die Niederländer sind, weil sie uns Deutschen entgegenkommen wollen, so freundlich, zu sagen: Wir schauen einmal, ob wir noch etwas verändern können. – Aber den Glauben, wir hätten es im Kreuz, gegen den Rest Europas den Investitionsschutz komplett wieder aus den Verhandlungen herauszunehmen, den habe ich nicht. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) – Das habe ich Ihnen schon beim letzten Mal im Parlament und auch im Ausschuss gesagt. Im Gegensatz zu Ihnen finde ich, dass man darüber eine ganz rationale und gelassene Debatte führen kann, weil das Abkommen ein gutes Abkommen ist und wir noch einige Verbesserungen erreichen werden. Sie als Grüne würden, wären Sie in der Regierung, nicht auf die Idee kommen – da bin ich ganz sicher –, Europa wegen dieses Abkommens anzuhalten. Ich glaube nicht, dass Ihre Außen- und Europapolitiker das machen würden. Auch wir werden es nicht machen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt also, Sie stimmen zu!) – Nein, wir verhandeln weiter über CETA. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Herr Krischer, ich habe gar kein Problem damit, ausschließlich darüber zu reden. Wir reden mit unseren Kollegen über weitere Verbesserungen beim Investitionsschutz, auch beim europäisch-kanadischen Abkommen. Ihre Frage und die Frage Ihrer Kollegin war aber, ob wir den komplett herausbekommen. Meine Antwort ist: Nein. Das habe ich Ihnen im Ausschuss gesagt, das habe ich hier im Parlament gesagt, und das werde ich auch meiner Partei sagen, die in Teilen eine andere Auffassung hat. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut! Dann ist das ja mal klargestellt! Dann ist ja gut!) – Dazu brauchte man keine Klarstellung, weil ich Ihnen das schon im Ausschuss gesagt habe. Dass Sie offensichtlich selbst keinen Weg wissen, wie man es herausbekommen könnte, zeigt sich daran, dass Sie ständig der Aussage ausweichen, wie Sie sich gegenüber Ihren Partnern in Europa aufstellen wollen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, Sie hatten freundlicherweise angeboten, dass Sie anstelle der vorbereiteten Rede dieses ja offenkundig wichtige Thema intensiv behandeln wollen. Der Kollege Ernst würde gerne eine Frage stellen und die Kollegin Dröge auch. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist echt wichtig!) Dann unternehmen wir jetzt einmal den Versuch, die Regierungsbefragung in die Parlamentsdebatte zu integrieren, wenn Sie damit einverstanden sind. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre ja gut, wenn er mal zur Regierungsbefragung käme!) Darf der Kollege Ernst eine Zwischenfrage stellen? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Aber gerne. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Klaus Ernst (DIE LINKE): Drei Fragen hätte ich, Herr Minister. (Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!) – Das sind relativ kurze Fragen. Erstens. Sie haben gerade Rumänien angesprochen. Dass dort ein Investorenschutz notwendig wäre, ist Ihnen bekannt. In Rumänien leitet ein Mineralwasserhersteller zurzeit ein Schiedsverfahren ein, weil von der Regierung zugesagte Investitionen gekürzt wurden. Diese Investitionen wurden allerdings gekürzt, weil Rumänien jetzt Mitglied der Europäischen Union ist und diese Subventionen nicht den Regeln der Europäischen Union entsprechen. Die Politik, die wir in der Europäischen Union betreiben, führt also dazu, dass die rumänische Regierung jetzt ein Schiedsverfahren am Hals hat, von dem sie noch nicht weiß, wie es ausgeht. Zweitens. Sie haben gerade gesagt, dass der Rest Europas eine andere Position vertritt. Ich glaube, man muss überprüfen, wer das ist. Ich weiß, dass die Bürger in sehr vielen Ländern eine ganz andere Auffassung haben als diejenigen, mit denen Sie vielleicht sprechen. (Zuruf von der CDU/CSU: Die Kommunisten wahrscheinlich!) In diesen Ländern findet dieselbe Debatte statt wie in Deutschland. Wenn wir über den „Rest Europas“ reden, müssen wir, glaube ich, auch die Frage klären, warum die Europäische Union ein Bürgerbegehren ablehnt, mit dem der Einfluss der Bürger hinsichtlich dieser Fragen ein wenig manifestiert werden könnte. Das ist Fakt: Die Europäische Union lehnt dieses Bürgerbegehren ab. Drittens. Sie haben gesagt, die öffentliche Daseinsvorsorge sei ausgenommen. Sie haben in diesem Zusammenhang auch vom Abwasser geredet. Das CETA--Abkommen beinhaltet ausdrücklich – das habe ich überprüft – das Problem des Abwassers, das die Kommunen betrifft, nämlich im Anhang II. Es gibt zwei verschiedene Anhänge: Der eine beschäftigt sich mit dem Thema Wasser, der andere mit dem Thema Abwasser. Das Abwasser ist also drin. Momentan wird die Daseinsvorsorge in diesen Abkommen also keinesfalls so definiert, wie Sie das vielleicht möchten. Ein letzter Punkt: der Parteitagsbeschluss. Ich habe den Eindruck, dass wir zurzeit etwas Merkwürdiges erleben: Wir haben einen Parteitagsbeschluss Ihrer Partei. Den Inhalt dieses Beschlusses haben wir hier zur Abstimmung gestellt. Sie haben nicht zugestimmt, sondern gesagt: Das machen wir alles schon. – Jetzt stellen wir aber fest, dass es offensichtlich in eine andere Richtung geht. Offensichtlich läuft es auf eine Zustimmung zu diesen Abkommen hinaus, obwohl man den Investorenschutz nicht herausbekommen hat. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dass für Sie Freihandel etwas Schlechtes ist, kann ich verstehen!) Täuscht mich der Eindruck, oder täuscht er mich nicht? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Natürlich täuscht er Sie. – Erstens. Sie haben sich damals ja gerade nicht getraut, den Antrag zur Abstimmung zu stellen. Das hätte ich sehr begrüßt; aber das haben Sie sich nicht getraut, weil der Antrag am Anfang – dieser Text wurde gemeinsam mit den Gewerkschaften verabschiedet – die Freihandelsabkommen als etwas Richtiges bezeichnet. Sie haben sich nicht getraut, diesen Antrag hier zur Abstimmung zu stellen, weil er am Anfang eine positive Beurteilung von Freihandelsabkommen enthält. Deswegen haben Sie sich das damals nicht getraut. Das ist Ihr Problem, nicht meins. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – -Widerspruch bei der LINKEN) – Lesen Sie einmal Ihre Anträge nach. Ich habe halt ein ganz gutes Gedächtnis. Zweitens. Beim Thema Daseinsvorsorge bzw. Abwasser, das Sie angesprochen haben, geht es um folgende Frage: Darf es einen Marktzugang für kanadische Unternehmen in Deutschland und umgekehrt geben? Das wird dort geregelt. Dort wird nicht geregelt, dass es einen irgendwie gearteten Zwang zur Privatisierung gibt. Das Recht der Kommunen, zu sagen: „Wir wollen die Abwasserbeseitigung oder die Wasserversorgung in unserer Hoheit behalten“, wird davon überhaupt nicht tangiert. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: So ist es! -Richtig!) Ständig wird der Versuch unternommen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: -Genau!) Unsere Unternehmen, auch unsere Wasserversorgungsunternehmen, haben im Zweifel ein Interesse, Marktzugangsmöglichkeiten in anderen Teilen der Welt zu bekommen. Im Gegenzug sagen wir: Wenn bei uns jemand die Abwasserbeseitigung oder Wasserversorgung privatisiert – das gibt es in Deutschland durchaus, und zwar auf freiwilliger Basis, ohne Zwang –, dann muss es auch möglich sein, dass sich Unternehmen aus anderen Ländern darum bewerben, wie das übrigens heute in der Europäischen Union schon der Fall ist. Gucken Sie sich einmal an, wo in Deutschland Lyonnaise des Eaux oder Générale des Eaux in den letzten Jahren überall tätig waren. Ich will gar nicht bewerten, ob das gut oder schlecht ist. Es geht lediglich darum: Wenn sich eine Kommune das Recht herausnimmt, selbst zu entscheiden, was sie mit ihrer Wasserversorgung und Abwasserentsorgung tut, dann darf keine Diskriminierung ausländischer Unternehmen erfolgen. Das ist Gegenstand von Freihandelsabkommen. Sie versuchen, den Eindruck zu erzeugen – vielleicht haben Sie diesen Eindruck ja auch –, dass es einen Zwang zur Privatisierung gibt, dass Kommunen unter Druck gesetzt werden und dass jemand klagen könnte, wenn eine Kommune sagt: Ich privatisiere aber nicht. – Das ist absoluter Unfug. Das steht da nirgendwo drin. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Mit meinem Hinweis darauf, dass die Amerikaner nicht nur Interesse an Deutschland haben, sondern ein Abkommen mit Europa schließen, wollte ich deutlich machen, dass wir als Deutsche erhebliche Schwierigkeiten mit einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben, weil diese ihre Gesetze, sagen wir einmal, in höchst kreativer Form, wenn es zu wechselnden politischen Mehrheiten kommt, so ändern, dass deutsche Investoren, obwohl sie schon investiert haben, ihre Investition nicht zu Ende führen können. Das verstößt gegen die Regeln des europäischen Binnenmarktes. Wir versuchen, das nicht über Schiedsgerichte zu lösen. Manchmal aber ist ein Schiedsgericht am Ende die einzige Möglichkeit, sich zu vergleichen; auch das gehört dazu. Darauf wollte ich hinweisen. Ich bitte darum, dass wir so vorgehen, wie es die Kollegin Hajduk tut. Wir müssen versuchen, rational abzuschichten: Wo gibt es berechtigte Sorgen, und wie können wir sie beheben? Wir dürfen aber nicht so tun, als würden unsere gesetzlichen Standards durch Freihandelsabkommen mit Investitionsschutz bedroht. Seit es Investitionsschutzabkommen gibt – Deutschland hat, wie gesagt, schon 130 solcher Abkommen geschlossen –, ist so etwas nicht eingetreten. Jetzt will ich noch etwas zu der Asien-Debatte sagen. Wissen Sie – das ist auch an den Kollegen Ernst gerichtet –, es geht nicht um die Frage, wie viel Prozent Wirtschaftswachstum dadurch entstehen. Ich halte das alles für Voodoo-Ökonomie, sowohl die Aussagen derer, die ein gigantisches Wirtschaftswachstum prognostizieren, als auch derer, die sagen, dass das nur zu ganz wenig Wachstum führen wird; denn kein Mensch kann vorhersagen, wie sich das entwickelt. Aber eines ist klar: Koppeln wir uns zum Beispiel von den asiatischen Ländern ab, wenn diese Freihandelsabkommen schließen, auch mit den USA, sind wir als Europäer außen vor. Dann allerdings ist das für eine Exportnation wie Deutschland eine mittlere Katastrophe. Darum geht es doch. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir waren gerade zusammen dort. Diese Länder sagen: Das 21. Jahrhundert ist ein pazifisches – eigentlich meinen sie: ein asiatisches – Jahrhundert. – Ich vermute, da ist etwas dran. Jetzt geht es um die Frage: Haben wir als Europäer, als Deutsche eigentlich noch Anschluss an diese Region, oder sagen wir: „Wir sind uns selbst genug“? Das ist die eigentliche Debatte, die wir führen müssen. Wer an sozialen, ökologischen und Nachhaltigkeitsstandards im Welthandel interessiert ist, dem muss doch klar sein, dass wir diese eher mit den Vereinigten Staaten hinbekommen als mit China. Wenn die Vereinigten Staaten eines Tages ein Abkommen mit China schließen, dann werden wir uns diesen Standards anpassen müssen. Europa wird möglicherweise das letzte Mal die Chance haben, in einem Abkommen zwischen den beiden derzeit noch größten Handelsregionen der Welt Standards für den Welthandel zu beschließen. Sie werden nicht so sein, dass Linke, Sozialdemokraten, Grüne und vielleicht auch Konservative dann sagen: Jetzt ist alles in Ordnung. – Sie werden nicht optimal in unserem politischen Sinne sein. Aber sie werden allemal besser sein als alles, was Amerika und China aufschreiben würden. Es geht um die Frage: Müssen wir uns bzw. müssen sich unsere Kinder diesen Handelsabkommen anpassen, oder haben wir die Chance, gemeinsam mit den Amerikanern Standards zu vereinbaren, denen sich andere anpassen müssen? Das ist die politische Frage, um die es geht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Noch einmal: Jeder von uns, der hier sitzt, weiß doch, dass sich Veränderungen zum Besseren Schritt für Schritt ergeben. Wir werden keine Handelsabkommen schließen, die für alle, die hier im Parlament sitzen, und für die gesamte Öffentlichkeit optimal sind. Wir müssen es aber schaffen, in unserem Land eine aufgeklärte Diskussion zu führen. Monatelang hat Deutschland über ein Chlorhuhn debattiert, (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) das gar nicht Gegenstand dieses Handelsabkommens ist. (Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!) Es wird so getan, als könnten diesem Handelsabkommen zufolge gentechnisch veränderte Nahrungsmittel nach Europa geschickt werden, obwohl selbst EU-Kommissar Herr De Gucht nachweisen kann, dass dies nicht Gegenstand des Handelsabkommens ist. Besuchen Sie einmal Opel in Rüsselsheim. Wenn Sie dort sind, sehen Sie: Im Eingangsbereich steht ein kleines Auto. Man versucht gerade, es in die USA zu exportieren. Am Beispiel dieses Autos hat Opel einmal geschildert, was sie alles ändern müssen – vom Blinker über die Scheinwerfer, die Frontlänge und die Decke bis hin zur Heckklappe –, um dieses kleine Auto in den Vereinigten Staaten verkaufen zu können. Ich glaube, die Veränderung der Fertigungslinie, um das möglich zu machen, kostet 150 Millionen Euro. Das ist das Thema, über das wir reden! Mein dringender Rat an uns alle ist, dass wir das nicht im Klein-Klein debattieren, sondern dass wir uns darüber im Klaren sind, dass, wenn wir uns von den Weltmärkten abkoppeln, dies am Ende viele Hunderttausend Menschen in Deutschland ihren Job kosten wird – nicht die im öffentlichen Dienst und nicht die, die im Parlament sitzen; aber Facharbeiter und Angestellte in Deutschland werden das am Ende bezahlen müssen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, darf denn die Frau Dröge jetzt noch ihre Zwischenfrage stellen? Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ja. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage noch zulassen. – Ich hatte mich eben noch zu der Debatte über die Schiedsgerichte gemeldet, weil auch ich, ähnlich wie Sie, ein gutes Gedächtnis habe. Am 25. September 2014 haben wir hier im Parlament miteinander über CETA und die Schiedsgerichte diskutiert. Damals lag Ihr Gutachten schon vor; wir hatten das gelesen. Unser Gegengutachten liegt ebenfalls vor – Sie haben das hoffentlich auch gelesen –, weshalb wir weiterhin der Meinung sind, dass es hochproblematisch ist, wenn Schiedsgerichte Teil von CETA sind. Aber ich habe eine konkrete Frage an Sie. Darauf sind Sie bei Ihrer Antwort auf die Zwischenfrage von Frau Hajduk auch nicht eingegangen, sondern Sie haben nur den Anschein erweckt, als würde das, was Sie hier im Parlament erzählen, in einer zusammenhängenden und logischen Reihenfolge stehen. In der angesprochenen Debatte haben Sie aber gesagt: Insofern sind die Dinge, die wir mit dem DGB verabredet haben, für mich in der Tat verbindliche Leitlinien … Das haben Sie hier im Parlament gesagt: „verbindliche Leitlinien“. Wenn man diese verbindlichen Leitlinien liest, findet man darin: In jedem Fall sind Investor-Staat-Schiedsverfahren … abzulehnen. Auch das haben Sie am 25. September 2014 hier im Parlament versprochen. Damals gab es Ihr Rechtsgutachten schon, und Sie haben nicht gesagt, dass Sie der Ansicht sind, dass nur vielleicht noch einzelne Teile nachzuverhandeln sind, was Sie im Moment in Brüssel tun, wie ich wahrnehme, und nicht über das gesamte ISDS zu verhandeln ist. Sie haben auch nicht so klar, wie Sie das jetzt getan haben, gesagt, dass die SPD CETA am Ende zustimmen wird, wenn ISDS Teil des Abkommens ist, sondern Sie haben den Anschein erweckt – so muss ich Ihr Zitat verstehen –, dass Sie CETA ablehnen werden, wenn ISDS nicht he-rausgenommen wird. Deswegen ist meine konkrete Frage an Sie: Ist das jetzt verbindlich? Gilt das, was Sie uns am 25. September 2014 im Deutschen Bundestag gesagt haben, nicht mehr? Bei meiner zweiten Frage geht es um die öffentliche Daseinsvorsorge. Sie haben jetzt gesagt, sie sei nicht mehr Bestandteil von TTIP. Wenn man sich das TTIP-Mandat aber durchliest, dann sieht man, dass nur die -Public Utilities aus den Verhandlungen ausgeklammert werden. Gemäß der Definition von Public Utilities geht es nur um die öffentliche Daseinsvorsorge, die nicht im Wettbewerb mit Kommerziellen steht. Es geht hier also im Kern um die Polizei, die Justiz und die öffentliche Verwaltung. Unsere europäische Definition von öffentlicher Daseinsvorsorge entspricht eben nicht dieser Definition von Public Utilities. Im TTIP-Mandat ist diesbezüglich keine Klarstellung vorgenommen worden, weshalb nach unserer Rechtsauffassung ein großer Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht aus den TTIP-Verhandlungen ausgeklammert ist. Meine Frage an Sie ist: Wie kommen Sie zu Ihrer Rechtsauffassung? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Erstens ging es bei der Debatte mit dem Kollegen Ernst um das europäisch-kanadische Abkommen. Darüber haben wir eben geredet. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es nicht!) – Ich habe auf die Frage von Herrn Claus geantwortet, Frau Kollegin. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Von Herrn Ernst! Das ist Herr Claus, und das ist Herr Ernst!) – Ernst. Dass ich euch immer verwechsle! (Heiterkeit – Roland Claus [DIE LINKE]: Da ist Guttenberg schon dran gescheitert!) Ich hoffe, es ist für keinen von Ihnen ein Problem. – Ich habe auf die Frage des Kollegen Ernst geantwortet, der über das europäisch-kanadische Abkommen geredet hat. Zu TTIP gibt es noch gar keine Verhandlungsergebnisse. In der Tat bin ich der festen Überzeugung, dass es bei TTIP um Marktzugänge gehen wird und nicht um den Zwang zur Privatisierung im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das haben uns die Verhandler, die in Brüssel für die Europäische Union verhandeln, übrigens auch mehrfach bestätigt. Deswegen sehe ich keinen Grund, meine Auffassung dazu zu ändern. Zweitens. Sie haben völlig korrekt zitiert, dass das Leitlinien für mein Handeln sind. Was tue ich also? Ich versuche, zu klären, was von den 14 Punkten, die darin stehen, umsetzbar ist und was nicht. Am Ende muss man sich dann entscheiden, ob die Dinge, die man nicht geschafft hat, im Vergleich zu den Dingen, die man geschafft hat, so schwerwiegend sind, dass man das ganze Abkommen ablehnen muss, oder ob man glaubt, dass das, was man durchsetzen konnte, ausreicht, um zu rechtfertigen, dass man das Abkommen, obwohl man vielleicht nicht alles hinbekommen hat, nicht ablehnt. Ich glaube, dass diese Lehre in Ihrer Partei schon längst gezogen wurde. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Von Herrn Kretschmann zumindest!) – Ich wollte nicht auf Herrn Kretschmann abheben. Ich glaube, dass das bei den Grünen alle so sehen. – Es ist absolut klar: Wir versuchen, so zu verhandeln, dass die Gefahren durch den Investitionsschutz, die Frau Hajduk beschrieben hat, nicht eintreten. Ich glaube, dass wir das auch schaffen. Bei den Verhandlungen zu CETA ist das viel einfacher als bei TTIP. Bei den Verhandlungen zu TTIP ist das noch offen. Bei CETA sind die jetzigen Regelungen schon schwach. Wir werden versuchen, dieses Abkommen noch besser zu machen: durch Regeln zu Appellationsgerichten, durch die Frage, wie die Richter berufen werden, durch die Entscheidung, dass man nur den einen oder den anderen Weg gehen kann und nicht, nachdem man auf nationaler Ebene gescheitert ist, noch ein Schiedsgericht anrufen kann. Mein Eindruck ist, dass in Europa schon jetzt nicht viele bereit sind, in dieser Frage, selbst bei den Verbesserungen, mitzumachen. Dann werden Sie und wir entscheiden müssen – auch meine Partei wird darüber entscheiden müssen –, ob Sie glauben, ein europäisch-kanadisches Abkommen, bei dem es nicht gelungen ist, den gesamten Investitionsschutz herauszunehmen, stoppen zu müssen, weil Sie der Überzeugung sind, dass deutsche Sorgen wichtiger sind als das, was der Rest -Europas für sich und seine wirtschaftliche Entwicklung für sinnvoll und nötig hält. Dabei rate ich zu etwas weniger deutscher Nabelschau. Das ist mein Rat an uns alle. Deswegen bin ich bei dem, was ich tue, mit mir im Reinen. Ich hätte übrigens auf die Frage Ihrer Kollegin Hajduk viel einfacher antworten können. Sie hat mich nämlich nur gefragt, ob ich etwas dafür tue, der Gefahr, dass ein Parlament erpresst wird, entgegenzutreten. Ich hätte sagen können: Natürlich tun wir das. – Ich hätte allen konkreten Aussagen zu CETA und TTIP aus dem Weg gehen können. Glauben Sie mir: Ich bin sprachlich und auch sprecherisch dazu in der Lage. Ich habe das absichtlich nicht gemacht, weil ich dafür bin, dass wir rational über diese Fragen reden, und weil ich es richtig finde, dass das Parlament, Frau Hajduk, darüber debattiert. Aber bitte seien Sie sachbezogen, und halten Sie sich an Tatsachen! Wir reden über keine Kleinigkeit. Wenn wir das hier falsch machen, dann werden uns unsere Kinder und Enkel aufgrund unserer ängstlichen und ideologischen Debatte in Deutschland verfluchen; das sage ich Ihnen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott!) Frau Kollegin, Sie haben noch eine Frage gestellt. Sie haben gefragt, warum die 10 Milliarden Euro – auch Frau Hajduk hat das freundlich angesprochen –, die Herr Schäuble zur Verfügung stellt, nichts bringen. Darauf will ich Ihnen antworten: Unter anderem führt dieses Geld dazu, dass wir am 3. Dezember dieses Jahres im Kabinett ein Energieeffizienzprogramm beschließen können, mit dem endlich das Thema Energieeffizienz klar aufgegriffen wird, und dass wir allein bis 2018 für diesen Bereich zusätzlich rund 1,2 Milliarden Euro erhalten. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn nicht jetzt? – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann nehmen Sie doch unsere 3 Milliarden!) – Für die nächsten Jahre stehen dafür im Haushalt des Finanzministers 7 Milliarden Euro bereit. Darin steht, wie ich glaube, eine sehr allgemeine Bemerkung dazu, für welche Bereiche das Geld genutzt werden soll. Unter anderem steht darin, glaube ich, das Thema Energieeffizienz. Ich habe Ihrer Kollegin Hajduk im Haushaltsausschuss wahrheitsgemäß gesagt, dass ich beim Tagesordnungspunkt Bereinigungssitzung noch nicht in der Lage war, Ihnen dazu abschließend etwas zu sagen. Die Koalition hat sich vor zwei Tagen über dieses Thema verständigt. Gott sei Dank, Frau Hajduk – darüber sollten wir uns freuen –, bietet das 10-Milliarden-Euro-Programm die Möglichkeit, endlich mehr für Energieeffizienz zu tun. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ein Jahr passiert wieder nichts!) – Mensch, Herr Krischer, Sie hätten doch vor mir reden können. Dann hätte ich Ihnen auch noch geantwortet. Dazu hatten Sie keinen Mumm. Nun machen Sie nicht ständig Zwischenrufe. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Frau Hajduk, ich finde, Sie haben vorhin eine absolut zutreffende Bemerkung gemacht. Sie haben gesagt: Das ist ein klassisches Investitionsprogramm. – Genau so ist es. Mit den Mitteln von Herrn Schäuble für die Energieeffizienz hebeln wir erhebliche private Investitionen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wachen langsam auf an der Stelle!) – Was heißt, wir wachen langsam auf? Das ist nun wirklich keine ganz neue Erfindung: Das am besten laufende Programm in der Konjunkturkrise war das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Das hat damals auch die Große Koalition gemacht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Frau Hajduk, die Wahrheit ist doch, dass die Unionsfraktion und die FDP bereits in der letzten Legislatur-periode versucht haben, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt kommt’s!) dieses CO2-Gebäudesanierungsprogramm hinzubekommen, (Beifall des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]) und dass die Länder aufgrund der zu erwartenden Steuerausfälle erklärt haben, dass sie nicht mitmachen würden. Das ist doch die Wahrheit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) – Ich finde, es ist gar nicht so schlimm, im Parlament die Wahrheit zu sagen, Frau Hajduk. Das kann man gefahrlos machen. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben nur unterschiedliche Meinungen im Parlament! Das gehört auch dazu!) – Nein. Der Punkt ist doch, dass auch die rot-grün regierten Länder das damals abgelehnt haben. Auch die Grünen haben es abgelehnt. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht!) Wir machen es jetzt dadurch möglich, dass wir einen Vorschlag haben, wie wir in diesem Fall die steuerliche Absetzbarkeit von Gebäudesanierungsprogrammen für die Länder und Kommunen kostenneutral gestalten können. Darauf bezieht sich unser Vorschlag. Deswegen hoffen wir, dass wir mit Unterstützung der Grünen und der Sozialdemokraten im Bundesrat eine Mehrheit für dieses Programm bekommen. Die Möglichkeit, das zu tun, hat uns Herr Schäuble gegeben. Sie haben gesagt, es sei schlimm, dass der für Investitionen zuständige Wirtschaftsminister es dem Finanzminister überlässt, das Geld dafür aufzutreiben. Das ist aber, ehrlich gesagt, sein Job, und ich bin ihm dafür dankbar, dass er ihn gut erledigt hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Deswegen werden wir beim Energieeffizienzprogramm endlich etwas machen. Das größte Investitionsprogramm ist übrigens, dass diese Bundesregierung die Absicht hat – und wir wollen das jetzt noch etwas verstärken –, bis zum Ende der Wahlperiode die Städte und Gemeinden um insgesamt 10 Milliarden Euro zu entlasten. 4,5 Milliarden Euro haben wir in diesem Jahr erreicht, übrigens durch die Verabredung der letzten Bundesregierung im Vermittlungsausschuss. Nachts um vier, als alle müde waren – Grüne und FDP waren schon nach Hause gegangen –, haben Herr Kauder und ich gesagt: Jetzt machen wir es. – So ist das im Vermittlungsausschuss: Wer zu früh müde wird, verliert. (Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]) – Das hat ja keiner gehört, Herr Kauder. – Dadurch haben wir eine Entlastung um 4,5 Milliarden Euro erreicht. Jetzt wollen wir bis zum Ende der Wahlperiode mit dem Teilhabegesetz noch einmal das Gleiche schaffen. Das ist das größte Investitionsprogramm, das man durchführen kann. Denn mehr als 50 Prozent der öffentlichen Investitionen werden durch die Städte und Gemeinden aufgebracht, und sie können das häufig nicht mehr, weil ihre Finanzkraft nicht ausreicht. Diese Regierung verbessert die Finanzkraft der Kommunen. Das ist ein Investitionsprogramm. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich hoffe übrigens sehr, dass sich Bund und Länder in der Debatte über die Flüchtlingshilfe darauf einigen, die Kommunen weiter zu unterstützen; denn ich habe Angst davor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen sonst mit anderen öffentlichen Aufgaben, zum Beispiel Sanierungsvorhaben für Schulen, Kindergärten, Freibäder und anderes, in Konflikt gerät. Den politischen Sprengstoff dürfen wir nicht zulassen. Es darf nicht sein, dass wir die Kommunen mit den Flüchtlingsfragen alleine lassen und es am Ende zu solchen Konstellationen kommt. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu haben wir auch einen Antrag!) Denn wir werden in Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen. Das tun wir bereits, und ich hoffe, dass sich Bund und Länder in dem Punkt einigen, weil wir nicht nach dem Motto „Den Letzten beißen die Hunde“ handeln dürfen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Weil wir über viele Themen gesprochen und auch viel über TTIP diskutiert haben, bin ich noch nicht zum Haushalt des Wirtschaftsministeriums gekommen. Ich will nur noch einmal bestätigen, was Herr Fuchs und andere bereits gesagt haben. Wir hatten im letzten Jahr 0,1 Prozent Wachstum. Im Jahr davor waren es 0,4 Prozent. Jetzt haben wir 1,2 Prozent Wachstum. Da kann man wirklich nicht behaupten, wir seien auf dem Weg in die Krise. Wir haben 325 000 neue Arbeitsplätze in diesem Jahr, übrigens fast alle sozialversicherungspflichtig. Wir haben den Höchststand bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erreicht. Wir haben zum ersten Mal seit langer Zeit – wir beide streiten immer darüber, Herr Schlecht – steigende Reallöhne. Das hat etwas mit den Tarifabschlüssen zu tun, aber auch mit dem Mindestlohn. (Zuruf von der CDU/CSU: Na ja! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ich glaube, nicht!) Ich finde übrigens, dass die Bundeskanzlerin gestern einen ganz wichtigen Satz gesagt hat. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nur -einen?) – Nein, mehrere Sätze. – Sie hat zum Beispiel gesagt, Frau Kollegin Lötzsch: Nichts rechtfertigt die Aggression gegenüber der Ukraine und das Annektieren der Krim. – Aber niemand von Ihnen hat geklatscht. Ich habe das genau gesehen. Man muss ja nicht immer klatschen, wenn die Regierungschefin einer anderen Fraktion redet, aber bei der Aussage wäre es gut gewesen, wenn Sie mitgeklatscht hätten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sie hat gestern auch gesagt: Man darf nicht Wirtschafts- und Sozialpolitik gegeneinander ausspielen. – Das finde ich richtig. Der Mindestlohn ist doch kein Wahlgeschenk, wie es manche darstellen. Wir wollen, dass Leute, die den ganzen Tag arbeiten gehen, nicht am Ende des Monats zum Sozialamt gehen müssen. Einer, der arbeiten geht, muss mehr haben als einer, der nicht arbeiten geht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist der Sinn des Mindestlohns. Das ist kein Wahlgeschenk. Das ist eine hart erarbeitete Leistung. Auch in der Debatte über die Rente geht es nicht um ein Wahlgeschenk. Es gibt keine Rente mit 63. Es gibt eine Rente nach 45 Versicherungsjahren. Dann darf man mit 63 ohne Abschläge gehen. Bei manchen von denen, die das kritisieren, würde ich mir wünschen, sie müssten selbst nach dieser langen Zeit der Erwerbstätigkeit mit der Rente klarkommen, die die Menschen, die so lange gearbeitet haben, heute im Schnitt bekommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein bisschen mehr Demut gegenüber denen, die in diesem Land arbeiten und dafür manchmal nicht allzu viel Geld bekommen, würde ich mir in der Diskussion wünschen; denn dieses Land lebt von dem Versprechen: Wer sich anstrengt, der hat etwas davon. – Das ist der Grund, warum Deutschland seit 1945 diesen Aufschwung genommen hat. Das ist der Grund: Leistung soll sich nicht nur für einige wenige, sondern für alle lohnen. „Wohlstand für alle“ war Erhards Credo, und das ist der Grund, warum wir die beiden Dinge nicht auseinanderrücken können. Übrigens: Auch die Frauenquote ist doch keine Belastung für die Wirtschaft. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht Herr Kauder aber anders! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Quatsch!) Jedes Jahr gibt es unter den jungen Frauen mehr und bessere Schulabschlüsse, und jedes Jahr gibt es unter den jungen Frauen mehr und bessere Studienabschlüsse. Trotzdem tauchen diese Frauen in den Spitzenstellungen der Wirtschaft nicht auf. Das ist nicht nur ungerecht; selbst der größte Chauvi (Heiterkeit des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) muss doch erkennen, dass es ökonomischer Wahnsinn ist, auf die gut ausgebildeten Frauen in den Spitzenstellungen von Staat und Gesellschaft in diesem Land zu verzichten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Sinn der Frauenquote ist doch nicht, ein paar Frauen in Spitzenpositionen zu bekommen, sondern der Sinn der Frauenquote ist, dass in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft die Alltags- und Lebensrealität, die Berufswege von Frauen endlich in den Blick genommen werden, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) weil Männer diese anders beurteilen als Frauen und weil Frauen möglicherweise – das ist die Hoffnung bei der Frauenquote – dann in ihren Unternehmen dafür sorgen, dass der Berufs- und Karriereweg von Frauen – im Zweifel mit Kindern und Familie – eine bessere Begleitung erfährt, als das unter dem Blickwinkel der Männer der Fall ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Das ist der Sinn der Frauenquote. Sie wird der Wirtschaft helfen, sie wird dem Land helfen. Wir können doch nicht über Fachkräftemangel reden, aber nichts dagegen tun, dass junge, gut ausgebildete Frauen ihren Berufs- und Karriereweg nicht machen können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deswegen ist die Frauenquote keine Belastung, sondern ein Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung. Ich glaube deshalb, dass wir mit all dem, was wir tun, dem folgen sollten, was die Kanzlerin gestern in ihrer Rede gesagt hat: Wir dürfen Wirtschaft und soziale Fragen in Deutschland nicht gegeneinanderstellen, sondern müssen sie miteinander verbinden. Trotzdem steht Deutschland vor großen Herausforderungen: in der Energiepolitik, bei den Fachkräften, in der Investitionspolitik. Übrigens: Auch wenn wir 3 Prozent Wirtschaftswachstum hätten, müssten wir etwas dagegen tun, dass die energieintensive Industrie das Land verlässt – durch Desinvestitionen –, weil wir zu hohe Energie-kosten für diesen Bereich haben. Es darf uns aber nicht egal sein, ob die Grundstoffindustrie in unserem Land weiter existieren kann; denn sie ist verantwortlich für zentrale Wertschöpfungsketten in diesem Land. Wenn jetzt selbst angeblich aufgeklärte Magazine in Deutschland von einer schützenden Hand reden, die wir über Stahlkocher halten würden, will ich sagen: Das sind Arbeitsplätze, die da sind, damit wir dort das Geld verdienen, das wir brauchen, um es auch in Ökologie und -Soziales investieren zu können. Darum geht es in Deutschland. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister – – Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ich komme zum Schluss. – Ich bedanke mich für Ihre Geduld. Ich wollte wenigstens am Ende noch den Eindruck vermitteln, dass es nicht so ist, dass ich glaube, alles sei gut, sondern ich meine, dass wir eine Menge Herausforderungen vor uns haben und es keineswegs so ist, dass wir die alle schon bewältigt hätten. Aber es macht halt auch keinen Sinn, das Land irgendwie in die Krise hineinzureden, und es macht keinen Sinn, zu glauben, wenn man auf den deutschen Bauchnabel schaut, könnte man sich irgendwie noch vernünftig bewegen in einer sich völlig verändernden Welt. Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bevor der Kollege Schlecht, der sich an der dazu vorgesehenen Stelle bereits aufgebaut hat, das Wort erhält, will ich noch eine geschäftsleitende Bemerkung machen: Ich habe natürlich gesehen, dass es zwischendurch noch weitere Wünsche zu Zwischenfragen gab. Wir haben aber – wie ich finde, vernünftigerweise – die Gelegenheit genutzt, Fragen, die uns besonders beschäftigen, -unabhängig von der Vorbereitung des Ministers in den Mittelpunkt dieser unmittelbaren parlamentarischen Aussprache zu stellen – mit dem Effekt, dass die Redezeit des Ministers mehr als verdoppelt worden ist. (Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Sehr gut!) – Ich fand das ja auch sehr vernünftig; wir haben nur vorher einen Beschluss zur Dauer der Debatte gefasst, der mit dieser unserer eigenen Handhabung natürlich in einen immer stärkeren Konflikt geraten ist. Deswegen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich mit Rücksicht auf andere Tagesordnungspunkte, die heute über den Tag erledigt werden müssen, irgendwann darauf verzichtet habe, den Minister um die Genehmigung weiterer Zwischenfragen zu bitten. Ich fürchte, er hätte dem stattgegeben, (Heiterkeit bei Abgeordneten im ganzen Hause) was mit Blick auf unsere weitere Tagesordnung dann schwierig geworden wäre. Das wollte ich nur zur Unterrichtung sagen. Ich glaube, anders, als einen Mittelweg zu suchen, können wir vernünftigerweise nicht verfahren. Herr Kollege Schlecht, jetzt haben Sie das Wort. Michael Schlecht (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gabriel, dass Sie zum Schluss das Erhard’sche Zitat vom Wohlstand für alle zustimmend – so habe ich das jedenfalls verstanden – vorgetragen haben, finde ich sehr mutig; denn gerade in den letzten zehn, zwanzig Jahren ist diese Devise des ehemaligen Bundeskanzlers – gerade beginnend mit der von SPD und Grünen geführten Regierung – so mit Füßen getreten worden wie noch nie zuvor in der bundesdeutschen Geschichte. (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir haben eine Auseinanderentwicklung zu beklagen. In den letzten zehn, zwanzig Jahren ging es eben nicht um Wohlstand für alle, sondern es gab die Entwicklung, dass die Reallöhne des Einzelnen heute im Durchschnitt immer noch unter dem Niveau des Jahres 2000 liegen, während die Einkommen aus Unternehmertätigkeit, die Gewinneinkommen um 20, 30 oder sogar 40 Prozent nach oben geschnellt sind. Dass hier nicht Wohlstand für alle geschaffen wurde, ist offensichtlich. Insofern ist es schon zynisch, wenn Sie dieses Zitat hier weitertragen. (Beifall bei der LINKEN) Die dramatische Auseinanderentwicklung bei den Einkommensverhältnissen ist einer der Gründe, weshalb wir in Deutschland eine labile wirtschaftliche Situation haben. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Was? Wie bitte? Das ist doch nicht wahr!) Viele haben hier gesagt, die wirtschaftliche Situation sei ganz gut und es hätte viel schlimmer kommen können. Wenn wir die Quartalswerte zur Kenntnis nehmen, kommen wir nicht umhin, zu konstatieren, dass wir in Deutschland in ökonomischer Hinsicht auf Messers Schneide stehen. Wir hatten bereits im zweiten Quartal einen leichten Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung – minus 0,1 Prozent – zu verzeichnen. Im dritten Quartal gab es eine leichte Korrektur nach oben, nämlich plus 0,1 Prozent. Wie es im vierten Quartal in Anbetracht verschiedenster – zum Teil kritischer, zum Teil positiver – Indikatoren laufen wird, ist in der Tat eine offene Frage. Vor diesem Hintergrund ist eine grundlegende Korrektur der Wirtschaftspolitik in Deutschland notwendig. Diese muss darin bestehen, die Binnennachfrage endlich wieder deutlich zu stärken. Wir müssen wieder – genauso wie Erhard es zum Ausdruck gebracht hat; da fängt es an – Wohlstand für alle schaffen. Es muss dabei vor allen Dingen um den Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten gehen. Auf diesen müssen wir wieder viel stärker setzen. (Beifall der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE]) Wir Linke wollen eine massive Steigerung der Löhne. Die Löhne sind um gut 18 Prozent hinter dem zurückgeblieben, was in den letzten 15 Jahren möglich gewesen wäre. Wir wollen wieder die Rahmenbedingungen für eine offensive Tarifpolitik schaffen. Dafür müssen solche Knüppel wie Leiharbeit, Befristung und Werkverträge, die den Gewerkschaften zwischen die Beine geworfen wurden, weg. Dann wird es in Tarifrunden wieder möglich sein, ganz andere und viel deutlichere Lohnsteigerungen zu erzielen. Das ist das Hauptcredo unserer linken Wirtschaftspolitik. (Beifall bei der LINKEN) Wenn es schon in den Tarifrunden des nächsten Jahres möglich wäre, anständige Lohnerhöhungen von 4 oder 5 Prozent zu erzielen – das wäre aus meiner Sicht absolut notwendig –, dann gäbe es allein aufgrund dieser Lohnerhöhungen Impulse im Umfang von über 10 Milliarden Euro. Wenn wir dann noch einen vernünftigen Mindestlohn von mindestens 10 Euro einführen würden, und zwar ohne diese Löcher, diese Ausnahmen, über die wir hier weidlich diskutiert haben, dann würden wir einen Nachfrageeffekt in Deutschland erzielen, der noch einmal bei annähernd 20 Milliarden Euro liegen würde. Wenn wir darüber hinaus HartzIV-Beziehern 500 Euro – das ist das Mindeste, was man sich überhaupt vorstellen kann – unter Wegfall diverser Sanktionen zahlen würden, hätten wir noch einmal einen Impuls im Umfang von 10 Milliarden bis 15 Milliarden Euro bei der Binnennachfrage zu verzeichnen, und zwar zum Wohle der betreffenden Menschen als auch der ökonomischen Entwicklung in Deutschland; denn die Menschen, die unter solch niedrigen Einkommen leiden, geben ihr Geld dann wirklich aus. Wir brauchen über diese Dinge hinaus natürlich auch – das kann ich jetzt nur kurz ausführen; es ist darüber viel referiert worden – hier in Deutschland endlich deutlich mehr Investitionen. Ein Zitat des DIW-Präsidenten Herrn Fratzscher lautet: Seit 1999 hat Deutschland einen Investitionsrückstand von … einer Billion Euro aufgebaut und dadurch erhebliche Wachstumschancen verpasst. Wir gefährden damit die Zukunft Deutschlands als Wirtschaftsstandort … usw. An diesem Zitat des DIW-Präsidenten, der hier vorhin schon so wohlwollend zitiert worden ist, erkennt man, was in Deutschland zu tun ist. Wir fordern, dass in Deutschland jährlich mindestens 50 Milliarden Euro mehr in die verschiedenen Bereiche der Infrastruktur investiert werden. Es gäbe auch eine Finanzierungsmöglichkeit jenseits von Schulden. Man müsste endlich Reiche und Vermögende richtig besteuern. Wir sind für die Millionärsteuer, wir wollen eine Wiedereinführung der Vermögensteuer. Alle, die mehr als 1 Million Euro Vermögen haben – möglicherweise Herr Fuchs, ich weiß es nicht –, sollen 5 Prozent Steuern auf ihr Vermögen zahlen. Dann hätten wir mehr als 80 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen und könnten wirklich großdimensionierte, sinnvolle Investitionsprogramme auflegen, ohne uns großartig neu verschulden zu müssen. Das ist das, was wir wollen. Aber ich weiß: Die Regierung – Herr Gabriel ist nicht mehr da – scheut davor zurück, (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Der hört sich so einen Quatsch nicht an!) weil sie zu feige ist, die Reichen in Deutschland anzugehen. Wer diese Feigheit weiterhin praktiziert, versündigt sich an den Interessen dieses Landes. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege Schlecht. – Schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen im Saal und liebe Gäste auf der Tribüne! Nächster Redner in der Debatte: Dr. Joachim Pfeiffer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Den Menschen in Deutschland geht es gut wie lange nicht. Ich würde sogar sagen: Den allermeisten geht es so gut, wie es ihnen noch nie in Deutschland gegangen ist. Ich muss schon sagen: Wenn man hört, was der Kollege Claus, die Frau Wagenknecht, der Herr Ernst oder jetzt gerade – nomen est omen – der Herr Schlecht hier erzählen, dann muss ich sagen: Mit Verlaub, das ist Stuss, absoluter Stuss. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Manche Sachen muss man klar aussprechen!) Es ist eine Mischung von Halbwahrheiten, von ökonomischem Schwachsinn und von Verdrehung von Daten und Fakten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Jurk [SPD]) Sie haben gerade wieder mehrfach gesagt, die Reichen würden zu wenig besteuert, die Armen zu viel und es gebe Gerechtigkeitslücken. Es werden hier Stimmungen gemacht und Dinge suggeriert, die hinten und vorne nicht zusammenpassen. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ach ja?) Ich sage Ihnen jetzt einmal, wer 2013 wie viel zur größten direkten Steuer, der Einkommensteuer, beigetragen hat. Das Aufkommen betrug rund 200 Milliarden Euro. Das oberste 1 Prozent der Steuerzahler hat 19,8 Prozent der 200 Milliarden bezahlt, also fast 40 Milliarden Euro. Die oberen 10 Prozent haben 50,7 Prozent bezahlt, die oberen 20 Prozent 67,4 Prozent und die oberen 50 Prozent 92,5 Prozent. (Zurufe des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Das heißt natürlich umgekehrt: Die untersten 50 Prozent haben 7,5 Prozent bezahlt, und die untersten 20 Prozent haben 0,1 Prozent der Einkommensteuer bezahlt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege Pfeiffer, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Kollegen Schlecht? (Zuruf von der CDU/CSU: Bemerkungen gibt es nicht!) – Bemerkungen gibt es auch. Das sieht die Geschäftsordnung vor. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Ich erlaube es gerne. Michael Schlecht (DIE LINKE): Herr Pfeiffer, diese wunderbare Rechnerei der Steuerbelastung kennt man ja sattsam, aber sie anzuführen, zeugte schon immer von einer sehr ausgeprägten intellektuellen Leistung; denn es ist doch überhaupt kein Wunder in einem Land – ich habe es doch gerade eben lang und breit dargelegt; Sie haben offensichtlich nicht zugehört –, in dem seit dem Jahr 2000 die Einkommensentwicklung von Reich und Arm so stark auseinandergeht: Auf der einen Seite werden die Reichen immer reicher, sodass sie gar nicht mehr wissen, wo sie ihr Geld lassen sollen. Auf der anderen Seite aber wird die Armut immer größer. Es gibt unter denjenigen, die von Armut betroffen sind, viele Leute, die heute 10 oder 20 Prozent weniger als im Jahr 2000 verdienen. Dass diese Menschen natürlich zum Teil überhaupt keine Steuern mehr bezahlen, ist doch nur logisch, weil sie gar kein Geld haben oder nur so wenig, dass das deutlich unter den zu versteuernden Größen liegt. Insofern kommen dabei solche wunderbaren Zahlen heraus. Dass Sie damit dem geneigten Publikum quasi die Krokodilstränen in die Augen treiben wollen ob der außerordentlichen Belastung der Reichen, ist schon abenteuerlich. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Wir können gerne noch ein wenig bei den Daten und Fakten verweilen. Tatsache ist, dass im vergangenen Jahr 200 Milliarden Euro Steuern auf das Einkommen gezahlt wurden, und zwar von denjenigen, die gearbeitet haben. – Sie können ruhig noch stehen bleiben. Ich bin noch lange nicht fertig mit der Beantwortung Ihrer Frage. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ich sage, wie lange er stehen bleibt. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Wie Sie dann dazu kommen, zu behaupten, das sei nicht repräsentativ, (Michael Schlecht [DIE LINKE]: Das ist -unlogisch!) das müssen Sie mir schon einmal erklären. Schauen Sie sich doch einmal die Reallohnzuwächse in diesem Jahr an. Schauen Sie sich doch einmal die Lohnabschlüsse an. Schauen Sie sich dabei auch an, welche Umverteilungs- und Ausgleichsmechanismen zum Beispiel mit der Bemessungsgrenze wir in der Sozialversicherung haben. Schauen Sie sich außerdem an, wie zwischen den Bundesländern im Gesundheitsbereich, im Pflegebereich, bei der Rentenversicherung und auf anderen Feldern verteilt wird. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Thema der Frage!) Dass Sie angesichts dessen behaupten, in Deutschland würde die Schere auseinandergehen, ist wirklich abwegig. An dieser Stelle fühle ich mich an unsere Bolivien-Reise erinnert, Herr Schlecht – Kollege Barthel und Kollege Krischer waren ja, glaube ich, dabei –, als Sie den Bolivianern erklärt haben, dass die Mehrheit der Deutschen ihr Wohnzimmer auch mit Bananenkisten einrichte. Das war selbst dem Kollegen Barthel zu viel. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe das nicht erklärt!) Was Sie da erzählen, das hat mit der Realität in diesem Land wirklich nichts zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ich nicht! Da lege ich schon Wert drauf! Das war ich nicht!) – Doch. Du warst auch dabei. (Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Kollege Barthel hat jedenfalls gesagt, jetzt reiche es, das sei selbst ihm zu viel. Ich glaube, in dieser Hinsicht ist er nicht verdächtig. Den Menschen geht es also gut. Die Einkommen steigen. Die Menschen sind Gott sei Dank gesund. Außerdem nimmt die Lebenserwartung zu. Nicht nur den Menschen geht es gut, sondern auch die deutsche Wirtschaft ist in einer robusten Verfassung. 43 Millionen Menschen sind in Lohn und Brot. Die meisten davon sind in keinen prekären Beschäftigungsverhältnissen, sondern in sozialversicherungspflichtigen Verhältnissen. Im Jahr 2005 waren es 27 Millionen Menschen. Jetzt sind wir bei über 30 Millionen Menschen. In nicht einmal zehn Jahren ist also die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter um 4 Millionen Menschen angestiegen. Diese Entwicklung fand trotz der demografischen Entwicklung und den damit verbundenen großen Herausforderungen statt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE]) Seit Oktober vergangenen Jahres sind es rund 479 000 Menschen mehr. Es sind also fast eine halbe Million Menschen mehr in Lohn und Brot, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen, wie gerade diskutiert. Deshalb können wir uns auch etwas leisten. Gerade in den letzten Minuten wurden die aktuellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben. Entgegen den Erwartungen ist die Arbeitslosigkeit gesunken. Die Arbeitslosigkeit ist ja das Gegenstück zur Beschäftigung, wobei die Beschäftigung noch viel wichtiger ist. Wenn verkündet würde, dass zwar die Arbeitslosigkeit zurückginge, aber die Beschäftigung konstant bliebe oder gar auch zurückginge, dann wäre das keine gute Nachricht. Die Beschäftigung ist aber ausgeweitet worden. Und zugleich ist die Arbeitslosenzahl zurückgegangen auf 2,71 Millionen Menschen. Das ist die niedrigste Arbeitslosenzahl, die wir in Gesamtdeutschland seit 1990 hatten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Thomas Jurk [SPD]) Darüber hinaus haben wir – das ist nach meiner Erinnerung vorhin bereits von Frau Dröge angesprochen worden – für unsere Jugend die besten Perspektiven, die wir jemals in Deutschland hatten. Schauen Sie sich einmal die Jugendarbeitslosigkeit oder die Zahl der Ausbildungsplätze an. Auch da hat sich die Entwicklung völlig umgekehrt. Während wir vor zehn Jahren in diesem Haus noch über planwirtschaftliche Ausbildungsabgaben diskutiert haben, die wir Gott sei Dank nie eingeführt haben, haben wir heute eher einen Mangel, und zwar an Bewerbern, nicht an Ausbildungsplätzen. Im Handwerk, im Dienstleistungsbereich und im Handel können heute bereits viele Ausbildungsplätze nicht besetzt werden. Das heißt, wir haben ganz andere Probleme als die, die uns hier zum Teil suggeriert werden. Auch der Export läuft nach wie vor hervorragend. In diesem Jahr haben wir in mehreren Monaten Waren im Wert von über 100 Milliarden Euro exportiert. Wir werden dieses Jahr wohl einen neuen Exportrekord aufstellen. Wir in Deutschland sind es doch, die weltweit das größte Interesse daran haben, dass der Freihandel fair und offen stattfindet. Wir in Deutschland haben deshalb das größte Interesse an Freihandelsabkommen, die den Handel regeln. Wir in Deutschland wollen dabei vor allem den Freihandel regeln, nicht aber alle möglichen Lebensumstände der Menschen in den verschiedenen Ländern. Es geht also um Freihandel und darum, ob wir unsere Produkte und Dienstleistungen in der Welt auch weiterhin uneingeschränkt verkaufen können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Bei den heutigen Haushaltsberatungen geht es um Konsolidieren und Wachsen. Sparen, Neuverschuldung beenden, Einstieg in den Schuldenabbau – das ist doch das Beste, was wir für uns selber, aber vor allem auch für unsere Kinder tun können. Bekanntlich sind ja die Schulden von heute die Steuern von morgen. Wenn wir es angesichts unserer demografischen Entwicklung schaffen, keine neuen Schulden zu machen, sogar Schulden abzubauen, dann schaffen wir für morgen und für übermorgen Freiräume. Und trotzdem sind wir in der Lage, zu investieren. Auch dies ist ja vorhin angesprochen worden. Die Zinsen werden sicher nicht immer so niedrig bleiben, wie sie im Moment sind. 0,1 Prozentpunkte mehr an Zinsen bedeuten für den Bundeshaushalt im Moment pro Jahr Mehrausgaben in Höhe von ungefähr 1 Milliarde Euro. Das heißt, 1 Prozentpunkt macht 10 Milliarden Euro aus. Wer sich das vor Augen führt, der weiß, dass es gut ist, in Zeiten, in denen der Zins niedrig ist und die Steuereinnahmen sprudeln, die Neuverschuldung zu beenden und Schulden abzubauen; denn auch dies schafft Freiräume in der Zukunft. Sparen und Konsolidieren sind deshalb kein Widerspruch zu Wachstum, sondern es sind zwei Seiten derselben Medaille. Aber selbstverständlich ist nicht alles gut. Wer nicht immer besser wird, hört auf, gut zu sein. Deshalb investieren wir in diesem Haushalt in Forschung und Entwicklung und damit in die Zukunft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland haben wir in absoluten Zahlen so viel in Forschung und Entwicklung investiert, wie im Haushalt für das nächste Jahr vorgesehen. Die entsprechenden Zahlen waren noch nie so hoch, auch wenn es noch Luft nach oben gibt; Kollege Fuchs hat es vorhin angesprochen. Aber die 3 Prozent Steigerung, die wir uns vorgenommen haben, erreichen wir. Ich möchte das an drei Beispielen erläutern: Wir investieren in den Mittelstand, wir investieren in die Energieforschung, und wir investieren in die Luft- und Raumfahrt. Der deutsche Mittelstand ist bekanntlich Innovationsmotor und Rückgrat unserer Wirtschaft. Über 1 500 deutsche Unternehmen sind Weltmarktführer in ihrem Segment. Neun von zehn der Spitzenunternehmer sind Mittelständler. Jeder Mittelständler in Deutschland bringt in aller Regel alle zwei Jahre eine Innovation auf den Markt; in den anderen europäischen Ländern ist dies nur alle drei oder vier Jahre der Fall. Das kommt nicht von ungefähr. Ich glaube nicht, dass wir so viel intelligenter sind als der Rest Europas. Vielmehr hängt das von den Rahmenbedingungen ab. Wir haben Rahmenbedingungen geschaffen, die es ermöglichen, dass gerade mittelständische Unternehmen in Forschung und Entwicklung, in die Marktreife, in das An-den-Markt-Bringen ihrer Produkte und Dienstleistungen investieren. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel das ZIM, das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, zu erwähnen. Herr Jurk hat es eingangs bereits angesprochen: Wir erhöhen die Mittel für dieses Programm um 30 Millionen Euro auf 543 Millionen Euro. Das heißt, die Mittel für dieses Programm befinden sich auf sehr hohem Niveau; seit Jahren liegen sie bei über 500 Millionen Euro. Wir investieren in Unternehmensgründungen. Wir investieren in Wagniskapital. Wir geben im nächsten Jahr also über 650 Millionen Euro allein für Innovationen im deutschen Mittelstand aus. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) So schaffen wir auch zukünftig Arbeitsplätze, neue Produkte und Dienstleistungen. Zur Energieforschung. Im Jahr 2000 haben wir in Deutschland gerade einmal 300 Millionen Euro in die Energieforschung investiert. Seit dem Jahr 2005, seit die Union die Regierung führt, in wechselnden Konstella-tionen, wurden die Energieforschungsausgaben kontinuierlich erhöht. Die Energieeffizienz wurde schon an-gesprochen. Die Forschungsausgaben im Bereich Energieeffizienz wurden in den letzten Jahren verzehnfacht, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber nicht für die Energieeffizienz!) im Bereich der erneuerbaren Energien verfünffacht, auch im Bereich der Speichertechnologien. Ich nenne Ihnen die Zahlen: Wir geben in 2015 über 900 Millionen Euro, nämlich 925 Millionen Euro, für Energieforschung aus – (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden aber nicht über den Forschungsetat, sondern über den Wirtschaftsetat!) das Dreifache dessen, was wir vor zehn Jahren ausgegeben haben. In der Planung haben wir für 2016 über 1 Milliarde Euro und für 2017 über 1,1 Milliarden Euro vorgesehen. So schaffen wir auch mit Forschung und Entwicklung Innovationen gerade in dem wichtigen Feld der Energie, sodass wir auch dort an der Spitze bleiben. Zum Thema Luft- und Raumfahrt. Es geht dort nicht nur um Grundlagenforschung und Erkenntnis; nein, es geht dort auch um sehr konkrete Dinge. Es geht quasi vom All in den Alltag. Luft- und Raumfahrt fasziniert auch, wie wir in den letzten Wochen im Zusammenhang mit dem deutschen Astronauten gesehen haben, Frau Zypries, der wirklich die Massen in Deutschland mobilisiert hat – so kann man sagen – und deutlich gemacht hat, was hier in Deutschland möglich ist. (Zuruf des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]) – Ich weiß: Er kommt aus Künzelsau, und Christian von Stetten ist mit ihm zur Schule gegangen. Trotzdem hat er es ins All geschafft. Herzlichen Glückwunsch an alle Beteiligten! (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch bei der Mission „Rosetta“ beispielsweise geht es nicht nur um reinen Erkenntnisgewinn. Nein, all diese Aktivitäten schlagen sich ganz konkret dann auch im Alltag nieder. Es gäbe heute keine Klimaforschung, Waldbrände könnten nicht frühzeitig erkannt werden, wenn wir nicht Programme wie „Copernicus“ hätten. Auch die Ergebnisse der Versuche, die Alexander Gerst durchgeführt hat, fließen direkt in die medizinische Forschung zum Muskel- und Knochenabbau ein. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, Sie denken an die Redezeit? Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Ich denke an die Redezeit, – Vizepräsidentin Claudia Roth: Dann ist ja gut. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): – leider schon die ganze Zeit. Wenn Sie mich nicht aufhalten würden, wäre ich noch schneller fertig. Vizepräsidentin Claudia Roth: Moment, Moment! Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Aber ich komme gleich zum Schluss. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ihre Kollegen bekommen dann weniger Redezeit. Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Das Stichwort „Erdbeobachtung“ will ich im Zusammenhang von Forschung und Alltag noch nennen. Im dritten Feld, bei der Luft- und Raumfahrt – damit schließe ich –, werden in die Technologieforschung 160 Millionen Euro investiert. Ins nationale Weltraumprogramm werden 270 Millionen Euro und ins internationale Weltraumprogramm, sozusagen in die Zusammenarbeit, 630 Millionen Euro investiert. Das ist über 1 Milliarde Euro für diesen Bereich. Das ist gut angelegtes Geld, damit wir auch in Zukunft an der Spitze mitspielen können, in Zukunft noch besser werden, als wir es heute schon sind, und auch 2020, 2030 sagen können: Jawohl, Deutschland spielt an der Spitze mit. – Dafür legen wir mit diesem Bundeshaushalt die Grundlage. Wir säen also, damit die Pflanzen wachsen und wir dann die Früchte ernten können. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. Ich unterbreche, wenn die Redezeit radikal überschritten wird. Das war der Fall. Deswegen werde ich einem Ihrer Kollegen jetzt etwas Redezeit abziehen müssen; tut mir leid. (Beifall der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das war eine Minute!) – Das war nicht eine Minute. Ich habe die Uhr hier, Herr Pfeiffer. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Gut, akzeptieren wir!) – Danke, Herr Kauder. Nächster Redner: Oliver Krischer für Bündnis 90/Die Grünen. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Gabriel, ich fand es gut, dass wir hier einmal eine Debatte über TTIP, über CETA, über Freihandelsabkommen geführt haben und herausgearbeitet haben, dass Sie – ich habe das in der Klarheit noch nicht gehört; ich glaube, das war auch öffentlich nicht klar – CETA, dem Freihandelsabkommen mit Kanada, mit Investitionsschutz zustimmen werden. Das hat sich gelohnt; denn Sie haben das klipp und klar gesagt. Es ist gut, dass das hier von Ihnen klargestellt worden ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE]) Es ist kein Geheimnis, dass wir da eine andere Auffassung haben. (Zuruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]) Ich bin einmal gespannt darauf, was die Sozialdemokratie, die dazu ja etwas Konträres beschlossen hat, in Zukunft dazu sagen wird. Da stehen uns sicherlich noch interessante Debatten bevor. (Wolfgang Tiefensee [SPD]: Sie müssen die Dokumente des Konvents gründlich lesen!) Wenn Sie das nicht innerhalb Ihrer Partei hinbekommen, dann ist es ja gut, wenn wir es hier im Plenum schaffen, die Position klarzumachen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] – Thomas Jurk [SPD]: Sie müssen sich auch positionieren! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Nur Nein zu sagen, Herr Krischer, bringt uns nicht weiter!) Herr Gabriel, Sie haben hier 40 Minuten geredet; der Präsident hat das bestätigt. Das ist völlig in Ordnung. Ich würde mir wünschen, Sie kämen einmal zur Fragestunde und beantworteten dort die Fragen, anstatt Ihre Staatssekretäre vorzuschicken, die vom Blatt ablesen und die Fragen anderweitig beantworten. Da sollten Sie sich einmal stellen; den Mut sollten Sie haben. Das wäre Parlamentarismus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber Mut können Sie ihm nicht absprechen!) Sie haben zwar 40 Minuten über TTIP und viele andere Dinge gesprochen – Sie haben auch etwas zur Energiepolitik gesagt –, aber Sie haben nicht ein einziges Mal – Zeit dafür wäre durchaus gewesen – das Wort „Klimaschutz“ erwähnt; das kommt bei Ihnen gar nicht vor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das haben Sie überhaupt nicht im Kopf. Ich sage Ihnen auch, warum: Sie werden das Klimaschutzziel 2020 krachend verfehlen. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Reden Sie doch nicht so einen krachenden Quatsch!) Das ist die Bilanz von mehreren Regierungen Merkel, an denen Sie zweimal – als Umweltminister und als Wirtschaftsminister – beteiligt waren. Das ist Ihre Bilanz, wenn dieses Klimaschutzziel verfehlt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Der Öffentlichkeit ist eines klar – es ist gut, dass das deutlich geworden ist –: Wir kommen nicht drumherum, etwas beim Kohlekraftwerkspark zu tun. Wir müssen endlich die ältesten Kohlekraftwerke aus Adenauers Zeiten vom Netz nehmen, wenn wir das Klimaschutzziel erreichen wollen. Da habe ich in den letzten Wochen etwas erlebt, was ich bei Sigmar Gabriel gar nicht kannte: Viermal hat er in drei Wochen seine Position verändert. Heute war vielleicht nicht die Gelegenheit, es zu erklären; aber draußen ist Ihre Position nicht deutlich geworden, und auch ich habe es nicht verstanden, wie jetzt 22 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden sollen – wobei das eigene Ministerium sagt, es müsste mindestens doppelt so viel sein, und wissenschaftliche Gutachten besagen, es müsste dreimal so viel sein. Dazu kommt nichts. Wird es da ein Gesetz geben? Wird es eine freiwillige Selbstverpflichtung geben? – All das wissen wir nicht. Dabei ist es erforderlich, dass wir beim fossilen Kraftwerkspark endlich etwas machen. Dazu würde ich mir – wo auch immer – eine Klarstellung wünschen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es mag ja sein – wahrscheinlich ist es auch so –, dass Ihnen der Klimaschutz egal ist, dass das nicht Ihr Thema ist, dass Sie sagen: Komm, ich bin Sozi, ich bin für qualmende Schlote; das ist mein Ziel, das ist das, wovon ich erzähle. – Aber das ist nicht zukunftsfähig. Welches -Signal sendet ein Wirtschaftsminister, eine Bundesregierung aus dem Energiewendeland Deutschland, wenn hier hochmoderne Gaskraftwerke abgeschaltet werden und Investoren ernsthaft überlegen, sie zu demontieren und im Ausland wieder aufzubauen? – Nachdem Sie schon die erneuerbaren Energien abgebaut und abgerissen haben, machen Sie das jetzt auch noch mit der Effizienztechnologie. Das kann doch nicht sein. Da werden wir alles dagegensetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Noch etwas. Wir reden ja heute über den Haushalt. Da habe ich gehört: Herr Schäuble legt 2016 ein 10-Milliarden-Euro-Programm auf. Ich frage mich die ganze Zeit: Warum kommt das nicht mit diesem Haushalt? Warum, bitte schön, kommt dieses Investitionsprogramm nicht sofort, wenn Sie es für erforderlich erachten? – Es kann doch nicht sein, dass Sie etwas für die Zukunft ankündigen, dass Sie ungedeckte Schecks liefern, an die sich nächstes Jahr keiner mehr erinnert, und das Geld am Ende bei der CSU in Bayern landet und in Umgehungsstraßen investiert wird anstatt in Energieeffizienz, Gebäudesanierung und Effizienztechnologien für die deutsche Wirtschaft. Da sollten Sie jetzt die Fakten schaffen und nicht ungedeckte Schecks für die Zukunft ausstellen, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben es hier heute mehrfach von den Kollegen, die dazu geredet haben, gehört: Da gibt es jetzt einen Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz und ein Aktionsprogramm Klimaschutz 2020. All das sind nur Wort-hülsen; das ist nur beschriebenes Papier. Am Ende ist die Wahrheit im Haushalt. Da muss man eines feststellen: Sie sind auf dem gleichen Niveau wie Ihr Amtsvorgänger. Sie haben die gleichen Mittel, die gleichen Programme im Haushalt wie Philipp Rösler – nichts mehr. Da ist die Große Koalition nach einem Jahr angekommen. Das ist nicht zukunftsgerecht. Das ist ein Rückschritt in die Vergangenheit. Das hilft uns beim Klimaschutz nicht weiter. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Einmal durchschnaufen!) Das bringt die deutsche Wirtschaft nicht voran. Das ist an der Stelle nicht in Ordnung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Denken Sie an die Redezeit. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Letzter Satz, Frau Präsidentin. Vizepräsidentin Claudia Roth: Nein, stopp, Herr Krischer! – Erlauben Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Jurk? (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nein, wenn die Redezeit abgelaufen ist, geht das nicht mehr! – Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]: Die Redezeit ist abgelaufen! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie ist schon längst abgelaufen, die Redezeit!) – 20 Sekunden. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: 25! -Feierabend!) – Wir können jetzt gerne mal die Geschäftsführer nach vorne holen, wenn Sie mögen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Hauptsache, ihr kriegt jetzt eine Minute abgezogen!) So, Herr Jurk. Thomas Jurk (SPD): Ich hoffe, Herr Krischer freut sich, wenn ich durch meine Frage jetzt auch seine Redezeit verlängere. Zu meiner Frage. Sie haben eben Herrn Rösler bemüht. Ich kann mich erinnern: Als Schwarz-Gelb an der Regierung war, bestand große Unsicherheit darüber, was aus all den Energieprogrammen wird, die aus dem EKF gespeist werden; denn durch die sinkenden Einnahmen aus dem Zertifikatehandel und der fehlenden Brennelementesteuer ist ja ein Teil der Basis weggebrochen. Wären Sie bereit, mir zuzustimmen, dass wir mit dem in diesem Haushalt vorgesehenen Bundeszuschuss dafür sorgen werden, dass eine solide Basis für die Finanzierung der energetischen Programme gelegt wird? Das kann man mit dem, was Herr Rösler gemacht hat, nun wirklich nicht vergleichen. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Jurk, ich danke Ihnen für diese Frage, mit der Sie lediglich bestätigen, dass Sie die Mittel aus dem Bundeshaushalt nehmen. Der blödsinnige EKF hat seine Funktion doch völlig verloren. Das haben wir als Grüne schon damals kritisiert. (Thomas Jurk [SPD]: Wir auch!) Trotz des Eindrucks, den Sie durch das, was Sie erzählen, erwecken: Sie setzen in der Summe keinen einzigen Euro mehr ein. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist falsch!) Im Gegenteil: Die Mittel für die Programme werden reduziert, und das Marktanreizprogramm wird verkleinert. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, mit der Sie auf dem Niveau von Philipp Rösler angekommen sind. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist Trick-serei!) Ihre Versprechen sind lediglich ungedeckte Schecks für die Zukunft. Sie haben die Planungs- und Investitionssicherheit angesprochen. Es ist doch ein Irrsinn, dass Sie Programme ankündigen, aber niemand weiß, ob sie 2016 auch realisiert werden. Ich sage Ihnen, was das für einen Effekt hat: Wenn ich überlege, mein Gebäude zu sanieren, dann mache ich 2015 nichts, sondern ich warte auf das Programm, das Sie für 2016 angekündigt haben. Das heißt: Im Ergebnis wird es 2015 sogar noch einen Absturz bei den Investitionen geben. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Mit Ihren folgenlosen Ankündigungen und nicht substanziellen, ungedeckten Schecks ziehen Sie am Ende alles runter. Sie machen die Investitionen kaputt. Das müssen Sie sich – tut mir leid – ins Stammbuch schreiben lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, erlauben Sie eine Rückfrage des Kollegen Jurk? Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, aber selbstverständlich. Vizepräsidentin Claudia Roth: Gut. Thomas Jurk (SPD): Kollege Krischer, Sie sitzen nicht im Haushaltsausschuss. Würden Sie mir recht geben, dass wir beispielsweise die Mittel für die Forschung für erneuerbare Energien und Energieeffizienz erhöht haben? Würden Sie zugeben, dass wir im Vorausblick auf den Nationalen Aktionsplan bereits eine Vielzahl neuer Energieeffi-zienzmaßnahmen angekündigt (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Angekündigt!“) haben, die wir selbstverständlich auch einpreisen werden? (Zurufe von Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Gehen Sie davon aus, dass sich die Bundesregierung an das hält, was das Kabinett beschließt. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Sie lachen immer darüber. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie alle drei, vier Wochen etwas anderes sagen, dann wird das schwierig!) Ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir bei der Übertragung von Programmen des Bundesumweltministeriums, insbesondere beim UAP, dafür gesorgt haben, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jetzt im Bundeswirtschaftsministerium tätig sind, aus der sachgrundlosen Befristung herausgenommen und in feste Beschäftigungsverhältnisse übernommen wurden. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Haushalt. Würden Sie wenigstens das zur Kenntnis nehmen? Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja alles schön und gut, Herr Kollege Jurk, was Sie hier aufzählen. Aber Sie haben selber gesagt, Sie haben „angekündigt“. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie mal die Wahrheit!) Ich habe nichts davon gehört, dass klar ist, wie viel in die Gebäudesanierung investiert wird. Aus der Union werden ganz andere Vorstellungen laut: Sie will das Geld in neue Straßen investieren. Da bin ich sehr gespannt. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wort-verdreher!) Ich bin auch sehr gespannt, ob das Geld am Ende überhaupt fließen wird, ob es auch frisches Geld geben wird. Das alles werden wir sehen. Das führt am Ende nur zu Attentismus. Was die Ankündigungen angeht: Der Wirtschaftsminister hat in den letzten Wochen einen richtig schönen Eiertanz vorgeführt. Erst hat er gesagt: Wir müssen im Bereich Kohlekraftwerke etwas tun. Plötzlich war das alles nicht mehr wahr, und es wurde dementiert. Dann wurde gesagt: Wir machen ein Programm. Dann wurde verhandelt. Jetzt hat er auf einmal alle, die überhaupt gefragt haben, ob man im Bereich Kohlekraftwerke etwas machen muss, für dumm erklärt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Kommen Sie bitte zum Schluss. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das zeigt nur: Diese Koalition ist in einer fossilen Endlosschleife. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mein Gott! Du bist auch eine Endlosschleife hier!) Sie gehen die Herausforderungen nicht an. Sie investieren nicht in die Zukunft. Das ist nicht zukunftsfähig. Das bringt uns nicht nach vorne. Das ist nicht das, was unser Land, was Europa braucht. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Krischer. – Nächster Redner in der Debatte, Dr. Peter Ramsauer für die CSU/CDU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der vergangenen Woche hatte ich Besuch von einer Reihe ausländischer Führungskräfte aus der Wirtschaft. Eine der zentralen Fragen an mich war: Was tut Deutschland gegen die verheerende Rezession, in die es jetzt hineinschlittert? Ich dachte mir: Das ist das typische Bild, das mancherorts von der Lage in Deutschland gezeichnet wird. Lieber Herr Krischer, Ihre Rede eben war so ein verheerender Beitrag, eine gespenstische Rede, die genau dieses verzerrte Bild von Deutschland fördert. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gespenst sind Sie!) Deswegen kann man nicht oft genug sagen: Schauen Sie sich die Realität an. Die Zahlen sind alle genannt worden. Auch wenn die Wachstumserwartungen nicht ganz so hoch sind, wie wir sie nach dem Frühjahrsgutachten dieses Jahres noch erwartet hatten: Tatsache ist, dass wir weiterhin Wachstum haben und Deutschland damit Wachstums- und Wirtschaftslokomotive in Europa bleibt und auch darüber hinaus für die weltwirtschaftliche Entwicklung von erheblicher Bedeutung ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Tiefensee [SPD]) Allerdings muss man auch sehen, dass dies gerade in der jetzigen Lage durch einen fast ungewöhnlich günstigen Ölpreis begünstigt wird. Manche sagen, er sei ein süßes Gift, aber im Endeffekt wirkt der niedrige Ölpreis natürlich als ein gewaltiges Konjunkturprogramm, wenn man sich einmal vorstellt, dass eine Ölpreissenkung von 10 Dollar pro Barrel eine Verschiebung von circa 0,5 Prozent des Weltsozialprodukts von den erdölfördernden zu den erdölverbrauchenden Ländern ergibt. Daran sieht man, welch gewaltige fördernde Wirkung dies für die Konjunktur hat. Wenn man sich dessen bewusst ist, dann wird auch klar, dass wir aus eigener Kraft heraus, aus unserer originären Wirtschaftspolitik heraus alles dafür tun müssen, dass wir wirtschaftlich stabil bleiben. Ein wesentliches Stichwort in dieser Debatte dazu lautet: Förderung von Investitionen. Darauf hat auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel eingehend hingewiesen. Noch einmal zur Erinnerung, wo wir einmal waren: 1998 hatte der Bundeshaushalt eine Investitionsquote von 12,5 Prozent. Wir waren im vergangenen Jahr, 2013, auf einem historischen Tiefstand von 8,1 Prozent, werden in diesem Jahr bei 8,6 Prozent liegen, und in den kommenden Jahren – positive Tendenz – steigt sie auf 8,8 Prozent. Nun zu den 10 Milliarden Euro, von denen 7 Milliarden Euro in den kommenden Jahren – 2016, 2017 und 2018 – effektiv zur Verfügung stehen. Wenn man diese Mittel dazurechnet, so kommen wir solide auf Investi-tionsquoten von über 9 Prozent, und damit gehen wir den entscheidenden, richtigen Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich fände es auch zielführend, darüber nachzudenken, ob man diese 7 Milliarden Euro nicht ausschließlich in direkte Investitionen steckt, sondern sie auch zum Teil dazu verwendet, investitions- und wachstumsfördernde Steuererleichterungen zu gewähren. Dazu gibt es eine Reihe von Stichpunkten. Ich bin ein entschlossener Verfechter der Abschaffung der kalten Progression. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dafür gibt es viele Gründe, aber ich nenne nur mal einen Grund dafür: Im sozialen Bereich passen wir beispielsweise die Grundsicherung in jedem Jahr der Entwicklung der Einkommen an. Im steuerlichen Bereich tun wir genau dies nicht, und das führt zur kalten Progression. Wenn man das Ganze einmal infinitesimal denkt, dann wird das eines Tages dazu führen, dass wir einen direkten Übergang von der Grundsicherung in den Spitzensteuersatz bekommen. Also: Weg mit der kalten Progression, damit sich das auch entspricht. Von der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung wurde bereits gesprochen. Wir hatten damals in der schwarz-gelben Koalition ein Konzept zur steuerlichen Förderung bereits fertig. Danke, Herr Bundeswirtschaftsminister, dass Sie darauf hingewiesen haben, woran es gescheitert ist. In meinen Augen ist die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung etwas, was dem ganzen Projekt noch einmal einen gewaltigen Schub geben würde, da die steuerliche Förderung jenseits der KfW-Programme im Einzelfall viel, viel passgenauer ist. Eine Reihe weiterer steuerlicher Entlastungen wäre zu überlegen. Ich persönlich halte beispielsweise die Luftverkehrsteuer nach wie vor für ein völlig falsches Instrument. Sie gehört abgeschafft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Tiefensee [SPD]) – Danke, Herr Kollege Tiefensee. Wir ziehen hier wirklich an einem Strang. – Die Luftverkehrsteuer benachteiligt die deutsche Luftverkehrswirtschaft einseitig gegenüber allen anderen Wettbewerbern weltweit. Da wir gerade bei Steuern sind: Sie ist zwar keine Bundessteuer, aber die Erbschaftsteuer gehört regionalisiert. Was die Ausgestaltung anbelangt, gehört sie den Ländern anheimgestellt. Das wäre ein wirksames und gutes Mittel für den Steuerföderalismus. Ich möchte noch ein Wort zum Thema Exportpolitik verlieren. Wir alle wissen, wie sehr die deutsche Wirtschaft vom Export abhängig ist. Die Belastungen und Verbote, die wir der deutschen Exportwirtschaft auferlegen, nehmen eher zu, als dass wir sie Stück für Stück zurückführen. Ich möchte dazu ein paar Beispiele aus der allerjüngsten Zeit nennen: Ich halte es für einen schweren Fehler, wenn wir den Export von deutschen Kohlekraftwerksanlagen quasi unterbinden, indem keine Exportkreditgarantien gegeben werden oder dem Export ähnliche Erschwernisse bereitet werden. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Subventionierung mehr!) Gestern hatten wir im Wirtschaftsausschuss eine Delegation von südafrikanischen Kolleginnen und Kollegen zu Gast. Wir haben über die dortige Energiepolitik und auch über die eigene gesprochen. Sie haben uns dazu zwei Mitteilungen gemacht: Sie haben erstens gesagt: Unsere Energieversorgung in Südafrika beruht zu 85 Prozent auf der Basis von Kohleverstromung. Daher müssen wir in Südafrika nach und nach unsere 40 bis 50 Jahre alten Kohlekraftwerke dringend erneuern. – Wenn wir die sehr guten deutschen Kohlekraftwerke nicht mehr exportieren lassen mit der Begründung, wir könnten damit irgendwo in der Welt CO2-Emissionen unterbinden, dann begehen wir damit einen schweren Denkfehler. (Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsche Strukturentscheidungen! Sie wollen Kohle subventionieren!) Die Kollegen haben uns zweitens erklärt: In dem Fall holen wir uns unsere Kohlekraftwerke von anderen Lieferanten außerhalb Deutschlands, obwohl wir wissen, dass sie wesentlich schlechtere Effizienzgrade haben. – Damit wäre eine Joint Implementation auf diesem Gebiet geradezu auf den Kopf gestellt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist ja schön, dass Sie klarstellen, dass die Bundesregierung das weitermacht!) Wir dürfen keine Erschwernisse im Exportbereich zulassen. Sie haben uns weiterhin gesagt, dass sie in Südafrika derzeit nur ein Kernkraftwerk haben und weitere acht bauen werden. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kritisieren Sie den Wirtschaftsminister, oder wie?) Damit sind wir beim nächsten Thema. Ich halte es für einen schweren Fehler der deutschen Exportpolitik, wenn wir, weil wir bis 2022 selbst aus der Kernenergie aussteigen, in besserwisserischer, belehrender Art und Weise keine Kernkraftwerkstechnik mehr exportieren lassen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So geht es also! Aha! Da sieht man das wahre Gesicht der Großen Koalition!) Denn auch wenn wir unsere Exportwirtschaft mit einem Verbot belegen, werden Länder wie in diesem Fall Südafrika zusätzliche Kernkraftwerke bauen. (Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja ein Gespenst der Vergangenheit!) Die wehrtechnische Industrie gehört auch zu diesem Thema. Über das Freihandelsabkommen sowie über die Wirtschaftssanktionen, unter denen auch die deutsche Wirtschaft leidet, ist bereits eingehend gesprochen worden. Nur so viel: Ich halte Wirtschaftssanktionen gegen wen auch immer für ein völlig untaugliches Mittel der Politik. Wirtschaftssanktionen müssen immer daran gemessen werden, was sie politisch und wirtschaftlich für beide Seiten wirklich bedeuten, und das ist nichts Gutes. Ich habe die Diskussion bezüglich des Zeitbudgets eingehend verfolgt. Ich bedanke mich sehr für die Gnade, dass bei mir nicht gekürzt worden ist. Vizepräsidentin Claudia Roth: Sie haben ja auch noch ein bisschen Zeit. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Der arme Kollege Lämmel ist der Letzte, und den beißen in der Regel die Hunde. (Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist schon gebissen!) Ich fasse in meinen letzten 49 Sekunden eine Reihe von Beispielen zusammen, an denen wir trotz guter Konjunkturdaten weiterarbeiten müssen. Wenn man einmal zusammenfasst, was aus allen Ecken und Enden zu hören ist, stellt man fest, dass wir in Deutschland schon eine sehr ausgeprägte Neinsagermentalität haben: Nein zur Kernkraft, Nein zu Kohlestrom, Nein zu Fracking, Nein zu Windkraft in manchen Ländern, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allem in Bayern! Bei der CSU vor allen Dingen!) Nein zur CCS-Technologie, Nein zu neuen Stromtrassen, Nein zu Energiespeichern, Nein zu den Exporten, von denen ich gesprochen habe, Nein zu Freihandelsabkommen, Nein zu Großprojekten usw. usf. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt rufen gerade die Richtigen, die personifizierten und in Partei- und Fraktionsform gegossenen Professionsneinsager. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Besser als Gespenster der Vergangenheit!) Mit dauernder Neinsagerei machen wir in Deutschland keinen Staat. Deswegen wünsche ich mir ein gesamtwirtschaftliches und gesamtgesellschaftliches Ja in Deutschland, damit wir alles tun können, was der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes dient. Wir sollten alles unterlassen, was dem entgegensteht. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Ramsauer. – Letzter Redner in der Debatte, den nicht die Hunde beißen: Andreas Lämmel für die CSU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich vermute, es gilt noch die Regel, nach der Haustiere hier nicht erlaubt sind. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ja. Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Sonst würde ich das nächste Mal meine Katze mitbringen. Meine Damen und Herren, bei der heutigen Debatte über den Haushalt bleibt mir nur noch die Funktion, alles ein bisschen zusammenzukehren und die Diskussion wieder darauf zu fokussieren, worum es eigentlich geht. Immer, wenn man sich einen Haushaltsentwurf anschaut, muss man die Grundsatzfrage stellen: Nützt der Haushaltsentwurf, so wie er aufgestellt worden ist, der weiteren Entwicklung der Konjunktur, oder nützt er diesem Ziel nicht? (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nützt er nicht! Die Frage kann man eindeutig beantworten!) – Das ist Ihre Sicht, Herr Krischer, aber Sie werden sicherlich nach dieser Rede überzeugt sein, dass er doch dem Ziel der Stützung der Konjunktur nützt. Die Förderung von Investitionen ist im Haushalt klar festgelegt, und sie ist sogar auf das im Koalitionsvertrag festgelegte Niveau erhöht worden. Die Förderung von F und E ist heute schon lange und breit dargelegt worden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt in der Strategie der Bundesrepublik Deutschland. Damit wird ein klares Zeichen für den weiteren Aufbau der Mittel bei Forschung und Technologie gesetzt. Die Förderung der Außenwirtschaft ist ebenfalls ein sehr wichtiger Punkt. Deutschland ist ein exportorientiertes Land. Deswegen ist natürlich freier Handel sehr wichtig. Insofern fand ich die Diskussion um TTIP und CETA sehr interessant und danke dem Wirtschaftsminister, dass er hier noch einmal klar Position bezogen hat. Wir stehen zu diesen Abkommen. Herr Krischer und Frau Dröge, Sie schüren ja mit gut gesetzten Worten immer wieder Zweifel an diesen Abkommen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!) Das eigentlich Schlimme ist das, was Sie auf der Straße veranstalten, nicht die Diskussion hier; denn hier kann man die Argumente austauschen. Aber das, was Sie auf der Straße veranstalten, wenn Sie Ihre Vorfeldtrupps (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meine Vorfeldtrupps?) zum Unterschriftensammeln durch die Fußgängerzonen ziehen lassen, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind nicht bei der Union! Was sind denn Vorfeldtrupps?) gemeinsam mit den Leuten der Linken, (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: In Thüringen gelernt!) und dort die Leute nicht einmal ansatzweise über TTIP oder CETA aufklären, sondern einfach versuchen, sie zum Unterschreiben zu nötigen, ist genau das, was Sie wieder einholen wird. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind 89 stehen geblieben!) Die Grünen bleiben damit bei ihrer Linie, zu allem Nein zu sagen, was die Entwicklung Deutschlands voranbringen könnte. (Beifall bei der CDU/CSU) Das ist genau der Punkt. Es hat sich ja auch bei den Wahlen gezeigt, dass das die Bürger einfach nicht mehr wollen. Ich meine, Sie werden mit Ihrer tollen Koalition in Thüringen, die Sie da jetzt anbahnen, sicherlich in der Wählergunst weiter sinken. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Schande!) Meine Damen und Herren, wenn Sie sich den Haushaltsentwurf im Hinblick auf das Thema Außenwirtschaft angeschaut hätten, dann wäre Ihnen aufgefallen: Wir haben eine Exportinitiative Erneuerbare Energien. Wir haben eine Exportinitiative Energieeffizienz. Wir haben eine Exportinitiative Umwelttechnologie, und wir haben eine Exportinitiative Gesundheitswirtschaft gestartet. Das alles sind Felder, auf denen wir versuchen, dem deutschen Mittelstand Möglichkeiten zu geben, sich Geschäftsfelder in der Welt zu erschließen. Genau das ist der Weg. Hier müssen wir unsere Aktivitäten ausbauen. Dazu brauchen wir freien Handel. Ein weiterer wichtiger Punkt sind öffentlich-private Partnerschaften im Bereich der Außenwirtschaft. Ich nenne hier als Beispiel die Büros der AHKs. Wir sind in 54 Ländern mit diesen Büros vertreten. Diese sind Anlaufpunkte für die deutsche Wirtschaft in allen Teilen der Welt, um Geschäftsanbahnungen voranzubringen. Wir müssen uns in den nächsten Jahren natürlich überlegen, wie dieses Netz der Auslandsbüros erweitert und ergänzt werden kann; denn wir müssen auf die veränderten Gegebenheiten in der Welt reagieren. In 22 Ländern haben wir außerdem Delegiertenbüros, die ein weiteres Standbein der deutschen Außenwirtschaft sind. Im Bereich der Außenwirtschaft haben wir – Kollege Ramsauer hat in seiner Rede gerade darauf hingewiesen – auch selbst für Restriktionen gesorgt. Zu nennen sind hier die Frage der Rüstungsexporte, die Frage der Exporte von Dual-Use-Gütern und natürlich auch die Sanktionen gegen Russland. Als sächsischer Abgeordneter muss ich in diesem Zusammenhang Folgendes sagen: Vielleicht sind die Sanktionen gegen Russland für die deutsche Wirtschaft insgesamt kein großes Problem, für Sachsen entwickeln sich diese Sanktionen aber zunehmend zu einem wirtschaftlichen Problem. Wir brauchen ganz einfach einen Mechanismus, um die Sanktionen letztendlich auch zurückführen zu können, um wieder Handelsbeziehungen mit Russland aufnehmen zu können. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Abschließend will ich einen Bereich ansprechen, der heute ganz entschieden zu kurz gekommen ist. Es geht um das Thema Tourismus. Im Tourismus sind in Deutschland 2,9 Millionen Menschen beschäftigt. Das sind mehr Beschäftigte als in der deutschen Automobilindustrie, im Bereich der Mikroelektronik oder in anderen Branchen, die öfter im Fokus stehen. 4,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden durch den Tourismus erwirtschaftet. Gerade die Tourismuswirtschaft wurde in den letzten Jahren mit vielen Regulierungen und Einengungen überzogen, die sich vor allen Dingen kostenmäßig niederschlagen. Die Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar 2015 stellt für den Tourismus eine weitere Belastungsprobe dar. Meine Damen und Herren, ich denke, das Thema Tourismus kommt in unserer politischen Diskussion hier zu wenig zur Geltung. Dieser Wirtschaftszweig ist ortsgebunden. Er kann nicht nach China oder Amerika abwandern. Meistens handelt es sich um kleine oder mittelständische Unternehmer, die das touristische Leben gestalten. Die im Tourismus Beschäftigten sind Dienstleister. Die Tourismusbranche ist also eine Dienstleistungsbranche, und die Dienstleistungsbranchen sind die Branchen der Zukunft. Das heißt, auch die Tourismusbranche ist eine Zukunftsbranche. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gabriele Hiller-Ohm [SPD]) Der Bund hat im Bereich Tourismus nicht allzu viele Zuständigkeiten. Vor allem die Länder sind gefragt, wenn es darum geht, die touristische Infrastruktur zu unterstützen bzw. die Tourismuswirtschaft insgesamt zu unterstützen. Wir können nur über die Deutsche Zentrale für Tourismus im Ausland Marketing für unser Land betreiben, damit mehr Gäste nach Deutschland kommen, damit die Betten, die Restaurants und die Museen gefüllt werden und die Taxifahrer die Touristen fahren können. Zur touristischen Kette gehören nämlich nicht nur Beherbergungsbetriebe und Gaststätten. Nach dem Hochwasser 2002 konnten wir in Dresden ganz klar sehen, wer alles am Tourismus partizipiert. Wenn keine Gäste kommen, dann steht die Hälfte der Dienstleistungswirtschaft still. Das muss man sich immer vergegenwärtigen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deswegen werbe ich dafür, dass die Tourismuswirtschaft auch in der politischen Diskussion eine höhere Bedeutung bekommt und man sich ihrer Probleme annimmt. Oftmals geht man leichtfertig über dieses Thema hinweg. Ein Beispiel dafür ist die Internetseite, die -Berlin zu den hygienischen Zuständen in Gaststätten gemacht hat, ohne zu differenzieren. Manch einem Gastronomiebetrieb wurde dadurch letztendlich die Existenzgrundlage entzogen. Man muss also sensibel vorgehen. Wir müssen uns mit den Problemen der Touristikbranche beschäftigen. Es ist gut, dass im Haushalt mehr Mittel für das Marketing im Ausland eingestellt werden. Das wird sich in den nächsten Jahren sicherlich niederschlagen; wir werden in den nächsten Jahren sicherlich mehr Gäste in Deutschland begrüßen können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Insoweit kann ich Sie alle nur animieren – das gilt vor allem für die Grünen –, dem Haushalt zuzustimmen. Das ist ein guter Haushalt. Es wird nicht lange dauern, bis wir die nächsten Haushaltsdiskussionen führen, dann über den Haushalt 2016. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Lämmel. – Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 09 ist angenommen bei Zustimmung von CDU/CSU und SPD und Ablehnung der Linken und des Bündnisses 90/Die Grünen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.13 auf: Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Drucksachen 18/2823, 18/2824 Berichterstatter sind die Abgeordneten Swen Schulz, Anette Hübinger, Roland Claus und Ekin Deligöz. Zum Einzelplan 30 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Nach interfraktioneller Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Dazu gibt es keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache mit Roland Claus für die Linken. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich will zunächst das Privileg des ersten Redners nutzen, um zu versuchen, darzustellen, welchen Platz dieser Haushalt im Gesamtetat einnimmt. Wir haben es hier nämlich mit einem ganz besonderen Haushalt, der eine gewisse Einzigartigkeit aufweist, zu tun. Bevor ich mich in die Details des Etats begebe, will ich das darstellen. Im Vergleich zu allen anderen Etats des Bundes ist dies ein Haushalt, in dessen Programmtiteln relativ wenig zu verwalten und sehr, sehr viel zu verteilen ist. Wenn man so will, ist Frau Ministerin Wanka damit eine Art ganzjährige Weihnachtsfrau. (Willi Brase [SPD]: Ach, Herr Claus! Sie ist die Wissenschaftsministerin!) Aber: Genau das ist das Problem dieses Ministeriums. Denn Sie verwechseln, und zwar regelmäßig, das Verteilen finanzieller Wohltaten mit den angestrebten Effekten Ihrer Ausgaben. Da haben Sie ein erhebliches Missverhältnis zu beklagen. (Beifall bei der LINKEN – Willi Brase [SPD]: Es sind gigantisch gute Effekte!) – Ja, wir werden nachher wieder hören, dass Sie die Ausgabensteigerungen hervorheben. Selbstverständlich gibt es, zumindest nach meinem Wissen, niemanden im Deutschen Bundestag, der sich nicht dafür einsetzte, mehr Geld für eine bessere Bildung in den Haushalt einzustellen. Das ist nun einmal Konsens. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Aber wir machen es! – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wir machen es – das ist der Punkt!) Aber das Problem dabei ist, dass Sie nicht vergleichen, was wirklich dabei herauskommt, wenn Sie die Aufwendungen erhöhten. Weil diese Erkenntnis bisher noch nicht bei Ihnen fruchtet, muss ich leider folgenden Vergleich wiederholen, Frau Bundesministerin: Gemessen wurden die Bienen nicht an ihren Flugkilometern, sondern an dem Honig, den sie nach Hause brachten. In dieser Hinsicht haben Sie ein Defizit zu beklagen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Seit wann diskutiert denn die Linke über den Nutzen von Ausgaben? Das ist ja etwas ganz Neues!) Leider ist das Ergebnis Ihrer Bildungspolitik, dass die soziale Spaltung der Gesellschaft über den ungleichen Zugang zu Bildung und Studium regelrecht reproduziert wird. Das belegen OECD-Studien, und das wissen wir aus eigenen Erkenntnissen. Aber das muss uns doch zu denken geben. Bei einem solchen Zustand kann man es nicht belassen wollen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Wenn ich mir dann noch den Zustand der frühkindlichen Bildung und den Zustand der Kindertagesstätten im Westen und im Süden dieses Landes anschaue (Willi Brase [SPD]: Wird immer besser!) – da jammert es ja regelrecht den Hund samt Hütte –, muss ich sagen: Es wäre ein Anspruch, zu sagen: Lassen Sie uns doch wenigstens einmal die Kitalandschaft im Westen auf Ostniveau bringen. Aber davon sind wir weit entfernt. Die Linke schlägt Ihnen eine große BAföG-Reform vor. Sie wird eine Menge Geld kosten. Wir wollen 4 Milliarden Euro mehr ins System bringen, um tatsächlich mehr Menschen den Zugang zu einem Studium zu ermöglichen. Dafür wollen wir gerne auf das Deutschlandstipendium verzichten. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wir betonen an dieser Stelle: Markenzeichen linker Haushaltspolitik sind nicht neue Schulden, sondern gerechte Steuersätze, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN – Thomas Dörflinger [CDU/CSU]: Oh! Oh! Oh!) Wir schlagen Ihnen auch eine besondere Hochschulförderung in strukturschwachen Regionen vor, von der vor allem ostdeutsche Hochschulen und Universitäten profitieren würden. Man könnte so auch wirtschaftliche und soziale Nachteile wirklich ausgleichen. Frau Ministerin, ich muss Sie noch auf ein ganz spezielles, gravierendes Problem von vielen Problemen in Ihrem Haushalt hinweisen: Im Bundesministerium für Bildung und Forschung sind 18 externe Mitarbeiter vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt beschäftigt. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt empfängt als Projektträger sehr häufig Zuwendungen des Bundesministeriums. Wir haben es hier nach unserem Verständnis also mit einem klassischen Interessenkonflikt zu tun, da die gleichen Leute, die die Mittel bekommen, im Ministerium möglicherweise mit darüber entscheiden, wie sie vergeben werden. Diesen Zustand wollen wir nicht hinnehmen. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben das als Linke kritisiert; darüber sind Sie hinweggegangen. Inzwischen gibt es aber auch eine Ihnen sehr bekannte kritische Sicht des Bundesrechnungshofes. Wenn Sie schon die Opposition nicht ernstnehmen wollen: Eine solche Ignoranz gegenüber dem Bundesrechnungshof ist beispiellos und nicht zu akzeptieren. (Beifall bei der LINKEN) Frau Bundesministerin, Sie haben sich nun auch zu dem Nacht-und-Nebel-Sonderprogramm, den Investitionen in Höhe von 10 Milliarden Euro, geäußert. Sie sind von der Welt gefragt worden – das ist am 25. November 2014 erschienen –: „Für welche Investitionen plädieren Sie?“ Ihre Antwort war: … ich freue mich, dass neben der Infrastruktur auch Bildung und Forschung – jetzt kommt es – genannt worden sind. Was heißt denn das: „genannt worden sind“? Das heißt doch: Ein Gönner hat das verkündet; es hat keine Kabinettsberatung vor der Veröffentlichung gegeben. Das ist doch nun wirklich Haushaltspolitik nach Gutsherrenart. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Bei dem Käse klatscht nicht einmal die eigene Fraktion!) Es ist „genannt worden“. Sie haben an dieser Entscheidung also offenbar überhaupt nicht mitwirken können. Außerdem verweisen wir Sie darauf, dass bislang noch kein Wort zur Gegenfinanzierung dieses Programms gesagt worden ist. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Als ob Sie sich schon einmal Gedanken über eine Gegenfinanzierung gemacht hätten!) – Ja, natürlich, das habe ich Ihnen ja gerade erklärt. Oder muss ich das wiederholen, weil Sie es noch immer nicht verstanden haben? Markenzeichen linker Haushaltspolitik sind nicht neue Schulden, sondern gerechte Steuern. (Beifall bei der LINKEN) Sie wollten Deutschlands Zukunft gestalten. Angekommen sind Sie bei der schwarzen Null. Zukunftsfähigkeit sieht anders aus. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Claus. – Nächste Rednerin in dieser Debatte ist Anette Hübinger für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Anette Hübinger (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin Wanka! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine verehrten Damen und Herren auf der Tribüne! Am Ende des vergangenen Monats ist mir ein Kommentar in der Presse aufgefallen. Der Titel lautete – ich zitiere –: „Deutschland muss in Europa ein Vorbild sein“. In diesem Kommentar wurde sehr überzeugend dargestellt, warum man an der schwarzen Null, an der Konsolidierung des Haushaltes, festhalten muss und dieses Ziel nicht einfach aufgeben sollte, wenn es eine kleine Konjunkturdelle gibt. Ich bin stolz, dass wir für 2015 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können und auch beschließen werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sparen ist aber kein Selbstzweck. Mit dem Bundeshaushalt 2015 treten wir deshalb auch den Beweis dafür an, dass man finanzielle Konsolidierung und Zukunftsinvestitionen sehr wohl miteinander verbinden kann und auch muss. Der Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung ist dafür das beste Beispiel. Wir beraten heute abschließend über die schwarze Null, aber auch über einen Rekordetat dieses Ministeriums, der 2015 fast 15,3 Milliarden Euro umfassen wird. Hinzu kommt, dass diese Rekordinvestition keine Eintagsfliege ist. Vielmehr ist der Bildungs- und Forschungsetat in den letzten Jahren immer maßgeblich angestiegen. Von 2005 bis heute haben wir ihn sogar verdoppelt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch die Große Koalition wird diese Entwicklung weiterführen. Ich glaube, dass wir uns in der Großen Koalition am Ende dieser Legislaturperiode sehr gerne daran messen lassen werden, ob wir das erreicht haben oder nicht. Das Ministerium für Bildung und Forschung hat auch dieses Mal einen Haushaltsentwurf vorgelegt, in dem inhaltliche Kontinuität und neue thematische Akzentsetzungen gleichermaßen berücksichtigt sind. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an Ministerin Wanka und die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium für diese sehr gute Arbeit in den vergangenen Jahren! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die richtigen inhaltlichen Schwerpunktsetzungen in Bildung und Forschung und die finanzielle Verlässlichkeit in diesem Bereich haben dazu geführt, dass Deutschland in Bildungsfragen stark aufgeholt hat, für seine duale Berufsausbildung beneidet wird und in der Forschung zur internationalen Spitze gehört – eine Entwicklung, die weltweit aufmerksam verfolgt wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auf diesen Erfolgen sollten wir uns nicht ausruhen. Das heißt aber nicht, dass wir jedes Jahr das Rad neu erfinden müssen. Neu ist allerdings, dass der Bund die BAföG-Kosten der Länder auf Dauer übernehmen wird. Das sind für die Länder Einsparungen in einer Höhe von ungefähr 1,2 Milliarden Euro jährlich. Die Länder haben versprochen, dieses Geld im Bildungsbereich zu investieren. Darauf werden wir achten. Neu ist auch das gemeinsame Bund-Länder-Programm „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, das der Bund mit 45 Millionen Euro finanziert. Ziel dieses Programms ist die nachhaltige Verbesserung der Lehrerausbildung, von der Profilierung und Optimierung der Strukturen der Lehrerbildung an den Hochschulen bis hin zur Fortentwicklung der Lehrerbildung in Bezug auf die Anforderungen der Heterogenität und der Inklusion. Da dies ein guter Haushaltsentwurf ist, haben wir im Detail genau hingeschaut, wo wir nachsteuern wollen und können. Erhöht haben wir in Zusammenarbeit mit den Fachpolitikern der Koalition zum Beispiel die Titel für berufliche Bildung, insbesondere für die Berufsorientierung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir geben hierfür 12 Millionen Euro mehr und erhöhen damit den Titel auf 77 Millionen Euro. Erhöht haben wir aber auch den Titel für die überbetrieblichen Ausbildungsstätten, weil wir dort einen Mehrbedarf für Renovierungen sehen, aber auch einen Mehrbedarf, um diese Ausbildungsstätten zu Kompetenzzentren in der beruflichen Ausbildung weiterzuentwickeln. 10 Millionen Euro zusätzlich ist eine stolze Summe. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Diese Erhöhungen zeigen, dass wir in der Koalition die berufliche duale Ausbildung genauso wertschätzen und ihr genauso viel Aufmerksamkeit schenken wie der akademischen Bildung. Auch Themen wie Alphabetisierung, Forschung an Fachhochschulen oder die Stärkung von Forschungsaktivitäten im Bereich der vernachlässigten und armutsassoziierten Krankheiten finden Sie im Koalitionsvertrag. Die Umschichtungen zugunsten dieser Bereiche zeigen, dass die CDU/CSU, aber auch die SPD die Umsetzung des Koalitionsvertrages sehr ernst nehmen. Er ist die Leitlinie unseres Handelns. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Oft geht es auch gar nicht um ganz große Summen. Ich will Ihnen dies an einem Beispiel verdeutlichen. Wir haben für das „Haus der kleinen Forscher“ 1 Million Euro zusätzlich bereitgestellt. Mit dem „Haus der kleinen Forscher“ sollen die Neugier der Kinder und das Interesse für naturwissenschaftliche Vorgänge geweckt werden. Wir wollen diesen Bildungsansatz verstetigen. Deswegen wird dieses Programm für Kinder im Grundschulalter fortgesetzt und mit 2 Millionen Euro jährlich unterstützt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn ich schon über kleinere Veränderungen in einem Milliardenhaushalt spreche, möchte ich auch darauf hinweisen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass ein Ministerium die Veränderungen, die die Mitglieder des Haushaltsausschusses in Kooperation mit den Fachpolitikern beschlossen haben, fortführt. Vielmehr beschließen wir immer nur den Haushaltsplan für das kommende Jahr. Hier muss ich das BMBF loben: Die Änderungen sind zumeist vollumfänglich fortgeführt worden, sodass wir nicht immer wieder von vorne anfangen müssen und neue Akzente setzen können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD]) Die Änderungsanträge von 2014 bis 2015 ziehen, wenn man sie bis zum Ende der Legislaturperiode hochrechnet, eine Festschreibung von 370 Millionen Euro nach sich. Ich kann mir vorstellen, dass auch in den folgenden Jahren die Fachpolitiker oder auch die Haushaltspolitiker noch einige Wünsche haben. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: So ist das!) Jeder umgeschichtete Euro wurde durch eine seriöse Gegenfinanzierung innerhalb des Haushalts gedeckt. Auch da unterscheiden wir uns in unserem Anspruch etwas von den lieben Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wie ein Blick auf die Zahlen zeigt: Die Grünen fordern Umschichtungen in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro; davon sind 230 Millionen Euro gegenfinanziert. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das war alles gedeckt, Frau Hübinger! Das wissen Sie!) Die Linke setzt dem die Krone auf; von 6,6 Milliarden Euro an Umschichtungen sind 810 Millionen Euro gegenfinanziert. Seriöse Haushaltspolitik zum Wohle von Bildung und Forschung sieht meiner Ansicht nach etwas anders aus. (Beifall bei der CDU/CSU) Allein mit Fantasie an diese Sache heranzugehen ist, denke ich, nicht der richtige Weg. Ich möchte Ihnen aber zugestehen, dass Sie, insbesondere auf der linken Seite, ohnehin eine ganz andere Politik wollen. Aber zurück zur Realität. Der Blick auf den Haushalt 2015 zeigt, dass es für die Koalition immer noch oberste Priorität hat, dass der Bereich Bildung und Forschung an erster Stelle steht. Ich glaube, wenn wir in künftigen Haushalten Spielräume haben, kann man für die Zukunft unseres Landes und unserer Kinder am allerbesten in diesen Bereich investieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zum Schluss darf ich mich noch ganz herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen Mitberichterstattern bedanken. Ich danke insbesondere unserem Hauptberichterstatter Swen Schulz für das kollegiale Miteinander und seine optimale Führung dieser Haushaltsverhandlungen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Roland Claus [DIE LINKE] und Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich darf mich aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums und in den Fraktionen bedanken; denn es ist nicht einfach, nächtelang über einem Haushalt zu brüten. Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Hübinger. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Ekin Deligöz für Bündnis 90/Die Grünen. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin, am Dienstag waren wir zur Einweihung des neuen Gebäudes Ihres Ministeriums eingeladen. Ich gratuliere auch in unserem Namen zu diesem Gebäude. Es ist sehr innovativ, zumindest in energetischer Hinsicht. Darüber freue ich mich als Grüne ganz besonders, und ich hoffe, dass sich das Innovative auch auf Ihre Politik niederschlägt, die uns in Zukunft aus Ihrem Hause erwartet. Mit Blick auf Ihren Haushalt hört das Feiern aber wieder auf. Ich hätte mir etwas mehr gewünscht. Frau Hübinger, Sie haben behauptet, wir hätten Forderungen gestellt, deren Finanzierung nicht gedeckt ist. Sie wissen es besser. Sie wissen, dass wir einen Antrag vorgelegt haben, mit dem wir bei den ökologisch schädlichen Subventionen angesetzt haben. Wir haben damit beispielhaft dargelegt, wo man einsparen und wo man investieren kann. Bei uns war jeder Cent gedeckt. Ihre Behauptung lassen wir so nicht stehen. Ich lasse das für meine Fraktion nicht gelten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Jahr 2014 haben Sie mit der Ankündigung von 9 Milliarden Euro Investitionen in Bildung und Forschung begonnen. Das klingt gut. Allein mir fehlt der Glaube; denn – damit kommen wir zum Kern – dieser Bundeshaushalt ist auf Sand gebaut. Warum? Sie setzen auf gute Steuereinnahmen und darauf, dass die Konjunktur weiter anhält. Sie setzen auf niedrige Arbeitslosigkeit und niedrige Zinsen. Wenn aber die Steuereinnahmen nur um einen Hauch sinken und zum Beispiel einen halben Prozentpunkt geringer ausfallen, dann klafft in Ihrem Haushalt schon eine Lücke von 14 Milliarden Euro. Sie werden sich daran messen lassen müssen, ob es Ihnen gelingt, in zwei Jahren endlich eine BAföG-Erhöhung durchzusetzen und die versprochenen 9 Milliarden Euro auch tatsächlich in dieser Höhe zu investieren. Zurzeit reden wir nur von Versprechen, aber nicht von der tatsächlichen Umsetzung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Alles Gesetze!) Schon jetzt muss dieser Haushalt eine große Last tragen. Sie haben unter den vielen Einzelplänen die größte globale Minderausgabe mit fast einer halben Milliarde Euro auferlegt bekommen, obwohl der Minister, die Kanzlerin und Sie selber wahrscheinlich auch gleich wieder immer behaupten, Bildungsinvestitionen seien wahre Zukunftsinvestitionen. Vorne bringen Sie das Geld zur Tür herein, aber hinten holen Sie es durchs Fenster wieder heraus. Sie tricksen und machen leere Versprechungen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ärgerlich ist auch, dass das Bildungsministerium wegen des unsinnigen Betreuungsgeldes sparen muss. Sie haben zwar den Gesamtansatz für das Betreuungsgeld in der Bereinigungssitzung um 100 Millionen Euro gesenkt. Aber statt die GMA im gleichen Maße zu verringern, hat der Finanzminister die GMA im Bildungsetat um weitere 70 Millionen Euro erhöht. Rechte Hand, linke Hand – Sie tricksen, meine Damen und Herren. Sie reden hier von Innovation und heraus kommen Sparmaßnahmen im Bildungsetat, also genau dort, wo Investitionen stattfinden müssten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Thema verfehlt! Keine Ahnung!) Was mir wirklich Bauchschmerzen macht, Frau Ministerin – da haben wir offensichtlich einen Dissens, den ich hier auch benenne –, sind die Kosten für den Rückbau bzw. die Stilllegung atomarer Forschungsanlagen. Als Haushälterin mache ich mir wirklich Sorgen darüber, wie die explodierenden Kosten diesen Haushalt von Jahr zu Jahr stärker belasten werden. Als Grüne bin ich überzeugt davon, dass es richtig ist, gegen kerntechnische Anlagen, gegen Atomforschung anzugehen. Da haben wir einen Dissens. Sie sagen nämlich noch immer, die Forschung an der Kernfusion, die Forschung an der Atomenergie sei Zukunftsforschung. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sehr richtig! Gut erkannt!) Ich sage Ihnen: Das ist rückständige Forschung, das ist Festhalten an Dinosauriertechnologien. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Da klatscht noch nicht einmal Ihre Fraktion!) Wir hier in Deutschland, wir können anders; Innovation geht anders. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Bundesregierung will Atommüll aus dem Forschungszentrum Jülich in die USA abschieben. Ich sehe das kritisch und sage Ihnen auch, warum. Sie behaupten, das sei Forschungsmüll. Das ist aber falsch. Fakt ist, dass in diesem Reaktor jahrzehntelang kommerziell Strom erzeugt und durch den Verkauf auch Geld verdient wurde. (Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: So ein Quatsch!) Daher handelt es sich nicht um Forschungsmüll. Damit gilt das Gesetz, dass Wiederaufbereitung im Ausland – seit 2005 – verboten ist. Damit haben wir die Verantwortung, eine Lösung in Deutschland zu finden, und damit sind Sie dazu verpflichtet, nach dieser Lösung zu suchen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Unfug!) Wir können nicht sagen: „Aus den Augen, aus dem Sinn“, sondern müssen uns dieser Verantwortung stellen. Sie müssen sich dieser Verantwortung stellen. Ducken Sie sich da bitte nicht weg! (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde übrigens, dass die Stilllegung von Forschungsreaktoren gar nicht in diesen Haushalt gehört. Eigentlich gehören diese Aufwendungen in einen anderen Haushalt, nämlich in den Haushalt eines Ressorts, wo tatsächlich Wissen und Know-how im Umgang mit Atommüll vorhanden sind: in das BMU. In Anbetracht der Tatsache, was da auf uns zukommt, könnten wir auch über das Finanzministerium direkt reden; besser wäre meines Erachtens aber das BMU. Fakt ist doch: An erster Stelle muss die Sicherheit stehen. Ich glaube, allein deswegen sollte das Bildungsministerium in seinem eigenen Interesse mit daran arbeiten, dass diese Aufgabe nicht in diesem Haushalt verbleibt, sondern in einen anderen Haushalt wandert. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Abschließend bedanke ich mich bei unserem Hauptberichterstatter Swen Schulz; er hat das sehr gut gemacht. Ich danke zudem allen Berichterstattern und auch dem Ministerium, dass sie gute Ideen übernommen haben. Ich bin als Politikerin schon immer überzeugt gewesen, dass sich gute Ideen durchsetzen. Als wir unsere Anträge eingebracht haben, dass die Kürzungen im Bereich der beruflichen Bildung zurückgenommen werden sollen, hat die Koalition noch dagegen gestimmt. Sie wurden eines Besseren belehrt. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Quatsch! Das ist jetzt wirklich Trickserei!) Gute Argumente setzen sich eben durch; am Ende zählt das Ziel. Wenn die Ideen von den Grünen kommen, umso besser. Ich freue mich auch, dass wir jetzt eine Aufwertung im Bereich der Friedensforschung und der Fachhochschulen haben; auch das sind lange erhobene Forderungen der Grünen. Wir bleiben zuverlässige Partner, wenn es um Bildung und Forschung geht. Eines unterscheidet uns von Ihnen: Wir tricksen nicht. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nur manchmal!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Deligöz. – Nächster Redner in der Debatte: Swen Schulz für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Swen Schulz (Spandau) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollegin Deligöz, eigentlich hatten Sie so einen schönen Schluss gefunden – das war so versöhnlich –; doch dann kam das mit dem Tricksen. Wir sollten uns da gegenseitig ein bisschen auf den Stand der Dinge bringen: Dieser Haushalt ist seriös ausfinanziert. Wir haben das in sehr intensiven Haushaltsberatungen sichergestellt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das hat eine ganze Menge Arbeit gemacht, mehr, als man von außen erkennen kann. Darum will ich mich in meiner Funktion als Hauptberichterstatter bei meinen Berichterstatterkolleginnen und -kollegen auch noch einmal ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken. Vor allem aber richtet sich mein Dank an die fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Abgeordnetenbüros, in den Fraktionen, natürlich auch im Ministerium, die uns Berichterstatter dabei unterstützt haben. Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen. Herzlichen Dank von uns allen! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Neulich habe ich hier im Plenum davon gesprochen, dass Ministerin Wanka sicher jeden Tag dem Himmel für die SPD dankt; denn wir haben die Ausgaben für Bildung und Forschung im Vergleich zur schwarz-gelben Finanzplanung deutlich erhöht. Heute will ich das erweitern. Frau Ministerin, Sie werden sich bestimmt glücklich schätzen, dass Sie mit einem so engagierten Parlament zusammenarbeiten; denn wir Parlamentarier haben es geschafft, den guten Regierungsentwurf noch ein Stück weit zu verbessern. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Insgesamt sind es 25 Änderungen geworden. Manche wie die zusätzliche Million beim „Haus der kleinen Forscher“, von der Frau Hübinger sprach, sind klein, aber fein. Manche sind ein wenig größer. Ich habe gestern die Debatte der ersten Lesung im September dieses Jahres nachgelesen. Was damals vonseiten der Koalitionsfraktionen an Themen angesprochen wurde, haben wir in den Haushaltsberatungen Punkt für Punkt abgearbeitet. Wir können heute klar sagen: Die Koalition hat Wort gehalten, und der Deutsche Bundestag macht einen Unterschied. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Im Rahmen der mir zur Verfügung stehenden Redezeit kann ich nicht auf alle Bereiche eingehen, die wir berücksichtigt haben. Lassen Sie mich daher einige herausgreifen, ohne mir das als Mangel an Wertschätzung für die anderen Themen auszulegen. Sie können sicher sein, dass wir alle Fragen intensiv erörtert haben. In den Beratungen sind von verschiedenen Abgeordneten – auch von der Opposition – Hinweise gekommen, dass wir die berufliche Bildung noch stärker betonen müssen. Das haben wir getan. 22 Millionen im Jahr 2015 und 55 Millionen Euro in den folgenden Jahren stellen wir mehr zur Verfügung, um 20 000 zusätzliche Plätze für die Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern sowie überbetriebliche Berufsbildungsstätten zu finanzieren. Das ist ein starkes Signal in Richtung beruflicher Bildung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir werden in den nächsten Jahren noch mehr für die berufliche Bildung tun. Dazu gehört auch das Meister-BAföG. Beim Schüler- und Studierenden-BAföG haben wir vorgelegt. Nun müssen wir für die beruflich Qualifizierten nachlegen. Diese Fachkräfte sind uns nicht weniger wichtig. Wir werden das mit einer entsprechenden finanziellen Verstärkung unterlegen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben in den parlamentarischen Beratungen noch etwas für die Produktions, Arbeits- und Dienstleistungsforschung draufgelegt. Das ist nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein wichtiges Feld. Alle reden über die Industrie 4.0. Die Wirtschaftswelt und die Arbeitsplätze verändern sich massiv. Wir wollen die Umbrüche stärker erforschen und die Folgen positiv gestalten. Es ist uns wichtig, gemeinsam mit der Wissenschaft, der Wirtschaft und den Gewerkschaften zu Konzepten zu kommen, damit wir im Wettbewerb Schritt halten und gleichzeitig gute Arbeit schaffen. Der Wandel darf nicht zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen. (Beifall bei der SPD) Ein weiterer Schwerpunkt sind die Alphabetisierung und die Grundbildung. Auch da haben wir den Ansatz erhöht. Wir liegen nun beim Doppelten des Jahres 2013. Es geht dabei nicht um Nobelpreise und Hightech. Trotzdem ist das sehr wichtig. Gemeinsam mit dem Staatssekretär Müller habe ich neulich eine Veranstaltung zu diesem Thema besucht. Es ist wirklich beeindruckend, von den erwachsenen Menschen, die alphabetisiert werden, und den Projekten zu lernen, was Alphabetisierung für gesellschaftliche Teilhabe und Chancen individuell bedeutet. Mit relativ wenig Geld können wir da wirklich eine Menge bewirken. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das Ministerium entwickelt gemeinsam mit den Ländern das Konzept für eine ganze Alphabetisierungsdekade. Der Bundestag wird das mit gutem Rat und Unterstützung begleiten. Wir wissen: Jeder Bürger, dem wir damit auf seinem Lebensweg helfen, stellt einen großen Erfolg für uns alle dar. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben noch viel mehr gemacht, für die digitalen Medien in der Bildung, die Friedensforschung, die kleinen Fächer, die Stärkung Deutschlands im europäischen Forschungs- und Bildungsraum, die Forschung an den Fachhochschulen, die Gesundheitsforschung und die Kitas. Ich will nun zu dem einzigen Punkt kommen, an dem es in der Koalition ein Stück weit gehakt hat. Ich will das hier offen ansprechen. Das muss man nicht verschweigen. Schließlich bleiben wir auch in der Koalition unterschiedliche Parteien; das ist gut so. Ich meine das Ganztagsschulbegleitprogramm. Wir von der SPD sind der Auffassung, dass sich der Bund trotz der Zuständigkeit der Länder für die Schulen aus diesem erfolgreichen Programm nicht ganz herausziehen sollte. (Beifall bei der SPD – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Dann hätten Sie das im Koalitionsvertrag vereinbaren müssen!) Die Union will nur die Forschung weiter finanzieren, nicht aber das Beratungsnetzwerk und den bundesweiten Ganztagsschulkongress. Obwohl die Union hier sehr klar ist und ihre respektablen Gründe hat, ist sie uns für das Jahr 2015 so weit entgegengekommen, dass wir eine nochmalige und letztmalige Finanzierung vonseiten des Bundes vorsehen. Wir setzen nun darauf, dass die Länder die Zeit nutzen und künftig eine andere Lösung finden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Insgesamt hat der Haushaltsausschuss, wie gesagt, 25 Änderungsanträge beschlossen. Wir mussten auch eine Gegenfinanzierung für unsere Ausgabenwünsche vorsehen. Nur mehr Geld zu fordern, wäre allzu leicht gewesen. Wir haben Positionen gefunden, in denen die Ausgaben nicht in der geplanten Höhe umsetzbar sind, etwa beim Deutschlandstipendium, beim Haus der Zukunft und bei einigen Investitionsvorhaben. Unsere Anträge wurden auch von der Opposition im Haushaltsausschuss überwiegend angenommen oder mit einer freundlichen Enthaltung bedacht. Es gab nur wenige Ablehnungen. Ganz schlecht können unsere Änderungen also nicht gewesen sein. Ich will noch darauf hinweisen, dass die Zusammenarbeit mit Frau Hübinger sehr zielführend und verlässlich ist. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das war immer so!) Auch mit den beiden Oppositionsberichterstattern ist es sehr konstruktiv und angenehm. Ich weiß jetzt zwar nicht, ob euch das hilft, wenn ich das hier so sage; (Roland Claus [DIE LINKE]: Keine Scheu!) aber ihr müsst jetzt mit diesem Lob klarkommen. (Beifall bei der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Da sind wir ganz anderes gewöhnt!) Wir schauen auch über das Jahr 2015 hinaus. Die deutsche Bildungs- und Forschungspolitik hat in den letzten gut 15 Jahren über die verschiedenen Regierungen hinweg – Rot-Grün, Schwarz-Rot, Schwarz-Gelb – lange Linien entwickelt, und wir setzen noch einmal ordentlich eins drauf und entwickeln diese langen Linien weiter. Wir verlängern den Hochschulpakt, wir verlängern den Pakt für Forschung und Innovation, wir übernehmen das BAföG komplett und stärken es, und wir führen die Exzellenzinitiative verändert weiter. Das ergibt ein erhebliches Haushaltsvolumen in den nächsten Jahren, das ich hier lieber nicht näher beziffern will; sonst bekommen ein paar Haushälter Schweißausbrüche. Es wird noch besser: Mit dem Investitionspaket für 2016 bis 2018 entfällt schon einmal die Umlage für das Betreuungsgeld. Das sind über 100 Millionen Euro jährlich. (Beifall bei der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Besser wäre, das Betreuungsgeld zu streichen!) Ich sage dazu: Endlich haben wir das erreicht. Mich hat die ganze Zeit geärgert, dass der Bildungshaushalt mit diesem unsinnigen Betreuungsgeld belastet wird. Damit ist jetzt Schluss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Hinzu kommen in den nächsten Jahren je über 300 Millionen Euro zusätzliche freie Mittel. Dann stellt sich auch noch die Frage, was wir mit den weiteren Mitteln für Investitionen machen werden. Das werden wir in den nächsten Monaten erörtern. Das sind schon ordentliche Perspektiven. Ich würde jetzt gerne noch erläutern, was wir auf Vorschlag der SPD mit dem Geld machen wollen, aber ich darf nicht. Die Präsidentin leuchtet schon. (Heiterkeit) – Sie leuchtet mir den Weg. Vizepräsidentin Claudia Roth: Auch mir tut es leid. Es ist zwar bald Weihnachten, aber es geht nicht. Bitte kommen Sie zum Ende. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Mein Fazit: Wir haben einen guten, einen Rekordhaushalt 2015 heute hier zur Abstimmung vorliegen. Ab der nächsten Woche machen wir uns dann an den noch besseren Haushalt für die nächsten Jahre. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich kann auch nichts dafür, dass die Reden immer so kurz sind. Aber Sie wissen: Wir haben noch einen langen Tag vor uns, und wir hängen unglaublich. Bisher haben Sie sich in dieser Debatte überpünktlich an die Redezeiten gehalten. Ich begrüße meinen Kollegen Hintze auf der Tribüne. Schönen guten Tag, Herr Kollege! Ich fahre fort in der Rednerliste und erteile Frau Bundesministerin Professor Johanna Wanka das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir diskutieren seit Dienstag in zweiter Lesung den Haushalt für das Jahr 2015. In fast allen Redebeiträgen ist von der schwarzen Null und davon, keine neuen Schulden mehr zu machen, geredet worden. Das ist ein Kraftakt. Seit Jahrzehnten ist das nicht mehr gelungen. Sie können sich vorstellen, dass es natürlich nicht nur bei uns, sondern in vielen Ressorts Wünsche gibt. Trotz der schwarzen Null und der Tatsache, dass keine neuen Schulden aufgenommen werden, hat der Einzelplan des BMBF, über den wir gerade reden, eine Steigerung von diesem Jahr auf das nächste um 8,7 Prozent erfahren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Das bedeutet erfolgreiche Konsolidierung und auch erfolgreiche Schwerpunktsetzung. Frau Deligöz, Sie wissen es besser, und ich habe es schon oft gesagt: Diese Steigerung ist netto, also unter Abzug der globalen Minderausgabe. Das ist das Geld, das zusätzlich hinzukommt, rund 1,2 Milliarden Euro. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Insgesamt umfasst der Haushalt des BMBF 15,3 Milliarden Euro. Damit steigt er zum neunten Mal in Folge. Seit 2005, seit Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, sind die Haushaltsmittel jedes Jahr gestiegen. Nun kann man meinen, dass Bildung und Forschung überall auf der Welt wichtig sind. Schauen Sie sich einmal in Europa um. Schauen Sie sich einmal an, welche Länder in Europa nicht gekürzt haben. Ich will jetzt gar nicht von Griechenland reden, wo die Mittel um 40 Prozent gekürzt worden sind. Ich will auch nicht von Großbritannien reden. Es gibt kaum Länder – in Norwegen und in Schweden ist es noch so ähnlich –, die die Mittel gehalten oder gar erhöht haben. Das heißt, das ist nicht trivial. Es ist eine große Leistung, diese Schwerpunktsetzung in der Bundesrepublik Deutschland so konsequent durchgehalten zu haben. Das muss uns erst einmal einer nachmachen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Jetzt stellt sich die Frage, was die Opposition macht. Es liegen Änderungsvorschläge von Bündnis 90/Die Grünen vor. Natürlich legt die Opposition Änderungsvorschläge vor. Änderungsvorschläge machen aber auch eigene Leute. (Willi Brase [SPD]: Ist auch richtig!) Diese Änderungsvorschläge umfassen ein Volumen von 1,2 Milliarden Euro. Das ist noch einmal so viel wie die von uns vorgesehene Steigerung. Nur mal so zur Orientierung, um das ein bisschen einzuordnen: Der Betrag in Höhe von 1,2 Milliarden Euro ist der Betrag, um den Sie in Ihrer Regierungszeit auf Bundesebene in sieben Jahren den BMBF-Haushalt gesteigert haben. Diese Steigerung fordern Sie nun für ein Jahr. Ich denke, an dieser Stelle wird sehr deutlich, wie Taten und Worte auseinanderklaffen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Linke will natürlich nicht nur 2,4 Milliarden Euro mehr. Das hätte auch niemand gedacht. Die Linke will auch nicht 3 Milliarden Euro oder 5 Milliarden Euro, sondern 7 Milliarden Euro mehr, die die Linke einschließlich unserer Steigerungen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro mit ihren Änderungsanträgen insgesamt beantragt. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Gott bewahre!) Meine Damen und Herren, ich wünsche mir, dass Sie in dem Bundesland, in dem Sie Einfluss haben, in dem Sie Mitglied der Regierung sind, wenigstens dafür sorgen würden, wofür Sie in den vergangenen Jahren nicht gesorgt haben, nämlich dass das Geld, das vom Bund kommt und in dieses Land fließt, bei den Hochschulen und den Studierenden ankommt. Das wünsche ich mir. (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist klar: Oppositionsarbeit hat ihre eigenen Regeln. Ich war selbst auch einmal in der Opposition. Das ist völlig klar. Bei Forschung und Bildung brauchen wir meines Erachtens aber etwas anderes. Hierbei brauchen wir Verlässlichkeit und einen langen Atem. Deswegen ist ein ausgeglichener Haushalt die beste Basis dafür, dass wir auch in Zukunft Spielräume für diesen Bereich gewinnen und darüber diskutieren, was wir mit diesen 10 Milliarden Euro machen. Das ist der Unterschied. Ich glaube, Sie möchten gerne Politik für den Augenblick und für den Beifall. Wir wollen eine Politik der Verantwortung. Diese muss einen langen Atem haben. Das zeigt dieser Haushalt. Das zeigt auch die Steigerungsrate in dieser Legislaturperiode im BMBF-Haushalt in der vorliegenden Fassung. Mindestens 25 Prozent werden in dieser Legislaturperiode hinzukommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Claus, ich kann die Bemerkung überhaupt nicht nachvollziehen, wir seien den Nachweis schuldig geblieben, was mit den dem BMBF zur Verfügung gestellten Mitteln gemacht wurde. Sehen wir einmal von den Evaluationen ab, die wir zu allen unseren Programmen machen, um einen Überblick über die Auswirkungen unserer Programme zu gewinnen. Der Beleg ist doch unsere Stellung in der Wissenschafts- und Forschungsszene. Wir sind international spitze. Bei Innovationsrankings sind wir ganz weit vorn. Das ist der Beleg dafür, dass das, was gemacht wurde, richtig und wichtig ist. Es geht nicht nur darum, dass man mehr Geld ausgibt, sondern auch darum, wie man es ausgibt. Derzeit sind wir in der Situation, dass Studierende und Forscher aus der ganzen Welt zu uns kommen und wir richtig gute Spitzenforscher bekommen. Das haben wir auch durch Strategien erreicht. Deswegen sage ich, dass ich stolz darauf bin, dass wir im Jahr 2014 als erstes europäisches Land eine Strategie für den europäischen Forschungsraum entwickelt haben. Dabei wurde auch berücksichtigt, wie Deutschland das sieht und was Deutschland macht. Wenn heute der neue Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation zu mir kommt, dann werden wir darüber reden, wie man eine Stärkung Europas insgesamt erreichen kann. Wir sind in Deutschland gut. Das nützt uns aber nur, wenn wir als europäischer Bereich glänzen in Konkurrenz zu den anderen Standorten auf der Welt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Von dem Geld, das in den vergangenen Jahren in diesen Haushalt geflossen ist, ist ganz viel da angekommen, wo Bildung und Forschung betrieben werden, nämlich in den Ländern, und zwar über den Pakt für Forschung und Innovation, über den Hochschulpakt und über die Exzellenzinitiative. Jetzt machen wir aber etwas, was es zuvor noch nicht gab. Ab dem 1. Januar zahlt der Bund das BAföG komplett. Wo da ein Schattenhaushalt sein soll oder wo man da sozusagen einen Türken gebaut hat – –. Das meine ich jetzt nicht in Richtung von Herr Mutlu. Nicht, dass Sie gleich einen Schreck bekommen. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kommen Sie auf mich? Müssen Sie an mich denken, wenn Sie an Türken denken?) – Nein. Sie schauten so kritisch; deswegen habe ich an Sie gedacht. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich denke, dass wir noch viel vor uns haben!) – Wir beide, ja. – Entschuldigung! Ich habe nach einer Vokabel gesucht, die das, was Frau Deligöz angesprochen hat, ausdrückt. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Tricksen“ ist das Wort!) – „Tricksen“, ja, tricksen. Ich kam nicht darauf. Was ein Trick daran sein soll, dass der Bund ab 1. Januar 2015 – das ist in etwas mehr als einem Monat – vollständig die Mittel für das BAföG zur Verfügung stellt, das müssen Sie mir einmal erklären. Das ist hartes Geld. (Beifall bei der CDU/CSU) Was man mit dem zusätzlich zur Verfügung stehenden Geld alles machen kann! Wir haben es ins Gesetz geschrieben: Dieses Geld ist insbesondere für die Hochschulen gedacht. Wir alle wissen, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen trotz der vielen Gelder, die der Bund gegeben hat, nicht gestiegen ist. Rein theoretisch könnte die Grundfinanzierung aller Hochschulen – der ganz großen in München oder in Berlin und der ganz kleinen – ab dem 1. Januar 2015, also fast ab sofort, dauerhaft um 5 Prozent steigen. Es gilt, dieses Geld richtig einzusetzen. Dieses Geld kann für die Finanzierung unbefristeter Stellen verwendet werden. Es ist ein geeignetes Instrument zur Lösung des Problems, wissenschaftlichen Nachwuchs zu finden. Dieses Instrument liegt auf dem Tisch der Länder. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wieso klatscht da die SPD nicht? – Gegenruf des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich erkläre es euch gleich!) Meine Damen und Herren, Henry Ford sagte einmal: Was ein Land ausmacht, entscheidet sich nicht erst in den Forschungslaboren und in den Fabrikhallen, sondern in den Schulen. – Wir setzen früher an: in der Kita. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Das „Haus der kleinen Forscher“ gibt es seit einer Reihe von Jahren. Wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen vorgenommen, 80 Prozent aller Kinderbetreuungseinrichtungen mit dieser Initiative zu erreichen. Erreicht haben wir jetzt schon die vierten Klassen der Grundschulen. Außerdem unterstützen wir die Eltern der Schüler, die sich für diese Initiative interessieren. Dass wir mit einem ganzen Stab von Mitarbeitern ein wirklich gutes System aufgebaut haben, ist etwas, worauf wir stolz sein können. Das, was wir aufgebaut haben, wird ja auch wertgeschätzt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Mehr Schulklassen zu erreichen, ist unser nächster Schritt. Dreh- und Angelpunkt in den Schulen sind natürlich die Lehrer, deren Qualität, deren Geschick. Wir haben viele positive Nachrichten über die Wertschätzung der Lehrer durch die Kinder. Der Bund gibt ab dem nächsten Jahr ohne Kofinanzierung 500 Millionen Euro aus – die nötigen Ausschreibungen laufen jetzt schon; Entscheidungen werden bereits getroffen –, damit die Lehrerbildung in den Ländern – sie tragen ja die Hauptlast; Lehrerbildung ist ihre Aufgabe – ermöglicht, dass Neues ausprobiert werden kann, dass die Qualität gesteigert werden kann, dass man sich auf die neuen Herausforderungen einstellen kann. Die Problemlage bei der beruflichen Bildung kennen wir alle. Das Entscheidende dabei ist für mich nicht ein neues Programm, sondern flächendeckend etwas zustande zu bringen. Das heißt, präventiv, also nicht erst, wenn jemand 35 ist und keinerlei Abschluss hat, und individuell, auf den Einzelnen und seine Fähigkeiten ausgerichtet, zu beraten. Das ist mit den Summen, die wir in unserem Etat haben, nicht leistbar. Ich bin sehr froh, dass wir, mein Ministerium, das Arbeitsministerium und die Bundesagentur für Arbeit, uns verständigt haben und in den nächsten Jahren über 1 Milliarde Euro für die Berufseinstiegsbegleitung, für die Unterstützung der Bildungsketten einsetzen. Ich freue mich auch, dass die Titelansätze in unserem Haushalt über das, was Sie sich gewünscht haben, hinaus ein Stück weit erhöht worden sind. Das macht die ganze Sache rund. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Maßnahmen zur Alphabetisierung habe ich selbst vor Ort ganz intensiv erlebt. Ich habe Menschen kennengelernt, die sich getraut haben, daran teilzunehmen, und Menschen, die es dann auch geschafft haben. In diesem Zusammenhang kommt es vor allen Dingen darauf an, die richtigen Instrumente einzusetzen. Niedersachsen stand in diesem Bereich immer – es gab keine Hilfe vom Bund – 1 Million Euro pro Jahr zur Verfügung. Erreicht haben wir damit 50 bis 60 Prozent. Wir müssen mehr erreichen. Deswegen brauchen wir große Instrumente. Das Ganze muss man durch entsprechende Werbemaßnahmen begleiten, wie sie in dieser Kampagne angelegt sind. Es geht darum, möglichst viele zu erreichen, und vor allen Dingen darum, zu ermutigen. Damit kommen wir zum Thema Bildungsgerechtigkeit. Was heißt das für den Hochschulpakt? Ich habe heute vermisst – Sie wissen ja alle, dass wir es geregelt haben –, dass gefragt wird: Was ist denn mit den steigenden Studierendenzahlen? Eigentlich ist der Hochschulpakt ein Paket, in dem aufgrund der Prognose festgelegt ist, wie viel der Bund zahlt – Schluss! In den vergangenen Jahren wurde die Summe, die der Bund zahlt, immer wieder angehoben, wenn es mehr Studierende gab. Wir haben seit gestern die neue Studierendenprognose. Wir zahlen in 2015 200 Millionen Euro mehr, als geplant war. Das heißt, wir reagieren darauf und zahlen für jeden Studenten, der zusätzlich an den Hochschulen ist, den entsprechenden Betrag. 200 Millionen Euro, das ist eine beträchtliche Summe. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ein paar letzte Bemerkungen, und zwar zu Forschung und Entwicklung. Dass wir viel Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben haben, hat auch bewirkt, und zwar durch kluge Konstrukte, dass die Wirtschaft mehr ausgegeben hat und wir das Ziel „3 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für Forschung und Entwicklung“ fast erreicht haben. Das Herzstück oder Kernstück der Forschungsförderungsphilosophie des Bundes ist die Hightech-Strategie. Dazu vielleicht zwei Einsprengsel: Ich denke, es ist ganz klar, dass für uns alle, CDU und CSU, Werterhaltung, nachhaltiges Wirtschaften, Klimaschutz Herzensangelegenheiten sind. Deswegen haben wir in diesem Jahr in einem intensiven Agendaprozess überlegt: Wie machen wir das Forschungsprogramm für nachhaltige Entwicklung noch stärker? Was machen wir in den nächsten Jahren? Dieser lange Prozess unter Beteiligung der Zivilgesellschaft, der Verbände – wer auch immer sich beteiligen wollte, konnte das tun – läuft im Rahmen der Hightech-Strategie ab Januar mit neuem Drive. Sie haben die Bilder von der „Sonne“ gesehen. Die startet jetzt im Dezember in den Pazifischen Ozean. Und was macht sie dort? (Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts! – Zuruf des Abg. René Röspel [SPD]) – Herr Röspel, haben Sie es nicht verstanden? Das Schiff! (René Röspel [SPD]: Ich wollte nur sagen, dass es nicht um die Sonne geht, sondern um das Forschungsschiff „Sonne“!) – Ja. Wir waren damit eine Woche lang im Morgenmagazin. Das haben alle mitbekommen. – Was macht das Forschungsschiff „Sonne“ im Pazifischen Ozean? Man kümmert sich nicht darum: Wo sind vielleicht Rohstoffe, die wir in Deutschland brauchen? Man kümmert sich um grundlegende Fragen der Menschheit. Man kümmert sich um Fragen des Klimawandels: Wie entsteht das Klima da? Wie kann man Tsunamis verhindern? Wir können mit entsprechenden Geräten jetzt in Tiefen vordringen, in denen wir noch nie waren, und können sehen, was auf dem Meeresboden passiert und welche Auswirkungen das hat. – Das ist ein wichtiger Punkt der Hightech-Strategie. Auf einen zweiten Punkt möchte ich an dieser Stelle nur kurz eingehen. Barack Obama hat eine Analyse zu der Frage in Auftrag gegeben: Warum sind die Deutschen so gut? Warum sind die im Innovationsranking vor uns? Warum packen die das? – In der Analyse, die man ihm vorgelegt hat, wurde deutlich herausgearbeitet, dass Deutschland dadurch stark ist, dass Deutschland in der Lage ist, sich in den alten Industrien durch Innovationen immer wieder international wettbewerbsfähig zu halten. Wir sind nicht der Weltmeister im Einreißen und darin, alles völlig neu zu machen, sondern wir haben diese Innovationskraft in den Industrien. Im Bereich Produktion geht es jetzt um die Digitalisierung. Diesen Wettbewerbsschub schaffen wir, müssen wir schaffen. Aber dazu braucht es auch staatliche Förderung. Das von Herrn Schulz schon angesprochene Programm bedeutet Forschung für Produktion, Dienstleistung und Arbeit von morgen. Es geht auch um die Arbeitsbedingungen, die die Sozialpartner vereinbaren. 1 Milliarde Euro ist dafür vorgesehen. Das Programm läuft zum Teil schon und startet, was den Bereich Arbeit anbetrifft, im nächsten Jahr. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, das waren nur wenige Beispiele, die zeigen, dass es uns nicht nur gelingt, mehr Geld in diesen Bereich zu geben, sondern dass es uns auch gelingt, auf die großen Herausforderungen ehrliche und tragfähige Antworten zu finden, und darauf bin ich stolz. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Nächste Rednerin in der Debatte: Dr. Rosemarie Hein für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, in dieser Woche waren wir Gäste bei der Eröffnung Ihres neuen Gebäudes, eines sehr schönen Gebäudes. Nach den Reden konnten wir ein Kunstwerk bestaunen, das an der Treppe präsentiert wurde. Aus dem Treppengeländer stieg weißer Rauch auf. Weißer Rauch gilt als Zeichen dafür, dass ein Problem gelöst worden ist. Doch für weißen Rauch gibt es in diesem Haushalt, finde ich, keinen Grund. Ja, der Haushalt für Bildung und Forschung steigt insgesamt um etwa 1,2 Milliarden Euro. Aber mehr als die Hälfte davon entfällt auf die Übernahme der BAföG-Ausgaben durch den Bund. Zudem enthält der Einzelplan 30 eine saftige globale Minderausgabe von immerhin 478 Millionen Euro. Globale Minderausgaben bringt man immer dann aus, wenn man sparen muss, sich aber nicht entscheiden kann, wo. Damit stehen wichtige Vorhaben theoretisch auf einer potenziellen Kürzungsliste. Niemand weiß, wo gekürzt wird. Ich nenne das eine Luftnummer. Nur ist noch nicht klar, wo der Ballon platzt. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie sind ja richtig poetisch heute!) Nun kommt es: Wenn man jetzt die zusätzlich übernommenen BAföG-Mittel und die globale Minderausgabe addiert, dann kommt eine Summe von etwas mehr als 1,2 Milliarden Euro heraus, also ziemlich genau das, was Sie als Erhöhung verbuchen wollen. Ein Mehr für Bildung sieht aber anders aus. (Beifall bei der LINKEN) Statt kräftig in die Bildung zu investieren, haben Sie eigentlich nur die globale Minderausgabe erhöht. Nun haben wir sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass im Zuge der Haushaltsverhandlungen noch einmal umverteilt wurde: 8 Millionen Euro streichen Sie beim Deutschlandstipendium, anderswo kommen 3 Millionen Euro dazu, dort 2 Millionen, da 6 Millionen – immer schöne runde Summen. So richtig weiß man nicht, wie sich die runden Summen ergeben. So fülle ich immer meine Weihnachtstüten, wenn am Ende noch Süßigkeiten übrig sind. (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Das hat doch nichts mit einer sinnvollen und bewussten Prioritätensetzung zu tun. Mir erschließt sich das nicht. Nun erwarten Sie sicher, dass die Länder das beim BAföG eingesparte Geld in die Bildung stecken; aber Sie können es eben nicht mehr beeinflussen, weil Sie in vielen Bildungsfragen nichts zu melden haben. (Zuruf von der CDU/CSU: Ja, eben!) Im Gegenzug bleiben aber wichtige Bildungsaufgaben des Bundes auf der Strecke. So wird zum Beispiel trotz steigender Bedarfe weniger für die Aufstiegsfortbildung eingeplant. Das ist ein Rechtsanspruch, wird mir Kollege Rossmann gleich wieder vorhalten. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Völlig zu Recht!) Doch wenn man das Geld, das man hier braucht und auch ausgeben will, gar nicht einplant, dann muss man es erwirtschaften, und das über andere Haushaltstitel. Das führt wiederum zu einer Erhöhung der globalen Minderausgabe, weil das Geld ja irgendwo herkommen muss. Es ist also eine versteckte Minderausgabe. Das ist weder transparent noch, Frau Hübinger, seriös. (Beifall bei der LINKEN) Nehmen wir den Bereich der Berufsorientierung. Da stocken Sie nun zwar die Mittel auf; (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Und zwar kräftig!) doch die zusätzlichen 100 Euro für Schüler an Förderschulen mit besonderem Förderbedarf sollen gänzlich aus einem Berufsorientierungsprogramm, das Sie zurzeit überarbeiten, gestrichen werden. Bezeichnend ist die Begründung, die ich auf meine schriftliche Einzelfrage hin vom Staatssekretär Müller erhielt: Künftig sollten die Schüler mit besonderem Förderbedarf nicht mehr in Förderschulen unterrichtet werden, sondern in Regelschulen, also inklusiv; da brauche man die Förderung nicht mehr. (Rainer Spiering [SPD]: Ja, das ist das System und die Idee der Inklusion!) – Nein, das ist nicht die Idee der Inklusion. Da müssen Sie sich einfach mal kundig machen. Aber wenn Sie so über die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung reden, dann wundert mich nicht, dass wir bei der inklusiven Bildung nicht weiterkommen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie meinen, dass der Koalitionsvertrag die Leitlinie für das eigene Handeln ist. Aber was wird zum Beispiel aus der Ausbildungsgarantie? Sie ist mit keiner einzigen belastbaren Zahl im Haushalt verankert. Oder was ist mit der digitalen Bildung? (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das wurde erhöht!) Was haben Sie unternommen, um mit den Ländern irgendetwas zu vereinbaren? Wie wollen Sie bei Lernmittelfreiheit die digitalen Lernmittel finanzieren? – Wenn Sie etwas gemeinsam mit den Ländern machen, gehe ich doch davon aus, dass der Bund da auch Geld reinsteckt; aber ich finde nichts. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dann müssen Sie besser lesen! – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: 2 Millionen zusätzlich!) Also ist das alles nur heiße Luft mit Zwiebackstaub; das hätte zumindest meine Oma dazu gesagt. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das Schwarze sind die Buchstaben! – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Haben Sie Tomaten auf den Augen!) – Ich finde, Sie sind sehr unsachlich. Vielleicht gucken Sie sich einfach mal das an, was Sie in den letzten Monaten und Wochen so intensiv ausgehandelt haben. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Gucken Sie doch mal in den Haushalt!) – Das habe ich getan. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Da haben Sie nichts gefunden zur digitalen Bildung?) – Richtig: Dazu habe ich nichts gefunden. Sie können es mir ja nachher zeigen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Dann zeige ich Ihnen das!) Nein, Ihr Haushalt ist wahrlich kein Grund, zu jubeln und weißen Rauch aufsteigen zu lassen. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie sollten sich mehr auf Inhalte als auf Poesie konzentrieren!) Sie müssen jetzt schauen, wo die 478 Millionen Euro herkommen sollen. Ich will Ihnen zwei Vorschläge machen – zumindest ein bisschen könnten Sie damit einsparen –: Verzichten Sie doch auf den Export der hochradioaktiven Brennelemente in die USA! (Beifall bei der LINKEN – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das Hierbehalten kostet nichts?) Nehmen Sie dazu einfach unseren Änderungsantrag an. Streichen Sie das Deutschlandstipendium ganz! (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie könnten auch mal was für die Studenten tun oder was dafür spenden! Sie reden immer nur davon!) Wenn man es zusammenrechnet, kommt man auf eine Ersparnis von etwas mehr als 100 Millionen Euro. Ich finde, das ist ein guter Anfang. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Hein. – Nächster Redner in der Debatte: Hubertus Heil für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Dr. Hein, ich war in der letzten Legislaturperiode, wie Sie das jetzt sind, in der Opposition. Ich habe dabei eines gelernt: Ein Angriff auf die Regierung ist nur dann passend, wenn man auch die Größe hat, zuzugeben, was die Regierung alles geleistet hat. Das macht eine souveräne Opposition aus. (Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Eben!) Dann tritt auch das, was Sie wirklich zu sagen haben, deutlicher hervor. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das machen wir in der vierten Lesung!) Das haben Sie aber nicht geschafft. Der Eindruck, dass Sie in Ihrer Rede ein Zerrbild gezeichnet haben, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Viele der Fragen, die Sie gestellt haben, sind einfach zu beantworten. Zum Thema „Digitale Bildung“ wird die Kollegin Esken gleich etwas sagen. Ich will Sie nur auf eines hinweisen: Diese Große Koalition – das hätten Sie auch einmal erwähnen können – hat binnen eines Jahres mehr bewegt als die Vorgängerregierung in vier Jahren. Ich will Ihnen das anhand einzelner Zahlen dieses Haushaltes belegen. (Beifall bei der SPD – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist die Messlatte aber nicht besonders hoch gewesen!) Dies ist ein Rekordetat; das hat die Ministerin zu Recht erwähnt. Das BMBF hat einen Etat von 15,3 Milliarden Euro, und es wird noch mehr. Durch die Entscheidungen, die diese Große Koalition im ersten Jahr getroffen hat, mobilisieren wir für den Zeitraum von 2015 bis 2023 zusätzliche Bundesmittel in Höhe von rund 31 Milliarden Euro. Ich will Ihnen die Zahlen nennen bzw. aufschlüsseln. Durch die 100-prozentige Übernahme des BAföG geben wir – wenn Sie den Zeitraum bis 2023 hochrechnen – 10,5 Milliarden Euro zusätzlich für Hochschulen, Schulen und – auch das ist möglich – für frühkindliche Förderung. (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das ist nicht möglich!) Sie als Opposition könnten zumindest anerkennen, dass das ein Riesenschritt ist. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das haben wir schon in der Debatte zum BAföG gesagt!) Dass das nicht genug ist, das können Sie immer sagen; aber so zu tun, als würden wir im Bereich Bildung sogar noch kürzen, das ist nicht ganz redlich, Frau Dr. Hein. (Beifall bei der SPD) Wir sind übereingekommen, im Rahmen des Hochschulpakts bis 2023 zusätzlich 14,1 Milliarden Euro zu mobilisieren. Auch das ist eine stramme Leistung. Ich finde das richtig. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) Wir stellen für die Programmpauschalen bis 2020 weitere 2,03 Milliarden Euro und für den Pakt für Forschung und Innovation 3,87 Milliarden Euro zur Verfügung. Das sind zusammen rund 31 Milliarden Euro. Sie können also nicht so tun, als würden wir in diesem Bereich kürzen. Sie können gerne sagen: Das ist immer noch nicht genug – Ihnen ist an dieser Stelle ja nie etwas genug –, aber zeichnen Sie bitte kein Zerrbild nach dem Motto „Die kürzen bei Bildung“. Das ist nicht die Wahrheit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Bilanz nach einem Jahr stellt sich so dar: Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, haben wir 6 Milliarden Euro für Bildung und 3 Milliarden Euro für Forschung auf den Weg gebracht. Wenn der Bundesrat und die MPK dem Ganzen zustimmen, ist das ab 1. Januar auch gesetzgeberisch auf der Schiene. Durch die Übernahme des BAföG investieren wir jährlich 1,17 Milliarden Euro in gute Bildung. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei Semester Nullrunde für Studierende!) Wir haben den Hochschulpakt und den Pakt für Forschung und Innovation auf den Weg gebracht. Worauf ich sehr stolz bin: Es ist uns in diesem einen Jahr gelungen, Projekte auf den Weg zu bringen, die gar nicht im Koalitionsvertrag stehen. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da haben Sie das BAföG vergessen!) Das betrifft die BAföG-Erhöhung, durch die ab 2016 immerhin 825 Millionen Euro jährlich mehr für Chancengleichheit mobilisiert werden. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In zwei Jahren!) Damit gibt es 110 000 zusätzliche Anspruchsberechtigte und Geförderte im Bereich des BAföG. Herr Gehring, man kann immer darüber streiten, ob es ein Jahr zu spät ist. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei Jahre zu spät!) Sie wissen, ich wünsche mir, es wäre gestern gewesen; das ist doch nicht die Frage. Wenn die Opposition einmal anerkennen würde, was wir geschafft haben und dass wir damit einen wesentlichen Schritt in Richtung mehr Chancengleichheit gemacht haben, dann wäre das ein Zeichen von Größe und Souveränität. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder leere Versprechen! – Zuruf von der LINKEN: Selbstbeweihräucherung!) Wir haben in diesem Jahr – was nicht trivial ist – miteinander den Artikel 91 b Grundgesetz auf den Weg gebracht. Das ermöglicht Formen der Kooperation, die es – ich betone das – im Bereich Wissenschaft und Forschung nie zuvor gegeben hat. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie versprochen?) – Gar keine Frage, wenn wir eine absolute Mehrheit gehabt hätten – mit euch hätten wir die Zweidrittelmehrheit im Parlament gehabt –, dann hätten wir das Kooperationsverbot für die Schule auch noch gekippt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Willi Brase [SPD]: Hätte, hätte, Fahrradkette! – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Hätte, hätte, Fahrradkette!) Das fällt aber unter das Motto „Hätte, hätte, Fahrradkette“. Ihr habt uns nicht zur absoluten Mehrheit verholfen und euch nicht besonders stark dafür gemacht, dass wir eine Zweidrittelmehrheit hinbekommen. Auf gut Deutsch: Lieber kleine Schritte, als große Worte, lieber Kollege Mutlu. (Beifall des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]) Das, was wir, die Große Koalition, für die Wissenschaft und Forschung erreicht haben, kann sich sehen lassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frau Ministerin, für den Bereich Bildung, Wissenschaft und Forschung gilt das alte deutsche Sprichwort: Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Körperseite. Vizepräsidentin Claudia Roth: Das habe ich ja noch nie gehört. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Ja, das ist doch so, oder? Vizepräsidentin Claudia Roth: Ja, aber ich habe es noch nie gehört. (Heiterkeit) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Claudia, Verzeihung, Frau Präsidentin, vorhin hat der Kollege Schulz behauptet, Sie würden jetzt leuchten. Ich finde: Sie leuchten immer. Das wollte ich auch noch sagen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Oh! (Heiterkeit – Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU: Oh!) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Ja, ist doch so. Strahlen, das ist der richtige Begriff. Aber jenseits des Strahlens muss man auch handeln. Wir haben dafür zu sorgen, dass wir trotz aller Erfolge, die wir haben, in den nächsten Jahren die Weichen richtig stellen. Ich behaupte, das Jahr 2015/16 gibt Gelegenheit für zentrale Weichenstellungen. Ich möchte mich in diesem Bereich auf drei Punkte beziehen. Eines wurde bereits gesagt: Mit diesem Haushalt mobilisieren wir mehr für die berufliche Bildung. Aber wenn es richtig ist, dass sie der Kern unseres Systems der beruflichen Ausbildung und ein Erfolgsfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land ist, ein System, das vor allem jungen Menschen eine Chance gibt, zu einem selbstbestimmten Leben zu finden, dann haben wir im nächsten Jahr mindestens drei Dinge zu bewegen: Erstens – das haben wir auf dem Schirm – die Allianz für Aus- und Weiterbildung. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft sowie dem Arbeits- und dem Bildungsministerium geht es darum, die Ausbildungsgarantie von einer Überschrift zur Realität werden zu lassen, auch die Wirtschaft für zusätzliche Ausbildungsplätze in die Pflicht zu nehmen und den benachteiligten jungen Menschen über assistierte Ausbildung ebenfalls eine Chance zu geben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Zweitens. Swen Schulz sprach es an: Wir brauchen die Novelle beim Meister-BAföG. Das ist Aufstiegsförderung, und ich kann mir nicht verkneifen, zu sagen: Es ist nicht sinnvoll – das ist an den Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz gerichtet –, Debatten von vorgestern über Studiengebühren zu führen. Wenn es um Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung geht, dann finde ich es sinnvoller, einmal langfristiger darüber zu sprechen, ob wir nicht die Meistergebühren in diesem Land senken oder sie irgendwann ganz streichen. Das wäre Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Drittens. Wir haben uns auch um die Qualität und die Modernität der beruflichen Ausbildung zu kümmern. Die Reform des Berufsbildungsgesetzes ist eine große Aufgabe. Ich möchte an dieser Stelle einmal ganz grundsätzlich sagen: Ich empfinde diesen lähmenden Widerspruch zwischen dem Vorwurf des Akademisierungswahns auf der einen Seite und einer Geringschätzung der beruflichen Bildung auf der anderen Seite als etwas, was uns nicht wirklich weiterhilft. Wir brauchen in Deutschland beides: ordentliche Berufsausbildung, Fachkräfte, sowie akademische Bildung. Diese dürfen wir nicht gegeneinander ausspielen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Durchlässigkeit ist das Gebot der Stunde. Das heißt auch, dass wir im Hochschulbereich weitergehen müssen. Vor allem müssen wir die Lage des wissenschaftlichen Nachwuchses und des Mittelbaus in der Zukunft verbessern. Wir haben zu wenige Dauerstellen, zu viel Unklarheit für junge Leute in diesem Bereich und zu viele Befristungen. Wir werden als Koalition – das haben wir uns vorgenommen – das Wissenschaftszeitvertragsgesetz novellieren – mit Augenmaß, gar keine Frage; aber wir werden es novellieren, um den Missbrauch von Befristungen im akademischen Bereich zurückzudrängen. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann denn? – Gegenruf von der SPD: Bald!) Ich sage aber auch: Wir brauchen Mittel für eine Personaloffensive an den Hochschulen, damit junge Menschen, die bereits eine gute Hochschulausbildung haben, im Wissenschaftsbetrieb Karriereperspektiven haben, damit sie nicht alle ins Ausland gehen, sondern, im Gegenteil, die klügsten Köpfe der Welt auch an unsere Hochschulen in Deutschland kommen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Außerdem werden wir die Exzellenzinitiative fortsetzen. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, aber wir werden darüber in der Koalition mit den Ländern zu sprechen haben. Last, but not least: Wir setzen einen Schwerpunkt im Bereich Innovation und Forschung. Für uns ist es ganz wichtig – ich denke, das trägt uns auch in der Koalition –, dass wir technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt befördern und nach vorne bringen, aber immer auch dafür sorgen, dass aus technischem Fortschritt gesellschaftlicher Fortschritt wird. (Beifall bei der SPD) Das betrifft vor allem die Digitalisierung. Dabei geht es um IT-Sicherheit und Standardisierung, es geht aber auch um die Humanisierung der Arbeit und um die Frage, welche Grundlage wir schaffen, damit Deutschland wirtschaftlich und gesellschaftlich erfolgreich bleibt. Damit leisten die Bildungs, die Wissenschafts- und die Forschungspolitik ihren Beitrag zu wirtschaftlichem Erfolg, aber eben auch zu mehr sozialer Gerechtigkeit in diesem Land. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Hubertus Heil. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Katja Dörner für Bündnis 90/Die Grünen. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Hubertus Heil hat etwas zur Souveränität der Opposition gesagt. Ich will mal sagen: Zur Souveränität von Regierungsfraktionen sollte gehören, auf Lobhudeleien an Stellen zu verzichten, an denen sie nicht angemessen sind. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das haben wir auch nicht behauptet!) Ich finde, der Haushalt für 2015 hat viele verpasste Chancen. Das betrifft insbesondere auch den Einzelplan 30; dazu werde ich gleich kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Ministerin Wanka hat auch, wie wir es die ganze Woche erleben durften, die „mausgraue Null“ bejubelt. Dazu muss man sagen: Fakt ist doch, dass die schwarz-rote Koalition ihre Schulden versteckt und das Geld nicht mehr bei der Bank leiht, sondern sie greift in die Rentenkasse, sie bedient sich beim Gesundheitsfonds und fährt bei der Infrastruktur auf Verschleiß. Ihre Null, welche Farbe man ihr auch immer geben möchte, ist doch letztendlich nur Augenwischerei, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Risiken und Lasten werden in die Zukunft geschoben und fallen damit den Jüngeren auf die Füße, also genau denen, deren Anliegen schon heute im Haushalt für das kommende Jahr und ganz besonders im Einzelplan 30 – Bildung, Wissenschaft und Forschung – zu wenig Berücksichtigung finden. Das hat nichts mit einem soliden Haushalt zu tun. Das finden wir zukunftsvergessen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erst am Dienstag hat die OECD die Bundesregierung vehement aufgefordert, endlich mehr zu investieren und wachstumsfördernde Maßnahmen zu ergreifen. Ganz konkret nimmt die OECD den Bildungsbereich von der Kita bis hin zu den Hochschulen in den Blick. Ich finde, das sind sehr vernünftige und vorausschauende Anregungen, die wir von der OECD bekommen. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Da sind Sie aber auch die Einzigen!) Aber man muss sich fragen: Wo findet sich die Umsetzung dieser Anregungen im Etat von Frau Wanka für das kommende Jahr? Wir haben in der letzten Sitzungswoche zwei zentrale Gesetzgebungsverfahren aus dem Zuständigkeitsbereich dieses Ministeriums zum Abschluss gebracht: die BAföG-Novellierung und die Grundgesetzänderung zum Kooperationsverbot; beides ist bereits angesprochen worden. Aus unserer Sicht wurden bei beiden ganz zentrale Chancen vertan. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Wir machen nicht denselben Fehler wie die Kollegen von Union und SPD. Wir wollen nicht, dass die Studierenden zwei weitere Jahre im Regen stehen und auf die längst überfällige BAföG-Erhöhung warten müssen. Wir haben es schon im Gesetzgebungsverfahren zur BAföG-Novellierung deutlich gemacht, wir haben hier auch namentlich darüber abstimmen lassen, und wir haben es auch im Haushaltsverfahren ganz klar dokumentiert, dass wir es mit der BAföG-Erhöhung zum kommenden Semester ernst meinen und dass man das selbstverständlich solide finanzieren kann. Wir wollen nicht – das bekräftigen wir auch hier –, dass die Studierenden die -Opfer der mausgrauen Null werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen, dass das BAföG zum Leben und Lernen reicht. Wenn die BAföG-Erhöhung, wie angekündigt, im Herbst 2016 endlich kommt, dann haben die Studis in Deutschland sechs Jahre lang auf eine Erhöhung gewartet. In dieser Zeit sind bekanntlich die Mieten, die Lebenshaltungskosten, der Preis für Kaffee in der Mensa und die Kopierkosten gestiegen. Alle Kosten sind gestiegen. Es muss daher doch ganz klar sein, dass die BAföG-Erhöhung zumindest die Inflation ausgleichen muss. Deshalb sagen wir: Wir wollen eine Erhöhung um 10 Prozent und nicht um die 7 Prozent, die jetzt geplant sind. Wir sagen auch ganz klar: Wir wollen diese Erhöhung jetzt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Willi Brase [SPD]: Kriegt ihr aber nicht!) Ich möchte noch zu einem Punkt kommen, der mir besonders am Herzen liegt. Wir Grüne haben in diesen Haushaltsverhandlungen einen Schwerpunkt auf die Unterstützung von Flüchtlingen gelegt. Warum das angesichts der internationalen Krisen besonders notwendig ist, liegt sicherlich auf der Hand. Wir wollen insgesamt 1 Milliarde Euro zusätzlich im Inland wie im Ausland zur Verfügung stellen. Warum Union und SPD Flüchtlingen den Weg zum BAföG unnötig schwer machen, können wir überhaupt nicht nachvollziehen. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wir erleichtern den doch!) Wir brauchen endlich eine Politik, die alle Talente und alle Fähigkeiten fördert. Dazu gehören natürlich die Talente von Flüchtlingen, die zu uns kommen. Deshalb ist es für uns völlig unverständlich, dass Flüchtlinge nun nach 3 Monaten arbeiten können sollen, aber 15 Monate warten müssen, bis sie BAföG beantragen dürfen. Es ist aus unserer Sicht sehr ärgerlich, dass das im Rahmen der BAföG-Reform nicht ausgeräumt wurde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Nicht nur das BAföG wurde in der letzten Sitzungswoche novelliert; auch das Grundgesetz wurde geändert. Leider bleibt das Kooperationsverbot für die schulische Bildung bestehen. Das ist aus unserer Sicht ein ganz großes Übel, das uns noch auf die Füße fallen wird. Ich habe eben schon auf die Anregungen der OECD hingewiesen. Ein Ganztagsschulprogramm, wie wir es zwischen 2004 und 2010 hatten, wäre doch in der jetzigen Situation genau das Richtige für die Bildung und auch für die Konjunktur. Wir finden: So etwas hätte auch in den Haushalt ab 2015 gehört. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir werden nicht müde, zu kritisieren, dass der Koalition beim Thema Kooperationsverbot auf halber Strecke die Luft ausgegangen ist. Im Bereich der Wissenschaft gibt es ab dem 1. Januar 2015 einen neuen Aktionsradius für den Bund. Es gibt aber offensichtlich keine neuen Ideen und kein Geld. Das ist doch mehr als befremdlich. Mit großem Brimborium werden das Grundgesetz geändert und neue Kooperationsmöglichkeiten an der Stelle geschaffen. Was aber macht die Große Koalition mit ihren neuen Möglichkeiten? Was will sie damit anfangen? Man weiß es nicht. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich sage es dir später!) Wir finden das nicht ausreichend. Das ist keine zukunftstaugliche Politik. Insgesamt sehen wir, dass die Haushaltspolitik der Großen Koalition versagt, insbesondere da, wo es um die jüngere Generation geht, nämlich im Einzelplan 30. Deshalb können wir dem so nicht zustimmen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Haben Sie das gesehen? Auf die Minute! Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Ja, das will ich ausdrücklich loben. Auf die Sekunde genau. Gutes Beispiel! – Als nächster Redner hat Dr. Wolfgang Stefinger das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Deutschlands Zukunft gestalten“, so lautet der Titel des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD. Deutschlands Zukunft gestalten: Wo wird das deutlicher als im Bildungs- und Forschungsbereich? Wenn wir uns die Aufgaben des Bildungs- und Forschungsministeriums ansehen, wenn wir uns den vorliegenden Haushalt ansehen, wenn Sie, wie ich, viel vor Ort unterwegs sind, Forschungseinrichtungen besuchen, mit Unternehmensgründern sprechen, dann wird deutlich: Wir gestalten Deutschlands Zukunft, und es ist eine gute Zukunft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deutschland steht als Forschungs- und Innovations-standort ganz oben. Trotz Finanz- und Wirtschaftskrise hat Deutschland die Ausgaben für Bildung und Forschung von Jahr zu Jahr gesteigert. Andere EU-Länder haben die Ausgaben in diesem Bereich teilweise massiv gekürzt. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Müssen! Leider!) Der Haushaltsplan 2015 weist, was die Neuverschuldung angeht, nicht nur eine schwarze Null auf, sondern er beinhaltet mit 15,3 Milliarden Euro für Bildung und Forschung auch die bislang höchste Summe für diesen Bereich in der Geschichte der Bundesrepublik. Damit legen wir den Grundstein für Innovationen, Wirtschaftswachstum, Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Anstrengungen der letzten Jahre haben sich gelohnt. Das zeigt ein Blick auf zahlreiche internationale Rankings. Von den zehn forschungsstärksten Unternehmen in Europa kommen fünf aus Deutschland. Die Zahl der in Forschung und Entwicklung tätigen Menschen ist seit 2005 trotz Wirtschafts- und Finanzkrise auf über 580 000 gestiegen. Das ist ein Plus von 114 000. Beim Export von forschungsintensiven Gütern gehört Deutschland mit einem Anteil von rund 12 Prozent am Welthandelsvolumen zu den Spitzenreitern. Und: Wir sind einmal mehr Nobelpreisnation. Es ist ein Wissenschaftler einer unserer großen Forschungseinrichtungen, nämlich vom Max-Planck-Institut, der den Nobelpreis für Chemie erhalten hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD]) Das alles zeigt, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, aber auch, dass wir nicht nachlassen dürfen. Daher haben wir mit einer ganzen Reihe von strukturellen Reforminitiativen eine neue Dynamik in unser Wissenschafts- und Innovationssystem gebracht. Seit 2006 läuft die Hightech-Strategie der Bundesregierung, die wir zu einer umfassenden und ressortübergreifenden Innova-tionsstrategie weiterentwickeln. Hier werden die Themenfelder in den Blick genommen, die für unsere -Gesellschaft sowie für Wachstum und Wohlstand von besonderer Bedeutung sind: digitale Wirtschaft und Gesellschaft, nachhaltiges Wirtschaften und Energie, innovative Arbeitswelt, gesundes Leben, intelligente Mobilität und Sicherheit. Wir alle nutzen das Internet, sind mobil erreichbar, sprechen über die digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Produktionsprozesse der Zukunft. Das stellt uns selbstverständlich auch vor neue Herausforderungen, was die Sicherheit von Daten und Betriebssystemen angeht. Daher fördert das BMBF Kompetenzzentren auf dem Gebiet der IT-Sicherheit. Mit Erfolg: Drei Kompetenzzen-tren haben vor wenigen Wochen den ersten, zweiten und dritten Platz im Wettbewerb um den 5. Deutschen IT-Sicherheitspreis belegt. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Hervorragend!) Ausgezeichnet werden hier innovative Konzepte und Lösungen zur IT-Sicherheit, zur Kryptografie, zur System- und Netzsicherheit sowie zur Abwehr von Cyberangriffen. Sie sehen also: Auch im digitalen Bereich gestalten wir Deutschlands Zukunft. Mit dem Pakt für Forschung und Innovation fördern wir Erfindungen. So wird die außeruniversitäre Forschung bei der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft und der Leibniz-Gesellschaft weiter gestärkt. Für 2015 ist ein Mittelaufwuchs von 5 Prozent und ab 2016 eine jährliche Etatsteigerung von 3 Prozent vorgesehen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Da sind wir alle sehr glücklich darüber!) – Darüber sind wir alle sehr glücklich. Vielen Dank, Herr Kollege. – Diese Steigerung trägt der Bund alleine, ohne Länder und trotz ausgeglichenem Haushalt. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Weil wir gut sind!) Wir führen außerdem die Exzellenzinitiative fort und unterstützen den wissenschaftlichen Nachwuchs. Bei all den wichtigen Maßnahmen für die Wissenschaft, für die Studenten und für die Forschung dürfen wir die gleichwertige Säule unseres Bildungssystems, die berufliche Bildung, nicht vergessen. Unsere duale Berufsausbildung ist ein Erfolgsmodell und Exportschlager. Für uns hat die berufliche Bildung einen hohen Stellenwert. Daher wurden – das ist schon angesprochen worden – die Haushaltstitel „Überbetriebliche Berufsbildungsstätten“ und „Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsorientierung“ gegenüber dem ursprünglichen Haushaltsentwurf um 10 Millionen Euro bzw. 12 Millionen Euro erhöht; (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]) denn wir sind uns bewusst, dass es Jugendliche gibt, die durch eine unzureichende Berufsberatung eventuell einen für sie unpassenden Ausbildungsweg einschlagen, und wir wollen einem Ausbildungs- bzw. Studienabbruch vorbeugen. Die ergebnisoffene Berufs- und Stu-dienorientierung und der Ausbau von Beratungs- und Berufsbildungsangeboten für Studienaussteiger und -umsteiger leisten hierzu einen wichtigen Beitrag. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD]) Wir müssen junge Leute wieder zu einer dualen Ausbildung motivieren. Hierzu müssen wir aber auch die Chancen und Wege aufzeigen, die es gibt, und es gibt viele Wege. Einen Beitrag leisten Werbekampagnen, zum Beispiel vom Handwerk und von Verbänden, aber auch unser Paket „Chance Beruf“. In diesem Zusammenhang spielt natürlich auch das Thema Durchlässigkeit eine wichtige Rolle; denn ein junger Mensch stellt sich natürlich die Frage: Welche Chance habe ich denn mit meiner Ausbildung auf dem Arbeitsmarkt, was verdiene ich und habe ich die Möglichkeit, mich weiterzuqualifizieren? Für uns gilt: Es gibt keinen Abschluss ohne Anschluss. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich durfte letzte Woche an der Hochschule München vor Handwerksmeistern sprechen. Dort kam vom Friseur, über den Bäcker und Elektrotechniker bis zum Goldschmied der erste Jahrgang des Bachelorstudiengangs Unternehmensführung zusammen. Die Jüngste war Mitte 20, der Älteste Mitte 40, hochmotivierte Leute, teils mit eigenem Betrieb, teils im elterlichen Betrieb, teils im Angestelltenverhältnis tätig. Sie wollen sich berufsbegleitend weiterbilden, ihren Betrieb voranbringen und leisten damit einen wichtigen Beitrag für unser Land. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Daran zeigt sich: Wer sich in unserem Land ein Ziel gesetzt hat, fleißig ist, lernen will und sich engagiert, der bekommt auch eine Möglichkeit und Unterstützung. Im Handwerk eröffnen sich gerade für junge Menschen in unserem Land, auch für junge Menschen mit Migrationshintergrund, sehr viele Chancen, weil das Handwerk und die vielen anderen Ausbildungsbetriebe jungen Menschen Chancen geben. Die Ausbildungsbereitschaft unserer kleinen und mittelständischen Betriebe ist ungebrochen hoch. Dafür von dieser Stelle ein herzlicher Dank! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das Handwerk ist aber auch auf unsere Unterstützung angewiesen. Wir müssen unseren deutschen Meisterbrief auf EU-Ebene verteidigen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Er ist und bleibt ein unverkennbares Qualitätssiegel für handwerkliche Qualität und hat eine besondere Bedeutung für die duale Ausbildung. Hierfür bitte ich Sie alle um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU], an die LINKE und das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: „Alle“!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen aber auch auf diejenigen schauen, die ohne Abschluss die Schule verlassen. In diesem Bereich haben wir einiges erreicht: Die Quote der Schulabbrecher liegt bei unter 6 Prozent – es waren einmal 12 Prozent –, aber auch das darf uns nicht zufriedenstellen. Einen großen Anteil am Bildungserfolg hat natürlich der Schüler selbst, (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!) aber auch der Lehrer. Lehrerbildung ist Ländersache; das wissen Sie. Das Programm „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, das wir uns insgesamt 500 Millionen Euro kosten lassen – im nächsten Jahr werden es davon 45 Millionen Euro sein –, ist schon angesprochen worden. Sie sehen insgesamt: Die berufliche Bildung liegt uns ebenso am Herzen wie die akademische Bildung und die Forschung. Mit Verlaub, das war aber auch klar; denn für Deutschlands Zukunft brauchen wir hervorragend qualifizierte Leute in allen Bereichen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie sehen: Wir investieren stark in Bildung und Forschung und haben unseren Haushalt in Ordnung. In unserem Land gibt es viele motivierte und engagierte Menschen, die mit Fleiß, Ehrlichkeit und Willensstärke unser Land weiter nach vorne bringen. Gemeinsam mit ihnen gestalten wir Deutschlands Zukunft. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat der Kollege Willi Brase das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Willi Brase (SPD): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ministerin Wanka hat dargestellt, wie stark die Innovationsfähigkeit Deutschlands ausgeprägt ist. Dabei geht es, wenn wir einmal den industriellen Teil nehmen, um das Zusammenspiel von Ingenieuren, Meistern und Facharbeitern. Dieses Zusammenspiel zu bewahren und zu stärken, ist eine hochlöbliche, eine wichtige Aufgabe zur Gestaltung der Zukunft unseres Landes. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dies findet nicht im luftleeren Raum, sondern in -Abteilungen, in Forschungseinrichtungen und in Betriebsteilen statt. Weil die Weiterentwicklung auch mit Digitalisierung, neuen Werkstoffen und neuen Produk-tionsverfahren zu tun hat, war es wichtig, dass wir gesagt haben: Wir wollen die Dienstleistungs- und Arbeitsforschung weiter voranbringen. – Ich bin unseren Haushältern dankbar, dass es gelungen ist, 6 Millionen Euro draufzusatteln. So erreichen wir das Ziel, das Sie, Frau Wanka, neulich formuliert haben: Bis 2020 wollen wir für diesen Bereich 1 Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Da es hier um Arbeitsbedingungen, neue Arbeitsformen, neue Werkstoffe, neue Verfahren und die Humanisierung der Arbeit geht, glaube ich: Es ist wichtig, dass wir hier weitere 6 Millionen Euro draufsatteln. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir wollen, dass die Anträge zu Forschungsvorhaben, die erarbeitet und auf den Weg gebracht werden, gründlich geprüft und schnell umgesetzt werden. Es kann nicht sein, dass das zur Verfügung stehende Geld nicht abgerufen wird. Wenn wir dafür sorgen wollen, dass Deutschland industriell auch weiterhin so stark ist, müssen wir auf diesem Pfad voranschreiten. Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte – auch er ist schon erwähnt worden –, ist die Alphabetisierung bzw. das Problem, dass es in unserem Land Menschen gibt, die nicht lesen und schreiben können. Dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung in Teilbereichen Fachkräfte brauchen, ist allein schon ein Grund, zu sagen: Ja, wir nehmen mehr Geld in die Hand, um diesen Menschen eine Chance zu geben. – Auch in diesem Fall stellen wir 6 Millionen Euro mehr bereit. Es geht dabei letztendlich um die Menschen selbst. Die Menschen müssen die Chance haben, Dinge zu erkennen. Es geht also nicht nur darum, dass dies für uns als Gesellschaft und möglicherweise auch für Wirtschaft und Industrie wichtig ist, sondern es geht auch darum, dass die Menschen unterstützt werden. Deshalb halten wir es für richtig, an dieser Stelle 6 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Wir sagen: Das ist ein vernünftiger Weg. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben in den Koalitionsverhandlungen entschieden, die berufliche Bildung weiter voranzubringen. Seit mehreren Jahren versuchen wir, den jungen Leuten rechtzeitig ein Stück Orientierungshilfe zu geben, im Rahmen der Berufsorientierung, auch schon in der achten Klasse. Dies weiten wir jetzt auf alle Schulformen und alle Schultypen aus. Das ist nicht nur der absolut richtige Weg, sondern in gewisser Weise auch wachstumsfördernd. Junge Menschen, die ein Stück weit selbst entscheiden können – auf der Grundlage von Potenzialanalysen in der Schule oder von Praktika in Unternehmen, im Dienstleistungsbereich oder im öffentlichen Dienst –, werden wir nicht in den Übergangsmaßnahmen finden, sondern in Ausbildung, in Ausbildung nach Landesrecht und hoffentlich beim richtigen Studium an einer Hochschule; dann gibt es auch weniger Abbrecher. Deshalb ist es richtig, dass wir hier um 12 Millionen Euro aufstocken. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Klar ist doch auch: Wenn wir bei der Orientierung die richtigen Weichen stellen und jedem deutlich machen, welche Perspektiven und Fähigkeiten er oder sie hat, dann wird der Einzelne vernünftig unterstützt. Das ist nicht nur wachstumsfördernd, sondern damit tun wir auch etwas sehr Sinnvolles für die jungen Menschen. Dazu gehört natürlich auch, dass wir uns fragen: Wie ist die Situation bei den überbetrieblichen Bildungsstätten des Handwerks und der Industrie- und Handelskammern? Wenn wir sie zu Kompetenzzentren ausweiten, erhöht dies die Qualität. Es stärkt auch das Ansehen von Ingenieuren, Meistern und Facharbeitern in den Betrieben, in den Handwerksbetrieben und in den Industriebetrieben. Es ist richtig, dass wir hier 10 Millionen Euro draufgesattelt haben. Wenn es sein muss, müssen wir hier auch in den nächsten Jahren etwas tun, sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Zusammengefasst: Mein Dank gilt unseren Haushältern, dass sie diesen Weg mitgegangen sind, sodass wir den jungen Leuten eine Chance geben können. Das ist für die jungen Leute gut, aber es ist auch für unsere Gesellschaft und für unsere Industrie gut. Glück auf! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Thomas Feist das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass heute hier so viele junge Menschen sind, die sehen, wie sehr wir uns mit dem Thema Bildung und Forschung beschäftigen. Das ist nicht nur unser Thema, sondern das ist vor allen Dingen unser Thema für euch. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben wohl zu viel Redezeit!) – Ich habe Sie nicht ganz verstanden, Herr Kollege. (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben wohl zu viel Redezeit!) – Sie haben wohl zu wenig Redezeit, Herr Mutlu. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Beifall des Abg. Albert Rupprecht [CDU/CSU]) Es ist eigentlich schade, dass Ihre Fraktion Sie nicht hier vorne hinstellt, wenn Sie etwas Wichtiges zu sagen haben. Quatschen Sie aber nicht dazwischen, sondern hören Sie einfach einmal zu, so wie die jungen Menschen das dort oben auch machen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir werden heute zum neunten Mal in Folge einen Haushalt mit Aufwüchsen beschließen. Mit etwas über 15 Milliarden Euro ist er der bisher größte im Bereich Bildung und Forschung. Das ist nicht nur ein guter Tag für Sie, Frau Ministerin, für die Haushälter und für das Parlament, sondern das ist auch ein guter Tag für Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben darüber gesprochen, dass das Bild Deutschlands in der Welt vorwiegend dadurch geprägt wird, dass die akademische und die berufliche Bildung bei uns Hand in Hand gehen. In diesem Bereich haben wir die Mittel etwas erhöht, weil das wichtig ist. Das gilt gerade für die berufliche Bildung, aber auch im akademischen Bereich unternehmen wir zusätzliche großartige Anstrengungen. Im Rahmen des Hochschulpakts werden wir 200 Millionen Euro mehr für die zusätzlichen Studienanfänger ausgeben, und wir werden die BAföG-Finanzierung ab dem nächsten Jahr alleine übernehmen. Gerade die Wissenschaft in Deutschland profitiert von dem steigenden Interesse von Hochleistungsnachwuchswissenschaftlern aus der ganzen Welt. Deshalb ist es wichtig, dass wir schauen, was bei uns in der beruflichen Bildung passiert. Deswegen setzen wir mit diesem Haushalt ganz besondere Akzente in den Bereichen Berufsorientierung und überbetriebliche Einrichtungen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Weil die besten politischen Entscheidungen durch Gutachten gedeckt sind, (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) kann ich in Bezug auf unseren Haushalt auch einmal aus dem Gutachten der Expertenkommission Forschung und Innovation zitieren, das aus dem Februar dieses Jahres stammt, also sehr aktuell ist. Dort lesen wir – ich zitiere –: Das deutsche Produktions- und Innovationsmodell basiert vor allem im industriellen Bereich auf einer spezifischen Verbindung von hochqualifizierten … Absolventen aus dem Hochschulsystem mit hervorragend ausgebildeten Facharbeitern aus dem dualen Bildungssystem. Um diese Stärke in Zukunft nicht zu gefährden, gilt es, die Investitionen in die Erhaltung und Weiterentwicklung der Attraktivität der Berufsbildung fortzuführen. … Die bildungspolitische Zielsetzung sollte sich weniger an Akademikerquoten, sondern mehr an einem optimalen Bildungsmix und flexiblen individuellen Bildungsbiografien orientieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Genau das tun wir, genau das bildet sich auch in diesem Haushalt ab. Ich möchte noch auf eine weitere Haushaltsposition zu sprechen kommen, die bisher noch keine wichtige Rolle gespielt hat, aber auch von der Ministerin angesprochen worden ist. Es ist wichtig, dass wir uns diesen Bereich noch einmal anschauen. Es geht um das verstärkte Engagement der BAs bei der Berufseinstiegsbegleitung im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Dies ist gut. (Willi Brase [SPD]: Ja!) Noch besser wäre es, wenn wir das System der Berufseinstiegsbegleitung in Richtung einer assistierten Ausbildung erweitern würden, die sich eben nicht zuerst an den Regularien, sondern an den Bildungsbiografien und Lebenswirklichkeiten junger Menschen orientiert. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ab dem nächsten Jahr werden wir die BAföG-Finanzierung komplett übernehmen. Das bedeutet natürlich einen zusätzlichen finanziellen Handlungsspielraum für die Länder, die diesen nutzen müssen, um mehr in die Bildung und in die Wissenschaft zu investieren. Es geht um eine ganze Menge Geld. 1,2 Milliarden Euro pro Jahr übernehmen wir als Bund dann zusätzlich – Geld, das dann den Ländern zur Verfügung steht. Ich will Ihnen einmal ein schönes Beispiel aus Sachsen nennen – nicht nur, weil ich aus Sachsen komme, sondern auch, weil wir dort eine wirklich gute Politik machen. Das tun wir jetzt übrigens auch in einer Großen Koalition, und wir werden das schon ordentlich hinbekommen. In dem dortigen Koalitionsvertrag steht der Passus: Wir werden uns für eine flächendeckende Berufs- und Studienorientierung einsetzen, die die Gymnasien umfasst. – Es ist richtig, so etwas im Koalitionsvertrag zu vereinbaren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Genauso wichtig ist es, dass wir sagen: Wenn wir vom Bund eine flächendeckende Berufs- und Studienorientierung einführen wollen und dafür Geld – das haben wir gemacht, nämlich 12 Millionen Euro mehr – zur Verfügung stellen, dann sollten wir möglichst Anreize schaffen, dass die Länder, deren ursprüngliche Aufgabe das ist, diese Aufgabe übernehmen, während wir schauen, wie wir sie als Bund dabei unterstützen. Dafür werden wir uns in der nächsten Zeit einsetzen. Es ist hier über Berufsorientierung gesprochen worden. Gut, ich habe drei Kinder, aber man sollte nicht nur von eigenen Erlebnissen reden und davon, wie schwer es ist, aus der Unübersichtlichkeit von Berufsbildern, vor allen Dingen auch bei Studiengängen – es gibt mehrere Zehntausend Bachelorstudiengänge –, das Passende zu finden. Deswegen müssen wir in diesem Bereich etwas tun. Dazu gibt es ein aktuelles Gutachten von Allensbach, in dem die Vorstellungen junger Leute zur Berufsorientierung untersucht wurden. Weil etwas Fachkenntnis nicht schaden kann, möchte ich Ihnen das gerne zu Gehör bringen. 44 Prozent der Schüler fühlen sich laut dieser Studie über berufliche Möglichkeiten nicht ausreichend informiert. Nur knapp ein Drittel hat konkrete Vorstellungen zur beruflichen Zukunft, 20 Prozent haben gar keine Vorstellung. 54 Prozent der Schüler an Sekundarschulen wissen nicht, welche Berufe gute Zukunftsaussichten haben. Neben Defiziten in der Berufsorientierung haben 62 Prozent der Gymnasiasten einen gefühlten Mangel – dahinter steckt meistens mehr – an Studienorientierung. Nur 25 Prozent der Schüler holen sich Informationen bei der Agentur für Arbeit. Davon schätzt nur ein Drittel diese Informationen als hilfreich ein. Deswegen ist es richtig, dass wir die Berufs- und Studienorientierung finanzieren. Wir haben mit diesem Haushalt den Anfang gemacht. Das werden wir in den nächsten Jahren fortsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Im Übrigen ist die duale berufliche Bildung ein sehr gelungenes Beispiel für eine private und öffentliche Partnerschaft; denn wir sollten auch die Leistungen der Unternehmen nicht ganz vergessen. Neben dem, was wir hier im Bund und in den Ländern für die berufliche Ausbildung machen, sollte auch einmal die Rolle der Unternehmen gewürdigt werden. Man muss sich vorstellen: 16 000 Euro kostet ein Azubi. Dieses Geld muss man erst einmal aufbringen. Die Investitionen der Unternehmen in die Ausbildung liegen momentan bei 24 Milliarden Euro pro Jahr. Auch das sollte uns einen großen Dank in diese Richtung wert sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Abschließend möchte ich den Blick nach außen richten. Nur wenn wir hier in Deutschland mit einem ausgewogenen Mix an akademischer und beruflicher Bildung erfolgreich sein werden, werden wir das Überzeugungspotenzial dafür haben, dass auch andere Länder in Europa und in der Welt diesen Weg einschlagen. Deswegen will ich Ihnen zum Schluss zwei Beispiele aus Ländern nennen, in denen dieses System auf den Weg gebracht wurde oder schon funktioniert. Das eine Beispiel bezieht sich auf ein Land in der Nähe, das andere auf ein weiter entferntes Land. Das erste Beispiel ist Georgien, ein Land, das durch ein Assoziierungsabkommen näher an die Europäische Union rückt. Georgien geht es nicht in erster Linie um Geld, sondern das Land will von uns lernen. Es teilt unsere Werte. Das heißt für dieses Land, dass ihm die duale Bildung etwas wert sein muss. Ich weiß, dass gerade in der Regierung gefragt wird: Wie kann man dafür die gesetzlichen Grundlagen schaffen? Wie können wir diese Entwicklung durch Berufsforschung akademisch begleiten? Dafür braucht das Land natürlich die Hochschulen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit der richtigen Unterstützung in diesen Bereichen dafür sorgen werden, dass durch die duale berufliche Bildung in diesen europäischen Ländern oder in den Ländern, die näher an uns heranrücken wollen, die Jugendarbeitslosigkeit drastisch verringert und die Zukunftsfähigkeit von ganz Europa gesichert wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das zweite Beispiel, das ich gerne nennen möchte, ist ein weiter entferntes Land: Ecuador. Die Deutsche Schule Quito mit 1 600 Schülern, eine der größten deutschen Auslandsschulen, hat vor einigen Jahren mit einer dualen beruflichen Bildung angefangen, angeschlossen an das Schulsystem. Der Leiter der Schule war mit diesem Modell so erfolgreich – es geht schließlich auch um das Image von beruflicher Bildung; das müssen wir uns klarmachen; die meisten Leute studieren, weil sie meinen, die duale Bildung hat in unserem Land keinen richtigen Stellenwert –, dass die Regierung diesen Lehrer nach seiner Pensionierung als Berater beschäftigt hat. Inzwischen hat dieses Land die gesetzlichen Voraussetzungen für eine duale Ausbildung nach deutschem Vorbild geschaffen. Pro Jahr werden 120 000 junge Menschen ausgebildet. Das ist eine nachhaltige Entwicklungspolitik, die wir damit für die Welt leisten. Wenn wir in Deutschland weiter daran festhalten, werden wir sehr erfolgreich sein. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Saskia Esken das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Saskia Esken (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich auf einen kleinen, zunächst unscheinbar wirkenden Haushaltsansatz eingehe, über den ich mich ganz besonders gefreut habe, möchte ich mich bei all denen bedanken, die in den vergangenen Wochen diesen Haushalt entworfen und ihn in zahlreichen Sitzungen teils bis in die Nacht hinein beraten haben. Sie alle haben wirklich hervorragende Arbeit geleistet. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Worüber ich mich gemeinsam mit meinem Berichterstatterkollegen Sven Volmering besonders gefreut habe, ist ein kleiner, erster Haushaltsansatz zur Förderung von OER. Ausgesprochen heißt das: Open Educational Resources; auf Deutsch sprechen wir von freien Lehr- und Lernmaterialien. Im Haushaltsjahr 2015 sollen für ihre Förderung 2 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das finde ich großartig. „Open“ bzw. „frei“ heißen diese Lehr- und Lernmaterialien nicht etwa, weil sie kostenlos oder gar umsonst zu erstellen wären – dann bräuchten wir keine Haushaltsmittel dafür –, nein, der Begriff „Openness“ oder „Freiheit“ bezieht sich auf den freien Zugang, den jeder zu den Lehr- und Lernmaterialien haben soll. Dazu kommt eine möglichst freie Lizenzierung, die es Lernenden und Lehrenden ermöglicht, die Materialien zu verändern und sie weiterzugeben. Was bedeuten solche freien Lehr- und Lernmaterialien für unser schulisches und außerschulisches Bildungssystem, insbesondere dann, wenn sie in digitaler Form vorliegen und entsprechend eingesetzt werden können? Für Lehrkräfte eröffnen OER und digitale Medien die Möglichkeit, Lehr- und Lernmaterialien so auszuwählen und anzupassen, dass sie den eigenen Erfahrungen und Vorlieben, der besonderen Unterrichtssituation und den besonderen Bedürfnissen der Lernenden entsprechen. Wenn Lehrkräfte das heute auf der Grundlage von geschlossen lizenzierten Materialien tun, dann arbeiten sie in einer problematischen rechtlichen Grauzone und unter der ständigen Angst vor der Abmahnung. Für Lernende in Bildungseinrichtungen bedeuten OER und digitale Lernmedien aktivere Lernprozesse. Sie erlauben das Lernen nach individuellen Zugängen und Bedürfnissen, auch im Sinne der Inklusion. Außerdem ist das vernetzte Lernen im Austausch mit anderen gerade für junge Menschen besonders motivierend, weil das Lernen damit dort stattfindet, wo sie zu Hause sind. Für frei Lernende ist der offene und für den Endnutzer möglichst kostenfreie Zugang zu OER ein großer Gewinn; denn er ermöglicht Menschen das lebensbegleitende Lernen, die durch ihre familiäre Situation, durch eingeschränkte Mobilität oder durch andere Gründe am Besuch einer Bildungseinrichtung gehindert sind. Dies gilt sowohl für die berufliche Weiterbildung als auch für die Weiterbildung nach Bedarf und Interesse, nach Lust und Laune. Dieser ungehinderte Zugang zu Bildung und Wissen ist ein Gewinn für die gesamte Gesellschaft, nicht nur für das Bildungssystem. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Für die traditionellen Hersteller von Bildungsmaterialien bedeuten OER nicht etwa eine Kampfansage. Das möchte ich sehr deutlich machen. Nach meiner Wahrnehmung können – anders als auf der Grundlage von geschlossen lizenzierten Inhalten – gerade mit OER die wertvolle Arbeit, die Erfahrung und die Qualität, die die Schulbuchverlage heute in unser Bildungssystem einbringen, auch in Zukunft genutzt werden. Es wird den Verlagen, aber auch weiteren Akteuren auch weiterhin möglich sein, aus vorhandenen Inhalten auf der einen Seite und Bildungsstandards und Bildungsplänen auf der anderen Seite gute, praxistaugliche Unterrichtskonzepte zu entwickeln und zu verkaufen; denn solche Unterrichtskonzepte werden auch weiterhin gebraucht. Für die Qualität der Bildungsmaterialien kann die Offenheit einen Quantensprung bedeuten, weil gerade die vernetzte Erzeugung, Nutzung und Weiterentwicklung von solchen Lernmaterialien auf offenen Plattformen die Qualität fördert und deren Sicherung erleichtert. Schon die Möglichkeit der stetigen Weiterentwicklung und Anpassung an die Anforderungen des Bildungsbetriebs stellt einen großen Vorteil zum analogen gebundenen Schulbuch dar. Die wesentlichen Vorteile von OER liegen also auf der einen Seite im offenen Zugang für alle und auf der anderen Seite in der stetigen Weiterentwicklung und Qualitätsverbesserung der Materialien. Deshalb sind die 2 Millionen Euro für OER im Bundeshaushalt 2015 vielleicht zunächst unscheinbar, aber ein wichtiger Schritt für die Bildung und, wie ich finde, ein gutes Signal sowohl an die, die sich derzeit überwiegend ehrenamtlich mit OER beschäftigen, als auch an die, die heute schon mit dem Erzeugen von Bildungsmaterialien ihr Geld verdienen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Rainer Spiering das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Rainer Spiering (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es ist jetzt gut ein Jahr her, dass ich das letzte Mal vor einer Berufsschulklasse gestanden habe. Lassen Sie mich dem Ausdruck geben, was ich in diesem Jahr hier erlebt habe. Wir Berufsschullehrer hatten häufig den Eindruck, dass wir der Teil der Bildung sind, der seinen Job macht und tapfer vor sich hin arbeitet, aber von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen wird. Lassen Sie mich sagen, dass ich heute sehr froh und sehr glücklich bin, weil in meiner Wahrnehmung in diesem Land unglaublich viel passiert. So wie ich das in diesem Jahr erlebt habe, steht Berufsbildung im Fokus der Diskussion, es bewegt sich, es berührt Deutschland, und Deutschland ist berührt und bewegt sich. Dafür möchte ich dem Hohen Haus erst einmal herzlich danken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Frau Wanka hat eine Studie für den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika angesprochen, in der gefragt wurde, worauf sich die Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gründet: Industrie, Mittelstand, Handwerk. Ich ergänze einmal, was Frau Ministerin gesagt hat: Ja, das sind die Facharbeiter, die Ingenieure und das dazu gehörende Umfeld; aber da drunter sind die Basics, und die Basics sind die deutsche Berufsausbildung, sie macht es erst möglich, dass diese Innovationskraft überhaupt vorhanden ist. Ich finde, um dieses System lohnt es sich jeden Tag zu streiten und zu kämpfen, und das tun wir in diesem Haus. Das finde ich vorbildlich. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hier ist die Ausbildungsgarantie angesprochen worden. Nun ist eine Garantie in einem System wie in Deutschland, wo die Berufsausbildung Teil des Arbeitsmarktes ist, nicht Ausdruck eines staatlichen Dirigismus – ich hoffe, dass jede und jeder das versteht; ich hoffe auch, dass jede und jeder nicht dorthin möchte, dass wir staatlichen Dirigismus bekommen –, vielmehr kann das immer nur eine Frage von Angebot und Förderung sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Da sind wir beim Pakt für Ausbildung auf dem absolut richtigen Weg. Die assistierte Ausbildung ist angesprochen worden, die Berufsorientierung ist angesprochen worden. Lassen Sie mich an dieser Stelle den Bogen schließen: Wir haben in diesem Hohen Hause teilweise die etwas unselige Diskussion „Akademisierung kontra duales System“ geführt. Welch Unsinn! Das eine bedingt das andere, das eine ist nur mit dem anderen möglich. Ich weise noch einmal mit großer Freude darauf hin: Es gibt kein vergleichbares Schulsystem weltweit, wo ein Absolvent durch das Berufsbildungssystem gleiten und, wenn er denn fleißig ist und genügend gefördert wird, als Hochschulprofessor enden kann. Das gibt es sonst nirgendwo. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Beim BAföG gibt es – das ist mir aufgefallen; ich habe aufmerksam zugehört – eigentlich nur eine Gruppierung – Dr. Feist ergänzt diese Gruppierung der Sozialdemokraten –, (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Was? – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) die die Frage des Meister-BAföGs nach wie vor für ungeklärt hält. Es ist wirklich fragwürdig, dass eine Gruppe junger Menschen, die sich mit hohem Engagement fortbewegt, eigenes Geld in die Hand nehmen muss, vieles in Kauf nehmen muss, während ein Großteil der Jugendlichen in den Genuss von BAföG kommt. Deswegen bitte ich dieses Haus inständig, bei der Diskussion um die Berufsbildung das Meister-BAföG mit in den Fokus zu nehmen, damit unsere jungen Meisterinnen und Meister eine gute Zukunft haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lassen Sie mich abschließend sagen: Von Galileo -Galilei stammt der Ausspruch: Und sie bewegt sich doch. – Ich sage im Hinblick auf unser Berufsbildungssystem: Es bewegt sich immer, und das ist auch gut so. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Ganz herzlichen Dank, auch für diese klare Unterstreichung der Bedeutung der beruflichen Bildung! Ich schließe die Debatte. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30 – Bundesministerium für Bildung und Forschung – in der Ausschussfassung. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/3308 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Koalition. Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt. Ich lasse nun über den Einzelplan in der Ausschussfassung abstimmen. Wer stimmt dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Einzelplan 30 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte III. a bis f sowie die Zusatzpunkte 1 a und b auf: III. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern Drucksache 18/3160 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften zur Durchsetzung des Verbraucherschutzes Drucksache 18/3253 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Fahrpersonalgesetzes Drucksache 18/3254 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Mittelmeer-Luftverkehrsabkommen vom 10. Juni 2013 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Regierung des Staates Israel andererseits (Vertragsgesetz Europa-Mittelmeer-Israel-Luftverkehrsab-kommen – Euromed-ISR-LuftverkAbkG) Drucksache 18/3255 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (f) Auswärtiger Ausschuss e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Roland Claus, Matthias W. Birkwald, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Keine Anrechnung von NVA-Verletztenrente auf Grundsicherung im Alter Drucksache 18/3170 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales (f) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Verteidigungsausschuss Haushaltsausschuss f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ralph Lenkert, Caren Lay, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Ökologischen Hochwasserschutz länderübergreifend sicherstellen und sozial verankern Drucksache 18/3277 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (f) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Tourismus ZP 1 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur zweiten Änderung des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien Drucksache 18/3234 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes Drucksache 18/3321 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Es handelt sich dabei um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung vorgesehenen Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte IV. a bis f auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV. a auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens „Energie- und Klimafonds“ Drucksachen 18/2443, 18/2658 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsauschusses (8. Ausschuss) Drucksache 18/3199 Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/3199, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 18/2443 und 18/2658 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Wir kommen jetzt zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es jemanden, der sich enthalten möchte? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten IV. b bis f, zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt IV. b: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 115 zu Petitionen Drucksache 18/3172 Wer stimmt dafür? – Alle, soweit ich das sehen kann. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Wer enthält sich? – Auch niemand. Dann ist die Sammelübersicht 115 einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt IV. c: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 116 zu Petitionen Drucksache 18/3173 Wer stimmt dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Linke. Wer enthält sich? – Bündnis 90/Die Grünen. Damit ist die Sammelübersicht 116 mit den Stimmen der Koalition gegen Stimmen der Linken bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden. Tagesordnungspunkt IV. d: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 117 zu Petitionen Drucksache 18/3174 Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Sammelübersicht 117 einstimmig angenommen worden. Tagesordnungspunkt IV. e: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 118 zu Petitionen Drucksache 18/3175 Wer stimmt dafür? – Koalition und Linke. Wer stimmt dagegen? – Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Niemand. Damit ist die Sammelübersicht 118 mit den Stimmen der Koalition und der Linken bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden. Tagesordnungspunkt IV. f: Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-tionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 119 zu Petitionen Drucksache 18/3176 Wer stimmt dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die Opposition. Gibt es jemanden, der sich enthalten möchte? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Sammelübersicht 119 mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen jetzt die Haushaltsberatungen fort. Dazu rufe ich den Tagesordnungspunkt I. 14 auf: Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Soziales Drucksachen 18/2811, 18/2823 Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Ekin Deligöz, Axel Fischer, Ewald Schurer und Dr. Gesine Lötzsch. Zu dem Einzelplan 11 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor. Außerdem hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir morgen, nach der Schlussabstimmung, abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. Gibt es dazu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin in der Aussprache hat die Kollegin Gesine Lötzsch das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! Am 1. Januar 2015 ist das Hartz-IV-Gesetz zehn Jahre in Kraft. Das ist wirklich kein Grund zum Feiern. (Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zehn Jahre zu viel!) Der anerkannte Armutsforscher Christoph Butterwegge zieht den Schluss – ich darf mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren –, dass es sich bei Hartz IV um ein zutiefst inhumanes System … handelt, das Menschen entrechtet, erniedrigt und entmündigt. (Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Tosender Beifall des Abgeordneten Birkwald!) Sowohl die von Hartz IV unmittelbar Betroffenen wie auch ihre Angehörigen und die mit ihnen in einer „Bedarfsgemeinschaft“ zusammenlebenden Personen werden stigmatisiert …, sozial ausgegrenzt und isoliert. Es gibt keine gesellschaftliche Gruppe in unserem Land, die so intensiv überwacht, kontrolliert und sanktioniert wird wie die Bezieher von Hartz IV. Wir, die Linke, finden: Diese Politik der Nulltoleranz gegen Arbeitslose muss endlich beendet werden. (Beifall bei der LINKEN) Übrigens habe ich eine interessante Veranstaltung entdeckt. Die Evangelische und die Katholische Akademie laden gemeinsam mit der Humboldt-Universität im Januar zu einer Diskussion mit dem Titel „Doppelte Standards in der Unternehmensführung. Ist Heuchelei vermeidbar?“ ein. Ich schlage Ihnen vor: Ersetzen Sie einfach das Wort „Unternehmensführung“ durch „Politik“, und stellen Sie die Frage: Doppelte Standards in der Politik. Ist Heuchelei vermeidbar? (Beifall bei der LINKEN) Ich will nur ein Beispiel für doppelte Standards in der Politik benennen. Daimler Benz und die Deutsche Telekom waren nicht in der Lage, vertragsgemäß die Lkw-Maut einzuführen. Deshalb fehlen uns 6 Milliarden Euro in der Kasse. Bis heute sind diese Schulden nicht beglichen. Trotzdem ist die Bundesregierung der Meinung, dass der neue milliardenschwere Mautvertrag nicht ausgeschrieben werden musste; vielmehr sollen diese beiden Unternehmen das fortführen. Können Sie, meine Damen und Herren, sich solche Standards in einem beliebigen Jobcenter vorstellen? Nein, natürlich nicht. Wer dort einen Termin verpasst, muss sofort mit Sanktionen rechnen, aber Daimler und Telekom schulden uns 6 Milliarden Euro und werden mit einem neuen Vertrag belohnt. Das ist nicht in Ordnung. Diese doppelten Standards müssen endlich beendet werden. (Beifall bei der LINKEN) Zehn Jahre nachdem Hartz IV eingeführt wurde und wir in Deutschland den größten Niedriglohnsektor Europas haben, gilt ab 1. Januar 2015 endlich der Mindestlohn. Ich sage absichtlich nicht, dass ab 1. Januar überall der Mindestlohn gezahlt wird. Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten, den Mindestlohn zu umgehen. Um das zu verhindern, brauchen wir mehr und effektive Kontrollen. Doch dafür hat die Bundesregierung leider unzureichend vorgesorgt. (Kerstin Griese [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!) 600 Planstellen sind bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die auch für die Überwachung des Mindestlohns zuständig ist, unbesetzt. Das sind 10 Prozent all dieser Stellen. Erst 2017 soll sich die Personalausstattung verbessern. Bis dahin sollen in Ausbildung befindliche Nachwuchskräfte aushelfen. Der Bundesrechnungshof hat schon Kritik angemeldet. Ich zitiere: Der Nachweis der Mindestlohnunterschreitung bei der Auftragsvergabe an (scheinselbstständige) Subunternehmer gestaltet sich zunehmend schwieriger. Um hier erfolgreich kontrollieren zu können, bedarf es eingehender Kenntnisse der erforderlichen Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen. Die Konsequenz wird sein: Viele Niedriglöhner werden noch lange auf ihren Mindestlohn warten müssen. Ich frage mich: Ist die unzureichende Kontrolle nur Ausdruck von mangelnder handwerklicher Fähigkeit, oder ist es etwa doch ein Geschenk an die Arbeitgeber, die keinen Mindestlohn zahlen wollen? (Zuruf von der CDU/CSU: Quatsch! Der ist unabdingbar!) – Es ist sehr schön, dass Sie dazwischenrufen: „Quatsch! Der ist unabdingbar!“ – Es gibt jeden Tag insbesondere aus Ihren Reihen neue Infragestellungen und neue Vorstellungen dazu, wie man den Mindestlohn umgehen kann. Ich finde, wenn Sie in einem Zwischenruf sagen: „Der Mindestlohn ist unabdingbar“, dann sorgen Sie verdammt noch mal dafür, dass er wirklich überall durchgesetzt wird und alle diese Schlupflöcher endlich geschlossen werden. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abschließend will ich noch etwas zur Altersarmut sagen. Das Statistische Bundesamt hat uns mitgeteilt, dass Armut immer mehr ältere Menschen in Deutschland betrifft. Fast jeder siebte Ältere im Westen unseres Landes war 2013 von Armut bedroht. Im Osten – einschließlich Berlin – gilt zwar „nur“ jeder achte Rentner als armutsgefährdet. Dafür ist das Armutsrisiko bei der Gesamtbevölkerung wesentlich größer als im Westen. Jeder Fünfte lebt jetzt schon an der Armutsschwelle. Die Aussichten werden nicht besser. Im Gegenteil: Heute gehen viele Menschen in Rente, die nach der Wiedervereinigung ihre Arbeit verloren hatten und sich von einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur anderen hangeln mussten. Entsprechend sieht die Rente aus. Die Bekämpfung der Altersarmut ist das Gebot der Stunde. Ich finde, das muss man intensiv anpacken, und hier, Frau Nahles, haben Sie noch nichts getan. (Beifall bei der LINKEN) Wer glaubt, dass mit der Rente ab 63 und der Mütterrente die zunehmende Altersarmut bekämpft wird, der hat sich geirrt. Deshalb müssen wir dieses Problem viel ernsthafter angehen. Es ist doch dramatisch, wie viele Rentnerinnen und Rentner Grundsicherung beantragen müssen. Traurige Spitzenreiter bei der Beantragung der Grundsicherung sind Städte wie Hamburg und Bremen. Hamburg – die Stadt der Millionäre und die Stadt mit der meisten Grundsicherung. Darin zeigt sich, wie gespalten unsere Gesellschaft ist. Nur durch eine gerechte Besteuerung, durch eine Besteuerung der wirklich Superreichen können wir dieses Problem endlich lösen. Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin spricht die Bundesministerin Andrea Nahles. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einzelplan 11 ist Teil eines Haushaltes, der ohne Neuverschuldung auskommt und – das füge ich hinzu – ohne Sozialkürzungen. Das zu erreichen, ist wahrlich außergewöhnlich, und wir haben es geschafft. Darüber können wir uns freuen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Nicht nur der Bundeshaushalt gibt Anlass zur Freude; denn auch die Haushalte der Sozialversicherungen sind solide aufgestellt. Erst letzte Woche hat das der Rentenversicherungsbericht gezeigt. Die Deutsche Rentenversicherung weist eine Rekordrücklage von 33,5 Milliarden Euro aus. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht mehr lange!) Sogar bei sinkenden Beitragssätzen ist die Rücklage in den vergangenen Jahren stetig aufgewachsen. Diese gute Finanzlage ermöglicht uns eine Beitragssatzsenkung um 0,2 Prozentpunkte ab dem 1. Januar 2015. Das ist gut; denn es entlastet die Wirtschaft und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Land. Das ist auch ein gutes Signal in der aktuellen konjunkturellen Situation. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die Zahlen zeigen auch: Das Anfang Juli in Kraft getretene Rentenpaket, von dem über 10 Millionen Menschen in Deutschland profitieren, ist verlässlich finanziert. Ich möchte an dieser Stelle ganz herzlich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Deutschen Rentenversicherung danken, dass sie die Mütterrente so zügig und ohne Fehler umgesetzt haben. Das war eine Herkulesaufgabe. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Trotz aller Unkenrufe wird auch die Rente mit 63 umgesetzt. Die Kosten und auch die Zahl derjenigen, die Anträge stellen, bewegen sich vollkommen in dem von uns erwarteten Rahmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, grundlegend für die gute Finanzlage der Sozialkassen ist vor allem eins: die gute Beschäftigung. Wenn wir im Jahresvergleich einen Zuwachs um rund eine halbe Million Beschäftigte aufzuweisen haben, bringt das Mehreinnahmen für die sozialen Sicherungssysteme von sage und schreibe 5 Milliarden Euro und, wenn man den Soli hinzurechnet, Steuermehreinnahmen von 3 Milliarden Euro. Deswegen ist unser wichtigstes Ziel für die kommenden Jahre, das hohe Beschäftigungsniveau zu halten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das muss das zentrale Ziel unseres Aufgabenbereiches sein. Mit 43 Millionen Erwerbstätigen schreiben wir ein Allzeithoch. Wir haben mittlerweile bei der Erwerbstätigenquote im europäischen Vergleich eine Spitzenposition; vor zehn Jahren lagen wir ganz unten. Frau Lötzsch, das zeigen eben auch die Entwicklungen der letzten zehn Jahre, die auch durch die Reformen, die wir hier durchgeführt haben, mit ausgelöst und befördert worden sind, und dazu stehen wir auch. Das ist eine -positive Entwicklung. Da wollen wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es gibt ein großes Thema in diesem Land; das ist die Fachkräftesicherung. Wir haben in der letzten Woche zusammen mit den Arbeitgeberverbänden, den Gewerkschaften und der Bundesagentur für Arbeit eine „Partnerschaft für Fachkräfte“ ins Leben gerufen. Natürlich sind alle bereits aktiv und engagiert. Wir haben uns aber verabredet, im nächsten Jahr eine gemeinsame Offensive zu starten. Wir wollen alle Stränge, die da sind, zu einem starken Tau zusammendrehen, so dass noch mehr Zugkraft entsteht, vor allem für folgende Gruppen: Erstens: für Frauen. Die Beschäftigungsquote ist in diesem Bereich ganz gut, 73 Prozent. Aber leider: Wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass über 80 Prozent derer, die in Teilzeit arbeiten, Frauen sind. Das heißt, hier geht es eher darum, die Arbeitsstundenzahl der Frauen zu erhöhen, so wie sie es wünschen. Das wollen sie. Genügend Untersuchungen belegen: Frauen wollen mehr Stunden arbeiten, wenn sie in Arbeit sind. Zweitens: für Ältere. Wir haben in diesem Bereich Riesenfortschritte erreicht; das weist übrigens auch der Rentenversicherungsbericht aus. Aber es ist immer noch deutlich zu sehen, dass es bei den 60- bis 64-Jährigen und den noch Älteren einen großen Knick gibt. Deswegen dürfen wir unsere Anstrengungen an dieser Stelle nicht einstellen. Im Gegenteil: Wir müssen sie weiter vorantreiben. Das wird auch Thema auf dem Integrationsgipfel nächste Woche sein; meine Kollegin Aydan Özoğuz sehe ich hier vorne. Es geht sowohl um die Menschen mit Migrationshintergrund in unserem Land, die häufiger als Menschen ohne Migrationshintergrund ohne Schulabschluss und ohne Ausbildung sind, als auch um Menschen, die derzeit aus dem Ausland zu uns kommen. Viele von ihnen arbeiten gar nicht oder unterhalb ihrer Qualifikation. Diese beiden Punkte stellen bei der Fachkräftesicherung eine ganz entscheidende Ressource dar, ein Potenzial, das wir heben wollen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir werden nicht nachlassen, an einer Stelle, wo viele stolpern, Vorschläge zu machen und Initiativen zu ergreifen: beim Übergang von Schule in Ausbildung. Hier haben wir initiiert – das ist noch im Aufbau –, Jugendberufsagenturen aufzubauen – gute Beispiele dafür sind -bereits realisiert, zum Beispiel in Hamburg oder in Mainz –; das muss weitergehen. Warum? Weil viele, vielleicht durch die Schule frustriert, nicht genügend Schwung mitnehmen, um eine duale Ausbildung durchzuziehen. Deswegen haben wir ein ESF-Programm zur Berufseinstiegsbegleitung entwickelt. Wir haben es bereits beantragt, und es wurde genehmigt. Hier liegen wirklich Chancen; denn bis 2019 haben wir mit einem Gesamtvolumen von 1 Milliarde Euro die Möglichkeit, 115 000 junge Menschen zu unterstützen und an 2 500 Schulen mit der Betreuung der Jugendlichen zu beginnen und sie auch im ersten halben Jahr ihrer Ausbildung weiter zu begleiten. Das halte ich für einen wesentlichen Schritt, um auch für schwächere Schülerinnen und Schüler in ganz Deutschland den Übergang von Schule in Ausbildung erfolgreich zu organisieren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Tatsächlich ist die gute Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht automatisch auch eine Erfolgsgeschichte für Langzeitarbeitslose. Wir haben über viele Jahre gehofft, dass ein Arbeitsmarkt, der gut aufnahmefähig ist, vielen, die länger arbeitslos sind, als Chance dienen kann. Das gab es sicherlich auch, aber insgesamt kommen wir seit einigen Jahren von der Zahl von 1 Million Langzeitarbeitslosen, von diesem Sockel nicht herunter. Ich habe deswegen vor wenigen Wochen im Ausschuss für Arbeit und Soziales ein Konzept vorgelegt. Kern sind zwei wichtige Erkenntnisse: Die eine Erkenntnis lautet: Es gibt nicht die Langzeitarbeitslosen. Es gibt verschiedene Gruppen. Es sind Alleinerziehende. Es sind Ältere. Es sind Leute ohne Ausbildung, zum Teil auch funktionale Analphabeten. Es sind Menschen, deren Gesundheit beeinträchtigt ist. Oft kommen auch mehrere Probleme zusammen. Die andere Erkenntnis oder Erfahrung lautet: Am besten lassen sich Erfolge erzielen, wenn wir nah an die Einzelnen herankommen. Man muss dabei an ein gutes Profiling oder an ein Paket von maßgeschneiderten Hilfen denken. Vor allem brauchen wir eine richtige Prioritätensetzung in den Jobcentern. Dieses Thema muss wirklich mit Priorität behandelt werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Genau an diesen Punkten setzt das Konzept an, einmal über das ESF-Programm für Langzeitarbeitslose. Es geht darum, auf der einen Seite Arbeitgeber zu akquirieren und auf der anderen Seite Arbeitnehmer zu begleiten, wenn sie denn in einen Job kommen. Was wir festgestellt haben, ist, dass leider viele, die nach langer Zeit der Arbeitslosigkeit wieder in einem Job begonnen haben, abbrechen. Ein weiterer Teil des Konzepts ist die bessere Betreuung in Aktivierungszentren; so nennen wir das. Das meine ich mit der Priorität, und zwar überall. Ich lade übrigens auch die Optionskommunen ausdrücklich ein, sich an diesem Konzept der Aktivierungszentren zu beteiligen. Das wollen wir umsetzen. Dann haben wir auch etwas Neues vorgeschlagen, nämlich ein BMAS-Programm zur sozialen Teilhabe; denn einige dieser Langzeitarbeitslosen sind sehr weit vom ersten Arbeitsmarkt entfernt. Wir müssen auch an dieser Stelle ganz ehrlich sein. Es braucht für diese Menschen andere, niedrigschwelligere Angebote. Wir haben das Programm deswegen bewusst „soziale Teilhabe“ genannt. Es geht in diesem Zusammenhang um einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 100 Prozent, um diesen Menschen über einige Jahre eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen. Ich verstehe dieses Konzept auch als Einladung zum Dialog. Wir werden den Dialog mit den Verbänden, mit den Kommunen, den Städten und Gemeinden, mit den Kirchen in den nächsten Wochen vorantreiben. Es ist aber natürlich auch eine Einladung an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam weiter nach den besten Wegen suchen! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Thema Fachkräfte; ich habe es schon angesprochen. 37 Prozent der Unternehmen in Deutschland fürchten einen Fachkräftemangel. Derweil suchen rund 180 000 Schwerbehinderte einen Arbeitsplatz. 59 Prozent davon haben einen Hochschulabschluss oder haben einen Beruf gelernt. Sie erfüllen also sämtliche Anforderungen an die Qualifikation. Da passt etwas nicht zusammen. Umso irritierender ist, dass diejenigen Unternehmen, die tatsächlich Schwerbehinderte beschäftigen, von guten bis sehr guten Erfahrungen berichten. Es kommt am deutschen Arbeitsmarkt offensichtlich etwas vor, was ich nicht hinnehmen möchte. Die Behinderung wird anscheinend wie unter einem Brennglas gesehen. Vieles macht einen Menschen aus, doch wir sehen vor allem den Aspekt der Behinderung – und den dann ganz riesig. Dabei geraten das Können und das Potenzial, das die Leute mitbringen, leider völlig aus dem Blick. Das kann so nicht bleiben. Es muss angesichts der guten Zahlen, die wir haben, und der Fachkräftesituation möglich sein, echte Inklusion am Arbeitsmarkt zu schaffen. Es muss unser Ehrgeiz sein, in den nächsten Jahren hier einen qualitativen Schritt nach vorn zu machen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir werden deswegen den Nationalen Aktionsplan weiter aktualisieren – selbstverständlich mit den Menschen mit Behinderung und ihren Verbänden. Wir werden das Behindertengleichstellungsgesetz weiterentwickeln, um sprachliche Hürden oder auch Barrieren baulicher Art weiter zu reduzieren. Natürlich packen wir auch das Bundesteilhabegesetz an. Bis 2016 wird das Gesetz vorliegen; das ist meine Planung. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den Aspekt der Selbstbestimmung aufmerksam machen. Unser ganzes Bemühen ist es, den Menschen mit Behinderungen einfach mehr selbstbestimmtes Leben in diesem Land zu garantieren und dafür die nötigen Voraussetzungen zu schaffen. Ich bin mir sicher, dass wir uns darüber einig sind, dass wir da weiter vorankommen wollen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss möchte ich den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, insbesondere unseren Berichterstattern und unserer Gesamtberichterstatterin Ekin Deligöz, ganz herzlich für die Zusammenarbeit danken. Das ist gut gelaufen; die Arbeit hat sich gelohnt. In diesem Sinne wünsche ich uns eine gute Beratung. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat der Kollege Markus Kurth das Wort. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Minister Nahles, als Sie die Gesamtbewertung Ihres Einzelplans vorgenommen haben, erinnerten Sie mich doch ein wenig an die Kapelle auf der „Titanic“: Sie trompeten laut zur Beruhigung der Menschen. Sie wollen vergessen machen, dass gerade dem größten Zweig der Sozialversicherung Ungemach droht. Sie wissen aber schon, dass die Rentenfinanzen ab heute nur noch in eine Richtung gehen, nämlich abwärts. Meine Damen und Herren, heute ist ein historischer Tag. Nie zuvor in der Geschichte der Rentenversicherung – mutmaßlich nie wieder zu unseren Lebzeiten – war die Rücklage so hoch wie am heutigen Tag. Ab morgen werden die Dezemberrenten überwiesen. Und da gönnen Sie sich von der Großen Koalition jetzt so etwas wie einen Tanz auf dem Vulkan; ich nehme an, die nachfolgenden Redner werden das auch noch tun. Aber ich sage Ihnen: Der Gipfel, auf dem Sie sich wähnen, ist gleichzeitig der Scheitelpunkt: Ab heute lassen Sie die Reserve der Rentenversicherung gnadenlos und unerbittlich leerlaufen; Monat für Monat, Jahr für Jahr schwindet die entbehrungsreich aufgebaute Rücklage der Versicherten. Das ist das Gegenteil von nachhaltiger Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Davon müssen Sie gerade reden bei Ihrer Politik!) Im Jahr 2018 sind laut aktuellem Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung nur noch 0,4 Monatsausgaben übrig. Danach wird den Steuerzahlern, den Beitragszahlern, den Rentnerinnen und Rentnern die Rechnung präsentiert, und diese wird heftig ausfallen: Satte 10 Milliarden Euro sind dann Jahr für Jahr aufzubringen. Nein, es gibt kaum ein besseres Beispiel, um zu zeigen, dass Sie sich Ihre schwarze Null schlichtweg ergaunern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht!) Sie ergaunern sie sich durch die Verschiebung von Lasten in die Sozialsysteme – wie bei der Mütterrente, die Sie mit Steuermitteln hätten finanzieren müssen – und durch die Verschiebung von Lasten in die Zukunft. Das Politikfeld der Alterssicherung gibt aber auch einen Einblick in die unanständigen Bewegungsgesetze der Großen Koalition. Es lässt sich sehr gut studieren, warum eine Große Koalition – um es in Anlehnung an Müntefering zu sagen – großer Mist ist. Das erste Bewegungsgesetz ist: Gibst du mir dein Geschenk, gebe ich dir mein Geschenk. – Das ist beim Rentenpaket zu beobachten gewesen. Das zweite Bewegungsgesetz lautet – wir beobachten es in diesen Tagen bei den Verhandlungen über die Flexi-Rente –: Gönnst du mir nicht das Schwarze unterm Fingernagel, gönne ich dir auch nicht das Schwarze unterm Fingernagel. – Das Ergebnis sind Bewegungslosigkeit und Stillstand. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Nein! Saubere Fingernägel!) Meine Damen und Herren, die Diskussion um die Rente mit 63 – das zeigt sich jetzt – hat durchaus verbrannte Erde hinterlassen. Es scheint keine ehrliche Diskussion über einen flexiblen Renteneintritt mehr möglich zu sein. Aber es ist und bleibt doch wahr: Wer verhindern will, dass die Rente mit 67 eine verkappte Rentenkürzung darstellt, muss besonderen Gruppen am Arbeitsmarkt flexible Übergänge in die Rente ermöglichen, und das notfalls auch vor dem 63. Lebensjahr. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Aha! Mehrausgaben!) Dies gilt insbesondere – das können Sie ruhig zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren von der Union – für Schwerbehinderte, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Erwerbsminderung und leistungsgeminderte Personen. Alle verfügbaren Zahlen zeigen – wir haben jüngst erst eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet –, dass es hier die größten Probleme gibt. Aber was machen Sie, was macht das Arbeitsministerium? – Business as usual, Augen zu und durch! Besondere, mit Haushaltsmitteln unterlegte Anstrengungen für die Beschäftigung Älterer sind nicht zu erkennen. Frau Nahles, im Prinzip setzen Sie an dieser Stelle – jedenfalls nach meinem Dafürhalten – die Politik Ihrer Vorgängerin, Frau von der Leyen, schlichtweg fort. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Die war ja auch gut!) Die Rentenübergänge sind nur eine Zukunftsaufgabe, an der diese Regierung erkennbar scheitern wird. Das Gesamtniveau der Alterssicherung muss Anlass zur Sorge geben. Auch hier lohnt ein Blick in den aktuellen Rentenversicherungsbericht und in die Antworten der Bundesregierung auf meine schriftlichen Fragen. Sie prognostizieren ein Gesamtversorgungsniveau von 50,6 Prozent in 2030, davon wird aber ein erklecklicher Anteil durch die Riester-Rente abgedeckt. Wenn man sich aber ansieht, wie viele Menschen in eine vollständig geförderte Riester-Versicherung einzahlen, dann wird einem schwummerig. 35 Millionen Versicherte werden vom sinkenden Rentenniveau betroffen sein. Gerade einmal 6,4 Millionen Versicherte, also weniger als ein Fünftel, sparen so viel, dass sie die volle Zulage bekommen. Die übrigen sparen entweder gar nicht, nehmen nur einen Teil der Förderung in Anspruch oder stellen ihre Versicherungen beitragsfrei, weil sie nicht sparen können. Im Ergebnis heißt das: Für mehr als vier Fünftel der Rentenversicherten trifft die Prognose der Bundesregierung zum Versorgungsniveau nicht zu. Mehr noch: Auch für das übrige Fünftel, das voll spart, wird die Zusage in Bezug auf das Versorgungsniveau nicht zutreffen, weil die Renditeannahmen zu optimistisch und die Verwaltungskosten höher sind, als angenommen. (Kai Whittaker [CDU/CSU]: Kommen Sie noch mit einer Vermögensteuer, dann ist alles weg!) Es wäre eine wichtige Aufgabe, hier für Wahrheit und Klarheit zu sorgen; denn die gesamte Konstruktion des Dreisäulenmodells wankt, wenn sich dieser Trend fortsetzt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit Blick auf Ihre Politik stelle ich fest: Es ist beinahe tragisch, welche Lähmung bei der Alterssicherung droht. Müntefering hat gesagt „Opposition ist Mist“ – das trifft manchmal zu, aber nicht immer. Ich füge jedoch hinzu: Eine Große Koalition ist eigentlich immer „Großer Mist“. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat der Kollege Axel Fischer das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Lieber Kollege Kurth, Sie sollten sich hier nicht so aufblasen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich kann mich noch daran erinnern: 2005 war die Rentenkasse auf Notkredite angewiesen. Seitdem – die Frau Ministerin hat darauf hingewiesen – geht es bergauf. Seit die Grünen nicht mehr in der Bundesregierung sind, läuft es in Deutschland. Das muss man ganz klar sagen. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt 2015 für den Bereich Arbeit und Soziales, den wir heute debattieren, ist ein rundum gelungenes Werk. Die ohnehin bereits ausgewogene Vorlage der Bundesregierung vom Sommer dieses Jahres haben wir einerseits an veränderte Rahmenbedingungen angepasst, andererseits haben wir wichtige eigene Akzente gesetzt, zum Beispiel bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik oder mit der Ausstattung der Geschäftsstelle der Mindestlohnkommission. Mit einem Volumen von 125,5 Milliarden Euro – das sind fast 42 Prozent des Gesamtetats – sollen die Ausgaben für Arbeit und Soziales um 3,6 Milliarden Euro – das entspricht knapp 3 Prozent – über denen des Vorjahres liegen. Mit diesen moderaten Steigerungen leisten wir einen erheblichen Beitrag für einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden. Mit Wolfgang Schäuble als Finanzminister wird der Bund 2015 erstmals seit 1969 keine Kredite zur Deckung der Ausgaben aufnehmen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Damals war übrigens Franz Josef Strauß Finanzminister einer christlich-sozialdemokratischen Koalition, also einer Koalition, wie wir sie jetzt wieder haben. Damit schließen wir den bereits eingeschlagenen Konsolidierungspfad für die Bundesfinanzen erfolgreich ab. Die sogenannte schwarze Null erreichen wir trotz eingetrübter Konjunkturaussichten, trotz gestiegener Arbeitsmarktausgaben, trotz erheblich steigender Hilfen des Bundes für die Kommunen und trotz erheblicher Ausweitung der Leistungen für die Rentner. Dank einer über die Jahre hinweg auf Wachstum durch Investitionen, auf sparsames Haushalten und weniger auf Umverteilung ausgerichteten Politik haben wir heute eine -solide finanzielle Basis für eine zukunftsorientierte Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik . (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verteilen doch von unten nach oben!) Die Wirtschaft entwickelt sich zwar etwas schwächer, aber der Arbeitsmarkt zeigt sich – und das trotz der Ereignisse in der Ukraine oder im Nahen und Mittleren Osten – sehr robust. Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sind weiter gestiegen. Mit rund 43 Millionen Erwerbstätigen und mehr als 30 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Menschen in Deutschland brechen wir ständig neue Rekorde. (Zuruf des Abg. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für das neue Jahr erwarten wir eine weiter sinkende Arbeitslosigkeit – mit dann weniger als 2,7 Millionen Arbeitslosen. (Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Was ist mit dem demografischen Wandel?) Ich kann mich noch an 5 Millionen und mehr Arbeitslose erinnern. Zwar hat sich die Anzahl der Arbeitslosen besser entwickelt, als wir es noch vor einigen Jahren erwartet haben, aber diese Entwicklung hat sich bislang leider nicht in einer entsprechend gesunkenen Anzahl an Bedarfsgemeinschaften oder Ausgaben für Langzeitarbeitslose niedergeschlagen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sieht man mal, wie schlecht die Sozialpolitik ist!) Deshalb haben wir im parlamentarischen Verfahren die Ausgaben für Hartz IV, also das Arbeitslosengeld II, für 2015 auf 20,1 Milliarden Euro erhöht. Zwar ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen von 2007 bis heute von 1,7 Millionen auf etwa 1 Million zurückgegangen, aber wir können und wollen uns nicht damit abfinden, dass die insgesamt positive Entwicklung am Arbeitsmarkt an diesem Teil der Arbeitslosen heute fast spurlos vorbeigeht. Deshalb bleiben die Ausgaben im Titel für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und die Verwaltungskosten hinsichtlich des SGB II mit 8 Milliarden Euro unverändert hoch. Ausgabenreste aus den letzten Haushalten in Höhe von 350 Millionen Euro erweitern den arbeitsmarktpolitischen Spielraum. Wir finanzieren hieraus unter anderem anteilig das neue ESF-Langzeitarbeitslosenprogramm mit einem Volumen von 224 Millionen Euro sowie das Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ mit 75 Millionen Euro in 2015. Darüber hinaus haben wir unsere Spielräume genutzt, um auch für langzeitarbeitslose Jugendliche weitere Förderungsperspektiven zu eröffnen; der Kollege Schiewerling wird in seiner Rede noch darauf eingehen. Denn unabhängig vom Alter der Langzeitarbeitslosen und vom jeweiligen Programm ist es wichtig, konkret an den Vermittlungshemmnissen im Einzelfall anzusetzen. Egal ob alleinerziehend, fehlender Abschluss, fehlende Sprachkenntnisse, fehlender Arbeitswille oder Drogenabhängigkeit – wir wollen alle unsere Mitbürger in die Lage versetzen, an der Arbeitswelt teilzuhaben und ein selbstbestimmtes Leben in Arbeit zu führen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Mast [SPD]) Dazu müssen wir aber neue Wege finden, neue Instrumente erproben und neue Strukturen schaffen. Wichtig ist, insbesondere den Kern von rund 150 000 Schwervermittelbaren anzugehen. Hierbei ist besonders Kreativität gefragt: neue Wege erkunden und Neues ausprobieren, um die Vermittlungshemmnisse zu beseitigen, Stichwort: Passiv-Aktiv-Tausch. Klar, dass hier alle an einem Strang ziehen müssen: Bund, Länder, Kommunen, Unternehmen und auch die Bundesagentur. Erste Erfahrungen mit Modellprojekten wie „Perspektive in Betrieben“ zeigen, wie auch arbeitsmarktferne Grundsicherungsempfänger Stück für Stück Inte-grationsfortschritte erzielen können. Wir werden hier weitere Modellprojekte auf den Weg bringen. Aber klar ist auch: Wir werden für spürbare Verbesserungen, insbesondere mit Blick auf die Vielzahl an Menschen mit mehreren Vermittlungshemmnissen – die Frau Ministerin wies bereits darauf hin –, sicherlich einen langen Atem brauchen, und wir werden auch darauf achten müssen, dass die Kosten für diese Programme nicht wegen möglicher Mitnahmeeffekte aus dem Ruder laufen. Meine Damen und Herren, eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Vermittlung in Arbeit sind motivierte und fachlich gut ausgebildete Vermittler. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pothmer zu? Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Wenn sie möchte, gern. Wenn die Uhr stehen bleibt, ist das kein Problem. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Ja, das ist jetzt schon geschehen; keine Sorge. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Fischer, Sie haben gerade auf den Passiv-Aktiv-Transfer hingewiesen und deutlich gemacht, dass alle an einem Strang ziehen müssen. Kann ich Ihren Worten entnehmen, dass sich die CDU/CSU-Fraktion zukünftig für den Passiv-Aktiv-Transfer einsetzen wird und dass der Fehler, den das Programm zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit von Frau Nahles beinhaltet, nämlich dass dieser Passiv-Aktiv-Transfer nicht vorgesehen ist, korrigiert wird, und zwar mit Ihrer Hilfe, Herr Fischer? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Sie können davon ausgehen, dass wir, so wie ich es beschrieben habe, verschiedene Modellprojekte auf den Weg bringen. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht ausweichen!) – Das hat mit Ausweichen überhaupt nichts zu tun. – Wir müssen neue Wege gehen und diese selbstverständlich innerhalb der Koalition beraten. Ich garantiere Ihnen nicht, dass das, was Sie darunter verstehen, passieren wird. Ich garantiere Ihnen aber, dass die Grundsätze der Koalition in diesem Bereich zum Tragen kommen. Ob das Ihnen dann gefällt oder nicht, wird uns im Zweifel egal sein. Wir werden es inhaltlich beraten. Denn uns ist wichtig, dass den Menschen geholfen wird, und nicht, dass die Ideologie, die Sie verbreiten, unbedingt durchgesetzt werden muss. Bei uns stehen die Menschen im Mittelpunkt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Ewald Schurer [SPD]) Im ersten Halbjahr 2014 haben die Kommunen in Deutschland Überschüsse in Höhe von 5,3 Milliarden Euro erwirtschaftet – in einem halben Jahr wohlgemerkt. Wesentlich für diese vergleichsweise komfortable Finanzsituation ist die massive Entlastung der Kommunen in den vergangenen Jahren durch den Bund, und zwar insbesondere durch die Übernahme der Kosten der Unterkunft und der Hilfe zum Lebensunterhalt. Bis zum Inkrafttreten des für 2018 vorgesehenen Bundesteilhabegesetzes legen wir jährlich 1 Milliarde Euro obendrauf. Für das Jahr 2015 beträgt die hierdurch entstandene Entlastung 5,4 Milliarden Euro. 4,9 Milliarden Euro sind dafür allein im Einzelplan 11 vorgesehen. 500 Millionen Euro kommen über die Umsatzsteuerbeteiligung der Kommunen noch hinzu. Mit diesen Überschüssen sind viele Kommunen wieder in der Lage, langfristig zu planen und notwendige Investitionen zu tätigen. Das freut uns und zeigt deutlich, wie wichtig uns die Selbstorganisation und Selbstverwaltung der Bürger vor Ort ist und wie groß wir Subsi-diarität schreiben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ewald Schurer [SPD]) Ich persönlich verbinde diesen großen Erfolg für die kommunale Selbstverwaltung auch mit dem Namen unseres langjährigen Kollegen Peter Götz, der wie kaum ein anderer über Jahrzehnte hinweg mit Herzblut für auskömmliche Kommunalfinanzen gekämpft hat. (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das stimmt!) Mit dem Rentenpaket, also mit Mütterrente und Rente mit 63, ist die Große Koalition fulminant in diese Legislaturperiode gestartet. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fulminant ins Haushaltsloch!) Beide Rentenleistungen erfreuen sich übrigens größter Beliebtheit. So steigen die beitragsfinanzierten Leistungen der Rentenversicherung im kommenden Jahr um etwa 10 Milliarden Euro an. Die Ausgaben im Bundeshaushalt 2015 für die Rentenversicherung, die Grundsicherung im Alter und im Falle von Erwerbsminderung steigen moderat von 88,4 auf 90,2 Milliarden Euro, also um knapp 2 Milliarden Euro. Die Absenkung des Rentenbeitrags um 0,2 Prozentpunkte auf 18,7 Prozent im kommenden Jahr entlastet den Bundeshaushalt um rund 500 Millionen Euro. Die Rentenzuschüsse sind derzeit solide finanziert. Der in 2018 auf rund 101 Milliarden Euro absehbar steigende Bundeszuschuss ist in den kommenden Jahren finanzierbar. Bei aller Freude über die derzeitige Finanzierbarkeit von Mütterrente und Rente mit 63 aus den Rücklagen der gesetzlichen Rentenversicherung dürfen wir die Belastbarkeit der arbeitenden Generation und unserer Wirtschaft nicht überstrapazieren. Denn für alle sozialpolitischen Maßnahmen gilt, dass sie nur in der Höhe finanzierbar sind, wie die Leistungen vom aktiven Teil der Bevölkerung erbracht werden. In diesem Zusammenhang ein kleines Gedankenspiel: 1970 lag die Lebenserwartung bei durchschnittlich gut 70 Jahren. Heute liegt sie mit gut 80 Jahren mehr als 10 Jahre höher. Das bedeutet, dass die Menschen heute 10 Jahre länger leben als 1970. Für die meisten ist dies ein Gewinn an Lebensqualität. 1970 lag das gesetzliche Renteneintrittsalter bei 65 Jahren. Wenn Menschen heute mit 63 abschlagsfrei in Rente gehen, dann gewinnen sie gegenüber früheren Rentnern bei kürzeren Lebensarbeitszeiten 12 Jahre Rentnerdasein dazu. Insofern verdeutlicht die Einführung der abschlagsfreien Rente mit 63 für langjährig Beschäftigte auch die soziale Komponente der Rentenpolitik dieser Bundesregierung. Aber so respektabel es ist, wenn Menschen möglichst früh aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden wollen: Wir dürfen die Kehrseite nicht vergessen: steigende Rentenausgaben, sinkende Renteneinnahmen und vor allem ein sinkendes Arbeitskräftepotenzial. Der demografisch bedingte zunehmende Fachkräftemangel verschärft sich damit weiter. Insofern darf es nicht verwundern, wenn Unternehmen mittlerweile beginnen, gutes Personal zu horten. Meine Damen und Herren, während Südosteuropas Jugend teilweise verzweifelt nach Ausbildungsplätzen sucht, suchen Ausbildungsbetriebe bei uns händeringend geeigneten Nachwuchs. Derzeit ringen Europas Arbeitsvermittlungen und Arbeitsverwaltungen um eine einheitliche Strategie zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Unter Leitung von BA-Chef Weise treffen sich die Verantwortlichen Anfang Dezember in Rom, um Erfahrungen auszutauschen und europaweit zu gemeinsamen, praktikablen Lösungen zu kommen; denn die Absenkung der Jugendarbeitslosigkeit ist ein Anliegen von allen. Ich denke, Herr Weise wird uns am 3. Dezember 2014 im Haushaltsausschuss darüber berichten können. Wir jedenfalls wollen weiterhin – auch über 2015 hinaus – jungen Menschen Perspektiven weisen und ihnen die Hand reichen für einen gelungenen Einstieg in ein erfülltes Arbeitsleben. Denn auf ihrer Persönlichkeit und ihrer Tatkraft fußt die Zukunft unserer Wirtschaft, unserer Sozialsysteme und unserer Gesellschaft in einem alternden Europa. Dabei bezieht sich „alternd“ nicht nur auf die Demografie, sondern beschreibt auch eine Geisteshaltung; denn wir müssen, wie Papst Franziskus am Dienstag vor dem Europarat in Straßburg sagte, in Europa jene geistige Jugend wiederfinden, die „es fruchtbar und bedeutend gemacht hat“. Abschließend bleibt mir nur noch, allen recht herzlich für die gute Zusammenarbeit zu danken: für das Ministerium Frau Nahles, der Hauptberichterstatterin Ekin Deligöz, Frau Lötzsch und Herrn Schurer sowie dem Kollegen Schiewerling und der ganzen Arbeitsgruppe. Ich glaube, wir haben einen Etat vorgelegt, dem man ohne Probleme zustimmen kann. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner hat der Kollege Ewald Schurer das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ewald Schurer (SPD): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dort, wo der Kollege aufgehört hat, möchte ich gleich weitermachen. Die Frau Ministerin ist sicherlich bei mir, wenn ich mich persönlich und auch im Namen der Haushälterinnen und Haushälter bei Herrn Bald bedanke, einem exzellenten Fachmann im BMAS, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der über Jahre hinweg führend dazu beigetragen hat, dieses Haus so gut aufzustellen. Der Dank an die Kolleginnen und Kollegen ist gerade ausgesprochen worden. Diesen Dank möchte ich wiederholen. Er geht auch an die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker der Unionsfraktion – die Politiker der SPD-Fraktion sind sowieso spitze; das weiß jeder –, die mit großer Fachkenntnis diesen Haushalt mit entwickelt haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn der Kollege Markus Kurth eine der großen Katastrophen der modernen Schifffahrt bemühen muss, um hier die Auswirkungen der Rentenpolitik darzustellen, ist das schon ein trauriges Beispiel und macht die fachlichen Defizite der Grünenfraktion in diesem Bereich klar. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch billig! Billig ist das! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Die Anleihen kommen ja immer von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Diese Bausätze tragen Sie ja in jeder Debatte vor. Zu mehr reicht es bei Ihnen nicht. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Sie kennen mich doch überhaupt nicht! Erzählen Sie nicht so einen Quatsch! Ausgerechnet mir das vorzuwerfen, ist billig!) Ich muss Ihnen dazu sagen – auch wenn Sie sich hier bis aufs Äußerste echauffieren –: Was Sie beschrieben haben, hat mit dem, was wir hier machen, nichts zu tun. Wir machen berechenbare, ordnungspolitisch saubere Haushaltspolitik im Bereich Rente und Arbeit und stemmen einen Haushalt über 125,5 Milliarden Euro. Das ist ganz großes Kino im Bereich des Haushaltswesens des Bundes. Das ist der Anteil von 42 Prozent, die der Kollege vor mir bereits genannt hat. Das lässt sich mit solch einer Schiffskatastrophe nicht vergleichen. Wir machen hier berechenbare Politik für die Menschen in Rente und Arbeit. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie leeren die Rentenkassen! Das machen Sie!) Ich muss auch noch etwas anderes sagen – Herr Kurth, hören Sie doch einmal zu; die Nachhilfe ist bei Ihnen gerade richtig –: (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie was Vernünftiges erzählen würden, würden wir zuhören!) Die Finanzierung unseres Rentensystems hängt in der Zukunft – das ist Volkswirtschaft; das ist auch für Sie ganz wichtig – (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) vom Grad der Beschäftigung und vom Fortschritt der Produktivität unserer Volkswirtschaft ab. (Stephan Stracke [CDU/CSU]: So ist es!) Wenn wir das weiterhin so gut hinbekommen wie Schwarz-Rot zurzeit, haben wir allen Grund, sagen zu können: In den nächsten 10, 20 Jahren halten wir unsere Sozialsysteme sauber und berechenbar. Dann müssen wir keinen billigen Vergleich ziehen; dann müssen wir keinen Vergleich ziehen mit einer humanitären Katastrophe, bei der Tausende von Menschen ihr Leben gelassen haben. Das war ein ganz schwacher Einstieg. Da können Sie noch so schreien; das macht es nicht besser. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch unterirdisch, was Sie hier darbieten! Das ist doch peinlich! Das hätten Sie doch nicht nötig!) – Jetzt hören Sie doch einmal zu. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch einmal etwas Vernünftiges, statt mich die ganze Zeit zu beschimpfen!) – Sie haben doch schon reden dürfen. Beim nächsten Mal dürfen Sie wieder reden. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Mist! Das reicht mir!) – Herr Kurth, das war inhaltlich keine gute Leistung. Sie müssen nicht gleich total ausrasten, wenn Sie mit Fakten konfrontiert werden. – Das ist kein gutes Benehmen, Frau Präsidentin. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie da machen, ist kein gutes Benehmen!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist eine lebendige Debatte. Das ist gut; deshalb habe ich bisher auch nicht eingegriffen. Das werde ich auch nicht, solange es eine sachliche Auseinandersetzung ist. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ewald Schurer (SPD): Zum Mindestlohn: Mich hat der letzte Bericht der sogenannten Sachverständigen ein bisschen verunsichert. Ich dachte, ich bin im falschen Film, (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind am falschen Platz!) weil die Sachverständigen plötzlich versucht haben, mit esoterischen Mitteln – glauben, fühlen, tasten – die Wirtschaftslage bei uns zu analysieren. Ich muss ehrlich sagen: Das fand ich gar nicht lustig, weil ich von den Wirtschaftsweisen eine seriöse ökonomische Analyse erwarte. Ich erwarte Herleitungen, die wichtig sind, damit wir eine gute Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik machen können. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die schreiben immer bei der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ab!) Das, was von den Sachverständigen kam, folgte mir zu sehr dem Prinzip Glauben. Ein Appendix lautete: Ja, es gibt Sozialreformen – Mindestlohn und Rentenpaket –, und die machen wir automatisch verantwortlich für die leichten Konjunktureinbrüche im zweiten und dritten Quartal. – So ein Quatsch. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Ich will Sachverständige, die ich ernst nehmen kann, die nach ökonomischen und handwerklich sauberen Prinzipien etwas herleiten, mit dem wir in der Politik gut arbeiten können. Daher war ich ein Stück weit enttäuscht. Hinter dieser Enttäuschung steckt die Vermutung, dass das nicht nur esoterische Versatzstücke waren, sondern dass dies die Denkweise der Wirtschaftsweisen widerspiegelt, die noch zu sehr im Denkmuster der letzten 20 Jahre – neoliberale Wirtschaftsphilosophie – verharrt. Es gibt aber neue Philosophien. Auch der IWF sagt heute: Wir müssen bei uns die Nachfrage und die Sozialsysteme stärken, aber alles auf ökonomisch vernünftige Weise, seriös finanziert. Ich glaube, hier besteht Nachholbedarf, den wir in dieser Parlamentsdebatte gegenüber diesem doch sehr elitären Kreis, der für die deutsche Volkswirtschaft und damit auch für die Politik bedeutend ist, anmahnen dürfen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Mal gucken, ob von der CDU jetzt einer klatscht! – Keiner! Und von der SPD auch nicht!) Ich will auf einen Bereich eingehen, den mein Kollege schon angesprochen hat. – Danke, Axel Fischer! – Für mich ist, bei den vielen Hundert Haushaltstiteln, die wir ansprechen könnten, ganz wichtig, dass wir dem Mindestlohn eine Mindestlohnkommission zur Seite stellen, dass wir eine Geschäftsstelle mit dazugehörigem Personal stellen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finanzieren. (Beifall der Abg. Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU] und Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Diesbezüglich gilt mein ganz großer Dank den Freunden von der Union. So sind wir in der Lage, in den nächsten ein, zwei Jahren zu evaluieren: Welche Wirkungen wird der Mindestlohn am Arbeitsmarkt entfalten? Wie wird er sich auf Steuern und Sozialsysteme auswirken? Und wie wird er sich auf die Tarifverhandlungen auswirken? Bei den Auswirkungen auf die Tarifverhandlungen geht es um Sekundärwirkungen. Wird die Lohnuntergrenze künftig nicht mehr unter 8,50 Euro liegen, sondern ein Stück oder deutlich darüber? Deswegen sind für mich die Mindestlohnkommission und die Geschäftsstelle von sehr großer Bedeutung. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege Schurer, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pothmer zu? Ewald Schurer (SPD): Selbstverständlich. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Schurer, Sie werden mir sicher zustimmen, dass die Wirksamkeit des Mindestlohns entscheidend von der Frage abhängt, ob die Einhaltung des Mindestlohns gut kontrolliert werden kann und gut kontrolliert wird. Seit heute wissen wir – die Gewerkschaften haben dazu eine große Pressekonferenz durchgeführt –, dass es eine neue Verordnung geben wird, der auch die Arbeitsministerin Nahles zugestimmt hat. Diese neue Verordnung wird dazu führen, so die Aussage der großen Gewerkschaften, dass die Schlupflöcher deutlich größer werden, weil die Kontrolle nicht in dem erforderlichen Umfang möglich sein wird. Können Sie mir einmal erklären, welchen Sinn diese Verordnung hat? Schließlich haben Sie gerade gesagt, dass der Mindestlohn und damit auch die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns eine große Bedeutung hat. Ewald Schurer (SPD): Es ist wahr, dass über diese Verordnung aktuell debattiert wird. Das ist einmal ein guter Beitrag vonseiten der grünen Freunde. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu sage ich jetzt nichts mehr!) Darüber, wie die Verordnung wirken wird, ist noch zu debattieren. Diese Diskussion wird mit den Gewerkschaften zu führen sein. Tatsache ist, dass das Mindestlohngesetz schon im Koalitionsvertrag so angelegt ist, dass wir versuchen, die Umsetzung und die Kontrolle auch durch neue Stellen beim Zoll zu gewährleisten. Ich gebe Ihnen recht, dass das nicht von heute auf morgen bzw. innerhalb eines Jahres in vollem Umfang möglich ist. Wir müssen sukzessive eine Struktur schaffen, um die Umsetzung des Mindestlohns künftig zu gewährleisten; auch da gebe ich Ihnen recht. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die Verordnung!) Ich vermute, hier besteht zwischen uns Konsens. Auch das ist ja mal eine schöne Geschichte. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat mit der Frage überhaupt nichts zu tun gehabt!) Frau Präsidentin, ich will zur Entlastung der Kommunen kommen. Ich denke, wenn wir über den Haushalt für Arbeit und Soziales diskutieren, müssen wir auch erwähnen – das ist wichtig –, dass es eine große, berechtigte Erwartungshaltung der Kommunen gibt, im Sozialbereich entlastet zu werden. Für das Bundesteilhabegesetz reichen wir ab 2018 die vollen 5 Milliarden Euro aus, bis dahin jeweils 1 Milliarde Euro jährlich; auch das ist schon ein kleines Stück Entlastung. Künftig findet eine 100-prozentige Übernahme der Kosten für die Grundsicherung bei Erwerbsminderung und im Alter statt. Dadurch kommt es bis 2018 zu einer Entlastung – auch da sollten meine grünen Freunde zuhören – in Höhe von insgesamt 25 Milliarden Euro. Das ist eine gewaltige Entlastung, die den Kommunen wirklich weiterhelfen wird. Auch im Zuge der Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes werden erste Beträge fließen. Meine Fraktion bzw. meine Partei hat unter anderem angeregt – wir werden darüber noch diskutieren –, weitere Entlastungen der Kommunen auf den Weg zu bringen. Das ist in finanzieller Hinsicht nicht leicht. Aber wir wissen, dass wir auf dem Gebiet von Migration, Flucht und Asyl noch mehr leisten müssen, auch vonseiten des Bundes. Das betrifft aber nicht nur den Bereich Arbeit und Soziales, sondern von dieser Querschnittsaufgabe werden verschiedene Ministerien betroffen sein. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da können Sie ja morgen gern unserem Entschließungsantrag zustimmen!) Ich hoffe, dass wir uns innerhalb der Koalition einigen werden. Weitere Entlastungen der Kommunen werden sicherlich mit den im Hinblick auf den Städtebau geplanten Maßnahmen verbunden sein, Stichwort „Soziale Stadt“. Hinzu kommen 6 Milliarden Euro für Kinderkrippen, Kitas, Schulen, Hochschulen und BAföG-Leistungen. All das spielt bei der Entlastung der Kommunen eine Rolle – nicht alles unmittelbar, aber teilweise mittelbar. Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass wir unsere Bemühungen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosen durch entsprechende Modelle verstärken wollen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: „Bekämpfung der Langzeitarbeitslosen“ – schöner Versprecher!) Zu diesem Thema wird mein Kollege Ralf Kapschack sprechen; er wird die sozialdemokratische Programmatik insgesamt darstellen. Ich wünsche mir, dass wir auch weiterhin sehr sachliche Dialoge führen, Herr Kurth, und über die echten Probleme im Bereich Arbeit und Soziales in diesem Land sprechen, ohne Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen. Herzlichen Dank für das Zuhören. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin spricht Sabine Zimmermann. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Nahles, Sie sagten vorhin, dass Sie stolz auf die Reformen der Agenda 2010 sind und dass Sie stolz darauf sind, mit 43 Millionen Erwerbstätigen so viel Beschäftigung wie noch nie erreicht zu haben. – Vielleicht, Frau Nahles, können Sie mir zuhören; dann wissen Sie auch, wovon ich rede. Ich sage Ihnen einmal aus Sicht einer Gewerkschafterin, wie ich diese Reformen empfinde – Sie sind ja auch Gewerkschafterin; aber ich bin vielleicht ein bisschen näher an der Basis als Sie –: Wir haben in den letzten Jahren einen enormen Wandel auf dem Arbeitsmarkt erlebt. Es gibt 1,2 Millionen Aufstocker, 800 000 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, 2,5 Millionen Zweitjobber – Menschen, die von ihrem ersten Job allein nicht leben können und deshalb einen zweiten Job haben –, 5 Millionen Minijobberinnen und Minijobber (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Und was wollen Sie uns damit sagen?) – hören Sie mir zu –, 889 000 minijobbende Rentner und Rentnerinnen, 500 000 Rentnerinnen und Rentner, die die Grundsicherung im Alter brauchen, und fast 2 Millionen Kinder, die in Armut leben. Das ist das Ergebnis Ihrer Reformen der Agenda 2010. Nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis, meine Damen und Herren! (Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Zurücknehmen! Das ist besser als zur Kenntnis!) Ich habe einen Kollegen in Zwickau. Er ist Leiharbeiter und alleinerziehender Vater, ist in der Automobilindustrie bzw. in der Zuliefererindustrie im Dreischichtsystem tätig und hat nebenbei zwei Minijobs, damit er seine Tochter ernähren und überhaupt über die Runden kommen kann. Wenn ich zu ihm sage: „Die Bundesregierung sagt doch, es gibt 43 Millionen Jobs“, antwortet er mir: Ja, ich allein habe drei davon. – Es kann doch nicht sein, dass er sich nicht einmal um seine Tochter kümmern kann, weil er rund um die Uhr arbeitet! (Beifall bei der LINKEN) Zum Thema Langzeiterwerbslosigkeit ist zu sagen: Jeder dritte Erwerbslose ist mehr als ein Jahr lang arbeitslos. 1 Million Langzeitarbeitslose haben in Deutschland schon lange keine Aussicht mehr auf einen Job. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nur die Hälfte!) Von guter Arbeit wollen wir hier gar nicht reden. Und was tun Sie? Sie wollen für eine bessere Arbeitsmarktpolitik keinen zusätzlichen Cent in die Hand nehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, als Sie noch in der Opposition waren, haben Sie den arbeitsmarktpolitischen Kahlschlag der Vorgängerregierung von Union und FDP sehr heftig kritisiert. Heute sitzen Sie auf der Regierungsbank und heben für alles den Arm. Ich verstehe das nicht. Wo bleiben hier Ihre sozialdemokratischen Wurzeln? (Beifall bei der LINKEN) Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: 2010 betrug der Etat für aktive Arbeitsmarktpolitik im Bereich Hartz IV noch 6,6 Milliarden Euro. Nun soll er bei 3,9 Milliarden Euro liegen. Das ist ein Minus von 40 Prozent bei einem Rückgang der Langzeiterwerbslosigkeit um 7 Prozent. Das passt doch nicht zusammen. Das ist die pure Ignoranz dieser Regierung. Da sagen wir: Das ist auch unsozial. (Beifall bei der LINKEN) Ich will Ihnen einmal vorlesen – Sie werden sicherlich auch viele Briefe bekommen –, wie es den langzeit-erwerbslosen Menschen in unserem Land geht – ich -zitiere eine Frau aus Berlin –: Ich sehe keine Zukunftsperspektive mehr für mich, und ich kann so nicht leben, wie es jetzt für mich vorgesehen ist. Ich gleite mehr und mehr in eine Depression, bin weit entfernt von dem Menschen, der ich einmal war. Ich bin seelisch nicht mehr gesund. Es ist ein Zustand, den man schwer beschreiben kann. Eine Frau aus dem Vogtland schrieb: Für morgen habe ich eine Einladung ins Jobcenter zu meiner Arbeitsvermittlerin. Der Termin ist wichtig. Wenn ich nicht hingehe, gibt’s Sanktionen. Alles wird ablaufen wie immer: die Abfrage, wo ich mich wann beworben habe, sie wird mit mir gemeinsam in der Jobbörse suchen, dann darf ich wieder gehen. Ich fühle mich alleingelassen, obwohl ich viele kenne, denen es so geht wie mir. Das sind ehemalige Arbeitskollegen, aber auch meine drei Studentenfreundinnen von früher. Alle wollen arbeiten. Meine Damen und Herren, und was tun Sie? Sie feiern hier zwei Schmalspurprogramme, die Sie jetzt für 43 000 Menschen installieren wollen. „Hoffnungslos unterfinanziert“, hat der Paritätische Wohlfahrtsverband dazu gesagt. Mehr gibt es dazu auch wirklich nicht zu sagen. Ihr Haushalt ist ein Nein zu mehr guten Weiterbildungsmaßnahmen, ein Nein zu guter öffentlich geförderter Beschäftigung und ein Nein zu besserer Vermittlung von Langzeiterwerbslosen in den Jobcentern. (Katja Mast [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!) Sie halten auch daran fest, dass Langzeiterwerbslose in den ersten sechs Monaten einer Neubeschäftigung vom Mindestlohn auszunehmen sind. Ich frage Sie: Sind das Menschen zweiter Klasse? Hören Sie endlich auf, die Langzeiterwerbslosen zu diskriminieren! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir Linke fordern, den Etat für die Arbeitsmarktpolitik an die tatsächliche Arbeitslosigkeit anzupassen. Auch die Armut wollen Sie nicht bekämpfen. Hartz IV hat Millionen von Menschen in die Armut getrieben. Darunter sind 1,6 Millionen Kinder in den Bedarfsgemeinschaften, und Sie tun nichts, um diese skandalösen Auswüchse der Agenda 2010 zu überwinden. Nicht einmal den Regelsatz wollen Sie erhöhen, obwohl Ihnen das Bundesverfassungsgericht dies vor kurzem erst anders gesagt hat. Wir unterstützen das breite Bündnis von Erwerbsloseninitiativen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden, das eine Neuberechnung des Regelsatzes fordert. Gemeinsam wollen wir ein menschenwürdiges Existenzminimum für alle. (Beifall bei der LINKEN) Sagen Sie jetzt nicht, meine Damen und Herren der Großen Koalition, dafür sei kein Geld da. Die Schweizer Bank UBS hat gerade den Reichtumsbericht vorgelegt. Danach leben in Deutschland nach den USA die zweitmeisten Multimillionäre. 19 000 Superreiche gibt es bei uns, die jeweils mindestens 23 Millionen Euro besitzen. Das ist insgesamt das Vierfache unseres Haushaltes im Bund. Mit Ihrer Steuerpolitik schonen Sie diese Herrschaften aber, und Sie sehen zu, wie die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht. Sie spalten das Land, und das ist unverantwortlich. (Beifall bei der LINKEN) Ich komme zum Schluss, obwohl ich noch sehr viel sagen könnte, zum Beispiel zum Mindestlohn, der jetzt eingeführt wird. Sie nennen ihn Mindestlohn; wir sagen Flickenteppich dazu. Kontrollieren können Sie ihn nicht, weil Sie das dafür nötige Geld gar nicht einstellen. Abschließend möchte ich noch unsere Ministerin Nahles aus dem Jahr 2010 zitieren. Da war sie noch nicht Arbeitsministerin. Sie sagten damals zum Haushalt der schwarz-gelben Regierung: Die Maßnahmen sind „extrem feige, weil die Verursacher der Krise geschont und Bedürftige rasiert werden“. Leider ist der heute vorliegende Haushalt keinen Deut besser. Die Linke wird ihn ablehnen, weil er unsozial ist. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächster Redner spricht Karl Schiewerling. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Beratungen des Haushalts der Bundesarbeitsministerin finden in – europäisch und weltweit – wirtschaftlich spannenden Zeiten statt, übrigens mit einem hohen Potenzial an volkswirtschaftlichen Fehlprognosen. Eine dieser Fehlprognosen ist, dass sich auf dem Arbeitsmarkt schon seit langem eine negative Entwicklung hätte bemerkbar machen müssen. Fast hysterisch haben manche ständig auf die Arbeitslosenzahlen geschaut, um zu sehen, wann sie denn endlich steigen. Tatsächlich sinken sie. Tatsächlich haben wir einen Aufwuchs an Beschäftigung: 500 000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Liebe Frau Zimmermann, wenn diese Beschäftigungsverhältnisse alle so katastrophal wären, wie Sie sie beschreiben, dann hätten wir nicht diesen Aufwuchs im Bereich der Sozialversicherung. Glauben Sie denn, Minijobs machen Mehreinnahmen von 33 Milliarden Euro in der Sozialversicherung aus? (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ihre regelmäßig wiederkehrende Darstellung der angeblich katastrophalen Situation in Deutschland ist durch nichts, aber auch gar nichts gedeckt. Auch uns machen die Langzeitarbeitslosen – dazu sage ich gleich etwas – große Sorgen; überhaupt keine Frage. Aber hier ständig den Eindruck zu erwecken, als herrschte in Deutschland das nackte Elend, widerspricht völlig dem Gefühl der Menschen und widerspricht auch völlig der Realität. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das hat doch keiner gesagt!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Schiewerling, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Zimmermann zu? Karl Schiewerling (CDU/CSU): Ja, einmal. Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE): Vielen Dank, lieber Kollege Schiewerling. – Nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Zahlen, die ich gebracht habe, keine Zahlen der Linken oder von mir sind, sondern Zahlen des Statistischen Bundesamtes? Nehmen Sie auch zur Kenntnis, dass ich nicht gesagt habe, dass die Lage katastrophal ist, sondern dass ich nur beschrieben habe, wie viele Millionen Menschen im Niedriglohnbereich arbeiten, wie viele Millionen Menschen auf Grundsicherung angewiesen sind und wie viele Millionen Menschen bei uns in Deutschland in Armut leben? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Erstens. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Zahlen vom Statistischen Bundesamt sind. Zweitens. Ich nehme allerdings auch zur Kenntnis, dass Sie diese Zahlen des Statistischen Bundesamtes permanent so drehen und wenden, dass der Eindruck einer flächendeckenden Katastrophe entsteht. Daran können Sie nichts ändern, auch nicht durch die Art, wie Sie gerade Ihre Frage gestellt haben. (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie machen auch nur Schönfärberei! Da muss man was entgegensetzen!) Meine Damen und Herren, die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sind positiv. Vor zehn Jahren war Deutschland der kranke Mann in Europa; die Frau Bundesarbeitsministerin hat in ihrer Rede vorhin darauf hingewiesen. Heute sind wir die Lokomotive. Daran haben viele ihren Anteil, auch die Agenda 2010. Ohne die Flexibilisierung hätten wir das nicht geschafft. Diese Agenda wurde unter Gerhard Schröder auf den Weg gebracht, und ohne die umsichtige Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel würden wir nicht da stehen, wo wir heute stehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Sie von den Linken können es drehen und wenden, wie Sie wollen, und das SGB II so oft angreifen, wie Sie wollen. (Sigrid Hupach [DIE LINKE]: Zu Recht!) Ich sage Ihnen: Das SGB II ist geschaffen worden, um vor absoluter Armut zu bewahren. Das SGB II ist geschaffen worden, um eine Grundsicherung zu schaffen, damit die Menschen nicht ins Bodenlose fallen. Das SGB II hat auch dazu geführt, dass wir im Bereich der Arbeitsmarktpolitik neue Wege gehen konnten, die vorher nicht möglich waren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich glaube, dass Ihre Analyse falsch ist. Allerdings – das ist richtig – haben wir schon in der letzten, christlich-liberalen, Koalition und in nahtloser Fortsetzung in der jetzigen Koalition dem Missbrauch auf dem Arbeitsmarkt, wo einige glaubten, sie könnten durch die Liberalisierung des Arbeitsmarktes mit allem und jedem in Wildwestmanier umgehen und Arbeitsverhältnisse nach Belieben gestalten, einen Riegel vorgeschoben. Deswegen haben wir so viele Branchen ins Entsendegesetz aufgenommen. Das fing in der christlich-liberalen Koalition an. Es sei übrigens in Demut erwähnt: Alle Branchen bis auf eine einzige Ausnahme wurden unter CDU-Kanzlern in das Entsendegesetz aufgenommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deswegen ist es richtig, dass wir sagen: Wir wollen keine Dumpinglöhne, und wir wollen diese Verwerfungen am Arbeitsmarkt nicht. (Sigrid Hupach [DIE LINKE]: Das sind aber immer noch Realitäten!) Dazu gehört auch, dass wir Mitte dieses Jahres das Tarifvertragsgesetz geändert haben und dass wir das Mindestlohngesetz gemacht haben. Das war ein wichtiger und richtiger Schritt, den wir hier gegangen sind. Wir haben einmalig einen Mindestlohn von 8,50 Euro gesetzlich beschlossen. Danach wird die Mindestlohnkommission über die Höhe des Mindestlohns entscheiden. Sie hat den Auftrag, die Gesamtentwicklung zu beobachten und zu bewerten und entsprechende Vorschläge für die Zukunft zu machen. Deswegen bin ich den Haushältern und dem Haushaltausschuss dankbar, dass sie dazu beigetragen haben, dass die Mindestlohnkommission kein Gremium von Frühstücksdirektoren wird, sondern so ausgestattet ist, dass sie tatsächlich ihren Auftrag erfüllen kann. Denn die zukünftige Entwicklung des Mindestlohns gehört dahin, wo wir sie vorgesehen haben, nämlich in die Hand der Tarifpartner. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein Thema, das hier des Öfteren angesprochen wurde, ist die Kontrolle der Schwarzarbeit. Es ist zwar richtig, dass es 600 nichtbesetzte Stellen gibt. Das liegt aber nicht daran, dass diese Stellen nicht besetzt werden sollen, sondern daran, dass zukünftige Zollbeamte nicht wie Birnen am Baum wachsen. Sie müssen zunächst einmal ausgebildet und qualifiziert werden. Sie müssen am Arbeitsmarkt gewonnen und dann auch eingestellt werden. Mit diesem Haushalt haben wir die Voraussetzungen geschaffen, dass wir sie einstellen können. Das zeigt, dass diese Bundesregierung keineswegs Mindestlöhne unterlaufen will, wie es heute dargestellt wurde. Sie will sie auch vernünftig kontrollieren. Allerdings können wir nicht für jeden Betrieb zwei Mitarbeiter vom Zoll abstellen, um zu gewährleisten, dass niemand eine falsche Zahl in den Ordner schreibt. Dann hätten wir uns manches andere in der Geschichte Deutschlands sparen können. Meine sehr verehrten Damen und Herren, bei allen guten Entwicklungen machen aber auch wir uns große Sorgen um die Situation der Langzeitarbeitslosen. Insofern treffen wir uns mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD, mit denen wir gemeinsam mit der Bundesarbeitsministerin an dieser Aufgabe arbeiten. Ich verstehe auch die Sorgen, die die Fraktionen der Grünen und der Linken vorbringen. Auch uns ist es nicht egal, wie es mit der verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit weitergeht. Auch uns treibt um, dass Menschen es so schwer haben, den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu finden. Deswegen ist es gut, dass wir die arbeitsmarktpolitischen Instrumente, mit denen wir helfen können, immer wieder neu überprüfen und überarbeiten. Dazu gehört auch, dass wir Brücken bauen und einen Hilfeweg einschlagen müssen, der für einen längeren Zeitraum als auf ein halbes Jahr Hilfe angelegt ist. Die Förderung muss über viele Jahre gehen, um Menschen, die sich besonders schwertun, treppenartig, sukzessive an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Lassen Sie mich einen Punkt aufgreifen, den Frau Bundesarbeitsministerin vorhin mit Blick auf die Behinderten angesprochen hat. Ich möchte das auch auf die Langzeitarbeitslosen beziehen. Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir in den Jobcentern, in den Unternehmen und in unserer Gesellschaft den Blick nicht länger darauf richten, was Menschen alles nicht können, sondern darauf, was sie alles können. Wir müssen bei ihren Stärken und Begabungen ansetzen, um sie weiterzuentwickeln. Denn ich glaube, dass manches, was sich als Defizit darstellt, abgearbeitet, beseitigt und zu etwas Positivem entwickelt werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Was uns und mich besonders umtreibt, ist die Lebenssituation der Langzeitarbeitslosen, aber vor allen Dingen auch der jungen Menschen, die aus Haushalten kommen, deren Eltern und Großeltern schon lange von Sozialhilfe leben. Wir machen die Erfahrung, dass diese jungen Menschen von niemandem erreicht werden. Sie werden nicht von den Jobcentern erreicht. Sie tauchen in der Schule ab. Sie sind nicht durch sozialstaatliche Institutionen zu erreichen. Sie sind aber da, und sie werden, wenn wir ihnen nicht konsequent helfen, denselben Weg nehmen wie ihre Eltern. (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Wir müssen dagegen angehen. Sie leben in Lebenszusammenhängen, in denen sie das, was sie erleben, für die ganze Wirklichkeit halten. Aber, meine Damen und Herren, diese jungen Menschen haben genauso Begabungen und Fähigkeiten wie die Kinder aus anderen Haushalten. Sie haben genau wie diese Fähigkeiten, die entwickelt werden müssen. Denn wir können auf keinen verzichten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir brauchen sie. Es gibt genügend Initiativen, die mit großem Erfolg daran arbeiten. Ich kenne eine Initiative, die es geschafft hat, junge Menschen, auf die keiner einen Pfifferling gegeben hätte, nach zwanzig Jahren konsequenter Arbeit zur Fachhochschulreife zu bringen. Wissen Sie, diesen Blickwinkel zu schärfen und hier die Angebote zu entwickeln, das halten wir für einen wichtigen Teil. Deswegen bin ich den Haushältern, insbesondere unseren beiden Berichterstattern Axel Fischer und Ewald Schurer, mit tatkräftiger Unterstützung vieler in manchen Einrichtungen unserer Bundesregierung, dankbar, dass es gelungen ist, in diesem Bundeshaushalt die Möglichkeit für Modellprojekte für diese jungen Menschen zu eröffnen. Ich hoffe sehr, dass wir im kommenden Jahr damit anfangen können. Das ist der Weg, den wir dringend benötigen, um gerade dort, wo niemand mehr herankommt und wo niemand mehr erreicht wird, diesen jungen Menschen zu helfen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Im Mittelpunkt steht dabei, meine Damen und Herren, das, was uns als Union in der Arbeitsmarktpolitik umtreibt: Es darf keiner verloren gehen. – Das ist nicht nur eine Frage des Geldes, (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch!) das ist auch eine Frage des Klimas, das wir miteinander schaffen. Ich kann nur sagen: Ich glaube, dass wir da miteinander auf einem Weg sind oder uns auf diesen begeben, der deswegen erfolgreich sein kann – und ich hoffe, auch erfolgreich ist –, weil wir zwei Rahmenbedingungen haben, die uns diesen Weg erleichtern: auf der einen Seite eine gute Wirtschafts- und Beschäftigungslage, auf der anderen Seite die Nachfrage nach Fachkräften. Ich kann die deutsche Wirtschaft und alle anderen nur auffordern, den Blick bitte mit uns gemeinsam auf dieses Potenzial von jungen Menschen, auf das Potenzial derjenigen zu richten, die keine Berufsausbildung haben, obwohl sie 25 Jahre und älter sind, und mit uns gemeinsam diesen jungen Menschen eine neue berufliche Perspektive zu öffnen. Wir kommen in dieser Frage nicht weiter mit Ideologie, sondern nur, indem wir jeden Einzelnen in den Blick nehmen und jedem Einzelnen eine Chance geben. Ich sage Ihnen: Das ist ein wichtiges Anliegen der Union, und dafür werden wir uns gemeinsam mit unserem Koalitionspartner und mit der Bundesarbeitsministerin einsetzen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen letzten Satz sagen, zum Bereich der Rentenpolitik. – Herr Kollege Kurth, das reizt mich doch; (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt Sie nicht auch noch!) das ist Ihnen in herausragender Weise gelungen. – Nein, diese Rentenpolitik ist nicht verantwortungslos, sondern wir würdigen durch einen weiteren Rentenpunkt die Erziehungsleistung von Menschen – Frauen in erster Linie –, die dafür gesorgt haben, alles darangesetzt haben, dass die Kinder geboren und erzogen wurden, die heute dafür sorgen, dass es diese Wirtschaft überhaupt so gibt, wie es sie gibt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dieser Rentenpunkt, meine Damen und Herren, ist nicht allein beitragsfinanziert, dieser Punkt ist auch steuerfinanziert; da sind erhebliche Steuern eingeflossen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Minimal!) Wir haben nämlich in diesem Zusammenhang beschlossen, dass wir ab 2017/2018 eigens dafür 2 Milliarden Euro zusätzlich in die Rentenkasse fließen lassen werden, weil das notwendig ist, um damit eine Gesamtfinanzierung auf Dauer gesehen verantwortungsvoll sicherzustellen. Meine Damen und Herren, mit uns wird es keine verantwortungslose Rentenpolitik geben. Wir haben den Blick auf die junge Generation gerichtet. Wir werden auch weiter daran arbeiten, dass die Übergänge in die Rente gut gestaltet werden. Wir werden mithelfen, dass Menschen so lang wie möglich erwerbstätig sein können, weil wir auf keinen verzichten können bei der Aufgabe, dieses Land gemeinsam zukunftsfähig zu machen. Dafür steht dieser Haushalt, dafür steht diese Regierung, und dafür werden wir uns einsetzen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2018 sprechen wir uns wieder!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Jetzt hat das Wort Ekin Deligöz. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Schiewerling, was Sie über die Chancen von Kindern gesagt haben – dass wir kein Kind fallen lassen dürfen –, hat mir, ehrlich gesagt, gut gefallen. Ich erkenne an: Für Sie ist das wirklich ein Fortschritt. – Für uns ist das seit zwanzig Jahren Programm. (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Na ja!) Die Frage ist allerdings, ob Sie das, was Sie hier gesagt haben, auch wirklich verinnerlicht haben, ob das mehr ist als warme Worte, ob Sie das in Ihrer Politik umsetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Da, muss ich gestehen, fehlt mir noch ein bisschen was in Ihrer Politik. Natürlich schließe ich mich aber zunächst hier als Hauptberichterstatterin dem Dank an die Kollegen Berichterstatter, an das Haus, an Ihre Mitarbeiter, Frau Nahles, an. Die Beratungen liefen extrem gut und auch in einer guten Atmosphäre. Wir haben viele Stunden getagt. Nicht umsonst reden wir hier über den größten Einzelhaushalt. Das heißt aber nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir in allem einer Meinung waren. Das darf nicht missverstanden werden. Eines müssen wir aber alle gemeinsam wahrnehmen: Die Belastungen in diesem Einzelplan werden in den kommenden Jahren beträchtlich sein. Wir mussten noch während der Haushaltsplanungen 1,2 Milliarden Euro für ALG II und KdU draufpacken, weil die Titel schlicht und einfach zu niedrig berechnet waren. Ähnliches gilt auch für die Rente. Da hat mein Kollege Kurth schlicht und einfach recht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie reden davon, was 2018 kommt. Aber er spricht aus, was wir alle wissen und worin wir ihn bestätigen müssen: Die Kosten werden laut den Prognosen noch steigen. Wir dürfen uns nichts vormachen: Sie werden mit Wucht an uns herangetragen. Das wird unseren Handlungsspielraum in der Sozialpolitik extrem schmälern. Das ist übrigens der Grund, warum wir von den Grünen der Meinung sind, dass wir hier keinen Cent zu verschwenden haben und uns auf die wichtigen sozialpolitischen Aufgaben konzentrieren müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine der wichtigsten Aufgaben in diesem reichen Land ist nun einmal die Bekämpfung der Armut. Wenn es um Armut im Alter geht, warten wir noch immer auf Antworten von Ihnen. Der Regelsatz bleibt unangemessen niedrig. Zu den Regelungen betreffend die Erwerbsminderungsrente und die Grundsicherung im Alter hören wir von Ihnen nichts. Die Lebensleistungsrente ist verschollen. Selbst von dem Schulsozialarbeitsprogramm zur Chancengerechtigkeit von Kindern, das einmal in unserem Haushalt war, ist nichts mehr zu sehen und zu hören. Herr Schiewerling, deshalb habe ich vorhin gesagt, dass Sie nicht nur reden sollen, sondern auch handeln müssen. Das muss seinen Niederschlag auch im Haushaltsplan finden; es reicht nicht, es in der Haushaltsrede zu erwähnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kommen wir zur Langzeitarbeitslosigkeit. Ja, das ist ein brennender Punkt, den wir stärker in den Fokus nehmen müssen; das ist richtig. Aber was Sie vorgelegt haben, Frau Nahles, ist nichts anderes als Kosmetik. Sie machen uns etwas vor. Faktisch richten Sie bestehende Mittel einfach nur neu aus. Programme lösen Programme ab. De facto kommen keine neuen Mittel dazu. Wir bleiben bei dem, was sowieso schon vorhanden ist, benennen es nur anders; so bleibt die Wirkung begrenzt: Sie wollen 43 000 Menschen erreichen, und das bei 1 Million Langzeitarbeitslosen, von denen wiederum rund 200 000 bis 300 000 gravierende Zugangshemmnisse zum regulären Arbeitsmarkt haben. Sie visieren gerade einmal einen Bruchteil des tatsächlichen Problems an. Hier sollten Sie aber etwas ambitionierter herangehen. Hier geht es darum, etwas zu bewegen, was dieses Land dringend braucht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie müssen hier zugeben, dass Sie den Aktiv-Passiv-Transfer nicht wollen. (Zuruf von der CDU/CSU: „Passiv-Aktiv-Transfer“ heißt das!) Ich weiß, dass die Kollegen von CDU/CSU und SPD hier durchaus Sympathien zeigen. (Katja Mast [SPD]: Die ganze Fraktion macht das!) Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und bald auch Hessen marschieren voraus und sagen: Das ist etwas, was wir wirklich angehen müssen. – Aber Sie sind nicht willens. Lassen Sie uns doch wenigstens auf Bundesebene ein Pilotprojekt starten, um zu schauen, ob es funktioniert oder nicht. Seien Sie mutig! Das, was die Bundesländer an guten Erfahrungen machen, können wir übernehmen, und darauf können wir uns auch verlassen. Wenn wir positive Veränderungen nicht nur für einige wenige, sondern für viele erreichen wollen, müssen wir an dieser Stelle mutiger voranschreiten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenig Klarheit herrscht übrigens auch bei den Eingliederungsmitteln und den Verwaltungskosten. Hier verhält es sich ein wenig so wie in dem Film Und täglich grüßt das Murmeltier. Da wird schon wieder – wie in all den Vorjahren – Geld in Richtung Verwaltung umgeschichtet. Das übt Druck auf die Eingliederungstitel aus. Wir brauchen hier im Sinne von Haushaltsklarheit und -wahrheit eine bessere Struktur, um das besser nachvollziehen zu können. Noch ein Thema, das noch nicht zur Sprache kam: Flüchtlinge. Die Arbeitsagenturen sind noch nicht darauf vorbereitet, was da auf uns zukommt. Dabei hätten wir jetzt die Chance, vorbereitet diese Thematik anzugehen, statt der Entwicklung hinterherzurennen. Wir von den Grünen haben dazu einen Antrag vorgelegt, in dem wir ganz viele Beispiele aufgezeigt haben, wie das in diesem Bereich durchdekliniert werden kann. Darauf können Sie sich gerne berufen, wenn es darum geht, in diesem Bereich aktiv zu sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ja, es ist gut, dass es die Mindestlohnkommission samt Geschäftsstelle gibt. Es ist schade, dass es dafür keine neuen Mittel gab. So mussten wir die Finanzierung durch wenig überzeugende Umschichtungen ermöglichen, damit diese eingerichtet werden konnte. Ich wünsche Frau Rothe von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin gutes Gelingen dabei; denn von der Arbeit und von den Ergebnissen wird viel Kulturwandel in diesem Land abhängen. Zum Schluss erlauben Sie mir, Frau Präsidentin, noch einen Appell, den man leider schon wieder anbringen muss. Es geht um den Fonds zur Aufarbeitung der Heimerziehung in Behindertenhilfe und Kinderpsychiatrien. Ich glaube, ich spreche im Namen aller Berichterstatter des Einzelplans 11, wenn ich die Länder eindringlich auffordere, in diesem Bereich aktiver ihren Beitrag zu leisten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bei vielen Titeln können wir verstehen, dass die Länder andere Interessen haben; hier fehlt mir jegliches Verständnis. Wir sind gemeinsam verantwortlich. Deshalb muss jedes Land, jeder für sich einen Beitrag dazu leisten. Das sind wir den Opfern schuldig. Da gibt es keine Entschuldigung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN und des Abg. Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]) Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion erhält jetzt Ralf Kapschack das Wort. (Beifall bei der SPD) Ralf Kapschack (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! In Deutschland haben so viele Menschen einen Job wie nie zuvor. Das stimmt. Es stimmt natürlich auch, dass die pure Zahl noch nicht so ganz viel über die Qualität dieser Arbeitsplätze aussagt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Richtig!) – Ja, zugegeben. – Aber man muss trotzdem zur Kenntnis nehmen, dass nicht nur Teilzeit- und befristete Arbeitsverhältnisse geschaffen worden sind, sondern auch jede Menge sozialversicherungspflichtige Vollzeitjobs. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir werden mit dem gesetzlichen Mindestlohn dafür sorgen, dass deutlich mehr Menschen von ihrer Arbeit auch leben können. (Beifall bei der SPD) Wir werden durch neue Regeln die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Ich bin gestern Abend mit der U-Bahn zu meiner Wohnung gefahren. (Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Lassen Sie mich den Gedanken eben zu Ende führen. – Im U-Bahnhof war ein Werbebanner, auf dem mich ein junger Mann anschaute. Auf seiner Brust war eine Aufschrift mit dem Text: „Habt ihr uns vergessen?“ Es ging um neue Perspektiven für Langzeitarbeitslose. (Zuruf von der LINKEN: Von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft!) – Ja. Ich habe mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft relativ wenig am Hut, aber die Frage, die da gestellt wird, muss man doch beantworten können. – Die Frage kann ich gut beantworten: Nein, wir haben niemanden vergessen, erst recht nicht die Langzeitarbeitslosen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde, dieser Haushalt – auch wenn Sie anderer Meinung sind – ist ein Beleg dafür; denn mit den Programmen, die die Ministerin ausführlich erläutert hat, wird klar: Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit ist für diese Regierung und insbesondere für die Sozialdemokraten ein ganz besonderes Thema, ein zentrales Anliegen. (Beifall bei der SPD) Die beiden Programme „Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern. Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit“ und „Perspektiven in Betrieben“ sind Schritte in die richtige Richtung. Intensive Betreuung ist das A und O bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen. (Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Ich habe Sie nicht vergessen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Kapschack, gestatten Sie denn die Zwischenfrage? Ralf Kapschack (SPD): Ja, gut. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Bitte schön. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Herr Kapschack, es tut mir leid, aber die Präsidentin hat immer nur nach rechts geschaut, nicht nach links. Ich habe hier eine Statistik, die zu dem Thema passt, nachdem wir schon den ganzen Tag darüber geredet haben, wie toll es ist, dass so viele Beschäftigungsverhältnisse geschaffen wurden. Nach dieser Statistik wurden in den letzten zehn Jahren 1 Million neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen, aber leider ist es nicht so, dass man sagen könnte, dass alle etwas davon gehabt haben. Wie gesagt: 1 Million mehr insgesamt. Aber die Zahl der normal Beschäftigten ist in dem gleichen Zeitraum um 2,4 Millionen gesunken. Das heißt, es wurden zwar 1 Million Beschäftigungsverhältnisse mehr geschaffen, aber die Normalarbeitsverhältnisse verzeichnen ein Minus von 2,4 Millionen. Bei den atypisch Beschäftigten gibt es ein Plus von 3,3 Millionen, bei den befristet Beschäftigten ein Plus von 600 000, bei den Teilzeitbeschäftigten ein Plus von 2,4 Millionen, bei den geringfügig Beschäftigten ein Plus von 1,8 Millionen, bei den Leiharbeitnehmern gibt es ein Plus von 700 000. Ist Ihnen das bekannt, und was sagen Sie dazu? (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Frau Kollegin Krellmann. – Bitte schön, Herr Kapschack. Ralf Kapschack (SPD): Natürlich ist mir das bekannt. Das ändert aber nichts an meiner Einschätzung, dass die Zahl sozialversicherungspflichtiger Vollzeitarbeitsplätze zugenommen hat. Nichts anderes habe ich gesagt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte auf das Thema Langzeitarbeitslosigkeit zurückkommen. Eine intensive Betreuung – ich habe es angesprochen – ist das A und O, wenn man Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung bringen will. Gerade in dieser Woche ist das sehr anschaulich und sehr positiv in der Wirtschaftswoche beschrieben worden; dabei ist die Wirtschaftswoche alles andere als ein Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie. Die Opposition sagt, das sei nicht genug. Da sind wir gar nicht so weit auseinander. Ich komme aus dem Ruhrgebiet – das wissen manche –, und da fallen – das wissen manche immer noch nicht – keine Briketts vom Himmel. Das Ruhrgebiet ist auch nicht das Armenhaus der Nation. Das wird deutlich, wenn man sich die Wirtschaftsleistung pro Kopf anschaut. Richtig ist aber, dass es erhebliche Probleme am Arbeitsmarkt gibt. Diese Probleme haben mit dem Strukturwandel zu tun. Wenn man sich die Arbeitslosenquote unter dem Blickwinkel des SGB II anschaut, dann stellt man fest, dass von den 15 Städten mit der höchsten Arbeitslosenquote ungefähr fünf bis sechs Städte, also etwa ein Drittel, im Ruhrgebiet liegen. Diese Probleme gibt es aber nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in anderen Teilen der Republik. Diese Probleme gibt es in Bremerhaven genauso wie in Pirmasens und in Frankfurt an der Oder. Ich werbe hier – das Thema ist schon ein paarmal angesprochen worden – für einen neuen Weg, der zusätzliche Möglichkeiten eröffnen wird. Lassen Sie uns da, wo wir Verantwortung tragen, parteiübergreifend dafür sorgen, dass stärker Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auf Fachebene wird das als Passiv-Aktiv-Tausch diskutiert. Gelder, die bislang für passive Leistungen, also für Hartz IV oder Kosten der Unterkunft, ausgegeben werden, sollen für die Schaffung von Beschäftigung in den Bereichen verwendet werden, in denen das sinnvoll und notwendig ist. Dafür werbe ich vor allem bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, weil ja bekannt ist, dass der Bundesfinanzminister diesen Ansatz noch nicht so richtig überzeugend findet. Deshalb, und nur deshalb können wir diese Idee zurzeit bundesweit noch nicht umsetzen. Das ist eine Idee von Kommunen, Sozialverbänden und anderen, die in den vergangenen Jahren immer wieder auf den Tisch gelegt worden ist, zuletzt von meinen ostdeutschen Kolleginnen und Kollegen. Es geht um einen völlig anderen Ansatz als bisher. Es geht darum, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren – darum geht es –, und darum, die begrenzten Mittel besser einzusetzen: im Interesse der Menschen, im Interesse der Sozialkassen und auch im Interesse der Kommunen. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir zumindest ein paar Modellprojekte in den besonders betroffenen Regionen auf den Weg bringen. Ich bin sicher, es lohnt sich. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion erhält jetzt Stephan Stracke das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Stephan Stracke (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesagentur für Arbeit hat heute die Arbeitslosenzahlen für den Monat November auf den Tisch gelegt. Danach ist der Arbeitsmarkt in Deutschland weiter robust. Trotz der wirtschaftlichen Unsicherheiten finden sich keinerlei Bremsspuren auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben derzeit fast 43 Millionen Erwerbstätige dank der hervorragenden Wirtschaftsleistung und unserer Unternehmen, die hier Treffliches leisten. Gegenüber 2005 stellt das eine Halbierung der Arbeitslosenquote dar. Bayern hat es vorgemacht. Der Arbeitsmarkt im Freistaat ist Monat für Monat Klassenbester in Deutschland. Die Arbeitslosenquote in Bayern beträgt derzeit lediglich 3,4 Prozent gegenüber 6,3 Prozent im Bundesdurchschnitt. Das kommt nicht von ungefähr. Das hat damit zu tun, dass wir von Anfang an Wert darauf gelegt haben, erstens keine neuen Schulden zu machen und zweitens Investitionen in die Zukunft zu tätigen. Genau das tun wir jetzt auch auf Bundesebene beim Haushalt: Endlich gibt es die schwarze Null. Das ist die Antwort für die junge Generation. Gleichzeitig richten wir den Blick nach vorn. Wir treiben nicht nur das voran, was wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben, nämlich Investitionen in Höhe von 23 Milliarden Euro, sondern darüber hinaus wollen wir in den nächsten Jahren zusätzlich 10 Milliarden Euro für eine bessere Infrastruktur, insbesondere für Straßen und den Breitbandausbau, ausgeben. Wir haben in Deutschland einen starken Sozialstaat. Das System der sozialen Sicherung in Deutschland weist insgesamt ein Volumen von rund 800 Milliarden Euro aus. Die Sozialleistungsquote liegt bei etwa 30 Prozent. Ich kenne kein europäisches Land, das in diesem Bereich vergleichbar gut wie Deutschland aufgestellt ist. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Bayern!) – Außer natürlich Bayern. Bayern ist bei all diesen Themen natürlich immer vorbildlich, Frau Kollegin. Schön, dass Sie das vonseiten der Linken anerkennen. Das mag Ihnen auch Zuspruch geben für das, was Sie unter anderem in Thüringen vorhaben. (Heiterkeit bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Sozialstaat in Deutschland funktioniert. Die Menschen sind gegen die zentralen Risiken gut abgesichert. Die Schwachen können sich auf die Starken verlassen, und auch die Gutsituierten helfen denen, die weniger haben. Auch das Ausmaß der Umverteilung in Deutschland ist im internationalen Vergleich groß; das hat der Sachverständigenrat in seinem jüngsten Jahresgutachten noch einmal glasklar beschrieben. Entscheidend, gerade für den kleinen Mann, ist der Beitragssatz. Der Beitragssatz ist die Steuer des kleinen Mannes. Deswegen war es immer Unionspolitik, den Gesamtsozialversicherungsbeitrag möglichst unter 40 Prozent zu halten. In den letzten Jahren haben wir es geschafft, gerade was den Rentenbeitrag angeht, eine -Entlastung von über 12 Milliarden Euro zustande zu bringen. (Zurufe der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] und Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das ist eine riesige Leistung. Mehr Geld in den Taschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land, das ist etwas, was damit zu tun hat, dass die Rahmenbedingungen in diesem Land hervorragend sind. Dafür hat diese Bundesregierung in den letzten neun Jahren trefflich gesorgt. (Beifall bei der CDU/CSU) Sinkende Rentenbeiträge, steigende Renten, volle Rücklagen mit 33,5 Milliarden Euro und die Tatsache, dass die Potenziale der älteren Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt wieder deutlich mehr geschätzt werden, das sind die Erfolge unserer schwarz-rot geführten Bundesregierung. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat mit der Bundesregierung überhaupt nichts zu tun!) Das zeigt: Wir machen Politik für die Menschen, die bei den Menschen auch ankommt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Rentenpaket haben wir zentrale Punkte beschlossen, insbesondere was die Mütterrente angeht. Ich möchte hier einmal mit der Mär aufräumen, dass die Mütterrente gegenwärtig nicht steuermittelfinanziert sei. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird auch nicht besser, wenn Sie es wiederholen!) Das Gegenteil ist richtig. Die derzeitigen Rentenzahlungen sind, was die Kindererziehungszeiten angeht, natürlich zur Gänze steuermittelfinanziert. Insofern ist das -genau der richtige Ansatz. Wir haben auch in der Sachverständigenanhörung noch einmal herausgearbeitet, dass seit den 90er-Jahren rund 100 Milliarden Euro mehr an Steuermitteln aufgrund der Kindererziehungszeiten ins System geflossen sind, als derzeit tatsächlich gebraucht werden. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle Sachverständigen haben gesagt, dass solle durch aktuelle Steuern finanziert werden!) Insofern ist die Mütterrente natürlich nachhaltig finanziert. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt überhaupt nicht!) – Herr Kurth, da nutzt es auch nichts, wenn Sie dazwischenrufen. Wir müssen allerdings, was die arbeitsmarktpolitischen Instrumente angeht, aufpassen, dass wir keine neuen Anreize schaffen, gerade was die gut Qualifizierten in diesem Land angeht, früher in Rente zu gehen. Deswegen: Ich sehe nicht, dass wir weitere Anreize schaffen sollten im Hinblick auf eine Reduzierung der Altersgrenze von 63. Wir sind dabei, uns im Rahmen einer Arbeitsgruppe zu überlegen, wie wir flexibles Arbeiten bis zum Erreichen der Rentenaltersgrenze und auch danach attraktiver machen können. Auch hier darf ich darauf hinweisen, dass wir schon einiges erreicht haben, insbesondere, dass heutzutage ein Arbeitsverhältnis rechtssicher fortgesetzt werden kann, wenn man das Renteneintrittsalter erreicht hat. Das gewährleistet ein viel höheres Maß an Flexibilität. Diejenigen, die nach Erreichen der Rentenaltersgrenze weiterarbeiten, stocken durch ihre Sozialversicherungsbeiträge nicht nur ihre Rente auf, sondern sie bekommen auch noch einen Zuschlag in Höhe von 6 Prozent. Das ist etwas, was wir deutlicher bekannt machen sollten, gerade aufgrund der Zinslage in diesem Land. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben den Mindestlohn als einen Mindestschutz für Beschäftigte eingeführt. Dabei ging es uns vor allem darum, eine starke Mindestlohnkommission zu haben, die tatsächlich darauf achtet, dass Beschäftigung in diesem Land nicht behindert wird. Deswegen ist es gut, dass wir in diesen Haushaltsberatungen die finanziellen und personellen Voraussetzungen dafür geschaffen haben, dass wir nun eine Geschäfts- und Informationsstelle haben, die arbeiten kann und genau den gesetzgeberischen Auftrag, nämlich Evaluation vorzunehmen, erfüllen kann. Insofern ein herzliches Dankeschön an die Haushälter der Fraktionen, dass dies möglich war und dass wir den gesetzgeberischen Willen entsprechend umsetzen können. Wir setzen uns gleichzeitig für eine zeitnahe Evaluation des Mindestlohns ein. Deswegen haben wir das BMAS gebeten, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zu beauftragen, um möglichst schnell Erkenntnisse zu gewinnen, wie der Mindestlohn ab dem 1. Januar 2015 tatsächlich wirkt. Beim Mindestlohn geht es immer auch um die Frage der Entbürokratisierung und der Kontrolle. (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Ja!) Natürlich ist Kontrolle im Rahmen des Mindestlohns unabdingbar. Aber wir müssen uns auch immer wieder vor Augen führen, dass wir den administrativen Aufwand auf ein erträgliches Maß begrenzen müssen. Deswegen haben wir als Gesetzgeber die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass beispielsweise Dokumentationspflichten im Sinne größerer Flexibilität den spezifischen Bedürfnissen der Praxis angepasst werden können. Deswegen haben wir eine Verordnungsermächtigung an das Arbeitsministerium und das Finanzministerium erteilt. Hier sind schon gute Veränderungen auf den Weg gebracht worden. Wir sollten die Spielräume für Entbürokratisierung bei diesem Thema in der Tat nutzen. Ein wichtiges Thema, das uns in Zukunft beschäftigen wird, ist die Tarifeinheit. Hier gilt der Grundsatz: ein Betrieb – ein Tarifvertrag. Dieser hat sich über die Jahrzehnte hinweg bewährt. Er verhindert auch, dass einzelne Berufsgruppen ihre Schlüsselposition nutzen, um eigene Interessen gegenüber den Interessen der Gesamtbelegschaft vorrangig durchzusetzen. Das gefährdet nämlich nicht nur den Betriebsfrieden, sondern belastet insgesamt auch die Wirtschaft. Deswegen werden wir den Grundsatz der Tarifeinheit schärfen. (Beifall des Abg. Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]) Dazu wollen wir eine Tarifkollisionsregelung auf den Weg bringen. Wir werden nicht das Streikrecht regeln – das bleibt den Gerichten überlassen –, aber wir setzen zwei Anhaltspunkte: zum einen das Mehrheitsprinzip – das ist am nächsten an der Verfassung – und nicht etwa das Günstigkeits- oder Spezialitätsprinzip. Zum anderen überlegen wir, das betriebsbezogen zu machen. So wäre die Eingriffstiefe insgesamt am geringsten, und das führt dazu, dass wir den verfassungsrechtlich möglichen Pfad, der zugegebenermaßen ein schmaler ist, meines Erachtens einhalten können. Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit ist ein ganz zentrales Thema. Hier sind wir erfolgreich gewesen. In Bayern beispielsweise ist es den Jobcentern gelungen, viele marktnahe Kunden, aber auch solche mit Vermittlungshemmnissen in Arbeit zu bringen. Dabei muss es in erster Linie darum gehen, die Beschäftigungsfähigkeit der Betroffenen aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen bzw. der Entstehung von Vermittlungshemmnissen entgegenzuwirken. Dazu bedarf es eines ganzheitlichen Ansatzes. Passgenaue Maßnahmen und umfassende Betreuung setzen auch ausreichende finanzielle Mittel der Jobcenter voraus. Wir haben gezeigt, was der richtige Weg ist, in Bayern beispielsweise mit den Projekten „TANDEM“ für Nürnberg und Fürth oder „KAJAK“. Diesen Weg sollten wir weitergehen. Wir sind in diesem Jahr im Rahmen der Sozialpolitik erfolgreich gewesen. Wir stehen für eine Sozialpolitik mit Augenmaß: Belohnung der Lebensleistung der heute Älteren, aber auch Verantwortung für die kommenden Generationen und gleichzeitig Abkehr von der Politik der Schuldenfinanzierung. Das zeichnet diese Bundesregierung aus. In dem Sinne wollen wir auch die nächsten Jahre gemeinsam weitermachen. Ich bitte um Unterstützung hierfür. Herzliches Dankeschön! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt die Kollegin Katja Mast, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Katja Mast (SPD): Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Wir diskutieren hier den Einzelplan 11. Der Einzelplan 11 ist der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Gut, dass das noch einmal einer sagt!) und aus meiner Sicht der größte Zukunftsetat des Gesamthaushalts und damit auch dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPD) Haushaltspolitik ist auch immer Politik in materieller Form. Bei den Haushaltsberatungen spielen natürlich auch immer die politischen Schwerpunkte eine Rolle. Wir hatten in den Haushaltsberatungen jetzt mehrere Fragen zu Verordnungen der Bundesregierung zur Arbeitszeiterfassung im Rahmen der Mindestlohngesetzgebung. Für den Haushalt wichtig ist zuerst einmal, dass es den Mindestlohn gibt. Er kommt, und er gilt im Grundsatz ab 1. Januar 2015 – und mit einer Brücke für alle anderen zwei Jahre später. Zur Mindestlohnverordnung will ich etwas vorschlagen, nachdem es viele Nachfragen und kontroverse Debatten hierzu im Plenum gegeben hat. Dabei ging es unter anderem um die Arbeitszeiterfassung für Menschen, die nicht im Betrieb arbeiten, sondern mobil unterwegs sind, zum Beispiel Zeitungszusteller. In der Verordnung ist festgehalten, dass geregelt werden soll, wie die Zeitung in einem Gebiet zugestellt wird und wie viel Zeit man im Schnitt braucht. Dann ist es eigentlich nur noch wichtig, zu sagen, an welchen Tagen man Zeitungen ausgetragen hat. Jetzt ist aber die Frage: Was passiert eigentlich, wenn einmal schlechtes Wetter ist oder Schnee liegt? – Das Problem ist dann, dass die Arbeitszeit ein bisschen länger sein kann. Alle, die wie ich schon einmal in ihrem Leben Zeitungen ausgetragen haben, wissen genau, wovon ich gerade rede. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, das kenne ich auch!) Dafür gibt es ein ganz praktikables Verfahren: Wenn man die Zeitungen erhält, wird ein Zettel mitgeliefert, auf dem man gegebenenfalls einträgt, dass man länger gebraucht hat. Damit ist die Arbeitszeit erfasst. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ob das funktioniert?) Wir im Ausschuss für Arbeit und Soziales sind fachlich hochinteressierte Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen. Wir haben ja das Recht der Selbstbefassung. Insofern schlage ich vor: Lassen Sie uns doch in der nächsten oder übernächsten Sitzung mit dieser Verordnung selbst befassen und die Fachfragen klären. Dann können wir uns immer noch politisch darüber streiten, ob sie Missbrauch ermöglicht oder nicht. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Mast, könnten Sie jetzt im Zuge der Selbstbefassung entscheiden, ob die Kollegin Pothmer Ihnen eine Zwischenfrage stellen oder eine Zwischenbemerkung machen kann? Katja Mast (SPD): Eigentlich bin ich jetzt gerade nur auf die eben gestellte Zwischenfrage der Kollegin Pothmer eingegangen. Deshalb würde ich vorschlagen, das im Rahmen einer Kurzintervention am Ende der Rede zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will zu meinem eigentlichen Punkt zurückkommen: Ich will über den Zukunftsetat sprechen, den wir hier haben. Bei diesem Zukunftsetat geht es aus meiner Sicht um eine der zentralsten Fragen für die Bundesrepublik Deutschland. Aus meiner Sicht ist die wichtigste Frage im Hinblick auf die Sicherheit der sozialen Sicherungssysteme und unseren Wohlstand: Schaffen wir es, unser Fachkräftepotenzial in Zukunft zu sichern? Ich komme aus Baden-Württemberg; da hat man eine besondere Sicht, denn es gibt dort schon viele Betriebe, die händeringend nach Fachkräften suchen. Ich finde es wichtig, zu schauen: Gibt es denn in diesem Haushalt Antworten auf diese zentrale Zukunftsfrage? Wenn ich mir den Haushalt anschaue, dann finde ich darin ziemlich viele Antworten. Es gibt zum Beispiel die Antwort, dass wir für die Integration junger Menschen zusätzlich 530 Millionen Euro in die Hand nehmen, um Berufseinstiegsbegleiter zu finanzieren. Das sind Menschen, die Jugendliche schon in der Schule, ab Klasse sieben, begleiten und schließlich gleichsam als Brücke noch in den ersten sechs Monaten der Ausbildung. Das halte ich für ein ganz wichtiges Instrument, um gerade den Jugendlichen zu helfen, die heute bei der dualen Ausbildung vielleicht durch den Rost fallen. (Beifall bei der SPD) Es ist deshalb eine wichtige Antwort auf die Frage der Sicherung der Fachkräfte der Zukunft. Wir diskutieren gerade im Bund ein Bündnis für Aus- und Weiterbildung. Fast alle Maßnahmen, die da diskutiert werden, liegen im Verantwortungsbereich des Bundesarbeitsministeriums. Auch da geht es um Zukunftsfragen junger Menschen. Wir diskutieren heute noch mit unserem Koalitionspartner die Frage nach flexiblen Übergängen in die Rente. Ich freue mich schon darauf, dass wir das nachher diskutieren. Für uns von der SPD ist dabei nämlich eine Frage ganz zentral: Wie schafft man es, dass Fachkräfte, die heute oft vor dem Renteneintrittsalter aufhören, zu arbeiten, dem Arbeitsmarkt länger zur Verfügung stehen? Deswegen haben wir auch den Vorschlag zur Einführung eines Arbeitssicherungsgeldes gemacht. Wir wollen damit ermöglichen, dass jemand nicht Arbeitslosengeld bezieht und dann direkt in Rente geht oder vielleicht in den Arbeitslosengeld-II-Bezug fällt. Da bauen wir in Zukunft eine Brücke in die Erwerbstätigkeit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Mast, Ihre Redezeit ist jetzt entschieden abgelaufen. Katja Mast (SPD): Für mich ist es deshalb ein wichtiger Punkt, dass uns klar ist: Wenn wir über den Haushalt des Bundesarbeitsministeriums reden, dann reden wir über Zukunft, über Fachkräftesicherung und darüber, wie wir Menschen eine Erwerbstätigkeit ermöglichen und wie wir ihnen damit Sicherheit im Alltag gewähren. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Der nächste Redner ist der Kollege Mark Helfrich, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Mark Helfrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor zwölf Jahren galt Deutschland als der kranke Mann Europas. Vor neun Jahren erreichte die Zahl der Arbeitslosen mit 5,2 Millionen den höchsten Stand seit 1933. Und vor fünf Jahren erlitten wir den stärksten wirtschaftlichen Einbruch der Nachkriegszeit. Heute hingegen wird Deutschland als ökonomischer Superstar Europas gefeiert. Es ist einer Studie eines Karriereportals zufolge das attraktivste nicht englischsprachige Land der Welt für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Beifall bei der CDU/CSU) Deutschland wird mehr und mehr zu einer europäischen Traumfabrik, und das nicht ohne Grund. Wir haben eine stabile wirtschaftliche Lage mit fast 43 Millionen Erwerbstätigen und über 30 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Das ist der höchste Beschäftigungstand in der Geschichte der Bundesrepublik. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Helfrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Birkwald? Mark Helfrich (CDU/CSU): Das tue ich nicht. Ich bin mir sicher: Ihre Frage wird sich im Verlauf meiner Rede erübrigen. Wenn nicht, dann können Sie immer noch eine Kurzintervention machen, lieber Kollege Birkwald. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Wunderbar. Danke. Mark Helfrich (CDU/CSU): Aktuelle Schlagzeilen wie „Der Arbeitsmarkt brummt“, „Der Beschäftigungsmotor läuft rund“, „Die Arbeitslosigkeit sinkt auf Rekordwert“ lassen sogar die Herzen der Haushälter höher schlagen; denn ein stabiler Arbeitsmarkt ist eine Grundvoraussetzung für ausgeglichene Haushalte und damit für nachhaltig gesunde Staatsfinanzen. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, über den wir heute beraten, hat einen Umfang von 125,5 Milliarden Euro, das sind beachtliche 42 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes. Er wird – und man kann es gar nicht häufig genug sagen – nach 45 Jahren der erste Haushalt ohne neue Schulden sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Die schwarze Null ist eine historische Leistung. Die lassen wir uns nicht kaputtreden. Wir schaffen damit mittel- und langfristig neue Handlungsspielräume für uns und für zukünftige Generationen, ohne Lasten einseitig in die Zukunft zu verlagern. Wir stehen gegenüber kommenden Generationen in der Pflicht. Ihre Chancen heute zu verfrühstücken, wäre unverantwortlich. In diesem Sinne ist die schwarze Null auch gelebte Verantwortung. Sie ist Markenzeichen der Bundesregierung unter Angela Merkel und der von ihr geführten Großen Koalition. Unsere gute Wirtschafts- und Haushaltslage darf nicht den Blick auf die vor uns liegenden politischen Herausforderungen verstellen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor den Zukunftsrisiken, die sich auftürmen!) Die aktuellen Krisen innerhalb Europas und außerhalb Europas machen auch der deutschen Wirtschaft zu schaffen. Daher müssen wir darauf achten, dass wir nicht Verunsicherung schüren und Vertrauen zerstören; denn die Politik legt mit diesem Vertrauen die Grundlagen für eine florierende wirtschaftliche Entwicklung. Vertrauen ist die wichtigste Ressource unserer Volkswirtschaft. Schon Ludwig Erhard wusste: „Die Hälfte der Wirtschaftspolitik ist Psychologie.“ Wir müssen Mittelstand und Industrie, die Herz und Rückgrat unserer Wirtschaft sind, langfristig verlässliche Rahmenbedingungen bieten. Dazu gehört eben auch, dass wir Herz und Rückgrat mit weiteren Belastungen verschonen. Ich möchte in diesem Zusammenhang zwei aktuelle Ereignisse aufgreifen. Wir haben in den letzten Wochen erlebt, wie Spartengewerkschaften Tarifkonflikte über ein erträgliches Maß hinaus zugespitzt haben. Weite Teile des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft waren von Folgen dieser Arbeitskämpfe betroffen. Millionen Bürgerinnen und Bürger waren die Leidtragenden. (Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist ja auch ihr gutes Recht!) Auch dadurch geht Vertrauen in verlässliche Rahmenbedingungen verloren. Das kann nicht in unserem Sinne sein. Klar ist und bleibt: Das Streikrecht ist unantastbar. Aber es ist kein Freibrief. Die Unternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass Tarifverträge, die mit der Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgehandelt worden sind, auch Bestand haben und nicht von kleineren Gewerkschaften umgangen werden können. Für das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Tarifeinheit gibt es also sehr gute Gründe. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir leben in einer Zeit des demografischen Wandels. In unserer Gesellschaft wird die Zahl der Einwohner geringer und ihr Alter im Durchschnitt höher. Im Ergebnis steigen die Rentenbezugszeiten. Bis zum Jahr 2020 wird sich eine Fachkräftelücke von 1,3 Millionen ergeben. Berechnungen zufolge werden bis 2030 8 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Die Zahl der Arbeitskräfte wird insgesamt um ein Viertel schrumpfen. All das sind alarmierende Zahlen. Diese Entwicklung müssen wir in den Fokus rücken. Ein wirkliches Zeichen können wir mit der Flexi-Rente setzen. Angesichts des kontinuierlichen Anstiegs der Lebenserwartung muss Schluss damit sein, dass Menschen durch Gesetz oder Tarifverträge gegen ihren Willen in den Ruhestand geschickt werden. Wenn Menschen länger leben, verschiebt sich eben auch der Beginn des Altseins. Man ist mit 60, 63 oder 65 nicht automatisch alt. Ganz im Gegenteil: Es ist wichtig, dass wir die älteren Menschen in ihrem Tatendrang nicht stoppen. Immer mehr Deutsche wollen länger arbeiten. In kaum einem anderen Land hat die Erwerbsbeteiligung der Älteren so sehr zugenommen; das ist kürzlich auch noch einmal durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bestätigt worden. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herr Kollege Helfrich, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Kollegen Birkwald? Mark Helfrich (CDU/CSU): Wer so hartnäckig bittet – sehr gerne, Herr Birkwald. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Frage zulassen. Es ist jetzt auch eine andere als vorhin. (Heiterkeit – Zuruf von der CDU/CSU: Das wissen wir ja noch nicht!) Sie haben gerade einen wichtigen Satz gesagt. Sie sagten, dass Sie dagegen seien, dass Menschen gegen ihren Willen in den Ruhestand geschickt werden. Nun haben wir das Thema Zwangsverrentung. Das heißt, Hartz-IV-Betroffene, die 63 Jahre alt sind, werden seit 2008 auch gegen ihren Willen von den Jobcentern in Rente geschickt und erhalten dann häufig sehr kleine Renten mit sehr hohen Abschlägen, sodass sie gezwungen sind, Sozialhilfe zu beantragen, weil es die Grundsicherung im Alter ja erst ab dem 65. Geburtstag gibt. Zwangsverrentung bedeutet, dass sie nur 2 600 Euro Schonvermögen haben dürfen und gegebenenfalls auch ihre Kinder in Regress genommen werden. Ich halte die Zwangsverrentung für unwürdig. Sie gehört abgeschafft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, dass in der Arbeitsgruppe, die die Koalition derzeit zu verschiedenen Themen des Altersübergangs eingerichtet hat und in der auch dieses Thema auf der Tagesordnung steht, vonseiten der Union der Vorschlag kommen wird, dass die Zwangsverrentung in Zukunft abgeschafft werden wird? Das würde die Opposition sehr begrüßen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mark Helfrich (CDU/CSU): Ich kann natürlich nicht den Ergebnissen dieser Arbeitsgruppe vorgreifen, Kollege Birkwald. Auch Sie wissen, dass es sich grundsätzlich um zwei unterschiedliche Sachverhalte handelt, auch wenn sie begrifflich nah beieinanderliegen. Aber gerade Ihnen traue ich zu, dass Sie das sehr genau unterscheiden können. Damit würde ich meine Antwort an dieser Stelle beenden (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war doch keine Antwort! Sie wollen die Frage nicht beantworten! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) und zu meinen Ausführungen zurückkehren wollen. (Zuruf von der CDU/CSU: Das war genau treffend!) Bereits heute arbeitet rund ein Viertel der Ruheständler. Mehr als zwei Drittel dieser Menschen geben dafür auch nichtökonomische Gründe an. Es geht darum, Freude an der Arbeit zu haben, die eigenen geistigen Fähigkeiten auszubauen und zu erhalten und darum, Wissen und Erfahrungen weiterzugeben. Das sind die Beweggründe, warum Menschen gern länger arbeiten. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt auch für Erwerbslose! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bei Hartz-IV-Empfängern auch so!) Fast 40 Prozent der 55- bis 70-Jährigen können sich vorstellen, nach Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand weiter einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das ist jüngst, Anfang November, auch durch den Bundesinnenminister und das Bundesinstitut für Bevölkerungsentwicklung vorgestellt worden. Vor diesem Hintergrund bekommt die derzeit intensiv geführte Diskussion um das Thema „weitere Renten-reform und Einstieg in die Rente ab 60“ natürlich eine ganz besondere Dynamik. Ich sage an dieser Stelle auch, dass ich das vor dem Hintergrund dessen, was ich gerade geschildert habe, nicht nachvollziehen kann. Aus meiner Sicht und aus Sicht der CDU/CSU geht diese Diskussion in die falsche Richtung. Eine weitere vorsätzliche Verkleinerung unserer Arbeitskräftebasis kann nicht die Antwort an die Wirtschaft auf den zunehmenden Fachkräftemangel sein. Damit lässt sich kein Vertrauen in verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Meine Damen und Herren, immer weniger Menschen in Deutschland sind ohne Arbeit. Die Zahl der Arbeitslosen ist mit 2,7 Millionen auf einem Rekordtief. Im Oktober waren bei der Bundesagentur für Arbeit mehr als eine halbe Million freie Arbeitsstellen gemeldet. Damit haben immer mehr Menschen realistische Chancen auf einen Arbeitsplatz. Trotz der niedrigen Arbeitslosenzahlen bleibt die Zahl der Langzeiterwerbslosen hoch, deshalb senken wir auch nicht die Mittel für die Betreuung und Eingliederung. Vielmehr stellen wir pro Jahr zusätzlich 350 Millionen Euro zur Verfügung. Nur mal ein Vergleich, den man auf sich wirken lassen möge: Im Jahr 2006 standen für die Betreuung und Eingliederung arbeitsloser Menschen dieselben Finanzmittel zur Verfügung wie heute für rund 2,7 Millionen Arbeitslose. Ich denke, das spricht eine eindeutige Sprache. (Beifall bei der CDU/CSU) Es ist richtig, diese Mittel nicht zu kürzen, weil es eine besonders schwierige Aufgabe ist, die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit, um die es jetzt geht, zu senken. Es gibt aber keinen Grund, dass wir das Lied, das die Opposition bei diesem Thema immer wieder gerne anstimmt, in Moll mitsingen. Wir stellen viel Geld für zwei neue Bundesprogramme zur Verfügung; darüber ist geredet worden. Wir werden über 1,3 Milliarden Euro aus dem Eingliederungstitel und aus dem Europäischen Sozialfonds bereitstellen. Ich gehe an dieser Stelle nicht weiter darauf ein, weil bereits alles gesagt wurde. Es geht um Langzeit-arbeitslose ohne Berufsschulabschluss bzw. um Langzeitarbeitslose, die sehr arbeitsmarktfern sind und dann in eine öffentlich finanzierte Beschäftigung hineinkommen. Das ist gut, weil diese Menschen somit soziale Teilhabe im Erwerbsleben erfahren. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe funktionierender Sozialpolitik. Das System insgesamt funktioniert; davon bin ich fest überzeugt. Um es mit den weisen Worten des Chefs der Bundesagentur für Arbeit zu sagen: Das Programm des Förderns und Forderns ist das beste, das wir je hatten. – Nichts ist so gut, dass es nicht verbessert werden kann. Deswegen legen wir mit dem Einzelplan 11 heute bzw. am morgigen Freitag die Grundlagen für richtige und solide finanzierte Maßnahmen, damit dieses Programm noch ein Stück besser werden kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir befinden uns in einer nie dagewesenen widersprüchlichen Situation. In Zeiten wirtschaftlicher Stärke und eines florierenden Arbeitsmarktes stehen wir vor großen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Herausforderungen. Ich behaupte, es sind die größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte; ich habe ausgeführt, woran ich das festmache. Lassen Sie uns diese Herausforderung ohne Denkverbote angehen und gemeinsam neue Wege beschreiten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Herr Kollege Helfrich. Sie waren der letzte Redner zum Einzelplan 11. Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzelplan 11 – Bundesministerium für Arbeit und Soziales – in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/3305 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt. Ich lasse jetzt über den Einzelplan 11 in der Ausschussfassung abstimmen. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 11 ist mit den Stimmen von CDU/CSU- und SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.15 auf: Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksachen 18/2823, 18/2824 Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Michael Leutert, Alois Rainer, Ulrike Gottschalck und Ekin Deligöz. Zum Einzelplan 17 liegen zwei Entschließungs-anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir morgen nach der Schlussabstimmung abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kollege Michael Leutert, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Michael Leutert (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Zuallererst möchte ich mich als Hauptberichterstatter natürlich bei meinen Mitberichterstattern Ulrike Gottschalck von der SPD, Ekin Deligöz von den Grünen und Alois Rainer von der Union bedanken. Ich glaube, wir haben in den letzten Wochen eine gute, sachorientierte und faire Zusammenarbeit gehabt, die meines Erachtens vorbildhaft für den politischen Raum ist. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte es ebenfalls nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass wir eine Sache gemeinsam geschafft haben, über die ich mich sehr freue: Wir werden alle Bildungszentren des Bundes einschließlich Sondershausen erhalten können, und zwar mit Personal. Das ist ein hervorragendes Ergebnis, was ich hier noch einmal unterstreichen möchte. Wir haben das Geld. Wir haben eine Konzeption. Das Ministerium muss das jetzt umsetzen. Dann können wir uns im nächsten Jahr über die Ergebnisse unterhalten. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Allerdings ist das Ganze an einem anderen Punkt, den ich jetzt ansprechen möchte, nicht so gut gelaufen. Damit meine ich das Programm „Demokratie leben!“, also das Programm, aus dem wir die Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit finanzieren. Der Regierungsentwurf sah dafür ungefähr 30 Millionen Euro vor. Wir haben diese Summe in den Haushaltsverhandlungen auf 40 Millionen Euro erhöht. Trotzdem reicht das Geld nicht aus. Die Linke hat 50 Millionen Euro vorgeschlagen. Das ist auch die Summe, mit der die SPD im Wahlkampf aufgetreten ist. Wir haben das Ziel nicht erreicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus aktuellem Anlass sage ich: Wir beschäftigen uns hier schon lange mit den Themen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus. Wir werden uns leider auch noch länger damit beschäftigen müssen. Der NSU-Skandal hat gezeigt, über welche Dimensionen, welche Ausmaße wir hier sprechen. Die Empfehlungen der Untersuchungsausschüsse sind ganz klar: Wir müssen mehr tun, damit die Zivilgesellschaft gestärkt wird, um gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorzugehen. Das heißt aber auch: Wir brauchen mehr Geld dafür. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Leider hat sich in Deutschland seit einigen Monaten die Stimmung dramatisch verändert. Das hat etwas mit den steigenden Asylbewerberzahlen zu tun, mit den Flüchtlingen, die wir aus den Bürgerkriegsländern aufnehmen. Der gemeinsame Aufmarsch von Hooligans und Nazis in Köln hat das ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Aber nicht nur dort, sondern auch bei mir im Wahlkreis finden immer öfter Veranstaltungen statt, bei denen sich Bürgerinnen und Bürger in meines Erachtens erschreckender Weise über Flüchtlinge äußern. Die Zahl der Demonstrationen gegen Flüchtlinge nimmt zu, und die Bürgerinnen und Bürger, ob bewusst oder unbewusst, nehmen daran teil, Seite an Seite mit Nazis. Am Montag dieser Woche waren es 6 000 Demonstranten in Dresden. Dieser Aufmarsch erinnert sehr an die größten Naziaufmärsche Europas, die in Dresden stattgefunden haben. Sachsens Innenminister Ulbig hat vor drei Tagen eine Sondereinheit der Polizei gegen kriminelle Asylbewerber vorgeschlagen. Damit ist uns in dieser Situation überhaupt nicht geholfen. Damit wird noch Öl ins Feuer gegossen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Susann Rüthrich [SPD] und Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Allerdings muss ich sagen: Dazu muss man nicht Innenminister sein. Ich habe gerade bei Spiegel Online gelesen, dass Kollege Grass vorgeschlagen hat, man sollte über Zwangseinquartierungen von Flüchtlingen in deutschen Wohnstuben nachdenken. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das ist eine Art der Panikmache, die niemandem weiterhilft. Aber der Kollege Grass ist ja hin und wieder auch für Skandale bekannt. Schauen wir uns einmal die Zahlen an. Da Herr Ulbig auf die Kriminalitätsrate unter Asylbewerbern hingewiesen hat, möchte ich auf folgende Statistik hinweisen: In Deutschland gab es bis Ende September 7 753 politisch motivierte Straftaten von rechts, darunter 358 Gewaltdelikte mit 275 Verletzten. Es gab im Übrigen nur drei Haftbefehle. Allein in diesem Jahr gab es 23 Brandanschläge auf Flüchtlingsheime und 194 Kundgebungen bzw. Demonstrationen, wie ich sie gerade am Beispiel von Dresden beschrieben habe. Da gibt es natürlich einen Zusammenhang. Dass das eine das andere irgendwie bedingt, liegt ja auf der Hand. Zum Beispiel gab es in Plauen allein im September dieses Jahres sieben Angriffe gegen Flüchtlinge. Einer der Flüchtlinge erlitt so schwere Schnitt- und Stichverletzungen, dass er zehn Tage stationär behandelt werden musste. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so etwas passiert in Sachsen, einem Bundesland, in dem der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund nicht einmal 2,5 Prozent beträgt. Das muss man sich einmal überlegen. Das ist nicht bloß irre, was dort passiert, das ist einfach gefährlich. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Man muss sich einmal fragen, was in diesem Bundesland passiert, wenn der Bundesdurchschnitt von 8 Prozent erreicht wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegt in unserer Verantwortung, etwas zur Prävention beizutragen, und zwar jetzt und nicht erst, wenn es für die Prävention zu spät ist, wenn Justiz und Polizei eingreifen müssen. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb sind die Projekte und Initiativen gegen Rechtsextremismus und Rassismus – die mobilen Beratungsteams, die Opferberatung – so wichtig für uns; sie entstehen aus der Zivilgesellschaft heraus. Diese Projekte und Initiativen brauchen eine verlässliche Finanzierungsgrundlage; und wenn das anders nicht geht, brauchen wir notfalls ein Gesetz dafür. (Beifall bei der LINKEN) Derzeit geben wir für diese Projekte und Initiativen auf Bundesebene 40 Millionen Euro aus. Das entspricht pro Einwohner 50 Cent im Jahr. Ich finde, diese Präventionsarbeit sollte uns mehr wert sein. (Beifall bei der LINKEN) Ich glaube, 1 Euro pro Einwohner kann man pro Jahr für diese Präventionsarbeit durchaus bezahlen. (Beifall bei der LINKEN) Auch die Evangelische Kirche in Deutschland hat sich für eine Erhöhung auf mindestens 70 Millionen Euro ausgesprochen. Noch ein Satz zum Schluss: Der Verfassungsschutz, der beim NSU-Skandal erbärmlich versagt hat, bekommt dieses Jahr 231 Millionen Euro. Das ist ein Aufwuchs von 21 Millionen Euro. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Unglaublich!) Wenn man wenigstens diesen Aufwuchs von 21 Millionen Euro in die Präventionsarbeit gesteckt hätte, dann wäre die Zivilgesellschaft gestärkt worden. Dort wäre das Geld wesentlich besser angelegt als beim Verfassungsschutz. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die Bundesregierung erhält jetzt das Wort die Bundesministerin Manuela Schwesig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Haushalt 2015 ist Basis, ist ein wichtiger Baustein einer modernen Gesellschaftspolitik, einer modernen Gesellschaftspolitik, wie ich sie vor einem Jahr bei meinem Amtsantritt angekündigt habe. Einer modernen Gesellschaftspolitik, die auf Solidarität basiert, auf dem Zusammenhalt der Generationen. Einer modernen Gesellschaftspolitik, die auf Freiheit basiert, auf der Freiheit für Frauen und Männer, in unserem Land ihren Lebensentwurf zu leben und dabei unterstützt zu werden. Einer modernen Gesellschafts-politik, die natürlich auch auf Gerechtigkeit basiert, vor allem darauf, dass Frauen und Männer in unserem Land gleichberechtigt sind. Wie sieht es aus mit dieser Gerechtigkeit? Wir haben in unserem Grundgesetz verankert – dieses Grundgesetz haben wir in diesem Jahr gebührend gefeiert –, dass Männer und Frauen gleichberechtigt leben; aber 75 Prozent der Frauen sagen: Das ist für uns nicht Realität. Warum sagen 75 Prozent der Frauen: „Die Lebenswirklichkeit sieht für uns anders aus, als sie im Grundgesetz verbrieft ist“? Das liegt daran, dass die Frauen spüren, dass sie in der Arbeitswelt benachteiligt sind. Sie erleben, dass sie schlechtere Löhne bekommen als die Männer, sie erleben, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch schwierig ist und es oft an ihnen hängt, und sie erleben, dass sie schlechte Aufstiegschancen haben, obwohl gerade die junge Generation der Frauen besser ausgebildet ist denn je. Dass wir mit moderner Gesellschaftspolitik dafür sorgen, dass diese Solidarität, diese Freiheit und diese Gerechtigkeit in unserem Land gelebt werden, ist eine wichtige Aufgabe der Großen Koalition. Deshalb freue ich mich darüber – das wissen Sie sicherlich –, dass wir uns in dieser Woche im Koalitionsausschuss entschieden haben, dass der Gesetzentwurf, den ich gemeinsam mit Heiko Maas zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen vorgelegt habe, kommt. Das ist mit Blick auf diese moderne Gesellschaftspolitik ein wichtiger Gesetzentwurf. Ich bin froh, dass die verbindliche Frauenquote kommt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich bin sehr froh, dass sich diejenigen, die für SPD und Union an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen haben, schon damals Gedanken darüber gemacht haben, wie das gehen kann: Wir brauchen klare Vorgaben, damit es gelingt, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen, verbunden mit Spielräumen, die die Unternehmen haben müssen. Deshalb ist es gut, dass der Gesetzentwurf für die größten Unternehmen mit den größten Gremien, mit den größten Aufsichtsräten in unserem Land eine klare, feste Vorgabe von mindestens 30 Prozent vorsieht – ohne Ausnahmen; das war mir immer wichtig. Liebe Abgeordnete der Grünen, Sie reden immer von einem „Quötchen“. Wenn Sie das als „Quötchen“ ansehen, dann sind Ihre Vorschläge nichts; denn Ihre Vorschläge sehen Ausnahmen vor. Die sieht unser Gesetzentwurf nicht vor. Insofern, finde ich, ist das ein sehr guter Gesetzentwurf. Aber ich will mich mit Ihnen nicht darüber streiten, weil ich weiß, dass Sie dieses Vorhaben im Grunde Ihres Herzens unterstützen. Ich freue mich, dass es dafür eine so breite Unterstützung in diesem Haus gibt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir geben einer Vielzahl von Unternehmen, über 3 000 Unternehmen, die Möglichkeit, sich auf den Weg zu machen und sich selbst Zielvorgaben zu setzen, allerdings nach klaren Regeln, nämlich nach den Regeln, sich verbindlich festzulegen, dies umzusetzen und darüber zu berichten. Ich freue mich sehr, dass wir uns einig sind, dass der öffentliche Bereich der Wirtschaft nicht hinterherhinken darf. Das sind gute Vorschläge, die wir zukünftig gemeinsam beraten können. Ich bin sicher, dass wir damit einen Kulturwandel in der Arbeitswelt einleiten. Einen Kulturwandel, den wir dringend brauchen, einen Kulturwandel dahin gehend, dass Frauen mehr Möglichkeiten bekommen, ihre Potenziale zu entfalten, dass Frauen schlicht und einfach gerecht behandelt werden und dass sie in der Arbeitswelt die gleichen Chancen wie Männer haben, wenn sie gut qualifiziert sind. Wir haben diese gut qualifizierten Frauen. Das ist das Signal an die Frauen in unserem Land: Wir machen uns auf den Weg hin zu mehr Gerechtigkeit für die Frauen in unserem Land. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Gut ist auch, dass dieses Gesetz nicht die schwarze Null gefährdet. Im Gegenteil, dieses Gesetz wird dazu führen, dass Wirtschaft und öffentlicher Bereich noch erfolgreicher werden. Damit stärken wir den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes. Diesen Erfolg brauchen wir. Denn es sind ja nicht abstrakte Unternehmen, die dafür Sorge tragen, dass wir hier über die Verteilung von Geld reden, sondern es sind die Frauen und Männer in unserem Land, die tagtäglich arbeiten gehen, ob als kluge, verantwortungsvolle Unternehmerinnen oder Unternehmer, ob als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer. Diese Menschen sind die Leistungsträger in unserem Land. Sie gehen arbeiten und sorgen mit ihren Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen dafür, dass unser Sozialsystem getragen wird und wir heute einen Haushalt vorliegen haben, mit dem wir wichtige Vorhaben in unserer Gesellschaft voranbringen können. Es ist wichtig, dass wir diese Frauen und Männer unterstützen, zum Beispiel bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im Etat des Familienministeriums sind allein für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie 5,5 Milliarden Euro veranschlagt, für das Elterngeld und das neue Elterngeld Plus. Es ist wichtig, dass die neue Generation Vereinbarkeit ihr Lebensmodell leben kann. Viele Frauen und Männer in unserem Land sagen: Ich will beides. Ich möchte meinen Job machen; ich möchte dafür Zeit haben und darin gut sein. Aber ich möchte auch Zeit für meine Familie haben. – Frauen in unserem Land haben oft das Gefühl, dass es nie für beides reicht. Im Job wird ihnen gesagt: Du musst möglichst rund um die Uhr präsent sein. Wenn du zu viel Zeit mit deiner Familie verbringst, dann reicht die Zeit nicht für den Job. – Von der Familie kommt die Frage: Wann bist du eigentlich wieder zu Hause? – Diesen Druck spüren die Frauen. Diesen Druck spüren aber auch die jungen Väter in unserem Land. Sie sagen nämlich: Ich will nicht erst zum Gute-Nacht-Kuss zu Hause sein, sondern ich will auch Zeit für meine Familie haben. – Deshalb ist es gut, dass die Große Koalition mit dem neuen Elterngeld Plus das Lebensmodell unterstützt, dass Mütter und Väter Zeit für beides, für den Job und für die Familie, haben und sich diese Zeit partnerschaftlich teilen. Das ist moderne Gesellschaftspolitik. Es ist aber auch eine Frage der Gerechtigkeit, dafür zu sorgen, dass Mütter und Väter Chancen im Job, aber auch Zeit für die Familie haben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir denken auch an die Familien, deren Kinder vielleicht schon längst aus dem Haus sind, denen sich dafür aber die Frage stellt: Wie geht es mit pflegebedürftigen Angehörigen weiter? Viele Menschen erleben beides. Zum einen haben sie eine Erziehungsverantwortung für die Kinder, zum anderen stellt sich ihnen die Frage: Was ist mit meinem pflegebedürftigen Vater? Wie bekomme ich das unter einen Hut, wenn ich arbeiten muss? Auch dies lastet oft auf den Schultern der Frauen. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir die Basis für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen, auch mit pflegebedürftigen Angehörigen. Das Elterngeld Plus, das ich eben vorgestellt habe, wird diesen Freitag im Bundesrat verabschiedet und auf den Weg gebracht. Den neuen Gesetzentwurf zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf werden wir in der nächsten Woche beraten. Durch die Pflegereform haben wir dafür die finanziellen Voraussetzungen geschaffen. Es wird zukünftig möglich sein, im Akutfall eine kurze Auszeit für Phasen der Pflege in der Familie zu nehmen oder auch in eine längere Pflege- und Fami-lienpflegezeit zu gehen, und zwar mit finanzieller Unterstützung. Das ist ein wichtiges Signal der Großen Ko-alition: Wir lassen Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen nicht im Stich, sondern unterstützen sie. Auch das ist ein Gebot der Gerechtigkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die moderne Gesellschaftspolitik setzt auch auf den Zusammenhalt der Generationen, auf die Solidarität. Ein Erfolgsprojekt für gelebte Solidarität sind die Mehrgenerationenhäuser in unserem Land. Jedes Mehrgenerationenhaus lebt die Idee vom Zusammenhalt der Generationen. Dort sind zum Beispiel Kitas. Dort sind auch Omas und Opas, die vorlesen und Zeit mit Kindern verbringen, die vielleicht nicht ihre eigenen Enkelkinder sind, aber in ihrem Stadtteil leben und deren Eltern froh sind, dass sie unterstützt werden, weil die eigenen Großeltern der Kinder vielleicht 300 Kilometer weit entfernt wohnen. Es gibt hier viele tolle Projekte, zum Beispiel auch für Familien, die eine Entlastung brauchen, weil sie demenziell erkrankte Angehörige haben. Sie alle kennen die Mehrgenerationenhäuser und haben sich für sie starkgemacht. Deshalb sage ich ein Dankeschön an die Fachpolitiker, aber auch an die Haushaltspolitiker, die sich dafür eingesetzt haben, dass es jetzt Planungssicherheit für diese Mehrgenerationenhäuser gibt. 16 Millionen Euro sind für 2015 verankert, und es gibt den wegweisenden Beschluss des Haushaltsausschusses, diesen Ansatz zu verstetigen. Das ist ein wichtiges Signal an die Generationen, aber vor allem auch an die Ehrenamtlichen in diesen Mehrgenerationenhäusern. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, moderne Gesellschafts-politik heißt auch Freiheit, zum Beispiel Freiheit für unsere Jugend, die nicht von der Schule und durch Erwartungen der Gesellschaft erdrückt werden darf, sondern Freiräume erhalten muss, wie wir alle sie als Jugendliche hatten. Gelegentlich sehnen wir uns heute vielleicht nach dieser Zeit zurück. Deshalb bin ich Ihnen sehr dankbar, dass wir die Kinder- und Jugendarbeit besser unterstützen, dass wir die Mittel dafür weiter aufstocken und dass wir vor allem die Jugendmigrationsdienste in diesem Haushalt besserstellen, weil sie dazu beitragen, dass Vielfalt in unserem Land gelebt wird und dass junge Migrantinnen und Migranten in unserem Land gut aufwachsen. Das ist ein wichtiges Signal für die Jugend in unserem Land. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich bin auch dankbar dafür, dass in diesem Etat weiterhin über 100 Millionen Euro für das wichtige Bundesprogramm „Integration und Sprache“ bereitstehen. Die Bekämpfung von Kinderarmut ist wichtig. Dazu gehört, dass die Eltern eine Arbeit haben und gut dafür bezahlt werden. Dazu gehört aber auch, dass die Kinder – auch bereits in den Kitas – unabhängig vom sozialen Status der Eltern Chancen auf Bildung bekommen und gefördert werden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit der Sprachförderung in den Kitas den Grundstein dafür legen, dass die Kinder in unserem Land gut aufwachsen. Auch das ist ein Signal des Haushalts 2015, das an die Kinder in unserem Land geht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, eine moderne Gesellschaft braucht die Freiheit, dass Menschen in unser Land kommen und hier groß werden und leben können, ohne Angst davor zu haben, dass sie diskriminiert werden, angegriffen werden oder sogar Gewalt erleben, weil sie eine andere Hautfarbe haben, aus einer anderen Kultur stammen, einer anderen Religion angehören oder eine andere sexuelle Identität haben. In den letzten Wochen und Monaten haben wir gesehen – Herr Leutert hat darauf hingewiesen –, dass zum Beispiel der Antisemitismus in unserem Land wächst, dass wir Probleme mit dem radikalen Salafismus haben und dass mittlerweile Familien bei der Polizei anrufen und sagen: Ich habe die Sorge, dass mein Kind auswandert und sich dem IS-Terror anschließt. – Das ist ganz konkrete Realität. Deswegen ist es richtig, dass wir neben der Bekämpfung von Rechtsextremismus präventiv gegen diese neuen Formen der Radikalisierung arbeiten. Natürlich müssen gewaltbereite Dschihadisten und Terroristen von den Sicherheitsbehörden und der Justiz verfolgt werden. Aber es geht um mehr. Es geht auch darum, dass alle Demokratinnen und Demokraten durch Angriffe auf unsere Demokratie und unsere offene Gesellschaft herausgefordert sind, Zeichen zu setzen. Deshalb brauchen wir nicht nur eine sicherheitspolitische Antwort, sondern auch eine präventive gesellschaftspolitische Antwort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wie kann das gehen? Wir haben das Bundesprogramm „Demokratie leben!“, das am 1. Januar 2015 startet. Mit diesem Bundesprogramm werden wir unter Beteiligung von Jugendlichen auf kommunaler Ebene und auch auf Landesebene Demokratiezentren und präventive Projekte fördern, die heute schon erfolgreich sind, aber unter zwei Punkten leiden: Sie haben keine Planungssicherheit und oft keine ausreichenden finanziellen Mittel vor Ort. Deshalb ist es gut, dass wir mit dem neuen Bundesprogramm eine längerfristige Finanzierung auf den Weg bringen und eine Verstetigung erreichen. Der Bundestag hat entschieden, dieses Bundesprogramm um 10 Millionen Euro aufzustocken. Das finde ich richtig, weil inzwischen neue radikale Formen hinzukommen, für deren Bekämpfung wir nicht Gelder aus der Arbeit gegen Rechtsextremismus herausziehen können. Nein, das Geld muss on top kommen, sodass wir gegen alle radikalen Formen in unserem Land angehen können. Herr Leutert, Sie haben recht: Es kann immer mehr sein. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Vor mehreren Jahren hat der Deutsche Bundestag beschlossen, dieses Programm aufzustocken. Leider ist dann einige Zeit nichts passiert. Umso mehr freue ich mich, dass der Deutsche Bundestag jetzt fraktionsübergreifend sagt: Wir wollen unseren Beschluss umsetzen und stocken dieses Bundesprogramm auf. – Ich als Ministerin stehe bereit, die Maßnahmen dieses Programms mit meinen Leuten und mit Vertretern der Zivilgesellschaft umzusetzen. Mehr geht immer; gar keine Frage. Aber diese 10 Millionen Euro sind ein wichtiges Signal für die Menschen, die vor Ort Gesicht zeigen. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich; denn ohne Freiheit ist moderne Gesellschaftspolitik nichts. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen ist Dr. Franziska Brantner. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Uns liegt der Entwurf eines Haushalts vor, bei dem wir uns fragen müssen: Welchen Fußabdruck hinterlassen Sie, wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht, wenn es um eine Stärkung der Alleinerziehenden geht, wenn es um die Bekämpfung von Kinderarmut geht? Ziehen wir einmal ein Resümee aus den Ankündigungen und dem, was erreicht wurde. Wir wissen alle, dass es für Bildungsgerechtigkeit zentral ist, dass die Qualität in der Kindertagesbetreuung bundesweit gleichermaßen steigt. Sie bauen hier auf ein solides schwarz-gelbes Erbe auf: 5,4 Milliarden Euro wurden unter Schwarz-Gelb in den Ausbau investiert. Doch jetzt, wo es an das Eingemachte geht, nämlich um die Frage: „Wie entlasten wir die Erzieherinnen und Erzieher, die so gute Arbeit leisten?“, da geht Ihnen die Luft aus. Nach großen Ankündigungen vonseiten der Ministerin sind von dem Milliardenmärchen noch 550 Millionen Euro für drei Jahre übrig geblieben, und das erst ab 2016. Für 2015 ist kein zusätzliches Geld vorgesehen. Die Bertelsmann-Stiftung hat berechnet, dass Bund, Länder und Kommunen zusammen jährlich eigentlich 5 Milliarden Euro zusätzlich investieren müssten, um eine angemessene Zahl von Erzieherinnen und Erziehern für unsere Kitas zu ermöglichen. Was bieten Sie den Ländern und Kommunen an? Eine Arbeitsgruppe. (Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Und 1 Milliarde jährlich!) In der letzten Woche sagte Frau Schwesig: 1,5 Milliarden Euro mehr sollen aus dem von Herrn Schäuble angekündigten 10-Milliarden-Euro-Paket in den Ausbau der Hortbetreuung an den Schulen fließen. Wir drücken Ihnen wirklich die Daumen und hoffen, dass wir nicht ein Déjà-vu wie bei den Geldern zur Erhöhung der Kitaqualität erleben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Sollen wir die Lehrergehälter auch noch übernehmen?) Das Betreuungsgeld dagegen schluckt weiterhin 900 Millionen Euro im Haushalt, die woanders gut aufgehoben wären. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist gut investiertes Geld, Frau Brantner!) Zum Glück ist der Ansatz etwas gekürzt worden, da die Eltern diese Leistung nicht so annehmen, wie Sie es erwartet haben. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: 70 Prozent in Bayern!) Das spricht eigentlich für sich und macht deutlich, dass die Wahlfreiheit an dieser Stelle dazu führt, dass die Eltern das Betreuungsgeld nicht wählen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Doch! In Bayern zu 70 Prozent!) Zu denken gibt uns auch, was heute in der Süddeutschen Zeitung über Bayern zu lesen ist, Herr Lehrieder: 52 Prozent der bayerischen Kleinkinder gehen in eine Krippe; für 73 Prozent zahlt der Freistaat zugleich noch Betreuungsgeld. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist Wahlfreiheit, Frau Kollegin! Auch wenn es schwerfällt!) Ich weiß natürlich, dass in Bayern einer immer mehr ins Gewicht fällt, sodass aus 100 Prozent in Bayern 125 Prozent werden. Aber es ist schon seltsam, dass Sie in Bayern auf mehr als 100 Prozent Kinder kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Ich rechne Ihnen das gerne vor!) In Bayern erhält jeder zum Ende des Elterngeldbezugs automatisch einen Antrag für das Betreuungsgeld zugeschickt. Bei der Meldung zum Anspruchsende, wenn das Kind in eine Kita geht, wird anscheinend nicht mehr ganz so genau hingeschaut. Anders kann man sich den Unterschied nicht erklären. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Kollegin Brantner, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lehrieder? – Bitte schön, Herr Kollege. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Frau Kollegin, Sie haben gerade ausgeführt, dass Bayern 125 Prozent der Kinder fördert. Das würden wir gerne tun; aber das ist in Bayern gar nicht nötig. Stimmen Sie mir zu, dass nach diesem Rechenmodell, wenn 50 Prozent der Kinder eine Kita besuchen und für 70 Prozent der verbleibenden 50 Prozent Betreuungsgeld gezahlt wird, insgesamt etwa 70 bis 80 Prozent eine Förderung erhalten? Die 70 Prozent beziehen sich nämlich auf die verbleibenden 50 Prozent, nur um die mathematischen Grundrechenarten für Sie etwas aufzufrischen, Frau Kollegin. Stimmen Sie mir zu, dass das einen Prozentsatz ergibt, der unter 100 Prozent liegen dürfte? Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es wäre schön, wenn es so wäre, Herr Lehrieder. Dann würden wir alle uns wahrscheinlich nicht wundern, und dann würde auch keine Zeitung darüber berichten. Es ist aber anders, nämlich dass 52 Prozent insgesamt in die Kita gehen und für 73 Prozent der Kinder insgesamt Betreuungsgeld gezahlt wird. Das ergibt 125 Prozent. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Wir werden da noch ein Privatissimum machen müssen, Frau Kollegin!) – Das können wir gerne noch einmal besprechen. Aber den Zahlen zufolge scheint es dort Überschneidungen zu geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich bin froh – Frau Schwesig, Sie haben es gerade erwähnt –, dass es möglich war, dass ein Teil der frei-gewordenen Mittel jetzt in Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus und Modellprojekte gegen islamische Radikalisierung fließt. Wir Grünen als Bundestagsfraktion haben schon seit Jahren gefordert, dass die Mittel dafür erhöht werden. Schade ist aber, dass 90 Millionen Euro aus diesem Einzelplan in Schäubles Schatzkästchen geflossen sind und deshalb nicht für diese Inhalte zur Verfügung stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zu einem Thema in diesem Haushalt gibt es noch nicht einmal konkrete Ankündigungen. Das ist die beschämende Kinderarmut in unserem Land. Die Statistiken der Bundesagentur für Arbeit zeigen: Kinderarmut nimmt wieder zu. Während die Zahl von 2007 bis 2012 gesunken ist, ist sie seit 2012 wieder gestiegen. Insgesamt beziehen heute 15,7 Prozent der unter 15-Jährigen Hartz-IV-Leistungen. Das betrifft 1,64 Millionen Jungen und Mädchen, und das in einem so reichen Land wie Deutschland. Auch deswegen wird es Zeit, endlich Konsequenzen aus der Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen zu ziehen. Sie sind eine große Große Koalition. Nehmen Sie doch diese Herausforderung an und gehen Sie die tiefgreifenden Reformen an, die man mit einer knappen Mehrheit vielleicht nicht hinbekommt! Nutzen Sie diese Chance! Die Erkenntnisse sind doch bekannt. Wir haben kein Erkenntnisproblem. Das Problem ist, dass es jetzt von Ihnen abhängt, endlich für Gerechtigkeit zu sorgen. Unser Ziel muss es doch sein, dass Kinder gefördert werden und nicht der Trauschein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Doch was machen Sie? Sie verstecken Reförmchen in großen Steuergesetzen, statt das Thema Kinderarmut zur Diskussion zu bringen. In Ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union finden sich dafür gute Ansätze, wenn man zum Beispiel den Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende erhöhen würde. Das ist aber leider Fehlanzeige. Was Sie in dem Gesetzentwurf regeln, ist die Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Kinder haben oder Angehörige pflegen, für die Notfallbetreuung, die zumindest mit bis zu 600 Euro gefördert wird. Das begrüßen wir. Wir glauben aber, dass auch das nur die Hälfte des Weges ist, weil Selbstständige davon nicht profitieren. Notwendig ist eine Regelung sowohl für Geringverdienende als auch für Selbstständige. Deswegen wollen wir, dass auch in Zukunft die Betreuungskosten wieder als Werbungskosten geltend gemacht werden können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir reden viel über Zeit für Familien und Stress der Eltern. Deswegen begrüßen wir, dass es mit dem Elterngeld Plus eine neue Regelung gibt. Wir müssen aber überprüfen, inwieweit diese Regelung auch Alleinerziehenden helfen wird. Allein und mit Kind wird es schwierig sein, den engen Korridor von 25 bis 30 Wochenstunden Arbeitszeit zu erreichen, um zusätzliche vier Monate Elterngeld zu erhalten. Es kann nicht sein, dass gerade jenen, den Alleinerziehenden, diese vier Monate fehlen, und jene, die eh zu zweit sind, sie zusätzlich bekommen. Ich glaube, wir müssen wirklich genau schauen, wie sich das Gesetz auswirkt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kein Geld für die Qualität in der Kindertagesbetreuung, die Beibehaltung des Betreuungsgeldes, eine Leerstelle bei der steigenden Kinderarmut, verpasste Chancen, um Alleinerziehende zu stärken, kleine Schritte beim Elterngeld Plus und kleine Einsichten beim Thema Rechtsextremismus und Islamismus – unser Resümee ist: Dieser Haushaltsentwurf ist vor allem eines: eine rote Null. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Herr Kollege Alois Rainer, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Da musst du einiges klarstellen, glaube ich!) Alois Rainer (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir blicken auf sehr konstruktive Gespräche und Beratungen zum Bundeshaushalt 2015 zurück. Gerne möchte ich mich in diesem Zusammenhang bei meinen Mitberichterstatterkolleginnen und -kollegen, Herrn Leutert, und auch beim Ministerium, Frau Ministerin, sehr herzlich für die hervorragende Zusammenarbeit bedanken. (Michael Leutert [DIE LINKE]: Da haben Sie jemanden vergessen!) – Ich habe niemanden vergessen. – Dank der hervorragenden Arbeit unseres Bundesfinanzministers Dr. Wolfgang Schäuble, aber auch dank der sehr guten minutiösen Aufarbeitung in den Beratungen zum Bundeshaushalt ist es uns gelungen, für das kommende Jahr einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen. Gerade das ist für die jungen Menschen in unserem Land ein richtiges und wichtiges Zeichen; denn wer ehrliche Politik will, darf nicht ständig über seine Verhältnisse leben. Unsere Politik steht für Kontinuität, Verlässlichkeit und auch Nachhaltigkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dass man trotz Haushaltskonsolidierung eine gute Politik machen kann, zeigt der vorliegende Haushaltsentwurf für das Jahr 2015. Doch geht es nicht nur um das Erreichen der sogenannten schwarzen Null. Diese ist für den Moment gut, richtig und wichtig. Viel entscheidender ist jedoch, dass wir daran nachhaltig festhalten. Meine Damen und Herren, unsere Familienpolitik ist eine Politik der Verantwortung. Dass wir diese übernehmen, zeigen wir unverkennbar im Einzelplan 17, im Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. So haben wir den Etat des Einzelplans 17 von 7,9 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf 8,5 Milliarden Euro für 2015 angehoben. Das entspricht einer Erhöhung gegenüber dem Vorjahr von etwa 600 Millionen Euro. Schon diese Aufstockung macht deutlich, wie wichtig uns die Menschen und insbesondere die Familien in unserem Land sind. Um vor Augen zu führen, über welche Summen wir eigentlich sprechen, möchte ich Ihnen den Etat aus dem letzten Jahr ins Gedächtnis rufen: Im Jahr 2013 hatten wir einen Gesamt-etat von 6,8 Milliarden Euro. Ausgehend von dieser Summe haben wir den Familienhaushalt um 1,7 Milliarden Euro auf 8,5 Milliarden Euro angehoben. Das ist ein Indiz dafür, dass hier vernünftige Politik gemacht wird, die frei ist von übereifrigem Aktionismus und übereifrigem Populismus. Den wesentlichen Anteil im Einzelplan 17 macht das Elterngeld aus – darüber ist schon gesprochen worden –, das wir bereits im letzten Haushalt um 470 Millionen Euro auf 5,4 Milliarden Euro angehoben haben. Für das Jahr 2015 haben wir den Ansatz um weitere 180 Millionen Euro auf etwa 5,6 Milliarden Euro erhöht. Damit ist und bleibt das Elterngeld das zentrale Instrument unserer Verantwortung gegenüber den Familien in Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Darüber hinaus wurde mit dem Elterngeld Plus eine zusätzliche Gestaltungskomponente geschaffen, die eine wesentliche Unterstützung für Familien nach der Geburt eines Kindes ermöglicht. Mit der Flexibilisierung der Elternzeit ist ein weiterer Schritt hin zu mehr Zeit für die Familie getan. Dass das Geld gut investiert ist, belegen die aktuellen Zahlen. Als Vertreter der CSU ist es mir natürlich eine Herzensangelegenheit, das Betreuungsgeld anzusprechen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte gleich zum Antrag der Grünen kommen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Sie so sehr darauf beharren, die Kinder schon im Kleinkindalter von ihren Eltern wegzuziehen. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) Die Wahrheit ist doch, dass Kinder in den ersten drei Jahren die Bindung zu ihren Eltern brauchen. Dies belegen im Übrigen viele wissenschaftliche Studien. (Beifall bei der CDU/CSU – Dagmar Ziegler [SPD]: Das ist ja auch richtig! Das eine schließt doch das andere nicht aus!) Weiter sagen Sie, dass Eltern durch das Betreuungsgeld vom Arbeitsmarkt ferngehalten werden. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das denn für ein Weltbild?) – In Ihrem Antrag steht: Eltern werden durch das Betreuungsgeld vom Arbeitsmarkt ferngehalten. – Das habe nicht ich, sondern das haben Sie geschrieben. Wir schaffen Wahlmöglichkeiten für junge Familien. Das ist soziale Gerechtigkeit. Wenn in Bayern 50 Prozent der Kinder in die Kindertagesstätte bzw. die Krippe gehen, ist das gut. Die Eltern dieser Kinder haben diese Möglichkeit gewählt; das ist in Ordnung. Wir wollen das nicht verbieten. Aber es ist genauso in Ordnung, das Betreuungsgeld in Anspruch zu nehmen. Dafür stehen wir, und dafür werden wir weiterhin stehen. (Beifall bei der CDU/CSU) Erst kürzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, habe ich auf Ihrer Internetseite gelesen, dass Familien mehr Zeit füreinander haben sollen. Darin stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Familien brauchen nicht weniger, sondern mehr Zeit füreinander. Das Betreuungsgeld gibt ihnen ein Stück weit mehr Zeit füreinander, wenn sie es denn wollen. Wenn sie es nicht wollen, können sie die andere Möglichkeit wählen. Sie widersprechen sich in Ihrem Antrag. Auf der einen Seite wollen Sie mehr Zeit für die Familien. Auf der anderen Seite sollen die Kinder am besten ganz flott nach der Geburt von Dritten betreut werden. Wir unterstützen die jungen Familien. Das ist unser Verständnis von Fairness und Gerechtigkeit. Wie heißt es so schön: Wenn etwas gut ist, machen wir mehr davon. – Genau das tun wir. Der Ansatz für das Betreuungsgeld wurde von 515 Millionen auf 900 Millionen Euro angehoben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Damit gehen wir auf die Erhöhung der Familienleistung von 100 auf 150 Euro im Monat ein. Da wir schon von Betreuung sprechen, nutze ich in diesem Zusammenhang gerne die Überleitung zum Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Nach der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 durchlief die Behörde eine umfassende Umstrukturierung. Mit den ursprünglichen Aufgaben betreffend die Anerkennung von Kriegsdienstverweigerung und die Durchführung des Zivildienstes administriert das Bundesamt mittlerweile 28 wichtige Aufgaben für die Menschen in unserem Land, zum Beispiel das im März 2013 gestartete Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“. Dieses bietet hilfesuchenden Frauen erstmals die Möglichkeit, sich bundesweit zu jeder Zeit, 24 Stunden, und anonym Hilfe zu holen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Oder die vertrauliche Geburt. Hier werden aktiv Leben gerettet. Seit der Einführung zum 1. Mai dieses Jahres wurden 54 Geburten gemeldet. Weitere Aufgaben sind der Bundesfreiwilligendienst mit entsprechender pädagogischer Begleitung, die Mehrgenerationenhäuser, zu denen ich später noch mehr sagen werde, der Fonds für Opfer der Heimerziehung in West und Ost, die Geschäftsstelle der Conterganstiftung, die mit 155 Millionen Euro ausgestattet ist, und vieles mehr. – Mit dieser Vielfältigkeit hat sich die Behörde, die einst als Abbaubehörde betitelt wurde, zu einer etablierten Stütze des Bundesfamilienministeriums entwickelt. So ist es nur folgerichtig, dass wir mit der personellen Stabilisierung des Bundesamtes die Rahmenbedingungen dazu geschaffen haben, dass die gute Arbeit auch künftig fortgesetzt werden kann. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz herzlich bei meiner Kollegin Ulli Gottschalck bedanken, die mit dafür gesorgt hat, dass wir das geschafft haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) An dieser Stelle möchte ich auch noch die 17 Bildungszentren in Deutschland ansprechen. Aufgrund eines Gutachtens der Prognos AG vom Februar 2014 wurden die Kapazitäten dem Bedarf angepasst. Hieraus ergaben sich jährliche Einsparungen von 5,5 Millionen Euro ab dem Jahr 2017. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man Bildung nicht nur wirtschaftlich betrachten sollte; vielmehr sehe ich Bildung auch als Aufgabe des Staates. Daher finde ich es richtig, dass wir diese auch weiter in der Obhut des BAFzA und der staatlichen Bildungszentren gelassen haben. Ich finde es hervorragend, dass wir den Jugendmigrationsdienst mit 1 Million Euro mehr stärken können. Die Ministerin hat hier schon darüber gesprochen. Der Titel wurde auf 42,6 Millionen Euro angehoben – in der jetzigen Zeit eine notwendige Maßnahme. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich noch ein Thema ansprechen, das ich bereits mehrfach ansprach und das ein Herzensthema von mir ist. Ich freue mich zum einen besonders, dass wir die Finanzierung der Mehrgenerationenhäuser nach dem Wegfall der ESF-Mittel im Haushalt 2015 berücksichtigen konnten; zum anderen freue ich mich darüber, dass wir mit einem Maßgabebeschluss im Haushaltausschuss die dauerhafte Beteiligung des Bundes an dem überaus erfolgreichen Konzept der Mehrgenerationenhäuser sicherstellen konnten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die Mehrgenerationenhäuser – ich konnte mir in verschiedenen Häusern der Republik ein Bild vor Ort machen – leisten durch ihre Vielzahl und Vielfalt ein generationenübergreifendes Angebot für Jung und Alt. Dadurch werden die Potenziale aller Generationen im Querschnitt unserer Gesellschaft gefördert. Integration und Inklusion werden in den Mehrgenerationenhäusern gelebt und großgeschrieben. Von daher, liebe Frau Kollegin Deligöz, habe ich es nicht verstanden, dass Sie und die Fraktion der Grünen dem Maßgabebeschluss zum Erhalt der Mehrgenerationenhäuser im Haushaltsausschuss nicht zugestimmt, (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Enthalten!) sondern sich enthalten haben. Ich gehe einfach einmal davon aus, dass Sie noch nicht die Möglichkeit hatten, sich eines der 447 geförderten MGHs anzuschauen; denn dann hätten auch Sie mit Sicherheit wie ich gesehen, welche hervorragende Arbeit hier geleistet wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Natürlich ist die Summe der Wünsche immer größer als die Summe an Geld, die vorhanden ist. Dennoch wollen die Menschen keine neuen Schulden. Sie wollen eine Politik, wie ich schon eingangs sagte, die nachhaltig einen maßgeblichen Beitrag für die wirtschaftliche Situation in Deutschland leistet. Wir sind mit diesem Haushalt ein Vorbild für andere Länder in Europa und der Welt; denn dieser Haushalt ohne neue Schulden ist generationengerecht und für die Zukunft unserer Menschen gut. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulli Gottschalck, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ulrike Gottschalck (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lange, manchmal auch sehr lange Haushaltsverhandlungen liegen hinter uns. Ich muss aber sagen: Der Einsatz hat sich gelohnt. Jedenfalls mit unserem Etat können wir sehr zufrieden sein; denn im Gegensatz zu dem Bild, das die Kollegin von den Grünen gezeichnet hat, haben wir doch ordentliche Akzente zugunsten wichtiger Gesellschaftsaufgaben gesetzt. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Der Einzelplan sieht einen Aufwuchs um etwas mehr als eine halbe Milliarde Euro vor. Dies ist im Wesentlichen auf höhere Ausgaben beim Elterngeld zurückzuführen. Ja, das Elterngeld ist uns lieb, aber auch teuer. Trotzdem muss ich sagen: Es bringt etwas, und das ist genau das, was wir wollten. Die Trends, die sich abzeichnen, nämlich dass mehr Väter Elterngeld beziehen und Frauen besser verdienen, sind genau die von uns gewollten Effekte zum Wohle der Familien. Deshalb können wir sagen: Ja, es ist teuer, aber es ist auch sehr gut. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Das neue Elterngeld Plus, welches jungen Eltern ermöglicht, in Teilzeit zu gehen, und zwar beiden Elternteilen, wird dies nochmals beflügeln. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist wirklich eine moderne Familienpolitik einer modernen Ministerin. Dafür ein herzliches Dankeschön. Sie verstehen Ihr Handwerk. Danke schön, Frau Ministerin. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) An dieser Stelle will ich meinen Dank und vor allen Dingen einen herzlichen Glückwunsch aussprechen zum großen Erfolg der Frauenquote. Gerade die Querschüsse der vergangenen Tage haben noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig die Frauenquote ist, um diese Männerdominanz zu durchbrechen. (Beifall bei der SPD) Meine sehr geehrten Damen und Herren, zurück zum Haushalt. Ich komme auf die Bereinigungssitzung zu sprechen, in der uns einiges gelungen ist. Die Mehrgenerationenhäuser sind insbesondere ein Anliegen meines Kollegen Alois Rainer. Wir sind uns da sehr einig. Auch die Linke hat dem zugestimmt. Wir wollen, dass die Mehrgenerationenhäuser, die ihre Aufgabe wirklich auf hervorragende Art und Weise erfüllen, weiter existieren können. Deshalb ist es gut, dass wir mit großer Mehrheit diesen Beschluss gefasst haben, zumal die Häuser Planungssicherheit für das Jahr 2016 brauchen. Insofern wäre ein späterer Beschluss zu spät gewesen. Deswegen ist dieser Maßgabebeschluss gefasst worden. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN) Ein sehr großer Erfolg der Bereinigungssitzung sind zusätzliche 10 Millionen Euro für Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Mit 10 Millionen Euro mehr stehen nun insgesamt 40,5 Millionen Euro zur Verfügung. Ich finde, damit sind wir schon ganz ordentlich aufgestellt, um präventiv gegen rechtsextreme, salafistische, antisemitische oder andere menschenfeindliche Auswüchse vorgehen zu können. Kollege Leutert, natürlich wünsche auch ich mir immer mehr. Man muss aber immer den kompletten Haushalt im Blick haben und darauf achten, dass nichts aus dem Ruder läuft. Wir haben 10 Millionen Euro gefordert und gehofft, 5 Millionen Euro zu bekommen. Letztlich haben wir uns auf 10 Millionen Euro geeinigt. Ich denke, das ist ein ganz guter Erfolg. Das ist auch wichtig für die lokalen Bündnisse vor Ort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die Programme müssen schnell auf den Weg gebracht werden. Die Ministerin steht gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Hauses in den Startlöchern, um das neue Programm „Demokratie leben“ voranzutreiben. Ich bin mir sicher, dass das zügig umgesetzt wird und dass das Geld bei den Bündnissen ankommen wird. Mit 1 Million Euro mehr stärken wir die Jugendmigrationsdienste. Auch das ist eine wichtige und gute Entscheidung, mit der wir es geschafft haben, bei den Jugendmigrationsdiensten draufzusatteln. Diese leisten eine extrem wichtige Arbeit. Es gibt über 400 Jugendmigrationsdienste, die junge Migrantinnen und Migranten im Alter von 12 bis 27 Jahren freundlich empfangen und diese bei ihrem Integrationsprozess aktiv unterstützen. Deshalb ist diese Arbeit wichtig. Ich habe mir die Jugendmigrationsdienste in Kassel angeschaut, die eine wirklich hervorragende Arbeit leisten. Gerade in diesen Zeiten ist es besonders wichtig, dass auch die Kommunen dabei sehr unterstützt werden, weil sie den jungen Menschen Wege aufzeigen und aufpassen, dass keiner von den jungen Menschen, die hier ankommen, auf der Strecke verloren geht. Ich denke, das ist gut investiertes Geld. Davon profitiert auch unsere gesamte Gesellschaft. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben – das hat Alois Rainer vorhin bereits angesprochen – konnten wir die Streichung von 112 kw-Vermerken – für Nichthaushälter möchte ich darauf hinweisen, dass das für „künftig wegfallend“ steht – erreichen. Damit haben wir eine zukunftssichere Personalpolitik im BAFzA gesichert. Das BAFzA, die ehemalige Zivildienstbehörde, war einmal als Teilabbaubehörde geplant. Deshalb sind bei ihr so viele kw-Vermerke ausgebracht. In der Zwischenzeit wurde jedoch eine Aufgabe nach der anderen an das BAFzA übertragen. Inzwischen hat das BAFzA 28 Aufgaben zu erfüllen. Das BAFzA ist verantwortlich für das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, das Verfahren für die vertrauliche Geburt und den Fonds für die Opfer der Heimerziehung in Ost und West. Das BAFzA erfüllt also sehr viele Aufgaben. Bisher waren 25 Prozent der dortigen Arbeitsplätze befristet. Ich denke, es ist richtig, dass wir dafür gesorgt haben, dass wieder Ordnung auf dem Arbeitsmarkt herrscht, konkret auf unserem eigenen Arbeitsmarkt. Deshalb bin ich sehr froh, dass uns das gemeinsam gelungen ist. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) An dieser Stelle will ich mich ausdrücklich auch beim Unionshaushälter Alois Rainer bedanken; (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sehr guter Mann!) denn ohne die gute Zusammenarbeit hätten wir die ganzen Leistungsverbesserungen nicht auf den Weg gebracht. Auch die Arbeit mit Ekin Deligöz und dem Kollegen Leutert ist sehr gut verlaufen, wenn auch nicht immer so übereinstimmend wie vielleicht mit den Unionshaushältern. Ich habe bereits gestern in der Generaldebatte ausgeführt, wie schwierig es für Familien ist, den ganz normalen Alltagswahnsinn unter einen Hut zu bekommen. Jede Familie ist anders. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Familien die Unterstützung bekommen, die zu ihren eigenen Vorstellungen passt. Wichtige Initiativen haben wir schon auf den Weg gebracht. Aber zum Beispiel der Vorschlag von Manuela Schwesig im Hinblick auf Familienarbeitszeit sollte weiter vertieft beraten werden. Wir müssen dafür sorgen, dass der Kitaausbau nicht stoppt. Investitionen in Verkehrswege sind sehr wichtig; aber Investitionen für unsere Kinder sind genauso wichtig. Deswegen kündige ich als Haushälterin schon einmal an, dass ich schon Wert darauf lege, dass in dem 10-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm, das wir beschlossen haben, auch Gelder für den Kitaausbau, für die frühkindliche Bildung enthalten sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Abschluss will ich sagen: Ich bedanke mich für die diesjährigen Haushaltsverhandlungen. Ich denke, wir können sehr zufrieden sein. Ich bedanke mich für das nette Miteinander bei meinen Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern, bei Manuela Schwesig und ihrem ganzen Haus. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke erhält jetzt das Wort Norbert Müller. Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Schwesig! Liebe Gäste auf den Besuchertribünen, die zu dieser etwas familienunfreundlichen Zeit heute Nachmittag in den Deutschen Bundestag gekommen sind! (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) – Schauen Sie einmal, wie viele Kitas in Deutschland bereits zwischen 16 und 17 Uhr schließen. Betroffen davon sind die, die kleine Kinder haben. In der ersten Beratung zum Bundeshaushalt 2015 sprach an dieser Stelle noch meine Kollegin Diana Golze. Frau Golze ist, wie Sie wissen, inzwischen als Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie in die rot-rote Regierung Dietmar Woidkes eingetreten und wird dort mit der ihr eigenen Leidenschaft weiter gegen Armut und soziale Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen kämpfen. (Beifall bei der LINKEN) Ich finde es bedauerlich, dass Sie, Frau Ministerin Schwesig, und die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion – bei der CDU/CSU sind jugend- und familienpolitisch ohnehin kaum Fortschrittliches und auch keine moderne Gesellschaftspolitik zu erwarten – die Kritik an den falschen Weichenstellungen des Bundeshaushaltes vollständig ignorieren, dass Sie zum Stichwort „Betreuungsgeld“, zu der Kritik daran, die Sie selbst einmal vorgetragen haben – ich erinnere an das SPD-Wahlprogramm –, und zu moderner Gesellschaftspolitik, die Sie im SPD-Bundestagswahlprogramm sehr präzise skizziert haben, hier gar nichts mehr sagen; vielmehr suchen Sie sich neue Themen aus. (Beifall bei der LINKEN) Frau Ministerin Schwesig, wenn ich Ihren Haushalt und das besagte SPD-Wahlprogramm nebeneinanderlege, stellt sich mir folgende Frage: Wie ertragen Sie es eigentlich, hier eine Politik vertreten zu müssen, Stichwort „Betreuungsgeld“, die Ihren Überzeugungen doch eigentlich weitgehend widersprechen müsste, und sich sozusagen als Sahnehäubchen von Ihrem Koalitionspartner in der Öffentlichkeit demütigen zu lassen, wie wir es diese Woche erleben konnten? Unabhängig vom Haushalt finde ich es ein Stück weit enttäuschend, wie profillos sich die SPD hier trotz hoffnungsvoller Programmatik gibt. Ich habe als Landtagsabgeordneter in einer rot-roten Koalition in Brandenburg eine andere SPD-Familien-, -Jugend- und -Frauenpolitik kennengelernt. Und ja: Eine Koalition ist immer von Kompromissen geprägt. Aber ein Kompromiss, bei dem man am Ende das Gegenteil dessen macht, was man einst versprochen hat, ist eben kein Kompromiss. (Beifall bei der LINKEN) Ihre 1 Milliarde Euro – oder besser: 900 Millionen Euro –, die Sie als Belohnungsprämie für den Verzicht auf die Inanspruchnahme eines Rechtsanspruches hier wieder in den Haushalt eingestellt haben, steht für den größten familienpolitischen Sündenfall der Sozialdemokratie in dieser Legislaturperiode. Es ist nicht einmal erkennbar, dass Sie an diesem sozial-, bildungs- und familienpolitischen Unfug namens Betreuungsgeld noch ernsthaft Kritik vorbringen, sondern Sie machen fast das Gegenteil. Gerade weil Sie aber offenbar nicht bereit sind, die babylonische Gefangenschaft der Koalition mit der CDU/CSU hier zu verlassen, werden Sie sich auch weitere Kritik gefallen lassen müssen, und zwar zu Punkten, zu denen Sie in Ihrer Rede nichts gesagt haben, die jedoch angeblich Schwerpunkte in dieser Wahlperiode sein sollen. In Ihrer Rede auf dem 15. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag haben Sie erklärt – ich zitiere Sie, Frau Schwesig –: Einen großen Teil meiner Aufmerksamkeit in dieser Legislaturperiode will ich deshalb den Jugendlichen widmen. Und weiter sagten Sie: Ich will deshalb bei der Eigenständigen Jugendpolitik in dieser Legislaturperiode vom Reden zum Handeln kommen. Da kann man jetzt auch Beifall klatschen. Doch leider muss der Applaus verebben, wenn man Ihre Worte, denen Sie Handlungen folgen lassen wollten, mit dem vorliegenden Haushalt abgleicht. Diesen Rea-litätscheck bestehen Sie mit dem vorliegenden Einzelplan 17 nicht. Man kann durchaus erfreut feststellen, dass Sie im Kinder- und Jugendplan den Posten zur Jugendpolitik um 400 000 Euro auf nunmehr 2,5 Millionen Euro aufgestockt haben. Aber was steckt hinter den 2,5 Millionen Euro? Hieraus wurde das Zentrum für die Entwicklung einer Eigenständigen Jugendpolitik finanziert; das haben Sie gerade wieder abgewickelt. Dabei fallen mir noch einige Dinge auf: Erstens. Sie werden eine Koordinierungsstelle mit dem hochtrabenden Namen „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“ einrichten. Das haben Sie angekündigt. Was soll diese Koordinierungsstelle eigentlich tun? Sie soll die Handlungsstrategien der Eigenständigen Jugendpolitik in 16 Modellprojekten – für jedes Bundesland eines – ausprobieren, soll Bausteine einer eigenen Jugendpolitik umsetzen. Damit verlagern Sie die Verantwortung für die Eigenständige Jugendpolitik vom Bund auf die Kommunen und auf die Länder. Das ist kein Eigenständiges Handeln, sondern das ist höchstens das Kommentieren des Handelns anderer. Zweitens. Die Eigenständige Jugendpolitik soll im Rahmen der Demografiestrategie der Bundesregierung weiterentwickelt werden. Damit sie dort nicht komplett untergeht, was zu erwarten wäre, wurde eine AG „Jugend gestaltet Zukunft“ gegründet. Bis zum Frühjahr 2017 – da findet der vierte Demografiegipfel statt – wird sich die AG mit dem Schwerpunkt „Gelingendes Aufwachsen von Jugendlichen in ländlichen Räumen“ beschäftigen. So weit, so gut. So wird die AG mit dem hochtrabenden Namen „Jugend gestaltet Zukunft“ in den nächsten zweieinhalb Jahren vier Kommunen besuchen und sich vor Ort gelungene Beispiele in der Praxis anschauen. Frau Ministerin Schwesig, ich bitte Sie! Beides hört sich an wie die modifizierte Fortführung der Kampagne für eine kindgerechte Kommune. Sie wollten in dieser Wahlperiode bei der Eigenständigen Jugendpolitik vom Reden zum Handeln kommen. Aber wo ist hier Ihre eigenständige Handlung? Ist es nicht vielmehr so, dass Sie darauf warten, dass andere für Sie handeln? Ich komme zu meinem letzten Beispiel. Sie haben uns auf eine Kleine Anfrage bezüglich der Situation von Straßenkindern geantwortet, dass Sie vier Projekte für Straßenkinder mit jeweils 100 000 Euro fördern werden. Ich begrüße, dass Sie die Realität zur Kenntnis nehmen, dass es in diesem Land Tausende Kinder und Jugendliche gibt, die auf der Straße leben. Das sind Kinder und Jugendliche, die auf der Straße gelandet sind, auch deshalb, weil die Gesellschaft versagt hat. Ich muss nun feststellen, woher die 400 000 Euro kommen, die Sie einstellen wollen: von der Eigenständigen Jugendpolitik. So spielen Sie die Eigenständige Jugendpolitik gegen Straßenkinder aus. Ich erkläre Ihnen das auch: Wenn Kinder und Jugendliche zu Straßenkindern werden, dann hat dies eine Vorgeschichte; das wissen Sie. Die Vorgeschichte ist das Scheitern der Gesellschaft an ihren sozialen Problemen. Nicht nur die Familien, auch die örtlichen Strukturen – Schule, Vereinslandschaft, Kinder- und Jugendhilfe – haben an diesem Punkt bereits versagt. Kein Jugendlicher lebt gern auf der Straße. Es ist die Flucht vor einer Gesellschaft, in der es die Jugendlichen nicht mehr aushalten, wenn sie sich mit ihrem Lebensmittelpunkt auf die Straße zurückziehen. So richtig es ist, diesen Jugendlichen Öffentlichkeit zu geben, Frau Schwesig, so falsch ist es, an der Eigenständigen Jugendpolitik zu sparen; denn eine gute Jugendpolitik geht an die Wurzel des Problems und setzt an der sozialen Infrastruktur an – das hatten Sie auch im SPD-Wahlprogramm –, die vorbeugend wirken soll, sodass es gar nicht erst zu dieser Anzahl von Straßenkindern kommt. Die Eigenständige Jugendpolitik kostet Geld, sie kostet viel Geld, Frau Schwesig, und ich kann nicht erkennen, dass Sie in diesem Haushalt hier einen Schwerpunkt gesetzt haben. Von daher können Sie unsere Zustimmung nicht erwarten. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Marcus Weinberg, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will drei Vorbemerkungen machen: Erstens. Liebe Frau Brantner, ob die Null nun rot oder weiß oder schwarz oder grün ist, ist relativ wurscht. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) Für Familienpolitiker ist es hervorragend, dass wir diese Null erreicht haben; denn wir sind für die kommenden Generationen verantwortlich. Damit schützen wir die kommenden Generationen vor Verschuldung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD]) Ich bin mittlerweile – auch erkennbar – 47 Jahre. Wenn man rückblickend feststellt, dass man 45 der 47 Jahre in Neuverschuldung erlebt hat, dann kann man heilfroh sein, dass wir endlich dieses Ergebnis erzielt haben. Ich hatte schon die Sorge, dass eines Tages die Zahl der Jahre mit Neuverschuldung mein Gewicht erreicht. Das, Gott sei Dank, ist verhindert worden. Das ist ein Erfolg auch für die Familien in diesem Land. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zweitens. Man kann viel kritisieren, wie die Linke es gern tut; man muss dann aber auch sagen, woher das Geld kommen soll. (Michael Leutert [DIE LINKE]: Ich habe einen Vorschlag gemacht!) Zusammengerechnet würden Ihre Forderungen weit mehr als 50 Milliarden Euro verschlingen. Ein Grundsatz von uns Familienpolitikern ist: Wir tun gern etwas aus Überzeugung; wir haben auch eine richtige Zielfunktion.Wir müssen aber auch wissen: Das Geld, das wir für gute Maßnahmen ausgeben, müssen andere erwirtschaften. Deswegen ist es ein Gebot der wirtschaftlichen Vernunft, daran zu denken, Maßnahmen nicht über Neuverschuldung zu finanzieren, weil unsere Kinder dann dafür zahlen müssten. Beim dritten Punkt geht es auch um die moderne Familienpolitik. Ich stimme natürlich zu: Wir haben eine moderne Familienpolitik. Aber es sei auch erwähnt, dass die Themen, die die moderne Familienpolitik auszeichnen – Elterngeld, Kitaausbau, Familienpflege, Qualität in der frühkindlichen Bildung, Frauenquote – bereits seit vielen Jahren angelegt waren. Insoweit setzen wir das fort, was wir in den Regierungsjahren vorher schon eingebracht haben. Das ist ein gemeinsamer Erfolg der Großen Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD]) Richtig ist – Frau Gottschalck und Herr Rainer haben es angesprochen –, dass der Etat noch einmal erhöht wurde: auf 8,54 Milliarden Euro. Das ist ein Erfolg. Es gibt im Bundeshaushalt zwei Bereiche, die seit 2005 deutliche Zuwächse zu verzeichnen haben. Das eine ist der Bereich Bildung, Forschung und Wissenschaft, das andere ist der Bereich Familie. Das heißt also, dass wir seit 2005 in Deutschland einen Paradigmenwechsel erleben, dass wir in die Zukunft investieren. Da sind die Gelder gut angelegt; mit diesen Mitteln können wir Familien stärken. Wir wollen Kindern und Jugendlichen, Frauen und Männern gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen; wir wollen ihnen insgesamt Selbstständigkeit und die Entfaltung ihrer Fähigkeiten ermöglichen. Unsere Familienpolitik ist in der Summe davon geprägt, dass wir den Veränderungen, den verschiedenen Lebensphasen gerecht werden und die Maßnahmen und Leistungen den einzelnen Phasen entsprechend ausprägen. Ich will das mit den veränderten Rollenbildern und den Familienleitbildern, die sich in Deutschland entwickeln, in Verbindung setzen. Was müssen wir familienpolitisch machen? Ja, es gibt die traditionelle Familie, in der einer der beiden Partner zu Hause bleibt und sich um die Erziehung und Betreuung der Kinder kümmert. Deswegen haben wir für diese Menschen etwas zu leisten. Es gibt auch die Alleinerziehenden – wir haben für sie die Regelungen zum Elterngeld korrigiert –, die sich alleine um das Kind kümmern müssen. Es ist gut und richtig, dass nun auch die Alleinerziehenden die Partnerschaftsmonate nutzen können. Immer mehr Menschen, immer mehr junge Eltern sagen: Beide sollen für das Einkommen der Familie verantwortlich sein; es sind mittlerweile 81 Prozent. Auch für diese müssen wir entsprechende Maßnahmen entwickeln. Unsere Familienpolitik wird den verschiedenen Rollenbildern gerecht. Das sehen Sie auch daran, dass die Große Koalition den drei großen Wünschen der Menschen – die Erwartungen haben sich verändert – Rechnung trägt. Das eine ist der Wunsch, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern. So hat Allensbach 2013 festgestellt, dass 81 Prozent diesen Wunsch haben. Dem werden wir gerecht. 60 Prozent der Eltern von Kindern unter 18 Jahren wünschen, junge Familien stärker zu fördern. Das machen wir. 55 Prozent wünschen, dass das Angebot an Krippenplätzen ausbaut wird. Das machen wir. All das findet sich im Dreieck aus finanzieller Sicherheit der Familie, Infrastruktur und Zeitmanagement. Es entspricht den Grundsätzen der Union für das familienpolitische Handeln: Wir wollen die Vielfalt anerkennen, Maßnahmen zielgenau und bedarfsgerecht zuschneiden und so die Familien unterstützen. Deswegen müssen die fami-lienpolitischen Leistungen immer überprüft werden. Es ist immer eine Aufgabe der Politik, das, was man leistet, zu überprüfen, aber immer auch Vertrauen in die Familien zu haben. Familien sollen eigenverantwortlich die für sie passenden Leistungen wählen. Frau Brantner, deswegen verstehe ich nicht, warum Sie bewerten müssen, ob 20, 40, 60 oder 80 Prozent der Eltern das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen. Nehmen Sie es doch einfach zur Kenntnis. Es ist doch gut, wenn Menschen die Wahl haben, zwischen den Möglichkeiten wählen können. (Beifall bei der CDU/CSU) Das sollten wir doch nicht einschränken. Sie können eine Maßnahme doch nicht anhand der Frage bewerten, ob sie nur 20 Prozent oder sogar 80 Prozent in Anspruch nehmen. Das ist doch der falsche Zugang zu dieser Frage. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Meinen Sie, man kann von 150 Euro im Monat leben?) Der Zugang muss doch sein: Es gibt das Angebot, und wir freuen uns über jede Familie, die das Angebot wahrnimmt. Das gilt sowohl für den Krippenausbau als auch für das Betreuungsgeld. Wir wollen es den Familien nicht vorschreiben. Wir wollen die Familien in ihrer eigenen Entscheidung stärken, Frau Brantner; wir beide haben sie nicht zu kommentieren. Das bedeutet für uns, dass die Familienpolitik nicht einseitig und verengt ökonomischen Interessen dienen muss. Wir sagen: Wir wollen nicht die arbeitsgerechte Familie, sondern eine familiengerechte Arbeitswelt. Daran kann man auch den Erfolg der Familienpolitik bewerten. Da sieht man, dass die großen Maßnahmen, die wir implementiert haben, zu entsprechenden Erfolgen geführt haben. Ich will die großen Maßnahmen, die Leuchttürme, ansprechen, weil sie in Übereinstimmung zu den Wünschen der Eltern stehen. Das erste Thema ist der gesamte Bereich Elterngeld, Elterngeld Plus. Noch einmal: Was gut und richtig war und angenommen wurde, ist, das Elterngeld zu flexibilisieren. Frau Brantner, dahinter steht natürlich ein Gedankengang. Sie haben in Ihrer Rede die Regelung kritisiert, dass beide, Vater und Mutter, jeweils 25 bis 30 Stunden arbeiten müssen und gefordert, diese etwas nach oben und nach unten zu öffnen. Aber das ist doch der entscheidende Punkt: Wir wollen doch – in Anführungszeichen – „wegkommen“ von der Aufteilung, dass die Mutter 20 Stunden und der Vater 40 Stunden arbeitet. Wir wollen eine gleichmäßigere Verteilung. Wir wollen so auch den Männern gerecht werden, die zu über 60 Prozent sagen, sie möchten mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie sollen das die Alleinerziehenden schaffen?) Wir möchten auch den Müttern gerecht werden, die gerne etwas mehr arbeiten möchten. Diesen Ansatz, die Stärkung der Partnerschaftlichkeit, verfolgen wir mit dem Partnerschaftsbonus und den Partnermonaten. Das würden wir doch kaputtmachen, wenn wir Ihrem Vorschlag folgen würden. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage war, was die Alleinerziehenden davon haben!) Ein zweites Thema ist der Ausbau der U3-Krippenplätze. Hierfür sind 5,4 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist eine große Summe. Deswegen finde ich das immer wieder erwähnenswert. Nun sagt Frau Brantner, wir würden die Länder und Kommunen alleine lassen. Wissen Sie: Wir geben zusätzlich zu den Investitionsmitteln 845 Millionen Euro und demnächst 945 Millionen Euro für die Betriebskosten dazu. (Ursula Groden-Kranich [CDU/CSU]: Was die Länder streichen!) Wenn ich dann dazurechne, was wir für den Bereich Bildung und Forschung ausgeben, wenn ich dazurechne, was wir in den nächsten Jahren den Kommunen an Entlastung schenken werden, dann kann ich nur sagen: Frau Brantner, Sie kommen doch aus Baden-Württemberg. Gehen Sie zu Ihrer zuständigen Ministerin, und sagen Sie ihr, sie soll Erzieherinnen einstellen. Das liegt in ihrer Verantwortung und nicht in unserer Verantwortung. (Beifall bei der CDU/CSU) Frau Gottschalck, wir können gerne darüber diskutieren, wie wir die 10 Milliarden Euro aus dem Investi-tionsprogramm sinnvoll für unser Land ausgeben. Aber ich befürchte, wenn wir einmal damit anfangen, dann kommen noch die Hortplätze oder diese oder jene Betreuung dazu, und irgendwann diskutieren wir in diesem Plenum womöglich noch darüber, ob wir nicht 20 Prozent der Lehrergehälter dazugeben. Wir haben im föderativen System eine klare Ordnung, und wir verstoßen immer stärker gegen diese Ordnung. Deswegen bin ich heilfroh, dass wir in der Bund-Länder-Kommission darüber reden, dass die Finanzströme endlich geordnet werden, damit jeder weiß, was er zu tun hat; denn wir können nicht die originären Aufgaben der Länder und Kommunen wahrnehmen. Das schaffen selbst wir nicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Zur der Frage, wie man die Qualität verbessern kann. Ich finde es richtig, dass die Länderminister mit der Bundesministerin gemeinsame Gespräche führen und überlegen: Was ist die Agenda? Ich erwarte von den Ländern, dass sie bereit sind, ihren Betreuungsschlüssel – Hamburg hat derzeit einen Betreuungsschlüssel von 1 zu 5,6 und Bremen einen von 1 zu 3,1 – zu verändern, Erzieherinnen einzustellen und Qualitätsstandards festzulegen. Das ist doch im Interesse der Länder, der Kommunen und des Bundes. Das Kitaqualitätsgesetz, wie man es fordert, hätte doch nur eines als Konsequenz, dass gesagt wird: Ihr seid für die Standards verantwortlich, ihr müsst sie auch bezahlen. Ich sage es noch einmal: Das ist nicht unsere originäre Aufgabe. Ich verweigere mich der Diskussion nicht, aber ich bin verärgert darüber, wenn die Mittel, die wir für die Länder bereitstellen, für etwas anderes ausgegeben werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich habe bereits ein Beispiel genannt. Wenn einem Qualität so wichtig ist, dann muss man als zuständiger Ministerpräsident, in diesem Fall Bürgermeister, die Qualität auch ausbauen. Wenn man das Geld, das man vom Bund bekommt, aber verwendet, um die Beiträge zu streichen, dann setzt man die Priorität anders. Dann ist es doch eher wichtiger, dass diejenigen mit hohen Einkommen, die auch die entsprechenden Beiträge zahlen, entlastet werden. Dann setzt man halt nicht auf die Qualität und das Einstellen neuer Erzieherinnen und Erzieher. Aber das ist eine politische Frage, die in den Ländern entschieden werden muss. Es wurden viele einzelne Maßnahmen angesprochen, zum Beispiel die Frühen Hilfen, die mit 51 Millionen Euro unterstützt wurden – das wurde jetzt verstetigt –, oder die Mehrgenerationenhäuser, mit denen der soziale Zusammenhalt in der Gesellschaft – das ist für uns alle parteiübergreifend ein wichtiger Punkt – gestärkt wird. Wir werden dafür kämpfen, dass wir diese auch über 2016 hinaus sichern bzw. konzeptionell neu aufstellen; das steht ja auch im Koalitionsvertrag. Weitere Maßnahmen, die wir unterstützen, sind die Jugendfreiwilligendienste, Entschädigung für die Opfer der Heimerziehung Ost und Ähnliches. Familienpolitik muss konkret sein. Familienpolitik muss für die Familie, für Mann und Frau, für die Kinder und Jugendlichen da sein. Lassen Sie mich zum Abschluss noch einen Diskus-sionspunkt aufgreifen. Ich finde es richtig, dass man darüber diskutiert, wie man die Rechte der Kinder stärken kann. Ich gehöre zu denen, die immer sagen: Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen muss gestärkt werden. Aber mit Blick auf die Diskussion über die Frage, ob Kinderrechte im Grundgesetz festgeschrieben werden sollen, sage ich ganz deutlich: Wir könnten möglicherweise einen gefährlichen Weg einschlagen. Zum einen sind Kinder bereits Träger von Grundrechten. Wenn ich weiter differenziere, dann mache ich einen Riesenfehler, weil ich das sozusagen indirekt infrage stelle. Ich möchte, dass wir Familien, Eltern und Kinder gemeinsam stärken. Was ich aber nicht möchte, ist, dass wir eine Diskussion führen und Wolken hin- und herschieben; als ob dadurch die Probleme in der Jugendhilfe gelöst werden könnten. Wissen Sie eigentlich, dass 10 von 16 Bundesländern die Kinderrechte bereits in der Verfassung haben? Bremen, Brandenburg, Bayern und einige andere mehr. Gibt es empirisch nachgewiesen irgendwelche Unterschiede beim Kinderschutz, beim Kindeswohl, bei ASD oder bei Jugendhilfestrukturen? Nein. Deshalb warne ich davor, dass wir diese Diskussion falsch führen, weil wir dann nur Wolken hin- und herschieben und den Menschen etwas vormachen, was wir nicht erfüllen. Lassen Sie uns bitte in den nächsten Monaten und Jahren konkret darüber nachdenken, wie wir das Kindeswohl und die Familien sowie Eltern und Kinder gemeinsam stärken können, und nicht zwischen beiden Seiten differenzieren; denn ich denke, dass Eltern und Kinder immer noch im Fokus unserer Politik stehen müssen wie in den vergangenen Jahren. (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist die Familie eigentlich so heil?) Insofern ist es ein guter Haushalt, und ich freue mich schon auf den Haushalt 2016, wenn wir die nächsten Weichen stellen können. Herzlichen Dank. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Herzlichen Dank. – Nächste Rednerin ist Kordula Schulz-Asche, Bündnis 90/Die Grünen. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, dass ich kurz auf zwei Punkte aus der bisherigen Debatte eingehe. Ich hätte mich gefreut, wenn bei der Lesung des Einzelplans 17, in dem es ja um Familien und Frauen geht, auch einige der Wortführer gegen die Frauenquote hier anwesend gewesen wären und zugehört hätten – etwa der Vertreter der Pfauenquote bei der CDU, Herr Kauder –; dann hätte das unter Umständen auch dazu beigetragen, den Umgangston zwischen Männern und Frauen in dieser Koalition zu verbessern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber dabei sind bei Ihnen ja einige durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen. Das hätte hier vielleicht etwas besser herausgestellt werden können. Als zweiter Punkt wurde angesprochen, dass wir uns bei den Mehrgenerationenhäusern enthalten, und ich sage Ihnen: Mehrgenerationenhäuser sind auch für uns ein ganz wesentlicher Punkt der Begegnung der Generationen vor Ort. Wir wollen dauerhaft gerade auch mehrere Generationen, die Kontakte sowie die verschiedenen Bedarfe und Bedürfnisse dieser Menschen zusammenbringen, und wir glauben, dass Mehrgenerationenhäuser in den Kommunen tatsächlich die richtigen Orte dafür sind. Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie in diesen Bereich investieren, dann müssen Sie auch so ehrlich sein und diesem Haus sagen, wofür Sie diese Mittel einsetzen wollen. Ihren Vorschlägen fehlt jedes Konzept. Deswegen haben wir uns bei diesem Antrag enthalten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist die Wahrheit. (Zuruf von der CDU/CSU: Die Häuser sind da!) – Ja, da können Sie jetzt schreien, aber davon bekommen Sie auch kein Konzept. (Zuruf von der CDU/CSU: Die arbeiten schon nach Konzept!) Ein weiterer Punkt, auf den ich eingehen möchte und bei dem wir sogar gegen das, was Sie vorgeschlagen haben, gestimmt haben und witzigerweise auch noch die Einzigen waren, weil es da eine ganz große Koalition in diesem Hause gab, sind die circa 30 Millionen Euro, die Sie in jedem Jahr für die Bildungszentren des Bundesamtes, für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben vorsehen. Wir haben ausdrücklich dagegen gestimmt. Meine Damen und Herren, die Freiwilligendienste sind hervorragende Lern- und Bildungsangebote. Sie zeichnen sich durch Vielfalt sowohl der Angebote – vom sozialen Jahr über das ökologische Jahr – aus, und die vielen Freiwilligen leisten eine gute, notwendige Arbeit für unsere Gemeinschaft. Sie unterstützen Ältere, sie engagieren sich im Naturschutz, in der Entwicklungszusammenarbeit und vielen anderen zusätzlichen Feldern. Auch unsere bewährten Träger leisten eine gute Arbeit. Sie zeichnen sich durch Vielfalt und Pluralität in ihrer tagtäglichen Arbeit an vielfältigen Einsatzstellen der Bildungsarbeit aus. Ich denke, das ist ein riesiges Dankeschön wert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Bei den jungen Freiwilligendiensten ist es selbstverständlich, dass der Freiwilligeneinsatz sowie die pädagogische und politische Bildung in einer Hand sind. Beim Bundesfreiwilligendienst gibt es – aber das ist historisch in der Entstehung begründet – eine Ausnahme. Hier sind derzeit politische und pädagogische Bildung leider noch getrennt. Eine Übergangsphase wäre für uns völlig okay, aber, meine Damen und Herren, Sie entwerfen kein Konzept, wie diese staatliche Bildungsarbeit in Zukunft zusammen mit der Zivilgesellschaft gestaltet werden kann, sondern Sie wollen ein Weiter-so, und dazu haben wir gesagt: Das ist uns zu kurz gedacht. Wir brauchen ein neues, modernes Konzept, deswegen stimmen wir mit Nein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zudem hat der Bundesrechnungshof gezeigt, dass dies durchaus auch wirtschaftlich infrage gestellt werden kann. Ich finde, dass das eine grundsätzliche Frage aufwirft, nämlich welche Rolle das Subsidiaritätsprinzip spielt, das da heißt: Wenn die Zivilgesellschaft etwas besser machen kann als der Staat, dann soll es auch die Zivilgesellschaft machen. Dass in diesem Bereich dagegen verstoßen wird, wundert mich übrigens auch, insbesondere im Hinblick auf die CDU/CSU-Fraktion, die gerade das Prinzip „Zivilgesellschaft vor Staat“ immer sehr in den Vordergrund stellt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, versuchen Sie deswegen bitte, zusammen mit der Zivilgesellschaft und den freien Trägern ein gemeinsames Konzept für eine vernünftige Arbeit der Freiwilligendienste in Deutschland zu entwickeln, aber hören Sie auf, mit den staatlichen Angeboten die Arbeit der freien Träger zu zerstören. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, liebe Kollegin Schulz-Asche. – Schönen Spätnachmittag von mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste auf der Tribüne und liebe Damen und Herren auf der Regierungsbank! – Nächster Redner in der Debatte ist Sönke Rix für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sönke Rix (SPD): Herzlich willkommen, Frau Präsidentin! Wir haben schon engagiert debattiert. Sie haben eine gute Debatte erwischt, bei der Sie uns jetzt wahrscheinlich auch noch sicher durch die letzten Minuten führen werden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Dann kommt es jetzt auch auf Sie an. Sönke Rix (SPD): Ich werde mir Mühe geben. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin, ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie die Freiwilligendienste angesprochen haben. Dafür stellen wir einen Riesenbatzen in unserem Haushalt zur Verfügung. Diese Mittel investieren wir gerne und auch gut. Wir sind gerne bereit, für das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr und den Bundesfreiwilligendienst Geld auszugeben; denn wir sind dankbar für die jungen Menschen, die sich für unsere Gesellschaft engagieren. Herzlichen Dank an die jungen Menschen! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich finde es auch gut, es so zu machen, wie wir es im Koalitionsvertrag miteinander vereinbart haben. Meines Erachtens sollten wir keine großen Strukturdebatten darüber führen, ob wir einen Bundesfreiwilligendienst brauchen oder nicht und ob die Jugendfreiwilligendienste besser sind oder nicht; (Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) denn meist bietet ein Träger sowohl die Jugendfreiwilligendienste als auch den Bundesfreiwilligendienst an, und die Menschen, die das – – Vizepräsidentin Claudia Roth: Ich wollte Sie eigentlich ausreden lassen, um Sie dann zu fragen, lieber Kollege Rix: Erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung der Kollegin Schulz-Asche? (Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär: Er wartete schon sehnsüchtig auf die Verlängerung der Redezeit!) Sönke Rix (SPD): Ich habe schon sehnsüchtig darauf gewartet, von meiner Rede in die Antwort überzuleiten. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ja oder nein? Sönke Rix (SPD): Ja. Vizepräsidentin Claudia Roth: Gut. – Bitte, Frau Schulz-Asche. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege, wie bewerten Sie, dass die Staatsministerin an die freien Träger geschrieben hat, es sei grundsätzlich infrage zu stellen, ob die freien Träger überhaupt in der Lage seien, neutrale Bildungsangebote im politischen Bereich anzubieten? Das ist doch wirklich ein Schlag ins Gesicht der vielen freien Träger, die in Freiwilligendiensten seit Jahrzehnten sehr bewährte Arbeit auch im Bereich der politischen Bildung leisten. Sönke Rix (SPD): Frau Kollegin, so, wie ich dieses Schreiben verstanden habe, macht sie nur deutlich, dass politische Bildung genauso wie durch die freien Träger auch durch den Staat erfolgen kann. Deshalb ist es auch gut und sinnvoll, dass wir die staatlichen Schulen weiterhin fördern. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich wollte aber Folgendes sagen: Es ist gut, dass wir im Moment keine Strukturdebatten führen, ob das eine besser ist als das andere; denn große Träger wie die Arbeiterwohlfahrt, die Deutsche Sportjugend und andere Organisationen behandeln die Freiwilligen vor Ort in den Einsatzstellen gleich. Ich halte es für sehr wichtig, dass die jungen Menschen, die sich engagieren, auch gleiche Rahmenbedingungen vorfinden. Daran können wir an der einen oder anderen Stelle noch arbeiten. Ich bin auch für eine Stärkung des Trägerprinzips. Außerdem bin ich dafür, noch stärker dafür zu sorgen, dass die jungen Menschen, wenn sie denn vor Ort sind, eine bessere Anerkennungskultur vorfinden. Das können wir aber nicht gesetzlich regeln. Da müssen wir vielmehr moderierend einwirken. Wir sollten mit der Deutschen Bahn und mit der GIZ noch einmal über Verbesserungen im Bereich der Anerkennungskultur für die jungen Menschen sprechen. Insoweit sind wir, was die Freiwilligendienste angeht, auf einem sehr guten Weg. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Auch was die Mehrgenerationenhäuser angeht, sind wir auf einem sehr guten Weg. Für die Weiterführung gibt es nämlich genügend Konzepte, Frau Kollegin. Sie wollen jetzt noch abwarten und das Geld nicht bereitstellen, weil nach Ihrer Ansicht keine geeigneten Konzepte vorliegen. Das sehe ich anders. Wenn Sie tatsächlich Mehrgenerationenhäuser besucht hätten, wüssten Sie, dass sie das Geld dringend brauchen. Es gibt gute Konzepte, die unbedingt weitergeführt werden müssen. Dort findet eine Teilhabe von Seniorinnen und Senioren sowie der jungen Generation statt. Daher bin ich dem Haushaltsausschuss sehr dankbar dafür, dass er den Beschluss zur Weiterfinanzierung der Mehrgenerationenhäuser gefasst hat. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Jetzt noch zu der Kollegin Golze, die leider – ich sage ganz bewusst: leider – nicht mehr bei uns ist: Sie ist eine fachlich sehr kompetente Kollegin gewesen, mit der man sich gut sachlich auseinandersetzen konnte. Ich wünsche Frau Golze – ich glaube, ich spreche damit auch im Namen des ganzen Hauses – für ihre neue Tätigkeit viel Erfolg. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Im Rahmen ihrer neuen Tätigkeit wird sie vermutlich auch lernen müssen, Kompromisse einzugehen und nicht all das umsetzen zu können, was man von Anfang an in Wahlkämpfen gefordert hat. Wir sind nämlich nicht mehr im Wahlkampfstadium, sondern im Umsetzungsstadium. Insofern ist es verständlich, dass nicht von beiden Koalitionspartnern alles zu 100 Prozent umgesetzt werden kann. Das ist in Brandenburg übrigens nicht anders als in Berlin. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gerade was die Hilfe für Menschen angeht, die von sexueller Gewalt betroffen waren, können Sie ja einmal die Sozialministerin von Brandenburg fragen, ob das Land Brandenburg in diesen Fonds einzahlt. Vielleicht kann sie es, obwohl sie es will, aus gewissen Gründen nicht. Von daher muss man sagen, dass Kompromisse manchmal vernünftig sein können und manchmal auch notwendig sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind froh, dass der Koalitionsausschuss getagt hat und die Debatte zum Thema „Frauen in Führungspositionen“ wieder auf den Punkt zurückgebracht hat, an dem wir sie eigentlich schon hatten. Die Quote von 30 Prozent in Aufsichtsräten von börsennotierten und voll mitbestimmungspflichtigen Betrieben wird kommen. Das steht so auch im Koalitionsvertrag. Wir haben uns jetzt darauf geeinigt, dass das so kommen wird. Ich glaube, es ist gut, dass wir das an dieser Stelle noch einmal sichergestellt haben. (Beifall bei der SPD) Mein Dank gilt nicht nur der Ministerin, die dabei noch einmal gegen Widerstand aus den eigenen Reihen der Koalition gekämpft hat, sondern auch denjenigen, die fraktionsübergreifend, gemeinsam mit anderen Frauen an der Berliner Erklärung gearbeitet haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Es ist eine gemeinsame Grundlage, die wir hier umsetzen. Es ist sehr wichtig, dass wir wissen, dass es nicht ein Projekt der Koalition, sondern ein Projekt für die Frauen ist. Es ist gut, dass die Frauenquote kommt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Josef Rief [CDU/CSU]) Wir haben hier schon viel über das Programm „Demokratie leben!“ gehört und davon, dass es bei den Mitteln ein Plus von 10 Millionen Euro gab. Wir können natürlich sagen: Am liebsten wären uns da 50 Millionen, 100 Millionen Euro oder noch mehr. Aber wir haben es geschafft, und das auch durch intensive Arbeit des Parlamentes. Ich finde, wir als Parlament können durchaus einmal sagen: Ein Zuwachs von 10 Millionen Euro in einem Programm, für das bis dato nur 30 Millionen Euro vorgesehen waren, ist ein richtiger, guter und großer Schritt. Solch eine deutliche Steigerung wünschen sich auch andere für ihre Programme. Es ist gut, dass das möglich geworden ist, und dafür bedanke ich mich beim Haushaltsausschuss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir setzen damit mehrere politische Versprechungen um; denn das Erste, was wir hier nach dem NSU-Untersuchungsausschuss gemeinsam im Haus beschlossen haben, ist, dass wir auch zivilgesellschaftlich gegen Naziterror angehen wollen. Das bedeutet, dass wir diese Programme stärken müssen. Das ist der erste Beschluss, den wir hier gefasst haben. Der zweite Beschluss ist, dass wir auch gemeinsam gegen Antisemitismus vorgehen wollen. Auch das setzen wir damit um. Das Dritte, was wir miteinander angehen wollen, sind die neuen Herausforderungen durch den Salafismus und durch die Hooligans auf der Straße. Ich finde es gut, dass wir hier die Zivilgesellschaft ganz eindeutig stärken. Ich bedanke mich für diesen Vorschlag des Haushaltsausschusses. Ich bedanke mich auch im Namen der Zivilgesellschaft. Wie wir das Geld verteilen, das bereden wir gemeinsam mit der Zivilgesellschaft. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Rix. – Nächste Rednerin in der Debatte: Sylvia Pantel für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Sylvia Pantel (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Hohen Hause habe ich meine erste Rede im April 2014 zum Familienetat des Bundeshaushaltes gehalten. Dort habe ich gesagt: „Wir sind … nah am Ziel, … keine neuen Schulden aufzunehmen.“ Jetzt ist es so weit. Der Bund wird 2015 keine neuen Schulden machen. Dafür danke ich den Haushälterinnen und Haushältern, die dies in langen Nachtsitzungen erreicht haben. Wir möchten unseren nachfolgenden Generationen, unseren Kindern und Enkelkindern keine wachsenden Schuldenberge hinterlassen. Eine wichtige Voraussetzung für eine nachhaltige Politik sind solide Finanzen. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb nehmen wir seit 46 Jahren erstmals keine neuen Kredite auf, und wir arbeiten in den nächsten Jahren an der Tilgung. Die Familie ist die beste Voraussetzung für eine gute Entwicklung von Kindern. Sie prägt uns lebenslang. Unser Leitmotiv war und ist, gute Rahmenbedingungen für Familien zu schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU) Deshalb investieren wir in unsere Familien. Der Etat des Familienministeriums wächst trotz des ausgeglichenen Haushalts um 564 Millionen Euro auf 8,5 Milliarden Euro an. Diese wirklich guten Rahmenbedingungen sind nicht ideologisch geprägt und bevormundend. Nach Artikel 6 des Grundgesetzes sind Pflege und Erziehung das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Mit unserer Familienpolitik unterstützen wir Eltern bei ihren Aufgaben. Wir schaffen unterschiedliche Angebote und lassen sie selbst entscheiden, welche Angebote sie nutzen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder beide, wie in Bayern!) Mit dem Betreuungsgeld erkennen wir die Erziehungsleistungen der Eltern an. Den Haushaltsansatz für das Betreuungsgeld haben wir von 515 Millionen Euro auf 900 Millionen Euro erhöht; der Bedarf ist sehr wohl vorhanden. Der Haushaltsansatz für das Elterngeld wurde noch einmal angehoben, und zwar um 180 Millionen Euro auf insgesamt 5,5 Milliarden Euro. Viele Mütter wollen nach einer IGES-Studie von 2014 bereits während der Elternzeit wieder zurück in ihren alten Beruf. Damit sie beim Elterngeld keine Ansprüche verlieren, haben wir das Elterngeld flexibilisiert. Laut einer forsa-Umfrage von 2014 will jeder zweite befragte Vater in Teilzeit arbeiten, um mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen zu können. Das Elterngeld Plus ermöglicht es Eltern, früher wieder in den Beruf einzusteigen. Sie können bis zu 24 Monate Elterngeld Plus erhalten. Wenn beide Elternteile mindestens vier Monate lang gleichzeitig zwischen 25 und 30 Wochenstunden arbeiten und sich gemeinsam um das Kind kümmern, erhalten sie vier weitere Elterngeld-Plus-Monate, die sogenannten Partnerschaftsmonate. Wir wollen auch die Alleinerziehenden bei ihrer Erziehungsarbeit unterstützen. Deshalb können auch sie die vier Partnerschaftsmonate in Anspruch nehmen. Mit dem Elterngeld, dem Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und dem Betreuungsgeld wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert. (Beifall bei der CDU/CSU) Diese Leistungen können flexibel genutzt und kombiniert werden. Wir schaffen Freiräume für Familien und sichern die Familien finanziell ab. Für Eltern, die ihre Kinder lieber in der Kita betreut wissen wollen, unterstützen wir den Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige weiter. Der Bund hat sich bis 2014 mit mehr als 5 Milliarden Euro an den Investitions- und Betriebskosten beteiligt. Ab 2015 beteiligt er sich dauerhaft mit 845 Millionen Euro pro Jahr an den Betriebskosten. Und wir unterstützen die Länder weiter, obwohl der Kinderbetreuungsausbau ganz klar eine Aufgabe der Länder ist. In den Jahren 2016 bis 2018 sind zusätzliche Mittel in Höhe von 550 Millionen Euro für Investitionen geplant. Das sind enorme finanzielle Leistungen des Bundes. Damit die Länder und die Kommunen ihren Aufgaben nachkommen können, erstattet der Bund seit Anfang 2014 alle Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung; das wird leider sehr schnell vergessen. (Beifall bei der CDU/CSU) Hierfür stehen über 5 Milliarden Euro zur Verfügung. Ab 2015 wird der Bund die Finanzierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes, kurz BAföG genannt, komplett übernehmen. Das sind weitere Entlastungen für die Länder um jährlich 1,17 Milliarden Euro. Die Länder bekommen somit zusätzliche Mittel, um den weiteren Ausbau der Kindertagesstätten vorantreiben zu können. Elterngeld, Elterngeld Plus mit dem Partnerschaftsbonus, Betreuungsgeld und die staatliche und private Kinderbetreuung – so viele Wahlmöglichkeiten gab es noch nie, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir fördern unsere Familien dabei mit Leistungen in Höhe von 7,4 Milliarden Euro. Die Menschen werden erfreulicherweise immer älter und bleiben dabei länger fit und aktiv. Doch es gibt auch Menschen, die gepflegt werden müssen. Ein großer Teil der Pflegebedürftigen will in der vertrauten Umgebung bleiben, und viele betroffene Familien wünschen sich, ihre Angehörigen zu Hause versorgen zu können. Sie brauchen unsere Unterstützung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben für die Pflegezeit und die Familienpflegezeit Mittel in Höhe von 2,3 Millionen Euro eingestellt. Bei einer länger andauernden Pflegesituation können Angehörige eine Auszeit von bis zu sechs Monaten nehmen oder die Arbeitszeit reduzieren, um ein Familienmitglied zu pflegen. Das zinslose Darlehen soll den Lohnausfall abfangen. Berufstätige werden entlastet. So können sie schwierige Pflegesituationen flexibler meistern. Dies ist ein weiterer Schritt zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Viele erwachsene Kinder wohnen aus beruflichen oder familiären Gründen nicht mehr in der Nähe ihrer Eltern oder Großeltern. Deshalb brauchen wir unterschiedliche Angebote. Mein Kollege Marcus Weinberg und andere haben schon erklärt, wie wichtig uns die Mehrgenerationenhäuser sind und dass wir sie mit 16,5 Milliarden Euro unterstützen. (Roland Claus [DIE LINKE]: Oh! Die nehmen wir!) – Ja, ist klar. Es sind Millionen. In der letzten Woche konnte ich mich bei einer Veranstaltung des Mehrgenerationenhauses HELL-GA in Düsseldorf erneut persönlich von deren engagierter Arbeit überzeugen. Das Angebot wird von allen Altersgruppen gut angenommen. Frau Schulz-Asche, unsere Mehrgenerationenhäuser haben, bevor sie Geld aus irgendeiner Förderung bekommen haben, sehr wohl Konzepte vorlegen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Insofern werden nur Mehrgenerationenhäuser gefördert, die auch schlüssige Konzepte haben. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dauerhaft? – Gegenruf der Abg. Petra Crone [SPD]: Ja!) In der Heimerziehung haben viele Kinder und Jugendliche großes Leid erfahren. Wir halten unser Versprechen, ihnen zu helfen. Die Zuweisungen an den Fonds für Opfer der Heimerziehung werden um 20 Millionen Euro auf 62,7 Millionen Euro erhöht. Damit wollen wir das erlittene Unrecht etwas lindern. (Beifall bei der CDU/CSU) Im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik haben wir ein Volumen von mehr als 380 Millionen Euro beschlossen. Es gibt viele kleine Positionen, die eine wichtige und gute Arbeit für Kinder und Jugendliche beinhalten. Es sind – das wurde mehrfach erwähnt – auch die Mittel für die Jugendmigrationsdienste, die die Integrationspolitik der Kommunen unterstützen, um knapp 1 Million Euro erhöht worden. Die Mittel für Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie wurden um 10 Millionen Euro auf jetzt 40,5 Millionen Euro erhöht. Damit wollen wir insbesondere präventive Maßnahmen gegen Islamismus, Salafismus und Antisemitismus stärken. Junge Frauen und Männer werden nach Syrien oder in den Irak gelockt. Welche Gründe treiben diese jungen Menschen an, dass sie in diese Krisengebiete gehen, um dort mit unvorstellbarer Brutalität zu töten oder selbst getötet zu werden? Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat uns die beängstigende Situation am Dienstag geschildert. Wir können uns das als Staat nicht gefallen lassen und dürfen das nicht tolerieren. Wir müssen den jungen Menschen Perspektiven aufzeigen, Grenzen setzen und ihnen Wertschätzung für unser freiheitliches System vermitteln. Auch fehlt ihnen ein Gefühl für den Wert ihres eigenen Lebens und des Lebens anderer Menschen. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie Fanatikern auf den Leim gehen und deren Versprechungen und Verlockungen verfallen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) In Deutschland dürfen sich keine Parallelgesellschaften entwickeln. Wir sind eine Gesellschaft mit einer Rechtsordnung. Jeder hat unser Grundgesetz und die Gesetze zu achten, unabhängig von Kultur und Religion. Meine Damen und Herren, der Gesamthaushalt 2015 ist ein solider Haushalt mit wachstumsfördernden Maßnahmen und Investitionen in die Zukunft. Er setzt die richtigen Akzente in der Familienpolitik und steht für Kontinuität, die wir in der Familienpolitik verfolgen. Ich möchte mich ganz herzlich bei allen bedanken, die dazu beigetragen haben, die Beratungen erfolgreich abzuschließen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Ich danke Ihnen, liebe Kollegin Pantel. – Letzter Redner in dieser Debatte: Josef Rief für die CDU/CSU, – (Beifall bei der CDU/CSU) gebürtig aus Illertissen. (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo?) – Das verstehen Sie nicht. Aber er versteht, warum ich es sage. Josef Rief (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Besucher auf der Plenartribüne! Es ist heute und auch früher schon viel über die Familienpolitik geredet worden. Ein Bundeskanzler sprach von Gedöns, andere von bloßem Geldausgeben, wieder andere von der Lufthoheit über Kinderbetten. Diese Bundesregierung macht es besser. Wir haben ein wirksames Paket geschnürt, um die Familien wirklich zu unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ja, die Familien halten unsere Gesellschaft zusammen. Sie brauchen aber Rahmenbedingungen, unter denen sie sich entfalten können. Die Arbeit dieser Bundesregierung ist geprägt von Angeboten, die es den Familien ermöglichen, ihr Leben eigenverantwortlich zu führen und zu gestalten. Herzlichen Dank, Frau Ministerin Schwesig, für Ihre Arbeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Senioren, die ihr Erwerbsleben bereits hinter sich haben, finden Angebote, ihre in vielen Lebensjahren erworbenen Erfahrungen und Fähigkeiten auch wieder für die Gesellschaft und für ihre eigene Familie, ihre Kinder und Enkel, einzusetzen. So war auch die Erhöhung der Mütterrente für die Union ein Herzensanliegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eltern – insbesondere Mütter – sollen die Chance haben, Familie und Beruf bzw. ihre Weiterentwicklung und ihre Karriere nach ihren Wünschen zu vereinen. Kinder und Jugendliche sollen alle Unterstützung erhalten, um eigenverantwortlich und selbstständig ein fester Teil unserer Gesellschaft zu sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD]) Kinder sind unsere Zukunft. Deshalb bin ich froh und dankbar, dass es dieser Bundesregierung endlich gelungen ist, die schwarze Null – von mir aus auch eine rote Null oder eine grüne Null – (Michael Leutert [DIE LINKE]: Das wird Herr Schäuble aber anders sehen!) im Bundeshaushalt zu erreichen. Ich bin froh, dass dieser vor allen Dingen für die junge Generation wichtige Schritt erreicht werden konnte – und dies insbesondere ohne einen finanziellen Kahlschlag im Familienhaushalt, den viele, auch in diesem Haus, prophezeit haben. Ich danke allen, die dazu beigetragen haben, dass wir gemeinsam diese Kehrtwende in der Haushaltspolitik einleiten konnten. Der Etat für die vielen wichtigen Projekte konnte sogar um über eine halbe Million Euro gesteigert werden. Das ist ein großer Erfolg für die Familienpolitik der Großen Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal die Mehrgenerationenhäuser nennen. Als Berichterstatter meiner Fraktion freut es mich besonders, dass es gelungen ist, die Finanzierung für 2015 auch ohne EU-Mittel sicherzustellen. Die Bundesmittel sind ein wichtiges Zeichen der Wertschätzung für die vielen Mitarbeiter und die Freiwilligen in den Mehrgenerationenhäusern, die täglich eine hervorragende und vorbildliche Arbeit leisten. Dafür danke ich ihnen recht herzlich. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Mehrgenerationenhäusern über 2014 hinaus war lange ungewiss – zu lange; denn für die Mitarbeiter der Häuser begann mit Blick auf laufende Miet- und Arbeitsverhältnisse eine quälende Zeit der Ungewissheit. Ich danke deswegen den Haushältern und unserem Finanzminister für die bereitgestellten gut 16,5 Millionen Euro. Die Planungssicherheit bleibt für uns Familienpolitiker ein wichtiger Punkt. Der Haushaltsausschuss und das Finanzministerium haben schon grünes Licht für eine Verstetigung gegeben, und ich bin im Gegensatz zu den Grünen zuversichtlich, dass das Bundesfamilienministerium die dafür notwendigen Konzepte bald vorlegen wird. Ich würde mich nicht wundern, wenn es sie schon hat. Die Mehrgenerationenhäuser sind gelebtes bürgerschaftliches Engagement und eigenverantwortliches Handeln aus der Bürgerschaft heraus. Weniger staatliche Vorgaben bewirken, dass die Mehrgenerationenhäuser so vielfältig sind. Um nur einige Aufgaben zu nennen: Pflege, Deutschkurse, Hilfe bei Behördengängen, Kinderbetreuung, Integration von Migranten, Lernbegleitung und Berufseinstieg. Auch der aktuellen Herausforderung der vielen Bürgerkriegsflüchtlinge stellen sich zahlreiche Mehrgenerationenhäuser. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Was als Projekt der damaligen CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen begann, bereichert nun wegen des großen Erfolges als ständige Einrichtung überall in Deutschland unser Miteinander. An dieser Stelle sage ich Dank für den großen Einsatz in den Mehrgenerationenhäusern und möchte insbesondere dem Stadtteilhaus Gaisental in Biberach, meinem Wahlkreis, danken. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Weniger im öffentlichen Bewusstsein sind beispielsweise die Möglichkeiten der Familienerholung. Auch hier sage ich Dank für fast 2 Millionen Euro für die Familienferienstätten, die dazu beitragen, dass auch den Familien ein Urlaub ermöglicht wird, die sonst nicht verreisen können. Wir erreichen damit Motivation und Stärkung für den Familienalltag. Lassen Sie mich auch einige kritische Worte zu der Forderung nach Einführung eines Familienwahlrechts sagen. Wie soll die Stimmabgabe für die Kinder erfolgen, wenn sich die Eltern untereinander nicht einig sind? Auch können Jugendliche schon andere politische Vorstellungen als ihre eigenen Eltern haben. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das kann passieren!) Wie könnte eine geheime Wahl gewährleistet werden, wenn sich Eltern abstimmen müssten, was sie für ihre Kinder wählen? Dieser Etat ist Ausdruck einer Politik, die nicht auf staatliche Regulierung und Maßnahmen abzielt, sondern Chancen aufzeigt. Er enthält Angebote für alle Generationen. Auch das Elterngeld Plus – das ist schon angesprochen worden – ist Ausdruck dieser Politik. Es schafft Entscheidungsspielraum und kann für junge Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Ich möchte an dieser Stelle auch das Betreuungsgeld erwähnen. Wir können heute mit Recht sagen: Das Betreuungsgeld ist eine Erfolgsgeschichte. (Beifall bei der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Bayern 125 Prozent!) Es ist eine Anerkennung für Eltern, die die Erziehung der Kinder zu Hause übernehmen, und es schafft einen Übergang, wenn die Bezugszeit des Elterngeldes aufhört. Die Quote derjenigen, die es in Anspruch nehmen, wächst von Quartal zu Quartal. In meiner Heimatregion Oberschwaben beziehen über 70 Prozent der Berechtigten das Betreuungsgeld. Ich weiß auch von Eltern, die den Grünen nahestehen und froh sind, dass sie Betreuungsgeld in Anspruch nehmen können. (Beifall bei der CDU/CSU – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Aber die müssen sich bei uns bedanken, Josef! – Michael Leutert [DIE LINKE]: Wie heißen die? – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das in Ihrer Stadt erfragt? – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind wahrscheinlich die 25 Prozent über den 100 Prozent!) Ich bin sehr froh, dass das Betreuungsgeld zum großen Teil von Familien mit mehreren Kindern in Anspruch genommen wird. Dies unterstreicht, wie wichtig es gewesen ist, diese echte Wahlfreiheit zu schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen uns darüber hinaus ernsthaft fragen: Tun wir alles, damit wir mehr junge Menschen motivieren, statt keinem Kind ein Kind, statt einem Kind zwei Kinder und statt zwei Kindern drei oder mehr Kinder bei verantworteter Elternschaft zu bekommen? Tun wir alles dafür, dass wir gerade Eltern von Mehrkindfamilien nicht zu viel zumuten? Ist uns klar, dass bei vielen Familien aufgrund der hohen Belastung durch Beruf und Familie psychische Erkrankungen zunehmen? (Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Eltern?) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen fernab von allen Ideologien den Willen der Eltern in den Mittelpunkt stellen. Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen sind mit dem vorliegenden Familienetat auf einem hervorragenden Weg, um die Lebenssituation der Familien, Senioren, Frauen und Jugend in unserem Land zu verbessern. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke schön, Herr Kollege Rief. – Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Einzelplan 17 bei Zustimmung von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Linken und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Jetzt gibt es einen kleinen Platzwechsel. In der Zwischenzeit begrüße ich den Minister. Herr Schmidt, herzlich willkommen! Ich bitte Sie, möglichst zügig die Plätze zu wechseln. Dann rufe ich jetzt den Tagesordnungspunkt I.16 auf: Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Drucksachen 18/2810, 18/2823 Berichterstattung haben die Abgeordneten Cajus Caesar, Ulrich Freese, Rolan d Claus und Sven-Christian Kindler. Zum Einzelplan 10 liegen ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort an Karin Binder für die Linke. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]) Karin Binder (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Besuchertribüne! Der Haushalt des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft umfasst knapp 5,4 Milliarden Euro. Davon sind lediglich 200 Millionen Euro für Ernährung und den gesundheitlichen Verbraucherschutz vorgesehen. Herr Minister, Sie sind mit der Aussage angetreten, dass Ihnen gerade das Thema Ernährung besonders wichtig sei. Aber nach diesem Haushaltsplan 2015 kann ich das leider nicht feststellen. Statt aktive Ernährungspolitik zu betreiben, herrscht Stillstand. Damit werden Sie Ihrem eigenen Anspruch und Ihrer Verantwortung als Ernährungsminister nicht gerecht. (Beifall bei der LINKEN) Das möchte ich an drei Punkten verdeutlichen. Das sind zum einen der Bereich Lebensmittelsicherheit, zum anderen der Bereich Verbraucherinformation und zum Dritten die Schul- und Kitaverpflegung. Erstens. Die Lebensmittelsicherheit steht und fällt mit einer effizienten und kontinuierlichen Lebensmittelüberwachung. Aber seit Jahren weisen Fachleute vergeblich darauf hin, dass Tausende Lebensmittelkontrolleure fehlen. Sie warnen vergeblich, dass weltweit zusammengekaufte Rohwaren und global arbeitende Lebensmittelkonzerne nicht von kommunalen Behörden überwacht werden können. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kollegin Binder, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Kollegen von der SPD? Karin Binder (DIE LINKE): Gerne. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass die gesamte Lebensmittelüberwachung Aufgabe der Kommunen bzw. der Länder ist (Caren Lay [DIE LINKE]: Das ist ja das Problem!) und dass wir in dem Zusammenhang die Länder nicht vollständig aus ihrer Verpflichtung entlassen können, indem wir den gesamten Aufgabenbereich zu einer Bundesaufgabe machen? Karin Binder (DIE LINKE): Lieber Kollege Priesmeier, selbstverständlich ist mir bekannt, dass die Kommunen und Länder für diesen Bereich und damit auch für die Finanzierung zuständig sind. Aber darin liegt zumindest ein Teil des Problems. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben es mit einer sehr stark veränderten Situation zu tun, in der Lebensmittel global produziert, eingekauft und weitervertrieben werden. Wie soll eine kommunale Behörde noch den Überblick bewahren? (Beifall bei der LINKEN) Wir wollen den Kommunen und den Ländern die Verantwortung nicht komplett abnehmen. Aber wir wollen einen Teil der Verantwortung beim Bund angesiedelt wissen. Immer, wenn es um internationale Konzerne, die globale Lebensmittelproduktion und den globalen Vertrieb von Lebensmitteln geht, braucht es eine übergeordnete Stelle und vor allem eine ausreichende Zahl von Lebensmittelkontrolleuren, die dem Ganzen gewachsen sind. Es braucht auf allen drei Ebenen Lebensmittelkon-trolleure, die jeweils für einen bestimmten Bereich zuständig sind. Der Bund hat sowohl der Bevölkerung als auch der EU gegenüber eine Verantwortung. (Beifall bei der LINKEN) Ja, genau diesen Punkt wollte ich sowieso anmerken: In dieser Frage wollte ich die Verantwortung des Bundes konkretisieren. Aber wir finden nichts dazu im Haushalt 2015. Mein zweiter Punkt war: Verbraucherinformation wird zum Auslaufmodell. Dazu nenne ich Ihnen zwei Beispiele, erstens das Verbraucherportal lebensmittelklarheit.de, das sehr erfolgreich Verbrauchertäuschungen der Lebensmittelindustrie aufdeckt. Dieses steht Ende 2015 vor dem Aus. Das zweite Beispiel ist das sehr gut angenommene Projekt „Gesund ins Leben“, das Mutter und Kind in der Zeit der Schwangerschaft und im ersten Lebensjahr wichtige Unterstützung bei einer ausgewogenen gesunden Ernährung liefert. Auch das steht nach 2015 auf der Kippe. Herr Minister, diese beiden Themen dürfen nicht Opfer der üblichen „Projektitis“ werden. (Beifall bei der LINKEN) Sie müssen in Ihrem Ministerium verankert und langfristig finanziert werden. Nun komme ich zu meinem dritten Punkt – besser: Ausrufezeichen –: die Kita- und Schulverpflegung in Deutschland. Vorgestern wurde von Herrn Minister Christian Schmidt eine Studie zur Qualität des Schulessens in Deutschland vorgestellt, ein wichtiger Beitrag, für den ich dem Ministerium ausdrücklich danken möchte. (Beifall bei der LINKEN) Die Untersuchung zeigt: Gute Schulkantinen sind in Deutschland noch immer Mangelware. Zwar benoten Kinder und Jugendliche, die am Essen teilnehmen, das Angebot mit Zwei bis Drei, also befriedigend. Doch die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler meidet die Schulkantine, vergibt damit also die Noten Fünf bis Sechs, also mangelhaft oder ungenügend. Über die Gründe, warum viele Kinder und Jugendliche das Angebot nicht nutzen, können wir spekulieren. Ich behaupte: Nicht wenige Kinder aus armen Familien verzichten, weil sie oder ihre Eltern nicht bei Behörden oder Schulleitungen um Almosen betteln möchten. Sie schämen sich dafür, und viele nehmen deshalb am Schul-essen nicht teil. Da hilft auch das Bildungs- und Teilhabepaket nicht wirklich. Wir wissen, dass nicht einmal ein Viertel der Familien, die Anspruch darauf hätten, tatsächlich darauf zurückgreift. Das ist ein Armutszeugnis für unser reiches Land. (Beifall bei der LINKEN) Gemeinschaftsessen, das den sinnvollen Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entspricht, kostet mehr als 1,50 Euro und ist auch für 3,50 Euro nicht finanzierbar. Hier kommt der Antrag der Linksfraktion in die Debatte, mit dem ich gern den Haushalt des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aufstocken möchte. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, eine hochwertige und beitragsfreie Kita- und Schulverpflegung sicherzustellen. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb sollen in diesen Bundeshaushalt 1,8 Milliarden Euro für lernstarke Mahlzeiten ab Beginn des Schuljahres 2015/2016 eingeplant werden. Für die Folgejahre sind dann jeweils 4,4 Milliarden Euro im Haushalt des jeweiligen Jahres vorzusehen. Der Bund hat gegenüber allen Kindern eine soziale Fürsorgepflicht und ist für die gesundheitliche Vorsorge verantwortlich. Wer glaubt, die Bundesregierung könne sich hier aus der finanziellen Verantwortung stehlen, der irrt. Wer will, dass alle Kinder gleichermaßen gesund aufwachsen, sich entwickeln und ihre Bildungschancen überhaupt nutzen können, der muss für diese flächendeckende beitragsfreie Verpflegung eintreten. Sie ist unverzichtbar. (Beifall bei der LINKEN) Die Teilnahme am Gemeinschaftsessen darf nicht am zu kleinen Geldbeutel von Familien scheitern. Die Almosen des Bildungs- und Teilhabepakets reichen nicht für eine gute und abwechslungsreiche Schulverpflegung, insbesondere dann nicht, wenn verbindliche Qualitätsstandards für die Verpflegung festgeschrieben werden sollen, was der Minister erfreulicherweise auch schon angekündigt hat und was ich sehr begrüße. Dass dies hochgesteckte Ziele sind, ist uns klar. Aber gerade deshalb müssen auch die Vernetzungsstellen für die Kita- und Schulverpflegung dauerhaft finanziell gesichert werden. Sie sind personell aufzustocken und ihre Angebote flächendeckend auszubauen. Die Schulen brauchen diese Beratung und diese Hilfestellungen. Die Schulleitungen dürfen mit der Umsetzung nicht alleingelassen werden. Noch eines. Ich denke, das Thema Mehrwertsteuer – – Vizepräsidentin Claudia Roth: Denken Sie auch an Ihre Redezeit! Karin Binder (DIE LINKE): Ich komme zum Ende. – Herr Bundesfinanzminister Schäuble, warum Schulessen im Gegensatz zum Futter für Hund, Katze, Maus noch immer mit 19 Prozent besteuert wird, ist mir ein Rätsel; vielleicht können Sie es mir erklären. Wir jedenfalls möchten das gern ändern. Ich danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Binder. – Nächster Redner in der Debatte: Cajus Caesar für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Cajus Caesar (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein besonderer Dank gilt unserem Minister Christian Schmidt und dem Haushaltsbeauftragten Ulrich Kuhlmann für die gute Zusammenarbeit mit dem Ministerium. Hier ist schon mit dem Entwurf einiges auf den Weg gebracht worden. Herzlichen Dank! Mein Dank gilt natürlich auch den Mitberichterstattern Ulrich Freese, Sven Kindler und Roland Claus. Es war eine sehr effektive Arbeit. Wir haben uns sehr gut austauschen können und im Sinne der Sache gearbeitet. Wir können auf den Haushalt 2015 stolz sein. Insgesamt wird nicht mehr ausgegeben, als eingenommen wird. Das ist eine Regel, die jeder von uns auch privat einhalten muss. Wir haben es geschafft. Darauf können wir stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir als Union und als Koalition stehen für eine moderne Landwirtschaft. Das heißt, dass es Einkommen und Arbeitsplätze sowie Bewirtschaftung und Pflege von Kulturfläche im ländlichen Raum gibt. Dazu gehört auch der Naturschutz. Deshalb Dank an unsere Landwirte! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Es ist richtig, dass wir mit dem Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“, das mit zusätzlich 10 Millionen Euro das Leben auf dem Land attraktiver machen soll, Maßstäbe setzen. Wir wollen Projekte. Wir wollen die Bürger vor Ort mitnehmen. Ein Beispiel: In meiner Gemeinde Kalletal im Kreis Lippe finden bereits Demografieforen und Ländliche-Raum-Foren statt. Wir wollen als Bundesregierung die Anliegen der Bürger aufnehmen und ihre Ideen weiterentwickeln. Wir wollen die Bürger bei der Entwicklung des ländlichen Raums nicht im Stich lassen. Nein, wir sind an ihrer Seite. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dass die Vorhaben auch personell untermauert werden müssen, ist uns klar. Obwohl im Bundeshaushalt insgesamt weniger Stellen vorgesehen sind, ist es gelungen, im Rahmen des Haushalts für Ernährung und Landwirtschaft mehr Stellen zu schaffen. Wir haben Akzente zugunsten des ländlichen Raums und des Tierwohls, aber auch insbesondere zugunsten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gesetzt. Das sind wesentliche Akzente. Wir wollen bei Krisen rasch reagieren können, insbesondere im Bereich der Lebensmittelsicherheit. Wir wollen außerdem im Bereich der Tierarzneimittel gut aufgestellt sein. 2015 werden 67 neue Stellen beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit geschaffen. Das ist eine Leistung, das sind Akzente in den richtigen Bereichen. Damit können wir uns sehen lassen. Der Weg dieser Koalition ist richtig. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir gehen neue Wege im Bereich des Hochwasserschutzes. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe haben wir uns bislang schon sehr stark beim allgemeinen Hochwasserschutz mit rund 100 Millionen Euro engagiert, genauso wie beim Küstenschutz. Als ich vor einigen Wochen in Norddeutschland war, habe ich gesehen, wie effektiv und sinnvoll diese Mittel eingesetzt werden. Aber wir wollen in diesem Haushalt einen besonderen Akzent auf den präventiven, den vorbeugenden Hochwasserschutz setzen. Deshalb haben wir einen Maßgabebeschluss gefasst, der festlegt, dass wir uns insbesondere im ländlichen Raum für den präventiven Hochwasserschutz starkmachen. Das ist ein Zeichen. Dieser neue Weg ist richtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir wollen diesen Weg zunächst einmal mit einem Neuansatz von immerhin 20 Millionen Euro gehen. Man kann sagen: „Das reicht hinten und vorne nicht“, aber vor dem Hintergrund, dass wir zuerst einmal starten müssen – das habe ich mir von all denjenigen sagen lassen, die sich bei der Erarbeitung des Sonderprogramms damit beschäftigt haben –, ist das richtig. 20 Millionen Euro werden wir im Jahr 2015 effektiv einsetzen können. Wir werden den Landwirtschaftshaushalt in den nächsten Jahren so aufstellen, dass wir diese Aufgabe sinnvoll und effektiv bewältigen können. Da können Sie von der Opposition sicher sein. Auch hier ist die Koalition gemeinsam auf dem richtigen Weg. Wir wollen, dass im Rahmen des Hochwassersonderprogramms sich Bund und Länder in der Gemeinschaftsaufgabe abstimmen und dass unter der Federführung unseres Ministeriums die Dinge vorangebracht werden. Wir wollen keine Rekordpegelstände mehr, wir wollen, dass Flutwellen nicht mehr in dieser Höhe auftreten, und wir wollen insbesondere erreichen, dass die Schäden, die an Häusern, an landwirtschaftlichen Flächen, aber auch an der Infrastruktur insgesamt entstehen, nicht mehr so groß sind wie bisher. Sie erinnern sich an das Hochwasser 2013. Die Bundesregierung hat für den Flutopferhilfefonds 8 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Es werden ungefähr 6,5 Milliarden Euro verausgabt werden. Wir wollen das Geld in Zukunft präventiv sinnvoll einsetzen, um solche Schäden zu vermeiden. Deshalb ist unser Ansatz, an der Donau, an der Elbe, an der Oder, am Rhein und an der Weser entsprechende Maßnahmen länderübergreifend durchzuführen. Wir müssen natürlich an den Oberläufen ansetzen, damit die Maßnahmen greifen. Dafür müssen Flächen in Anspruch genommen werden, Flächen, die vielleicht derzeit nicht landwirtschaftlich genutzt werden. Aber wenn wir Flächen in Anspruch nehmen, die bewirtschaftet werden, dann wollen wir dafür sorgen, dass sie auch zukünftig bewirtschaftet werden können. Das ist uns wichtig. Wir brauchen Lebens- und Nahrungsmittel. Insofern muss dafür gesorgt werden, dass diese Flächen der Bewirtschaftung nicht entzogen werden und dass diejenigen, die sie für Überflutung oder zum Aufstauen zur Verfügung stellen, entschädigt werden. Das ist uns wichtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Was die konkrete Umsetzung betrifft, ist es uns wichtig, dass es eine Länderbeteiligung gibt. Deshalb sind die Mittel im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe angesetzt. Bisher haben wir beim Hochwasserschutz eine 60/40-Regelung, beim Küstenschutz eine 70/30-Regelung. Wir gehen davon aus – das besagt auch unser Maßgabebeschluss –, dass sich die Länder bei diesen Maßnahmen entsprechend beteiligen. Der Bund hat hier grünes Licht gegeben, und es kann jetzt vorangehen. Das bedeutet aber auch, dass wir insbesondere die Bürger mitnehmen wollen, dass wir Bebauung schützen wollen, dass wir selbstverständlich auch die landwirtschaftlichen Flächen schützen wollen, dass wir verhindern wollen, dass wertvoller Boden verloren geht, und dass wir damit insgesamt Ökologie und Ökonomie in besonderer Weise sinnvoll miteinander vernetzen wollen. Damit wollen wir auch auf Klimaveränderungen reagieren. Aber seien wir ehrlich: Viele Schäden sind eingetreten, weil zu nahe an den Flussläufen gebaut wurde. Wir müssen beim Planungsrecht die Kommunen mit in die Verantwortung nehmen, sodass wir in Zukunft gemeinsam mit ihnen, den Ländern, den Bürgern und den Landwirten geeignete Maßnahmen angehen. Wenn wir das in dieser Form gemeinsam tun, dann sind wir auch auf dem richtigen Weg. Jedenfalls uns als Union, uns als Koalition war der präventive Hochwasserschutz ein besonderes Anliegen. Deshalb haben wir das eingebracht. Wir müssen davon ausgehen, dass wir die Mittel in den nächsten Jahren noch deutlich erhöhen müssen. Es gibt ganz klare Vorstellungen davon, welche Maßnahmen länderübergreifend stattfinden sollen, welche Maßnahmen ganz konkret an welchen Wasserläufen stattfinden sollen. Ich denke, diese Bundesregierung zeigt an dieser Stelle, dass sie für die dort Wirtschaftenden, für die dort Wohnenden und für all diejenigen, die für die Natur eintreten, den richtigen Rahmen setzt. Deshalb ist diese Union, ist diese Koalition auf dem richtigen Weg. Herzlichen Dank. Alles Gute! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Caesar. – Nächster Redner in der Debatte: Sven-Christian Kindler für Bündnis 90/Die Grünen. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben große Herausforderungen; wir haben große Probleme in der Landwirtschaft. Um nur einige zu nennen: Wir haben das Höfesterben. Wir haben immer neue Lebensmittelskandale. Wir haben Monokulturen. Wir haben die Klimaverschmutzung. Wir haben Quälerei in der Massentierhaltung. Wir haben Gensoja im Futter. Mit diesem Haushalt werden diese Probleme fortgeschrieben, muss man leider sagen. Es gibt keine Wende, keine Antwort und keine Reaktion darauf. Dieser Haushalt ist gegen die Interessen der bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft gerichtet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister Schmidt, Sie sind jetzt knapp ein Jahr im Amt; Sie sind knapp ein Jahr Landwirtschaftsminister. Zu Beginn der Legislaturperiode haben Sie selbst nicht geglaubt, dass Sie Landwirtschaftsminister werden. Die Frage ist, was Sie in diesem einen Jahr gemacht haben. (Zuruf von der CDU/CSU: Gute Arbeit!) Wir wissen jetzt: Sie haben die Gentechniklobby in Brüssel unterstützt. Und wir wissen auch: Sie essen jeden Tag einen Apfel, und das soll auch Herrn Putin schaden. (Zuruf des Abg. Cajus Caesar [CDU/CSU]) Was war sonst? Sonst sind Sie abgetaucht. Nichts! Wo waren die großen Gesetzesvorhaben? Welche Gesetzgebungsprozesse haben Sie vorangebracht? Wo war ein neuer Anlauf für ein echtes Tierschutzgesetz? Wo war eine Regelung zur Hofabgabeklausel? Wo ist die Erhöhung der GAK-Mittel? Da ist nichts, gar nichts bei Ihnen als Minister. Als Agrarminister sollten Sie aber wissen, Sie müssen auch arbeiten. Wer die Felder nicht bestellt, der kann nachher auch nicht ernten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister, es hat einen Grund, dass Sie im Kern eigentlich nur die Verwaltung des Status quo machen. Sie wollen nämlich nicht arbeiten; Sie trauen sich nicht an Strukturen ran, weil Sie nicht den Mut haben, sich mit mächtigen Interessen anzulegen, nämlich mit der Agrarindustrie und der Agrarlobby. Hierfür braucht man Mut und auch Biss, wenn man da was durchsetzen will. Ich finde, es muss endlich Schluss damit sein, dass die CSU-Agrarminister Minister der Großkonzerne sind. Wir brauchen endlich eine Agrarwende in Deutschland. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber nicht nur in Deutschland hat Ihre Agrarpolitik verheerende Folgen. Das sehen wir leider auch weltweit. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, die FAO, sagt ganz klar: Kleine und familiäre bäuerliche Betriebe sind der zentrale Baustein im Kampf gegen Hunger in Schwellen- und Entwicklungsländern. Was macht nun die Bundesregierung an dieser Stelle in diesem Etat? Sie fördern weiter Agrarexporte; Sie fördern weiter die Fleischindustrie. Sie fördern Lobbybüros zum Beispiel in China. In diesem Jahr haben Sie die German Meat GmbH in Peking eingerichtet. Sie haben ein Reisebüro im Ministerium, um Reisen zur Förderung von Agrarexporten zu finanzieren. Mit Steuergeldern fördern Sie Reisen von Fleischunternehmen nach Ghana, zur Elfenbeinküste, nach Thailand und nach Mexiko, um so hochsubventionierte Billigfleischexporte in lokale Märkte hineinzudrängen. Mit Dumpingkonkurrenz machen Sie lokale Bauern platt und treiben auch diese Bauern in die Abhängigkeit von der Fleischindustrie. Somit treiben Sie dort den Hunger voran. Ich finde, ehrlich gesagt: Das ist skandalös. Diese -Agrarexporte müssen endlich gestoppt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Aber nicht nur weltweit, sondern auch hier in Deutschland brauchen wir einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft. Es kann nicht sein, dass jeden Tag 20 bäuerliche Betriebe in Deutschland dichtmachen müssen. In Deutschland gibt es ein massives Höfesterben. Seit 2005, seit Angela Merkel regiert, sind 27 Prozent der Betriebe dichtgemacht worden. Das hat leider auch damit zu tun, dass die Regierung Merkel vor allen Dingen auf Masse statt auf Klasse setzt, auf Großbetriebe statt auf kleinere und mittlere Unternehmen. Nachher zahlen eben die kleinen und mittleren Unternehmen und ihre Arbeitnehmer, die ihre Jobs verlieren, die Zeche für diese Agrarlobbypolitik. Ich sage Ihnen: Der Trend des Höfesterbens muss endlich gestoppt werden. Wir brauchen Bauernhöfe statt Agrar-fabriken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dafür haben wir heute einen Änderungsantrag vorgelegt. Wir wollen, dass die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ um 200 Millionen Euro erhöht werden; kurz: Die GAK-Mittel müssen erhöht werden. Gemeinsam mit den Ländern wollen wir einen Aktionsplan für eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft erarbeiten, um den Strukturwandel zu gestalten, um tiergerechte Haltungsverfahren zu entwickeln – auch für den Klimaschutz und für gute bäuerliche Chancen im ländlichen Raum. Die Agrarministerkonferenz hat das letztes Jahr einstimmig gefordert, Agrarminister aus allen Parteien und aus allen Ländern. Deswegen fordere ich Sie als Koalition auf – Agrarminister gehören auch Ihren Parteien an –: Geben Sie sich einen Ruck! Stimmen Sie nachher unserem Änderungsantrag auf Erhöhung der GAK-Mittel zu! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir Grüne wollen auch, dass endlich Ernst gemacht wird mit dem Tierschutz. Jetzt haben Sie, Herr Minister Schmidt, eine PR-Kampagne angekündigt, die sogenannte Tierwohl-Initiative. Leider ist diese Initiative nur ein billiges Feigenblatt. Das erkennt man, wenn man es sich ernsthaft anschaut. Sie wollen zwei Jahre in einem sogenannten Kompetenzkreis reden, sprich: viel Zeit verschenken und nachher nichts machen. Sie haben gesagt, Sie setzen auf „verbindliche Freiwilligkeit“. Herr Minister, ich zitiere Sie – „verbindliche Freiwilligkeit“, ich frage mich, was das sein soll. Ich meine, entweder ist etwas verbindlich oder es ist freiwillig. Das ist so wie organisiertes Chaos; das ist wie ein veganer Schlachthof. Das ist ein Widerspruch in sich. Das passt einfach nicht zusammen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Minister, glauben Sie im Ernst, dass große Fleischkonzerne wie Wiesenhof oder Rothkötter freiwillig Tiere besser behandeln? Glauben Sie wirklich, dass diese Konzerne freiwillig auf ihre Profitinteressen verzichten werden? Ich meine, das ist doch komplett weltfremd. Wir Grüne wollen, dass jetzt endlich Ernst gemacht wird mit dem Tierschutz. Die Zeiten, wo man freiwillig der Tierquälerei zugeschaut hat, sind jetzt vorbei. Wir wollen klare und harte gesetzliche Standards. Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Die Probleme sind bekannt. Wir brauchen endlich ein echtes Tierschutzgesetz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir brauchen ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände. Das Enthornen von Rindern, das Abschneiden von Ringelschwänzen bei Schweinen und das Kupieren von Schnäbeln bei Geflügel müssen endlich beendet werden. Die Tiere in den Ställen brauchen genug Platz, Auslauf und Beschäftigung. Wir sagen klar: Die Ställe müssen sich den Bedürfnissen der Tiere anpassen und nicht umgekehrt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Denken Sie an Ihre Redezeit, bitte. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, Frau Präsidentin. Die grünen Landwirtschaftsminister in den Ländern machen vor, wie es geht, (Lachen bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) wie man die Agrarwende Schritt für Schritt mit den Bauern, mit den Verbrauchern gestalten kann. Das brauchen wir auch im Bund. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Kindler. – Nächster Redner in der Debatte: Ulrich Freese für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ulrich Freese (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt kehren wir von einer Parteitagsrede zurück in die Niederungen des Bundestages. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Willi Brase [SPD]: Der will noch was werden!) Wir beschäftigen uns mit dem Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Ich will zu Beginn meinen Mitstreitern Cajus Caesar, auch Ihnen, Herr Kindler – im Ausschuss arbeiten Sie ganz anders; da halten Sie keine Parteitagsreden –, und Herrn Claus für die konstruktive Zusammenarbeit recht herzlich danken. Natürlich gebührt Dank auch dem Minister als dem Hausherrn. Aber hinter dem Minister stehen in diesem Fall Herren, die sehr intensiv und konstruktiv mit uns zusammenarbeiten. Deshalb sind Herr Hahn, Herr Kuhlmann und Herr Wulff in diesen Dank einzubeziehen. Wir Sozialdemokraten haben uns nicht zu beklagen; die Zusammenarbeit ist gut. Offenheit und Transparenz, die wir für notwendig erachten, wachsen. Alle Anfragen werden so beantwortet, alle Informationen werden so gegeben, dass wir immer besser verstehen, was hinter diesem Haushalt steckt und wie mit diesem Haushalt im Sinne einer ökologischen, zukunftsorientierten Landwirtschaft in Deutschland gearbeitet werden kann. Die Aufstellung des Haushaltes 2015 verfolgt das große Ziel, einen ausgeglichenen Haushalt, also einen Haushalt ohne Schulden, auf den Weg zu bringen. Es waren die Sozialdemokraten, die mit Finanzminister Möller den letzten ausgeglichenen Haushalt auf den Weg gebracht haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir Sozialdemokraten sind jetzt wieder daran beteiligt, dass es einen ausgeglichenen Haushalt in der Bundesrepublik Deutschland gibt. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Das war Franz Josef Strauß! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Das war Strauß!) – Lesen Sie nach! Herr Strauß hatte noch eine Schuldenaufnahme eingeplant. Möller hat keinen Schuldenhaushalt mehr abgeliefert. Das ist die ganze Wahrheit. Wir können mit diesem Haushalt, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr wohl Politik machen, Politik im Sinne der aufgeworfenen Fragen. Wer sich diese Haushaltsstruktur anschaut, stellt fest: 3,6 Milliarden Euro gehen in die Altersvorsorge, in die Krankenversicherung und in die Unfallversicherung. Von dem Rest – 1,8 Milliarden Euro – geben wir mehr als 500 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung aus. Die Institute – sie sind allen bekannt – will ich noch einmal in Erinnerung rufen: Im Julius-Kühn-Institut, das sich mit Pflanzen und zukünftig intensiver mit Bienenforschung beschäftigen wird, weil wir dort eine entsprechende Stelle angesiedelt haben, arbeiten 765 Personen; der Haushalt umfasst rund 85 Millionen Euro. Im Friedrich-Loeffler-Institut, das sich mit Tierschutz und Tiergesundheit, mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier, mit der Übertragung von Krankheiten beschäftigt und Tierseuchen verhindert, arbeiten 630 Personen; der Haushalt umfasst 97 Millionen Euro. Im Max-Rubner-Institut, bei dem es um gesundheitlichen Verbraucherschutz im Ernährungsbereich geht – das ist ja reklamiert worden –, arbeiten 475 Personen; der Haushalt umfasst 51 Millionen Euro. Im Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut – es geht um ländliche Räume, um Wald und Fischerei – arbeiten 605 Personen; der Haushalt umfasst 70,6 Millionen Euro. Im Bundesinstitut für Risikobewertung, das natürlich etwas mit Lebensmittelsicherheit zu tun hat, arbeiten 570 Personen; der Haushalt umfasst 86,5 Millionen Euro. Dazu kann ich, was gerade Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit angeht, noch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nennen mit einem Aufwuchs auf 450 Stellen und einem Haushalt von 37 Millionen Euro. Angesichts dessen kann niemand behaupten, dass das Bild des ökologischen, gesunden, vernünftigen Landwirtschaftsbetriebs in dieser Politik keine Rolle spielt. Die Zahlen – die Bürgerinnen und Bürger draußen registrieren das – sprechen eine ganz andere Sprache, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Natürlich sind nicht alle Wünsche erfüllbar gewesen – das ist klar, wenn man die Restriktionen des Haushalts sieht –, aber dennoch: Das, worum wir Sozialdemokraten im Haushalt 2014 gerungen haben – Cajus Caesar hat darauf verwiesen –, wird im Haushalt 2015 Realität. Wir haben den Maßgabebeschluss zum Hochwasserschutz durchgesetzt, weil wir wussten: Nur wenn wir 2014 beginnen, werden wir 2015 Geld haben. Die 20 Millionen Euro – das muss man sehen – werden um Länderanteile angereichert. Wir, Cajus Caesar und ich, haben gemeinschaftlich auch schon angemahnt, dass im Haushalt 2016 – das ist die Erwartung an die Bundesregierung – ein höherer Betrag, möglicherweise aus dem Investitionsprogramm, in den Haushalt eingestellt wird, damit die anvisierten 100 Millionen Euro sehr schnell erreicht werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Bäuerinnen und Bauern – es geht um rund 630 000 Beschäftigte in 237 000 landwirtschaftlichen Betrieben – schulden wir Dank. Aber verbaler Dank, Dank allein mit Worten reicht nicht. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, die Rentenversorgung, die mit der Hofabgabeklausel zusammenhängt, zu modifizieren. Das steht im Koalitionsvertrag. Darauf werden wir hinarbeiten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich!) Ich gehe davon aus, Herr Minister und meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, dass wir uns gegenseitig ernst nehmen. „Gegenseitig ernst nehmen“ heißt in diesem Fall, im ersten Halbjahr 2015 den Rechtsrahmen zu regeln, damit Bauern und Bäuerinnen ihren Hof nicht abgeben müssen und weiterarbeiten können. Ich habe gestern mit Interesse auf Spiegel Online gelesen: „Junge Unionsabgeordnete machen Druck bei Flexi-Rente“. Da wird zur Begründung Jana Schimke zitiert: „Immer mehr Menschen wollen heute länger arbeiten … Dies zu tun ist keine Strafe, sondern entspringt dem Wunsch, Wissen und Erfahrung weiterzugeben, aktiv zu bleiben und am Arbeitsleben weiter teilzuhaben.“ Verbesserte Rahmenbedingungen würden dazu beitragen, „dass sich längeres Arbeiten auch lohnt“. Wenn wir uns ernst nehmen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann lasst uns nach Weihnachten, im neuen Jahr, endlich im Rahmen der vorgegebenen Linien – die Idee des Ministers, unsere Überlegungen – einen Kompromiss für die Bäuerinnen und Bauern im Alter von 64, 65 oder 66 Jahren auf den Weg bringen, die zum Teil darauf warten, endlich auch bei Weiterbetrieb ihres Betriebes eine Rente zu erhalten, also mit einem Teil ihrer eingezahlten Beiträge aus der Armut herauszukommen. Das sind wir ihnen schuldig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich freue mich auf eine solidarisch geführte Diskussion. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Freese. – Nächster Redner in der Debatte ist der Bundesminister Christian Schmidt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 5,3 Milliarden Euro werden im Haushalt des BMEL, des Landwirtschaftsministeriums, zur Verfügung stehen. Wir haben damit zu haushalten. Dieser Etat ist damit im Hinblick auf die Anforderungen der Agrarpolitik, der Politik für ländliche Entwicklung einschließlich des Hochwasserschutzes, der Ernährungspolitik und der Waldpolitik sowie im Hinblick auf internationale Anforderungen gut aufgestellt. Die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses hat ein gutes Ergebnis hervorgebracht. Lieber Kollege Freese, lieber Cajus Caesar, lieber Kollege Kindler, lieber Kollege Claus, Ihnen allen miteinander herzlichen Dank dafür, dass wir mit 20 Millionen Euro für den vorbeugenden Hochwasserschutz, wie der Kollege Freese sagte, einen Einstieg geschafft und die Gemeinschaftsaufgabe gestärkt haben. (Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Hat der Claus das unterstützt?) 20 Millionen Euro für vorbeugenden Hochwasserschutz – da waren sich mein Haus, das Umweltministerium und das Finanzministerium einig. Wir werden als Bund die Länder unterstützen. Mein Haus wird einen wichtigen Beitrag leisten. Ich danke dem Deutschen Bundestag – davon ausgehend, dass es vielleicht Zustimmung findet, dass wir diese Gelder in Umsetzung des Maßgabebeschlusses erhalten haben. Ich danke Ihnen auch dafür, dass wir Investitionen in die Entwicklung ländlicher Räume tätigen können. Wir haben das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung mit 10 Millionen Euro ausgestattet; das ist ein Anfang. Das Bundesprogramm bündelt Modell- und Demonstrationsvorhaben, Wettbewerbe, Initiativen. Hier will ich eine Ideenwerkstatt entstehen lassen. Sie verarbeitet das, was in der Fläche erfolgreich erprobt wird. Wir stellen die Ressourcen bereit, damit mein Haus künftig der zentrale Ansprechpartner für Fragen der ländlichen Entwicklung sein kann. Die Bundesregierung hat hier eine Staatssekretärsrunde eingerichtet – unter Führung meines Hauses –, um sich bei den infrastrukturellen und strukturellen Aspekten dieser landwirtschaftlichen und ländlichen Themen abzustimmen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die zusätzlichen 10 Millionen Euro, die in den beiden anstehenden Haushaltsjahren jeweils zur Verfügung stehen, machen Fortschritte möglich, zunächst viele kleine Fortschritte vor Ort, später aber eine Bewegung zum Besseren in der großen Fläche. Ich habe natürlich vernommen, dass die Bereitstellung von 10 Millionen Euro für das Programm als ein Einstieg verstanden wird. Man tut sich natürlich immer schwer, Oppositionsanträge, in denen noch mehr Geld für den eigenen Etat gefordert wird, von vornherein zurückzuweisen. Das ist für uns ein Merkzettel. Ich danke den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD für den Merkzettel, den sie uns eigentlich mit der Bereitstellung von 10 Millionen Euro mitgegeben haben. Natürlich wird die ländliche Entwicklung im Hinblick auf die demografische Struktur in unserem Lande und auf manche strukturelle Fragen bei zukünftigen politischen Aktivitäten einen noch höheren Stellenwert bekommen. Wir wollen die Arbeitsplätze und die Versorgung im Alter sichern. Das gehört genauso dazu. Deswegen bin ich mit Kollegen Gröhe auch im Gespräch, beispielsweise über die ländliche ärztliche Versorgung. Es gibt weitere Maßnahmen, die wir – gemeinsam mit anderen Ressorts – mit diesen zusätzlichen 10 Millionen Euro sozusagen andenken wollen. Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit etwas über die Gemeinschaftsaufgabe sagen. Wir befinden uns gerade in einer Diskussion über die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Die Gemeinschaftsaufgabe, die nicht immer nur Zustimmung erfahren hat, hat sich als gemeinsames Bund-Länder-Finanzierungsinstrument bewährt und sollte ausgebaut werden. Sie wurde von Franz Josef Strauß gemeinsam mit Karl Schiller entwickelt und eingeführt. (Ulrich Freese [SPD]: Dann war ja ein Guter dabei! – Gegenruf des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Der Franz Josef! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) – Der Franz Josef Strauß hat das immer gut im Griff gehabt. Er war ja nicht dumm. (Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]: Ganz im Gegenteil!) Er hat etwas auf den Weg gebracht, das sich bewährt hat. Deswegen bin ich überzeugt davon, dass wir den Ausbau dieses Instruments weiter verfolgen können. Mein Ministerium ist ein forschungsstarkes Ministerium. Wir werden auch im nächsten Jahr das eine oder andere an Überschneidungen bzw. Verknüpfungen haben. Es werden neue Forderungen aus der Forschung kommen, und wir werden die entsprechenden Schwerpunkte setzen. Danke noch einmal für den Hinweis auf unsere leistungsfähigen Institute. 310 Millionen Euro sind im Haushalt für die Forschungsinstitute vorgesehen. Damit sind wir auf dem Weg vom Acker zum Teller tatsächlich Impulsgeber für eine Wertschöpfung, die sich an den Kriterien von Nachhaltigkeit und Tierwohl messen lassen muss. Wir tragen den Ansprüchen der Verbraucherinnen und Verbraucher Rechnung. Ich kann vorsorglich sagen – da muss ich Sie enttäuschen, lieber Kollege Kindler –: Das sind nicht nur Ankündigungen. Der Kompetenzkreis tagt sehr intensiv und diskutiert durchaus kontrovers; das soll auch so sein. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll denn das Ergebnis sein?) Aber ich möchte, dass wir das Thema Tierwohl gemeinsam weiterentwickeln. Ich darf meinen Dank an die freiwillig Tätigen in diesem Kompetenzkreis unter Leitung von Gert Lindemann richten. Ich denke, dass uns die Zwischenergebnisse in den nächsten Wochen vorliegen werden. Was mir berichtet wurde, hört sich alles sehr gut an. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die wissenschaftliche Erkenntnis ist wichtig. Wir haben gerade jetzt bei der sich aktuell abzeichnenden und Gott sei Dank nicht in aller Schärfe aufgetretenen Geflügelpest gesehen, dass sich das Ineinandergreifen der Aktivitäten von Bund und Ländern bei der Bekämpfung bewährt. Das ist nach den bereits gemachten Erfahrungen sogar besser geworden. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich in den letzten Tagen mit Till Backhaus telefoniert habe bzw. unsere Leute sich abgestimmt haben. Dass es gelingt, dass durch aktives Monitoring Wildvögel abgeschossen, in Rostock in der Landesuntersuchung überprüft und dass sie dann, wenn dort nicht mehr weiter getestet werden kann, zum FLI auf die Insel Riems gebracht werden, zeigt doch, dass das System funktioniert. Da ich jemand bin, der versucht, eine Gefahr proaktiv zu bekämpfen – ich warte nicht, bis der Risikofall eingetreten ist –, bin ich sehr dankbar, dass wir dies nachweisen können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir dürfen gerade bei der Tiergesundheit nicht nachlassen. H5N8 ist ein neuer Virustyp, der wohl aus Korea stammt und jetzt nach Deutschland gelangt ist. Ich habe mit meiner niederländischen Kollegin und auch mit meiner Kollegin aus dem Vereinigten Königreich vereinbart, dass wir bei der Ursachensuche und auch bei der Bekämpfung gemeinsam vorgehen. Ich würde mir wünschen, dass sich auch die Europäische Kommission frühzeitig in solche Fragen einbringt, das heißt unter anderem, das Monitoring der Wildvögel zu unterstützen. Dabei geht es nicht um Beträge, die den europäischen oder unseren Haushalt umwerfen, sondern um die Erkenntnis, dass wir in Risikogebieten gemeinsam handeln müssen und gemeinsam Verantwortung tragen. Ich darf diesen Fall auch zum Anlass nehmen, über Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit insgesamt zu sprechen. Da müssen einige Äußerungen korrigiert werden. Gott sei Dank leben wir in einer Zeit, in der die Lebensmittel so sicher sind wie noch nie. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Eine Skandalisierung nützt niemandem. Mit Blick auf jene, die versuchen, in ihren bäuerlichen Betrieben die landwirtschaftliche Erzeugung möglichst nah an nicht immer ganz realistischen Vorstellungen auszurichten, sage ich: Wir werden den Ökolandbau gemeinsam unterstützen. Ich bin allerdings nicht bereit, das eine gegen das andere auszuspielen. Nahrungsmittelversorgung kann nur in den Gunstregionen funktionieren, wenn alle miteinander arbeiten: die konventionelle Landwirtschaft, die ökologische Landwirtschaft und auch jene, die dazwischenliegen. (Beifall bei der CDU/CSU) Papst Franziskus hat auf der Welternährungskonferenz der FAO in der letzten Woche gesagt: Gott kann verzeihen. Menschen verzeihen manchmal. Die Erde verzeiht nicht. Was heißt das? Das heißt, dass wir das Prinzip der Nachhaltigkeit natürlich beachten müssen. Er hat aber auch den Appell an uns gerichtet, die Erde zu nutzen; und im Jahr 2050 9 Milliarden Menschen zu ernähren, ist eine Aufgabe, die machbar ist. Das Sicherstellen der Ernährung heute leidet darunter, dass wir, was die Nachhaltigkeit angeht, die entsprechenden Organisationsstrukturen und Bewirtschaftungsmethoden in den Entwicklungsländern leider nicht im ausreichenden Maße zur Verfügung haben. Ich habe deshalb mit meinem Kollegen Gerd Müller gemeinsam eine Initiative auf den Weg gebracht, die gerade dies ändern soll. Übrigens möchte ich mit einer Mär einmal aufräumen: Überall wird insinuiert, wir hätten heute noch Exportsubventionen. Die Exportsubventionen auf europäischer Ebene sind aber auf null gestellt. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich habe mich dezidiert dagegen ausgesprochen, Obst- und Gemüseerzeuger wegen ihrer Absatzschwierigkeiten zu unterstützen und das Instrument der Subvention wieder zu verwenden. Wir können nicht auf Kosten anderer versuchen, unsere Überflüsse abzugeben. Nein, der Export ist ein regulärer Vorgang, und er geht nur in die Länder, die die Waren brauchen und bezahlen können. Der Selbstversorgungsgrad in Russland beträgt 60 Prozent. Die Preise steigen im Augenblick in russischen Supermärkten, weil sich Russland allein nicht selbst versorgen kann. Da stehen wir zur Verfügung und würden dies auch gern tun. Ernährung ist ein ganz wichtiger Punkt. Sie gestatten, dass ich dies noch kurz anspreche. Jawohl, wir haben mit IN FORM ein, denke ich, sehr gutes Programm, einen nationalen Aktionsplan. Aber die 1,76 Milliarden Euro, die nötig sind, um die Schulversorgung in ganz Deutschland zu finanzieren – das würde, so glaube ich, Kollege Freese, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen etwas auf den Kopf stellen. (Ulrich Freese [SPD]: Die habe ich nicht gefordert!) – Ich habe das auch nicht behauptet. Aber was bleibt, ist, dass wir die Schulvernetzungsstellen natürlich unterstützen. Ich möchte auch hier nicht aufs Regulative, Vorschriftliche, eingehen, sondern die Möglichkeit zur Entwicklung geben. Viele Beratungen zeigen, dass die Kinder insbesondere Nudeln, (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit Tomatensoße!) Pommes und Pfannkuchen, aber keinen Spinat wollen. Das ist nun einmal so. Wir sollten auch nicht versuchen, die Kinder komplett davon abzubringen. Die entsprechende Beratung findet besser vor Ort statt. Das wissen die Schulleiter, die Ökotrophologen und manchmal die Eltern etwas besser als wir. Deswegen ist hier ein Stück Zurückhaltung geboten. Vielen Dank dafür, dass Sie beim Haushalt keine Zurückhaltung gezeigt haben, sondern mir mit 5,3 Milliarden Euro ein gutes Volumen zur Verfügung stellen, mit dem ich, wie gerade auch von Ihnen eingefordert, unsere Politik – einschließlich des Forstes – dann auch umsetzen kann. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Christian Schmidt. – Nächste Rednerin in der Debatte ist Dr. Kirsten Tackmann. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Mit 5 von 300 Milliarden Euro ist das -Agrarbudget tatsächlich ein Mini-Etat. Das liegt aber nicht so sehr an der fehlenden Wertschätzung, sondern hängt einfach damit zusammen, dass über die Agrarpolitik und ihre Finanzierung überwiegend in Brüssel und in den Bundesländern entschieden wird. Das ist in keinem anderen Ressort so. Dass stolze 70 Prozent dieses Mini-Etats in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung gebunden sind, halten wir Linke zwar durchaus für richtig. Wir erhalten aber auch unsere Kritik aufrecht, dass die landwirtschaftliche Alterssicherung als Teilrentensystem längst nicht mehr vor Altersarmut schützt. Dass Betriebe in Deutschland nach wie vor erst einmal abgegeben werden müssen, um diese Minirente überhaupt zu bekommen, riecht nach indirekter Enteignung und muss dringend korrigiert werden. (Beifall bei der LINKEN) Ja, Junglandwirte müssen gefördert werden und müssen auch eine Chance bekommen. Der Zwangsverkauf von Bauernhöfen ist aber der völlig falsche Weg. Leider wurden auch dieses Jahr alle Haushaltsanträge der Linken abgelehnt, obwohl wir eine Gegenfinanzierung vorgeschlagen haben, Herr Minister. Abgelehnt wurde zum Beispiel unsere langjährige Forderung nach einem Herden- und Wolfsschutzkompetenzzentrum. Dabei wachsen die Probleme der Weidetierhalterinnen und Weidetierhalter in den betroffenen Regionen immer weiter. Diese Betriebe sind doch schon die Verlierer der EU-Agrarpolitik und müssen tagtäglich um ihre Existenz kämpfen – und das, obwohl die Weidetierhaltung aktuell die größte gesellschaftliche Akzeptanz genießt, wie eine Umfrage gerade ergeben hat. Es reicht eben nicht, den materiellen Schaden durch Wolfsrisse auszugleichen. Die Weidetierhalterinnen und -halter wollen zu Recht wissen, wie sie ihre Tiere schützen können. Ein höherer Zaun mit Untergrabungsschutz reicht oft nicht aus, aber gut ausgebildete Herdenschutzhunde schon. Deshalb wird dieses Zentrum so dringend gebraucht. Es soll sowohl Erfahrungen und Wissen bündeln und verbreiten – Wissen hilft nämlich auch gegen Stammtischparolen – als auch forschen, um herauszufinden, wie die Koexistenz zwischen Weidetierhaltung und Wölfen funktionieren kann. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Da der Wolf Artenschutzstatus hat, ist hier der Bund in der Pflicht. Gern kann er das auch gemeinsam mit den Bundesländern erledigen. Dieses Kompetenzzentrum muss aber jetzt kommen. (Beifall bei der LINKEN) Als Tierärztin sage ich auch deutlich, dass der Bund für die Epidemiologie, also die angewandte Tierseuchenforschung, mehr tun muss – und zwar deswegen, weil wir immer häufiger Bedrohungslagen haben, aktuell zum Beispiel durch Vogelgrippe und Afrikanische Schweinepest. Die Forderung von Minister Schmidt nach mehr EU-Geld für Überwachungsuntersuchungen ist zwar vollkommen richtig. Wir müssen mit diesen Ergebnissen aber natürlich auch etwas anfangen können. Wir müssen besser verstehen lernen, was es konkret bedeutet, wenn bei einer einzigen Krickente H5N8 gefunden wird, und was Behörden und Betriebe denn tun müssen, um die Ausbreitung zu verhindern. Wir müssen doch wissen, warum binnen weniger Tage eine gefährliche Influenzavariante aus Korea in drei verschiedenen Betrieben in drei verschiedenen Ländern der EU bei drei verschiedenen Geflügelarten auftaucht. (Zuruf von der SPD: Richtig!) Wir brauchen auch eine Deckelung der Größe von Tierbeständen am Standort und in den Regionen. Es ist doch nicht zu verantworten, dass im Verdachtsfall vorsorglich Hunderttausende Hühner oder Zehntausende Schweine getötet werden müssen, auch wenn sie gesund sind. Im Agraretat wird aber auch Geld falsch ausgegeben. Zum Beispiel wird nach wie vor fossiler Agrardiesel mit 430 Millionen Euro jährlich gefördert. Das ist zwar eine wichtige Unterstützung für die Betriebe. Es ist aber viel sinnvoller, einheimische Pflanzenkraftstoffe für die Landmaschinen zu fördern. Das bringt übrigens auch mehr Arbeitsplätze und Geld in die ländlichen Räume. Deswegen wollen wir 10 Prozent der Mittel aus diesem Fördertopf verwenden, um den Wechsel von fossilen zu pflanzlichen Kraftstoffen zu unterstützen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber selbst wenn das Geld in diesem Mini-Etat ausschließlich sinnvoll verwendet werden würde, wären zwei grundsätzliche Probleme nicht gelöst: Erstens korrigiert das eben nicht die falsche Agrarpolitik in der EU. Diese macht nämlich die Agrarwirtschaft zum Zulieferer auf einem sozial und ökologisch blinden Markt, statt sie in ihrer eigentlichen Funktion zu stärken, nämlich die Regionen mit Lebensmitteln und erneuerbaren Energien sicher und bezahlbar zu beliefern. Zweitens bleiben die ländlichen Räume auf der Strecke. Sie legen zwar ein Bundesprogramm für die ländlichen Räume auf, aber bundesweit 10 Millionen Euro für zwei Jahre sind angesichts der Probleme, die dort existieren, ein Tröpfchen auf einen überhitzten Stein. Einzelne Projekte machen ja noch lange kein Konzept. Ich selbst wohne in einem Dorf mit 60 Seelen und kenne die dortige Situation. Ich möchte hier einmal mit einem Missverständnis aufräumen. Wir leben dort nicht, weil wir nicht schnell genug weggekommen sind oder weil wir krank, alt oder doof sind. Wir leben dort, weil wir besondere Lebensbedingungen haben wollen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wir verzichten dafür auch gerne auf andere Dinge. Aber wir brauchen dennoch eine gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, gute Bildung und Kultur, Internet und Gesundheitsversorgung. Wir haben ein Recht darauf und wollen keine Almosen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Uns fehlt, ehrlich gesagt, ein Minister, der im Kabinett auch einmal mit der Faust auf den Tisch haut, wenn nicht genug Geld zur Verfügung gestellt wird. Ihr Mantra von der schwarzen Null ist gerade für die ländlichen Räume fatal. Dass Sie nicht einmal versuchen, durch eine gerechte Steuerpolitik und durch das Unterbinden von Steuerflucht mehr Geld für einen ausgeglichenen Haushalt einzunehmen, ist der eigentliche Skandal. Dadurch wird die soziale Ungerechtigkeit verschärft und werden die Zukunftschancen in den ländlichen Räumen verbaut. Apropos dünn besiedelte Gebiete: Im europäischen Maßstab ist nicht Deutschland dünn besiedelt, sondern Lappland und Teile Estlands. Ich habe im Urlaub selbst erlebt, dass es dort eine bessere öffentliche Daseinsvorsorge gibt als in Deutschland. Das zeigt doch, dass es nur eine Frage des Willens ist, es dann auch zu realisieren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen wird die Linke im Interesse der Dörfer und der kleinen Städte auch weiter Druck machen für eine nachhaltige Agrarpolitik. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Dr. Tackmann. – Nächster Redner in der Debatte: Johann Saathoff für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Johann Saathoff (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Jahren haben wir in der Landwirtschaft viele Entwicklungen erlebt, die wir heute nicht länger hinnehmen wollen. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um noch einmal ganz weit zurückzudenken an die McSharry-Reform von 1992. Diese Reform war wegweisend und ein tiefer Einschnitt zugleich. Aber wir haben auch nach den Reformen von Fischler und Ciolos immer noch große Probleme in der Landwirtschaftspolitik. Der Fokus in der Landwirtschaft liegt nach wie vor nur auf Produktivität. Wir kommen einfach nicht weg vom Motto „Wachsen oder Weichen“. Wir brauchen uns nur einmal die aktuelle Situation auf dem Milchmarkt anzuschauen. Es wird produziert, was das Zeug hält. Niemals zuvor waren die Überschüsse so hoch. Unser Heil suchen wir derweil auf neuen Märkten. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, so darf es nicht weitergehen. Das alles basiert auf externalisierten Kosten, genau wie bei der Atomkraft. Die Auswirkungen auf die Umwelt sind enorm. Menschen arbeiten unter zum Teil äußerst fragwürdigen Bedingungen, und die Zeit der Tiere vor ihrem Tod lässt sich kaum als Leben bezeichnen. So wie wir nun endlich alle erkannt haben, dass wir aus der Atomkraft aussteigen wollen, so müssen wir auch erkennen, dass sich in unserer Agrarpolitik -etwas ändern muss. Wir wollen die Politik für die ländlichen Räume nicht länger als Teil der Landwirtschafts-politik betrachten, sondern umgekehrt die Landwirtschaftspolitik als Teil der Politik für die ländlichen Räume. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn wir die Landwirtschaftspolitik nur als einen Baustein der Politik für die ländlichen Räume neben anderen Bausteinen wie der Umwelt, dem Tierschutz, den Arbeitsbedingungen und der Energie betrachten, dann stellen wir fest, dass wir andere Lösungsansätze für die Landwirtschaft brauchen, Ansätze, die wir gemeinsam mit den Landwirten entwickeln wollen; denn heute wird doch mehr Geld an der Landwirtschaft als in der Landwirtschaft verdient. Viele Landwirte, die eigentlich freie Unternehmer sein wollen, befinden sich faktisch in Abhängigkeit und sind nur noch ein kleines Rädchen in einem großen System. Das kann doch keinem Landwirt gefallen. Deswegen denken wir schon jetzt an die Halbzeitbewertung der GAP. Wir sind der Meinung, dass sich Cross Compliance nicht nur auf den Acker beziehen darf und dass es öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen geben darf. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) In unserer Politik für die ländlichen Räume unternehmen wir mit dem Haushalt 2015 – nach der Eiweißpflanzenstrategie in diesem Jahr – mit dem Bundesprogramm für die ländliche Entwicklung einen weiteren Schritt. Unser nächster Schritt ist bereits in Vorbereitung: die Grundgesetzänderung zur Weiterentwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Außerdem wollen wir innerhalb der Bundesregierung eine zentrale Stelle schaffen, die die Politik für die ländlichen Räume koordiniert; denn die Zuständigkeiten liegen in mehreren Ministerien – leider. Ich möchte uns allen an einem Beispiel die Situation der ländlichen Räume aus dem praktischen Leben heraus beschreiben: In meiner ostfriesischen Heimat gab es bis vor zwei Jahren noch einen Einzelhändler, der seinen Betrieb in der dritten Generation führte. Als er den Laden schloss, weil er sich nicht mehr rechnete, gab er uns mit auf den Weg, dass die Eltern junger Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz zukünftig nicht mehr bei ihm zu klingeln brauchten. Sie müssten nun die Klingel von Ebay oder Amazon suchen; denn er hatte einen Großteil seines Umsatzes an das Internet verloren. Wir wollen die ländlichen Räume schnellstmöglich an das schnelle Internet anschließen, um Unternehmen gleiche Arbeitsbedingungen und den Menschen gleiche Lebensbedingungen zu bieten. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das Geld für den Breitbandausbau im Haushalt?) Aber das Internet bedeutet nicht nur Segen. Das Kaufverhalten hat sich durch das Internet enorm verändert, und wir alle kennen die leerstehenden Ladenlokale im ländlichen Raum. Auch in Städten gibt es ein „Wachsen oder Weichen“ als Folge der immer gleich aussehenden und immer größer werdenden Einkaufszentren und Ketten, die um sich greifen. Damit wir solche Auswirkungen angemessen in unseren Überlegungen berücksichtigen, ist es wichtig, dass wir eine zentrale Stelle einrichten, die die ländlichen Räume im Blick hat. Dadurch können wir zuständigkeitsübergreifend durch geeignete Maßnahmen an der Reattraktivierung der ländlichen Räume arbeiten. Wir brauchen die Geschäfte, wir brauchen ein Bewusstsein der Menschen dafür, dass diese Geschäfte wichtig für sie sind, und wir brauchen die Wertschöpfung vor Ort, damit das Geld nicht durch das Internet in die weite Welt verschwindet. Noch schlimmer ist es allerdings, wenn die Menschen verschwinden. Mobilität und die Kosten der Mobilität sind schon jetzt für die Menschen von entscheidender Bedeutung. Die Menschen ziehen der Arbeit hinterher. Ein junger Mensch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz wird vermutlich Ostfriesland verlassen müssen, was die Problemlage der ländlichen Räume noch weiter verstärkt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Kind mutt Naam hebben, so sagt man in Ostfriesland. (Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU]) Ich will damit sagen, dass wir der Bedeutung der Politik für die ländlichen Räume in Zukunft dadurch Ausdruck verleihen sollten, dass das BMEL auch die ländlichen Räume in seinen Namen aufnimmt. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Saathoff. – Wie heißt das? Sagen Sie es bitte noch einmal. (Johann Saathoff [SPD]: Kind mutt Naam hebben! – Rainer Spiering [SPD]: Das Kind muss einen Namen haben!) – Gut, wieder was gelernt. Nächster Redner in der Debatte: Friedrich Ostendorff für Bündnis 90/Die Grünen. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geschätzte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum koalieren wir eigentlich nicht, Johann Saathoff? Das frage ich mich nach deinen Reden immer wieder. Die Landwirtschaft steht vor riesigen Herausforderungen. Das müssen wir heute besprechen. Die Probleme liegen auf der Hand – sie sind so offensichtlich, dass ein Schließen der Augen nicht mehr ausreicht, Herr Minister –, sei es die Belastung von Grundwasser durch Antibiotika, aber auch durch Nitrate, Phosphate, seien es die gesundheitlichen Gefahren für die Verbraucher durch antibiotikaresistente Keime, die aus der Massentierhaltung resultieren, oder sei es der Ausstieg von 40 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe, von fast 50 Prozent der Milchviehbetriebe und von etwa 70 Prozent der schweinehaltenden Betriebe allein in den letzten 14 Jahren. Die Veränderung der Landwirtschaft vollzieht sich in einem Tempo und mit einem Ausmaß, dass die Grundfesten unserer Gesellschaft berührt werden. Die Folgen sind, wie allgemein bekannt, der Rückgang der Arten – inzwischen auch der Allerweltsarten wie Spatz, Nachtigall, Kiebitz, Feldlerche; wer hätte das gedacht? –, die Entvölkerung des ländlichen Raums, der Verlust von ländlicher Kultur und von ländlichen Strukturen in einem ungeahnten Ausmaß und die zunehmende Entfremdung von Bäuerinnen und Bauern von der übrigen Nachbarschaft. Meine Damen und Herren von der Koalition: Wie lange wollen Sie sich das noch untätig ansehen? Wie lange wollen Sie weiter wie das Kaninchen vor der Schlange kauern? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist doch offensichtlich: Wir müssen endlich handeln. Dieses Handeln ist von Ihnen, Herr Minister Schmidt, leider wohl nicht mehr zu erwarten, ebenso wenig wie von den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU. Herr Minister Schmidt, Ihre Chefin, Frau Merkel, hat gerade gestern in ihrer Rede den zunehmenden Antibiotikaresistenzen, ausgelöst durch die Nutztierhaltung, den Kampf angesagt. Das sind gute Worte. Was tun Sie – außer weiterhin aufzuschreiben bzw. aufschreiben zu lassen, in welch unglaublichem Ausmaß medizinisch wichtige Antibiotika als Treibstoff in der Massentierhaltung eingesetzt werden? Dieses Nichtstun reicht doch nicht, Herr Minister! Handeln ist gefordert! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zu „Christian“ sagen wir Ja. Aber wir sagen: mehr Meyer, weniger Schmidt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch die nebulöse Tierwohl-Initiative muss wohl eher als Beruhigungspille denn als wirksame Behandlung bezeichnet werden, Herr Minister. Seit Jahren werden die Verhältnisse in der Landwirtschaft schöngefärbt. Im Sommer dieses Jahres erklärten Sie noch – das war Ihr Credo –: Hohe Exporte bringen hohe Preise. – Das ist schon jetzt überholt. Das haben Sie der Landwirtschaft aber immer wieder erzählt. Seit Ilse Aigner setzt diese Bundesregierung auf Export. Sie kennt nur ein Kriterium: Größe und Masse. Wie aber sieht die Realität aus? Die nächste Milchkrise ist schon da. Milchpreise von 30 Cent je Liter und deutlich darunter bringen sehr viele bäuerliche Betriebe in allergrößte Existenznot. Nach dem Wegfall der Quote im nächsten Jahr wird der Ausstieg dramatisch werden – leider. Keiner von uns hat das gewollt. Aber Sie haben es sehenden Auges hingenommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Gleiche gilt für die Perspektive der kleinen und mittleren Schweinehalter. Preise von 1,40 Euro und darunter für das Kilo Fleisch – im Januar notierte der Preis an der Börse sogar bei 1,30 Euro – sind absolut ruinös. Meine Damen und Herren von der Koalition, es ist doch das simpelste ökonomische Gesetz, dass eine Steigerung der Angebotsmenge bei gleich bleibender Nachfrage zum Preiszusammenbruch führt. Deutschland produziert heutzutage aber 115 Prozent des eigenen Bedarfs an Milch, und wir produzieren 125 Prozent des eigenen Bedarfs an Schweinefleisch. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Und bei Eiern?) Ich sage: Der Bedarf ist gedeckt. Ich glaube, das können wir angesichts dieser Zahlen feststellen. Aber: In diesem Jahr wird bei Milch ein abermaliger Rekordzuwachs von 4 Prozent erwartet. Sie fördern das noch, und zwar durch viel Steuergeld, das in den Bau neuer Ställe fließt. Aber auch der Weltmarkt ist, was deutsche Produkte betrifft, gesättigt. Herr Fricke – er sitzt auf der Tribüne –, hören Sie jetzt zu; denn jetzt wird Ihre Zeitung zitiert. „China hat keinen Hunger mehr auf deutsches Schweinefleisch“, titelt die Vieh und Fleisch, die Herr Fricke mitverantwortet. (Zuruf von der CDU/CSU: Dann schicken wir halt Rindfleisch!) Der chinesische Milchdurst wird geringer und zunehmend durch Neuseeland gedeckt. Neuseeland produzierte alleine in den ersten neun Monaten 2014  12 Prozent mehr Milch. Das ist ein Teufelskreis für unsere Bäuerinnen und Bauern. Produktionssteigerung, Konzentration der Tierhaltung und damit verbundene Umweltfolgen, Aufgabe von kleinen und mittleren Betrieben, weitere Ausweitung und Konzentration der Produktion, Sinken der Preise und wieder Aufgabe von Betrieben: Das ist der Teufelskreis, in dem sich unsere Betriebe befinden. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, es ist doch nicht zu übersehen: Ihre Politik zielt darauf, dass am Ende 1 bis 2 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe übrig bleiben. Sagen Sie den Betrieben dies ehrlich, damit sie wissen, woran sie sind, und sich nicht noch in unnötige Verschuldung stürzen, die sie umbringen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Krise, meine Damen und Herren, ist eine grundsätzliche. Sie ist eine Krise des globalen Nahrungssystems. Sie von der CDU/CSU sind ihre Apologeten, die voller tiefer Überzeugung das Hohelied auf die Agrarindustrie singen. Was muss getan werden? Wir kommen nicht darum herum, die Probleme bei der Wurzel zu packen. Wir brauchen eine Kehrtwende in der Agrarpolitik. Wir brauchen ein neues Leitbild der Landwirtschaft. Die kleinen und mittleren bäuerlichen Betriebe müssen in ihrer Vielfalt endlich ins Zentrum der Politik gerückt werden. Wir brauchen die Flächenbindung in der Tierhaltung, um die durch die Massentierhaltung ausgelösten massiven Umweltprobleme zu beheben. Wir brauchen Bestandsobergrenzen und viel weniger Tiere im Stall, eine artgerechte Tierhaltung mit Weidegang und Einstreu, einen neuen Umgang mit dem Tier (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und eine Honorierung der vielfältigen öffentlichen Leistungen der kleinen und mittleren Betriebe. Das muss endlich das Prinzip des Handelns, das Prinzip der Gemeinsamen Agrarpolitik werden. Wir brauchen gemeinsame und konzentrierte Anstrengungen, um den genannten Herausforderungen zu begegnen und die Aufgaben zu lösen. Wir brauchen auch die Aufstockung der GAK-Mittel um 200 Millionen Euro, damit wir einen Aktionsplan für die bäuerlich-ökologische Landwirtschaft auf den Weg bringen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Ostendorff. – Nächster Redner in der Debatte: Franz-Josef Holzenkamp für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde, der Einzelplan 10 unseres Bundeshaushaltes 2015 setzt richtige und wichtige Akzente für das Landleben und auch für die Verbraucher in Deutschland. Es ist richtig: Bei einem Ausgabenanteil von 70 Prozent für die landwirtschaftliche Sozialpolitik ist der Gestaltungsspielraum natürlich eingeschränkt, und somit ist das nicht ganz einfach. Gerade wurde schon darauf hingewiesen: In dieser Konstellation – Herr Freese und Cajus Caesar – ist es ganz zum Schluss gelungen, 20 Millionen Euro zusätzlich für den präventiven Hochwasserschutz bereitzustellen – verbunden mit einem Maßgabebeschluss. Damit ist der Einstieg gelungen, mehr zu tun. Das ist ein klares und gutes Signal. Natürlich hätte das noch mehr sein können – das hätten wir uns alle gewünscht –, aber das Leben ist halt kein Wunschkonzert. Wir sind fest entschlossen, den Haushalt ohne Neuverschuldung zu verabschieden. Die Schulden von heute sind bekanntlich Steuern von morgen, und wir wissen, dass viele hohe Staatsverschuldungen letztendlich die Ursachen der Krisen der letzten Jahre waren. Deshalb ist dieser Weg richtig. Wir tragen mit dem Einzelplan 10 einen Anteil an der Gesamtverantwortung und leisten unseren Beitrag. Das heißt für uns zum einen, Maß zu halten, und zum anderen, die richtigen Schwerpunkte bei den Zukunftsinvestitionen zu setzen. Das ist hervorragend gelungen. Mein Dank geht insbesondere an die beiden Haushälter Herrn Caesar und Herrn Freese. In diesen Dank will ich gerne auch die Grünen, Herrn Kindler, und auch Herrn Claus miteinschließen. Dazu aber doch noch eine Bemerkung: Hier wurde darauf hingewiesen, man sollte sich, wenn es um den Strukturwandel geht, mehr in Richtung der grünen Landwirtschaftsminister bewegen. Gucken Sie einmal nach, wie groß der Strukturwandel zu Künasts Zeiten war! Ernsthaft! Sie werden sich wundern, wie hoch die Zahlen sind. Ich bin Niedersachse und in jeder sitzungsfreien Woche in Niedersachsen unterwegs. Ich befürchte, wenn es dort noch zwei, drei Jahre so weitergeht, werden wir ein Bauernsterben erleben, wie wir es noch nie erlebt haben. Das ist dann von den Grünen zu verantworten. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! Das ist doch der CDU-Tierschutzplan, den sie umsetzen! Sie setzen doch nur den Tierschutzplan von Herrn Lindemann eins zu eins um!) Meine Damen und Herren, wir sind ein besonderer Ausschuss. Wir sind zuständig für das Essen und Trinken von über 80 Millionen Menschen in Deutschland – und das auch noch täglich. Wir sind zuständig für gesunde, sichere, nachhaltig erzeugte und – das betone ich – bezahlbare Lebensmittel. Wir sind aber auch zuständig für knapp 300 000 landwirtschaftliche Familienbetriebe, und wir haben auch Verantwortung für fast 5 Millionen Familien, die ihren Lohn und ihr Brot in der -Agrarwirtschaft verdienen. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum macht ihr bei der Milch nichts? Warum lasst ihr das laufen? Ihr seht doch, was passiert!) Ich will an dieser Stelle auch nicht ganz ohne Stolz feststellen, dass es bei allen Herausforderungen, Aufgaben und Problemen, die niemand infrage stellt und die wir zu bewältigen bzw. zu lösen haben, stimmt: Unsere Lebensmittel waren noch nie so sicher und gut wie heute. Darauf kann man stolz sein. Dafür haben unsere Landwirtschaft und auch die Agrarwirtschaft Lob und Anerkennung verdient. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Uns ist das Landleben ein besonderes Anliegen. Landleben bedeutet Naturschutzraum, bedeutet Erholungsraum, aber bedeutet auch und vor allem Wirtschaftsraum. Das gerät leider immer wieder in Vergessenheit. Zum Landleben kommt es nicht einfach von alleine, wie manche hier tun, sondern es ist das Projekt einer starken Wirtschaft im ländlichen Raum, die vor Ort verwachsen und engagiert ist und die Menschen durch Arbeitsplätze und eine gute Infrastruktur im Dorf hält. Auch Natur – damit meine ich die Artenvielfalt – entsteht nicht einfach von alleine, wie manche tun, (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie stirbt!) sondern ist ebenfalls das Produkt menschlichen Wirkens und dabei auch maßgeblich von der Landwirtschaft geprägt. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie stirbt!) Daraus leite ich ab: Die Lebensader für lebendige Dörfer – sozusagen der Nukleus des Landlebens – ist die Landwirtschaft und nichts anderes. (Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Arten sterben!) Deshalb wollen wir die Marktposition zumindest stabilisieren. Dass wir insbesondere in manchen Regionen die Grenzen des Wachstums erreicht haben, weiß jeder. Das braucht auch niemand infrage zu stellen. Aber auch die Exportstrategie gehört mit zur Gesamtstrategie. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hohe Exporte bringen hohe Preise! Das war euer Credo! Das habt ihr doch den Bauern immer erzählt!) Exportsubventionen gibt es nicht mehr. Hier wurden die Agrarexporte in Entwicklungsländer angesprochen. Es gibt das Abkommen: „Everything but Arms“. Was bedeutet das? Die 50 ärmsten Länder der Welt dürfen in unser Land alles exportieren, was sie wollen. Sie können aber beim Import so viele Zollschranken aufbauen, wie sie wollen. Wenn Sie etwas kritisieren, dann bleiben Sie zumindest bei der Realität und bei der Wahrheit. Ich glaube, darauf haben die Zuschauer ein Anrecht. (Beifall bei der CDU/CSU) Wichtig ist uns ein Thema, das auch Bundesminister Schmidt schon ansprach: das Bundesprogramm für -ländliche Entwicklung. Wir wissen, dass wir strukturschwache Regionen haben. Für diese sogenannten strukturschwachen Landstriche wollen wir exemplarisch Lösungen finden. Ich bin froh, dass gerade dieses Thema, das uns ein besonderes Anliegen ist, auch ein Herzensanliegen unseres Ministers ist. Herr Minister, herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Volumen der GAK von 600 Millionen Euro ist gesichert. Wir wollen mehr und wollen diese Gemeinschaftsaufgabe in eine Gemeinschaftsaufgabe für ländliche Entwicklung umwandeln. Darin sind wir uns einig; darauf wurde hingewiesen. Unsere Landwirtschaft ist hochinnovativ und effizient unterwegs. Nie war die Qualität von Lebensmitteln besser; darauf habe ich hingewiesen. Auch das will ich deutlich sagen: Obwohl der Bauer in Deutschland ein hohes Vertrauen genießt, besteht zunehmend ein Unbehagen darüber, was und wie er etwas macht. Damit müssen wir uns sehr selbstkritisch auseinandersetzen. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ja! Sehr wohl!) Leider fand bislang dieses Unbehagen keinen Widerhall an der Ladentheke. Leider können wir auch von Umfragen nicht leben. Trotzdem stellen wir uns den Erwartungen und Veränderungen unserer Gesellschaft. Landwirtschaft braucht Akzeptanz. Aber entscheidend ist, wie wir das machen, wie wir wirklich zu Verbesserungen kommen. Herr Schmidt hat es deutlich gemacht: Anders als Sie machen wir das miteinander statt gegeneinander. Pauschale Stigmatisierungen sind einfach nicht lösungsorientiert. Vielleicht begreifen Sie das irgendwann im Laufe dieser Legislatur. Durch die Stärkung gezielter Forschungsaktivitäten erarbeiten wir praktikable Lösungen. Für die Forschung geben wir über 500 Millionen Euro aus. Nach wie vor muss die Wettbewerbsfähigkeit eine gewisse Rolle spielen, sonst kommt es zu Produktionsverlagerungen mit dem Verlust von Arbeitsplätzen. Das wollen wir nicht. Das beruhigt vielleicht das grüne Gewissen, aber den Tieren ist damit definitiv nicht geholfen, und es vernichtet Arbeitsplätze. Die von Minister Schmidt vorgestellte Tierwohl-Initiative ist genau der richtige Weg, tiergerechte und praktikable Lösungen zu erarbeiten. Er hat deutlich gemacht: Der Kompetenzkreis, der heute getagt hat, arbeitet unter Hochdruck. Aktuell arbeiten wir im Übrigen an der Entwicklung des Prüf- und Zulassungsverfahrens. Sie sehen: Wir sind inhaltlich intensiv unterwegs. Noch ein Satz zum Thema Antibiotika. Die Änderung des Arzneimittelgesetzes zum Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung, das wir beschlossen haben, ist erst in diesem Jahr in Kraft getreten. Die Vorgaben setzen in den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben an. Damit ermöglichen wir einen Vergleich, und damit wollen wir die Menge der eingesetzten Antibiotika in der Nutztierhaltung reduzieren, um Resistenzen beim Menschen vorzubeugen. Interessant ist auch, sich einmal die Werte des Genfer Sees anzuschauen, in dem sich viele resistente Keime finden, obwohl dort fast keine Tiere gehalten werden. Zur Wahrheit gehört aber auch: Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, weil wir auch in der Humanmedizin große Probleme haben. Wir sollten keine gegenseitigen Schuldzuweisungen machen, sondern sollten das Problem annehmen, und zwar in gesellschaftlicher Verantwortung. (Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat die Kanzlerin aber etwas anderes gesagt! Das Wort der Kanzlerin gilt!) Wir geben im kommenden Jahr über 30 Millionen Euro für mehr Tierschutz aus: für praktikable Lösungen statt unausgegorener Verbote. Schließlich müssen höhere Standards auch bezahlt werden. Eine besondere Verantwortung kommt dabei dem Lebensmitteleinzelhandel zu, ganz besonders in diesem Jahr. Es gab witterungsbedingt eine große Ernte, weil es der Wettergott in diesem Jahr, jedenfalls in den meisten Regionen, gut mit uns gemeint hat. Auch andere Dinge, wie das Russland-Embargo, spielen hier eine große Rolle. Das bedeutet Marktdruck, was zur Folge hat, dass die Preisspirale nach unten geht. Von dieser Stelle mein Appell an die vier marktbeherrschenden Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels: Überdenkt einmal die aggressive Preispolitik! Ich freue mich aber auch darüber – auch das will ich konstatieren –, dass der Lebensmitteleinzelhandel bei der Tierwohl-Initiative der Wirtschaft mitmacht und damit endlich auch Verantwortung übernimmt. Wir Bauern haben damit erstmalig die Chance, höhere Standards bezahlt zu bekommen. Das kann Ordnungspolitik nämlich nicht leisten, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Unser Leitbild der deutschen Landwirtschaft – das wurde vorhin angesprochen – ist und bleibt für die Union eine unternehmerische, wettbewerbsorientierte und familiengeführte bäuerliche Landwirtschaft. Sie wird immer wieder infrage gestellt. In meiner Region gibt es viele Tiere. In meiner Region sind über 90 Prozent der gesamten Landwirtschaft in den Händen bäuerlicher Familien. So gehört sich das, und so wollen wir das. Derjenige, der das infrage stellt, stellt letztlich lebendige Dörfer infrage. Er weiß nämlich nicht, worüber er redet. Ob konventionell oder öko, ob groß oder klein: Landwirtschaft auf die Zukunft auszurichten, das ist unser Ziel. Deshalb lautet die Zukunftsfrage nicht „Intensiv oder Extensiv?“ – das ist viel zu einfach –; es geht vielmehr darum, wie wir unabhängig von der Produktionsform besser, effizienter und auch nachhaltiger werden. Die reine ökologische Selbstbefriedigung hilft uns garantiert nicht weiter, meine Damen und Herren. Wir haben schon einige Parteitagsreden gehört. Wenn Sie auf Ihrem Parteitag debattieren, ob aus dem Veggie-Day nun eine Veggie-Steuer werden soll, dann hat das mit Freiheit – mit wirklicher Freiheit – überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, wovon reden Sie?) Wir sind mit diesem Haushalt 2015 auf einem guten Weg. Wir sollten die Aufgaben und Herausforderungen, aber auch die Probleme als Chance begreifen. Wir sind für 80 Millionen Menschen zuständig. Stellen wir uns selbstbewusst und mit Freude fröhlich und begeistert den Herausforderungen dieser schönen Berufe, und machen wir den Akteuren vor Ort, den Bauern, durch vernünftiges politisches Handeln Mut! Dazu Ihnen allen eine herzliche Einladung! (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Helau!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank, Herr Holzenkamp. Jetzt bin ich mal fröhlich. Das bin ich aber immer. – Nächste Rednerin: Christina Jantz für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Christina Jantz (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Haushalt durchbrechen wir die Schuldenspirale. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird ein Bundeshaushalt ohne neue Schulden verabschiedet. Das ist sozialdemokratische Politik; denn wir übernehmen Verantwortung für spätere Generationen. (Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!) Zugleich nutzen wir Spielräume, legen neue Schwerpunkte fest und investieren im Landwirtschaftshaushalt ganz gezielt, Herr Minister. Wir erfüllen damit nicht nur unsere Pflicht gegenüber den Menschen, sondern auch gegenüber der Umwelt und den Tieren. Meine Damen und Herren, besonders der SPD liegt der Tierschutz am Herzen. Wir haben uns dafür starkgemacht, dass dem Tierschutz auch im Haushalt 2015 gebührend Platz eingeräumt wird. Wir haben die Diskussionen in diesem Bereich in Fahrt gebracht und werden sie weiter vorantreiben. Nicht zuletzt ist es unser Verdienst, dass die Große Koalition sich klar und ohne Wenn und Aber dem Wohlergehen der Tiere verschrieben hat. Minister Schmidt setzt mit der Tierwohl-Initiative unsere Forderungen um. Lassen Sie mich nur zwei unserer Forderungen nennen, die jetzt verwirklicht werden: Erstens. Wir wollen seit Jahren, dass die Tierschutzforschung gestärkt wird. Zweitens. Wir wollen, dass Tiere besser gehalten werden, insbesondere Schweine, Hühner und Rinder. Sie alle, meine Damen und Herren, kennen die grausamen Bilder aus dem Fernsehen, beispielsweise von den qualvollen Zuständen in den Hähnchenmastställen. Im Bereich der Forschung möchte ich das Bundes-institut für Risikobewertung mit der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungs-methoden zum Tierversuch hervorheben. Wir stärken die Arbeit des Instituts mit 9 Millionen Euro und leisten damit unmittelbar einen Beitrag dazu, das Leiden von Versuchstieren zu vermeiden. (Beifall bei der SPD) Im Bereich der landwirtschaftlichen Tierhaltung haben wir mit dem geplanten Prüf- und Zulassungsverfahren für Stallhaltungssysteme die entsprechenden Eckpunkte festgelegt. In den vergangenen Monaten hat sich in meinen zahlreichen Gesprächen bestätigt, dass sowohl die Tierhalter als auch die Hersteller solche Verfahren begrüßen. Damit leistet dieses Verfahren nicht nur seinen Beitrag für mehr Tierschutz; es bedeutet auch Investitions- und Rechtssicherheit für die Hersteller und für die Landwirte. Diese Beispiele zeigen, dass wir uns mit Augenmaß diesem Thema genähert haben. Wir stellen keine überzogenen, widersprüchlichen Forderungen. Wir wollen Lösungen, die so tierfreundlich wie möglich und praktikabel sind. (Beifall bei der SPD) Wir stemmen uns zudem gegen die Auswüchse in der Intensivtierhaltung. Wir treten für ein gesundes Gleichgewicht in der Landwirtschaft ein. Das bedeutet selbstverständlich regional verankerte Ressourcen und umweltschonend produzierende Betriebe, Familienbetriebe. Dazu gehören gute Haltungsbedingungen und gesunde Tiere. Als Tierschutzbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion freue ich mich, dass die Arbeit für den Tierschutz im Ministerium gestärkt wird. Auf unser Drängen werden die notwendigen Stellen hierfür geschaffen. Wir bauen zudem den Bienenschutz aus. Mit einer -Institutsleiterstelle im Julius-Kühn-Institut verbessern wir das Bienenmonitoring. Das ist ebenfalls im Koalitionsvertrag verankert und war ein besonderes Anliegen der SPD. (Beifall bei der SPD) So gehen Umweltschutz und Tierschutz Hand in Hand. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben mit diesem Haushalt ein Mehr für den Tierschutz erreicht. Gemeinsam werden wir das Thema in den kommenden Monaten weiterentwickeln und vorantreiben. Wir wollen uns verstärkt beispielsweise dem Problem der Qualzuchten und auch des Wildtierhandels widmen. Wir nehmen es nicht länger hin, dass beispielsweise Hunde gezüchtet werden, die permanent entzündete Augen haben, oder Vögel, die sich nicht mehr auf einer Sitzstange halten können. Wir können nicht akzeptieren, dass eine Riesenpython in einer 50-Quadratmeter-Wohnung oder die Bartagame in der Badewanne gehalten wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sicher müssen wir hierfür das Tierschutzgesetz nachschärfen, und wir werden auf die Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Regelungen zu dem Umgang und dem Handel mit Wildtieren drängen. Ich habe eingangs deutlich gemacht, dass die SPD die Diskussion im Bereich des Tierschutzes in Fahrt gebracht hat. Es liegt an uns, nun nicht nachzulassen. Wir alle sind aufgefordert – und das ist nicht zuletzt eine ethisch-moralische Frage an jeden Einzelnen von uns –, das Beste für die Tiere zu erreichen. Ich lade Sie daher ein, in den kommenden Monaten und Jahren mit mir gemeinsam sachliche Lösungen zu finden, die dem Wohlergehen der Tiere auch tatsächlich nutzen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Jantz. – Nächste Rednerin in der Debatte: Gitta Connemann für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Gitta Connemann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei uns geht über den Tisch, was bei den Menschen in diesem Land auf dem Teller landet. So lässt sich die Arbeit unseres Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft auf den Punkt bringen. Unsere Themen gehen wirklich jeden in diesem Land an, denn es geht um Ernährung, unser tägliches Brot. Jeder muss essen, mindestens dreimal am Tag. Jeder kann mitreden, viele wollen es, und das ist auch gut so; denn Lebensmittel spielen eine wirklich herausragende Rolle für das, was uns am meisten bedeutet. Was ist es? Die Gesundheit, durchaus auch unser Aussehen. Oder um es ebenfalls auf Platt zu sagen: Eten un Drinken holt Liev un Seel binanner. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Aber Ernährung ist inzwischen mehr als reine Nahrungsaufnahme. Essen ermöglicht das Bekenntnis zu einem Lebensstil, übrigens auch zu einer Abgrenzung. Sind Sie Veganer, Flexitarier, Wurstesser? Sind Sie klassischer Mittagesser oder Snacker? Das Essen bestimmt das Sein. Das Fernsehen hat diesen Trend im Übrigen erkannt und darauf reagiert. Laut einer aktuellen Studie geht es dort an 34 Stunden pro Woche um Lebensmittel, Ernährung, Kochen und Essen. Jede Zeit hat eben ihre Themen. Jetzt ist es die gesunde und sichere Ernährung. Um diese scheint es nicht sonderlich gut bestellt zu sein. Jedenfalls kann man diesen Eindruck gewinnen, wenn man die Schlagzeilen liest. Da ist die Rede von -Dioxin-Eiern, Formschinken, Neuland-Hühnern oder Fairtrade. Es entsteht der Eindruck, dass eine Mafia aus Betrügern und Panschern uns alle vergiften oder zumindest täuschen will. Das alles wird übrigens angeheizt von einer Angstindustrie, die von der Skandalisierung lebt. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich betone an dieser Stelle: Es ist ein Spiel mit der Angst um höhere Quoten, höhere Spenden und manchmal auch um höhere Wählerstimmenanteile. Ich betone auch, dass die meisten NGOs außerordentlich wertvolle Arbeit leisten. Aber nicht jede ist dem Allgemeinwohl verpflichtet. Vielmehr gibt es inzwischen etliche, die ganz handfeste wirtschaftliche Interessen haben. (Zurufe der Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deshalb warnt zum Beispiel die Stiftung Warentest vor etlichen Tier- und Umweltschutzorganisationen – ich zitiere –: „Vorsicht angebracht“. Mit der Unsicherheit der Verbraucher wird gespielt. Dazu sage ich auch im Namen meiner Fraktion: Das ist aus unserer Sicht zynisch und verantwortungslos. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir stehen für Klarheit statt Wahrheit, (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um Klarheit und Wahrheit, nicht um ein Entweder-oder!) für Aufklärung statt Empörung, für Fakten statt Vermutung, übrigens auch für Wissen statt Unterstellung. Wie ist die Situation? Wir wurden noch nie so alt wie heute, blieben noch nie so lange gesund und aktiv. Vor dem Ersten Weltkrieg betrug die Lebenserwartung einer Frau noch nicht einmal 44 Jahre. Es gab keine Kühlketten. Es fehlte an Wissen über Hygiene. Es wurde gegessen, was es gab, und das war oft zu wenig, manchmal gar nichts. Heute wird eine Frau im Schnitt 81 Jahre alt. Die Lebenserwartung hat sich fast verdoppelt – dank der modernen Medizin, aber auch dank besserer Ernährung. So bestätigt uns das Bundesinstitut für Risikobewertung – ich zitiere –, dass Lebensmittel heutzutage im Vergleich zu früher aus naturwissenschaftlicher Sicht signifikant sicherer und qualitativ deutlich besser geworden sind … (Beifall bei der CDU/CSU) Ja, noch nie wurden Lebensmittel so sicher produziert wie heute. Noch nie wurde Nahrung so intensiv kontrolliert wie heute. (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!) Noch nie war Essen so preiswert wie heute. Noch nie gab es eine so große Auswahl wie heute. Es gibt Lebensmittel im Überfluss, und zwar mit dem Vierklang gesund, sicher, bezahlbar, vielfältig. Übrigens dank Gruppierungen, die hier vorhin massiv angegriffen wurden, dank unserer Landwirte, unserer Gärtner und unserer Fischer, aber auch dank unserer Fleischer, Bäcker, -Hersteller und Einzelhändler. Lieber Sven-Christian Kindler, bei allem Verständnis dafür, den Wahlkampf in den Plenarsaal zu tragen, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin nicht im Wahlkampf! Es geht hier ums Debattieren!) sage ich: Ich lehne als Schwester eines Landwirts, der tagtäglich das tut, was von ihm gefordert wird – er bringt sich in die Gesellschaft ein; er ist da, wenn ein Mann gebraucht wird, sei es in der Feuerwehr oder dann, wenn es darum geht, das Osterfeuer zusammenzuschieben; er erzeugt Nahrungsmittel, wie sie sein sollen –, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht hier nicht um die einfachen Landwirte! Es geht um die Großindustrie!) und im Namen aller Urproduzenten sowie meiner Fraktion diese Stigmatisierung ab. (Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie billig ist das denn? – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gitta, du weißt es doch besser!) Denn es sind genau diese Produzenten, die dem Verbraucher die Wahl ermöglichen. Genau diese Freiheit will er behalten. Die Bürger wollen selbst entscheiden, wann sie was wie essen. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!) Dies hat die Diskussion über den sogenannten Veggie Day eindrucksvoll bewiesen. Wir brauchen keine staatlichen Volkserzieher, auch keine Bevormundung durch Kaloriensteuern. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer macht denn hier Wahlkampf?) Was wir brauchen, sind Wahrheit und Klarheit, damit der Verbraucher wirklich selbst entscheiden kann. Das ist schwieriger geworden, ohne Frage; denn die Verhältnisse haben sich verändert. Hier sind viele gefordert. Erstens, die Wirtschaft selbst. Die Globalisierung des Handels erhöht die Wahlfreiheit. Die Technologisierung der Lebensmittelproduktion bringt Fortschritt. Aber beides ist dem größten Teil der Bevölkerung fremd. Deswegen müssten sich Branchen öffnen und auch realistisch informieren. Ich sage sehr kritisch: Dem wird so manche Werbung nicht gerecht. Wir sehen Bilder von der lächelnden Bäuerin, die den Joghurt mit der Hand rührt. Mit der Realität hat das wirklich nichts zu tun, und das ist auch gut so; denn wahrscheinlich würde ein Gesundheitsamt diesen Joghurt nicht abnehmen, und das Frühstück wäre unbezahlbar. Aber die Verbraucher sind am Ende enttäuscht. Wagen Sie Transparenz! Zweitens. Es gibt Informationen im Überfluss. Wer soll da eigentlich noch den Durchblick behalten? Hinzu kommen beschönigende Abbildungen, zum Teil auch -irreführende Werbeaussagen. In der Hühnersuppe ist kein Hühnerfleisch, im Schwarzwälder Schinken kein Schwarzwälder Schwein. Deswegen ist es gut – da spreche ich Sie an, lieber Herr Minister –, dass diese Bundesregierung, dass auch Sie sich auf EU-Ebene dafür eingesetzt haben, dass es klarer wird. So ab dem 13. Dezember wird besser gekennzeichnet werden – dank dieser Bundesregierung. Die Lebensmittel-Informationsverordnung wird zu mehr Transparenz beitragen; denn damit sind Nährwertangaben zukünftig Pflicht. So kann jeder Verbraucher sehen, wie viele Kalorien das Lebensmittel hat, wie viel Fett, Kohlehydrate und Eiweiß das Lebensmittel hat – deutlich sichtbar und gut lesbar, und das übrigens alles ohne Ampel, die inzwischen auch von der Europäischen Kommission stark kritisiert wird. Wir als Fraktion haben immer vor dieser Simplifizierung gewarnt. Trauen wir dem Verbraucher doch etwas zu! (Beifall bei der CDU/CSU) Wir schützen Verbraucher, lieber Herr Minister, besser vor Täuschungen; denn ab dem 13. Dezember sind Hersteller verpflichtet, künstlichen oder minderwertigen Ersatz in Lebensmitteln, wie zum Beispiel Vanillin statt echter Vanille, anzugeben, und zwar in unmittelbarer Nähe des Produktnamens. Klebefleisch ist mit dem Hinweis „aus Fleischstücken zusammengefügt“ kenntlich zu machen. Damit dienen wir Verbrauchern, aber auch den Erzeugern und den Produzenten, die Klarheit und Wahrheit ernst nehmen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Placebo!) Drittens brauchen wir Verbraucherbildung; denn wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, dass sich der Verbraucher verändert hat. Das klassische Mittagessen in der Familie ist inzwischen nicht mehr die Regel. Statt drei Mahlzeiten am Tag gibt es gegebenenfalls zehn Snacks. Kochkultur und Ernährungskompetenz befinden sich auf dem Rückzug. Das Basiswissen fehlt. Wenn die Bundesratsbank besetzt wäre, würde ich jetzt an die Länder appellieren: Tun Sie den mutigen Schritt, und führen Sie endlich ein Fach „Verbraucherbildung, Kompetenz Haus- und Ernährungswirtschaft“ ein. Damit wäre allen gedient. (Beifall bei der CDU/CSU) Das tun die Länder leider nur eingeschränkt. Deshalb ist es wichtig, dass der Bund in Verbraucherbildung investiert. Lieber Herr Minister, das tun Sie. In Ihrem Haushalt sind für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Ernährung im nächsten Jahr über 103 Millionen Euro vorgesehen. Sie setzen dabei einen Schwerpunkt auf die Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Ich erinnere an „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“. Mit Projekten wie dem Ernährungsführerschein oder „KLASSE, KOCHEN“ wird Basiswissen darüber vermittelt, wo und wie Lebensmittel wirklich produziert werden. So wird das Einmaleins der Ernährung vermittelt. So können auch Lebensmittelabfälle vermieden werden; denn – darin sind wir uns einig – unser Essen ist zu gut für die Tonne. All dies bietet unser Haushalt. Deswegen kann ich am Ende sagen: Bei uns geht über den Tisch, was bei den Deutschen auf dem Teller landet, und das ist gut so. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank, Frau Kollegin Connemann. – Es liegt noch der Wunsch nach einer Zwischenfrage vor. Wird auf die Zwischenfrage noch Wert gelegt, oder wollen Sie eine Kurzintervention machen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Rede der Kollegin Gitta Connemann zu Ende. Ich rufe jetzt den Kollegen Willi Brase für die Sozialdemokraten auf. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Willi Brase (SPD): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Einzelplan „Ernährung und Landwirtschaft“. Wir haben einiges über die Entwicklung der ländlichen Regionen gehört. Ich habe einmal ein bisschen gestöbert und geschaut, was uns eigentlich die Wissenschaft sagt, was uns Institute sagen, wenn es um den Vergleich von städtischen Metropolen und ländlichen Regionen geht. Das hört sich etwas anders an als das, was wir teilweise hier heute erfahren haben. Auf dem Land – so heißt es da so schön – kommen die großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie demografischer Wandel, Fachkräftemangel oder lückenhafte Infrastruktur schneller und direkter an. Deswegen müssen Lösungen für diese Herausforderungen hier früher entwickelt und umgesetzt werden. Ländliche Räume werden so zu Experimentierfeldern für neue Konzepte, die sich unabhängig von ihrer geografischen Lage beweisen müssen … Das ist die Aussage des Leiters Gesellschaftliches Engagement der Deutschen Bank, die beim Fraunhofer-Institut eine entsprechende Studie im Rahmen der Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“ in Auftrag gegeben hat. Es wird weiter festgestellt, dass es einige Megatrends gibt, die durchaus positiv und bekräftigend für die sogenannten ländlichen Regionen, für den ländlichen Raum und für die ländliche Entwicklung sind. 1. Unternehmergeist in ländlichen Räumen: Ländliche Regionen – ich komme aus der industriestarken Region Südwestfalen – entwickeln Innovationsstrategien und neue Wirtschaftszweige, vor allem zur Nutzung ihrer natürlichen Ressourcen. … Dienstleistungen … werden modernisiert und digitalisiert. Ziel ist es, die Standortattraktivität aufrecht zu erhalten. Genau das stimmt. Das kann ich teilweise in vielen Regionen von Baden-Württemberg bis Schleswig-Holstein feststellen. Genau das wird im ländlichen Bereich gemacht. Ich finde, an dieser Stelle muss man ihn nicht herunterreden, sondern sagen: Das sind starke Regionen, und das muss auch so bleiben. (Beifall bei der SPD) 2. Ressource Natur als Wirtschaftsmotor: … ländliche Räume … haben einen … Wettbewerbsvorteil gegenüber Städten und Metropolregionen: für eine wirtschaftlich attraktive Energiegewinnung … Darüber werden wir gleich noch im Zusammenhang mit Einzelplan 16 diskutieren; wir haben auch schon häufig darüber diskutiert. Außerdem nutzen ländliche Regionen die Natur bis hin zum Tourismus und sagen: Hier kannst du nicht nur gut arbeiten. Wo andere Urlaub machen, da arbeiten wir. – Auch das ist ein positives Merkmal. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) 3. Regionen werden zur Marke. Ländliche Regionen entwickeln zunehmend ihre eigenen Gesichter. Man weist ein Stück weit mit Stolz und Zufriedenheit auf die eigene Region hin, wo man lebt, wo man bestimmte Produkte hat und wo es bestimmte Entwicklungen gibt. Außerdem gibt es immer mehr ländliche Regionen, die sich gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel aussprechen und die GVO-frei bleiben wollen. Auch das sollten wir einmal positiv bemerken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es gibt wieder regionaltypische Kulturangebote. Wer heute durch die Bundesrepublik wandert – auch elektronisch – und schaut, welche kommunalen und regionalen Kulturangebote in den unterschiedlichen Jahreszeiten gemacht werden, der kann nur sagen, dass das eine tolle Sache ist. Das geht von der Nordsee bis zu den Alpen, von Aachen bis Cottbus. 4. Gemeinsam für die Region. Verantwortungsbewusstsein und Gemeinschaftsgefühl prägen das Miteinander und sorgen im Bereich gesellschaftlicher und sozialer Innovationen sowie im Kampf gegen den Fachkräftemangel für ungewöhnliche, aber erfolgreiche Wege … Also, ich erlebe ländliche Regionen nicht weinerlich und jammernd. Ich erlebe sie auch nicht so, dass nur die Landwirtschaft im Mittelpunkt steht. Vielmehr erlebe ich ländliche Regionen so, dass Menschen anpacken, dass sie Visionen entwickeln, dass sie nach vorne gehen, dass sie gut arbeiten und immer wieder bereit sind, Neues aufzunehmen. Ein weiterer Punkt sind vernetzte Dörfer. Das ist allerdings ein Problem, das wir im Bereich der ländlichen Regionen noch lösen müssen. Vernetzte Dörfer heißt nichts anderes, als den Breitbandausbau und die Digitalisierung voranzutreiben. Deshalb sind wir Sozialdemokraten dafür, die GAK, sprich: die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, weiterzuent-wickeln. Das haben wir uns vorgenommen, und das werden wir auch auf den Weg bringen. Hierfür brauchen wir eine Grundgesetzänderung, damit wir nicht nur BULE haben, was richtig und notwendig ist, wo experimentiert wird und Best Practice auf den Weg gebracht wird. Wir wollen es aber grundsätzlich so verankern, dass es in einem Artikel des Grundgesetzes um die Agrarstruktur und den Küstenschutz sowie um die regionale ländliche Entwicklung geht. (Beifall bei der SPD) Im Haushalt haben wir dafür 600 Millionen Euro in die Hand genommen. Das ist gut. Als Fachpolitiker waren wir uns aber einig, dass wir, wenn wir die GAK reformiert haben, Herr Minister, mehr Geld brauchen. Das heißt, wir müssen gut und kräftig kämpfen, damit wir bei und mit den Haushältern mehr Geld organisieren, damit im positiven Sinne tatsächlich der richtige Weg für die ländlichen Regionen eingeschlagen wird. Ich fasse zusammen: Ländliche Räume sind Zukunftsräume. Die Beteiligungsbereitschaft der Menschen dort ist hoch. Ländliche Räume sind partizipativ und kooperieren. Wir müssen etwas für die Daseinsvorsorge dort machen. Vor diesem Hintergrund wird es Sie nicht erstaunen, wenn wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sagen: Wir wollen langfristig die erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik in die zweite überführen. Vielen Dank für Ihr geduldiges Zuhören. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Danke schön. – Abschließender Redner zu diesem Einzelplan ist der Kollege Rainer Spiering, SPD. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Rainer Spiering (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe dem Verlauf der Diskussion heute sehr aufmerksam zugehört. Gestatten Sie mir, zu sagen, dass ich bei einigen Diskussionsbeiträgen doch irritiert war. Auf meiner Agenda steht: Postleitzahl 49… Das ist der Wahlkreis Osnabrück-Land, also rund um Osnabrück. Dort befindet man sich mitten im Zentrum deutscher Tierproduktion mit den entsprechenden Folgen. Dort zu leben, erzeugt vielleicht eine höhere Sensibilität, als sie der eine oder andere hat. Man erlebt bei uns zu Hause eine ausgesprochen effiziente Landwirtschaft, die so arbeitet, wie der Industriestaat Deutschland arbeitet. Wie sollte sich die Landwirtschaft davon auch abkoppeln? Das hat natürlich Folgen. Wir sind mittlerweile bei Produktionsstandards angelangt, bei denen zumindest ich – da gehe ich auf Johann Saathoff ein – ein Unbehagen wahrnehme. Ich glaube, wir müssen dieses Unbehagen sehr sensibel aufnehmen, und zwar im Sinne unserer produktiven Landwirtschaft. Es findet in diesem Land mittlerweile eine ausgesprochen intensive Wertediskussion statt. Ich glaube, wir sollten diese Wertediskussion begleiten. Ich sehe auf der Regierungsbank Staatssekretärin Frau Schwarzelühr-Sutter sitzen. Sie hat ein ganz tolles Amt; sie ist nämlich Verwaltungsratsvorsitzende der DBU, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt – ich glaube, sie war an diesem Projekt nicht ganz unbeteiligt – macht jetzt eine ganz interessante Studie: Man untersucht landwirtschaftliche Höfe auf ihre ökologische Verträglichkeit beim Einsatz von Energie. Ökobilanzen kennen wir aus industrieller Tätigkeit. Im industriellen Bereich sind solche Untersuchungen seit langem gang und gäbe. Jetzt macht die DBU zusätzlich etwas, was ich ausgesprochen spannend finde, nämlich eine Ethiküberprüfung. Das heißt, es werden Produktionsstandards und Energieeffizienz von 15 oder 20 sehr großen Höfen intensiv untersucht, und parallel dazu findet eine Ethikdebatte über die Frage statt, wie sich unser Verbraucherverhalten, unsere Produktion auf unsere Wahrnehmung auswirken. Ich finde es ganz wichtig, dass wir uns dieser Diskussion stellen. Nur wenn wir uns dieser Diskussion inhaltlich gestellt haben und Ergebnisse vorliegen, können wir auch fortschreiten – oder aber uns zurücknehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn man wie ich aus einer Region mit einem Riesenstahlwerk kommt, dann fällt einem der Vergleich sehr leicht. Natürlich sind wir in der Effizienz unserer Stahlherstellung unglaublich gut geworden. Aber ich sage Ihnen: Es gibt einen Unterschied zwischen der Steigerung der Stahlproduktion und der Tieraufzucht, und dessen müssen wir uns jederzeit bewusst sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ein weiterer wichtiger Themenkreis für die Landwirtschaft in der Region Osnabrück ist die mit der Landwirtschaft einhergehende Landwirtschaftsindustrie. Ich habe heute noch einmal nachgeschaut: Krone, Grimme, Amazone, Claas haben ein Umsatzvolumen von 5 Milliarden Euro, ungefähr 13 000 Beschäftigte und einen Exportanteil von knapp über 70 Prozent. Das ist natürlich auch meiner Heimatregion geschuldet. Diese Unternehmen sind unglaublich intensiv am Markt. Was sie natürlich brauchen, Herr Minister – jetzt komme ich wieder zu meinem Lieblingsthema –, ist, dass sie von der Bundesrepublik Deutschland bei unglaublich intensiven Forschungsvorhaben begleitet werden. Ich bin unlängst bei Claas gewesen. Ich hoffe, dass ich das jetzt nicht falsch darstelle; denn es ist ziemlich kompliziert: Es wird ja eine Eiweißstrategie verfolgt. Man beschäftigt sich dabei mit der Umsetzung von Proteinen. Man ist bei Claas in der Sensorik mittlerweile so weit, dass man offensichtlich schon bei der Aufnahme des Grases feststellen kann, wie hoch dessen Proteingehalt ist. Das finde ich total spektakulär. Toll finde ich auch, dass so etwas bei uns in Deutschland stattfindet. Ich glaube, dass wir da im Rahmen der technologischen Fortentwicklung – ich verweise auf Düngerhersteller wie Amazone – insgesamt Unterstützung leisten müssen. Wenn wir den Technologiestandort Deutschland mit seiner Riesenexportrate weiterentwickeln wollen, dann müssen wir da mehr Forschungsmittel investieren. Eines möchte ich, bevor meine Redezeit vorbei ist, noch loswerden: Ich habe heute beim DIL nachgefragt: Wie sieht es eigentlich mit der Energieintensität der Lebensmittelproduktion aus? Von den 500 Exajoule, die wir an Energie pro Jahr weltweit verbrauchen, entfällt zurzeit ungefähr ein Drittel auf die Lebensmittelherstellung, und zwar deshalb, weil wir da nicht effizient genug sind. Wenn Sie einmal einen konzentrierten Blick auf die Stadt Berlin und ihren Energieverbrauch werfen, dann werden Sie eine unglaublich hohe Energiedichte bei Edeka, Lidl, Aldi und Rewe finden. Das hängt mit der Produktionstechnik in Deutschland zusammen: Kühlketten, Produktionsketten, Logistikketten. All dies kommt dort zusammen. Ich glaube, wir werden intensiv daran arbeiten müssen, die Energieverluste, die wir dort erleiden, herunterzufahren, um eine wesentlich höhere Energieeffizienz zu bekommen. Dann, Herr Minister, sind wir bei der Bioökonomie, und ich weiß Sie da auf meiner Seite. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 10 – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft – in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen. Wir kommen zunächst zum Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/3303. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser Änderungsantrag ist damit mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen jetzt zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/3304. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt gegen diesen Änderungsantrag? – Dieser Änderungsantrag ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Linken abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 10? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es damit logischerweise keine. Der Einzelplan 10 ist damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt I.17 auf: Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Drucksachen 18/2815, 18/2823 Die Berichterstattung haben die Kollegen Abgeordnete Steffen-Claudio Lemme, Christian Hirte, Dr. André Berghegger, Roland Claus sowie Sven-Christian Kindler. Zu dem Einzelplan 16 liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Des Weiteren liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir aber erst morgen nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache, die letzte am heutigen Tag, 96 Minuten vorgesehen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Somit ist das beschlossen. Ich eröffne die Aussprache, sehe, dass mittlerweile alle hier zuständigen Kolleginnen und Kollegen ihren Platz eingenommen haben, und erteile als erstem Redner dem Kollegen Hubertus Zdebel von den Linken das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Hubertus Zdebel (DIE LINKE): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin Hendricks! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin und – er verschwindet leider gerade ins Gespräch – sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es war keine gute Entscheidung für den Umweltschutz, dass die Energiepolitik von der Großen Koalition aus dem Umweltministerium herausgetrennt und dem Wirtschaftsministerium zugeschlagen wurde. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das macht sich jetzt schon sehr deutlich bemerkbar, auch im Umweltausschuss selbst, weil verschiedene Themen, die früher immer im Umweltausschuss behandelt wurden – energiepolitische Fragen und sehr viele andere Fragen des Umweltschutzes –, teilweise nicht mal mehr im Umweltausschuss diskutiert werden, sondern nur noch im federführenden Ausschuss; das ist im Regelfall der Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Auch die Debatte um die Klimaschutzziele macht das sehr deutlich; denn es hängt jetzt vor allem vom Wirtschaftsminister ab, ob er dem Klimaschutz Vorrang gibt oder den wirtschaftlichen Braunkohleinteressen von Vattenfall und RWE. Das Umweltministerium kann nur noch Vorschläge machen; aber hier hat das Ministerium keine echte Handhabe mehr, um wirkungsvolle Klimaschutzmaßnahmen auch umzusetzen. So wird der Umweltschutz erneut der Wirtschaftspolitik untergeordnet. Das lässt sich an anderen signifikanten Bereichen Ihres Ressorts, Frau Hendricks, deutlich belegen. Stichwort Atommüll. Der Entwurf des nationalen Entsorgungsprogramms bringt es an den Tag: Wir haben vermutlich doppelt so viel Atommüll, wie die Bundesregierung bislang zugegeben hatte. Klar ist damit auch: Die gesamte Atommüllentsorgung wird noch viel teurer werden als bislang gedacht. Immerhin – das rechne ich Ihnen sehr hoch an, Frau Ministerin – hat die Bundesregierung jetzt begonnen, sich der strahlenden Realität zu stellen. Die Frage ist aber doch letztlich: Wann will die Bundesregierung endlich die entsprechenden Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen ziehen? – Davon ist bisher nichts zu sehen. An vielen Standorten entwickelt sich die Atommülllagerung zum Desaster. In Brunsbüttel zum Beispiel quillt der Atommüll aus verrosteten Fässern, und bundesweit wurden bislang 2 000 Rostfässer entdeckt. Der Atommüll in Jülich soll sogar – in meinen Augen rechtswidrig – in die USA verschoben werden, (Hiltrud Lotze [SPD]: Falsch!) weil man die sichere Lagerung bisher nicht in den Griff bekommen hat. Deswegen haben wir heute in der Debatte zum Forschungsetat verlangt, die vorgesehenen Finanzmittel für dieses rechtswidrige Atommüllgeschachere mit den USA zu streichen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Antrag wurde aber gegen die Stimmen der Linken und der Grünen von der Großen Koalition abgelehnt. (Hiltrud Lotze [SPD]: Zu Recht!) Das macht deutlich, wohin die Reise gehen soll. Der Schacht Konrad ist als Endlager nicht geeignet; das wissen wir alle. Der Ausbau des Lagers für leicht- und mittelradioaktiven Atommüll verzögert sich wegen immer neuer Probleme immer weiter. Dadurch steigen auch die Kosten. Und jetzt muss die Regierung zugeben: Er reicht nicht mal aus, um den gesamten Atommüll aufzunehmen. Der Oberbürgermeister von Salzgitter, die IG Metall Salzgitter-Peine, das Landvolk Braunschweiger Land und die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad haben völlig recht, wenn sie die Bundesregierung und die Niedersächsische Landesregierung auffordern, bei diesen Fragen endlich zu einem Neustart zu kommen. Meine Fraktion hat daher für die heutige Sitzung beantragt, kein neues Geld in den ungeeigneten Schacht Konrad zu stecken. (Beifall bei der LINKEN) Es macht auch wenig Sinn, weitere Haushaltsmittel in ein mangelhaftes Standortauswahlgesetz oder gar in den Aufbau eines völlig überflüssigen neuen Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung zu stecken. Die Anhörung der Endlager-Kommission vor einigen Wochen, Anfang November, hat diesen Unsinn verdeutlicht: Fast alle Experten meldeten massive Bedenken gegen dieses neue Bundesamt an. Wann wollen Sie, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, denn daraus die Konsequenzen ziehen? – Sie haben gleich die Chance, dem entsprechenden Änderungsantrag von uns zuzustimmen. (Beifall bei der LINKEN) Jahrzehntelang hatten die Atomkonzerne mit den AKW die Lizenz zum Gelddrucken. Den atomaren Dreck und die enormen Kostenrisiken sollen jetzt der Staat und damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler übernehmen. Die größte Unverschämtheit ist, dass sich die Konzerne nun auch noch aus der Finanzierung der Atommüllentsorgung stehlen wollen. Wir Linke sagen: Es gibt ein Verursacherprinzip, und dieses muss die Regierung durchsetzen. (Beifall bei der LINKEN) Frau Hendricks, es wäre gut, wenn Sie endlich klar sagen würden – da hört man im Moment sehr wenig von Ihnen –, wohin die Reise bei dieser Sache, bei der sogenannten Bad Bank für Atom, gehen soll. Lassen Sie mich am Schluss noch einiges zum -Fracking sagen. Für uns Linke ist klar: Fracking muss angesichts der unvorhersehbaren Risiken für Mensch und Umwelt ohne jegliche Ausnahmen per Gesetz verboten werden. (Beifall bei der LINKEN) Sonst stehen uns die nächsten Umweltkatastrophen und damit die nächste Kostenexplosion ins Haus. Eine Bad Bank für Fracking – ähnliche Überlegungen gibt es auch für den Atombereich – wäre vorprogrammiert. Noch im Juli 2014 hatten Sie, Frau Hendricks, gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel die strengsten Regeln angekündigt. Jetzt haben Sie diese Regeln weiter aufgeweicht. Bei aller Rhetorik: Die vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen laufen in Wirklichkeit auf ein Fracking-Erlaubnis-Gesetz hinaus. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben einen weiteren Kniefall vor den Konzernen gemacht, und Mensch und Umwelt bleiben erneut auf der Strecke, und das alles offensichtlich mit Ihrer Zustimmung, Frau Ministerin. So stellen wir uns wirkungsvolle Politik im Umweltbereich zum Schutz von Mensch und Natur nicht vor. Wir werden den Einzelplan daher ablehnen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Sozialdemokraten spricht jetzt der Kollege Steffen-Claudio Lemme. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Steffen-Claudio Lemme (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen, in dieser Haushaltsdebatte ist anlässlich des historischen Ereignisses, einen ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne neue Schulden aufzustellen, häufig der Begriff „Verantwortung“ gefallen. Ja, es ist richtig: Was wir unseren Kindern und Enkelkindern hinterlassen, bemisst sich nicht allein am Haushaltssaldo. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das stimmt!) Angesichts zunehmender Naturkatastrophen und des Klimawandels führt uns der Politikbereich des Bundesumwelt- und -bauministeriums unsere Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes besonders deutlich vor Augen. Ich möchte daher darlegen, welche Anstrengungen wir in Zeiten eines ausgeglichenen Haushalts im Bereich Umwelt-, Naturschutz-, Klima- und Baupolitik unternehmen. Die Hochwasserereignisse in den Jahren 2002 und 2013 haben allein im Gebiet um Donau und Elbe Schäden in Höhe von rund 18 Milliarden Euro verursacht. Gemeinsam mit den Ländern steht der Bund deshalb in der Verantwortung, dass sich solche Katastrophen nicht wiederholen. Deshalb investieren wir nun in vorbeugende Maßnahmen. Ich freue mich, dass wir trotz der Zielsetzung eines ausgeglichenen Bundeshaushaltes die Hochwasserschutzvorsorge entschlossen angehen und bereits im Jahr 2015 erste 20 Millionen Euro zur Verfügung stellen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Damit werden besonders schlimm betroffene Gebiete finanzielle Hilfe für präventive Maßnahmen wie Deichrückverlagerungen oder Flutpolder erhalten. Im Bereich Naturschutz konnten wir 3 Millionen Euro für den Kampf gegen die Wilderei bereitstellen. Im vergangenen Jahr fielen allein in Afrika mehr als 20 000 Elefanten Wilderern zum Opfer. Ähnlich dramatisch sieht die Lage bei Nashörnern aus. Allein in Südafrika wurden im letzten Jahr über 1 000 Nashörner illegal getötet. Mit den 3 Millionen Euro zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit im Naturschutz möchten wir stärker gegen den illegalen Handel mit Elefanten- und Nashornprodukten vorgehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Als weiteren Erfolg der parlamentarischen Haushaltsberatungen konnten wir mit 30 Millionen Euro das Förderprogramm zur Nachrüstung von Diesel-Pkw mit Rußpartikelfiltern wieder auflegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Diese erneute Unterstützung bei der Umrüstung ist sehr sinnvoll, da nach Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes zum Stichtag 1. Januar 2014 noch immer rund 1,5 Millionen Diesel-Pkw und 400 000 leichte Nutzfahrzeuge für eine Umrüstung in Betracht kommen. Auch die gestrige Rüge der EU-Kommission, dass wir unsere verbindlichen Grenzwerte für Feinstaub in einigen größeren Städten noch immer überschreiten, bestätigt den Sinn dieser Entscheidung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Verantwortung steht gerade auch dann im Mittelpunkt unseres Handelns, wenn es darum geht, Flüchtlingen, die bei uns Hilfe suchen, eine sichere und menschenwürdige Unterkunft bereitzustellen. Ich bin deshalb erleichtert, dass wir in der Bereinigungssitzung beschlossen haben, dass Grundstücke und leerstehende Gebäude im Besitz des Bundes den Ländern und Gemeinden zur Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen mietfrei überlassen werden. (Beifall bei der SPD) Als richtige Entscheidung hat sich auch das von uns mit dem Haushalt 2014 neu aufgelegte Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ erwiesen. So haben wir nicht nur eine jahrelange sozialdemokratische Forderung umgesetzt, indem wir die Städtebaufördermittel von 455 auf 700 Millionen Euro aufgestockt und die „Soziale Stadt“ zum Leitprogramm innerhalb der Städtebauförderung gemacht haben. Wir haben mit dem Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ ein Programm ins Leben gerufen, das eine wichtige Lücke in der Städtebauförderung schließt; denn es ermöglicht die Förderung von Projekten mit besonderer nationaler Wahrnehmbarkeit und Qualität. Vor einer Woche wurden 21 Projekte bekannt gegeben, die im Programmjahr 2014 profitieren werden. Mit der riesigen Resonanz, die dieses Programm erfahren hat, hatte ich nicht gerechnet; denn bis zum Fristablauf waren über 270 Projektanträge mit einem beantragten Fördervolumen von mehr als 900 Millionen Euro eingegangen. Das Programm war damit nur vier Monate nach seinem Entstehen bereits um mehr als das 18-Fache überzeichnet. Diesen Erfolg werden wir im Haushalt 2015 mit einer zweiten Förderperiode in gleicher Höhe fortsetzen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Kurz vor dem Klimagipfel in Lima, der noch in diesem Jahr den Weg für ein neues internationales Klimaabkommen bereiten soll, wird viel über das Erreichen unseres Reduktionsziels diskutiert. Ich meine: zu Recht. Angesichts der großen Relevanz möchte ich den Klimaschutz in meiner heutigen Rede hervorheben. Meiner Meinung nach gibt es keine Alternative dazu, unser selbstgestecktes Ziel, bis 2020 40 Prozent CO2-Emissionen gegenüber 1990 einzusparen, zu erreichen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sieht man aber nicht im Haushalt! Wo ist das im Haushalt?) Deutschland ist der größte Treibhausgasverursacher Europas und muss zeigen, dass Klimaschutz in einem Industrieland nicht nur funktioniert, sondern auch große Wachstumspotenziale beinhaltet. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht dein Parteichef aber anders!) Wir müssen vor dem Klimagipfel in Lima zu unserem Wort stehen, damit ein Abkommen für das internationale 2-Grad-Ziel beschlossen werden kann, doch dafür müssen wir noch eine Lücke zwischen 5 und 8 Prozentpunkten schließen. Es sind deshalb erhebliche zusätzliche Anstrengungen in allen Sektoren und von allen Akteuren erforderlich. Das Bundesumweltministerium und das Bundeswirtschaftsministerium gehen mit ihrem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 und dem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz, der mit 25 bis 30 Millionen Megatonnen zusätzlicher Einsparung Bestandteil des Aktionsprogramms sein wird, den richtigen Weg. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Starke Minderungspotenziale gibt es vor allem auch in der Energiewirtschaft, der Industrie, bei den Haushalten und somit insbesondere auch bei Gebäuden, im Verkehr und in der Landwirtschaft. Die Verantwortung zur Einhaltung des Ziels liegt somit nicht nur bei den beiden SPD-Ressorts Umwelt und Wirtschaft, sondern sie wird auch Zugeständnisse in anderen Bereichen erfordern. (Beifall bei der SPD) Zugegeben: Es ist einfach, unsere Ziele mit Prosa zu umschreiben und Forderungen zu stellen. Angesichts aller Interessenlagen, denen Sie gegenüberstehen, ist es ein Kraftakt, den Sie da vor sich haben, Frau Ministerin. Aber ich bin mir sicher, dass Sie diesen schaffen werden. (Beifall bei der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere solide Finanzpolitik mit einem ausgeglichenen Haushalt ermöglicht es uns auch, Mehrausgaben für Investitionen zu tätigen. Diese sind dringend notwendig, um nicht auf Verschleiß zu fahren. „Die Investitionsentscheidungen von heute werden die Zukunft unserer Wirtschaft und unseres Klimas bestimmen“, möchte ich an dieser Stelle den ehemaligen Weltbank-Chefökonomen und Co-Vorsitzenden der Globalen Wirtschafts- und Klimakommission, Lord Nicholas Stern, zitieren. Bei den zusätzlichen 10 Milliarden Euro für Investitionen sollten die Energieeffizienz im Gebäudebereich und die energetische Quartiers- und Stadtentwicklung daher eine herausragende Rolle spielen. Zusätzliche Investitionen ohne neue Schulden: Das sind insbesondere für die nachfolgenden Generationen gute Nachrichten – womit wir wieder bei der Verantwortung wären. Wir haben in diesem Jahr zwei Bundeshaushalte beraten. Ich denke, dass wir im Umwelt- und Baubereich eine gute Arbeit geleistet haben, an die wir nun anknüpfen können. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Beim Wohngeld gekürzt!) Ich möchte mich bei meinen Mitberichterstattern, auch wenn sie hier so reinquaken, für den stets guten Austausch bedanken. Auch beim Ministerium bedanke ich mich recht herzlich für die gute Zusammenarbeit. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Danke, Herr Kollege Lemme. – Nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Bärbel Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Hendricks, Haushaltsreden sind in der Regel auch Grundsatzreden. Gerade nach einem Jahr Bundesregierung bietet es sich an, eine Bilanz zu ziehen. Da will ich etwas machen, was Sie vielleicht ein bisschen wundert, Frau Ministerin. Zunächst einmal möchte ich Sie nämlich in meiner Funktion als Umweltausschussvorsitzende loben; (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) denn Sie informieren uns Abgeordnete, nehmen uns ernst und versuchen, uns da, wo Sie können, auch in unseren Anliegen zu unterstützen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Dafür herzlichen Dank! Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen. Wir haben als gesamter Umweltausschuss gefordert, dass bei unseren Dienstreisen, sowohl den Flugreisen als auch den Autofahrten, der CO2-Ausstoß kompensiert wird. Damit wollen wir ein Zeichen setzen. Mit diesem Symbol wollen wir deutlich machen, dass wir Klimaschutz ernst nehmen. Der gesamte Umweltausschuss hat diesen Beschluss gefasst. Die Ministerin hat 2 Millionen Euro in ihren Haushalt eingestellt. Wir mussten als Abgeordnete nur noch den Zusatz vornehmen, dass das nicht nur für die Bundesregierung gilt, sondern auch für den Bundestag – ohne jeden Cent mehr. Es ist am Ende an einigen Haushaltskollegen der CDU/CSU gescheitert. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich!) Das finde ich extrem enttäuschend. Was wir da erlebt haben, ist absolut peinlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ich wende mich jetzt der fachlichen Bewertung zu. Dabei will ich meine Funktion als Umweltausschussvorsitzende beiseitelegen und als grüne Abgeordnete sprechen. Da muss ich sagen, dass ich Ihre inhaltliche Bilanz schon sehr enttäuschend finde. Das möchte ich nicht nur an den Punkten, bei denen Ihr Ministerium Kompetenzen verloren hat und Herr Gabriel Ihnen aus meiner Sicht viel zu häufig in die Suppe spuckt, sondern auch an ureigenen Tätigkeiten und Feldern festmachen. Ich nehme nur einmal die Abfallpolitik. Das Duale System steht vor einem Kollaps. Die Müllverbrennungsanlagen haben in vielen Regionen Überkapazitäten. Sie saugen den Müll zu Billigstpreisen an. Das führt natürlich in vielen Bereichen dazu, dass die Verwertungsquoten in den Keller gehen. Da haben wir ein Riesen-problem. Das müssen Sie endlich anpacken, Frau Ministerin. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Menschen wollen recyceln. Sie wollen ihre Altgeräte eben nicht mehr so entsorgt sehen, wie es jetzt der Fall ist, nämlich auf Deponien in Afrika, wo Kinder unter schrecklichsten, gesundheitsschädlichen Bedingungen diese Geräte auseinandernehmen. Das heißt: Sorgen Sie dafür, dass wir eine Wertstofftonne bekommen. Sorgen Sie dafür, dass die Umsetzung der Altgeräte-Richtlinie endlich vorankommt. Das ist ein wichtiger Schritt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Eben ist dargestellt worden, dass 3 Millionen Euro für den Kampf gegen Wilderei bereitgestellt werden. Das ist eine gute Sache – für Nashörner und Elefanten. Es gilt aber genauso, vor der eigenen Haustür zu kehren. Wir haben auch einen dramatischen Verlust an Vögeln und Reptilien zu verzeichnen. Nun betrifft das nicht alleine Ihre Tätigkeit. Das ist nicht alles im letzten Jahr gewesen. Im letzten Jahr sind aber wichtige Entscheidungen für die intensive Landwirtschaft gefallen. Das haben wir gerade eben bei der Debatte zur Landwirtschaft gehört. Sie haben bei diesen Entscheidungen mitgemacht, Frau Ministerin. Das bedeutet einen weiteren Verlust an Vögeln, an Reptilien, an Arten. Dies fällt in Ihr Ressort. Das dürfen wir nicht durchgehen lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein wichtiger Punkt ist auch das Fracking. Was haben Sie dazu gesagt? Sie haben gesagt, Sie werden das verhindern. Ich habe noch ein Zitat aus dem Deutschlandradio. Nach der letzten Einigung, die Sie mit Gabriel erzielt haben, haben Sie gesagt, dass „keinerlei irgendwie wassergefährdende Stoffe eingesetzt“ werden. Aber Tatsache ist etwas anderes. Tatsache ist, dass auch schwach wassergefährdende Stoffe eingesetzt werden. Sie ermöglichen ab 2018 Fracking. Sie machen die Tür auf. Da muss ich sagen: Die Bevölkerung ist dagegen. Zeigen Sie Stärke, und stoppen Sie das Fracking. Wir brauchen das hier nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wir reden viel über internationalen Klimaschutz, über das Klimaaktionsprogramm und über die 40 Prozent an CO2, die wir hier in Deutschland reduzieren wollen. Sie selbst haben an dem von Ban Ki-moon veranstalteten Gipfel in New York teilgenommen. Sie haben dort selber mitdemonstriert und gesagt, dass Sie die KfW-Förderung von Kohlekraftwerken im Ausland stoppen wollen. Das haben Sie am Ende nicht gemacht. Es ist nur die Entwicklungsbank, die jetzt nicht mehr fördert. Aber die IPEX-Bank fördert weiter. Mit 2 Milliarden Euro wird die falsche Förderung von Kohlekraftanlagen fortgesetzt. Das ist kein gutes Zeichen, Frau Ministerin. Auch das hätten Sie stoppen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]) Wir sollten Kohlekraftwerke im Ausland nicht mehr fördern. Was gilt nun hier in Deutschland? Ich erwarte hier eigentlich – wie wurde das eben so schön gesagt? – Klarheit und Wahrheit. Das, was wir erleben, ist eine Trickserei mit Zahlen. Sie nützt dem Klima nicht. Was ist denn passiert? Schauen wir uns das einmal an, anstatt immer von einer Lücke von 5 bis 8 Prozent zu reden. Wir wollen den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent reduzieren. Darin sind wir uns einig. Was haben wir bisher gemacht? Wir haben den CO2-Ausstoß in 23 Jahren um 24 Prozent reduziert. Die Lücke beträgt also 16 Prozent und nicht 5 oder 8 Prozent. Wir haben also den CO2-Ausstoß in 23 Jahren um 24 Prozent reduziert. Wir müssen daher den CO2-Ausstoß in den verbleibenden fünf Jahren noch um 16 Prozent reduzieren, um diese Lücke zu schließen. Wenn Minister Gabriel jetzt sagt, dass die Kraftwerke eine Einsparung von 22 Millionen Tonnen CO2 erbringen sollen, was ist dann eigentlich mit dem, was von der alten Regierung vorgegeben worden ist? Da hieß es doch: Kraftwerke, die über 45 Jahre am Netz sind, werden wohl automatisch abgeschaltet. Das entspräche einem Minus von 40 Millionen Tonnen CO2 in 2020. Gilt das noch? Kommen die 22 Millionen Tonnen CO2 zu der Einsparung durch die Abschaltung dieser alten Kraftwerke hinzu, oder hat der Minister seinen Beitrag, der eigentlich geleistet werden soll, gerade mal eben auf die Hälfte reduziert? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und was ist mit der anderen Lücke, die noch bleibt? Diese Trickserei, die Sie da veranstalten, nützt keinem. Sie nützt noch nicht einmal den Menschen im Ruhrgebiet. Es wird ja immer gesagt, dass es da um Arbeitsplätze geht. Ich kann Ihnen sagen: Ich wohne im Ruhrgebiet. Der Steinkohlebergbau ist viel zu lange subventioniert worden. Wir hätten das Geld besser in die Umstrukturierung und in zukunftsfähige Arbeitsplätze investieren sollen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Geld hätten wir dafür nehmen sollen. Dann hätten wir den Menschen mehr geholfen. Ich komme zum letzten Punkt: Eigentlich bleibt Ihnen noch viel in Ihrem Ministerium. Sie sind für sehr wichtige Dinge zuständig, nämlich für unseren Schutz: für den Klimaschutz und den Schutz der Biodiversität. Das sind unsere Lebensgrundlagen. Machen Sie doch endlich etwas daraus. Machen Sie auch etwas aus den sozialen Fragen des Ministeriums. Wenn ich jetzt einfach einmal das Wohngeld als Beispiel nehme – es ist 2013 gekürzt worden, dann wieder erhöht; heute, vor dem Winter, haben wir 100 Millionen Euro weniger für die Betroffenen zu Verfügung –, dann muss ich sagen: Das ist keine Sozialpolitik, sondern das ist eine falsche Politik ohne Konzept und ohne Plan, Frau Ministerin. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Von daher: Es wäre auch in diesem verkleinerten Ministerium viel möglich. Trauen Sie sich einfach mehr zu. Machen Sie Umweltschutz wieder zum Thema. Wir werden Sie bei einer guten Umweltpolitik unterstützen, aber ansonsten werden wir Sie kritisieren. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner für die CDU/CSU ist der Kollege Christian Hirte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Träger [SPD]) Christian Hirte (CDU/CSU): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! „Das Budget sollte ausgeglichen sein, die öffentlichen Schulden sollten reduziert werden.“ Das sagte schon Marcus Tullius Cicero vor 2000 Jahren. Relativ lange hat es gedauert, ehe sich diese Erkenntnis in der praktischen Politik wirklich durchgesetzt hat. Gut, dass wir heute so weit sind. Gut, dass wir einen Haushalt haben, den wir in dieser Woche ohne Neuverschuldung verabschieden werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Träger [SPD]) Während viele europäische Staaten mit einer Neuverschuldung kämpfen – gewollt oder ungewollt; aber selten ohne eigenes Zutun –, macht Deutschland in der gesamtstaatlichen Betrachtung sogar Überschüsse. Stellt man Haushalts- und Handelsbilanz nebeneinander, kommt Deutschland mit einem Plus von fast 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hervorragend davon. In diese Stärke versuchen nun aber andere Staaten und auch einige Politiker hierzulande eine besondere Verantwortung Deutschlands hineinzuinterpretieren. Wer so viel Geld habe, meinen sie, solle es gefälligst auch ausgeben. Bei nicht wenigen stößt dies auf offene Ohren. Zum Beispiel scheint die neue rot-rot-grüne Al-lianz in Thüringen das Geldausgeben in großem Umfang zu planen, freilich ohne viele Worte darüber zu verlieren, wo denn das Geld dafür herkommen soll. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das muss Ihnen aber wehtun, in Thüringen auf der Oppositionsbank zu sitzen!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Hirte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lenkert? Christian Hirte (CDU/CSU): Gerne. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Kollege Hirte, die CDU hat in Thüringen 24 Jahre lang regiert. Im Jahr 1991 lag der Schuldenstand Thüringens bei null, inzwischen liegt er bei fast 17 Milliarden Euro. Können Sie mir sagen, wer die ganze Zeit den Ministerpräsidenten in Thüringen gestellt hat, welche Partei diese Schulden verursacht hat? (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU) Christian Hirte (CDU/CSU): Herr Kollege Lenkert, möglicherweise haben Sie verkannt, woraus die hohen Investitionsausgaben und die Schuldenaufnahme resultierten. Sie resultierten nicht aus der Politik der vergangenen 24, 25 Jahre im neugegründeten Freistaat Thüringen, sondern aus der desaströsen Wirtschafts- und Sozialpolitik, die die SED in den Jahren zuvor zu verantworten hatte. (Beifall bei der CDU/CSU – Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Und der Umweltpolitik!) Wenn Sie hier den Eindruck erwecken wollen, dass die Schulden in Thüringen daraus resultieren, dass in den letzten Jahren keine verantwortungsvolle Haushaltspolitik betrieben wurde, sollten Sie sich daran erinnern, dass wir in Thüringen seit Jahren ausgeglichene Haushalte vorgelegt haben. Schon in den letzten Jahren der Regierung Althaus ist es gelungen, ohne neue Schulden auszukommen. In der aktuellen Legislaturperiode sind sogar Schulden getilgt worden. Ich würde mir wünschen, dass Thüringen diesen Kurs in den nächsten Jahren beibehält. Leider ist das nicht zu erwarten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das muss Ihnen sehr wehtun!) – In der Tat, das tut mir weh. Es zeichnet sich ja ab, was wir zu erwarten haben. Die Schuldenkrise hat verdeutlicht, wie anfällig Staaten mit einer hohen Schuldenquote sind. Gerade das Beispiel Griechenland zeigt doch, wie wichtig solides Wirtschaften ist. Die schwarze Null ist deswegen kein Fetisch, keine Monstranz, die der Finanzminister vor sich herträgt, und sie ist auch nicht seiner Eitelkeit geschuldet, sondern sie steht für die Glaubwürdigkeit und für die Stabilität unseres Gemeinwesens. Das sind ganz wichtige Standort- und Investitionsvorteile, die – das ist zu befürchten – künftig in Thüringen vielleicht nicht mehr gegeben sind. Dass Sparen und Investieren sich nicht gegenseitig ausschließen, haben wir mit dem Haushaltsentwurf 2015 bewiesen. Dafür ganz herzlichen Dank an den Finanzminister. Für den Einzelplan 16 gilt der Dank insbesondere Ministerin Hendricks und den Kollegen aus dem Haushaltsausschuss, die Kurs gehalten haben und dieses historische Ereignis ermöglicht haben. Liebe aktuelle Freunde von der SPD, dieses Ergebnis ist auch Folge dessen, was die letzte Große Koalition mit der Schuldenbremse auf den Weg gebracht hat. Das ist quasi die Konsequenz der Schuldenbremse, die vor einigen Jahren vereinbart wurde und jetzt endlich greift. Auch dafür herzlichen Dank an die Koalitionäre. Mein herzlicher Dank gilt im Besonderen meinem Fraktionskollegen Dr. André Berghegger, der mit mir gemeinsam im Haushaltsausschuss den Einzelplan 16 verantwortet, heute aber leider nicht sprechen kann, da sich der Ältestenrat auf eine bestimmte Höchstzahl von Rednern verständigt hat. Deswegen darf ich heute seine Erfolge hier mit erläutern. Bundesfinanzminister Schäuble hat angekündigt, in den nächsten Jahren trotz sich eintrübender Konjunkturaussichten und dem damit in Zusammenhang stehenden geringeren Anstieg der Steuereinnahmen zusätzlich 10 Milliarden Euro für investive Maßnahmen auszugeben. Aber schon heute wird investiert: Mit dem Koalitionsvertrag haben wir beschlossen, die Haushaltsmittel des Bundes für die Städtebauförderung zu erhöhen. Das haben wir im Haushalt 2014 gemacht. Auf diesem hohen Niveau setzen wir die Förderung im Haushalt 2015 fort. Außerdem haben wir den Maßnahmenkatalog noch einmal konkretisiert und deutlich gemacht, dass ab diesem Jahr auch Grünflächen förderfähig sind. Ich denke, das ist für die Nachhaltigkeit wichtig und hat auch etwas mit ökologischer Verantwortung zu tun, müsste den Grünen also gefallen. (Beifall des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie da unserem Vorschlag gefolgt sind!) Ich denke, das ist am Ende ein wichtiges Instrument, um die Attraktivität von Stadtzentren und die Lebensqualität zu steigern. Beim Wohngeld gibt es im Vergleich zum Regierungsentwurf in der Tat erhebliche Änderungen – das ist schon angesprochen worden –, nämlich 100 Millionen Euro weniger. Es sieht in der Tat etwas beherzt aus, dass wir so viel weniger ansetzen. Aber die Bundesregierung hat eine Reform des Wohngeldgesetzes angekündigt. Es besteht auch überhaupt kein Zweifel daran, dass sie im nächsten Jahr umgesetzt wird. Aber wenn wir sie im nächsten Jahr umsetzen und berücksichtigen, dass die Kommunen noch ein bisschen Zeit brauchen werden, um ihre Software umzustellen und alles vernünftig umzusetzen, dass also noch eine gewisse Zeit zwischen der Verabschiedung des Gesetzentwurfes und dem Inkrafttreten des Gesetzes benötigt wird, ist klar, dass das neue Gesetz im nächsten Jahr noch nicht komplett kassenwirksam werden kann. Wenn wir uns die Zahlen für dieses Jahr ansehen, zum Beispiel Stand September 2014, stellen wir fest, dass gerade einmal 300 Millionen Euro abgeflossen sind. Das heißt, mit dem um 100 Millionen Euro niedrigeren Ansatz kommen wir hervorragend zurecht, ohne dabei Aussagen darüber zu treffen, wie genau die Reform inhaltlich aussehen wird. Auch Bildung und Wissenschaft sind wichtige Themen, die wir uns als Koalition vorgenommen haben. Es ist gut, dass wir im Rahmen des Einzelplans 16 mit dem Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig ein wichtiges Projekt angehen. Aufgrund der Evaluierung war schon vor Jahren klar, dass es gut wäre, wenn das Institut umzieht, um Synergieeffekte zu schaffen. Es ist schön, dass wir diese Maßnahmen im Rahmen des nächsten Haushalts starten und damit den Wissenschaftsstandort Deutschland stärken können. Herr Kollege Kindler, Sie haben in Ihrem Antrag zur energetischen Gebäudesanierung und Energieeffizienz zu diesem Thema Stellung genommen; (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein wichtiger und guter Antrag!) das finde ich gut. Ich hätte es noch besser gefunden, wenn Sie schon in der letzten Legislaturperiode dafür Sorge getragen hätten, dass die Länder über den Bundesrat, in dem auch die Grünen eine gewisse Mitverantwortung haben, bei der steuerlichen Förderung der Gebäudesanierung helfen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht! Dem haben Sie aber nicht zugestimmt! Sie hätten unserem Antrag ja zustimmen können! – Gegenruf der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Ach, das ist doch unglaubwürdig!) Dann wären wir heute vielleicht ein Stück weiter. Wenn wir dieses gemeinsame Ziel haben – in Ihrem Antrag schildern Sie ja, wie dramatisch die Konsequenzen des Klimawandels sein könnten –, müsste Ihnen ja daran gelegen sein, über alle Möglichkeiten zu diskutieren. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch auch ein guter Antrag! Sie haben ihn ja gerade selbst abgelesen!) Zum Dialog sind Sie herzlich eingeladen. (Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU]) Zu den Mitteln für den Klimaschutz gehören natürlich auch die Mittel für Maßnahmen beim internationalen Klimaschutz. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Das BMUB beteiligt sich am neuen Weltbankfonds für Klimaschutzprojekte in den Entwicklungsländern. Für die Pilot Auctioning Facility sollen bis zu 15 Millionen Euro bereitgestellt werden, um Projekte in der Abfallwirtschaft, vor allem in den Bereichen Deponieentgasung, organische Abfälle und Abwasserentsorgung, zu fördern. Ich denke, das sind sinnvolle Maßnahmen. Angesprochen wurde auch schon das ehrgeizige Ziel im Hinblick auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2020. Frau Höhn, ich kann nicht bestreiten, dass wir noch ein gutes Stück des Weges vor uns haben. Gespräche dazu laufen momentan bereits auf Fachebene. Ich denke, nach der Kabinettsentscheidung am 3. Dezember dieses Jahres sind wir alle ein Stück schlauer. Vielleicht sagt nachher ja auch die Ministerin noch etwas dazu. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, vielleicht!) Ganz besonders freue ich mich, dass wir mit dem Förderprogramm zur Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Rußpartikelfiltern vorangekommen sind. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) – Ich freue mich auch über die Freude bei den SPD-Kollegen. – Auch manch einen in Stuttgart wird das vielleicht freuen. (Zuruf von der SPD: Das glaube ich nicht!) Der Kollege Lemme hat es gerade schon angesprochen: Da haben sicherlich schon einige von den ungefilterten Abgasen die Nase voll. Erst gestern hat uns die Europäische Kommission deutlich mitgeteilt, dass wir in einigen großen Städten Probleme haben. Stuttgart war explizit genannt. Deswegen denke ich, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist, um in diesem Bereich vielleicht leichte Verbesserungen zu erzielen. Ich freue mich natürlich auch, dass wir jetzt – nach unserem intensiven Werben schon im letzten Jahr und im Rahmen der Anberatung des Haushalts für 2015 – mit der SPD einen gemeinsamen, guten Standpunkt gefunden haben und die Förderung wieder aufnehmen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir unmittelbar nach der Haushaltsdebatte zur Anberatung des Haushalts für 2015 quasi im Hinausgehen ein kurzes Gespräch mit der Ministerin Hendricks geführt haben, die deutlich machte, dass sie gesprächsbereit ist. Also: Herzlichen Dank an die Koalitionäre, dass wir hier vorangekommen sind! Ein weiterer positiv herauszuhebender Aspekt der Beratungen zum Einzelplan 16 – jetzt wird es ein bisschen technisch – ist der Personalbereich. Hier haben wir – dafür auch noch einmal ganz herzlichen Dank an meine Kollegen Lemme und Dr. Berghegger – nach intensiven Verhandlungen schon für den diesjährigen Haushalt eine Vereinbarung mit dem BMUB erreicht, wonach über 200 sachgrundlos befristete Stellen innerhalb der nächsten drei Jahre peu à peu abgebaut und in reguläre Anstellungsverhältnisse umgewandelt werden. Ich denke, das ist zum einen für die Qualität der Arbeit im Haus, zum anderen aber auch für die betroffenen Mitarbeiter eine ganz wichtige Entscheidung. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich habe mich ein bisschen über das gewundert, was wir vom ersten Redner der Linken zum Thema Endlagerung gehört haben. Nach einem Antrag der Linken sollen die Mittel für Schacht Konrad und Gorleben abgesenkt werden. Das widerspricht ein bisschen dem, was wir vorhin von Ihnen gehört haben. (Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Ein bisschen!) Sie haben dargestellt, wie dramatisch alles wäre, kommen aber trotzdem zu erheblichen Einsparpotenzialen. Richtig ist zwar, dass es mit dem Standortauswahlgesetz und natürlich auch durch die Arbeit der Endlagersuchkommission keine Vorfestlegung gibt. Aber das heißt nicht, dass wir in den nächsten 20 Jahren die Hände in den Schoß legen könnten und nichts mehr tun müssten. Wir haben schon erhebliche radioaktive Abfälle, mit denen wir weiter umgehen müssen, und Sie selber haben den Zustand von einigen Behältnissen angesprochen. Das heißt, das Thema bleibt uns unabhängig von der Entscheidung zum Endlager vor Augen, und wir müssen uns als Haushälter darum kümmern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wirklich witzig finde ich den Umstand, dass Sie die Kosten für die Infostellen für zu hoch halten. Sie betragen 100 000 Euro bei Gorleben und 200 000 Euro beim Schacht Konrad. Bei einem Gesamthaushalt von 300 Milliarden Euro haben Sie über den gesamten Haushalt verteilt Ausgabenmehrbelastungen von über 50 Milliarden Euro vorgeschlagen, und jetzt kommen Sie mit solchen Kleckerbeträgen. Ich frage mich wirklich, wie Sie die Finanzierung der 50 Milliarden Euro sichern wollen, ohne vernünftige Prioritäten zu setzen. Wenn Sie auf diesem Niveau haushalterische Politik gestalten wollen, dann ist mir bange um meinen Freistaat Thüringen, wenn es dort genauso geht. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie werden es überleben!) Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Bundesregierung hat jetzt Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dr. Barbara Hendricks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt 2015 sendet viele richtige und wichtige Signale vor allem an die Menschen, deren Geld wir verwalten und mit denen wir die Zukunft Deutschlands gestalten wollen. Nachhaltigkeit ist ein zentrales Leitprinzip dieser Bundesregierung nicht nur in der Haushaltspolitik. Im Haushalt 2015 sparen wir deshalb auch nicht bei den Investitionen in die Zukunftsthemen Umweltschutz, Klimaschutz und Naturschutz. Im Gegenteil! (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU]) Mit knapp 3,9 Milliarden Euro ist der Gesamtetat des BMUB gegenüber 2014 um rund 200 Millionen Euro gestiegen. Ein großer Teil davon, über die Hälfte, fließt in Investitionen, sodass man beim Einzelplan 16 mit gutem Grund von einem Investitionshaushalt sprechen kann. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir investieren in die Vorsorge. Wie angekündigt, beginnen wir mit dem Sonderrahmenplan einen vorbeugenden Hochwasserschutz. Dafür haben wir im Einzelplan 10 einen neuen Haushaltstitel geschaffen; Kollege Schmidt hat eben darauf hingewiesen. Die Zunahme von Extremwetterereignissen und die Erfahrung mit den großen Hochwasserkatastrophen in den letzten 15 Jahren fordern uns heraus. Mit dem Sonderrahmenplan stellen wir uns dieser Herausforderung. Uns beschäftigt allerdings nicht nur die Zukunft; uns beschäftigen auch die Versäumnisse der Vergangenheit. Das gilt vor allem für die Kosten im Bereich Endlagerung. Die Überlegungen dazu hätten selbstverständlich – genauso wie die Suche nach dem Endlager – an den Anfang und nicht an das Ende der Kernenergienutzung gestellt werden müssen. Die jetzige Bundesregierung stellt sich dieser Aufgabe. Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst, weil sie berechtigt sind, da es um den Einsatz von Risikotechnologie geht. Herr Kollege Zdebel, natürlich kann man leichthin sagen: Schacht Konrad ist ungeeignet. – Schacht Konrad wird auf Grundlage eines gültigen Planfeststellungsverfahrens ausgebaut und ist zugegebenermaßen für 300 000 Kubikmeter radioaktiven Abfall genehmigt. Mehr darf da auch nicht untergebracht werden. Wenn es zu einer Erweiterung käme – sehr konjunktivisch –, müsste man selbstverständlich ein neues Planfeststellungsverfahren machen mit allen planerischen Voraussetzungen, die dafür notwendig wären. Wenn wir bei dem Entsorgungsplan, den wir der EU-Kommission pflichtgemäß, aber auch gerne vorlegen werden, jetzt weitere 300 000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiven Mülls benennen – anders als das frühere Bundesregierungen gemacht haben –, so ist dieser Müll natürlich nicht vom Himmel gefallen, sondern war schon da. Rund 200 000 Tonnen werden wir haben, wenn wir diesen strahlenden Müll aus der Asse geborgen haben, womit aber frühestens im Jahr 2033 begonnen werden wird. Das Bergen wird dann noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Natürlich müssen wir dafür irgendwann ein Endlager haben. Diese Frage müssen wir aber nicht zwingend heute beantworten, (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) sondern dann, wenn mit dem Bergen des Asse-Mülls begonnen wird. Wir sind nicht sicher, was bis dahin passiert. Aber solange wir mit dem Bergen noch nicht begonnen haben, brauchen wir für den Müll kein Endlager. Der Müll ist noch nicht oben, also muss er auch nicht eingelagert werden. Weitere 100 000 von den insgesamt zusätzlich gemeldeten 300 000 Kubikmetern schwach- und mittelradioaktiven Mülls können aus der Urananreicherung kommen. Dies ist von früheren Bundesregierungen als Wirtschaftsgut bezeichnet worden. Man kann sich dieser Auffassung anschließen. Wenn man das aber nicht für absolut sicher hält, muss man zumindest Vorsorge treffen, und dann zählt auch dies zum schwach- und mittelradioaktiven Müll, obwohl es bislang nicht als solcher bezeichnet und eingerechnet wurde. Das heißt: Wir stellen uns der Verantwortung. Wir schaffen Transparenz und werden rechtzeitig mit den entsprechenden Schritten Vorsorge dafür treffen, dass auch für diese zusätzlichen 300 000 Kubikmeter Müll, die, wie gesagt, schon da waren, nur anders bezeichnet wurden, ein vernünftiges Endlager gefunden wird. Ob das ein erweiterter Schacht Konrad oder ein anderes Endlager wird, weiß ich noch nicht. Diese Frage ist heute auch nicht zwingend zu beantworten, obwohl wir uns natürlich daranmachen, eine Antwort zu finden; denn die Planungsvorhaben sind, wie wir wissen, relativ langwierig. Ihnen ist bekannt, auf welchem Stand wir bei der Suche nach einem Endlager für den hochradioaktiven Müll sind. In der Zwischenzeit werden noch viele Zwischenlager jahrzehntelang betrieben werden müssen; auch das ist richtig. Da müssen wir mit den Bürgerinnen und Bürgern voraussichtlich offen umgehen. Es wird voraussichtlich frühestens zwischen 2050 und 2060 mit der Einlagerung in ein dann aufnahmebereites Endlager -begonnen werden können. Bevor man nicht mit der Einlagerung des hochradioaktiven Mülls beginnen kann, müssen die Zwischenlager selbstverständlich aufrecht-erhalten werden. Ich weiß, dass das viele Menschen nicht beruhigt, weil sie sich ausrechnen können, dass sie ihr ganzes Leben lang in der Nähe eines Zwischenlagers wohnen werden; aber das ist nun einmal nicht zu ändern. Wir können schließlich kein Endlager herbeizaubern. Ich habe in diesem Zusammenhang immer wieder gesagt: Wir haben in unserer jeweiligen Regierungszeit die Verantwortung dafür, dass wir alle möglichen und notwendigen Schritte gehen, damit alle nach uns kommenden Generationen überhaupt die Chance haben, Schritte zu gehen, die möglich und notwendig sind. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es geht uns darum, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. Aus dem gleichen Grund haben wir ein Gesetz zum Fracking auf den Weg gebracht, bei dem der Schutz des Grundwassers über alle anderen Interessen gestellt wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Schutz der Umwelt steht für uns alle in Deutschland über wirtschaftlichen Interessen. Nur dort, wo es nach vielfacher Prüfung keine Bedenken gibt, kann es vereinzelt zu unkonventionellem Fracking kommen. Das wird nach dem Stand der Dinge aber nach meiner Einschätzung nur in sehr wenigen Ausnahmefällen geschehen. Übrigens, Frau Kollegin Höhn – ich gehe davon aus, das war keine Absicht –, was das unkonventionelle -Fracking anbelangt, ist in dem Gesetzentwurf ausdrücklich davon die Rede, dass auch bei Probebohrungen nur Stoffe der Wassergefährdungsklasse 0 eingesetzt werden dürfen (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und 1!) – nein, was das unkonventionelle Fracking anbelangt, sind es nur Stoffe der Wassergefährdungsklasse 0 –, dass allerdings beim konventionellen Fracking die Frackflüssigkeit die Wassergefährdungsklasse 1 haben darf. Übrigens – dieses Fracking findet in Niedersachsen schon seit Jahrzehnten statt – sind die Anforderungen der Wassergefährdungsklasse 1 höher als das, was bisher dort praktiziert wird, um auch das einmal deutlich zu machen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Meine Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, dass der Klimaschutz eine der größten globalen Herausforderungen unserer Zeit ist. Wir müssen den Klimawandel stoppen und seine Folgen so weit wie möglich begrenzen. Ich habe schon häufiger darauf hingewiesen, dass es gerade bei diesem Thema einen Zusammenhang von ökologischen und sozialen Problemen gibt. Die Folgen des Klimawandels sind schon jetzt sozial ungerecht verteilt. Das gilt nicht nur für die ärmsten Regionen der Welt und die Gruppe der kleinen Inselstaaten. Die Bundesregierung stellt sich dieser Verantwortung zum Beispiel mit dem Klima-Aktionsprogramm, das wir nächste Woche im Kabinett verabschieden werden. Sie werden sehen: Es werden keine Zahlentricksereien sein. Wir werden das alles sauber nachweisen können. Wir werden das 40-Prozent-Ziel tatsächlich einhalten können. Es gibt im Übrigen keine Lücke, was die fehlenden 7 Prozentpunkte angeht. Ich habe immer gesagt: Ohne weitere Verhaltensänderungen werden uns im Jahr 2020 zwischen 5 und 8 Prozentpunkte fehlen. Das können auch 7 Prozentpunkte sein. Diese Lücke kommt nicht heute zustande, sondern dann, wenn man die voraussichtliche Entwicklung von 2014 bis 2020 ohne Verhaltensänderungen mit einrechnet. Heute ist die Lücke in der Tat noch größer. Weil das nicht ausreicht, führen wir zusätzliche Maßnahmen durch. Sonst kämen wir bis 2020 auf etwa 32 bis 35 Prozent, und das reicht uns nicht aus. Der Ausstoß des Kraftwerksparks, der sich, untechnisch ausgedrückt, auch bis 2020 weiterentwickelt, ist schon eingerechnet. Die 22 Millionen Tonnen, die vom Wirtschaftsminister genannt worden sind, kommen bei der CO2-Einsparung on top. Das ist in der Tat Sache des Bundes. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sind nicht nur in diesem Zusammenhang verantwortlich. Auch die Erstauffüllung des Grünen Klimafonds haben wir als einer der ersten auf den Weg gebracht. Wir sind damit beispielhaft gewesen und geblieben. Das war das richtige Signal an die Geberkonferenz in der vergangenen Woche. Ich kann deshalb heute mit Stolz sagen: Dieser Haushalt ist ein Klimaschutzermöglichungshaushalt. Darauf bin ich wirklich stolz. Als Bundesbauministerin freue ich mich, dass wir die Programme auf dem hohen Niveau, das wir 2014 erreicht haben, fortsetzen können. Aufgaben gibt es selbstverständlich genug. Die Wohnungsmärkte sind in Bewegung. Die Nachfrage steigt; die Leerstände gehen zurück. Viele Menschen insbesondere in den Ballungsräumen suchen bezahlbaren Wohnraum. Unser Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen ist auf dem Weg. Es gibt noch keine Ergebnisse; das ist klar. Es ist ein Zusammenspinnen verschiedenster Interessen. Aber wir sind auf einem guten Weg, und wir werden selbstverständlich Ergebnisse vorlegen. Die Bautätigkeit in Deutschland nimmt zu. Erstmals seit vielen Jahren werden wir in diesem Jahr erreichen, dass Wohnungsneubau im erforderlichen Umfang stattfindet. Das bedeutet rund 250 000 neue Wohnungseinheiten in diesem Jahr. Das werden wir in diesem Jahr erstmals seit vielen Jahren wieder erleben. Das ist ein gutes Zeichen, und diesen Trend wollen wir fortsetzen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will noch kurz einige Stichpunkte nennen – meine Redezeit wird knapp –, die uns wichtig sind, zum Beispiel das Programm „Soziale Stadt“. Auch in der Flüchtlingshilfe werden wir weiter aktiv sein und den Kommunen hilfreich zur Seite stehen, wo es notwendig ist. Ich bedanke mich für das Engagement der Kommunen vor Ort. Ich bedanke mich auch sehr herzlich bei denjenigen, die bei der Erstellung des Haushalts mit uns zusammengearbeitet haben. An dieser Stelle finde ich es wichtig, auf eines hinzuweisen: Es hat in den vergangenen Jahren lineare Stellenstreichungen gegeben – es ist nicht zu bestreiten, dass das richtig war –, die aber für das Jahr 2015 nicht vorgesehen sind. Ich glaube, wir alle sind dankbar dafür, dass wir in den Ministerien unsere qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter behalten können. Auch Sie als Abgeordnete profitieren selbstverständlich davon. Ein Punkt ist mir noch ganz wichtig: Die sogenannten sachgrundlosen Befristungen kann ich mit Unterstützung des Haushaltsausschusses – „sachgrundlose Befristungen“ ist schon ein Wortungetüm – in mehreren Jahrestranchen zurückführen, in zweiter Tranche im Jahr 2015. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Insgesamt ist dies ein zukunftsweisender Haushalt, auf den wir alle stolz sein können. Und, Frau Höhn, machen Sie sich keine Sorgen: Das Wertstoffgesetz ist auf dem Weg. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange schon?) – Ja, wie lange schon? Es ist in der letzten Legislaturperiode gescheitert. – Die Elektronikschrottverordnung ist auf dem Weg. Die Düngemittelverordnung ist auf dem Weg. Die Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen ist auf dem Weg. Leider ist Kollege Schmidt nicht mehr da; wir streiten da munter und kräftig, aber wir kommen zum Ziel. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die Linke spricht jetzt der Kollege Ralph Lenkert. (Beifall bei der LINKEN) Ralph Lenkert (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Damen und Herren! Kollege Hirte, Lesen bildet. Hätten Sie unseren Antrag zum Haushalt komplett gelesen, (Christian Hirte [CDU/CSU]: Das ist kein Lesestoff!) dann hätten Sie gewusst, dass wir weit über 50 Milliarden Mehreinnahmen über eine Millionärsteuer, über eine Vermögensteuer erzielen wollen. Das zu sagen, wäre ehrlich gewesen. Ein weiterer Punkt: (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Der nächste Punkt: Enteignung!) Die Linke betrachtet die Atommüllendlager Schacht Konrad und Gorleben als komplett überflüssig und falsch. (Beifall des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE]) Wir wollen kein Geld in tote Pferde, in falsche Entscheidungen investieren. Das ist das, was die CDU in Thüringen regelmäßig getan hat. (Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Sagen Sie mal was zu Morsleben!) Ich erinnere an die hoffnungslos überdimensionierten Abwasseranlagen, in die Ihre Partei investiert hat und die heute für allein 1,5 Milliarden Euro Schulden des Freistaates verantwortlich sind. (Beifall bei der LINKEN) Aber jetzt zum Umweltbereich. Ich möchte den Abgeordneten der Koalition danken. Bei zwei Punkten sind Sie unseren Vorschlägen gefolgt. Beim Hochwasserschutz haben Sie unsere Forderungen sogar verdoppelt. (Johannes Kahrs [SPD]: Aber nicht Ihretwegen! – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Ihr habt zu wenig gefordert!) Danke, dass Sie unseren Argumenten gefolgt sind. Vielen Dank auch, Frau Dött, für Ihren Einsatz für die Wiedereinführung der Förderung der Filternachrüstung bei Dieselfahrzeugen. Das ist ein wichtiger kleiner Schritt. Schade, dass Sie andere Vorschläge ignoriert haben. Die Mieten steigen in Ballungszentren, die Betriebskosten explodieren bundesweit. Allein für Warmwasser und Heizung muss ein durchschnittlicher Haushalt heute jährlich 3 100 Euro ausgeben. Im Jahr 2000 waren es noch 1 500 Euro. Und was machen Sie, Frau Umweltministerin Hendricks? In Interviews thematisieren Sie dieses Problem, und das Wohngeld wird um 100 Millionen Euro gekürzt. Wir beantragen 460 Millionen Euro mehr für die Wiedereinführung des Zuschlags für Heiz- und Energiekosten für Wohngeldempfänger. (Beifall bei der LINKEN) Das wären durchschnittlich 40 Euro je Monat, 15 Prozent der Energiekosten. Damit würden Sie fast 1 Million Menschen helfen. Sie würden über 100 000 Rentnerinnen und Rentner sowie Aufstockerinnen und Aufstocker aus Mindestsicherung und Hartz IV herausholen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Argen könnten sich dann statt mit Kosten der Unterkunft mit der Weiterbildung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen befassen. Ganz nebenbei würden Kommunen in strukturschwachen Regionen entlastet. Frau Ministerin, Kolleginnen und Kollegen, stimmen Sie diesem Vorschlag einfach zu! (Beifall bei der LINKEN) Zwei Beispiele, wie es Hunderte in Deutschland gibt: In Gera in Thüringen stehen 11 Prozent der Wohnungen leer. Die Mittel für den Stadtumbau würden für Gera entsprechend der Einwohnerzahl 700 000 Euro betragen. Wie soll damit die Strukturanpassung gelingen? (Zuruf von der CDU/CSU: Es geht doch nicht nur nach Einwohnerzahl! Es geht nach Antragstellung!) In Jena in Thüringen herrscht Wohnungsmangel. 800 000 Euro stellt der Bundeshaushalt für sozialen Wohnungsbau bereit. Wie soll damit ein Wohnungsproblem gelöst werden? Sie kleckern, statt zu klotzen. Stimmen Sie unseren Investitionsprogrammen zu, oder legen Sie eigene auf! Dann könnten die Mieten in Ballungszentren sowie die Betriebskosten in strukturschwachen Regionen sinken. Ganz nebenbei wäre dies ein Konjunkturprogramm für die Wirtschaft und gelebter Klimaschutz. (Beifall bei der LINKEN) Frau Hendricks, ich war überrascht, dass Sie sogar Gelder in die Forschung zur Altlastensanierung zur Beseitigung von Umweltschäden investieren. 314 000 altlastenverdächtige Flächen gibt es bundesweit. Bei 90 000 wurden die Gefahren inzwischen bewertet. Davon wurden 28 000 saniert. 4 800 werden saniert, 3 700 Altlasten müssen dauerhaft überwacht werden, und mindestens 14 000 warten noch auf ihre Sanierung, so wie die Deponien mit belasteten Erdölbohrschlämmen bei Meppen und der Teersee in Rositz, der eigentlich saniert sein sollte. 80 Millionen zahlte Thüringen. Das Ergebnis ist – freundlich gesagt – unzureichend. Da wurde vorher nicht genug geforscht. Für viele Altlastenprobleme – seien es Schwermetalle oder Phenole, Dioxine oder Polychlorierte Biphenyle, auch PCB genannt, gibt es keine oder nur extrem teure Sanierungsstrategien. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Woher kam der Schweinkram denn?) Oft werden belastete Böden, belastetes Material einfach in Sondermülldeponien weggeschlossen und bleiben gefährlich. Da muss man forschen, neue Verfahren zur Sanierung und Überwachung entwickeln. Das haben Sie, Frau Hendricks, und Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, wohl erkannt und sagenhafte fette 2 Millionen Euro im Haushalt eingestellt. Ich sage: Sie haben nichts begriffen. Das sind 6 Euro je Verdachtsfläche oder 150 Euro je Altlast. Damit werden Sie keine Lösung für die Altlastenprobleme finden, weder für Rositz noch für Meppen noch für die Sondermülldeponie Herfa-Neurode. Forschung wäre auch wichtig bei Wirkungen von neuartigen Chemikalien. Da zwingt die EU die Pkw-Hersteller zur Umrüstung der Kältemittel in Klimaanlagen. 1234yf heißt das neue Wundermittel. Verbrennt dieses Kältemittel, was bei über 20 000 Pkw-Bränden in Deutschland pro Jahr sicher passieren wird, dann entsteht nicht nur hochgiftige Flusssäure. Es entsteht mit 20 Prozent Volumenanteil auch Dicarbonylfluorid. Das sagt Ihnen vielleicht nichts. Dicarbonylfluorid ist chemisch verwandt mit Phosgen, einem Kampfgas aus dem Ersten Weltkrieg, und ist um ein Vielfaches gefährlicher als Flusssäure. 1 ppm, also ein Teil, Dicarbonylfluorid auf 1 Million Teile zehn Minuten eingeatmet, ist lebensbedrohlich. Folgt man den Angaben der Hersteller Dupont und Honeywell von 1234yf zur Verdünnung der bei einem Brand entstehenden Flusssäure in den Abgasen, dann wird bei Pkw-Bränden eine Konzentration von 13 ppm Dicarbonylfluorid auftreten. Für mich als Maschinenbauer sind diese von Professor Kornath, Experte für anorganische Fluorchemie der TU München, ermittelten Werte nachvollziehbar. Aber was antwortet die Bundesregierung auf meine Frage zur Gefährlichkeit von Dicarbonylfluorid? Ich zitiere: Eine abschließende Bewertung kann aufgrund des nicht abgeschlossenen Bewertungsverfahrens noch nicht vorgenommen werden. Die Bewertung läuft seit 2010. Wollen oder können Sie diese nicht abschließen, oder fehlt einfach wieder einmal das Geld für Testversuche? Falls Geld fehlt, gefährdet Ihre schwarze Null Menschenleben. (Beifall bei der LINKEN) Die meisten Menschen wissen inzwischen, wie wichtig Umweltschutz ist. Dieser Haushalt zeigt: Sie haben nichts begriffen. Die Qualität dieses Haushalts ist schlechter als meine Stimme am heutigen Abend. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Lieber Kollege Lenkert, wir wünschen Ihnen, dass sich Ihre Stimme bis morgen erholt. Ich gebe nun dem Kollegen Dr. Georg Nüßlein für die CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Kollege Lenkert hat hier passagenweise zu Altlasten im Osten ausgeführt, es aber peinlich vermieden, zu sagen, woher diese kommen, nämlich aus der ehemaligen DDR. (Ralph Lenkert [DIE LINKE]: BASF hat 1920 angefangen!) Sie hätten „nostra culpa, nostra culpa“ sagen müssen. Ich möchte mit Bezug auf die Zwischenfrage, die der Kollege Lenkert vorhin gestellt hat und die der Kollege Hirte hervorragend pariert hat, festhalten: 25 Jahre nach dem Mauerfall können wir, die Menschen der Bundesrepublik Deutschland, stolz darauf sein, was wir gemeinsam bei der deutschen Einheit geleistet haben. Nicht stolz sein kann man auf die Umweltlasten, die die DDR hinterlassen hat. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Stolz kann man sein, dass Thüringen gewählt hat!) Die Bundesrepublik Deutschland hat durch einen klaren Rahmen sowie durch Innovation und Technologie dafür gesorgt, dass das der Vergangenheit angehört, im Übrigen – das kannten die Bürger der DDR genug – nicht durch Verzicht und – das kannten die Bürger der DDR ebenfalls genug – nicht durch Zwang. Freiwilligkeit und Wirtschaftlichkeit, das sind aus meiner Sicht die Kriterien für eine kluge und zukunftsgerichtete Umweltpolitik. Sie sind auch entscheidend für den Klimaschutz. Der deutsche Beitrag zum weltweiten Klimaschutz ist null und nichtig, wenn wir nicht vorleben können, dass Wirtschaftswachstum und Klimaschutz Hand in Hand gehen. Vorbild ist nur, wer Wohlstand steigert und CO2 reduziert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vorbild ist nicht, wer immer höhere Ziele ausgibt, sie am Ende nicht erreicht oder sie nur durch Deindustriealisierung erreicht. Deshalb formulieren wir ganz klare Anforderungen an das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, das wir sehr begrüßen. Diese Anforderungen heißen: Erstens. Eingriffe, die der deutschen Wirtschaft schaden, sind unnötig und zu unterlassen. Zweitens. Markt, Wettbewerb und Anreiz gehen vor Regulierung und Zwang. – Ich habe eigentlich erwartet, dass auch die Grünen das jetzt so formulieren, nachdem sie auf dem Parteitag beschlossen haben, dass sie jetzt die Partei der Freiheit werden. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waren wir schon immer! Freiheit und Kennzeichnung! Wir wollen eine Ampel!) Ich würde mir wünschen, dass das auch so kommt.– Drittens. Bei all dem, was wir in den nächsten Wochen und Monaten zum Klimaschutz beraten werden, müssen wir klare Preisschilder entwerfen, eine Reihenfolge -aufstellen und uns Gedanken machen, wie man mit -möglichst niedrigen volkswirtschaftlichen Kosten das 40-Prozent-Ziel erreichen kann, das wir erreichen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU) Der Ausstieg aus der Kernenergie macht die Zielerreichung hinsichtlich des CO2-Ausstoßes natürlich noch schwieriger. Gleichzeitig aus der Kohle auszusteigen, halte ich persönlich für kaum darstellbar. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verlangt ja auch niemand! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen noch nicht einmal wir! Wir wollen nur mal damit anfangen!) Ich bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, gerade das Thema Versorgungssicherheit ernst zu nehmen. Ich will noch einmal deutlich machen: Ein nationaler Alleingang beim Ausstieg aus der Kohle macht mittelfristig keinen Sinn, weil das ETS-Zertifikate freisetzt, die im Ausland wieder eingesetzt werden können. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kann man ja aus dem Handel herausnehmen!) Jetzt gibt es ein paar ganz Schlaue, die sagen: Aber der ETS-Handel liegt doch am Boden, und die Zertifikate werden ohnehin nicht genutzt. – Nur, wenn man gleichzeitig sagt, man wolle den CO2-Handel europaweit stärken, was wir tun wollen, dann darf man solche Effekte nicht vernachlässigen. Deshalb macht ein nationaler Ausstieg aus der Kohleverstromung keinen Sinn. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie bei der Atomkraft auch immer gesagt!) Das würde an das Motto erinnern: Hauptsache, die Statistik stimmt. Wie dann der Importstrom produziert wird, steht auf einem anderen Blatt. – Das ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Ich glaube, ein guter Ansatz, ein Ansatz, der uns auch wirtschaftlich voranbringen kann, ist die Energieeffizienz. Es macht Sinn, Rohstoffe zu sparen, die Technik auf Sparen auszurichten, Weltmarktführer bei solchen Technologien zu werden, knappe Güter sorgsam einzusetzen und zu berücksichtigen, dass auch deren Exploration massive Umweltprobleme verursacht, die man betrachten muss. Bei der Energieeffizienz steht der Wärmebereich Gott sei Dank ganz oben auf der Agenda dieser Bundesregierung. Ich verstehe, dass den Grünen alles nicht schnell genug gehen kann. Aber man hätte – das hat auch der Kollege Hirte vorhin angedeutet – durchaus schon früher einen Beitrag dazu leisten können, die CO2-Gebäudesanierung, die wir hier seit Jahren einfordern, auch tatsächlich umzusetzen. (Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn hier?) Ich will gar nicht auf die Vergangenheit eingehen. Ich würde mir nur wünschen, dass in der Zukunft nicht dasselbe Spiel gemacht wird, das da heißt: Der Bund muss die Zeche zahlen, und die Länder lehnen sich zurück und schauen sich an, was passiert. (Beifall bei der CDU/CSU) Energieeffizienz im gewerblichen Bereich spielt natürlich auch eine wichtige Rolle. Da gibt es eine Menge zu tun. Ich glaube nicht, dass man dafür immer ein Audit braucht. Ich glaube, dass unsere Unternehmen mittlerweile sehr genau wissen, wo sie Geld sparen können. Wir sollten uns vielmehr miteinander Gedanken machen, womit wir die Entwicklung von Energieeffizienz möglicherweise verhindern. Ein Beispiel ist für mich die Fallbeillösung, die im EEG steht. Da ist klar, dass derjenige, der Energie einspart, sich einen Bärendienst erwiesen hat, wenn er unter die 16-Prozent-Hürde fällt. Es gibt noch eine ganze Menge ähnlicher Schwellen. Man muss sich noch einmal im Rahmen der Effizienzoffensive Gedanken machen, wie man das Ganze etwas besser aufeinander abstimmt. Ich habe vorhin gesagt, dass wir beim Thema ETS Optimierungen vornehmen wollen. Das ist ein marktwirtschaftliches Instrument, auf das wir viel setzen sollten und bei dem wir auch berücksichtigen müssen, dass sich konjunkturelle Einflüsse auf die Preise der CO2-Zertifikate auswirken. Das ist auch gut so; denn letztendlich geht es darum, wie man die Konjunktur stützt, wenn die Nachfrage sinkt und damit dann natürlich auch die CO2-Produktion. Es ist klar, dass der Markt darauf reagieren muss. Momentan wird in der Automobilindustrie über die Frage nachgedacht, ob es sinnvoll ist, den Verkehr zu integrieren. Mein Damen und Herren, das sollte man durchaus diskutieren. (Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]) – Nein. Nicht, damit sie nichts machen müssen. Sie erkennen nämlich, dass einige in Brüssel imstande sind, mit dem 95-g-Ziel Industriepolitik gegen die deutschen Flotten zu betreiben. Deshalb sagen sie: Wir sollten einmal überlegen, ob das für uns nicht weniger schädlich ist. Ich glaube, man braucht beides. Man braucht den Handel mit CO2-Zertifikaten. Mit Maß und Ziel kann man vielleicht auch den Verkehrssektor einbauen. Dabei muss man aber natürlich immer bedenken, dass das Auswirkungen auf den Benzinpreis hat und dass diese Art der Mobilitätsreduzierung natürlich auch eine soziale Komponente hat. Auf der anderen Seite muss man aber auch maßvoll Maßstäbe dafür setzen, damit sich die Technik nach vorne entwickelt, aber mit Maß und Ziel, jedoch nicht, um die deutsche Wirtschaft und die Automobilindustrie zu schädigen, sondern um den technischen Fortschritt anzuregen. Das sollten wir gemeinsam tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will noch auf ein Thema eingehen, das hier auch eine Rolle gespielt hat und das durchaus sehr brisant ist, nämlich auf das Thema Fracking. Eine Regelung zu diesem schwierigen Thema ist in der vergangenen Legislaturperiode an der Kommunikation gescheitert. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat da regiert?) Viele haben damals so getan, als sei Fracking aktuell verboten und die Mehrheit im Deutschen Bundestag wolle Fracking erlauben. Heute sind schon wieder einige auf dem Weg, ähnliche Kommunikationsstrategien aufzubauen, Frau Höhn. Mein Damen und Herren, es geht nicht darum, Fracking zu erlauben. Das ist erlaubt, und zwar relativ unkonditioniert. Vielmehr geht es darum, Fracking ordentlich zu regulieren. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt einmal ehrlich! 80 Prozent der Flächen öffnen für Fracking!) Der Vorschlag der Bundesministerin dazu ist ein guter Vorschlag, unabhängig davon, wie Sie das sehen wollen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Fakt ist: Wer Fracking konditionieren bzw. regulieren will, der muss an diesem Vorschlag jetzt konstruktiv mitarbeiten. Sonst stehen wir am Ende wieder ohne Gesetz da, und die Industrie kann fracken und kann sich auf dem Klageweg durchsetzen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann sie mit Ihrem Gesetz ja auch! Das ist doch kein Unterschied!) Es wird dann keine Umweltverträglichkeitsprüfungen geben, auch nicht für das, was wir hier als konventionelles Fracking beschreiben. Auch innerhalb der Union diskutieren wir heftig über das Lagerstättenwasser und über die Fragen: Was ist Stand der Technik? Was muss man tun? Kann man das wieder in die Ursprungstiefe verpressen? Muss man das aufbereiten? Meine Damen und Herren, das wird man ohne Gesetz nicht regeln können. Das wollen wir aber tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Der Fokus der Öffentlichkeit liegt in der Tat auf dem sogenannten unkonventionellen Fracking. An dieser Stelle möchte ich deutlich unterstreichen: In diesem Referentenentwurf steht ein glasklares Verbot mit Blick auf den Schutz von Mensch, Natur und Wasser. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das denn zu lesen?) Das wird allerdings ergänzt durch einen Erlaubnisvorbehalt. Dieser Erlaubnisvorbehalt besagt – ich sage das einmal untechnisch –: (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Verbot mit vielen Erlaubnissen!) Wenn Forschung und Entwicklung irgendwann nach 2018 an einen Punkt kämen, bei dem gar nichts mehr dagegen spräche, dann kann die Wasserbehörde eine Erlaubnis erteilen. Wenn man wie Sie der Auffassung ist, dass das alles Teufelszeug ist und dass man das unter keinen Umständen tun kann, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unnötig! Überflüssig!) muss man sich keine Sorgen machen, dass diese Erlaubnis in diesem Land irgendwann erteilt wird. Ich sage Ihnen aber: Ich halte es für richtig, dass der Erlaubnisvorbehalt darin steht. Denn wenn ein Land, das auf Hightech, auf Forschung und Entwicklung setzt, den Anspruch erhebt, Pilotvorhaben, Spitzentechnologien voranbringen zu wollen, dann muss man zumindest die Chance eröffnen, dass diese Technologie auch im eigenen Land irgendwann einmal zum Tragen kommt. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Nüßlein, gestatten Sie am Schluss Ihrer Redezeit noch eine Zwischenfrage der Kollegin Bulling-Schröter? Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Wenn die Frau Kollegin unbedingt will. (Johannes Kahrs [SPD]: Nein, muss nicht!) Eigentlich habe ich mit der Kollegin Bulling-Schröter gar kein Problem. Sie spricht meinen Dialekt. (Johannes Kahrs [SPD]: Was zusammen -trinken!) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Danke schön. Wir beide kommen ja aus Bayern. Sie haben es gerade gesagt. – Ich bin über Ihre Ausführungen ein bisschen erstaunt; denn die bayerische Wirtschaftsministerin, Frau Aigner, hat erst neulich in einer großen bayerischen Zeitung gesagt, die Bayerische Staatsregierung, vor allem die CSU, lehne unkonventionelles Fracking insgesamt ab. Sie hat gesagt: Mit uns wird es das nicht geben. – Ich sehe also schon einen Widerspruch zwischen dem, was Sie erzählen, und dem, was in Bayern in der Zeitung steht. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Machen Sie sich keine Sorgen über das, was die Bayerische Staatsregierung in großer Einheit macht. Der bayerische Ministerpräsident hat im Rahmen seines China-Besuchs ganz deutlich formuliert, dass der Vorschlag, den die Frau Hendricks auf den Tisch gelegt hat, ein guter, ein intelligenter Kompromiss ist und dass er das Verbot, so wie es Bayern anstrebt, natürlich so ausgestaltet sehen möchte, wie ich es gerade eben beschrieben habe, nämlich verbunden mit dem Vorbehalt, dass man, wenn nichts mehr dagegen spreche, auch fracken kann. Ich kann Ihnen auch sagen, dass das, was ich vorhin zu Forschung und Entwicklung gesagt habe, auch hier gilt: Wenn Fracking im eigenen Land nicht mehr anwendbar sein sollte, dann muss man sich doch zumindest die Option offenhalten, am Standort Deutschland zu forschen, zu entwickeln und dafür Sorge zu tragen, dass unter anderen, besseren Konditionen in Zukunft im Ausland gefrackt wird. Das, was wir hier machen, nämlich zu sagen: „Wir bleiben sauber; aber aus dem Ausland importieren wir Gas, das dort unter schlechteren Bedingungen gefrackt worden ist“, ist Ökokolonialismus der schlimmsten Sorte. Deshalb ist das abzulehnen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen erneuerbare Energien! Das ist die Alternative zu Fracking!) Wir müssen ganz klar dafür Sorge tragen, dass auch da die Technik vorankommt. Zumindest das sollten Sie uns zubilligen, und Sie sollten nicht ständig weiter Denkverbote verhängen. Das steht einer Partei der Freiheit nämlich gar nicht an. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Freiheit für Fracking!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Vorbemerkung kann ich mir jetzt doch nicht verkneifen: Dieses beständige Jammern über die Bildung einer rot-rot-grünen Regierung in Thüringen, Herr Nüßlein, hat wirklich mehr mit Phantomschmerzen über den Verlust einer Regierung zu tun als mit berechtigten Vorwürfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Ärger über eure fehlende Scham ist das! Bündnis 90/Die Grünen mit den Linken! Das ist doch blamabel!) Frau Ministerin, ich will mit einem Punkt beginnen, der sich nicht in Ihrem Haushalt, sondern im Haushalt des Forschungsministeriums wiederfindet, bei dem Sie aber durchaus eine gewichtige Rolle spielen. Nach Meinung vieler gehört dieser Punkt eigentlich in den Haushalt Ihres Ministeriums. Ich meine den geplanten Export der Jülicher Brennelemente zur Wiederaufarbeitung in die USA. Dafür sind im Haushalt 65,5 Millionen Euro eingestellt. Am Ende werden dafür womöglich 1 Milliarde Euro anfallen; denn die Amerikaner wollen sich den Bau und die Entwicklung der Anlage, die sie für die Behandlung der Graphitbrennelemente brauchen, natürlich von uns bezahlen lassen. Dieser Export wird damit begründet, dass der Jülicher Reaktor ein Forschungsreaktor sei. Bei der IAEA wird er als Leistungsreaktor geführt. Diesen Streit auszubreiten, bringt irgendwie nicht viel. Es steht Gutachten gegen Gutachten. Ich glaube, es geht im Kern um etwas anderes. Ich spreche das in dieser Debatte und nicht in der über den Forschungshaushalt an, weil ich glaube, dass Sie, Frau Ministerin Hendricks, dafür ansprechbarer sind. Wir haben im Juni letzten Jahres eine Bund-Länder-Kommission zur Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe eingesetzt. Diese Kommission arbeitet mit viel Unterstützung durch das Bundesumweltministerium. Sie hat viele Mitglieder, aus der Politik, aus den Landes-regierungen, aus der Zivilgesellschaft, aus der Wissenschaft. Wir arbeiten ganz kleinteilig daran, das aufzubauen, was am Ende für ein Endlager für hoch radioaktiven Müll das Wichtigste in diesem Land ist, nämlich Vertrauen. Das, was wir für den Vertrauensaufbau machen, akribisch und an ganz vielen Stellen, das reißt die Bundesregierung mit diesem geplanten Export mit einem Körperteil, den man hier im Parlament anständigerweise nicht nennt, gerade wieder ein. Ich bitte Sie, sich dafür einzusetzen, dass von dieser falschen Haltung Abstand genommen wird. (Beifall des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Frau Wanka, die zuständige Ministerin, hat bei ihrem Besuch in der Kommission keinen Zweifel daran gelassen, dass sie die Sensibilität für die Metabotschaft, die dieser Export hat, nicht hat, dass sie nicht realisiert, worum es in der Kommission im Kern geht und was dieser Export der Arbeit der Kommission antut. Deswegen bitte ich Sie darum. Sie haben tatsächlich auch eine Aufgabe in dieser ganzen Gemengelage; denn ein Atommüllexport kann nur erlaubt werden, wenn Sie als zuständige Ministerin die Gewähr dafür geben, dass eine schadlose Verwertung oder eine sichere Endlagerung im Empfängerland gewährleistet ist. Sichere Endlagerung: Wo in den USA soll die stattfinden? Da sind die USA nicht mal so weit wie wir; sie sind zurückgefallen. Eine schadlose Verwertung kann eine Wiederaufarbeitung oder eine ähnliche Behandlung nun wirklich nicht sein. Zweites Thema – ich bleibe beim Atommüll –: Schacht Konrad. Konrad war in den letzten Tagen indirekt oder direkt von zwei Aufregernachrichten betroffen. Zum einen geht es um die rostenden Atommüllfässer. Ja, es sind längst mehr als das eine Atommüllfass in Brunsbüttel vor zweieinhalb Jahren oder die über 100 Atommüllfässer in Brunsbüttel, von denen wir inzwischen wissen; es sind 2 000. Ich war nicht begeistert, zu sehen, dass das Bundesumweltministerium das nicht aufgelistet hat, das nicht bei den Ländern abgefragt hat, sondern das dem NDR überlassen hat. Aber immerhin, wir wissen es jetzt. Das heißt: Wir haben ein Problem. Diese Fässer – das sage ich auch in Richtung der Linken – können nicht ohne Ende oberirdisch in Zwischenlagern gelagert werden. Sie brauchen ein Endlager. Dieses Endlager ist nach jetziger Genehmigungslage Konrad. Aber ich sage auch ganz klar: Eile und die Inbetriebnahme eines Endlagers passen nicht zusammen. Das wissen wir von der Asse; so haben wir die Asse bekommen. Um bei Konrad jetzt nicht Eile an den Tag zu legen, Zeitdruck und womöglich auch Kostendruck auszuüben, um, im Gegenteil, Bedenken auszuräumen, haben wir vorgeschlagen oder gefordert, Konrad zu überprüfen, Konrad auf den Stand von Wissenschaft und Technik zu bringen, dem dieses Endlager, dieser Standort, bisher nicht genügt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zum anderen geht es bei Konrad um die Müllmengen; das ist hier schon erwähnt worden. Ich finde, es gibt eine zu lobende – ja, auch ich will da loben – neue Ehrlichkeit im Bundesumweltministerium. Man redet endlich von all den Abfällen und sagt: Alle die müssen in Deutschland entsorgt werden, auch die aus der Uran-anreicherung. – Die Urananreicherungsanlage, Frau Hendricks, gehört übrigens in überschaubarer Zeit geschlossen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wohin diese Müllmengen sollen – ob das Konrad sein wird, ob das ein drittes Endlager sein wird, ob wir in der Kommission sie mit für das zu suchende Endlager für hoch radioaktiven Müll vorsehen sollen –, das können wir heute nicht entscheiden. Aber was nicht geht – ich bin sehr froh, dass ich Sie ein bisschen in dieser Richtung verstanden habe; die vorherigen Botschaften aus dem BMU und dem BMWi waren andere –, ist, nach einer Inbetriebnahme von Konrad diesen Müll im Zuge einer Erweiterung dort einzulagern. Da braucht es in der Tat ein neues Planfeststellungsverfahren. Ich habe Sie so verstanden. Da sind wir einer Meinung. Vielen Dank dafür. Vielen Dank für das Zuhören. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist für die Sozialdemokraten die Kollegin Ulli Nissen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ulli Nissen (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Berichterstatterin im Baubereich. Da ist mir die Städtebauförderung ein besonderes Anliegen. Wir haben dort als rot-schwarze Bundesregierung ein deutliches Zeichen gesetzt. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Rot-schwarze Bundesregierung?) Bereits im letzten Jahr haben wir die Mittel erheblich aufgestockt. Das wird auch so bleiben. Für 2015 sind erneut 700 Millionen Euro vorgesehen. Diese Mittel wecken anscheinend bei vielen Begehrlichkeiten. Auch hier im Parlament höre ich immer wieder: Da können wir doch die Mittel aus der Städtebauförderung nehmen. – Aber ich sage deutlich: Das Geld geben wir nicht frei. Wir brauchen dieses Geld unter anderem für das Programm „Soziale Stadt“, um in Städten und Stadtteilen mit sozialen Brennpunkten wirklich etwas zu machen. (Beifall bei der SPD) Also keine Chance, liebe Kollegen! Davon geben wir nichts heraus. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Die Flüchtlinge gehören dazu, oder nicht?) Weiteres im Haushalt ist mir wichtig. Dazu gehören unter anderem die Mittel für den altersgerechten Umbau von Wohnungen. Ich denke, die meisten von uns wollen möglichst lange selbstbestimmt im gewohnten Umfeld bleiben, und es ist gut, wenn wir die Voraussetzungen dafür verbessern. Es ist gelungen, schon zum 1. Oktober 2014 das Zuschussprogramm wieder zu starten und 10 Millionen Euro dafür einzustellen. 2015 stehen etwa 12 Millionen Euro bereit, damit der altersgerechte Umbau von Wohnungen mit Zuschüssen gefördert werden kann. Das ist gut, das ist richtig. Gerade ältere Menschen wollen keine Darlehen mehr aufnehmen, oder Banken verweigern wegen des Alters aus fadenscheinigen Gründen die Kreditaufnahme. Der Bedarf an altersgerechten und barrierefreien Wohnungen ist sehr hoch und steigt weiter. Prognos hat errechnet, dass altersgerechter Umbau die staatlichen Sozialsysteme jährlich um 3 Milliarden Euro entlasten kann, wenn dadurch nur bei 15 Prozent der pflegebedürftig werdenden Personen ein Umzug ins Heim vermieden oder aufgeschoben werden kann. Eingespartes Geld ist für viele das Argument; für mich ist aber das Entscheidende, dass die Menschen in ihrem Umfeld bleiben können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die internationalen Kriege und Konflikte führen dazu, dass immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen und auf der Flucht sind. Es ist eine Selbstverständlichkeit für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass wir Verfolgte bei uns herzlich willkommen heißen. Sie brauchen eine gute und adäquate Unterkunft und Versorgung, damit sie sich bei uns zu Hause fühlen. Ich bedanke mich bei den vielen Bürgerinnen und Bürgern, die die Flüchtlinge vor Ort betreuen und eine tolle Integrationsarbeit leisten. Ihnen herzlichen Dank! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Karsten Möring [CDU/CSU]) Flüchtlingspolitik ist aber auch eine nationale Aufgabe, und deshalb sind wir alle gefordert. Die Unterbringung von Flüchtlingen stellt viele Kommunen vor große Herausforderungen. Gerade in Ballungsräumen wie meinem Frankfurter Wahlkreis ist der Wohnungsmarkt angespannt. Da ist die Unterbringung zum Teil sehr schwierig. Wir haben deshalb im Baugesetzbuch Änderungen vorgenommen, um den Kommunen die Unterbringung zu erleichtern. Das ist aber nur ein erster Schritt auf einem längeren Weg. Auch in diesem Zusammenhang haben sich einige aus unserem Ausschuss eine wichtige Frage gestellt: Wie kann die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die BImA, einbezogen werden? Dankenswerterweise haben die Kollegen des Haushaltsausschusses in der Bereinigungssitzung einen Haushaltsvermerk eingefügt. Dieser besagt, dass Grundstücke und Gebäude, die zur Unterbringung von Flüchtlingen dienen, mietfrei an Länder und Gemeinden abgegeben werden können – eine große Erleichterung für die Kommunen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Des Weiteren hat der Koalitionsausschuss an diesem Dienstag festgestellt, dass der Bund die Länder und Kommunen darüber hinaus unterstützen will. Ich bin sehr froh, dass wir, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, uns dafür einsetzen, dass sich der Bund an den Kosten der Kommunen infolge der Zuwanderung und Integration der Flüchtlinge mit bis zu 1 Milliarde Euro beteiligt. Darüber bin ich sehr froh. (Beifall bei der SPD) Lieber Herr Hirte, Sie haben vorhin angedeutet, dass es sich bei der Reduzierung des Ansatzes für das Wohngeld um 100 Millionen Euro letztlich nur um eine technisch bedingte Verschiebung handelt. Deshalb fände ich es doch klasse, wenn wir die 100 Millionen Euro 2016 on top bekämen. Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner für die CDU/CSU ist der Kollege Volkmar Vogel. (Beifall bei der CDU/CSU) Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eines der Kernelemente vernünftiger Umweltpolitik ist die Nachhaltigkeit. Ich glaube, Nachhaltigkeit bedeutet nichts weiter, als dass man zum Beispiel aus einem System nur das entnimmt, was in vertretbaren Zeiträumen wieder nachwächst. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wächst so viel Hirnschmalz wieder nach?) Wenn wir heute hier die Haushaltsdebatte führen, dann gilt eigentlich das Gleiche. Das heißt, wir sollten tatsächlich nur das ausgeben, was wir auch sicher einnehmen. Das ist uns mit diesem Haushalt gelungen. Ich denke, das ist eine gute Gemeinsamkeit zwischen vernünftiger Umweltpolitik und vernünftiger Haushaltspolitik. Vielen Dank dafür! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Nachdem ich jetzt diese Gemeinsamkeit herausgestellt habe, fragt man sich natürlich auch: Welche Gemeinsamkeiten gibt es denn zwischen Umweltpolitik und Baupolitik? (Ulli Nissen [SPD]: Das fragen wir uns manchmal auch!) Ein Jahr nachdem diese beiden Ressorts zusammengelegt worden sind, kann ich zumindest für meine Fraktion sagen – ich glaube, unser Koalitionspartner wird uns da bestätigen –: Es ist eine Zusammenlegung, die funktioniert; denn es gibt ein gutes Miteinander. Man bringt viel Verständnis füreinander auf und trägt dafür Sorge, dass die Zwänge, mit denen wir im Baubereich konfrontiert sind, umweltpolitisch vernünftig begleitet werden. Machen wir uns nichts vor: Bauen müssen wir auch weiterhin. (Zuruf von der SPD: Vollkommen richtig!) Wir brauchen Bauland, wir brauchen Infrastruktur, und wir brauchen Hochwasserschutz. Wir brauchen für all das vernünftige Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen, Freizeitangebote und vieles mehr. Wir müssen die Nutzungskonkurrenz auflösen, und sie kann nirgends besser gelöst werden als in unserem Bereich, und zwar gemeinsam mit der Landwirtschaft, deren Grundlage wir nicht weiter einschränken dürfen. Die Grundlage der Landwirtschaft – wir hatten dieses Thema in der vorherigen Debatte – sind Böden, die vernünftig bearbeitet werden können. Das ist eine Aufgabe, der wir uns stellen müssen und der wir uns stellen werden. Wir werden mit intelligenten Lösungen dafür sorgen, dass die Flächeninanspruchnahme in einem vernünftigen Rahmen bleibt. Es gibt an vielen Stellen Doppel- und Mehrfachnutzungen. Hier könnte man die entsprechenden Bereiche intelligent miteinander verbinden, zum Beispiel den Hochwasserschutz mit der Landwirtschaft oder auch Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen im innerstädtischen Bereich. Ich habe von den für unseren Wohnungsbau so wichtigen Siedlungsflächen und der Ausweisung von Bauland gesprochen. Wohnungsbau hat nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen zu funktionieren. Was passiert, wenn das nicht so ist, sehen wir daran, was in 40 Jahren DDR entstanden ist. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Thüringen ist da schuld!) Wohnungsbau hat aber immer auch einen sozialen Aspekt. Im Zusammenhang mit sozialen Fragen reden wir immer nur über Rente oder Krankenversicherung. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Thüringen ist da schuld!) Aber vernünftiger Wohnraum ist von genauso großer Bedeutung. Bei all den Problemen, die wir haben, muss ich sagen: Wir haben in Deutschland im internationalen Vergleich einen verdammt gut aufgestellten Wohnungssektor. Das ist nicht nur unser Verdienst, sondern das ist das Verdienst aller Akteure, die hier mit am Werk sind: (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Thüringen ist da schuld! Das liegt an Thüringen!) Das geht bei der kommunalen Wohnungswirtschaft los über die gewerblichen Immobilienbetreiber bis hin zu den vielen Selbstnutzern, die darauf achten, dass ihr Eigentum nicht an Wert verliert. Dabei müssen wir ihnen helfen. Kurzfristig ist es wichtig, dass wir das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen zum Erfolg führen. Ich sage ganz klar, dass wir mit dem Stand der Dinge nicht zufrieden sind. Um es zu einem Erfolg zu führen, müssen wir gemeinsam mehr Gas geben. Gerade in diesem Bereich kommt es darauf an, den Neubau anzukurbeln, für kostengünstiges Bauland zu sorgen und die Rahmenbedingungen zu verbessern. (Beifall bei der SPD) Es geht auch darum, die Baukosten im Griff zu behalten. Bei den Baukosten kommt es vor allen Dingen darauf an, dass wir die Bestimmungen des Ordnungsrechts und des Baunebenrechts überprüfen und überlegen, ob man unter Umständen Vereinfachungen vornehmen oder zumindest im Rahmen eines Moratoriums zur Stabilisierung beitragen kann. Ebenso sind die Standards und Normen zu überprüfen. Ich muss an dieser Stelle kritisieren, dass das fast immer außerhalb unserer Zuständigkeit geschieht, wir aber die Festlegungen, die dort getroffen werden, hinnehmen und in unser Regelwerk einarbeiten müssen. Das ist ein Punkt, an dem wir arbeiten müssen. Wir müssen uns überlegen, ob es Möglichkeiten gibt, die fachliche und auch die politische Beteiligung an diesem Prozess zu verstärken. Bei der Wohnungspolitik und der Baupolitik muss man auch über Geld reden. Ich möchte an dieser Stelle an die Länder appellieren, die vonseiten des Bundes bis 2019 jährlich 580 Millionen Euro Entflechtungsmittel erhalten. Ein Problem, warum in verschiedenen Regionen Wohnungsknappheit herrscht, ist, dass einige Länder, seit sie zuständig sind, also seit 2007, ihre Hausaufgaben nicht ordnungsgemäß gemacht haben. Sie haben den Wohnungsbau und vor allem den sozialen Wohnungsbau vernachlässigt. (Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Ich appelliere an die Länder, die Zweckbindung der Mittel einzuhalten und die Mittel entsprechend einzusetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der Bund stellt sich seiner Verantwortung für den Wohnungsbau auch mit seinen einzelnen Programmen im Rahmen der Städtebauförderung. Hier stellen wir insgesamt 700 Millionen Euro zur Verfügung, 50 Millionen Euro davon für das Sonderprogramm für national bedeutsame Projekte. Ich finde, es war richtig und wichtig, dass wir im engen Kontakt die Bedingungen dafür festgelegt und organisiert haben, in welcher Art und Weise die Auswahl der einzelnen Projekte erfolgen soll, und frühzeitig die Länder einbezogen und uns bestimmten Themen gestellt haben, wie in diesem Fall jetzt dem UNESCO-Weltkulturerbe. Aber ich möchte auch an Maßnahmen zur Umsetzung der „Grünen Stadt“ erinnern. Wir werden in den nächsten Jahren sicherlich auch noch die Fragen der Energieeffizienz und der energetischen Sanierung in den Mittelpunkt rücken, genauso wie die familien- und kinderfreundliche Stadt. Ich denke, das sind Themen, derer wir uns sinnvoll annehmen sollten und die auch den einzelnen Lebensentwürfen entsprechen. Bei der Städtebauförderung ist der Schwerpunkt eindeutig der demografische Wandel. Das betrifft auch die Frage des altersgerechten Umbaus zu barrierearmem Wohnen mit 12 Millionen Euro. Aber es ist eigentlich nur ein Teil. (Ulli Nissen [SPD]: Genau! Ja! – Weiterer Zuruf der Abg. Ulli Nissen [SPD]) Ein wesentlicher Teil sind aus unserer Sicht natürlich auch alle Dinge, die im Zusammenhang mit den notwendigen Stadtumbaumaßnahmen stehen: dass man in den Regionen, in denen Bevölkerungsrückgang und Leerstand zu verzeichnen sind, sinnvollerweise Wohnungen vom Markt nimmt oder umgestaltet und damit das Quartier als solches aufwertet. Wir haben die Stadtumbauprogramme, die mit insgesamt 200 Millionen Euro innerhalb der Städtebauförderung den größten Investitionsteil unserer Programme darstellen, im Zeitraum von 2005 bis 2009 evaluiert und in der damaligen Großen Koalition bis 2016 auf den Weg gebracht. Ich denke, es ist die Aufgabe dieser Großen Koalition, diesen Stand zu evaluieren und Vorschläge zu machen, wie man das weiterentwickeln kann. Aber wir werden es wahrscheinlich nicht mehr sein, die es beschließen. Wir können es jedoch auf den Weg bringen. Meiner Meinung nach kommt es darauf an, ein Stadtanpassungsprogramm daraus zu entwickeln, das mehr als bisher die Innenstädte umfasst und nicht nur Wohnungen im Außenbereich vom Markt nimmt und auch dafür Sorge trägt, dass die Aufwertung und die Umgestaltung – und damit auch die Umgestaltung der sozialen Infrastruktur – mehr in den Mittelpunkt rücken. Damit bekommen wir lebenswerte Städte, in denen es sich lohnt zu leben und in denen auch die sozialen Spannungen weit weniger ausgeprägt sind, als sie es wären, wenn wir hier nicht mit den Möglichkeiten und Steuerungselementen, die wir haben, Einfluss nehmen. Wir brauchen dazu die Länder und die Kommunen. Das können wir als Bund nicht erledigen, und wir sind auch nicht allein dafür verantwortlich. Es kommt darauf an, dass es ein gutes Zusammenwirken gibt und die anstehende Evaluierung in den entsprechenden Lenkungsausschüssen unter Beteiligung aller erfolgt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nichtsdestotrotz: Wenn wir über demografischen Wandel sprechen, dann bedeutet das auch – das ist ein wesentlicher Teil des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen –, die Energiewende richtig zu machen. Das heißt, dass wir die richtigen Maßnahmen treffen, um die Energieeinsparung und damit die CO2-Minderung im Gebäudebereich zu realisieren. Wir haben dazu geeignete Mittel, die die Bundesregierung demnächst auf den Weg bekommt, um die wahrscheinlich noch verbliebene Lücke zu schließen. Mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz und dem nationalen Aktionsplan Energieeffizienz wird uns das gelingen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es steht aber nichts davon im Haushalt!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sehe große Potenziale in diesem Bereich, vor allem auch bei der energetischen Stadtsanierung. Bei der Sanierung im Quartier gibt noch Potenziale, die es zu heben gilt und die wir auch nutzen müssen. Ich bin froh, dass wir dafür 50 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen haben. Ich denke, neben der Sanierung im Quartier sollte man auch berücksichtigen, dass viele Wohneigentumsgemeinschaften derzeit noch nicht in der Lage sind, gemeinsam die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz durchzuführen. Ich sehe eine einfache Möglichkeit: dass man dieses Programm, ähnlich wie bei der energetischen Stadtsanierung, in diesem Bereich erweitert. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, 700 Millionen Euro insgesamt allein in der Städtebauförderung, 1,5 Milliarden Euro im CO2-Gebäudesanierungsprogramm und 300 Millionen Euro im Zuschussprogramm – das ist zum einen viel Geld. Das bedeutet zum anderen Planungssicherheit, die wir allen Akteuren geben müssen. Ebenso wollen wir ihnen die Sicherheit geben, dass wir die einzelnen Bestimmungen, die diesbezüglich vorliegen – zum Beispiel die EnEV, zum Beispiel das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz –, nicht so maßgeblich ändern werden, dass keine Planungssicherheit für die nächsten Jahre besteht. Wir wollen Planungssicherheit. Wir wollen keine Verschärfung, sondern wir wollen, dass diejenigen, die das umzusetzen haben, sich danach richten und damit arbeiten können. Lassen Sie mich zum Schluss aber Folgendes sagen: Das sind alles Steuergelder. Es ist wichtig, auch privates Kapital zu heben, und zwar mithilfe steuerlicher Anreize. (Beifall bei der CDU/CSU) Den Vorschlag, der bereits im Jahre 2011 einmal auf dem Tisch lag, aber damals leider von den Ländern abgelehnt wurde, sollten wir wieder aufgreifen. Er hilft, die Sanierungsquote weiter zu verbessern. Insbesondere ist es wichtig, dass sich die Länder daran beteiligen. Die Länder, die sich selber ehrgeizige Ziele gesetzt haben, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, sollten auch hier ihren Beitrag leisten. Der Bund wird das mit dem vorliegenden Haushalt 2015 tun. Mit den Verpflichtungsermächtigungen ist auch Planungssicherheit für die nächsten Jahre gegeben. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Michael Groß für die Sozialdemokraten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michael Groß (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Minuten sind tatsächlich und real weniger als zwölf Minuten. (Heiterkeit bei der SPD) Ich wollte dir schon ein Angebot machen und dich fragen, ob du mir etwas abgibst. Nächstes Mal können wir uns ja darüber unterhalten. (Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Machen wir!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin nach diesem Jahr sehr zufrieden mit meiner Ministerin. Ich kann nur sagen: Sie hat viel erreicht. Vor allen Dingen stellt sie, wie wir in ihrer Rede gehört haben, zwei Dinge in den Mittelpunkt: – den Menschen und die Umwelt. Dafür kann man ihr nur danken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das tut sie in einer Art und Weise, die sehr zielorientiert ist und bei der letztendlich auch deutlich wird, dass es auf Dialoge ankommt. Das Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen ist für uns ein wichtiges politisches Instrument, um die Menschen mitzunehmen, deren Wissen zu nutzen und zu versuchen, sehr sensibel den schmalen Weg zwischen Ordnungsrecht, Förderung und demjenigen, was jeder leisten kann, zu gehen. Das ist der richtige Weg. Ich danke Ihnen, Frau Ministerin Barbara Hendricks, dafür, dass Sie diesen Weg gegangen sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Genauso positiv ist, dass wir das Programm „Soziale Stadt“ noch einmal stabilisiert haben. Beim Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ handelt es sich um ein ähnliches Instrument, das darauf setzt, dass wir die Menschen überzeugen, auch beim Thema „Klima- und Umweltschutz“. Die Menschen müssen davon überzeugt sein, dass Energieeffizienz der richtige Weg ist und dass man dafür natürlich auch selbst Geld in die Hand nehmen muss. Es ist nichts umsonst. Die Umwelt muss es uns wert sein, dass wir auch dafür bezahlen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Gestatten Sie mir noch zwei Sätze zur Vorbildfunktion des Bundes und zum immer wieder erfolgenden Verweis auf die Länder. Es ist äußerst wichtig, dass wir endlich aufhören, mit dem Finger auf die Länder und Städte zu zeigen. Der Bund muss Geld zur Verfügung stellen, damit Länder und Städte nicht mehr gezwungen sind, die Grunderwerbsteuer und die Grundsteuer zu erhöhen. (Beifall bei der SPD) Jetzt habe ich noch 20 Sekunden. Dann sage ich noch etwas zur BImA. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben muss Vorbild für die Wohnungswirtschaft sein. Auch wenn wir Wohnungen verkaufen wollen, müssen wir dafür sorgen, dass Städte und Gemeinden sie kaufen können und den Menschen preiswert zur Verfügung stellen können. Das ist unsere Aufgabe. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Jetzt danke ich Ihnen und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend. Glück auf! – Genau zwei Minuten. Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Groß, meinen Respekt! Was die Redezeit betrifft, war das eine Punktlandung. Vielen Dank. – Abschließender Redner zum Einzelplan 16 ist der Kollege Dr. Klaus-Peter Schulze, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Einer muss den Sack zubinden“, sagt man in der Lausitz. Nach den vielen interessanten Reden, die wir heute im Plenum zum Haushaltsplan 2015 verfolgen konnten, möchte ich zum Schluss den Begriff „Natur- und Artenschutz“ in den Mund nehmen und mich nicht so sehr um den Klimaschutz kümmern; denn ich denke, dass unser Umweltministerium auf diesem Gebiet auch sehr viel zu tun hat und sehr viel macht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei der Ministerin und den Staatssekretären, aber auch beim BfN bedanken, die auf diesem Gebiet in den letzten Jahren – so lange, wie ich das verfolgen kann – gute Arbeit geleistet haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die leitende Überschrift des Bundeshaushalts 2015 lautet: schwarze Null. Viele Redner haben gestern und auch heute darauf hingewiesen, dass das nicht nur für dieses Jahr, also für das Haushaltsjahr 2015, gilt, sondern dass das verstetigt werden muss. Das wird aus meiner Sicht schwierig genug. Ich erinnere mich, dass ich bei meiner Tätigkeit als Bürgermeister auch einmal drei Jahre lang einen ausgeglichenen Haushalt auf den Tisch legen und sogar anfangen konnte, Schulden zurückzuzahlen. Das ging drei Jahre lang gut. Dann kam die Neuausrichtung der Energiepolitik in Deutschland im Jahr 2011. Das führte dazu, dass ein Viertel der Steuereinnahmen innerhalb weniger Monate weggebrochen ist. Dann hatten wir doch eine ganze Reihe von Problemen. Ich hoffe nur, dass die wirtschaftliche Entwicklung, die ja die Basis dafür legt, dass wir Geld ausgeben können, auch in der Zukunft Bestand hat, damit die Ziele, die sich Bundesminister Schäuble, die Bundesregierung und wir alle uns gesetzt haben, auch erreicht werden. Der Haushalt des Umweltministeriums wächst um 6 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro. Mich freut es ganz besonders, dass die Mittel für Maßnahmen im Rahmen des Bundesprogramms „Biologische Vielfalt“ in Höhe von 15 Millionen Euro, für Naturschutzgroßprojekte in Höhe von 14 Millionen Euro und für Forschungsaufgaben im Bereich des Naturschutzes in Höhe von 16 Millionen Euro auf hohem Niveau verstetigt werden. Dabei darf der Blick allerdings nicht nur auf den Haushalt des BMUB gerichtet werden; denn ein beachtlicher Teil der Anstrengungen Deutschlands im Bereich des Natur- und Artenschutzes wird auf internationaler Ebene auch durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geleistet. So werden im Einzelplan 23 im nächsten Jahr beinahe 175 Millionen Euro für die entwicklungswichtige multilaterale Hilfe zum weltweiten Umweltschutz, zur Erhaltung der Biodiversität und zum Klimaschutz bereitgestellt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Träger [SPD]) Überhaupt sind unsere Anstrengungen im internationalen Kontext beeindruckend. Im Haushalt des BMUB ist die Internationale Klimaschutzinitiative hervorzuheben, die im kommenden Jahr mit fast 263 Millionen Euro gezielt Klima- und Biodiversitätsprojekte in Entwicklungs- und Schwellenländern sowie in den Transformationsstaaten fördert. Diese beinhaltet Projekte wie Renaturierung und nachhaltiges Management von Mooren in der Ukraine, gemeindebasierte Schutzgebiete in Ursprungsregionen des Wildkaffees in Äthiopien, Schutz und Rehabilitierung von Küstenökosystemen auf den Philippinen und im Korallendreieck oder die Stärkung des Nationalparksystems in Südamerika. Kurz noch etwas zum Thema Küstenökosysteme. Ich glaube, einem großen Teil unserer Bürgerinnen und Bürger ist nicht bewusst, wenn sie im Supermarkt im Kühlregal ein Paket Garnelen für 1,50 Euro oder weniger kaufen, dass wir mittlerweile 25 Prozent unserer weltweiten Mangrovenwälder zerstört haben, um Aquakulturen anzulegen, damit wir hier billig Krebstiere essen können. Vor 20 oder 25 Jahren war das eine Rarität, die man sich nur zu besonderen Anlässen geleistet hat. Inzwischen kann man sich so etwas regelmäßig leisten, allerdings mit den genannten Folgen. Bei der 12. Vertragsstaatenkonferenz und beim ersten Treffen der Vertragsstaaten zum Nagoya-Protokoll in Pjöngjang, an denen ich gemeinsam mit meinem Kollegen Träger von den Sozialdemokraten teilnehmen konnte, ist uns von vielen Ländern bestätigt worden, dass Deutschland einen großen Einsatz im Bereich des Erhalts der biologischen Vielfalt leistet. Das wurde dort lobend erwähnt. Wir konnten uns davon überzeugen, dass unser Ministerium gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen wie dem NABU oder dem WWF hier einen guten Job macht. Das findet auch entsprechende Anerkennung. In vielen Bereichen des Natur- und Artenschutzes gilt: Ohne Ehrenamt geht nichts. Auch bei der schon erwähnten Tagung war es so, dass hier ein internationales Jugendnetzwerk zur Biodiversität mit 51 Organisationen aus 86 Ländern mit über 350 000 Mitgliedern seine Projekte vorstellen konnte. Es freut mich ganz besonders, dass unser Umweltministerium diese Netzwerkarbeit finanziell unterstützt. Ich wünsche mir, dass dieses Engagement in den nächsten Jahren fortgesetzt wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Bei der bloßen Bereitstellung der notwendigen finanziellen Mittel darf es nicht bleiben; die Gelder müssen nicht nur verwaltet werden, sondern auch wirtschaftlich eingesetzt und in sinnvolle Projekte umgesetzt werden. Das Bundesamt für Naturschutz ist für das Gros dieser Aufgaben zuständig. Ich habe im August dieses Jahres das BfN besucht und mir ein Bild von der Arbeit von Professor Jessel und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemacht. 13 neue Planstellen gibt es im laufenden Haushaltsjahr, und für das nächste Haushaltsjahr sind 7 neue Planstellen vorgesehen, um den größeren Aufgabenbereich abdecken zu können. Ich wünsche mir, dass diese positive personelle Entwicklung in dieser wichtigen Behörde auch in den nächsten Jahren Bestand hat. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Über das Thema „Elefant und Nashorn“ hat der Kollege Lemme gesprochen. (Steffen-Claudio Lemme [SPD]: Das war sehr gut!) In Anbetracht der Zeit verzichte ich darauf. Ich komme zum Schluss zum Zielkonflikt zwischen Wirtschaft, Infrastrukturmaßnahmen, Natur- und Artenschutz. Beim Ausbau des Bereichs der erneuerbaren Energien gibt es eine Kehrseite der Medaille. Ich erinnere nur an die großen Probleme mit der zunehmenden Vermaisung. Als seinerzeit das Erneuerbare-Energien-Gesetz beschlossen wurde, hat niemand an mögliche negative Auswirkungen des verstärkten Biomasseanbaus gedacht. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die Große Koalition!) So gab es keinerlei Studien zu diesem Thema. Ein vermehrtes Artensterben durch Monokulturen, verstärkte Nitrateingänge in unseren Gewässern usw. sind heute unübersehbare Folgen. Frau Kollegin Höhn, ich habe mich schlaugemacht und mir wurde bestätigt: Das ist vorneweg nicht untersucht worden, zumindest laut Aussage des Wissenschaftlichen Dienstes. Unter Artenschutzgesichtspunkten sind die Offshoreanlagen in der Nord- und Ostsee nicht nur Heilsbringer. Vor allem der Bau der Windkraftanlagen im Meer beeinflusst die sehr schallempfindliche Schweinswalpopulation nachhaltig. Das macht den Experten viel mehr Sorgen als die derzeit von einigen Umweltaktivisten lautstark und massiv bekämpfte Stellnetzfischerei an den Küsten der Nord- und Ostsee. Auch hier gilt es, wie so oft im Leben, mehr mit Augenmaß zu handeln und keine Schwarz-Weiß-Malerei zu betreiben. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Das war ein weiser Spruch zum Ende dieses Tages!) Vizepräsident Johannes Singhammer: Ich danke Ihnen auch und schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 16 – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – in der Ausschussfassung. Dazu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Zunächst stimmen wir ab über den Änderungsantrag auf Drucksache 18/3306. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden. Wir kommen jetzt zu dem Änderungsantrag auf Drucksache 18/3307. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieser Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden. Wir stimmen nun ab über den Einzelplan 16, und zwar in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Einzelplan 16 mit den Stimmen der Großen Koalition gegen die Stimmen der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 28. November 2014, 9 Uhr, ein. Kommen Sie alle gut erholt wieder. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 21.14 Uhr) Berichtigung 69. Sitzung, Seite 6599 D, erster Absatz, dritter Satz ist wie folgt zu lesen: „Nicht eingerechnet sind dabei die armutsbedingten Migrationen, die nach Paul -Collier zu einem Exodus führen könnten – ich empfehle jedem, das zu lesen –, nicht nur bei uns oder in den Ländern, in die sie flüchten, sondern in ihren eigenen Heimatländern, wo das auch zukünftig sehr starke Auswirkungen haben wird.“ Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 27.11.2014 Bellmann, Veronika CDU/CSU 27.11.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 27.11.2014 Feiler, Uwe CDU/CSU 27.11.2014 Groth, Annette DIE LINKE 27.11.2014 Kermer, Marina SPD 27.11.2014 Nietan, Dietmar SPD 27.11.2014 Poß, Joachim SPD 27.11.2014 Schön (St. Wendel), Nadine CDU/CSU 27.11.2014 Tempel, Frank DIE LINKE 27.11.2014 Veit, Rüdiger SPD 27.11.2014 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27.11.2014 Weinberg, Harald DIE LINKE 27.11.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 27.11.2014 Zech, Tobias CDU/CSU 27.11.2014 Anlagen II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 70. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 27. November 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 70. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 27. November 2014 6755 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 6758 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 70. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 27. November 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 70. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 27. November 2014 6757