Plenarprotokoll 18/28 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 28. Sitzung Berlin, Dienstag, den 8. April 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksache 18/700 2221 B b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksache 17/14301 2221 B in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushalts-begleitgesetzes 2014 Drucksache18/1050 2221 B Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF 2221 D Allgemeine Finanzdebatte (einschließ- lich Einzelpläne 08, 20, 32 und 60) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) 2230 B Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) 2232 A Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2234 A Norbert Barthle (CDU/CSU) 2236 B Roland Claus (DIE LINKE) 2239 A Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) 2240 B Johannes Kahrs (SPD) 2243 D Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2246 A Antje Tillmann (CDU/CSU) 2247 A Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) 2249 A Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) 2250 D Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI 2252 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) 2255 A Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) 2256 C Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2258 B Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) 2259 D Dr. André Hahn (DIE LINKE) 2261 B Dr. André Berghegger (CDU/CSU) 2262 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2263 D Gabriele Fograscher (SPD) 2264 D Barbara Woltmann (CDU/CSU) 2266 A Dr. Lars Castellucci (SPD) 2267 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2268 B Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) 2269 A Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) 2270 B Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas, Bundesminister BMJV 2271 C Roland Claus (DIE LINKE) 2273 C Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) 2275 A Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2276 D Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU) 2278 A Caren Lay (DIE LINKE) 2279 D Burkhard Lischka (SPD) 2281 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2282 B Sebastian Steineke (CDU/CSU) 2283 D Dennis Rohde (SPD) 2285 C Michael Frieser (CDU/CSU) 2287 A Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 2288 C Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) 2289 B Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 2291 A Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) 2292 D Ulrich Freese (SPD) 2294 A Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2295 B Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU) 2296 B Karin Binder (DIE LINKE) 2297 D Christina Jantz (SPD) 2299 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2300 C Marlene Mortler (CDU/CSU) 2301 D Rainer Spiering (SPD) 2303 A Alois Gerig (CDU/CSU) 2304 C Ute Vogt (SPD) 2305 C Cajus Caesar (CDU/CSU) 2306 D Tagesordnungspunkt 3: Antrag der Bundesregierung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur -Beteiligung an der Europäischen Über-brückungsmission in der Zentralafrikanischen Republik (EUFOR RCA) auf Grund-lage der Beschlüsse 2014/73/GASP sowie 2014/183/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. Februar 2014 und vom 1. April 2014 in Verbindung mit den Resolutionen 2127 (2013) und 2134 (2014) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 5. Dezember 2013 und vom 28. Januar 2014 Drucksache 18/1081 2308 B Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg 2308 C Niema Movassat (DIE LINKE) 2309 B Michael Roth, Staatsminister AA 2310 C Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2311 C Dagmar Freitag (SPD) 2312 C Florian Hahn (CDU/CSU) 2313 C Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) 2314 B Niema Movassat (DIE LINKE) 2315 B Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) 2315 D Nächste Sitzung 2316 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 2317 A Inhaltsverzeichnis 28. Sitzung Berlin, Dienstag, den 8. April 2014 Beginn: 11.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich zur Haushaltswoche des Deutschen Bundestages. Ich kann Ihnen heute weder mit Geburtstagen noch mit Wahlen eine besondere Freude -machen, sodass wir ohne jeden weiteren Verzug in die vereinbarte Tagesordnung eintreten können. Wenn nicht irgendjemandem noch etwas Alternatives einfällt, rufe ich unsere Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b sowie den Tagesordnungspunkt 2 auf: 1 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2014 (Haushaltsgesetz 2014) Drucksache 18/700 Überweisungsvorschlag: Haushaltsauschuss b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2013 bis 2017 Drucksache 17/14301 Überweisungsvorschlag: Haushaltsauschuss 2 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbegleit-gesetzes 2014 Drucksache18/1050 Überweisungsvorschlag: Haushaltsauschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Gesundheit Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind im Rahmen der Haushaltsberatungen für die heutige Aussprache im Anschluss an die einstündige Einbringung des Haushalts 6 Stunden und 24 Minuten – es könnten auch 25 Minuten werden – vorgesehen. Für Mittwoch sind 8 Stunden und 32 Minuten, für Donnerstag 10 Stunden und 5 Minuten sowie für Freitag 3 Stunden und 41 Minuten vorgesehen. (Johannes Kahrs [SPD]: Ein Freudenfest für Haushälter!) Wir werden selbstverständlich wie immer festhalten, wie nah wir dann an diesen Vereinbarungen wirklich sind. Ich frage jedenfalls ausdrücklich, ob irgendjemand gegen diese Vereinbarung des Zeitrahmens der Aussprache Einwände hat. – Das ist nicht der Fall. Dann wird sich das Präsidium darum bemühen, das auch so wie gerade beschlossen einzuhalten. Das Wort zur Einbringung des Haushalts hat der Bundesminister der Finanzen, Herr Dr. Wolfgang Schäuble, das ich ihm hiermit erteile. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 war ein Weckruf für Deutschland und für Europa. Wir haben seitdem begonnen, uns auf festerem Fundament neu aufzustellen. Unsere Politik der Hilfe zur Selbsthilfe zeigt Wirkung. In der Euro-Zone haben sich die Haushaltsdefizite seit 2009 mehr als halbiert. Die Wettbewerbsfähigkeit ist gestiegen. Die Leistungsbilanzen haben sich verbessert. Die Wirtschaft der Euro-Zone – das ist entscheidend – kehrt zu Wachstum zurück. Die Spannungen in den -Finanzmärkten haben sich gelegt. Irland und Spanien konnten ihre Hilfsprogramme erfolgreich abschließen. Portugal steht kurz davor. Auch Zypern ist auf einem guten Weg. Griechenland macht bei allen Problemen mehr Fortschritte, als alle erwartet haben. In Spanien beginnt die Arbeitslosigkeit zu sinken. Mit Estland und Lettland hat die Euro-Zone zwei neue Mitglieder bekommen, die für wirtschaftlichen Erfolg durch Reformen und solide Haushalte stehen. Die Erfolge sollten uns aber nicht glauben lassen, dass wir bereits über den Berg wären. Die Arbeitslosigkeit, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit, ist in zahlreichen Ländern immer noch viel zu hoch. Dringend notwendige Strukturreformen sind in wichtigen Ländern noch nicht ausreichend umgesetzt. Jetzt ist die Krise in der und um die Ukraine ein weiterer Weckruf; denn sie führt uns vor Augen, dass auch im Europa des 21. Jahrhunderts Frieden und Stabilität keine Selbstverständlichkeit sind. Sie zwingt uns zu neuer Ernsthaftigkeit. Sie zeigt, dass wir weiter an uns arbeiten müssen, um in dieser neuen Weltunordnung zu bestehen. Die Europäer wissen aus historischer Erfahrung, dass die Anwendung militärischer Mittel keine Lösung sein darf. Also bleiben Diplomatie und wirtschaftliche Instrumente. Wir Europäer sind in dem, was man „Soft -Power“ nennt, global führend. Unser Gesellschaftsmodell, demokratische politische Kultur, soziale Marktwirtschaft – all das ist weltweit attraktiv. Aber langfristig werden wir damit nur überzeugen, wenn wir unsere Hausaufgaben machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Genau wie während der Euro-Krise beobachtet die Welt auch in diesen Wochen der Ukraine-Krise sehr genau, ob wir Europäer in der Lage sind, unsere Überzeugung und unseren Kurs durchzuhalten. Und das erfordert wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Wir müssen in dieser Situation Verlässlichkeit beweisen, wir müssen die nötigen Reformen wirklich durchziehen, und wir dürfen nicht der Versuchung billigen Geldes erliegen; denn das würde uns langfristig weiter schwächen. Wir müssen zeigen, dass wir zu nachhaltiger Stabilisierung in der Lage sind. Es ist eine Art Stresstest für unsere „Soft -Power“. Schließlich, meine Damen und Herren, sollten auch die großen Herausforderungen, vor denen wir in Europa auch dann stehen würden, wenn wir keine Krise in der Euro-Zone und keine Krise um die Ukraine gehabt hätten, für uns ein Weckruf sein. Deutschland und Europa – daran muss man wieder und wieder erinnern – sind von Besonderheiten geprägt, die im globalen Wettbewerb nicht gerade von Vorteil sind. In der Welt heißt es oft über uns – es wird in Englisch formuliert –, wir seien „rich, ageing, risk-averse“, also wohlhabend, älter werdend und nicht gerade risikogeneigt. Wir haben in -Europa eine deutlich höhere Sozialleistungsquote im Verhältnis zur Wirtschaftskraft. Das liegt auch daran, dass die verheerenden Folgen unserer kriegerischen Geschichte in Europa ein besonders hohes politisches wie wirtschaftliches Sicherheitsbedürfnis haben entstehen lassen. Wir haben auch eine schwierigere demografische Entwicklung. Wir haben weniger Rohstoffe und Energiereserven als andere Länder und Kontinente. Bei neuen Technologien sind wir in der Tat nicht besonders risikofreudig. Damit besteht die Gefahr, dass wir im internationalen Vergleich zurückfallen. Finanz-, Wirtschafts- und Staatsschuldenkrise waren Krisen der westlichen Industriestaaten, die zu massiven Wirtschaftseinbrüchen geführt haben. Die europäische Wirtschaft hat in den vergangenen sechs Jahren, alles zusammen genommen, insgesamt stagniert. Im gleichen Zeitraum ist etwa die indische Wirtschaft um mehr als ein Drittel, die chinesische um nahezu 70 Prozent gewachsen. Der Anteil Europas an den weltweiten Patent-anmeldungen ist im vergangenen Jahrzehnt um fast die Hälfte gesunken. Es leben etwas mehr als 7 Prozent der Weltbevölkerung in Europa; aber rund die Hälfte aller Sozialausgaben weltweit entfällt auf uns. Im Übrigen müssen wir uns auch in Deutschland ernsten Fragen stellen. In der nächsten Generation wird die Bevölkerung Deutschlands voraussichtlich um rund 10 Millionen Einwohner schrumpfen. Wahrscheinlich werden dann Frankreich und Großbritannien mehr Einwohner haben als wir, und unser Anteil an der Weltwirtschaftsleistung wird von knapp 5 Prozent nach den Prognosen auf unter 2 Prozent sinken. Auch die aktuelle Projektion zur langfristigen finanziellen Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen zusammen genommen zeigt, dass wir uns nicht zurücklehnen dürfen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht der Haushalt?) Trotz aller Erfolge durch Reformen und Haushaltssanierungen verbleibt langfristig – je nachdem, wie man rechnet – eine Tragfähigkeitslücke zwischen 0,6 und 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die zentrale Ursache ist die demografische Entwicklung. Der Tragfähigkeitsbericht, den wir vor kurzem in der Bundesregierung beschlossen haben, zeigt auf, dass wir diese Herausforderungen bewältigen können, aber dass wir sie nur bewältigen können, wenn wir nicht der Illusion erliegen, wir könnten künftig weniger arbeiten und uns zugleich mehr leisten. Der Bericht zeigt, dass wir alles in allem auf einem guten Weg sind und dass wir nicht radikal umsteuern müssen. Er zeigt eben auch, dass wir in unseren Anstrengungen nicht nachlassen dürfen. Erfolge bergen immer die große Gefahr in sich, dass man in den Anstrengungen glaubt nachlassen zu dürfen. Eine aktuelle OECD-Studie hat festgestellt, dass wir in Deutschland im internationalen Vergleich eine überdurchschnittlich lange Rentenlaufzeit haben, weil wir im Schnitt schon recht früh in Rente gehen. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt vielleicht noch früher, Herr Schäuble!) Wir haben ein ungünstiges Verhältnis von Erwerbspersonen zu Rentnern. Weil wir das Niveau der sozialen Absicherung nicht senken, sondern erhalten wollen, (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie senken es aber!) müssen wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln mehr erreichen. Wir haben beispielsweise – Frau Göring-Eckardt, auch das ist noch ein Problem – höhere Gesundheitsausgaben als andere. Aber der subjektiv empfundene Gesundheitsstatus ist oft schlechter. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wegen der Zweiklassenmedizin!) Wir erleben ja immer wieder, dass mehr Ausgaben nicht automatisch zu mehr Zufriedenheit führen. Wahrscheinlich beruht auch das auf dem ökonomischen Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen. Die Antworten auf all diese Fragen werden über unsere Rolle in der Welt des 21. Jahrhunderts entscheiden, also etwa darüber, wie lange Deutschland seine Führungsrolle und seine Funktion als Stabilitätsanker in -Europa noch wahrnehmen kann, oder auch darüber, ob wir Europäer von anderen Staaten wie den Vereinigten Staaten, China oder Russland in Zukunft eher als Bittsteller oder als Partner behandelt werden. Am Ende geht es darum, ob unsere westliche Demokratie und unser freiheitliches Wirtschaftssystem weiterhin eine globale Vorbildrolle einnehmen können im Vergleich zu anderen Staaten, die inzwischen ökonomisch auch recht erfolgreich sind, aber nicht unseren Anforderungen an Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, soziale Stabilität und ökologische Nachhaltigkeit entsprechen. Wir haben in Deutschland in den letzten Wochen – wir tun es teilweise immer noch – intensiv über Rentenpolitik und Mindestlohn diskutiert. Manche warnen vor den Folgen unserer Politik. Wir in der Koalition haben nach sorgfältiger Prüfung dieser Politik beschlossen: Wir können uns das leisten. Aber wir sollten nicht glauben, dass wir uns mehr leisten können. Wir können uns diese Politik nur leisten, wenn wir unseren Standort wettbewerbsfähig halten. Deswegen ist es so wichtig, dass wir an einer sicheren Energieversorgung zu wettbewerbsfähigen Energiepreisen arbeiten. Denn für Deutschland wie für Europa gilt, dass wir für unser höheres Wohlfahrtsniveau besser, leistungsfähiger und solider sein müssen. Wir müssen immer erst erwirtschaften, was wir verteilen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Für das erforderliche nachhaltige Wirtschaftswachstum ist eine solide Finanz- und Haushaltspolitik eine unabdingbare Voraussetzung. Es wird ja immer wieder diskutiert, ob es Alternativen gebe zu solider Finanzpolitik und nachhaltiger Wirtschaftspolitik. Das ist Unsinn. Das eine ist die Bedingung des anderen: ohne solides, nachhaltiges Wachstum keine stabilen Finanzen, aber ohne solide Finanzen kein nachhaltiges Wachstum. Internationale Vergleiche zeigen, dass Länder mit einigermaßen soliden Finanzkennziffern auch ein nachhaltiges Wachstum verzeichnen, Länder ohne solide Finanzausstattung jedoch nicht. Wir sollten wieder und wieder betonen: Nur mit einer soliden Finanz- und Haushaltspolitik schaffen wir die notwendigen Spielräume, (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann fangen Sie doch einmal an!) um in Bildung und Forschung, in Familie und Kinder, in Infrastruktur und Technologie zu investieren. Darum, aus genau diesen Gründen, haben wir den Bundeshaushalt in den letzten Jahren Schritt für Schritt saniert; und genau darum ist es so wichtig, dass wir unserem Ziel treu bleiben, dauerhaft einen Haushaltsausgleich zu erreichen. Das ist kein Wert an sich – auch nicht aus Sicht der Finanz- und Haushaltspolitiker –, sondern das ist die Voraussetzung für nachhaltige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unter den Rahmenbedingungen des 21. Jahrhunderts. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der Haushaltsentwurf für 2014, den ich hier einbringen darf, ist auf diesem Wege ein wichtiger Schritt. Es wird in diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten wieder einen strukturell ausgeglichenen Haushalt geben. Wir haben, wenn man die letzte Rate für den Euro-Rettungsschirm abzieht, eine Neuverschuldung von knapp über 2 Milliarden Euro. Wir haben nach der statistischen Gesamtberechnung sogar einen leichten strukturellen Überschuss. Das ist ein wichtiger Erfolg. Ab dem nächsten Jahr macht der Bund gar keine neuen Schulden mehr. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Null im Bundeshaushalt wird möglich durch die konsequente Haushaltskonsolidierung der letzten Jahre. Wir haben seit 2010 das Ausgabenniveau im Bundeshaushalt nicht erhöht. Ich höre immer, das sei keine Kunst. Das ist auch keine Kunst. Das ist einfach nur solides Arbeiten. Das ist überhaupt keine Kunst. Kunst wäre gar nicht angemessen. Das ist nur solides Arbeiten. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach nur Konjunktur- und Zinsgewinne!) – Es sind nicht die sprudelnden Einnahmen. Manchmal fragt man sich ja, in welcher Welt man eigentlich lebt. Die Steuereinnahmen entwickeln sich entsprechend dem nominalen Wachstum unserer Volkswirtschaft. Wir haben die Steuern in den letzten Jahren nämlich nicht erhöht. (Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Die Zinsen sind niedriger; das ist wahr. Die Zinsausgaben sind im Bundeshaushalt 2014 um 4 Milliarden Euro niedriger als 2010, trotzdem haben wir die Ausgaben seit 2010 nicht erhöht. So haben wir die Neuverschuldung aufgrund des als Folge der Krisenbekämpfung in den Jahren 2008 folgende für 2010 erwartete Rekorddefizit in Höhe von 86 Milliarden Euro Schritt für Schritt auf den Stand abbauen können, den wir jetzt erreichen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ganz von allein ist das nicht gekommen. Sonst wäre das nicht die Ausnahme im Rückblick auf die letzten 50 Jahre. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir werden übrigens auch im kommenden Jahr, 2015, bei den Ausgaben unter dem Niveau von 2010 bleiben, trotz Preis- und Lohnsteigerungen und trotz zusätzlicher Ausgabenschwerpunkte im Bundeshaushalt. In den kommenden Jahren sollen die Ausgaben dann nur so weit steigen, wie das mit einem ausgeglichenen Haushalt vereinbar ist. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie auch noch mal in die Sozialkassen greifen!) – Ich komme auch noch zu den Sozialkassen. (Volker Kauder [CDU/CSU], an die Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Dann gibt es eine richtige Abreibung!) Das ist die nächste große Legende. Vielleicht sage ich schon einmal vorweg: Fast 50 Prozent dieses Bundeshaushalts, den ich Ihnen vorlege, sind für Sozialausgaben vorgesehen. Spätestens wenn wir 100 Prozent des Bundeshaushalts für Sozialausgaben verwenden, wird es auch die Linkspartei schwer haben, weitere Investitionen zu fordern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Herr Schäuble, das waren die Grünen eben, die zugerufen haben! Bitte nicht durcheinanderbringen! Das ist unfair!) Jedenfalls nutzen wir die Spielräume, die wir uns mit der konsequenten Haushaltssanierung geschaffen haben, für die Umsetzung der prioritären Maßnahmen, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau, 2018 bei den Kommunen!) Ich bleibe dabei: Unter diesen Rahmenbedingungen, die ich zu beschreiben versucht habe, müssen Bundeshaushalte ohne Neuverschuldung – das ist wichtig – zur neuen Normalität werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dann wird auch die Belastung durch die Gesamtverschuldung, die vorhanden und sehr hoch ist, tragbar, weil sie im Verhältnis zu unserer wirtschaftlichen Gesamtleistung abnehmen wird. Ich werde gelegentlich von jungen Leuten gefragt: Werden wir jemals ohne Schulden sein? Dann ist meine Antwort: Hoffentlich nie, denn die Voraussetzung dafür wäre eine Währungsreform, und das ist immer eine große Katastrophe. – Aber die Gesamtbelastung darf im Verhältnis zur Wirtschaftskraft nicht immer größer werden, sondern muss geringer werden. Dafür arbeiten wir. Wir haben heute Morgen im Kabinett das Stabilitätsprogramm 2014 beschlossen. Dazu sind wir nach den europäischen Regeln verpflichtet. Darin melden wir der Europäischen Kommission, dass die gesamtstaatliche Schuldenquote noch in dieser Legislaturperiode auf unter 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Bei einer halbwegs normalen wirtschaftlichen Entwicklung ohne größere Krisen sind wir auf einem guten Weg, innerhalb von zehn Jahren die gesamtstaatliche Schuldenquote von heute knapp unter 80 Prozent auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken zu können. Diese 60 Prozent entsprechen übrigens den Vorgaben des europäischen Regelwerks. Dahinter steht die Vorstellung – auch das macht Sinn –, dass ein solches Verschuldungsniveau, also 60 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistungskraft, bei normaler wirtschaftlicher Entwicklung und normalem Zinsniveau alles in allem langfristig tragbar ist. Wir wollen gar keine Musterschüler sein. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür müssten Sie ja auch etwas machen! – Weiterer Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Aber wir finden es nicht schlecht, wenn man sich in Europa an die Regeln hält, die man sich selbst gegeben hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir erwarten von anderen nichts, was wir nicht auch selber leisten. Das würde auch keinen Sinn machen. Wir werden kein Vertrauen in Europa finden, wenn wir uns an Regeln, die wir uns wieder und wieder gegeben haben, die wir wieder und wieder feierlich bestätigen, nicht halten, wenn wir Regeln beschließen und gleichzeitig den Vorsatz haben, uns nicht daran zu halten. (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!) Wir sind auch gar nicht die Mahner anderer, sondern kehren zunächst einmal vor der eigenen Tür und sagen, dass wir uns an die Regeln halten. Es war ein schwerer Fehler, dass Deutschland und Frankreich zusammen 2003 als Erste den Stabilitätspakt gebrochen haben. Genau daraus ziehen wir die Lehre. (Beifall bei der CDU/CSU) Nur wenn wir in Europa Vertrauen und Verlässlichkeit schaffen, nur wenn wir uns an Vereinbarungen und Regeln halten, schaffen wir die Voraussetzungen für weiteres stabiles Wachstum in Deutschland und in Europa. Natürlich ist der Haushaltsausgleich allein noch nicht alles. Ein Haushalt muss auch die richtigen, also zukunftsorientierte Schwerpunkte setzen. Das Niveau von Einnahmen und Ausgaben muss insgesamt angemessen bleiben. Wir dürfen die Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger nicht überfordern, übrigens auch nicht unterfordern. Anreize für Eigenverantwortung müssen immer bleiben, wenn das System funktionieren soll. Es darf nicht Aufgabe von Politik werden, Menschen zu bevormunden und damit am Ende zu demotivieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Das gilt für den Arbeitsmarkt, das gilt für die Altersvorsorge, und das gilt für das Gesundheitswesen. Wir leisten uns in Deutschland einen hohen Sozialstandard. Die Zuschüsse des Bundes zu den gesetzlichen Sozialversicherungen machen mit allmählich mehr als 100 Milliarden Euro rund ein Drittel aller Ausgaben des Bundes aus. Insgesamt – ich sagte es schon – entfällt heute bereits fast die Hälfte des Bundeshaushalts auf Sozialausgaben. Die demografische Entwicklung spricht eher für einen weiteren Anstieg. Deswegen müssen wir wieder und wieder fragen, ob diese Soziallastigkeit des Bundeshaushalts in unserer älter werdenden Gesellschaft zukunftsfest ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben uns, Frau Göring-Eckardt, aufgrund von befürchteten Einnahmeausfällen durch die damalige Finanz- und Wirtschaftskrise in den Krisenjahren entschlossen, für die Zeit ab 2010 die Zuschüsse des Bundes zur gesetzlichen Krankenversicherung zu erhöhen; wir haben sie deutlich erhöht. Durch die erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre wäre das rückblickend in diesem Umfang nicht notwendig gewesen. Im Gesundheitsfonds und bei den gesetzlichen Krankenkassen haben sich Überschüsse in Höhe von zusammen rund 30 Milliarden Euro angesammelt. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für versicherungsfremde Leistungen!) Die nun geplante, zeitlich begrenzte moderate Kürzung des Zuschusses an den Gesundheitsfonds (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, die wird nachher zu Zusatzbeiträgen für die Versicherten führen!) gefährdet die Stabilität der Beitragssätze nicht. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sagen die Krankenversicherungen was anderes!) Im Übrigen ist vorgesehen, den Bundeszuschuss wieder anzuheben, sobald das nötig werden wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es wäre doch Unsinn, bei einem Überschuss von 30 Milliarden Euro durch weitere Bundeszuschüsse die Verschuldung des Bundes zu erhöhen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie könnten das ja auch anders finanzieren!) Das macht doch keinen Sinn. Deswegen treffen wir diese Maßnahme. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Auch die Kommunen werden von uns bessergestellt. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Oh, das freut mich! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ach! – Quatsch!) – Ja, natürlich. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, 2018 vielleicht! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Na, na, na!) – Man muss zunächst einmal daran erinnern, Herr Kollege, dass nach dem Grundgesetz – es ist immer wichtig, vom Grundgesetz auszugehen; das ist die Grundlage für jedes Handeln – (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss aber auch die Versprechen halten, die man gegeben hat! Sie brechen Ihre Versprechen!) grundsätzlich die Länder für die Kommunen zuständig sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Selbst die Sprecher der kommunalen Spitzenverbände haben gesagt, dass es niemals eine so kommunenfreundliche Politik der Bundesregierung wie in den letzten Jahren gegeben hat. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja?) Diese wird fortgesetzt. (Beifall bei der CDU/CSU) Die prioritären Maßnahmen des Koalitionsvertrages zugunsten der Kommunen werden, wie vereinbart und wie im Koalitionsvertrag festgehalten, ausfinanziert. Der Bund entlastet die Kommunen. Hören Sie ruhig zu! Diese Art von Diffamierung, diese Art, den Kommunalpolitikern die Dinge falsch zu erzählen, ist unerträglich! (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie mal mit Kommunalpolitikern! Die Kommunalpolitiker wissen das schon selber! Die brauchen keine Belehrungen von Ihnen! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Seien Sie doch mal friedlich! Mannomann!) Wir haben die Kommunen in den letzten Jahren trotz grundsätzlicher Länderzuständigkeit durch zahlreiche Maßnahmen entlastet; das muss man den Kommunalpolitikern und den Menschen in den Städten und Gemeinden in dieser Haushaltsdebatte in Erinnerung rufen. Wir entlasten die Kommunen durch die vollständige Übernahme der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Da Sie nun schon so oft zugerufen haben, will ich sagen: Es war eine rot-grüne Regierung, die den Kommunen die Lasten der Grundsicherung im Alter übertragen hat. (Thomas Oppermann [SPD]: Das war im Vermittlungsausschuss!) In vollständiger Höhe sind die Kommunen von dieser Belastung inzwischen entlastet; sie selber haben damit vor drei Jahren noch nicht gerechnet. (Beifall bei der CDU/CSU) In diesem Jahr wird vereinbarungsgemäß die vollständige, die hundertprozentige Kostenerstattung erreicht. Dadurch erhalten die Kommunen in diesem Jahr zusätzlich über 1 Milliarde Euro. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: 1,6 sogar!) Im Vorgriff auf das noch zu erarbeitende Bundesteilhabegesetz erhalten die Kommunen anschließend, in den folgenden Jahren dieser Legislaturperiode, jeweils 1 Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich. So sieht es der Koalitionsvertrag vor. Dies wird eingehalten und umgesetzt. (Beifall bei der CDU/CSU) Diese grundlegende Neuordnung der Eingliederungsleistungen ist übrigens schon 2012 überparteilich vereinbart worden. Aber es erfordert natürlich nicht nur die Beteiligung des Bundes, sondern genauso auch die Beteiligung aller Länder, damit die Kommunen entlastet werden können. Darüber hinaus wird das eine sehr komplexe Reform werden. Es geht also nicht nur um eine finanzielle Beteiligung des Bundes. Wenn die Tragfähigkeit für den öffentlichen Gesamthaushalt erhalten werden soll – und diese haben wir im Auge –, dann muss auch in diesem Bereich die Ausgabendynamik begrenzt bleiben. Das sorgfältig zu erarbeiten wird die verantwortliche Mitarbeit aller Beteiligten erfordern, und das wird seine Zeit brauchen. Im Übrigen hat das Statistische Bundesamt in diesen Tagen bekannt gegeben, dass die Kommunen 2013 einen Finanzierungsüberschuss von insgesamt 1,7 Milliarden Euro erzielt haben. Das hat im vergangenen Jahr übrigens zu einer Steigerung kommunaler Investitionen von über 10 Prozent geführt. Das ist gut für die wirtschaftliche Entwicklung, das ist gut für die Kommunen; aber das muss erwähnt werden in diesem Zusammenhang. Die Kommunen haben insgesamt einen Überschuss, der Bund hat ein Defizit. Er hat von allen -Gebietskörperschaften mit Abstand die schlechteste -Finanzausstattung; das kann gar nicht infrage gestellt werden, es muss nur gelegentlich wenigstens vom Bundesfinanzminister gesagt werden. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber gleichzeitig 40 Milliarden Euro Kassenkredite!) – Ja; aber der Bund hat 1,3 Billionen Euro Gesamtverschuldung, Herr Kollege, Sie wissen das. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja!) Deswegen bleibt es dabei: Der Bund hat mit weitem Abstand die schlechtesten Finanzkennziffern. Das heißt nicht, dass wir uns nicht unserer Verantwortung für Länder und Kommunen bewusst bleiben; aber man muss die richtigen Relationen gelegentlich nennen, sonst wird die öffentliche Debatte völlig irreführend. (Beifall bei der CDU/CSU) Im Übrigen möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen: Der Bund hat die Kommunen nicht nur bei der Grundsicherung im Alter, sondern auch beim Ausbau der Kinderbetreuung und durch seine Beteiligung an den Kosten für Unterkunft und Heizung in den vergangenen Jahren maßgeblich entlastet. Natürlich ist wahr, dass es eine große – zu große – Spreizung zwischen finanzstarken und finanzschwachen Kommunen gibt, und die -Situation mancher Kommunen ist – das darf bei den Gesamtzahlen nicht aus dem Blick geraten – wirklich ernst. Aber es ist eben auch wahr, dass nach der Ordnung des Grundgesetzes die Schwierigkeiten der kommunalen -Finanzierung vor Ort – von den Ländern – gelöst werden müssen; sie sind laut Grundgesetz dafür verantwortlich. Der Bund hat dafür gar nicht die rechtlichen Möglichkeiten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das bloße Verschieben von Finanzierungslasten zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen kann sowieso keine Lösung sein. Wir brauchen solides Haushalten auf allen staatlichen Ebenen. Deswegen geht der Bund mit gutem Beispiel voran. Genau darum, um solides Haushalten auf allen staatlichen Ebenen, muss es bei der anstehenden Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gehen: Die Neuordnung muss die Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Ebenen reflektieren. Ein Hin-und-her-Schieben von Verantwortung und Zuständigkeiten hilft nicht weiter. Der Bund kann nicht immer wieder Problemlagen lösen müssen, für die er nach dem Grundgesetz gar nicht zuständig ist. (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!) Deshalb müssen die Finanzbeziehungen von Bund und Ländern so geordnet werden, dass sie langfristig tragfähig sind. Auch das wird einige Kraftanstrengungen erfordern. Aber wenn wir das schaffen, wenn wir auf dieser Grundlage solide Finanzen auf allen staatlichen Ebenen sichern, dann schaffen wir eine stabile Basis für ein dauerhaft gutes Investitions- und Konsumklima. Die Sanierung des Bundeshaushalts hat einen entscheidenden Beitrag zu einem guten Investitions- und Konsumklima geleistet. Das zahlt sich bereits heute aus. (Beifall bei der CDU/CSU) Das zahlt sich aus in der guten wirtschaftlichen Entwicklung, in der wir Rekordbeschäftigung und steigende Löhne haben. Das kommt allen Menschen in unserem Land zugute. Solide Finanzpolitik sorgt für Vertrauen in stabile und verlässliche Rahmenbedingungen und in die langfristige Handlungsfähigkeit des Staates. Nur Menschen, die Vertrauen in die Politik und Vertrauen in die Zukunft ihres Landes haben, investieren und konsumieren. Vertrauen ist in unserer hochentwickelten, aber ressourcenarmen Volkswirtschaft mit unser wichtigstes Kapital. Deswegen müssen wir es weiter stärken; denn nur das kann dauerhaft Wohlstand und soziale Sicherheit schaffen. Wir verdanken es unserer stabilitätsorientierten Politik, dass wir die Finanz- und Wirtschaftskrisen der letzten Jahre so glimpflich überstanden haben, besser als die meisten anderen in Europa. Immerhin hatten wir 2009 einen gesamtwirtschaftlichen Einbruch von über 5 Prozent. Gerade weil wir das Vertrauen der Investoren und Verbraucher gestärkt haben, war unsere Doppelstrategie von Strukturreformen und Haushaltssanierung erfolgreich. Das ist ein zentraler Grund dafür, dass unser Land derzeit gut dasteht. Diese Doppelstrategie ist übrigens exakt dasselbe, was auch in den Programmländern der Euro-Zone erfolgreich angewendet wird: Haushaltssanierung auf der einen Seite und Strukturreformen für bessere Wettbewerbsfähigkeit und dauerhaftes Wachstum auf der anderen Seite. Wir sind heute international wettbewerbsfähig. Die Aussichten für die weitere gesamtwirtschaftliche Entwicklung sind in Deutschland positiv. Die Fundamentaldaten und die Konjunkturindikatoren deuten auf einen breiten Aufschwung hin: 1,8 Prozent Wachstum in diesem Jahr, 2 Prozent im nächsten Jahr; das entspricht den Prognosen von nationalen und internationalen Institutionen. Die Bundesbank erwartet in ihrem Monatsbericht für den Monat März 2014 für das erste Quartal sogar ein – wörtlich – „sehr starkes“ BIP-Wachstum. Anders als im Ausland immer wieder behauptet wird, ist übrigens die Binnennachfrage – vor allem der private Konsum – die Hauptstütze des Wachstums. Hier wirken sich die robuste Lage am Arbeitsmarkt – wir haben die höchste Zahl von Beschäftigten in der deutschen Geschichte und die geringste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung –, der anhaltende Beschäftigungsaufbau und die günstige Einkommensentwicklung aus. Wir stehen auch im internationalen Vergleich gut da. Als einziges Mitglied der Europäischen Union haben wir seit zwei Jahren einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt. Mit dieser Politik haben wir nicht nur Vertrauen für ein gutes privates Investitionsklima geschaffen, sondern auch neue Handlungsspielräume für zielgerichtete staatliche Investitionen gewonnen. Das ist langfristig angelegte Wachstumspolitik. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn die Investitionen? Die Investitionsquote stagniert doch!) Bereits in den letzten Jahren haben wir darauf geachtet, dass die Senkung der Neuverschuldung nicht zulasten besonders zukunftsgerichteter Ausgaben geht. Wir haben in Bildung und Forschung, in Familie und Infrastruktur investiert. In der letzten Legislaturperiode haben wir allein die Ausgaben für Bildung und Forschung um über 13 Milliarden Euro erhöht, und wir werden das fortsetzen. Mit dem Bundeshaushalt 2014 beginnen wir, die prioritären Maßnahmen des Koalitionsvertrags umzusetzen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch kaum umgesetzt! Wo ist denn Bildung und Forschung umgesetzt? Im Einzelplan 60!) Wir verstetigen die Städtebauförderung, wir verstärken die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, und wir entlasten die Länder und Gemeinden weiter. Der Koalitionsvertrag sieht vor, die für das Wachstum bedeutsamen Ausgaben des Bundes in dieser Legislaturperiode zu steigern: um 5 Milliarden Euro bei der Verkehrsinfrastruktur, um 3 Milliarden Euro bei der Forschung und um 6 Milliarden Euro bei der Bildung, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn das im Haushalt 2014?) womit wir Länder und Kommunen bei ihren originären Aufgaben entlasten. Das alles ist im Haushalt 2014 und in den Eckwerten für 2015 bis 2018 finanziell unterlegt. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 2018!) – Herr Kollege, da Sie ständig dazwischenrufen, macht es keinen Sinn mehr, auch nur zu versuchen, Ihre Zwischenrufe aufzunehmen. Das ist wirklich eine sinnlose Art von parlamentarischer Auseinandersetzung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) So ein Dauerfeuer von Zwischenrufen kann man überhaupt nicht mehr verstehen. Das erhöht nur den Lärm-pegel ein bisschen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Stimmt! Das ist ja unerträglich!) – Ja, gut, das ist nicht so tragisch, aber ich wollte das nur einmal gesagt haben. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt muss Herr Volker Kauder Sie schon verteidigen, Herr Schäuble! – Johannes Kahrs [SPD]: Herr Kauder, er probiert nur, ein bisschen Opposition zu machen, sonst nimmt ihn keiner mehr wahr!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich finde, jetzt ist es aber auch gut. Der Bundesfinanzminister hat das Wort. Mit der sich anschließenden Debatte werden wir das ja wohl gemeinsam ordentlich bewältigen können. Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, entscheidend ist jedenfalls: Deutschland kann nur dann ein attraktiver Wirtschafts- und Investitionsstandort bleiben, wenn wir eine zukunftsfähige Infrastruktur haben. Wir brauchen moderne Verkehrsnetze und leistungsfähige Strom- und Breitbandnetze. Immerhin – auch das muss ja gesagt werden – hat die Weltbank Deutschland vor kurzem gerade wegen unserer guten Infrastruktur zum Logistikweltmeister gekürt. Es kann also nicht ganz so schlimm sein. Wir wissen aber, dass wir noch besser werden müssen. Deswegen bleibt es bei den 5 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln, die der Bund für die Verkehrsinfrastruktur versprochen hat. Wenn die Einnahmen aus der Lkw-Maut jetzt geringer als bisher angenommen ausfallen sollten, dann werden Herr Kollege Dobrindt, der Bundesverkehrsminister, und ich dafür eine Lösung finden müssen. (Beifall bei der CDU/CSU – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Sie sprechen jetzt über die Maut! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit der Pkw-Maut?) Unabhängig vom statistischen Investitionsbegriff sind übrigens – darauf können vielleicht sogar Sie sich einlassen – (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit den Löchern bei der Lkw-Maut? Sie haben ein Riesenloch bei der Lkw-Maut!) die Investitionen in die Köpfe entscheidend. Wir brauchen Schulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen auf hohem Niveau. Bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung liegt Deutschland immerhin weltweit in der Spitzengruppe, und in Europa sind wir führend. Wir haben höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung als fast alle anderen Länder in der Welt, auch in Europa. Um unser hohes Niveau zu halten, wollen wir in den nächsten Jahren zusätzlich 9 Milliarden Euro in die Bereiche Bildung und Forschung investieren. Aber wir dürfen bei Investitionen nicht immer nur nach dem Staat rufen. Wir müssen unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungen immer wieder prüfen, welcher Teil der Infrastruktur durch den Staat selbst direkt finanziert werden muss und welcher Teil durch Nutzer finanziert werden kann. Ich glaube, dass wir in Deutschland bei der Infrastruktur für Telekommunikation und Energie gute Erfahrungen mit staatlich regulierter privater Bereitstellung gemacht haben. Ich plädiere dringend dafür, dabei zu bleiben. Wir müssen bei der Energiewende wie auch bei neuen Aufgaben in der digitalen Infrastruktur an diesem Prinzip der staatlich regulierten privaten Finanzierung festhalten. Grundsätzlich hat diese nutzungsorientierte Finanzierung wachstumspolitische Vorteile; das zeigen internationale Untersuchungen. Generell sind nämlich Privat-investitionen langfristig für den Wohlstand entscheidend. Für diese Investitionen ist eine verlässliche, stetige und vertrauenschaffende Politik der beste Anreiz. Deswegen sind eben solide, stabilitätsorientierte öffentliche Haushalte in Wahrheit ein Investitionsprogramm für Deutschland und für Europa. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir könnten zugespitzt sagen: Indem wir auf Neuverschuldung verzichten und damit die Altschulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft abbauen, erreichen wir am Ende für unternehmerische Investitionen mehr, als es jeder noch so gut gemeinte Ausgabenschwerpunkt im Bundeshaushalt jemals erreichen könnte. Im Übrigen spiegelt der Vorwurf, wir hätten in Deutschland eine zu niedrige Investitionsquote, die Wirklichkeit schon heute nicht vollständig wider. Wir sind bei Ausrüstungen, Forschung und Entwicklung oder bei Direktinvestitionen im Ausland gut aufgestellt. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Europäisch ziemlich weit unten!) Dass es in Deutschland keine Investitionsblase im Bausektor wie in den Krisenländern in Europa gab, hat zwar unsere Investitionsquote gesenkt, aber das ist sicher kein Fehler gewesen. Wir brauchen angesichts der beschriebenen Herausforderungen mehr Investitionen, vor allem private Investitionen. Dazu ist neben einer soliden Haushaltspolitik vor allem ein international wettbewerbsfähiges Steuersystem zentrale Voraussetzung. Das haben wir in Deutschland, und wir wollen, dass es so bleibt. Deswegen werden die Steuern nicht erhöht werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben – gelegentlich zeigt die öffentliche Debatte, dass es notwendig ist, das wieder einmal zu erläutern – in Deutschland ein ausgeklügeltes System der Unternehmensbesteuerung. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die Abgeltungswirkung der Kapital-ertragsteuer steuerlicher Gerechtigkeit vollständig entspricht; (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nein!) das ist wahr. Aber solange wir noch keinen weltweiten automatischen Informationsaustausch haben, war das ein richtiger und pragmatischer Kompromiss zur Sicherung von Einnahmen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Einnahmen sind doch geringer geworden!) Jedenfalls sind Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer und Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer so aufeinander abgestimmt, dass die Belastung für Personengesellschaften und für Inhaber von Kapitalgesellschaften gleich hoch ist. Wer den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer anheben will, wie es mancher, etwa als Preis für den Abbau der kalten Progression, fordert, der fordert damit letztlich Steuererhöhungen auf breiter Front. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist das!) Damit würde er auch das wichtige Gleichgewicht bei der Unternehmensbesteuerung ins Wanken bringen. Wer das will, soll es ehrlich sagen. Aber dann muss er den Arbeitnehmern erklären, warum er die Investitions- und Beschäftigungsbedingungen für alle Unternehmen verschlechtern will. Das würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres gesamten Steuersystems und damit unseren Wirtschaftsstandort selbst massiv gefährden. Deswegen machen wir das nicht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) Deutschlands Wirtschaftsstärke basiert auf seinen mittelständischen Global Players. Das sind Unternehmen, die sehr oft noch inhabergeführt sind und es auch bleiben wollen, und das aus guten Gründen. Es ist auch gut so, dass sie es bleiben. Die Einkommensteuer ist die Unternehmensteuer dieses starken deutschen Mittelstandes. Wenn wir den Spitzensteuersatz anheben würden, dann würden wir diesen Unternehmen, unserer größten Wirtschaftsstärke, direkt schaden. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir würden genau die Unternehmen empfindlich treffen, die in Deutschland für Ausbildungs- und Arbeitsplätze sorgen. Davor kann ich nur warnen. (Beifall bei der CDU/CSU) Natürlich hat der Abbau der kalten Progression weiter Priorität. Aber es ist schon sehr bedauerlich, dass der in der letzten Legislaturperiode im Bundestag verabschiedete Gesetzentwurf im Bundesrat blockiert worden ist. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Er war nicht finanziert!) – Er war natürlich finanziert. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine große Einigkeit bei der Koalition!) Das Thema bleibt in dieser Legislaturperiode aktuell, aber nicht um den Preis, um es klar zu sagen, durch eine Erhöhung der Unternehmensbesteuerung die wirtschaftliche Entwicklung massiv zu gefährden. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir müssen uns auf unsere wirtschaftlichen Stärken besinnen, statt sie zu bekämpfen, und das heißt, mehr private Investitionen zu erreichen und nicht weniger. Das Steuersystem setzt dafür wichtige Rahmenbedingungen. Wir haben ein breites, leistungsfähiges Instrumentarium zur Mittelstandsförderung, und wir haben gute Finanzierungsbedingungen. Es ist wahr: Wir hören insbesondere von jungen innovativen Unternehmen öfters, dass es trotz der insgesamt guten Bedingungen Ansatzpunkte für weitere Verbesserungen gebe, die nicht zuletzt die Finanzierungsmöglichkeiten für solche Unternehmen betreffen. Weil die jungen innovativen Unternehmen für unsere Wirtschaft ein hohes Potenzial beinhalten, wollen wir es stärken, indem wir Wagniskapitalfinanzierungen unterstützen, indem wir die steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital international wettbewerbsfähig gestalten, und wir wollen Deutschland als Fondsstandort attraktiver machen. (Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das hatten wir doch schon mal!) Zur Stärkung von Börsengängen junger innovativer und wachstumsstarker Unternehmen arbeiten wir an der Einführung eines neuen Börsensegments „Markt 2.0“; man braucht solche Begriffe. Wir sind im Übrigen dabei, Möglichkeiten zu finden, wie die Verbriefung von Mittelstandskrediten erleichtert werden kann. (Lachen bei der LINKEN) Ich weiß, dass Verbriefungen in der Finanzkrise eine unrühmliche Rolle gespielt haben. Aber das lag nicht an dem Instrument der Verbriefung als solchem, sondern an dem Missbrauch. Deswegen sind wir natürlich entschlossen, das auszuschließen. Wir können das ausschließen, indem wir nur solche Verbriefungen berücksichtigen, die höchsten Qualitätskriterien genügen. Wir werden im Übrigen in dieser Woche beim Treffen der G-20-Finanzminister in Washington darüber beraten – ich entschuldige mich schon jetzt beim Deutschen Bundestag, Herr Präsident, dass ich ab Donnerstagnachmittag bei den Haushaltsberatungen nicht mehr anwesend sein kann –, wie wir auf internationaler Ebene die Rahmenbedingungen für langfristige Investitionen der großen Kapitalsammelstellen, etwa der Versicherungen, in die Infrastruktur unserer Volkswirtschaften verbessern können. Das kann auch in Deutschland zu zusätzlichen Investitionen führen. Eine Gesellschaft im demografischen Wandel wie die unsere benötigt Wachstum durch Investitionen und Innovationen genauso wie unsere globalisierte Welt mit bald 9 Milliarden Menschen und so großen Unterschieden und Spannungen. Oder um es zugespitzt zu sagen: Mir ist zu oft von Hochfrequenzhandel und zu selten von langfristiger Investitionsfinanzierung die Rede. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Deshalb muss es uns auch weltweit besser gelingen, die riesige, nach langfristigen Anlageformen förmlich dürstende Liquidität in Investitionen zu lenken. Dazu bleibt die Gesundung der Staatsfinanzen eine entscheidende Voraussetzung. Diese wird neben staatlichen Investitionen auch mehr private auslösen. Digitalisierung und eine immer stärker grenzüberschreitende Globalisierung verwandeln unsere Wirtschaft und Arbeitswelt fundamental. In diesen Tagen wird auf der Industriemesse in Hannover unter dem Motto „Industrie 4.0“ diese Entwicklung beschrieben. Wir werden diese rasante Entwicklung nicht durch staatliche Bürokratie oder Ausgabenprogramme nach Art überholter Industriepolitik lenken können, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sondern wir werden sie nur durch Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung gestalten können. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Machen Sie mal!) Den Rest überlassen wir dann besser dem Markt der Ideen und der Innovationen. Hayek hat einmal – es ist schon eine Zeit lang her – vor der staatlichen Anmaßung von Wissen gewarnt. Ich glaube, das ist gerade angesichts dieser rasanten Veränderung noch aktueller denn je. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber dann müssen wir beweisen, dass wir in Deutschland große Infrastrukturmaßnahmen auch realisieren können. Das gilt für Flughäfen, Bahnhöfe und auch für Stromtrassen. Wie wollen wir sonst auch in Zukunft fliegen, Bahn fahren oder uns im Internet bewegen? Natürlich ist das Prinzip der Bürgerbeteiligung für die demokratische Legitimierung, für die Akzeptanz und auch für eine sachgerechte Ausgestaltung von Großvorhaben unabdingbar. Aber das darf nicht zu einem Missbrauch dieses Prinzips durch kleine, professionelle Lobbygruppen führen, die die Entscheidungen von Mehrheiten am Schluss nicht akzeptieren. Eine ständige Blockadehaltung kann uns nicht weiterführen und wird auf Dauer die Grundlagen unseres Wohlstands aufs Spiel setzen. Wir brauchen ein positives Investitions- und Innova-tionsklima; dafür müssen wir arbeiten. Dabei kann uns auch das Transatlantische Freihandelsabkommen helfen. Wenn wir mit Amerika verhandeln, sollten wir uns gegenseitig die Achtung der gleichen Werte unterstellen, auch was Umwelt- und Arbeitsstandards betrifft. Wenn wir das tun, kann das Investitionsklima im größten Wirtschaftsraum der Welt enorm verbessert werden. Wenn wir angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels dafür sorgen, dass wir genügend qualifizierte Arbeitskräfte behalten, dann helfen uns in Europa dabei die Grundfreiheiten. Die Niederlassungsfreiheit in Europa müssen wir bewahren. Aber sie darf natürlich nicht zu einer Art „Sozialtourismus“ mit massiver Armutseinwanderung führen. Das Wohlstandsniveau in Europa ist heute so unterschiedlich, dass wir auf europäischer Ebene Lösungen finden müssen, die bei der Verrechtlichung von Ansprüchen an die sozialen Sicherungssysteme die Realität unterschiedlicher Wohlstandsniveaus nicht außer Acht lassen. Im Übrigen können wir von einer Debatte über eine überzogene Verrechtlichung vielleicht auch in Deutschland profitieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir immer wieder zur Erneuerung unserer Strukturen und zur Weiterentwicklung unserer Institutionen bereit sind, dann werden wir die großen Herausforderungen bewältigen können, vor denen wir stehen: Herausforderungen in Deutschland, für Deutschland in Europa und für Europa in der Welt. Der Entwurf des Haushalts 2014 wird dazu seinen Beitrag leisten. (Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schäuble, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede darauf aufmerksam gemacht, dass es für die Ukraine und die umliegende Region nur Diplomatie als Lösung gibt. Ich will mich dem ausdrücklich anschließen und hoffe, dass wir auch darin einer Meinung sind, dass Äußerungen, die dies konterkarieren, wenig hilfreich sind. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Jetzt aber zum Bundeshaushalt. Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass es fast Standing Ovations gegeben hat, als von dauerhaftem Haushaltsausgleich die Rede war. (Zurufe von der CDU/CSU: Zu Recht!) Die schwarze Null geht durch alle Medien. Ich will zunächst einige Fakten nennen. In der letzten Legislatur haben Sie und Ihre Regierung, Herr Schäuble, 102,9 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. (Zuruf von der LINKEN: Richtig!) Frau Merkel ist seit 2005 im Amt und hat seitdem über 200 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Im Rahmen des Haushalts 2014, um den es nun geht, wollen Sie 6,5 Milliarden Euro neue Schulden machen; das ist Fakt. Sie sind also weit weg von den eigentlichen Zielen. Sie haben die Neuverschuldung in diesem Land in nennenswerter Größenordnung angehoben. Um es klar und deutlich zu sagen: Auch die Linke ist für Haushaltskonsolidierung. Wir sind für Schuldenreduzierung. Da, wo wir regiert haben, in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, kann man genau sehen, dass wir in diese Richtung agiert haben. Brandenburg ist in den letzten drei Jahren ohne neue Schulden ausgekommen und hat im letzten Jahr sogar einen Haushaltsüberschuss in Höhe von 583 Millionen Euro ausgewiesen, von denen 300 Millionen Euro in die Tilgung geflossen sind. Trotzdem wurden die Mittel für den Bildungsetat in diesem Bundesland um 10 Prozent gesteigert. Das ist solide Finanzpolitik. Dafür steht auch die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Der Preis für Ihre Art der Haushaltskonsolidierung ist extrem hoch. Sie fahren mit diesem Haushalt das Land auf Verschleiß. Das ist das Gegenteil von Verantwortung für die Zukunft. Sie haben hier in umfangreichen Worten über Investitionen geredet und gesagt, wie wunderbar wir uns entwickeln. Die Realität ist aber: Wir steigern die Investitionen nur um 1 Milliarde Euro. Das ist unverantwortlich wenig angesichts der Herausforderungen, vor denen wir in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Verkehrswege – schauen Sie sich die Situation vieler Brücken in Deutschland an – und bei den Krankenhäusern stehen. Das alles hat mit Zukunftsfähigkeit überhaupt nichts zu tun. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Schauen Sie alleine auf den Wirtschaftsetat. Er hat ein Volumen von 6 Milliarden Euro. Wenn man die Subventionen abzieht, dann sind es nur noch 3 Milliarden Euro. 1 Prozent des Gesamthaushalts steht somit für Wirtschaftspolitik zur Verfügung. Das soll Zukunftspolitik sein? Das ist ganz weit weg davon. (Beifall bei der LINKEN) Dieser Haushalt ist an vielen Stellen schlichtweg unterfinanziert, und zwar in der ganzen Breite. Das geht vom Steuervollzug über die Bundespolizei und die Finanzierung der Energiewende bis hin zur Arbeitsmarktpolitik. Da legen Sie ein Programm für gerade einmal 3 Prozent der Langzeitarbeitslosen auf. Den Rentenkassen werden zur Finanzierung Ihres Haushalts 19 Milliarden Euro weggenommen. Das alles, den Preis Ihrer schwarzen Null, zahlen zukünftige Generationen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie blenden die Haushaltsrisiken aus. Sie haben zwar über die Zinsentwicklung geredet, aber ein Anstieg von nur einem halben Prozentpunkt – man sieht, dass die Entwicklung auf den Finanzmärkten in diese Richtung geht – würde uns mit 6 Milliarden Euro mehr belasten. Ähnlich ist es mit den gesamten Schattenhaushalten. Allein der Soffin hat inzwischen ein Minus von 25 Milliarden Euro angehäuft. Das alles wird zu bezahlen sein. Das hat eben nichts mit struktureller Haushaltskonsolidierung zu tun. Der Haushaltsentwurf bedeutet für die meisten Menschen weniger Netto vom Brutto. Sie belasten die Menschen und greifen ihnen tief in die Tasche. Die Rentenkassenbeiträge sollten zum 1. Januar gesenkt werden. Das haben Sie mit einem Federstrich annulliert. Es ist so, dass die Zuschüsse zum Gesundheitsfonds reduziert werden, und es stimmt eben nicht, dass die Krankenkassenbeiträge nicht steigen werden. Natürlich werden sie mittelfristig steigen, und es werden die Zuzahlungen für viele Menschen in diesem Land steigen. Genauso steigen die Beiträge zur Pflegeversicherung. Das führt im Ergebnis dazu, dass die Menschen weniger in ihren Taschen haben. Sie träumen von der schwarzen Null, aber viele Menschen in diesem Land sehen eine schwarze Zukunft. Sie haben nicht über die über 3 Millionen Arbeitslosen in diesem Land geredet. Sie haben nicht darüber geredet, dass es Millionen Hartz-IV-Empfänger in diesem Land gibt. Sie haben nicht über die 2 Millionen Kinder und Jugendlichen, die sich in Armut befinden, geredet und auch nicht über die 465 000 Rentnerinnen und Rentner, die Sozialleistungen beantragen, weil ihre Rente unterhalb der Grundsicherung liegt. Das sind die Kollateralschäden der Regierung auf dem Weg zur Haushaltskonsolidierung. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ein ausgeglichener Haushalt, sehr geehrter Herr Schäuble, ist nicht automatisch Ausdruck einer guten Haushaltspolitik; denn Haushaltspolitik muss immer auch einen Beitrag zur Gerechtigkeit leisten. Der Haushalt 2014 leistet ein weiteres Mal keinen Beitrag, um die katastrophale Entwicklung bei Einkommen und Vermögen wirklich umzudrehen. Auf gut Deutsch: Die Schere zwischen Arm und Reich in diesem Land geht immer weiter auf. Es ist eben so, dass wir mehr Mittel brauchen, sehr geehrter Herr Schäuble. Nur so können wir die Aufgaben wirklich erfüllen. Um Ihrem Vorwurf gleich entgegenzutreten: Nein, wir fordern nicht pauschal Steuererhöhungen. Wir wollen mit unserem Steuerkonzept 90 Prozent der Menschen entlasten oder im bisherigen Zustand belassen. Aber die 10 Prozent der Vermögenden in diesem Land müssen mehr belastet werden, die Vermögenden und Superreichen. (Beifall bei der LINKEN) Es ist doch nicht zu akzeptieren, dass in diesem Land die Zahl der Vermögensmillionäre jedes Jahr größer wird. Wir haben inzwischen 1 015 000 Vermögensmil-lionäre. Sie haben nicht den Mut, bei denen auch nur ein bisschen abzukassieren, sehr geehrter Herr Schäuble. Da muss ich den Kolleginnen und Kollegen der SPD sagen: Was ist eigentlich aus all Ihren Wahlversprechen geworden? Drängen Sie die CDU/CSU doch wenigstens dazu, dass sie ihr Wahlversprechen, den Abbau der kalten Progression, umsetzt. Das wäre doch vernünftig. (Beifall bei der LINKEN) Das müsste allerdings solide gegenfinanziert werden. Es ist eine Mär, dass die Erhöhung des Spitzensteuersatzes letztlich der Untergang des Abendlandes wäre. Das ist doch völlig absurd. Zu Zeiten Helmut Kohls lag der Satz bei 53 Prozent, (Widerspruch bei der CDU/CSU) und jetzt können wir nicht einmal über eine moderate Anhebung nachdenken? Das ist völlig absurd. Wir brauchen mehr Haushaltseinnahmen. (Beifall bei der LINKEN) Deswegen wäre eine Vermögensteuer notwendig. Deswegen wäre es auch notwendig, eine Veränderung bei der Erbschaftsteuer durchzusetzen. In den nächsten Jahren werden 2 Billionen Euro vererbt. Angesichts dessen nicht den Mut zu haben, davon wenigstens etwas mitzunehmen – niemand will enteignen; aber wir brauchen für die Aufgaben, vor denen unsere Gesellschaft steht, höhere Einnahmen, und diese Mittel müssen von denjenigen kommen, die in der Krise ausdrücklich profitiert haben –, ist ein Fehler. Wir, meine Damen und Herren, sehen, dass dieser Haushalt in einer Tradition der Ungerechtigkeit steht. Wir werden in den Beratungen viele sehr vernünftige Vorschläge einbringen. Ich hoffe, dass Sie viele aufnehmen können. Dann ist die Hoffnung vielleicht noch nicht verloren, dass man wirklich einen ausgeglichenen Haushalt der sozialen Gerechtigkeit und der Zukunftsfähigkeit schafft. Der jetzt vorgesehene Haushalt ist im Moment weit davon entfernt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Carsten Schneider das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD steht für eine solide Finanzpolitik. Wir haben 2009 gemeinsam mit der Union im Bundestag und im Bundesrat dafür gesorgt, dass die Schuldenbremse im Grundgesetz verankert wird. Wir werden im Jahre 2015 – wenn der Vollzug gut ist, vielleicht sogar im Jahre 2014 – einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden er-reichen. Das ist ein markanter Erfolg. Das ist ein Paradigmenwechsel nach über 40 Jahren Politik des Bundestages, aber auch des Bundesrates, die davon gekennzeichnet war, dass permanent mehr Schulden aufgenommen wurden, um die zu leistenden Ausgaben zu finanzieren. Diesen Paradigmenwechsel einzuleiten, ist die erste große Aufgabe dieser Koalition. Die zweite große Aufgabe ist, Ordnung auf dem Finanzmarkt herzustellen, insbesondere die Stabilisierung des Euro und Europas zu erreichen. Ich glaube, dass wir dabei erst den ersten Schritt gegangen sind. Derzeit leben wir nämlich von der Politik des billigen Geldes der EZB, aber nicht von politischen Entscheidungen, und das wird nicht reichen. Die dritte große Aufgabe ist die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Eine der Kernaufgaben hierbei ist die Energiewende. Es ist dafür zu sorgen, dass wir aus der Atomkraft aussteigen können. Es muss uns gelingen, erneuerbare Energien zu fördern, aber auch, sie bezahlbar zu halten und die Arbeitsplätze im produzierenden Bereich zu erhalten. Das ist zentral für die SPD. Ich danke Sigmar Gabriel sehr dafür, dass er sich dafür in Brüssel erfolgreich eingesetzt hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Minister, Sie haben es in Ihrer Retrospektive auf die letzten vier Jahre vorhin der Sozialdemokratie nicht so ganz einfach gemacht, zu klatschen; aber an den entscheidenden Stellen haben wir Beifall gespendet. Ich will in diesem Zusammenhang nur auf einen Punkt hinweisen – Sie haben gesagt, es ist immer wichtig, dass man sich bewegt, wenn man ein bestimmtes Wohlstandsniveau erreicht hat; man müsse konsequent dranbleiben, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und für ein gerechtes Land zu sorgen –: Ich habe nicht erkennen können, dass Sie im Bundestag in den letzten vier Jahren Strukturreformen, wie Sie sie angesprochen haben, beschlossen haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich wäre wirklich dankbar für einen Hinweis darauf, welche Strukturreformen das gewesen sein sollen. Die Früchte, die wir heute dadurch ernten, dass wir in Deutschland eine wettbewerbsfähige Wirtschaft und vor allem noch Produktionsunternehmen haben – 25 Prozent des BIP werden vom produzierenden Gewerbe erbracht; das macht uns einmalig in Europa, und wir wollen diesen Zustand erhalten –, sind ein Ergebnis dessen, was die SPD mit den Grünen 2004/2005 durchgesetzt hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde, das festzustellen, gehört zur Ehrlichkeit dazu. Von diesen Früchten leben wir heute. In den vergangenen Jahren sind an die jeweilige Klientel Geschenke verteilt worden. Das wollen wir als Sozialdemokraten nicht. Wir wollen einen solide finanzierten Haushalt (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Macht ihr aber nicht!) mit Zukunftsinvestitionen in den Bildungs- und in den Verkehrsbereich, die uns wettbewerbsfähig halten. Dafür muss die notwendige Finanzierung vorhanden sein. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist denn das bei den Kommunen?) Im Hinblick auf die Finanzierung ist es eine der Grundfragen, ob es bei der Besteuerung in Deutschland gerecht zugeht. (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!) Sie haben den Punkt Spitzensteuersatz angesprochen und in Verbindung mit dem Unternehmensteuersatz gesetzt. Zunächst einmal: Auch Einzelunternehmen können optieren, können ihre Rechtsgrundlage so ändern, dass sie wie normale Kapitalgesellschaften besteuert werden. Sie wären von einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes nicht zwangsläufig betroffen. Einmal abgesehen davon: Eine solche Erhöhung hat jetzt auch gar keiner gefordert. Wenn wir die vom Herrn Kollegen Bartsch eben genannte Frage der kalten Progression, der schleichenden Steuererhöhung aufgreifen wollen und das verändern wollen – wir wollen keine Erhöhung der Steuersätze für den unteren und mittleren Einkommensbereich –, dann gilt für uns: Wir machen das nicht auf Pump. Deswegen haben wir als SPD den Vorschlag dazu seinerzeit im Bundesrat und auch hier im Bundestag abgelehnt. Wir wollen dafür eine saubere Gegenfinanzierung. (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!) Das heißt in dem Fall dann auch, dass man sich über den Abbau von Subventionen unterhalten muss. Dazu liegen allerdings keinerlei Vorschläge Ihrerseits vor. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind die Vorschläge von der SPD?) Im Gegenteil: Es gibt eine totale Blockadehaltung. Ich finde, dass man so nicht arbeiten kann. Es geht schon gar nicht, sehr teure Gutachten in Auftrag zu geben, um sie danach in der Schublade verschwinden zu lassen. Dazu gehört ein bisschen mehr Mut. (Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn die Vorschläge der SPD?) Wir als Sozialdemokraten sind bereit, den notwendigen Mut aufzubringen und der Bevölkerung zu sagen: Ja, wir schaffen die kalte Progression ab, aber wir werden dafür die Subventionen auf den Prüfstand stellen. – Das bringt nicht immer Freude; damit habe ich selbst so meine Erfahrungen gemacht. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Aber es ist notwendig, um eine Vereinfachung des Steuerrechts hinzubekommen. Ich wünsche mir, dass wir das in dieser Koalition in der nächsten Zeit noch schaffen. Ein weiterer Punkt. Beim Thema „gerechte Steuern“ geht es auch um die Frage: Wer zahlt denn in diesem Land eigentlich Steuern? Und auf welche Einkommen zahlt er sie? Die Mehrwertsteuer muss jeder zahlen. Die Lohnsteuer wird automatisch abgezogen; da hat die normale Arbeitnehmerin oder der normale Arbeitnehmer überhaupt keinen Gestaltungsspielraum. Aber wer über Vermögen verfügt, kann das schon in das eine oder andere Land in Europa transferieren. Wir haben prominente Fälle gehabt. Einige Betroffene geloben Besserung; das gilt auch für die entsprechenden Länder. Ich möchte, dass diese Koalition insbesondere die gerechte Besteuerung von Vermögen im Ausland durchsetzt, also erreicht, dass die Zinserträge daraus besteuert werden. Das ist für uns als Sozialdemokraten extrem wichtig, weil nicht nur Arbeit besteuert werden soll, sondern auch höhere Einkommen und Vermögen. Deswegen sind das Fallen des Bankgeheimnisses und auch der Fortschritt, den wir im Bereich der Zinsbesteuerung mit dem automatischen Informationsaustausch gemacht haben, extrem wichtige Punkte. (Beifall bei der SPD) Wir werden – auch darauf haben wir uns in der Koalition verständigt – die Bedingungen für die Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung verschärfen, insbesondere die Zuschläge erhöhen. Derjenige, der jahrelang Steuern hinterzogen hat, darf im Endeffekt nicht besser dastehen als derjenige, der seine Steuern ehrlich gezahlt hat. Das ist ein Grundsatz für Sozialdemokraten. (Beifall bei der SPD) Es zeigt sich auch, dass es richtig war, dass wir das Deutsch-Schweizer Steuerabkommen im Jahr 2012 nicht haben passieren lassen. Dadurch wären viele Leute -anonym geblieben, und sie hätten Geld gespart, und der Druck auf die entsprechenden Länder wäre entfallen, sich zu bewegen und für saubere Geschäfte zu sorgen. Deswegen war es richtig, das abzulehnen. (Beifall bei der SPD) Es wird auf der europäischen Ebene in den nächsten Jahren mit vielen Entscheidungen in diese Richtung gehen müssen; wir als Nationalstaat allein können das nicht regeln. Wir brauchen die anderen europäischen Länder und das Europäische Parlament bei einer einheitlichen Besteuerung und bei der Frage, wie Unternehmensgewinne transferiert werden können. Hierbei geht es darum, dass über Lizenzgestaltungen, zum Beispiel in den Niederlanden, aber auch in anderen Ländern, ein Anreiz geboten wird, die Höhe der Unternehmensteuern letztendlich zu senken. Das ist eine Form von asozialem Standortwettbewerb; wir als Sozialdemokraten machen das nicht mit. (Beifall bei der SPD) Wir wollen, dass Unternehmen Gewinne machen – ganz klar; es sind keine Altruisten –, aber wir wollen auch, dass sie einen fairen Beitrag zum Steueraufkommen leisten. Sie von der CDU haben vorvorgestern auf dem Bundesparteitag den Spitzenkandidaten der Konservativen in Europa gekürt. Sein Name wird in Deutschland geheim gehalten, aber hier im Bundestag soll schon einmal gesagt werden, wer es ist: Es ist Herr Juncker. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Er war im vergangenen Jahrzehnt derjenige, der vor allen Dingen dafür gesorgt hat, dass die Zinsbesteuerungsrichtlinie in Luxemburg nicht angewandt wurde. Er hat sie zehn Jahre lang bekämpft. Erst nachdem es einen Regierungswechsel gegeben hat und die Sozialdemokraten in Luxemburg einen neuen Koalitionspartner haben, wird dort nicht mehr blockiert. Ich finde, Sie sollten sich noch einmal überlegen, wer Ihr Spitzenkandidat ist und welche Politik er macht. (Beifall bei der SPD) Bei den Haushaltsberatungen wird es für uns darauf ankommen, die Investitionen zu steigern; hier besteht, glaube ich, Konsens. Wir werden uns sehr genau die Ausgabenseite, aber auch den Steuervollzug anschauen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Einnahmen entsprechend fließen und das Steuerrecht in Deutschland umgesetzt wird. Das ist die Aufgabe der Bundesländer; denn sie haben es in der Hand. Sie müssen genug Personal einstellen, um Unternehmen und Einkommensmillionäre steuerlich prüfen zu können. Der Bundesrechnungshof hat viele Vorschläge dazu gemacht. Herr Minister Schäuble, Sie haben vorhin viel über Sozialleistungen und auch über die Sozialleistungsquote gesprochen. Es stimmt, dass sie in Deutschland hoch ist, und das ist auch gut so; für uns Sozialdemokraten ist das ein wichtiger Punkt. Ich glaube, wir leben in einem sozial sicheren Land. Der soziale Ausgleich gehört dazu. Was die Finanzierung der Hochschulen und die Finanzierung des Studiums angeht, müssen wir zu Veränderungen kommen – das war auch ein Punkt bei den Koalitionsverhandlungen; da haben wir noch vier Jahre Zeit. Es gibt viele Jugendliche und Studenten, die nicht aus reichen Elternhäusern kommen. Deshalb ist eine Reform des BAföG – die Bedarfssätze und die Freibeträge sind seit fünf Jahren nicht mehr angepasst worden – ganz entscheidend. Wir möchten, dass junge Leute auch aus finanziell nicht so starken Elternhäusern in Deutschland die Chance haben, studieren zu können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch da stehen die Bundesländer gemeinsam mit uns in der Pflicht. Das wäre eine gute Ergänzung zu den Investitionen. Denn Bildungsausgaben sind Investitionen in die Zukunft. Ich danke Ihnen für den Einstieg in diese Debatte. Es wird interessant bleiben. Ich sehe den Beratungen im Haushaltsausschuss in den nächsten vier Sitzungswochen mit Freude entgegen. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Kindler ist der nächste Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Schäuble, nach dieser Einbringung finde ich es äußerst bemerkenswert, aber auch, wie ich sagen muss, ziemlich dreist, wie viel Selbstlob Sie hier an den Tag legen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ist ja auch berechtigt!) Ich gebe ehrlich zu: Die schwarze Null im Haushalt 2015 klingt erst einmal gut, besonders für einen Haushälter. Aber als guter Haushälter darf man eben nicht nur die Überschriften betrachten, sondern man muss kritisch nachrechnen, genau hinsehen und fragen, wie das eigentlich zustande kommt. Wenn man sich die Finanzplanung anschaut, dann erkennt man, dass diese schwarze Null nur eine kurzfristige Momentaufnahme ist. Es ist kein dauerhafter Zustand. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nächstes Jahr wird es noch besser!) Es ist nicht nachhaltig finanziert. Herr Schäuble, Ihr Haushalt ist nur ein kurzes und teures Strohfeuer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schauen wir uns den Haushalt und die Finanzplanung einmal konkret am Beispiel der drei Hauptprobleme an. Sie verlassen sich auf die gute Konjunktur, Sie greifen in die Sozialkassen, und Sie investieren nicht. Erstens zur Konjunktur. Sie haben einfach Glück gehabt, Herr Schäuble: Die Konjunktur läuft gut. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Glück hat nur der Tüchtige!) Die Zinsen sind historisch niedrig. Allein in der letzten Legislaturperiode hat der Bund wegen der Euro-Krise 100 Milliarden Euro an Zinsen gespart. Herr Schäuble, das heißt, Sie sind ein Konjunktur- und Krisengewinner. Mit eigener Leistung hat das aber wenig zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]) Was machen Sie eigentlich, wenn mal wieder schlechtere Zeiten kommen? Darauf sind Sie nicht vorbereitet; dafür haben Sie nicht vorgesorgt. Wenn die Konjunktur und die Zinsen sich nur ein bisschen verschlechtern, dann fällt Ihr Haushalt wie ein Kartenhaus zusammen. Ihr Haushalt, Herr Schäuble, ist nur ein Schönwetterhaushalt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Zweitens zu den Sozialkassen. Ihre einzige Finanzierungsidee ist ja der Griff in die Sozialkassen. Sie plündern jetzt den Gesundheitsfonds. Aber der Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds ist kein Fahrstuhl, den man je nach Belieben und Kassenlage einfach hoch- und runterfahren kann. Er orientiert sich an den versicherungsfremden Leistungen, und er wurde zusammen mit den Krankenkassen festgelegt, damit sie Planungssicherheit haben. Was passiert jetzt? Mehrere Krankenkassen haben schon angekündigt, dass sie wahrscheinlich Zusatzbeiträge für die Versicherten erheben müssen. Das heißt, die Hauptleidtragenden Ihrer Haushaltspolitik sind die Versicherten, die Menschen mit kleinen und mitt-leren Einkommen. Sie zahlen die Zeche, und das ist -extrem ungerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]) Das Gleiche machen Sie bei der Rentenkasse. Auch da langen Sie extrem zu. Jedem hier im Saal ist klar, dass Sie die Mütterrente über Steuern hätten finanzieren müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Wird auch über Steuern finanziert!) Aber die Union hat Steuererhöhungen, zum Beispiel für Spitzeneinkommen oder große Vermögen, aus ideologischen Gründen zum Tabu erklärt. Die SPD hat das mitgetragen. Deswegen werden die Altenpflegerin und der Lagerarbeiter das Rentenpaket zahlen. Die Bezieher von hohen Einkommen und Kapital-erträgen sowie wir Abgeordnete werden nicht zur Finanzierung herangezogen. Das, meine Damen und Herren, ist extrem ungerecht. Für uns Grüne ist klar: Gerade in der Haushalts- und -Finanzpolitik müssen starke Schultern mehr tragen als schwache. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich komme zum dritten Punkt: Investitionen. Ich habe schon ausgeführt, dass die Konjunktur gut ist. Gemäß dem Finanzplan sollen die Steuermehreinnahmen um 42,7 Milliarden Euro steigen. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Bis 2018!) Davon nehmen Sie im nächsten Jahr 6,5 Milliarden Euro für den Schuldenabbau. Es bleiben noch rund 36 Milliarden Euro übrig. Die Frage, das große Rätsel ist: Wo sind die 36 Milliarden Euro geblieben? Klar ist bisher nur: Investiert werden sie nicht. Die Investitionsquote im Haushalt stagniert auf einem sehr niedrigen Niveau. Allen ist klar, dass der Staat seit Jahren zu wenig investiert, um die bestehende Infrastruktur zu erhalten. Das heißt, unter dem Strich lebt der Staat von der Substanz. Dieser Haushalt ändert daran gar nichts. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihr Haushalt, Herr Schäuble, hat ein krasses Investitionsdefizit. Das ist zukunftsvergessen und verstößt gegen die Generationengerechtigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Wir Grüne sagen, Herr Schäuble: Jetzt wäre die Zeit, im Haushalt klar in die Zukunft zu investieren: in den Klimaschutz, in die Gebäudesanierung, in erneuerbare Energien, in den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur. Aber auch Investitionen in Köpfe, das heißt in gute Bildung und verlässliche Betreuung, in Kinder und Jugendliche, wären notwendig. Die Große Koalition steht für die Subventionierung der Vergangenheit. Jetzt wäre es aber an der Zeit, in die Zukunft zu investieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir Grüne sagen aber auch klar: Investitionen müssen konkret und solide gegenfinanziert werden. Wir Grüne wollen investieren statt subventionieren. Jedes Jahr gibt der Staat über 50 Milliarden Euro für umweltschädliche Subventionen aus; das hat das Umweltbundesamt der Bundesregierung vorgerechnet. Man kann eine Menge an Subventionen abbauen. Man kann viele Milliarden Euro sparen, zum Beispiel bei den Ausnahmen bei der Ökosteuer, bei der milliardenschweren Bevorzugung des Flugverkehrs gegenüber der Schiene, bei Subventionen für die Atomenergie, bei schweren Dienstwagen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Und man kann Arbeitsplätze vernichten!) – Nein, es ist sinnvoll, in die Zukunft zu investieren, und nicht sinnvoll, klimaschädliches oder umweltschädliches Verhalten zu subventionieren. – Investieren und dafür Subventionen abzubauen, ist gut für das Klima und gut für den Haushalt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hubertus Zdebel [DIE LINKE]) Die allermeisten Investitionen werden übrigens in den Kommunen getätigt. Es stimmt einfach nicht, Herr Schäuble, dass Sie in der letzten Legislaturperiode für Entlastung gesorgt haben. Das war Rot-Grün nachher im Vermittlungsausschuss; es hat die Entlastung der Kommunen bei den Kosten der Grundsicherung im Alter durchgesetzt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Jetzt kann auch die SPD klatschen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie haben im Koalitionsvertrag den Kommunen eine deutliche Entlastung versprochen. Wir sehen jetzt wieder, dass sie eingesammelt wird. Die 1 Milliarde Euro zusätzlich für 2014 kommt nicht. Die versprochenen 5 Milliarden Euro verschieben Sie auf 2018, also auf die Zeit nach dieser Legislaturperiode. Das Motto der Großen Koalition ist: Kaum versprochen, schon gebrochen. – Das ist eine bittere Enttäuschung für die Kommunen. So kann man nicht mit unseren Städten und Gemeinden in Deutschland umgehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Nicht nur bei den Kommunen, sondern auch bei der Rente verschieben Sie die Kosten in die Zukunft. 160 Milliarden Euro kostet Ihr Rentenpaket. Die in diesem Zusammenhang notwendigen Erhöhungen von Steuern und Beiträgen kippen Sie der nächsten Regierung vor die Füße. Sie werden in die Geschichte als große Verschiebekoalition eingehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Schäuble, Sie haben auch den Finanzierungstragfähigkeitsbericht Ihres eigenen Hauses angesprochen. Sie haben ihn wohl gelesen, aber anscheinend nur die schönen Seiten und nicht die schlechten. Der Bericht sagt auch, dass die deutschen Staatsfinanzen nicht zukunftsfest sind. Bis 2020 muss der Staat jedes Jahr bis zu 15 Milliarden Euro zusätzlich sparen oder entsprechende Einnahmen erwirtschaften, um die Finanzen zukunftsfest zu machen. Der Bericht zeigt: Auch das machen Sie nicht. Sie machen gar nichts. Das zeigt, dass Ihre Haushaltspolitik extrem kurzsichtig und unsolide ist. Fassen wir einmal zusammen: Wir haben die riskante Wette auf die Konjunktur. Wir haben den Griff in die Sozialkassen. Wir haben das große Investitionsdefizit. Wir haben das Verschieben von Kosten in die Zukunft. Und wie ist Ihre Reaktion darauf, Herr Schäuble? Sie beschwichtigen, reden die Probleme offensichtlich klein und feiern sich nur für Ihre schwarze Null. Wissen Sie, woran mich das erinnert? Das erinnert mich an das Klischee eines trickreichen Gebrauchtwagenhändlers. Auch da soll das Schrottauto nur an den Mann oder an die Frau gebracht werden – komme, was wolle. Da wird erst ein bisschen am Lack poliert. Nachher sind aber die Bremsen kaputt. Es gibt ein Leck in der Ölwanne, und es wird auch kein Wort über den rostigen Auspuff verloren. Hauptsache, die Karre ist endlich vom Hof. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Wer hat ihm denn so einen Schwachsinn aufgeschrieben?) Genauso ist es auch mit Ihrem Haushalt: Ihr Haushalt eiert, wenn Sie großes Glück haben, bis 2017. Dann ist der Ofen aus. Ich sage: So geht es nicht. Wir brauchen als Finanzminister keinen trickreichen Gebrauchtwagenhändler, sondern wir brauchen als Finanzminister einen ehrlichen Kaufmann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Problem bei einem Gebrauchtwagenhändler ist auch, dass er nur das Allernötigste tut. Ich frage Sie, Herr Schäuble: Wo ist eigentlich Ihre Lust, wo ist Ihre Leidenschaft, und wo ist Ihr Engagement in der Haushaltspolitik? Wo kürzen Sie Ausgaben? Wo bauen Sie Subventionen ab? Wo stärken Sie die Einnahmeseite? Nirgends! Es passiert nichts. Sie haben keinen Mut. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Lesen Sie doch mal den Haushalt!) Haushalt heißt auch, zu entscheiden. Das heißt, Prioritäten zu setzen. Das heißt auch, dass man etwas macht. Diese Arbeitsverweigerung, Herr Schäuble – das ist heute schon absehbar –, wird uns noch alle teuer zu stehen kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir Grüne werden in den Haushaltsverhandlungen konkrete Vorschläge für Investitionen, für eine strukturelle Konsolidierung des Haushalts und für eine solide Gegenfinanzierung über Ausgabenkürzungen, Subven-tionsabbau und Einnahmeverbesserungen machen. Bisher ist dieser Haushalt nicht gerecht. Er ist unsolide und zukunftsvergessen. Das muss sich dringend ändern. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Norbert Barthle für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Norbert Barthle (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute den zweiten Regierungsentwurf zum Haushalt 2014. Ich will zuallererst feststellen: Dieser Haushalt ist tatsächlich eine historische Zäsur. Erstmals legen wir nicht nur einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vor, sondern einen Haushalt, der strukturell sogar einen Überschuss von 0,07 Prozent, real 1,8 Milliarden Euro, erwirtschaftet. Das ist der Einstieg in eine neue Zeitrechnung der Haushalts- und Fiskalpolitik in Deutschland. Darauf können wir alle stolz sein. Diesen Haushalt trage ich mit einem Lächeln im Gesicht vor. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Jetzt müsstest du aber auch lächeln!) Wir haben während der Koalitionsverhandlungen vereinbart, dass wir für die kommende Legislaturperiode 23 Milliarden Euro mehr für dringend notwendige Maßnahmen ausgeben wollen. Daran halten wir uns exakt und auf Punkt und Komma. Daran halten wir uns auch, indem wir keine Steuererhöhungen beschließen und keine neuen Schulden machen. Folgendes möchte ich an meinen Vorredner und Kollegen von der SPD richten: Wenn man vereinbart, dass es keine Steuererhöhungen geben soll, dann macht es keinen Sinn, über den Spitzensteuersatz zu diskutieren. Wenn es um Subventionsabbau geht, dann muss man wissen, dass die Kollegen von der SPD damit niemals wirtschaftliche Subventionen wie das ZIM-Programm des Ministeriums von Herrn Gabriel meinen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Genau!) Sie meinen damit immer steuerliche Subventionstatbestände, also Steuerermäßigungen. Wer aber Steuerermäßigungen abbaut, der erhöht Steuern. Wenn wir aber vereinbart haben, dass es keine Steuererhöhungen geben soll, dann ist alles Notwendige gesagt. Dabei bleibt es. Da brauchen wir gar nicht lange zu argumentieren und Gründe zu suchen. Das ist verabredet; so bleibt es. (Beifall bei der CDU/CSU) Für diesen Haushalt gilt Solidität und Kontinuität. Das sind die entscheidenden Schlagworte. Kontinuität heißt immer: Man blickt ein Stück zurück, und man blickt auch nach vorne. Wenn ich zurückblicke, dann danke ich der nicht anwesenden FDP für die Unterstützung in den vergangenen vier Jahren und dafür, dass wir so weit gekommen sind. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Hat sich sehr gelohnt für sie!) Ich danke vor allem aber auch den Kollegen von der SPD-Fraktion, unserem neuen Koalitionspartner, die sich diesem Ziel auch verschworen haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ich finde es großartig, dass wir das miteinander angehen wollen. Wir werden das auch schaffen. Wenn es keine großen externen Schocks gibt, dann werden wir 2015 und in den Folgejahren, also dauerhaft, einen ausgeglichenen Haushalt haben und die schwarze Null vorlegen. Das ist ein großes Programm dieser Koalition, und wir werden das hinkriegen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das ist vor allem im Sinne einer generationengerechten Politik. Das ist das wichtigste Signal, das man aussenden kann. Keine neuen Schulden zu machen, ist das Beste, was man für nachfolgende Generationen tun kann. Da muss ich mich an den Kollegen von den Linken wenden. Herr Bartsch, Sie haben gesagt, zukünftige Generationen würden den Preis der schwarzen Null zahlen. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja!) Meine Damen und Herren, das ist Blödsinn. Er stellt die Argumente von den Beinen auf den Kopf. Genau das Umgekehrte ist wahr: Das ist die beste Politik, die man für künftige Generationen machen kann. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann gehen Sie mal in die Schulen und gucken Sie sich mal an, wie es dort aussieht!) Deshalb sage ich den Leuten draußen: Die Argumente, die Ihnen die Linken vortragen, muss man zunächst einmal auf die Beine stellen; dann werden sie richtig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) An dieser Stelle widerspreche ich, was ich selten tue, unserem Bundesfinanzminister. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Skandal! – Johannes Kahrs [SPD]: Wieso „selten“?) Er meinte: Spätestens wenn die Sozialausgaben in unserem Haushalt 100 Prozent erreichen, fällt den Linken wohl nichts mehr ein. – Falsch, Herr Dr. Schäuble! Selbst wenn sie 100 Prozent erreichten, würden die Linken sagen: Jetzt müssen wir neue Schulden machen, damit wir noch mehr für Soziales ausgeben können. – (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wie witzig! Was haben wir wieder gelacht! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Württemberger Witz! Das war ja richtig witzig!) So tickt die linke Seite des Hauses – wir nicht. Wie machen wir das Ganze? Auch dazu ein einfaches Argument: Wer sich den Entwurf des Haushalts 2014 anschaut und ihn mit dem Haushalt 2013 vergleicht, der wird feststellen, dass er round about 10 Milliarden Euro mehr Einnahmen, aber round about 8 Milliarden Euro weniger Ausgaben ausweist. Das ist das Geheimnis unseres Erfolges: bei steigenden Einnahmen weniger Geld ausgeben. Das, meine Damen und Herren, bezeichnet auch die schwäbische Hausfrau als Sparen. Es ist das Geheimnis unseres Erfolgs: Wir sparen dank steigender Einnahmen und weniger Ausgaben. (Beifall bei der CDU/CSU) Allen Unkenrufen der Opposition zum Trotz: Dieser Haushaltsentwurf ist eine seriöse, verlässliche Planungsgrundlage für die weiteren Beratungen. Wir werden sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch Veränderungen vornehmen – das ist bei Haushaltsberatungen immer geboten –, aber insgesamt ist das ein hervorragender Entwurf, der auch die notwendige Entlastung für die Kommunen mit einbezieht. Dazu würde ich gerne einige Sätze sagen: Wir stehen zu den Vereinbarungen, den Kommunen zu helfen, auch wenn dies zunächst einmal Länderaufgabe ist. Wir haben schon viel getan, wir werden weiterhin viel tun. Aber all jenen, die bewusst – zumindest teilweise bewusst – den Koalitionsvertrag falsch interpretieren, sei nochmals gesagt: Wir halten das, was vereinbart wurde, auf Punkt und Komma ein: 1 Milliarde Euro Entlastung ab 2015; das Bundesleistungsgesetz wird ab 2018 greifen und dann 5 Milliarden Euro Entlastung bringen. Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist eine ganz andere: Wir müssen bis zu diesem Zeitpunkt das Bundesleistungsgesetz neu formulieren. Da wird es die Anstrengung aller brauchen, das Gesetz so auszutarieren, dass erstens die Entlastung bei den Kommunen, dort, wo das Geld hingehört, ankommt und es zweitens gerecht abläuft. Denn, meine Damen und Herren, wenn man sich anschaut, wie es derzeit bei der Eingliederungshilfe für Behinderte aussieht, dann stellt man fest, dass es Kommunen und Länder gibt, in denen pro Kopf mehr als doppelt so viel ausgegeben wird als in anderen Kommunen und Ländern. Auch das spielt bei der Frage eine Rolle, wie wir dieses Gesetz ausgestalten, wie wir die Standards so festlegen, dass bei den Kommunen tatsächlich eine Entlastung ankommt. Der Bundeshaushalt 2014 ist ein weiterer Schritt hin zu einem Ziel, das die Öffentlichkeit immer wieder bei uns anmahnt. Sie sagt nämlich: Wann baut ihr endlich Schulden ab? Der Bundesfinanzminister hat das Notwendige dazu gesagt. Völlig übersehen wird aber auch, dass wir im Bereich unserer Sonderhaushalte, zum Beispiel beim Investitions- und Tilgungsfonds, bereits Rückführungen vornehmen: Der Bundesbankgewinn fließt fast zur Hälfte in den Investitions- und Tilgungsfonds. Deshalb gelingt es uns bereits in diesem Jahr, die Defizitquote im Bundeshaushalt von vorher 80 Prozent auf jetzt etwa 75 Prozent abzusenken. Bis zum Ende der Legislaturperiode werden wir bei rund 67 Prozent sein, und wir haben uns vorgenommen, bis 2018 sogar eine Quote von 65 Prozent zu erreichen; so hat es das Kabinett heute beschlossen. Ich finde, das ist ein hervorragendes Ziel und ein gutes Signal, auch im Hinblick auf den europäischen Raum, wenn es darum geht, die Stabilität des Euro zu sichern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Da erlaube ich mir einen kleinen Vergleich: Wie sieht es international aus? Schauen wir uns die Schuldenstandsquote wichtiger europäischer Länder an: Italien 134 Prozent, Vereinigtes Königreich, also England, 93 Prozent, Frankreich 96 Prozent. Schauen wir über Europa hinaus: USA 106 Prozent, Japan 245 Prozent. Was folgern wir daraus? Deutschland ist nicht nur -europa-, sondern wahrscheinlich auch weltweit der Stabilitätsanker. Noch vor wenigen Jahren lautete eine Titelgeschichte des Economist „Deutschland, der kranke Mann Europas“. (Thomas Oppermann [SPD]: Wer hat das geändert?) – Das waren wir alle gemeinsam in einem langen Prozess. Die Reformen unter Herrn Schröder haben einen großen Beitrag dazu geleistet – das ist gar keine Frage –, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) aber auch die Konsolidierungspolitik dieser Bundesregierung, unterstützt vom Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder und vom neuen Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann, hat einen großen Beitrag geleistet. Ich finde das sehr gut. So können wir weitermachen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Noch mehr Selbstlob!) In diesem Zusammenhang möchte ich meine Sorge in Bezug auf die Signale aus Frankreich zum Ausdruck bringen. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das habe ich mir gedacht!) Wir sind aufgerufen, Disziplin zu wahren; nicht nur wir innerhalb Deutschlands, sondern auch außerhalb. Spanien, Irland, Portugal und Zypern sind auf einem guten Weg, und auch Griechenland leistet Erstaunliches, wenn auch etwas langsam. Das Haushaltsdefizit dort ist bereits signifikant zurückgegangen. Frankreich erklärt nun, dass es zum dritten Mal -hintereinander einen Aufschub bei der Einhaltung des -3-Prozent-Ziels erwartet. Ich erinnere mich an die Aussagen von Präsident Hollande von vor einem Jahr. Er hat nämlich schon 2013 um einen Aufschub von zwei Jahren gebeten. Damals haben die Europäer gesagt: Wir gewähren diesen Aufschub, dafür erwarten wir aber, dass Frankreich die entsprechenden Strukturreformen in Angriff nimmt. Darauf hat Monsieur Hollande erwidert, er verbitte sich jegliche Einmischung in innerfranzösische Angelegenheiten. Deshalb empfehle ich uns: Wir sollten uns nicht in innerfranzösische Angelegenheiten einmischen, sondern deutlich machen, dass wir von Frankreich erwarten, dass die Strukturreformen auf den Weg gebracht werden und nicht schon wieder um Aufschub gebeten wird. Ich finde es erfreulich, was sowohl von der Bundesregierung und von Olli Rehn auf europäischer Ebene als auch vom Präsidenten unserer Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, dazu zu hören war. Ich finde es bedenklich, was man in diesem Zusammenhang von Martin Schulz hört. Ich appelliere an die Kollegen von der SPD: Fangen Sie Herrn Schulz ein. Er hat Äußerungen gemacht, die für die Stabilität des Euro nicht produktiv sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Oppermann [SPD] – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ja! – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Am 25. Mai ist Wahl! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist denn das mit den Euro-Bonds und Juncker?) Ich wiederhole meine Aussage: Wir brauchen weiterhin Disziplin, nach innen und nach außen. Nur dann werden wir sowohl bei uns als auch in Europa die notwendige Stabilisierungspolitik für unsere Haushalte fortsetzen können. Dass in dem einen oder anderen Bereich, zum Beispiel bei der Infrastruktur, Mehrausgaben wünschenswert sein mögen, ist unbestritten. Wir geben in den kommenden Jahren 5 Milliarden Euro mehr aus. Das ist gut, könnte aber auch noch besser sein. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Lkw-Maut? Das ist nicht zum Straßenerhalt!) Deshalb haben wir Haushälter auf unserer Klausurtagung besprochen, dass wir dann, wenn wir neue Finanzspielräume entdecken sollten, diese gerne für die Stärkung der Infrastruktur einsetzen wollen. Das ist ein gutes, ein richtiges Ziel; denn dass es eine gewisse Schieflage unserer Haushalte gibt, das ist unbestritten. Als ich 1998 im Bundestag angefangen habe, betrug die Investitionsquote etwa 13,5 Prozent und die Sozialausgabenquote 35 Prozent. Heute machen die Sozialausgaben 49 Prozent, also fast 50 Prozent aus und die Investitionen nur noch 8,6 Prozent. Das war ein jahrelanger Prozess. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Union regiert seit 2005! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wer hat das zu verantworten?) – Da haben auch andere regiert, auch Sie, die Grünen. Herr Kollege Kindler, das scheinen Sie vergessen zu haben, dafür sind Sie wohl zu jung. (Heiterkeit des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Viele haben daran mitgewirkt. Es ist sicherlich richtig, dass es an dieser Stelle noch erheblichen Nachholbedarf gibt. Lassen Sie mich abschließend auf einen Begriff verweisen, auf den mich die Menschen immer wieder ansprechen, wenn ich vor Ort bin: den sogenannten Juliusturm. Die Menschen fordern uns immer wieder auf, an den Juliusturm zu denken. Der Juliusturm ist ein Festungsturm der Zitadelle Spandau aus dem 13. Jahrhundert. Er wurde 1838 restauriert. Damals lagerte dort der Reichskriegsschatz im Wert von 120 Millionen Mark. Später war der Juliusturm Gegenstand politischer Beratungen. 1952 bis 1956 hat der Bundestag unter dem damaligen Finanzminister Fritz Schäffer aus der Deutschen Bundesbank und aus den Kassenüberschüssen Rücklagen, einen sogenannten Schatz, in Höhe von 7 Milliarden D-Mark angehäuft. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben 2014!) Die wurden dann zwischen 1957 bis 1959 vom sogenannten Kuchenausschuss des damaligen Parlamentes wieder ausgegeben. Das unterscheidet das damalige Parlament von unserem: Wir haben keinen Kuchenausschuss mehr, wir haben einen Haushaltsausschuss. Wir haben ein anderes Bewusstsein. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben die Große Koalition, die den Kuchen aufisst!) Wir wollen keinen Kuchen, wir wollen eher Schwarzbrot. Deshalb halten wir uns an die Devise, die in diesen Zeiten angemessen ist. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Zur Erinnerung: Der Juliusturm ist Geschichte. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Den gibt es immer noch, den Juliusturm! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die FDP ist auch Geschichte!) Die Zeiten haben sich geändert. – Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will zunächst den schwarzen Humor des Kollegen Barthle aufnehmen. Er meinte den Haushalt mit einem Lächeln einzubringen, um sich dann über die Tauglichkeit der Vorschläge der Linken lustig machen zu müssen. Ich will Ihrer Erinnerung ein bisschen auf die Sprünge helfen: Sie haben jetzt in Ansätzen so etwas Ähnliches wie einen Mindestlohn etabliert. Wer hat die Debatte im Deutschen Bundestag zum Mindestlohn angestoßen? Das waren die Linken. Links wirkt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der LINKEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben das schon 2004 als Grüne gefordert!) Mein nächstes Stichwort: Börsengang der Bahn. Darüber reden Sie in der Großen Koalition nicht mehr. (Christine Lambrecht [SPD]: Zu Recht!) Wer aber hat als einzige Fraktion gegen den beabsichtigten Börsengang der Bahn gestimmt? Das war die Fraktion der Linken und zuvor die der PDS. Links wirkt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der LINKEN) Das sollten Sie nicht vergessen. „Deutschlands Zukunft gestalten“ haben Sie Ihren Koalitionsvertrag, Ihre Vereinbarung, genannt. Jetzt müssen Sie sich daran messen lassen, wie es Ihnen gelingt, Deutschlands Zukunft zu gestalten. Wir haben den Eindruck – das ist hier schon gesagt worden –, dass Sie ausgesprochen selbstverliebt sind, dass Sie ausgesprochen verliebt sind in Ihre schwarze Null, und Liebe macht bekanntlich blind. (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Keine neuen Schulden – das ist natürlich auch für uns wichtig. Das haben wir in den Ländern, in denen wir mitregiert haben, gründlich nachgewiesen. In Berlin hat die CDU infolge des Nicht-umgehen-Könnens mit Geld inzwischen den Status einer Nichtregierungsorganisation angenommen. Deshalb achten wir natürlich diese Formulierung. Aber auch in diesem Jahr müssen mehr als 30 Milliarden Euro für Zinsen eingestellt werden. Deshalb sagen wir Ihnen: Die schwarze Null ist für die allermeisten Menschen in diesem Lande eine ziemlich abstrakte Größe, (Beifall bei der LINKEN) eine Größe, die in ihrem Lebensalltag nicht ankommt. In ihrem Lebensalltag kommen Fakten wie steigende Mieten, steigende Energiekosten und zeitlich befristete Arbeitsverträge an. Berufseinsteigerinnen und -einsteiger im Osten werden in aller Regel mit Zehnmonatsverträgen und dem Hinweis: „Danach gehst du zur Agentur“, eingestellt. Junge Wissenschaftler – bis 45 Jahre gerechnet – können in ihrer Erwerbsbiografie auf eine Vielzahl befristeter Verträge verweisen, ihnen wird aber keine Zukunftsperspektive geboten. (Beifall bei der LINKEN) Und Sie erfinden schöne Losungen wie die, die Sie an die Wandtafel vor dem Bundespresseamt geschrieben haben: „Der Aufschwung ist bei den Menschen angekommen“. Wir aber haben im Land mit Menschen zu tun, die mit einer solchen Agitation, mit einer solchen Propaganda nichts anfangen können. (Beifall bei der LINKEN) Herr Bundesfinanzminister, Sie haben – das gehört zur Wahrheit – bei diesem Haushalt drei gigantische Schlupflöcher zur Verfügung. Wir haben in fast der Hälfte dieses Haushaltsjahres den Zustand der vorläufigen Haushaltsführung. Jeder weiß: Da bleibt eine Menge an geplanten Ausgaben stehen. Ich rechne fest damit, dass Sie Ihre schwarze Null zu einem Großteil daraus decken wollen. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist richtig!) Über die Eingriffe in die Sozialkassen – das ist das zweite Schlupfloch – ist bereits gesprochen worden. Die Sondervermögen für die Finanzmarktstabilisierung – drittes Schlupfloch – sind außerhalb des Haushalts veranschlagt. Wir, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, sind Besitzer der zu 100 Prozent verstaatlichten Bad Banks. Deshalb sagen wir Ihnen: Ihrem eigenen Anspruch, Deutschlands Zukunft gestalten zu wollen, werden Sie vor lauter Faszination über die schwarze Null wirklich nicht gerecht. Solide Haushaltspolitik sieht anders aus. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Volker Kauder [CDU/CSU]: Wie denn?) Zukunftsfähig und enkeltauglich ist der Haushalt in der Tat nicht. Die Mittel der Wirtschaftsförderung, die einen, wie wir finden, viel zu geringen Anteil im Haushalt ausmacht, gehen zu einem großen Teil an staatsnahe Monopolisten. Die Investitionsquote sinkt, und das Problem der ausbleibenden Mauteinnahmen haben Sie hier mit dem Satz kommentiert: Der Verkehrsminister und der Finanzminister werden eine Lösung finden. – Aber diese Lösung müssen Sie dann auch präsentieren. Wir meinen, dass Sie auch den Osten erneut ausgeblendet haben. Im Osten ist die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch, und der Anteil von Jobs mit Niedriglöhnen ist wesentlich höher. Sie verfolgen bei der Mütterrente ein Konzept, bei dem erneut Erziehungsleistungen in Ost und West unterschiedlich anerkannt werden sollen. Das ist 25 Jahre nach der deutschen Einheit ein Skandal. Da werden wir Sie nicht in Ruhe lassen. (Beifall bei der LINKEN) Wir bekommen häufig zu hören, wir hätten kein Einnahmeproblem. Das sehen wir ausdrücklich anders. Auch mit dem Haushalt 2014 wird die Steuerungerechtigkeit fortgesetzt. Das ginge auch anders. Die Linke hat ein Steuerkonzept vorgelegt, bei dessen Umsetzung gerechte Besteuerung an den Tag gelegt würde. Das trauen Sie sich nicht. Bei den Einkommensschwächsten ist – das wissen Sie – nichts zu holen, und an die Reichen trauen Sie sich nicht heran. Deshalb belasten Sie nach wie vor die Mitte dieser Gesellschaft. Das ist sozial ungerecht. Das ginge auch anders. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Linke wird, wie eingangs beschrieben, zahlreiche Änderungsvorschläge für diesen Haushalt einbringen. 2014 ist ja das Jahr der zweiten Chance. Wir werden bereits unmittelbar nach der Sommerpause über den Entwurf des Haushaltes 2015 reden. Ich habe den Eindruck, dass Sie die zweite Chance brauchen werden. Die Opposition ist dabei. Wir werden Sie mit guten Vorschlägen behelligen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schneider, ich habe mit großem Wohlwollen vernommen, dass die SPD für solide Finanzpolitik steht. (Johannes Kahrs [SPD]: Schon immer!) Angesichts der zwei verfassungswidrigen Haushalte in Nordrhein-Westfalen, der Probleme in Rheinland-Pfalz und dessen, was momentan in Baden-Württemberg passiert, ist das, glaube ich, eher ein zartes Pflänzlein. Sie können froh sein, dass Sie sich zumindest hier im Bund an den starken haushaltspolitischen Stamm der Union anlehnen können. (Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Unglaublich! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh mein Gott! So ein Quatsch!) Ich möchte mit einem anderen Sozialdemokraten beginnen, und zwar mit Alex Möller. Ich möchte über Karl Schiller sprechen, ich möchte über Helmut Schmidt sprechen, ich möchte über Hans Matthöfer, über Hans Apel und über Manfred Lahnstein sprechen. Ich möchte über den Christdemokraten Gerhard Stoltenberg sprechen, natürlich über Theo Waigel, über Oskar Lafontaine, über Hans Eichel und über Peer Steinbrück. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Reicht dafür die Redezeit?) Ich glaube, sie alle – die meisten von ihnen waren sehr gute Finanzminister; nicht alle, aber die überwiegende Anzahl – wären ziemlich froh gewesen und hätten ziemlich viel dafür gegeben, hier heute stehen und ein derartiges Haushaltspaket vorlegen zu können. (Beifall bei der CDU/CSU) Man muss sich bewusst machen: Das letzte Mal wurde irgendwann Ende der 60er-Jahre ein so erfolgreiches Paket mit einem strukturellen Überschuss im aktuellen Haushaltsjahr und mit einer Finanzplanung, die eine Nettokreditaufnahme von null vorsah, vorgelegt. Da war Franz Josef Strauß noch Finanzminister. Wenn ich hier in die Reihen schaue, stelle ich fest, dass circa ein Drittel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, die heute hier sitzen, zu der Zeit noch gar nicht geboren waren. So lange ist das her. Das heißt, wir haben jetzt etwas geschafft – und viele haben daran mitgewirkt –, an dem sich seit 45 Jahren viele aufgerieben, es aber nicht hinbekommen haben. Das ist auch ein Grund zur Freude, und für diese Freude sollte man sich etwas Zeit nehmen. Das kann man auch ein bisschen feiern. Wenn man sich einmal anschaut, unter welchen Bedingungen wir das geleistet haben, ist das Ergebnis umso erstaunlicher. Wir haben das geschafft, obwohl wir darauf verzichtet haben, Steuern zu erhöhen oder neue Steuern einzuführen. Wir haben das geschafft, obwohl wir vereinbart haben, dass wir in diesem Haushaltsjahr und in dieser Legislaturperiode ganz viel Geld zusätzlich für Bildung, für Infrastruktur und auch für soziale Teilhabe ausgeben werden. Wir haben das erreicht, obwohl wir – beginnend mit der christlich-liberalen Koalition und jetzt auch fortgesetzt in der Großen Koalition – ein Paket geschnürt haben, in dem, je nachdem, wie man es rechnet, 45 bis 50 Milliarden Euro für die Kommunen vorgesehen sind. Was ganz besonders ist: Wir haben das geschafft, obwohl wir uns noch vor vier Jahren in der schlimmsten Wirtschaftskrise der deutschen Nachkriegsgeschichte befunden haben. Das ist aller Ehren wert. Es ist nicht die Aufgabe der Opposition, die Regierung zu loben; (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie loben sich ja schon selbst genug!) funktional müssen Sie in einer Demokratie Kritik üben. Ich kann auch verstehen, dass Sie sich ungerne mit den Koalitionsfraktionen freuen. Aber die Kritik, die Sie geäußert haben, was die Sozialkassen und die Ausgaben für Soziales angeht, war doch etwas dünn. Der Finanzminister und der Kollege Barthle haben es erwähnt: Wir haben noch nie so viel Geld für Soziales ausgegeben, wie es heute der Fall ist. Ich glaube, dafür müssen wir uns auch nicht schämen, sondern wir können stolz darauf sein, dass es nur wenige Länder gibt, die soziale Ungleichheit mit einem derart massiven Staatseinsatz bekämpfen wie Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die Zweckentfremdung der Gelder der Beitragszahler! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Quatsch, was Sie erzählen! – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Warum haben Sie den Rentenbeitrag denn nicht gesenkt?) Meine Damen und Herren, was die Sozialkassen betrifft, muss man sich fragen: Wie erklären Sie den Menschen in diesem Land, dass der Staat, der Bund Schulden aufnehmen soll, um die Rücklagen, die wir in den Sozialkassen haben, weiter zu steigern? Das ist eine Geschichte, die Sie auch mir einmal erklären müssen. Ich habe mit großer Freude zur Kenntnis genommen, Herr Kindler, dass Sie gesagt haben: Die Mütterrente ist eigentlich gar nicht schlecht; über die Finanzierung müssen wir uns aber unterhalten. – Herr Kindler, Sie wissen – Sie sind Haushaltspolitiker –: Circa ein Drittel der Ausgaben für die gesetzliche Rentenversicherung, circa 80 Milliarden Euro, wird bereits heute vom Steuerzahler beglichen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind aber andere Leistungen!) Auch das gehört zur Wahrheit dazu. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie doch mal die Deutsche Rentenversicherung! Die hat Ihnen gesagt, Sie sollen das über Steuern finanzieren!) Ich komme auf die Kritikpunkte, die Sie hinsichtlich der Kommunen geäußert haben, zurück. Ich glaube, dass es keine Bundesregierung gab, die so viel für die Kommunen getan hat, wie es diese Bundesregierung tut, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie doch mal die Kommunen! Die sehen das anders!) und das unter Kraftanstrengungen. Wir wären mit der Haushaltskonsolidierung schon längst weiter, wenn wir den Ländern und den Kommunen nicht immer wieder unter die Arme gegriffen hätten. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. (Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ihnen das Geld mit der Hotelsteuer weggenommen!) Meine Damen und Herren, Sie haben die Investitionen angesprochen. Investitionen sind wichtig. Auch wir würden gerne mehr Geld für Investitionen ausgeben; das ist überhaupt keine Frage. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie aber nicht!) In diesem Zusammenhang möchte ich auf die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen zurückkommen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die machen das da gut!) Da gibt es eine Kultusministerin, die Ihrer Partei angehört, und eine Ministerpräsidentin, die durch das Land zieht und behauptet: Die beste Investition in die Zukunft ist, Geld in Bildung, in Kitas und in ähnliche Geschichten zu investieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christine Lambrecht [SPD]: Und sie hat recht!) Wenn Sie sich den Koalitionsvertrag und unser finanzpolitisches Programm ansehen, stellen Sie fest: Wir investieren in Kitas, wir investieren in Forschung, wir investieren in Bildung; (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das im Haushalt 2014?) denn auch das sind Investitionen in diesem Lande. Auch das gehört zur Wahrheit dazu, und auch das sollte man an dieser Stelle berücksichtigen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn das im Haushalt 2014 drin? – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Komisch, dass die Investitionen nur um 1 Milliarde steigen!) Es ist ja nicht so, dass wir uns aufgrund der aktuellen Haushaltssituation entspannt in unserer Komfortzone zurücklehnen und sagen könnten: Die Messe ist gelesen; alles ist für ewige Zeiten gut. – Nein, ganz im Gegenteil – auch das hat der Bundesfinanzminister in seiner Rede zur Einbringung des Haushalts angesprochen –: Wir müssen natürlich weiterstrampeln, damit wir über Wasser bleiben. Wir müssen eine Menge tun. Wir müssen vor allen Dingen auf eines achten: dass uns die Einnahmen in diesem Land nicht wegbrechen. Die Einnahmen, meine Damen und Herren, werden nicht durch den Staat, sondern durch unsere Wirtschaft generiert. Deswegen ist die beste Haushaltspolitik, die wir in diesem Lande machen können, dafür zu sorgen, dass es der Wirtschaft gut geht. Auch da komme ich noch einmal auf die Kritik der Grünen zu sprechen. Was tun Sie denn, damit es der Wirtschaft gut geht? Ich denke, wir sollten Sie an Ihren Taten messen. Was machen Sie in Nordrhein-Westfalen? Dort gibt es ein Knebelungsprogramm, das sich „Landesentwicklungsplan“ nennt, Regulierung, neue Vorschriften und Bürokratie. Das ist grüne Wirtschaftspolitik. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn! Sie wurden da doch schon nach fünf Jahren abgewählt! Warum eigentlich?) Wir werden einen anderen Weg gehen. Wir werden dafür sorgen, dass die Wirtschaft auch weiterhin gut und sicher läuft, sodass Steuereinnahmen fließen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie erzählen hier doch Grimms Märchen! Warum regiert die CDU denn in NRW nicht mehr? Weil Sie nach einer Legislaturperiode gleich wieder abgewählt wurden!) Zu einer anderen Sache. Lassen Sie uns über Investitionen und Einnahmen reden. Die Investitionen, die die meisten Einnahmen mit sich bringen, sind die Investitionen, die eben nicht vom Staat, sondern in der Wirtschaft getätigt werden. Dafür brauchen wir ein vernünftiges Steuersystem. Wir werden dafür sorgen, dass unser Steuersystem vernünftig bleibt und das Geld nicht vom Staat durch Steuererhöhungen abgegriffen wird, sondern es für Investitionen in der Wirtschaft verwendet werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Da sind wir grundsätzlich ja einer Meinung!) Jetzt könnten Sie sagen: Moment, Moment, Moment! Es gibt ja noch so viel zu tun. Lassen Sie uns einmal über Steuererhöhungen reden. – Auch darüber ist gesprochen worden. Wir können die ganze Geschichte einmal durchspielen. Sie sagen – das war ja der große Wahlkampfschlager –: Der Staat leistet alles; er sorgt für alles. Wir finanzieren das durch höhere Steuern, aber durch höhere Steuern, die immer die anderen zahlen. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das sagt kein Mensch!) Höhere Spitzensteuern zahlen die Reichen. Ihr Argument, Herr Bartsch – „Nehmen Sie doch denjenigen, die jetzt so viel vererben, etwas weg!“ –, das sind auch die anderen. „Nehmen Sie den Vermögenden etwas weg!“, das sind auch die anderen. „Nehmen Sie den Zockern und Spekulanten etwas weg!“, das sind auch die anderen. Wenn man die Steuergeschichte in diesem Land einmal bei Licht betrachtet, erkennt man, dass jede höhere Steuer, jede neue Steuer am Ende bei der Mittelschicht gelandet ist. Das gehört zur Wahrheit dazu. Deswegen sind wir gegen höhere Steuern, gegen neue Steuern und gegen andere Steuern. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das ist bei der Millionärssteuer ausgeschlossen!) Hier blinkt der Präsident. Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Präsident blinkt nie – gelegentlich blinkt da vorne die entsprechende Lampe. Das ist in diesem Falle aber fehlerhaft und wird sofort abgestellt. (Heiterkeit) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Gut. – Deswegen, meine Damen und Herren, glaube ich, dass Steuererhöhungen kein Thema sein können, auch aus einem ganz anderen Grund. Wir haben sehr viel über die demografische Entwicklung gesprochen. Die demografische Entwicklung wird dazu führen, dass immer weniger immer mehr erwirtschaften müssen. Wenn wir diesen immer weniger werdenden, die immer mehr erwirtschaften müssen, noch höhere Steuern auferlegen, dann wird diese ganze Sache nicht funktionieren. Deswegen konzentrieren wir uns bei der Haushaltskonsolidierung eindeutig stärker auf die Ausgabenseite. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bauen Sie doch Subventionen ab!) Wir müssen uns über die Ausgabenseite unterhalten. Herr Kindler hat es eben als unverdientes Glück hingestellt, dass sich Herr Schäuble über eine so tolle Konjunktur und so hohe Steuereinnahmen freuen kann. Im Gegensatz zu rot-grün dominierten Bundesländern (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt gar nicht! Ist doch Quatsch!) haben wir aber auch der Versuchung widerstanden, die Mehreinnahmen gleich wieder für Mehrausgaben zu nutzen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie langweilig ist das denn!) Auch das ist christdemokratische Politik: die Ausgaben konstant zu halten versuchen und Mehreinnahmen dafür nutzen, um den Haushalt zu konsolidieren. Das werden wir auch weiter machen. Ich kann Ihnen für diese Haushaltsberatungen eines ankündigen: (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie mal Ausgabenkürzungen! Subventionsabbau!) Wir werden die Linie der Nettokreditaufnahme so, wie sie jetzt im Haushalt steht, zusammen mit den Kollegen von den Sozialdemokraten halten. Wir werden uns nicht verschlechtern; das ist das Ziel der nächsten sechs Wochen. Wenn wir an der einen oder anderen Stelle noch eine Schippe drauflegen können, Herr Kollege Kahrs, dann haben wir auch nichts dagegen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Im Übrigen: Wenn wir einmal über Ausgaben sprechen, dann muss ich mich auch ein bisschen wundern, wie unintelligent die Kritikpunkte der Opposition vorgebracht und vorgetragen worden sind. (Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Ja, das mögen Sie bedauern. Stellen Sie doch einfach einmal ein paar intelligente Fragen! Wenn ich jetzt sage: „Wir müssen Ausgaben beschneiden“, dann kommt von Ihnen reflexartig: Wenn Sie bei den Ausgaben irgendwas machen, dann geht das zulasten der sozial Schwachen, der Infrastruktur, der Investitionen oder wer weiß was. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sagt kein Mensch!) Wir können uns doch vielleicht einmal darüber unterhalten, ob wir unsere Ausgaben etwas effektiver und effizienter gestalten können. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sehr richtig! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerne!) Der Bundesfinanzminister hat es gerade gesagt: Wir geben in diesem Land sehr viel für Gesundheit aus. (Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Was kommt denn – subjektiv gefühlt – bei den Menschen an? Wir können uns vielleicht auch einmal darüber unterhalten, dass es sehr viele Menschen in diesem Land gibt – das will ich auch überhaupt nicht kritisieren –, die mit sehr viel Mühe versuchen, Langzeitarbeitslose wieder in das normale Arbeitsleben hineinzubringen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Kontrolle beim Flughafen BER?) Wir werden in dieser Legislaturperiode auch mehr Geld dafür ausgeben. Aber werden wir es tatsächlich schaffen, mehr Langzeitarbeitslose aus ihrer Situation zu befreien? Oder sprechen wir von effektiven und effizienten Ausgaben im Bereich der Infrastruktur. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Beispiel beim BER!) Wenn es heute so ist, dass, wenn wir eine neue Autobahn bauen, bis zu 50 Prozent der Ausgaben in Planung, in Bürgerbeteiligung und in Umweltschutz- und Ausgleichsmaßnahmen fließen, müssen wir uns fragen: Machen wir das alles richtig, oder läuft die Sache an der einen oder anderen Stelle falsch? (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sollten uns hinsichtlich der Ausgaben vielleicht auch einmal fragen: Sind wir eigentlich als Staat – als Bund, als Land und als Kommune – in der Lage, Ausgaben zu priorisieren? Sind wir eigentlich in der Lage, zu unterscheiden, was uns wichtiger ist? Wir gehen hin und sagen: Wir müssen etwas für die sozial Schwachen tun, wir müssen etwas für die Inklusion tun, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tun Sie jedenfalls nicht!) wir müssen etwas für die Pflege tun, wir müssen etwas für die Bildung tun, wir müssen etwas für Investitionen tun. Ich will diese Bereiche weiß Gott nicht gegeneinander ausspielen; aber sagen wir auch einmal, was uns am wichtigsten ist, was wir zuerst angehen wollen? Da ist noch eine Menge Luft drin. Meine Damen und Herren, ich denke, man kann über den Haushalt auch ein bisschen intelligenter kritisch diskutieren, als das heute hier von der Opposition getan worden ist. Ich glaube aber, wir müssen die richtigen Fragen stellen, und wir müssen auch den Mut haben, unbequeme Wahrheiten zu verkünden. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fangen Sie einmal beim Subventionsabbau an!) Wir müssen den Menschen in diesem Land auch einmal sagen, dass der Staat nicht für alles sorgen kann. Wir müssen den Menschen in diesem Land sagen, dass wir priorisieren müssen und eine Aufgabe vielleicht wichtiger ist als eine andere. Und wir müssen den Menschen in diesem Land vielleicht auch noch einmal eines sagen – das gilt insbesondere angesichts der aktuellen Diskussion –: (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fangen Sie mal an!) dass wir hier als Politiker im Bund, im Land und in den Kommunen nicht nur eine Verantwortung haben für die Menschen, die heute leben, sondern auch für die nachfolgenden Generationen. Ich denke, da ist in diesem Haushalt eine Menge angelegt. Das Beste, was wir für nachfolgende Generationen tun können, ist, dass wir eine vernünftige Ausgabenpolitik machen, dass wir keine Steuern erhöhen und dass wir konsolidierte Haushalte hervorbringen. Ich möchte mit einer Bemerkung schließen: Konsolidierte Haushalte, keine Steuererhöhungen, keine neuen Steuern – das ist im besten Sinne sowohl konservative als auch wirtschaftsliberale Politik, und das wird unsere Leitlinie sein. Wir freuen uns auf die Beratungen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eine Ansage an die SPD!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Johannes Kahrs erhält nun das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte den Kollegen Brinkhaus gerade noch für diese koalitionsfreundliche Rede loben, aber am Ende musste ich merken, dass er nur von seinen schwarzen Brüdern und Schwestern gesprochen hat. Diese Ausfälle gegen die rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen kann man ja damit erklären, dass Sie da herkommen, aber ich finde, da wir hier einen Haushalt der Großen Koalition vortragen, auf den wir alle stolz sind, sollte man das hier auch gemeinschaftlich loben. Das wäre eine gute Sache. Ich muss Herrn Kauder ja die Möglichkeit geben, dass er freudig klatschen kann; das wollen wir ja tun. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt!) – „Jetzt“ habe nicht ich gesagt, sondern Sie. Der hier vorliegende Haushalt der Großen Koalition ist ein guter Haushalt; denn, Herr Brinkhaus, er trägt eine sozialdemokratische Handschrift. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Zweite Gelegenheit!) – Ich muss das auch dürfen. – Wir sind auf einem guten Weg, die gefährliche Schuldenspirale endlich zu durchbrechen. Die Nettokreditaufnahme beträgt nur noch 6,5 Milliarden Euro, und wir kommen zu der schwarzen Null. Man muss das einmal anmerken: Wir Roten kämpfen für eine schwarze Null. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Hätten Sie früher tun sollen!) Ich könnte jetzt viele Scherze über schwarze Nullen machen, aber das möchte ich nicht tun. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Wir Sozialdemokraten kämpfen für eine schwarze Null, und da wir seit 1998 mit Ausnahme von vier Jahren in diesem Land regiert haben, ist der jetzige Haushalt auch das Ergebnis guter sozialdemokratischer Regierungs-politik. (Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: So wird das nichts, Herr Kahrs!) 2009 hatten wir noch eine Neuverschuldung von 44 Milliarden Euro, 2011 waren es 17,3 Milliarden Euro, 2012 22,5 Milliarden Euro, 2013 22,1 Milliarden Euro, und jetzt sind es 6,5 Milliarden Euro. Ich glaube, man merkt den sozialdemokratischen Anteil. (Beifall bei der SPD) Die von der SPD durchgesetzten Investitionen in Bildung, Forschung und Infrastruktur stärken unser Land nachhaltig. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind sie denn?) Für uns ist die schwarze Null – das muss man betonen –, für die wir Rote kämpfen, nicht nur eine Verpflichtung, sondern sie war auch eine zentrale Forderung der SPD im Bundestagswahlkampf, weil es beim Beenden der Schuldenspirale um Gerechtigkeit geht. Wir sparen nämlich nicht um des Sparens willen, sondern wir sparen, weil wir mit den Schulden und den Schuldenzinsen unsere Kinder und Enkel in eine gefährliche Lage bringen. Wir nehmen ihnen nämlich dauerhaft Spielräume. Das ist der Punkt: Wir sparen dafür, dass es zukünftigen Generationen besser geht. Das eint uns, Herr Kauder. Deswegen glaube ich, dass dieser Haushalt in diesem Sinne ein guter Haushalt ist, und das werden wir entsprechend weiterführen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: 2014 zahlen wir 30 Milliarden Euro an Zinsen für Schulden der Vergangenheit. Das ist dreimal so viel Geld, wie dem Bildungsministerium zur Verfügung steht. Ich glaube, das kann man den Linken und den Grünen gar nicht häufig genug sagen: Hier sparen wir für Kinder und Enkel. Das ist wichtig. Ich möchte das Geld lieber in Bildung investieren, als es den Banken zu geben, die 90 Prozent unserer Zinszahlungen bekommen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Diese Leistung haben wir mit diesem Haushalt hinbekommen, und das ist gut so. Allerdings muss man auch sagen, dass es auf dem Weg, diese schwarze Null auch nach 2015 zu erreichen, auch Risiken gibt. Deswegen ist nicht gesichert, dass wir sie halten können. Wir schreiben sie aber in der mittelfristigen Finanzplanung fort und werden damit die Schuldenbremse einhalten. Das wird dauerhaft der Maßstab sein, an dem der jetzige und die zukünftigen Finanzminister gemessen werden. Keiner wird ohne Verlust seiner Reputation um diese Null herumkommen. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Genau! Deshalb brauchen wir Wirtschaftswachstum!) – Genau. Aufgrund dieser Risiken brauchen wir eine vernünftige Politik. Das ist für die SPD ein zentrales Versprechen dieser Koalition und war ein Grund, diese Koalition einzugehen. Deswegen müssen wir alle dafür sorgen, dass die kommenden Risiken nicht dazu führen, von diesem Kurs abzuweichen; das wollen wir nicht. Wir haben in der Euro-Krise gemerkt, wie schwierig das werden kann. Wenn das Wirtschaftswachstum nur um einen halben Prozentpunkt sinkt, fehlen uns allein beim Bund 3 Milliarden Euro. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was heißt das?) Ein geringeres Wachstum würde uns schwächen. 100 000 Arbeitslose, die aufgrund dieser Entwicklung hinzukämen, kosteten uns 1,7 Milliarden Euro. Sollten die Zinsen um 1 Prozentpunkt steigen, würde uns das zwischen 4,5 und 5 Milliarden Euro kosten. Um diese Risiken wissen wir, deswegen wird uns die schwarze Null die nächsten Jahre bei allen Haushaltsberatungen leiten. Deswegen darf man nicht tricksen. Deswegen darf es keine kreative Haushaltsführung geben. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das machen Sie ja! Dann müssen Sie Ihren Haushalt ändern!) Deswegen sind wir gegen Schattenhaushalte. Wir sind dafür, dass man ehrlich klare Ansagen macht. Dies hier ist ein ehrlicher Haushalt. Ich bin ein großer Anhänger der Kameralistik, (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt?) weil man da sehr klar erkennen kann, wo die Risiken und wo die Probleme liegen. Ein solcher Haushalt ist offen und transparent. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit sind für uns Sozialdemokraten keine Hohlformel, sondern sie sind die Grundlage für unsere Arbeit. Uns Sozialdemokraten wäre es zum Beispiel lieber gewesen, die Mütterrente über Steuern zu finanzieren. (Beifall bei der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) – Ja, das ist so. Da haben wir uns in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen können. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo habt ihr euch denn durchsetzen können?) In einer Koalition muss man immer Kompromisse machen. Das ist wie in jeder Ehe, wie in jeder Beziehung. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt euch in der Finanz- und Steuerpolitik nirgendwo durchsetzen können!) Das ist nötig, weil man ansonsten irgendwann alleine ist. Alleine etwa sind zurzeit die Grünen. Sie hätten sich ja an einer schwarz-grünen Regierung beteiligen können. Jetzt meckern Sie über das, was wir hier tun. Sie hätten gestalten können, aber Sie haben sich verweigert. Deswegen wäre ich an Ihrer Stelle relativ leise. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Johannes Kahrs als Berater für Schwarz-Grün! Dass ich das noch erleben darf!) Bei diesem Haushalt merkt man, dass nicht nur gespart, sondern auch gestaltet wird. Wir als SPD haben für uns wichtige Maßnahmen durchgesetzt, die prioritär auch schon im Haushalt 2014 umgesetzt werden. Die Aufstockung der Städtebauförderung auf 700 Millionen Euro pro Jahr ist für uns ganz besonders wichtig. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Für das Programm „Soziale Stadt“ bedeutet das zum Beispiel, dass die Mittel für die kommenden Jahre von 50 auf 150 Millionen Euro verdreifacht werden. Das ist für strukturschwache Kommunen ein riesiger Erfolg. Ich glaube, dass man das nicht nur feiern, sondern auch verstetigen und ausbauen muss. (Beifall bei der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sehen aber Ihre Bürgermeister in NRW ganz anders!) Für die Stärkung der Mittel für Bildung, Schulen und Hochschulen in Höhe von 6 Milliarden Euro und für Forschung in Höhe von 3 Milliarden Euro stehen weitere Gelder zur Verfügung. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stehen die denn im Haushalt 2014?) Gleichzeitig wollen wir zusätzlich für Verkehrsinfrastruktur 5 Milliarden Euro ausgeben, allein 2014 schon 505 Millionen Euro. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 5 Prozent für den Straßenerhalt!) Wenn es uns gelingt, bei den Mitteln für Infrastruktur noch etwas draufzulegen – das wurde schon von der CDU betont –, dann wollen wir das, Norbert Barthle, gemeinsam gerne tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Tun wir!) Gleichzeitig gibt es natürlich auch Verhandlungen mit den Kommunen und den Ländern. Es wird die Frage zu diskutieren sein, wie dann die 6 Milliarden Euro, die 3 Milliarden Euro und die 1 Milliarde Euro ab 2015 verteilt werden und was man 2017 noch machen kann. Es wäre schlau, dass man die Fragen, wie die Gelder zielgerichtet auf die Kommunen und die Länder verteilt werden und wie man das Geld vernünftig ausgibt, demnächst zusammen klärt, damit alle Planungssicherheit haben und damit wir alle wissen, woran wir sind. Das zentrale Anliegen der SPD, die Entlastung der Kommunen, ist dabei ein Element. Wir als Sozialdemokraten haben uns im Wahlkampf dafür eingesetzt. Wir haben dieses Thema überhaupt erst zu einem Thema auf Bundesebene gemacht. Das ist einer der Punkte, die in diesem Koalitionsvertrag dominieren. Dafür stehen wir als Sozialdemokraten. Dafür werden wir uns gemeinsam mit der CDU einsetzen. Ich glaube, dass es in den nächsten Wochen Gespräche darüber geben wird, wie diese Gelder 2015, 2016 und 2017 auf Länder und Kommunen verteilt werden. Ich bin zuversichtlich, dass wir da zu vernünftigen Ergebnissen kommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Übrigens eine kleine Anmerkung: Dass der Bund vollständig die Kosten für die Eingliederungshilfe im Alter übernommen hat, hat Rot-Grün damals als Ergebnis im Vermittlungsausschuss durchgesetzt. Auch das muss man ab und zu einmal sagen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde es richtig, dass die CDU/CSU das aufgenommen hat und sich jetzt dafür lobt. Das heißt, dass auch unser Koalitionspartner lernfähig ist und dass wir das gemeinsam hinbekommen. Das ist eine gute Grundlage für die Zusammenarbeit. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Lern- und leidensfähig, Herr Kahrs!) – Jetzt habe ich Sie einmal gelobt, und dann reicht es Ihnen auch wieder nicht. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Doch! Wir wollten nur nicht, dass das aufhört!) – Man weiß wirklich nicht, was man machen soll. Trotzdem glaube ich, dass wir es gemeinsam hinbekommen sollten. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Regierung lobt sich nur selbst!) Der vorliegende Haushalt ist ein gutes Zeugnis kluger Politik (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie ablesen!) mit einer klaren sozialdemokratischen und einer klaren christdemokratischen Handschrift. Ich glaube, gemeinsam werden wir es in den nächsten vier Jahren hinbekommen. Ich bin mir sicher, dass die Haushälter in den Haushaltsberatungen das ihrige tun werden, um diesen Haushalt noch zu verbessern. Das ist schließlich unser Job. Wir werden mit Freude sehen, was Linke und Grüne an Anträgen einzubringen haben, insbesondere was die Frage angeht, wie sie das Ganze gegenfinanzieren wollen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir ja gesagt! Subventionsabbau!) Vielleicht geht es auch ohne Luftbuchungen. Ich glaube, dass wir das gemeinschaftlich vernünftig hinbekommen – im Interesse der Menschen in diesem Land wie auch im Interesse der Kommunen und der Länder. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Tobias Lindner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Schäuble, Sie haben vorhin vom Hausaufgabenmachen gesprochen. Ihre Schulzeit liegt zwar länger zurück als meine, aber ich gehe davon aus: Auch Sie erinnern sich noch daran, wie das mit den Hausaufgaben war. Wenn man sie nicht gerne gemacht hat, dann hat man zwar irgendwas abgegeben, sich aber an einigen Stellen um die wahre Aufgabe herumgemogelt. (Johannes Kahrs [SPD]: Unglaublich!) So kommt mir auch der Regierungsentwurf zum Haushalt 2014 vor, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie mogeln sich bei diesem Regierungsentwurf an drei Stellen an der wahren Aufgabe vorbei. Erstens schaffen Sie in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung nicht nur Konjunkturschwankungen und Konjunkturzyklen ab, nein, Sie verlängern auch Niedrigzinsphasen ins Unendliche. Sie bauen eine mittelfristige Finanzplanung auf Sand. Das ist alles andere als ein strukturiertes Vorgehen, um wirklich eine schwarze Null zu erreichen, die dauerhaft erhalten werden kann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: 25 Prozent mehr Zinsausgaben!) Zweitens. Sie reden über das Kürzen von Zuschüssen für die Sozialversicherungen. Sie konsolidieren über den Griff in die Sozialkassen, statt ernsthaft und engagiert beispielsweise über eine Bundessteuerverwaltung zu reden oder darüber, wie man im Wirtschaftsetat Subven-tionen kürzen kann oder wie wir im Haushalt dort an die Ausgaben herangehen können, wo es wehtut oder wo wir effizienter werden können. An dieser Stelle verweigern Sie die Arbeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein dritter und letzter Punkt: Sie mogeln sich an Ihrem eigenen Koalitionsvertrag vorbei. Es ist bemerkenswert, dass der Kollege Kahrs uns seinen Koalitionspartner fast wie saures Bier anzudienen versucht. Groß scheint die Freude daher nicht zu sein. (Johannes Kahrs [SPD]: Na, na, na!) Aber ich will nur beispielhaft auf die viel zitierte Entlastung der Kommunen zurückkommen, zu der Kollege Barthle gesagt hat, der Koalitionsvertrag werde auf Punkt und Komma eingehalten. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!) Lieber Norbert Barthle, in Ihrem Koalitionsvertrag steht auf Seite 63 wörtlich: Bereits vor der Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes beginnen wir mit einer jährlichen Entlastung der Kommunen in Höhe von einer Milliarde Euro. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ab 2015!) – Ich habe wörtlich zitiert. Eine Zahl steht auf Seite 63 Ihres Koalitionsvertrages nicht, Herr Barthle. Darin heißt es „vor der Verabschiedung“ dieses Gesetzes. Das sind die Jahre 2014 und 2015; es sind aber auch die Jahre 2016 und 2017. Ich frage Sie ernsthaft: Wann ist denn „vor“ bei Ihnen, wenn in diesem Regierungsentwurf nicht die 1 Milliarde Euro aufgeführt ist? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Im Haushalt nicht nur einen Spiegelstrich lesen! Die nächsten Seiten auch noch lesen!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Grünen werden in diesen Haushaltsberatungen eines unter Beweis stellen: Wir werden unter Beweis stellen, dass man nicht mehr Schulden machen muss, wie Sie es tun, sondern dass man mit dem Geld auskommen kann und dass es möglich ist, einen Haushaltsentwurf aufzustellen, der Investitionen in den wichtigen Zukunftsbereichen setzt, ökologisch schädliche Subventionen abbaut und in Bildung, Teilhabe und Innovationen investiert. Dazu werden wir in den nächsten Wochen Vorschläge machen. Hieran werden wir Sie messen. Wir freuen uns, wenn Sie unsere Anträge unterstützen werden. Wir werden sehen. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Antje Tillmann hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Antje Tillmann (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der heute vorgelegte Bundeshaushaltsentwurf 2014 ist strukturell ausgeglichen, und die Eckwerte des Bundeshaushalts 2015 weisen keine neuen Schulden auf. Das kann man gar nicht oft genug sagen, weil das eine gute Stunde ist. Herr Kahrs, ich gebe Ihnen völlig recht: Wir sind auf einem guten Weg mit diesem Bundeshaushalt. Deshalb will ich ein großes Dankeschön an unseren Bundesfinanzminister Dr. Schäuble meiner Rede voranstellen, der sich schon seit einigen Jahren – auch in der letzten Legislaturperiode – auf den Weg gemacht hat, um heute dieses Ergebnis vorlegen zu können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Natürlich gilt mein Dank auch meinen Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion um Norbert Barthle, die seit Jahren diese Bemühungen mittragen und den Finanzminister auf seinem Weg unterstützen. Lieber Kollege Kahrs, natürlich danke ich auch euch, die ihr euch neu auf den Weg gemacht habt, (Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt nicht!) zusammen mit uns die Haushaltskonsolidierung voranzubringen. Ich freue mich, dass ihr dabei seid. Nach der Schuldenbremse 2009 gab es einen kleinen Knick. Aber jetzt seid ihr mit dabei. Ich glaube, das ist ein guter Weg für diese Koalition. Der Bund hält die Regeln der Schuldenbremse schon seit 2012 ein, und das vier Jahre früher, als er eigentlich müsste. Unser Finanzminister hat uns und sich selbst zusätzlich das Ziel gesteckt, die Schuldenstandsquote innerhalb von zehn Jahren auf weniger als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken. Das ist die Grenze, die wir nach dem Maastricht-Vertrag eigentlich nie hätten überschreiten dürfen. Das hätten wir leichter haben können, wenn wir den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht gebrochen hätten und wenn die Haushaltskonsolidierung noch früher begonnen hätte. All denjenigen, die heute den Haushalt miesmachen wollen, kann ich nur sagen: Ja, natürlich gibt es Risiken im Haushalt. Ja, natürlich gibt es Schwierigkeiten, auch in der mittelfristigen Finanzplanung. Aber all diese Risiken hatten Ihre Finanzminister auch. Sie haben die Rentenkassen geplündert. Sie haben das Gesundheitswesen alleinegelassen. Sie haben bei den Hartz-IV-Regelleistungen die Kinder vergessen; Geld für Schulranzen gab es nicht. Sie haben die Kommunen mit den Kosten der Grundsicherung alleinegelassen. All diese Risiken sowie zusätzlich ein hohes Haushaltsdefizit hatten Ihre Finanzminister vorzuweisen. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was reden Sie denn da?) Deshalb glaube ich, dass Sie bei aller Miesmacherei ab und zu positiv bewerten könnten, dass wir von der Großen Koalition mit unserem Finanzminister alles richtig machen und dass die Haushaltspolitik endlich wieder auf einem guten Weg ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Es hat keiner behauptet, dass wir fertig sind. Norbert Barthle weiß, dass er in den nächsten Jahren mit Haushaltskonsolidierung befasst sein wird. Johannes Kahrs weiß das ebenfalls; er hat in seiner Rede darauf hingewiesen. Natürlich werden wir weitermachen müssen. -Jeden Euro, den wir nicht für Schuldzinsen ausgeben müssen, können wir für unsere Kinder sowie für Investitionen in Bildung und Infrastruktur ausgeben. Ja, der Weg wird noch hart und steinig sein, wie es in einem Lied so schön heißt. Wir werden ihn zusammen gehen. Aber mit diesem Haushalt und dem Abschluss der Haushaltsberatungen sind wir ein wesentliches Stück vorangekommen. (Beifall des Abg. Johannes Kahrs [SPD] – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das ist doch noch kein Abschluss der Haushaltsberatungen!) Neben der Konsolidierung investieren wir aber auch. Die Behauptung der Opposition, dass wir weder in Infrastruktur noch in Bildung investieren, stimmt nicht. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Zu wenig! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Investitionsquote steigt nicht! Zu wenig!) – „Zu wenig“ ist immer richtig. – So geben wir im Bildungsbereich knapp 14 Milliarden Euro aus. Eine solche Summe wurde hierfür nie zuvor ausgegeben. Allein für die Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Innovationssystems geben wir rund 6 Milliarden Euro aus. Einen Schwerpunkt bildet dabei der Hochschulpakt 2020, für den 2014 über 2 Milliarden Euro angesetzt sind. Mit 27 Milliarden Euro steigern wir die Ausgaben für Investitionen bis zum Jahr 2017 um über 10 Prozent. Ich gebe zu: Das könnte noch besser werden; daran arbeiten wir. Aber auch hier brauchen wir Haushaltskonsolidierung. Unser erstes Wahlversprechen ist mit dem Haushalt erfüllt. Wir haben gesagt: Wir brauchen einen generationengerechten Haushalt. Da sind wir ein Stück weiter. Unsere Bemühungen um einen generationengerechten Haushalt wurden aber auch begleitet von der Banken- und Finanzmarktkrise in den letzten Jahren, die tiefgreifende Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft zur Folge hatte. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten nun von uns zu Recht, dass wir Maßnahmen ergreifen, die künftig verhindern, dass Banken mithilfe von Steuergeldern gerettet werden müssen. Wir wollen keine Haushaltsberatungen mehr führen, in denen Bankenrisiken berücksichtigt werden müssen. Wir wollen, dass ein System geschaffen wird, wonach diese Gelder nicht mehr aus dem Bundeshaushalt, also nicht mehr aus Steuergeldern, finanziert werden müssen. Auch da sind wir im letzten Jahr ein gutes Stück weitergekommen. Die europäischen Krisen rücken mehr und mehr in den Hintergrund. Irland und Spanien haben den Rettungsschirm bereits verlassen, Portugal ist auf einem guten Weg, und auch in Griechenland mehren sich positive Zeichen. Eine Folge dieser guten Entwicklung ist die Zinsentwicklung. Der Finanzminister hat im Gegensatz zu dem, was eben Oppositionssprecher gesagt haben, natürlich in der mittelfristigen Finanzplanung höhere Zinsen für die Bundesschulden eingeplant. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr wenig!) Das ist eine weniger gute Nachricht für den Haushalt, aber eine umso bessere Nachricht für Sparerinnen und Sparer. Die leiden nämlich massiv unter den niedrigen Zinsen. Das, was uns beim Haushalt freut, ist für Sparerinnen und Sparer ein echtes Problem. Auch da ist Licht am Ende des Tunnels sichtbar. (Johannes Kahrs [SPD]: Hoffentlich nicht!) Damit die Haushalte künftig nicht mehr durch Bankenprobleme belastet werden, haben wir uns auf den Weg zu einer gemeinsamen Bankenunion gemacht. Ich bin meinem Kollegen Lothar Binding sehr dankbar, dass wir gerade in den schwierigen letzten Monaten gemeinsam dafür gekämpft und den Finanzminister unterstützt haben, Regulierungsmaßnahmen für Banken – Verschärfung der Eigenkapitalanforderungen und Liquiditätsvorschriften, höhere Qualität bei Vorständen und Aufsichtsräten – durchzusetzen. Daneben haben wir es jetzt auch geschafft, zumindest auf europäischer Ebene eine Einigung über einen Abwicklungsmechanismus zu erzielen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Da klatscht die Union überhaupt nicht!) Das deutsche Gesetz steht noch aus, aber wir haben es geschafft, erstmalig in der Geschichte der europäischen Banken eine Haftungskaskade aufzubauen, bei der der europäische Steuerzahler der Letzte ist, der bezahlen muss. Es haften nämlich erst die Eigentümer, dann die Gläubiger, dann ein 55 Milliarden Euro starker Abwicklungsfonds, und ganz zum Schluss erst kann der Sitzstaat aus dem ESM, der aus Steuergeldern finanziert wird, Hilfe beantragen. Wir haben die Hoffnung, dass die nächsten Generationen bei den künftigen Haushaltsberatungen über Bankenabwicklung nicht mehr sprechen müssen. Wir hoffen, dass dieses System funktioniert, und auch da sind wir auf einem guten Weg. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Dazu passt, dass wir versuchen, auch Bürgerinnen und Bürger vor Schäden zu bewahren, die sie durch spekulative Finanzinstrumente erleiden können. Der Fall Prokon ist durch alle Medien gegangen und hat uns auch hier häufig beschäftigt. Im Bundeshaushalt haben wir 15 Millionen Euro für den Verbraucherschutz eingestellt. Die Stiftung Warentest alleine bekommt hiervon 1,5 Millionen Euro zweckgebunden für zusätzliche Aufgaben im Bereich der Finanzprodukte. Das Thema wird uns weiter begleiten. Wir haben hier Gelder eingestellt, die der Öffentlichkeit direkt zugutekommen, weil damit die Regulierungen, die wir als Gesetzgeber getroffen haben, auch tatsächlich bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen. Also: Regelungen auf dem Finanzmarkt unterstützen die Konsolidierung im Haushalt. Künftige Risiken haben wir erheblich eingeschränkt. Das zweite Wahlversprechen, das wir im Wahlkampf abgegeben haben, war: keine Steuererhöhungen. Als einzige Partei haben wir im Wahlkampf deutlich gesagt, dass wir in dieser Legislaturperiode keine Steuererhöhungen wollen. Das haben wir bestimmt nicht deshalb gemacht, weil wir nicht gewusst hätten, wohin mit dem zusätzlichen Geld. Jeder von uns hätte gewusst, was wir mit zusätzlichen Steuereinnahmen hätten machen können. Aber wir sind eben anders als andere nicht der Meinung, dass Geld nur in den Händen des Staates gut aufgehoben ist. Wir glauben, dass Bürgerinnen und Bürger, wenn sie mehr Geld in der Tasche haben, damit sinnvolle Dinge tun, nämlich investieren, konsumieren und Wachstum fördern. Das gilt übrigens auch dann, wenn sie Handwerker mit dem Geld, das wir ihnen belassen, bezahlen. Noch besser ist es, wenn sie das legal tun. Das werden wir unterstützen. Also auch das zweite Wahlversprechen ist erfüllt: keine zusätzlichen Steuererhöhungen und trotzdem konsolidierter Haushalt. Wenn wir aber keine Steuern erhöhen, gibt es nur drei Möglichkeiten, zu zusätzlichen Steuereinnahmen zu kommen, die wir alle gut gebrauchen können. Die erste Möglichkeit ist höheres Wachstum. Auf dem Weg sind wir. Das ist unsere Lieblingsvariante. Die zweite Möglichkeit ist, Steuervermeidungsstrategien einzudämmen. Auch da sind wir gemeinsam auf einem guten Weg. Beide AGs Finanzen sind da sehr gut aufgestellt. Die dritte Möglichkeit ist, Steuerhinterziehung einzudämmen. Mit diesem Konglomerat, nämlich Wachstum zu generieren und die Steuern einzunehmen, die dem Staat tatsächlich zustehen, werden wir hoffentlich auch bei der mittelfristigen Finanzplanung die Finanzierung der Aufgaben, die wir in Deutschland für wichtig und erforderlich halten, bewerkstelligen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Bei all dem haben wir aber weder Familien noch Kommunen vergessen. Wir haben Familien über das Weiterlaufen des Bildungs- und Teilhabepakets in den Vordergrund gestellt. Dieses Paket wird Gott sei Dank immer besser abgerufen. Uns freut jeder Euro, der im Haushalt dafür zusätzlich zur Verfügung gestellt wird. Wir haben die Kinderbetreuung in den Fokus gerückt: 5,4 Milliarden Euro haben wir dafür schon ausgegeben. Weitere 6 Milliarden Euro werden es in dieser Legislaturperiode für Kitas, Hochschulen und Schulen sein. Wir werden mit dem ElterngeldPlus zulegen. Wir haben das Betreuungsgeld weiterlaufen lassen. Wir haben ein Problem noch nicht gelöst – das sage ich ganz offen –: Wir wissen noch nicht genau, wie wir mit dem Existenzminimumbericht hinsichtlich des Freibetrags für Kinder umgehen. Wir werden noch in diesem Jahr beraten, wie wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln möglichst zielgenau Familien Mittel zur Verfügung stellen können. Dieser Punkt steht noch auf unserer Tagesordnung. Außerdem haben wir ein letztes Problem gemeinsam zu lösen – da bin ich ganz zuversichtlich –: Das Thema kalte Progression wird im September wieder auf der Tagesordnung stehen, wenn wir über den Bericht über die Auswirkungen der kalten Progression sprechen. Auch da danke ich Herrn Finanzminister Schäuble dafür, dass er sich dazu sehr deutlich positioniert hat. Ich bin optimistisch – wir haben viele andere Probleme gemeinsam gelöst –, dass wir auch das schaffen, damit diese Haushaltskonsolidierung und das Versprechen, keine Steuern zu erhöhen, zusammenpassen. Ich freue mich auf die Haushaltsberatungen und gebe an die Haushälter den Rat weiter – obwohl sie ihn gar nicht brauchen –, aus den Haushaltsberatungen noch besser herauszugehen, als sie hineingegangen sind. Das haben sie in der Vergangenheit ebenfalls gemacht. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Da warst ja auch du dabei!) Herzlichen Dank für die guten Beratungen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Lothar Binding hat für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte mich zunächst bei Antje Tillmann für das dicke Lob bedanken. Natürlich habe ich die Bankenunion nicht ganz allein zu verantworten. Hinsichtlich der guten Zusammenarbeit muss man Folgendes sagen. Wenn man sich anschaut, wie weit die Ausgangspositionen auseinanderlagen, dann erkennt man, dass man wirklich von einer guten Zusammenarbeit sprechen kann. Das Ganze ist eine ziemlich gute und erfolgreiche Anstrengung gewesen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Dietmar Bartsch hat gesagt: Den Preis für die schwarze Null zahlt die kommende Generation. – Das sehe ich als falsch an. Was Herr Bartsch sagt, könnte man vermuten, wenn wir sonst nichts täten. Ich will einmal sagen, wer den Preis für die schwarze Null, für einen ausgeglichenen Haushalt wirklich zahlt: Steuerhinterzieher, Steuertrickser und Steuergestalter. Denen Einhalt zu gebieten, darum wollen wir uns in dieser Legislaturperiode nämlich im Schwerpunkt kümmern. Es ist ein hehres Ziel, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die ihre Steuern jetzt hinterziehen, künftig zur Kasse gebeten werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir machen hier ein faires Angebot. Sven Kindler hat eine ganz ähnliche Idee gehabt. Er sagte: Der ausgeglichene Haushalt ist nicht nachhaltig, er ist ein Strohfeuer. – Auch hierzu meine Antwort: Wir wollen, dass die Einnahmen künftig strukturell verbessert werden. Über Steuererhöhungen reden wir jetzt nicht; das ist dem Koalitionsvertrag geschuldet. Wir wollen uns insbesondere darum kümmern, dass die Unternehmen künftig fair ihre Steuern zahlen. Auch internationale Konzerne müssen sich mit ihrer Wertschöpfung in Deutschland steuerlich engagieren. Das ist fair. So können wir diesen Haushalt finanzieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es verwundert ein kleines bisschen: Wir haben in den letzten vier Jahren unter Schwarz-Gelb immer wieder „niedriges Zinsumfeld, höchste Steuereinnahmen der Geschichte, geringe Arbeitslosigkeit“ gehört. Aber es ist schon interessant, dass wir damals weder einen ausgeglichenen Haushalt noch genug Investitionen hatten. Das gibt doch zu denken. Diese Diagnose deutet darauf hin, dass es schwarz-gelbe Strukturprobleme nicht nur innerhalb der Koalition, sondern auch in Bezug auf ihre Politik gegeben hat. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ein Schritt zurück. 2008 hatten wir eine Krise. Wie hat der damalige Finanzminister Peer Steinbrück eigentlich darauf reagiert? Er hat ein kommunales Konjunkturprogramm aufgelegt, und das in der allerschwierigsten Zeit. Er hat sogar neue Schulden gemacht. Er hat ein Kurzarbeiterprogramm aufgelegt. Auch das war eine Riesenbelastung für den Haushalt. Was ist passiert? Es hat exzellent gewirkt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben über die Investitionen in die kommunalen Haushalte die Nachfrage gestärkt. Wir haben Arbeit geschaffen. Wir haben die Arbeitslosigkeit gesenkt, und wir haben das Ganze mit einer Schuldenbremse garniert. Was hat die schwarz-gelbe Koalition danach gemacht? Es ist nicht so, dass sie, Schwarz-Gelb, nichts gemacht hätte. Sie hat zum Beispiel den Umsatzsteuersatz in der Hotellerie gesenkt; das war etwas Neues. Sie ist eine schöne Ausnahmeregelung – ärgerlich, aber wir haben sie nun einmal. Sie wollte ein neues Steuersystem schaffen: einfach, niedrig und gerecht. Viele suchen noch heute danach. Außerdem wollte sie das Steuerabkommen mit der Schweiz. Gott sei Dank konnten wir es verhindern. Wenn man ganz ehrlich ist, muss man sagen: Dieses Abkommen war ein Programm, um Steuerhinterzieher zu schützen. Die Probleme mit der Steuerhinterziehung wollen wir jetzt gemeinsam überwinden. (Beifall bei der SPD) Heute können wir an Peer Steinbrück wieder anknüpfen. Obwohl wir weder einen ausgeglichenen Haushalt noch genügend Investitionen vorgefunden haben, planen wir – im ersten Schritt – sowohl einen ausgeglichenen Haushalt als auch – im zweiten Schritt – Investitionen für Schulen, Straßen, Schleusen, Schienen, Bildung und Forschung. Das ist eine sehr kluge Sache, wenn die Basis ein ausgeglichener Haushalt ist und das gleichzeitig mit der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Trickserei flankiert wird. Das gibt ein Gesamtbild. Wir haben ein Programm für vier Jahre; das stimmt. Wir machen nicht alles hektisch im ersten Jahr, sondern wir gehen schrittweise vor. Das ist, glaube ich, ganz klug organisiert. (Beifall bei der SPD) Ein ausgeglichener Haushalt ist im Grunde nicht schon dann gegeben, wenn konjunkturell bedingt die Einnahmen die Ausgaben decken. Die Frage ist vielmehr: Wie bekommen wir strukturelle Zukunftsfähigkeit hin? Herr Schäuble hat einen wichtigen Aspekt genannt: nachhaltiger Haushalt nur bei solidem Wachstum, solides Wachstum nur bei nachhaltigem Haushalt. – Wir sagen: Das stimmt. Das setzt aber voraus – diese Voraussetzung wollen wir zusammen schaffen –, dass der Staat seine Steuergesetze effektiv durchsetzt. Das ist national noch nicht ganz gelungen – große Lücken; es ist international noch nicht ganz gelungen – sehr große Lücken. Erst dann, wenn diese Voraussetzung geschaffen ist, sind Investitionen im notwendigen Maß möglich – mit all den positiven Folgewirkungen, die Investitionen haben. Bei dem Vorhaben, das Problem der Steuerhinterziehung anzupacken, haben wir einen wichtigen Bündnispartner, nämlich die OECD. Die OECD hat entdeckt, dass es nicht reicht, bezogen auf ein einzelnes Land eine Steuer zu erheben, sondern dass es wichtig ist, international darauf zu achten, dass die Konzerne ihre Gewinne nicht dorthin verlagern, wo man keine Steuern zahlt – mit der Folge: Die privaten Konzerne, ganz wenige Aktionäre werden hyperreich, und alle Staaten werden nach und nach immer ärmer. Bei dem Ziel, dieses Strukturdefizit zu bekämpfen, unterstützt uns die OECD jetzt mit einem 15-Punkte-Aktionsplan; ich muss sagen: mit einem Plan mit 15 Überschriften und vielen Hundert Einzelmaßnahmen, die es abzuarbeiten gilt, um Steuergestaltung und -hinterziehung zu bekämpfen. Das hilft letztendlich natürlich auch, die Finanzverwaltung in Deutschland zu stärken. Noch eine Nebenbemerkung: Wir waren uns über die Jahre nicht immer einig mit der Union und mit der FDP – daran kann sich jeder noch erinnern –, dass die notwendige Voraussetzung für solche Konzepte die Durchbrechung des Bankgeheimnisses ist. Bisher war es so: Jemand hat Gewinne gemacht und sie weltweit verteilt – man könnte auch sagen: er hat die Gewinne der deutschen Steuerhoheit entzogen, wir sprechen dann von Entstrickung –; sie waren dann irgendwo, aber das deutsche Finanzamt hat davon nie mehr etwas erfahren. Jetzt ist die Idee, einen Austausch zu organisieren, sodass das deutsche Finanzamt, der deutsche Fiskus weiß, was woanders passiert. Das geht aber nicht, wenn die Bank unter Verweis auf Geheimhaltungsvorschriften sozusagen einen Schleier über die Gewinne legt. Wir wollen den Schleier wegziehen: Die Bank muss die Gewinne melden, die Gewinne werden nach Deutschland gemeldet, und dann können wir über ein faires Steuerregime reden. Das ist eigentlich der Kern der Überlegungen in dem schon erwähnten Aktionsplan. Er hat übrigens einen englischen Namen. „BEPS“ steht für: Base Erosion and Profit Shifting. Die Bemessungsgrundlage soll durch Verlagerung von Gewinnen nicht mehr verkleinert werden können. Von diesem Programm versprechen wir uns sehr viel. Es ist also schon etwas passiert. Wir haben nicht nur die Aufhebung des Bankgeheimnisses durchgesetzt, sondern wir haben auch – das ist die zweite Voraussetzung – die Telekommunikationsüberwachung bei Verdacht auf bandenmäßige Steuerhinterziehung eingeführt. Das muss man sich einmal überlegen: Wir haben erst vor wenigen Jahren dieses Instrument eingeführt; dabei gibt es dieses Vergehen schon sehr lange. Wir haben auch die Verjährungsfristen bei schwerer Steuerhinterziehung verlängert. Das alles sind Maßnahmen, die im Grunde den großen Aktionsplan BEPS für diese Legislaturperiode vorbereitet haben und die grenzüberschreitende Hinterziehung eindämmen sollen. Ich komme noch einmal auf den Punkt zurück: Bisher finden wir Gewinne in der ganzen Welt – das geht über stille Reserven und Lizenzen; wir wollen das transparent machen und die Gewinne der deutschen Besteuerung unterwerfen. Eine allerletzte Bemerkung. Es gibt Länder, die hätten sich inzwischen die Kavallerie gewünscht, nämlich die Länder, die sich auf FATCA einlassen mussten. FATCA ist das US-Instrument zur Erzwingung der Aufgabe des Bankgeheimnisses – auch in der Schweiz. Daran kann man ermessen, wie weit wir gekommen sind. Wir können den US-Amerikanern dankbar sein, dass sie dieses Gesetz verabschiedet haben und so letztlich auch die Schweizer motiviert haben, international fairer mit allen anderen umzugehen. Ich glaube, jetzt erkennt man, wieso dieser Haushalt ein gutes Zeichen für die Haushaltspolitik in den nächsten vier Jahren ist. Jeder kann sehen, dass die SPD in dieser Legislaturperiode ein guter Partner ist, wenn es um faire Besteuerung geht. Auf der Basis können wir weitermachen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Hans Michelbach das Wort. Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CSU vertritt in Bayern seit Jahren das erfolgreiche Konzept einer wachstumsfreundlichen Konsolidierungspolitik ohne Neuverschuldung. Ich freue mich, dass wir nun mit dem Bundeshaushalt diese wichtige Zielmarke erreichen. Unsere Koalition ist auf dem richtigen Kurs: ein Kurs der Verantwortung, der Konsolidierung und der aktiven Zukunftsgestaltung, ein Kurs zur Förderung von Wachstum und Investitionen, die wichtige Impulse für unser Land und unsere Menschen auslösen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist wirklich ein Grund zur Freude. Die Senkung der Neuverschuldung von 86 Milliarden Euro auf null ist ein großer Erfolg. Ich gratuliere dem Herrn Bundesfinanzminister dazu. (Beifall bei der CDU/CSU) Nach 46 Jahren ist dies in der Tat eine historische Leistung. Dieses Verdienst darf Ihnen, Herr Minister, niemand streitig machen. In diesem Haushaltsentwurf wird deutlich, dass die Große Koalition den Konsolidierungskurs mit Blick auf den hohen Beschäftigungsstand, die gute Lohnentwicklung und die wirtschaftliche Erholung aktiv fortsetzen will. Es ist ein Kurs für einen langfristigen Wachstumstrend. Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass dies nicht eine einmalige Situation bleibt. Dieser Kurs gibt uns in Deutschland Rückenwind und führt uns gut durch die Turbulenzen der Staatsschuldenkrise in Europa, ein Kurs, mit dem die Politik ihren Beitrag zur Sicherung vorhandener und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze leistet. In unserer Gesellschaft entsteht damit – das ist besonders wichtig – eine neue Vertrauensbasis; denn ohne Vertrauen gibt es kein wirtschaftliches Wachstum. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Damit halten wir unser zentrales Versprechen ein, eine wachstumsfreundliche Konsolidierungspolitik ohne Steuererhöhungen fortzusetzen. Ich will deutlich sagen: Wer Steuererhöhungen will, verlässt diesen Erfolgsweg. Es ist insbesondere ein Erfolgsweg für private Investitionen. Wenn wir keine Anreize für private Investitionen geben und kein Geld aus dem Ausland anlocken, werden wir diese Wachstumsentwicklung nicht erreichen. Deswegen ist es eine zentrale Frage, dass es keine Steuererhöhungen gibt und dass Steuererhöhungen nicht Grundlage unserer Politik werden. Lieber Lothar Binding, diese Einsicht muss nicht dem Koalitionsvertrag mit uns, sondern der ökonomischen Vernunft geschuldet sein; (Beifall bei der CDU/CSU – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist das Gleiche! – Heiterkeit des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) denn nur so können Wachstum und Beschäftigung entstehen. Wir sind natürlich bereit, Steuerdumping und die Verlagerung von Steuersubstrat insbesondere im Fall von großen internationalen Konzernen wie Amazon, Google usw. einzudämmen. Ich freue mich, dass wir eine gemeinsame Anhörung im Finanzausschuss haben werden. Wir nehmen die Frage von Steueroasen, Steuerdumping und Steuerverlagerung ernst, weil es nicht sein kann, dass diese internationalen Konzerne den Wettbewerb zulasten der mittelständischen Unternehmen verzerren. Deswegen werden wir mit Sicherheit an dieser Schraube gemeinsam drehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD]) Für die Zukunft bleibt wichtig, dass die Nettonullverschuldung die Grundlage für die weitere Finanzplanung bleibt. In der mittelfristigen Finanzplanung von 2015 bis 2018 muss diese Null stehen bleiben. Diese Taktik ist nicht nur beim Fußball wichtig. Ebenso wie der FC Bayern haben auch wir in der Haushalts- und Finanzpolitik eine gute Offensive. Wir begrenzen mit dieser Taktik auf der einen Seite Ausgabenwachstum, und wir steigern auf der anderen Seite die Investitionen für die Zukunft. Wir sparen nicht an Ausgaben für die Zukunft, sondern wir schaffen Planungssicherheit für die Wirtschaft. Damit sind wir Vorbild für ganz Europa. Das ist eine Politik der Verlässlichkeit, der Stabilität und der Nachhaltigkeit. Es ist die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass auch unsere Kommunen profitieren. Es profitiert die Wirtschaft, es profitieren die Menschen, die Arbeitnehmer, aber auch unsere Kommunen. Wir unterstützen die Kommunen bei der Grundsicherung im Alter, bei den Kindertagesstätten, bei den Eingliederungsleistungen usw. Unterstützung haben wir besonders mit einem Gesetz geleistet, das den Bundesanteil regelt. So konnten in den vergangenen Jahren bei den Kommunen Überschüsse erzielt werden, natürlich nicht überall. Dort, wo in den Kommunen gezielt gehandelt wird, wo die Strukturen angepasst werden, werden Überschüsse erzielt. Dort, wo man sich zurücklehnt und sagt: „Wir sind ein Jammertal und wollen ein Jammertal bleiben“, ist es nicht erfolgreich. Wir müssen auch bei den Kommunen Anreize schaffen, dass Leistung und Handeln belohnt werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Deswegen ist es richtig, dass das aus dem Bundeshaushalt gezielt unterstützt wird. Es ist gut für die Bürgerinnen und Bürger. Es ist auch gut für die mittelständische Wirtschaft vor Ort; denn kommunale Investitionen schlagen sich im Wesentlichen bei den Mittelstandsbetrieben nieder. Dieser Haushalt zeigt, dass wir unsere solide Finanz- und Wirtschaftspolitik – eben ohne Steuererhöhungen – erfolgreich gestalten. Dies ist die Grundlage für die Stärkung der privaten Investitionen. Wir im Mittelstand freuen uns, dass Ihnen, Herr Bundesminister, die Verbesserung des Wagniskapitals ein wichtiges Thema ist. Die Förderung von Mittelstandskrediten, die Unternehmensfinanzierung im Mittelstand ist eine der wichtigsten Herausforderungen für neue Investitionen und neue Arbeitsplätze. Auch für Sie bleibt das Thema „Abbau der kalten Progression“ auf der Agenda. Aber wir gestehen Ihnen zu, dass die Haushaltskonsolidierung absoluten Vorrang hat. Wenn es Spielräume gibt, dann kann man diese Agenda auch angehen. Das ist der richtige Weg, wie Sie ihn heute verkündet haben. Wir stehen dazu. Wer Steuererhöhungen, gerade beim Spitzensteuersatz, das Wort redet, muss wissen, dass es besonders im Mittelstand bei den Personengesellschaften letzten Endes eine Vernichtung von Zukunft, von Zukunftsgestaltung und von Eigenkapital geben wird. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt die Thesaurierung!) Eigenkapital kann der Unternehmer immer nur einmal ausgeben. Deswegen ist es ganz wichtig, dass er es für Investitionen und für neue Arbeitsplätze ausgeben kann. Deswegen ist es wichtig, dass dies nicht nur in den großen Topf des Steuerstaates kommt, sondern dass wir gerade den mittelständischen Personengesellschaften die Chance für Wettbewerb, für neue Arbeitsplätze und neue Investitionen eröffnen. Das ist die wichtigste Aufgabe. (Beifall bei der CDU/CSU) Dass die Menschen das auch so sehen, merken wir daran, dass wir mit unserer Finanzpolitik, mit der Haushaltspolitik in dieser Koalition weiterhin die große Zustimmung der Menschen in Deutschland erhalten. Vielleicht gibt es auch den Neid des einen oder anderen europäischen Nachbarn. Aber wir wollen, dass der Stabilitätspakt eingehalten wird, dass die Staatsschuldenkrise bekämpft wird, dass die Regulierung der Banken weiter vorankommt. Das alles müssen wir auf den Weg bringen. Unsere Politik schafft neues Vertrauen, schafft neues Wachstum, schafft neue Arbeitsplätze. Deswegen ist heute ein Tag der Freude. Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Helau!) Vizepräsidentin Petra Pau: Zum Tagesordnungspunkt 2 wird interfraktionell die Überweisung des Haushaltsbegleitgesetzes 2014 auf Drucksache 18/1050 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, Einzelplan 06. Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung legt in diesem Jahr einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vor. Damit ist uns etwas Großes gelungen; der Bundesfinanzminister hat das soeben erörtert. Für alle Ressorts heißt das: strenge Ausgabendisziplin. Wir haben uns auf wichtige Bereiche zu beschränken. Das gilt auch für den Geschäftsbereich des Bundesinnenministers. Das schränkt die Spielräume ein, aber wir bleiben handlungsfähig. Lassen Sie mich einige Punkte aus meinem breiten Zuständigkeitsbereich herausgreifen: Zunächst zur öffentlichen Sicherheit. Der internationale Terrorismus bedroht unsere Sicherheit nach wie vor. Die organisierte Kriminalität im weiteren Sinne kommt als zusätzlicher Schwerpunkt hinzu. Wir müssen uns in ganz anderer Weise, umfassender, darum kümmern. Wir müssen den Gefahren entschlossen entgegentreten – in dem Wissen, dass es einen perfekten, einen absoluten Schutz natürlich nicht gibt. Was wir brauchen, sind präzise wirkende Analysein-strumente zur Vorbeugung und Aufklärung schwerer und schwerster Straftaten. Dazu gehören auch maßvoll geführte Dateien über Gefährder. Wir haben heute im Kabinett den Gesetzentwurf zur Änderung des Antiterrordateigesetzes beschlossen. Damit werden wir die vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Vorschriften rechtzeitig korrigieren können. Heute hat der EuGH über die Vorratsdatenspeicherung geurteilt. Dieses Urteil bestätigt im Ergebnis, dass – ich zitiere – „die Vorratsdatenspeicherung ein geeignetes und ein nützliches Mittel zur Verhütung und Verfolgung schwerer Straftaten darstellt und damit in ihrer Zielsetzung dem Gemeinwohl dient“. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Gleichwohl hat der EuGH gesagt, dass die konkrete Ausgestaltung dieser Richtlinie unverhältnismäßig ist. Er hat es deshalb für richtig gehalten, sie für ungültig zu erklären und aufzuheben. (Beifall der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE]) Man hätte es auch anders machen können. Man hätte auch sagen können: Wir beanstanden die Regelung und geben den europäischen Gremien Zeit, sie innerhalb von zwei Jahren zu korrigieren. – Das hätte ich natürlich besser gefunden. Er hat es aber nicht getan; das nehmen wir zur Kenntnis. Insoweit haben wir rechtlich und politisch gesehen eine veränderte Lage. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine grundrechtefreundliche Entscheidung! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine schwierige Situation für Sie!) Da muss man gar nicht drum herumreden. Interessant ist, dass die Maßstäbe des EuGH auf den ersten Blick ziemlich nah an dem liegen, was das Bundesverfassungsgericht uns aufgegeben hat und was wir selbst in unserer Koalitionsvereinbarung – ich sage es mal untechnisch – angedacht haben. Von daher kann man der Sache gelassen entgegensehen. Andererseits brauchen wir – das sagen alle Fachleute, das sagen alle meine Kollegen Innenminister, das sagt der Richterbund; alle Praktiker sagen das – eine Regelung über die Mindestspeicherfrist, um schwere Straftaten aufklären zu können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir werden innerhalb der Bundesregierung das Urteil sorgfältig auswerten und prüfen. Ich werde darauf drängen, dass wir insgesamt in einer noch zu besprechenden Weise auf eine rasche, kluge, verfassungsgemäße und mehrheitsfähige Neuregelung zugehen. Was das im Einzelnen bedeutet, wird in der Bundesregierung zu besprechen sein. Ein weiterer Schwerpunkt im Bereich der öffentlichen Sicherheit ist die Reform des Verfassungsschutzes. Wir haben darüber auch im Zusammenhang mit der NSU-Affäre gesprochen. Wir werden die begonnene Reform weiterführen. Das Bundesamt wird als Zentralstelle gestärkt. Das aber wollen wir gemeinsam mit den Ländern erreichen. Die ersten Gespräche dazu stimmen mich zuversichtlich, dass wir das ohne großen Konflikt hinbekommen. Die Zusammenarbeit mit den Verfassungsschutzbehörden wird besser koordiniert. Informationsvernetzung und Analysefähigkeit werden verbessert. Wir bleiben den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses in vollem Umfang verpflichtet, auch bei der Reform des Verfassungsschutzes. Wenn wir über den Schutz unserer Verfassung sprechen, sollten wir gleichzeitig aber auch früher ansetzen und über Präventionsprojekte für demokratische Teilhabe und gegen Extremismus sprechen. Das BMI fördert über das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ seit 2010 Projekte. Wir setzen dieses Programm fort und stellen dafür 6 Millionen Euro bereit. Meine Damen und Herren, der größte Teil meines Etats steht für die Arbeit der Bundespolizei zur Verfügung. Darüber wird nicht oft diskutiert, weil wir da weniger über Gesetzgebung reden; aber natürlich geht es hier um handfeste Arbeit. Die Bundespolizisten sind jedes Wochenende zu Tausenden im Einsatz, um Gewalt rund um Fußballspiele zu verhindern. Die Bundespolizisten stehen zwischen gewalttätigen Demonstranten von rechts und links, halten ihren Kopf hin für das Recht, friedlich zu demonstrieren. Die Bundespolizisten sichern den internationalen Flugverkehr gegen Anschläge. Sie bekämpfen illegale Migration an den Grenzen, auf den Flughäfen, in den Zügen und auf den Straßen. Sie schützen gefährdete Personen, auch im Ausland. Viele Bundespolizisten sind als Verbindungsbeamte im Ausland. Die Bundespolizei, meine Damen und Herren, ist inzwischen das Rückgrat für die öffentliche Sicherheit in Deutschland geworden, jeden Tag, 365 Tage im Jahr. Ihre Arbeit verdient Dank und Anerkennung. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Umso wichtiger ist es mir, dass wir uns darum kümmern, dass die Polizistinnen und Polizisten gute Arbeitsbedingungen und Aufstiegschancen haben. Ich bin froh, dass wir mit diesem Haushalt dazu einen Beitrag leisten. Nun zu einem anderen Thema. Wir haben in den letzten Tagen gehört, dass erneut die Internetzugänge und Passwörter von Millionen von Deutschen geknackt worden sind. Das, was wir dort erlebt haben, ist der bisher größte bekannte Datendiebstahl mit kriminellem Hintergrund. Das BSI tut alles, um die Millionen Betroffenen zu informieren. Meine dringende Bitte an alle Bürgerinnen und Bürger ist: Machen Sie die Sicherheit im Netz auch zu Ihrer eigenen Sache. – Der Staat muss das Seine tun, aber ohne Umsicht der Bürger bleiben unsere Maßnahmen nur begrenzt wirksam. Die aktuelle Situation zeigt: Wir müssen uns in Deutschland weit mehr als bisher um Daten- und Informationssicherheit kümmern. Die Zahl der Angriffe auf das Netz steigt drastisch an. Es geht auch um Spionage gegenüber Staat und Wirtschaft und um die Bedrohung kritischer Infrastrukturen aus dem Cyberraum. In Anbetracht dieser Lage ist insbesondere der Schutz kritischer Infrastrukturen besonders wichtig. Was ist das eigentlich? Ich definiere es immer so: Eine kritische In-frastruktur liegt dann vor, wenn es kritisch wird, wenn diese Infrastruktur ausfällt. Strom-, Wasser- und Energieversorgung, Netzknoten, Backoffices von Banken, die für Überweisungen zuständig sind, Versicherungszentralen – all das sind kritische Infrastrukturen. Ich werde bald einen neuen Entwurf eines IT-Sicherheitsgesetzes vorlegen. Wir wollen klare Verantwortungszuweisungen an die Betreiber kritischer Infrastrukturen und an Telekommunikations- und Telemedienanbieter hinsichtlich des sicheren Betriebs ihrer Netze. Wir brauchen Vorgaben zu gegebenenfalls anonymen oder offenen Meldepflichten bei schweren Sicherheitsvorfällen. (Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Ich möchte mit allem Ernst etwas hinzufügen; ich möchte das jetzt nicht genauer erläutern. Nicht zuletzt die NSA-Debatte, vor allem aber auch das Verhalten anderer Staaten und mancher Unternehmen, die nicht von Deutschland aus gesteuert werden, uns gegenüber zeigen uns: Es gibt Bereiche, liebe Kolleginnen und Kollegen, in denen wir unsere nationalen Interessen besser schützen und wahrnehmen müssen als bisher. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Sehr wahr!) Das ist für mich, ehrlich gesagt, auch eine Form von aufgeklärtem Patriotismus. Das werden wir mehr als bisher tun müssen, soweit es rechtlich, technisch und ökonomisch sinnvoll möglich ist. Das geht weit über den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern hinaus. – Mehr möchte ich dazu heute nicht sagen. Zu einem dritten Thema. Das Thema „Migration und Integration“ ist für die Menschen in unserem Land ein großes Thema. Deutschland ist für Menschen aus Europa und der ganzen Welt attraktiv. Das ist zunächst eine gute Nachricht, und das ist auch gut so. Wir alle wissen, dass wir dringend auf ausländische Fachkräfte angewiesen sind. Die Migranten, soweit sie sich hier legal aufhalten, sollen sich integrieren, arbeiten, Steuern und Beiträge zahlen – wie alle –, und sie sollen sicher bei uns leben können und keinen Vorurteilen begegnen. Wir, die aufnehmende Gesellschaft, sollen den Zuwanderern die Hand ausstrecken, ihnen helfen, sie willkommen heißen. Damit sie sich als Bürger in Deutschland heimisch fühlen, integriert werden, braucht es das Engagement beider Seiten. Das Engagement des Bundes heißt unter anderem: Integrationskurse. Seit ihrer Einführung haben weit über 1 Million Menschen diese Kurse besucht, und die Nachfrage steigt. Das geht nicht ohne finanzielle Anstrengungen. Aber es bleibt unser Ziel, auch zukünftig allen Interessenten die Teilnahme zu ermöglichen. Das friedliche und achtungsvolle Zusammenleben aller ist auch eine Frage des interreligiösen Dialogs. Ich freue mich daher, dass wir vor zwei Wochen die gute Tradition der Deutschen Islam Konferenz fortgeführt und neu ausgerichtet haben. Ich freue mich über die Zustimmung aller Beteiligten. Ein zentraler Punkt für eine gelingende Integration ist Akzeptanz. Damit meine ich vor allem die Akzeptanz der aufnehmenden Bevölkerung. Diese Akzeptanz, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen wir aufs Spiel, wenn wir zulassen, dass zu viele Menschen als Asylbewerber zu uns kommen, die selbst wissen, dass sie nicht politisch verfolgt oder echte Flüchtlinge sind, oder die das hohe Gut der Freizügigkeit in Europa missbrauchen. Wir wissen, dass eine Reihe von Kommunen und auch die Bürger vor Ort durch die Folgen selbst von innereuro-päischer Migration extrem belastet werden, und zwar in einer Form, die nicht mehr den Grundsätzen der EU-Freizügigkeit entspricht. Der dazu eingerichtete Staatssekretärsausschuss hat, wie Sie wissen, bereits erste Maßnahmen vorgeschlagen. Frau Nahles und ich haben diese der Presse vorgestellt. In Umsetzung dieser Beschlüsse wird mein Haus demnächst einen Gesetzentwurf zur Änderung des Freizügigkeitsrechtes der EU vorlegen. Dieser Entwurf zielt auf eine angemessene Begrenzung des Aufenthaltsrechts zur Arbeitssuche ab (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sollen die Leute immer wieder ausreisen, um einzureisen?) und sieht, daran anknüpfend, wie im Staatssekretärsausschuss beschlossen, befristete Wiedereinreisesperren vor. Ende Juni wird der Staatssekretärsausschuss seinen Abschlussbericht vorlegen. Wir brauchen praktikable Lösungen. Dazu brauchen wir eine sachliche Debatte: Panikmache hilft ebenso wenig wie Unterdramatisierung oder Verharmlosung. Liebe Kollegen, ich mache mir große Sorgen wegen des erheblichen Anstiegs der Zahl der Asylbewerber, insbesondere weil darunter viele sind, die aus Staaten kommen, die sicher sind. Es ist ein Unterschied, ob man aus Syrien oder aus Serbien zu uns kommt. Wir sollten klar unterscheiden zwischen denjenigen, die unsere liberalen Regelungen missbrauchen, und denjenigen, die vor Krieg, Verfolgung oder Folter nach Deutschland flüchten. Wenn wir diesen Menschen schnell und effizient helfen wollen, dann brauchen wir auch ein schnelles und effizientes Bearbeitungsverfahren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe mich daher mit Nachdruck für Maßnahmen eingesetzt, die das Asylverfahren beschleunigen. Wir haben beschlossen, dass im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im laufenden Jahr zusätzlich 300 Beschäftigte eingestellt werden. Wir haben eine humanitäre Verantwortung, und wir nehmen unsere humanitäre Verantwortung ernst. Deutschland leistet einen großen Beitrag bei der Aufnahme von Flüchtlingen, den größten in Europa. Das ist vorbildlich. Aber die Zustimmung dafür werden wir nur erhalten können, wenn wir beides tun: einerseits das Bleiberecht für diejenigen verbessern, die hier lange straffrei leben, und andererseits für die Ausreise derjenigen sorgen, die nach unseren Gesetzen nicht hierhergehören. Ich glaube, beides gehört zusammen. Und noch einmal: Ich mache mir die allergrößten Sorgen um die Akzeptanz für unser humanitäres Engagement für Flüchtlinge, wenn es nicht gelingt, die Zahl der Asylbewerber aus den Staaten, die sicher sind, zu reduzieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben heute im Kabinett den Gesetzentwurf zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechtes beschlossen; darüber wird noch ausführlich zu reden sein. Das Gesetzgebungsverfahren beginnt jetzt. Ich glaube, dass wir mit dem Kompromiss für diejenigen Kinder, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, einen praktika-blen, vernünftigen und bürokratiearmen Weg gefunden haben, der eine jahrzehntelang andauernde tiefe Auseinandersetzung in unserem Land befriedet. Ich hoffe, dass das am Ende der Beratungen so gelingen wird. Ein kurzes Wort zum Sport. Wir werden zusätzliche Mittel in die Sportförderung geben. Wir wollen die NADA strukturell dauerhaft finanzieren. Ich hoffe weiterhin, dass es gelingt, die Länder davon zu überzeugen, dass sie zu ihrem Wort stehen, das sie bei der Gründung der NADA gegeben haben. Wir sind dazu im Gespräch. Auch die Spitzensportförderung wollen wir mit zusätzlichen Mitteln fördern; aber wir müssen alle Möglichkeiten nutzen, um die zur Verfügung stehenden Mittel effektiver einzusetzen. Das wird nicht gehen ohne Straffung und Fokussierung auf Erfolgspotenziale. Wir sind dazu mit dem DOSB im Gespräch. Der DOSB wird dazu die entsprechenden Vorschläge machen. Ich komme zum Schluss. Wir sind alle auf Menschen angewiesen, die, ohne Gegenleistung zu erwarten, für andere Verantwortung übernehmen, die einen Beitrag für unsere Gemeinschaft leisten: im THW, bei der Feuerwehr, im Sport, im sozialen Bereich. Im Ehrenamt werden Tag für Tag gesellschaftliche Integration, gesellschaftlicher Zusammenhalt, gesellschaftliche Werte gelebt. Wir wollen und müssen dieses Engagement noch attraktiver machen. Der Staat stößt an die Grenzen seiner Möglichkeiten, wenn es um Zuwendungen geht, und das ist, ehrlich gesagt, auch gut so. Nichts bringt den gesellschaftlichen Zusammenhalt treffender auf den Punkt als die Feststellung: Wir sind ein Volk. 2014 und 2015 feiern wir 25 Jahre deutsche Einheit. Das mutige und entschlossene Eintreten der Bürgerinnen und Bürger für die Freiheit in einem Deutschland bleibt uns Vorbild. Die letzten Wochen führten uns vor Augen, dass die Einheit Deutschlands innen- und außenpolitisch alles andere als selbstverständlich war. Heute sind wir dankbar, dass wir ein Volk sind. Heute sollten wir uns fragen: Was für ein Volk sind wir, was für ein Volk wollen wir sein, und wie halten wir als Volk zusammen? Meine Damen und Herren, ich bringe hiermit den Einzelplan des Innenministers ein. Ich bitte um kon-struktive Beratung und im Ergebnis um Zustimmung zu diesem Etat. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Ulla Jelpke für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, Ihre Rede hat mir gezeigt: Auf die wesentlichen Herausforderungen der Innenpolitik haben Sie keine Antworten gefunden. Es soll im Wesentlichen so weitergehen wie bisher. Doch so darf es nicht weitergehen. Das hat auch das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung gezeigt. Dieses Urteil ist eine kräftige Klatsche für die Überwachungspläne der Großen Koalition. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marian Wendt [CDU/CSU]: Quatsch!) Die verdachtslose Speicherung von Telefon- und EMail-Daten beinhaltet – ich zitiere das Gericht – einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt. Herr Innenminister und meine Damen und Herren von der Koalition, ich warne Sie: Missbrauchen Sie dieses Urteil jetzt nicht, um damit Vorratsdatenspeicherung auf Sparflamme zu rechtfertigen! (Beifall bei der LINKEN) Jede verdachtsunabhängige Speicherung von Verbindungsdaten ist eine Gefahr für die Bürgerrechte, (Helmut Brandt [CDU/CSU]: Unsinn!) für den journalistischen Quellenschutz und damit für die Pressefreiheit. Wissenschaftliche Untersuchungen haben längst gezeigt, dass die Vorratsdatenspeicherung die Aufklärungsquote von Verbrechen um gerade einmal 0,006 Prozentpunkte verbessert hat. Es ist unverantwortlich, dafür schwere Eingriffe in die Bürgerrechte in Kauf zu nehmen. (Beifall bei der LINKEN) Akzeptieren Sie endlich, dass die grundrechtswidrige Vorratsdatenspeicherung ein für alle Mal vergessen werden muss, dass sie nicht mehr zur Debatte steht. Begraben Sie in diesem Zusammenhang auch gleich EU-Vorhaben wie die Speicherung von Fluggastdaten, von Ein- und Ausreisedaten, die aus aller Welt zusammen-gefasst werden. Stoppen Sie endlich diesen Überwachungswahnsinn! (Beifall bei der LINKEN) Herr Minister, wenn ich Sie so höre, frage ich mich: Ist Ihnen eigentlich nicht bewusst, mit was für einer Vertrauenskrise in den Rechtsstaat und die Demokratie Sie es gerade zu tun haben, einer Vertrauenskrise, die durch Kürzel wie NSA und NSU gekennzeichnet ist? Schließlich haben es Polizeibehörden und Geheimdienste nicht vermocht, die Bürgerinnen und Bürger vor dem bislang größten bekannt gewordenen Angriff auf ihre Rechte zu schützen, vor der millionenfachen Spionage des US--Geheimdienstes NSA. Heribert Prantl warnte in der -Süddeutschen Zeitung vor einer Aushöhlung des Grundgesetzes durch die NSA. Er forderte Mut von der Politik – Zitat –: Wenn Grundrechte sich in einem prekären Zustand befinden, dann ist nicht Zeit für weihräuchernde Worte, sondern für schützende Taten. Diese vermisse ich hier heute, Herr Minister. (Beifall bei der LINKEN) Auch die Bundesregierung rührt hier keinen Finger zum Schutz der Bürgerrechte. Sie bemüht lieber die deutsch-amerikanische Freundschaft. Doch was ist das für eine Freundschaft, bei der selbst das Handy der Bundeskanzlerin abgehört wird? Warum sträubt sich die Bundesregierung so energisch, Edward Snowden sicheres Geleit für eine Aussage vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss in Deutschland zu garantieren? Ich sage Ihnen: Diese Regierung will gar keine Aufklärung. Sie will lieber, dass der BND weiterhin als Juniorpartner der NSA vom Datenraub profitiert. Was Sie Freundschaft nennen, Herr Minister, bezeichnen wir als kriminelle Komplizenschaft. Das muss endlich ein Ende haben. (Beifall bei der LINKEN) Versagt haben die Sicherheitsbehörden auch, als es darum ging, der Nazimörderbande NSU auf die Spur zu kommen – wenn es denn nur ein Versagen war. Wir haben schließlich etliche Hinweise, dass insbesondere der Verfassungsschutz ganz bewusst mit den Nazis paktiert hat. Die von dieser Bundesregierung gezogenen Schlussfolgerungen aus dem NSU-Skandal greifen viel zu kurz. Das BKA lässt zwar eine Reihe von ungelösten Todesfällen aus der Vergangenheit erneut untersuchen und auf rechtsextremistische Motive hin überprüfen. Doch wieso werden nicht auch Verbrechen neu überprüft, bei denen die Täter bekannt sind? Ich meine Dutzende Fälle, bei denen polizeibekannte Neonazis Migranten, Obdachlose oder Linke umgebracht haben und die bis heute nicht als politische Taten gewertet werden. Auch diese Tötungsdelikte müssen erneut untersucht werden. Nazimorde dürfen nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden. Das sind wir auch den Angehörigen der Opfer schuldig. (Beifall bei der LINKEN) Bei so viel Schönrederei und -rechnerei des braunen Terrors erstaunt es wirklich nicht, dass die Regierung beim Kampf gegen Rechtsextremismus weiterhin auf Flickschusterei setzt. In den Koalitionsverhandlungen war noch von einer großzügigen Aufstockung der Gelder für die Bundesprogramme gegen rechts die Rede; doch dabei herausgekommen ist eine eher lächerliche Mittelerhöhung. Notwendig wäre mindestens doppelt so viel. Erst dann ließen sich das Bestehen und vor allen Dingen die Kontinuität der bürgerschaftlichen Projekte, die gegen Rechtsextremismus kämpfen, sichern und könnten sie flächendeckend in der Republik aufgebaut werden; denn im Westen gibt es solche Projekte so gut wie gar nicht. So zeigt diese Regierung, wie wenig sie zur Bekämpfung des Rechtsextremismus tatsächlich tut. Im Vergleich zu NSA und NSU wirkt die Edathy--Affäre, die inzwischen in Wirklichkeit eine BKA-Affäre ist, fast schon harmlos. Dennoch hat diese Affäre beinahe eine Staatskrise ausgelöst, und einen Minister hat es das Amt gekostet. Wir haben es hier nicht mit irgendeiner Behörde zu tun. Gerade das Bundeskriminalamt hat in den vergangenen Jahren immer mehr Befugnisse zur Überwachung, zur Bespitzelung der Bürgerinnen und Bürger erhalten. Es kooperiert über verschiedene Abwehrzentren und viele gemeinsame Dateien mit den Geheimdiensten und durchlöchert so immer mehr die vom Grundgesetz gebotene Trennlinie zwischen Polizei und Geheimdiensten. Auch in den anderen zentralen gesellschaftlichen Bereichen hat die Bundesregierung keine zeitgemäßen Antworten. Bei der doppelten Staatsangehörigkeit zum Beispiel hat es zwar eine Verständigung gegeben, aber keine Lösung. Nur wer hier geboren und aufgewachsen ist, soll nun die deutsche Staatsangehörigkeit neben einer anderen erhalten dürfen. Um das zu überprüfen, werden die Behörden mit unglaublichem bürokratischem Aufwand belastet. Das ist einfach nicht hinzunehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, vor der Wahl haben Sie versprochen: keine Koalition ohne doppelte Staatsbürgerschaft. Dieses Wahlversprechen haben Sie schlicht und einfach gebrochen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle auch die europäische Innenpolitik ansprechen. Auch sie steht vor großen Herausforderungen. Die Toten vor den Grenzen Europas und die Flüchtlingskatastrophen sind kaum noch mit anzusehen. Etwa 3,5 Millionen Syrer sind derzeit außerhalb ihres Landes auf der Flucht. Doch was ist die Antwort der Europäischen Union? Noch mehr Abschottung! Ich sage hier ganz klar: Es darf nicht sein, dass Flüchtlinge, die hierherkommen, kriminalisiert werden, weil sie illegal eingereist sind. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Jelpke, ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie auf Kosten der Redezeit des Kollegen Hahn sprechen. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Ich komme gleich zum Schluss. – Die Bundesregierung muss und kann hier mehr Druck machen. Mit dieser tödlichen Abschottungspolitik muss endlich Schluss gemacht werden. Sie können sich vorstellen, dass wir einem solchen Haushalt mit Sicherheit nicht zustimmen werden. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Michael Hartmann das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich wird es niemanden verwundern, dass die Linke jetzt schon ankündigt, den Haushalt abzulehnen; das ist ja geradezu die Pflicht einer Oppositionsfraktion. Aber, liebe Ulla Jelpke: Trotz allem, was man kritisch oder ablehnend sagen kann, möchte ich gerne die kollegiale Bitte äußern, nicht damit zu beginnen, unseren Sicherheitsbehörden oder anderen vorzuwerfen, sie befänden sich in einer Art Kumpanei mit anderen, die unseren Staat ausspähen oder belasten. Diesen Konsens der Demokraten muss es doch geben. Unsere Sicherheitsbehörden tun ihre Pflicht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Herr Minister, wir reden heute keineswegs über den größten Einzelhaushalt, den die Bundesregierung im Portfolio hat. Es geht um bescheidene 6 Milliarden Euro, und das bei insgesamt rund 300 Milliarden Euro. Dennoch hat Ihr Ressort, hat der Innenminister einen riesigen Geschäftsbereich zu verwalten, in dem es oftmals um zentrale und fast immer um heikle Fragestellungen geht. Man denke nur an die innere Sicherheit, den Katastrophenschutz, die Integration, den Datenschutz und – auch nicht immer ganz einfach – das Dienstrecht, das zu verwalten und zu pflegen ist; die Tarifverhandlungen sind ja gerade glücklicherweise schiedlich-friedlich beendet worden. Das sind nicht die populärsten, aber oftmals die wichtigsten Themen. Jeder erwartet, dass vieles im Stillen funktioniert, keineswegs lautstark und keineswegs mit vielen Ankündigungen und lautem Blasen in die Trompete. Das bedeutet aber, dass die vielen, vielen Mitarbeiter, die insbesondere im nachgeordneten Bereich tätig sind – Sie haben das völlig zu Recht mit Blick auf die Bundespolizei erwähnt –, jeden Tag, sieben Tage die Woche, an 365 Tagen im Jahr ihre Pflicht tun. Deshalb möchte ich ganz ausdrücklich und besonders in Richtung der im Moment etwas arg gebeutelten Sicherheitsbehörden sagen: Herzlichen Dank für Ihre Arbeit und Ihre Pflichterfüllung bei Tag und bei Nacht! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Der Europäische Gerichtshof hat die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt. Die Vorgaben, die von dort gemacht werden, sind klar. Deshalb ist auch für uns ganz klar: Es kann nicht so weitergehen, als sei nichts geschehen. Wir müssen uns gemeinsam genau ansehen, was Luxemburg entschieden hat und wie es begründet wurde. Die Kritiker freuen sich heute; die Befürworter sind etwas leise geworden. Das ist in einem Glaubenskrieg – so wurde diese Auseinandersetzung in den letzten Monaten und Jahren ja oftmals geführt – nun einmal so. Entscheidend ist aber, dass jetzt rational abgewogen wird. Europa und das Bundesverfassungsgericht haben klare Vorgaben gemacht. Diese Vorgaben besagen an keiner Stelle, dass es grundsätzlich nicht möglich oder notwendig sei, solche Regelungen einzuführen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie müssen nur richtig gemacht werden. Darüber werden wir jetzt in den nächsten Monaten gemeinsam nachdenken, Herr Minister. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Allerdings sage ich auch: Europa hat die Richtlinie zu definieren. In Zeiten der NSA, wo wir gar nicht so sicher sind, was mit den bei uns erfassten Daten geschieht, ist es vielleicht auch einmal klug, etwas Ruhe hineinzubringen und auch genau zu schauen, wie die Daten, die wir erheben – auch im Bereich der Sicherheitsbehörden –, hier geschützt werden können. Das ist, glaube ich, die Maßgabe, nach der wir jetzt weiter diskutieren und reden werden. Wir haben im Innenbereich auch ansonsten viel Arbeit vor uns. Der NSU wurde von Ulla Jelpke und Ihnen, Herr Minister, bereits erwähnt. Für uns sollte sehr klar sein: Wir machen weiter bei dem, was an Aufarbeitung geschehen ist. Das gilt aber nicht nur für den Bund, sondern mindestens im gleichen Maße auch für die Sicherheitsbehörden der Länder. Es geht dabei nicht nur um den Verfassungsschutz. Auch die Justiz hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, als diese Mörderbande durch Deutschland zog. Deshalb gilt es, weiterzumachen, alles umzusetzen, was der Untersuchungsausschuss in einer großen Geste gemeinsam beschlossen hat, es Punkt für Punkt abzuarbeiten. Das sieht unser Koalitionsvertrag vor, und davon werden wir – seien Sie dessen versichert, meine Damen und Herren – keinen Millimeter abweichen. Bei der anstehenden Diskussion über das Bundesverfassungsschutzgesetz muss es, wie gemeinsam mit den Ländern vereinbart, darum gehen, die Zentralstellenfunktion zu stärken. Das soll nicht die Konsequenz haben, dass die Landesämter, die Landesbehörden ihrer Kompetenzen beraubt werden. Aber vorhandene Daten, vorhandenes Wissen muss endlich zusammengeführt werden, sodass wechselseitiges Nichtwissen es nicht mehr möglich machen kann, dass noch einmal Ähnliches geschieht. Wir müssen Daten austauschen, die Behörden müssen sich in die Augen schauen, und auch die V-Leute müssen viel zentraler geführt werden als bisher. Die NSA ist das nächste große Stichwort. Wir werden bei der Spionageabwehr viel Kraft und Anstrengung aufwenden müssen, um klarzumachen, dass niemand ohne Weiteres Daten aus Deutschland abziehen kann, ganz egal aus welcher Himmelsrichtung der Angriff auf unsere Daten erfolgt. Es ist wurscht, ob die Lauscher im Osten oder im Westen sitzen: Es geht nicht an – da sind wir in der Tat in einer patriotischen Pflicht –, dass deutsche Staatsbürger beliebig ausgespäht werden, dass Daten von Unternehmen geraubt werden oder dass wichtige Regierungsmitglieder belauscht werden, als wären wir eine Art Feindstaat, als wären wir Nordkorea. Wir werden deutsche Daten besser schützen. Wir werden deshalb auch unsere Spionageabwehr mit mehr Geld ausstatten. Wir werden, Herr Minister, mit dem nötigen Selbstbewusstsein mit unseren Partnern in den USA zu reden haben. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das machen Sie doch andauernd!) Ich bemerke dabei eines: Wenn man unseren US-amerikanischen Freunden in Anerkennung der für uns weiterhin zentralen Sicherheitspartnerschaft zugleich sagt, dass es unsere patriotische Pflicht ist, uns genauso zu schützen, wie sie sich schützen, dann kann man da ein gewisses Nachdenken auslösen. Im Übrigen gilt: Die USA und wir haben gemeinsame Werte zu verteidigen; wir haben die Freiheit zu verteidigen. Diese Freiheit darf nicht durch Maßnahmen der Nachrichtendienste mit Füßen getreten werden. Deshalb muss Schluss sein mit dieser Ausspähpraxis der NSA, und unsere Fragen müssen beantwortet werden, Herr Minister. (Beifall bei der SPD) Ich bin sehr froh, Herr de Maizière, dass die Bekämpfung der organisierten Kriminalität bei Ihnen ein stärkeres Gewicht bekommt. Die SPD arbeitet da gerne Hand in Hand mit Ihnen; denn für das Rechtsempfinden der Bürgerinnen und Bürger ist es oftmals fatal, zu sehen, wie Banden Tageswohnungseinbrüche einfach so durchziehen können, wie Rocker das Sicherheitsgefühl negativ beeinflussen oder wie mit Geldwäsche, Steuerhinterziehung und sogenannter Weiße-Kragen-Kriminalität die einen etwas tun und die anderen schon wegen eines kleinen Delikts verhaftet und verurteilt werden. Wir müssen eine gemeinsame Aktion starten, die unsere Sicherheitsbehörden mit dem Zoll und anderen zusammenführt, damit die Mafia und andere Banden in Deutschland nicht fröhliche Urständ feiern und dieses Land als Rückzugsraum ansehen können. Ganz klar ist: null Toleranz für organisierte Kriminalität in Deutschland, auch wenn das den Finanzminister vielleicht noch ein paar Euro kosten wird. Die Bundespolizei darf kein Verschiebebahnhof werden, auch keiner für die Länder, die selbst Polizei abbauen. Insofern müssen wir auch bei dieser Frage gemeinsam im Gespräch bleiben. Jene Beamtinnen und Beamten – oftmals im mittleren Dienst –, die an den Wochenenden gegen ein paar Randalierer, die den schönen Sport Fußball kaputtmachen wollen, agieren müssen, die Castortransporte überwachen oder die am 1. Mai wieder in Berlin und im Hamburger Schanzenviertel aktiv sein müssen, versehen ihren Dienst selbstverständlich und ohne zu klagen. Aber auch für sie ist ein Ende der Fahnenstange der Belastung erreicht. Deshalb gilt: Wir müssen die Arbeit der Bundespolizei auch durch Stellenhebungen anerkennen und dafür sorgen, dass beispielsweise in den großen Ballungsräumen die Lebensbedingungen für die Angehörigen der Bundespolizei in Zukunft noch finanzierbar bleiben. Wenn wir hier gemeinsam vorangehen können, Herr Minister, dann reicht Ihnen die SPD dazu gerne die Hand. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]) All das wird nur gelingen, wenn wir genügend qualifiziertes Personal im Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern haben. Das wird nicht einfacher, weil wir angesichts des demografischen Wandels mit den Gehaltsstrukturen der gewerblichen Wirtschaft zu konkurrieren haben. Hier verlangt es Kreativität und gute Ideen vielleicht auch außerhalb der üblichen Besoldungsstrukturen. Auch dieser Frage sollten wir uns intensiver widmen, und wir sollten eine Antwort darauf finden. Das kann und wird gelingen. Lieber Stephan Mayer, sehr geehrter Herr Minister, im Bereich der Innenpolitik haben wir ganz gut angefangen. Das Vertrauen war nicht von Anfang an so, wie wir es uns wechselseitig gewünscht haben; aber es wächst Schritt für Schritt. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Hartmann! Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Ich bin mir in einem sicher: Im Unterschied zur letzten Koalition wird in dieser wieder Innenpolitik gemacht werden, an den Bürgerrechten orientiert und klar in der Sache. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Volker Beck das Wort. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Hartmann, Sie haben gerade gesagt: „an den Bürgerrechten orientiert“. Ihre Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube angesichts der Agenturmeldungen, wie die Koalition das Urteil des Europäischen Gerichtshofs verdaut. Für uns ist ganz klar: Heute ist ein Feiertag für die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger in Europa. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ist EU-rechtswidrig und nichtig, und das ist auch gut so. Heute ist kein „Feiertag für das organisierte Verbrechen“, wie Marco Wanderwitz twitterte. Ich finde, das zeugt davon, dass einige bei Ihnen ein gestörtes Verhältnis zu den Grundrechten in unserem Verfassungsstaat haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Mit dem heutigen Urteil zur Vorratsdatenspeicherung … schafft der Europäische Gerichtshof … nun endlich Klarheit: Eine verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsdatenspeicherung ist damit vom Tisch. Das ist eine wegweisende Entscheidung. In Zukunft wird es deshalb – zu Recht – nicht mehr möglich sein, die Daten der Bürgerinnen und Bürger ohne jeden Verdacht und ohne richterlichen Beschluss zu speichern. Mit dem heutigen Urteil wird überzogenem Speicherwahn ein Riegel vorgeschoben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich hätte jetzt eigentlich Applaus von Ihrer Seite erwartet; denn das sind nicht meine Worte, sondern die Worte der Staatssekretärin Dorothee Bär als Vorsitzende von CSUnet. – Ich freue mich auf diese neue schwarz-grüne Koalition gegen die Vorratsdatenspeicherung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Seit wann nehmen Sie Frau Bär ernst?) Herr Minister, Sie haben das Urteil ja noch nicht ganz verdaut. Ich sage Ihnen: Lassen Sie ab von den Plänen, eine neue Richtlinie zu basteln! Der Europäische Gerichtshof hat mit seinen Urteilsgründen klargemacht, dass eine Vorratsdatenspeicherung sämtlicher Daten aller Bürgerinnen und Bürger europa- und grundrechtswidrig ist. Deshalb in die Tonne mit diesen Überlegungen! Lassen Sie es einfach sein! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir reden hier ja über den Haushalt. Ich glaube, statt über neue Gesetze und immer neue Ermittlungsbefugnisse müssen wir eher einmal über die Effizienz der Arbeit zum Beispiel beim Bundeskriminalamt reden. Sind wir überall richtig ausgestattet? Gibt es auch bei den Länderpolizeien genügend Personal, oder haben wir mit der Steuerpolitik des Bundes den Ländern nicht die nötige Luft zum Atmen gegeben, um hier das Notwendige zu tun und eine Überalterung der Polizei in den Ländern zu verhindern? (Beifall des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Darüber müssen wir nachdenken, hier müssen wir nachlegen. Ich denke, der NSU-Skandal und die Edathy-Affäre haben gezeigt, dass das BKA und die Polizei keine neuen Befugnisse brauchen. Wenn zwei Jahre lang Akten liegen bleiben, mit denen Ermittlungen gegen Besteller von Kinderpornografie ermöglicht werden, dann nützt auch eine Vorratsdatenspeicherung von sechs Monaten nichts. Wenn so gearbeitet wird, dann müssten die Daten jahrelang gespeichert werden. Lassen Sie uns eine vernünftige Arbeit ohne Grundrechtseingriffe organisieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Bei der NSA-Affäre hat diese Regierung wie auch die vorherige meines Erachtens nur schöngeredet und sich wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Deshalb ist es gut und richtig, dass gestern 2 000 Bürgerinnen und Bürger, unter anderem der Verein Digitalcourage, Strafanzeige gestellt haben, damit endlich ermittelt wird: Was haben deutsche Stellen gewusst? Was haben sie unternommen, um den Angriff auf unsere Grundrechte abzuwehren? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben, Herr Minister, den Staatssekretärsausschuss erwähnt. Meines Erachtens ist dieser Ausschuss nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass es für seine Arbeit einen Anlass gibt: Nirgendwo in dem Bericht findet man empirische Nachweise für massenhaften Sozialmissbrauch und ein Problem der Armutseinwanderung aus Bulgarien, wie die Union nicht müde wird, den Menschen im Wahlkampf zu erzählen. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das muss einmal gesagt werden!) Sie finden in diesem Bericht aber große Worte. Da heißt es etwa, Sie wollten die Integrationskurse an den besonderen Bedarf dieser Zielgruppe anpassen: Die Teilnehmer dieser Integrationskurse sollten nicht nur durch eine Lehrkraft unterrichtet werden, sondern parallel auch durch einen Sozialpädagogen – nicht einen Sozialdemokraten, wie ich fast gesagt hätte – betreut werden. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Das kommt auf dasselbe heraus!) Wie Sie das in Ihrem Haushalt umsetzen wollen, ist mir allerdings schleierhaft. Bei den Integrationskursen steht nicht etwa eine Erhöhung der Mittel an, damit endlich EU-Freizügigkeitsberechtigte, Geduldete und Flüchtlinge Zugang zu diesen Kursen erhalten. Nein, Sie kürzen um 5 Millionen Euro in diesem Etat. Das zeigt doch eindeutig: Sie reden zwar darüber; aber im Endeffekt passiert nichts. Es ist halt leichter, Gesetze mit EU-rechtswidrigen Freizügigkeitsbeschränkungen zu verfassen, wie es auch in Ihrem Bericht steht, als den Kommunen vor Ort tatsächlich zu helfen. Die Übernahme der Kosten für die Eingliederungshilfe wird auf die lange Bank geschoben. Es würde den Kommunen helfen, wenn sie Geld in der Hand hätten, um die Probleme der sozialen Integration in ihren Städten anzugehen. Da ist aber von der Koalition außer heißer Luft nichts zu erwarten. Das wird der Problemlage vor Ort nicht gerecht. Man darf nicht nur laut tönen. Man muss Probleme erkennen, besprechen und dann lösen. Dieser Anforderung werden Sie nicht gerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben heute im Kabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, das Optionspflichtverlängerungsgesetz, beschlossen. Frau Jelpke hat es schon angesprochen: Das ist ein klarer Wortbruch, und zwar ein doppelter Wortbruch der Sozialdemokratie. Sie haben die doppelte Staatsangehörigkeit versprochen. Das haben Sie nicht geschafft. Dann haben Sie Ihren Leuten im Zusammenhang mit dem Koalitionsvertrag versprochen, die Optionspflicht abzuschaffen. Nun wird sie verlängert, verkompliziert und verbürokratisiert. Das ist keine gute Reform. Dieses Bürokratiemonster ist voll von sachlichen Widersprüchen. Man muss mir einmal Folgendes erklären: Warum ist ein deutscher Hauptschulabschluss bei der Anerkennung der Staatsbürgerschaft mehr wert als eine österreichische Matura oder ein französisches Baccalauréat? Diese Schulabschlüsse führen nämlich dazu, dass die Optionspflicht weiter besteht. Die ethnische Diskriminierung im Staatsangehörigkeitsrecht, dass Kinder von Deutschen mit doppelter Staatsangehörigkeit anders behandelt werden als Kinder von Migranten mit doppelter Staatsangehörigkeit, müssen wir endlich beenden. Das wäre ein Signal an die junge Generation, die bei uns aufgewachsen ist und deren Eltern zu uns eingewandert sind, dass sie keine Deutschen auf Probe sind, sondern von Anfang an dazugehören. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Beck! Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin, damit bin ich am Schluss. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Es ist schon erwähnt worden: Der Etat des Bundesinnenministeriums ist bei weitem nicht der größte Etat im gesamten Bundeshaushalt, aber er ist aus meiner Sicht ein ganz entscheidender, wenn es darum geht, Regelungen dahin gehend zu treffen, wie wir in Deutschland miteinander umgehen, oder wenn es um Themen wie die gesellschaftliche Teilhabe oder die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements und der Zivilgesellschaft insgesamt geht. Obwohl das Portfolio des Bundesinnenministers so groß ist, zeigt der Entwurf dieses Einzeletats deutlich, dass wir einen klaren Schwerpunkt auf die innere Sicherheit setzen. Zwei Drittel der Mittel aus dem Etat des Bundesinnenministeriums entfallen auf diesen Bereich, davon mit 2,5 Milliarden Euro fast die Hälfte allein für die Bundespolizei und 417 Millionen Euro für das Bundeskriminalamt. Das sind mit Sicherheit große Summen; aber ich sage ganz deutlich und durchaus auch etwas selbstkritisch: Wir müssen uns mit Blick auf die Zukunft die Frage stellen, ob dieser Etat wirklich noch auskömmlich ist. Ich glaube, die Etats der Sicherheitsbehörden sind auf Kante genäht. Wir müssen in Zukunft mit Sicherheit ganz intensiv prüfen, ob es nicht eines Aufwuchses dieser Mittel bedarf. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich weiß zwar, dass im Koalitionsvertrag festgelegt wurde, dass der Etat des Innenministeriums nicht als prioritär gilt. Dennoch besteht, glaube ich, in vielerlei Hinsicht Nachbesserungsbedarf. Ich darf deutlich machen, dass sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Verfassungsschutz und zu unseren Sicherheitsbehörden bekennt. Es ist ein zentrales Anliegen, den Verfassungsschutz zu stärken, statt ihn zu schwächen oder, wie es die Linken fordern, gar abzuschaffen. Wir werden daher sehr schnell das zugrunde liegende Bundesverfassungsschutzgesetz novellieren. Es geht insbesondere darum, im Einvernehmen und in engster Absprache mit den Ländern die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu stärken. Das heutige Urteil des EuGH in Luxemburg zur Vorratsdatenspeicherung ist schon hinlänglich erwähnt worden. Ich sage aber an die Adresse derjenigen, die jetzt jubilieren, deutlich: Ich bin der festen Überzeugung, dass durch dieses Urteil des EuGH Europa beileibe nicht sicherer geworden ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Natürlich ist das Urteil zu akzeptieren, Herr Kollege Beck, und zu respektieren. Ich möchte nur noch einmal rückblickend fragen: Warum kam es überhaupt zu dieser Richtlinie im Jahr 2006? Die Richtlinie wurde als Antwort auf die katastrophalen und schwerwiegenden Terroranschläge in Madrid, 2004, und in London, 2005, geschaffen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Europa seitdem nicht sicherer geworden ist und dass die Bedrohung insbesondere durch den islamistischen Terrorismus seit 2004 nicht geringer geworden ist. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Was sagen Sie denn zur Aufklärungsquote?) Deswegen bin ich Ihnen sehr dankbar, Herr Kollege Hartmann, dass Sie auch in Ihrer Rede deutlich gemacht haben, dass Sie an der prinzipiellen Notwendigkeit der Einführung von Mindestspeicherfristen in Deutschland festhalten wollen. Ich möchte noch eines deutlich machen: Das Urteil des EuGH bezieht sich nicht auf die Umsetzung in Deutschland. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!) Wir waren von vornherein wesentlich strenger und re-striktiver, was den Umsetzungsspielraum anbelangt, den uns die Richtlinie gegeben hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass es im Lichte des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 2010 und des heutigen Urteils des EuGH möglich, aber auch notwendig ist, die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland einzuführen. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir werden das Urteil daher genau analysieren. Es besteht keinerlei Grund zu Aktionismus; aber ich bin Ihnen, Herr Kollege Hartmann, dankbar, dass Sie deutlich gemacht haben, dass Sie einem konstruktiven Dialog bezüglich der Einführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland offen gegenüberstehen. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, einen zentralen Bereich im Koalitionsvertrag nimmt die Migrations- und Integrationspolitik ein. Ich sage auch ganz deutlich: Deutschland muss jederzeit für Schutzbedürftige und politisch Verfolgte, insbesondere auch für Flüchtlinge, offen sein. Wir werden daher – das ist ein elementares Ziel der Großen Koalition – die Asylverfahrensdauer von derzeit im Schnitt neun Monaten auf drei Monate deutlich reduzieren. Ich glaube, dass ein durchaus sehenswertes Signal vom Stellenplan des Bundes-innenministeriums ausgeht. So werden 300 zusätzliche Stellen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg geschaffen, um vor allem die Verfahrensdauer zu reduzieren. Wir wollen offen sein für Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind. Wir müssen aber auch deutlich machen, dass kein Recht auf Asyl besteht, wenn die Betreffenden aus offenkundig sicheren Herkunftsländern kommen. Deshalb finde ich es richtig, dass wir die Liste der sicheren Herkunftsländer zunächst um die drei Länder Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien erweitern. Wir müssen uns aber auch intensiv mit Albanien und Montenegro auseinandersetzen. Die Tatsache, dass die Zahl der Asylbewerber aus Albanien zu Beginn dieses Jahres deutlich gestiegen ist, während die Anerkennungsquote marginal niedrig ist, zeigt, dass auch in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht. (Beifall bei der CDU/CSU) Wenn das Asyl- und Aufenthaltsrecht im Allgemeinen glaubhaft bleiben soll, dann bedarf es auch einer Beschleunigung der Aufenthaltsbeendigung. Beides sind zwei Seiten einer Medaille. Wir wollen nach dem Hamburger Modell eine stichtags- und altersunabhängige Bleiberechtsregelung für langfristig in Deutschland Geduldete schaffen, die zumindest zum Großteil ihre Lebenshaltungskosten selber bestreiten können und über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Ich sage aber auch ganz offen: Angesichts der sehr geringen Abschiebezahlen in den einzelnen Bundesländern ist es genauso wichtig, dass diejenigen, die kein anerkanntes Recht auf Asyl und auch aus anderen Gründen kein Bleiberecht haben, Deutschland verlassen müssen. Ich bin dem Bundesinnenminister sehr dankbar, dass er zeitnah einen entsprechenden Gesetzentwurf auf den Weg gebracht hat, der nun in die Ressortabstimmung geht. Eine zentrale Herausforderung in dieser Legislaturperiode wird die Sicherstellung und die Wiederherstellung des Vertrauens in die Informations- und Kommunika-tionstechnik sein. Erst vor wenigen Tagen gab es in diesem Jahr den zweiten großen Vorfall betreffend gehackter E-Mail-Konten. Dieses Mal waren über 18 Millionen Menschen betroffen, darunter 3 Millionen Deutsche. Dies zeigt uns deutlich, dass wir nicht nachlassen dürfen, unsere IT-Infrastruktur insbesondere im Bereich des Bundes und hier im Bereich der Sicherheitsbehörden zu verbessern. Deswegen finde ich es gut, dass im zweiten Regierungsentwurf 12 Millionen Euro zusätzlich für die Bundespolizei und 4 Millionen Euro zusätzlich für das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellt werden. Sehr wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Aufgaben und Kompetenzen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik gestärkt werden. Dieses Bundesamt arbeitet schon sehr gut. Es ist aber auch noch ausbaufähig. Ich finde es richtig, dass nun jährlich 2 Millionen Euro zusätzlich für die IT-Sicherheitsforschung zur Verfügung gestellt werden. Wir müssen trotz aller rechtlichen Änderungsnotwendigkeiten die nationale Kompetenz in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Bereich stärken. Ich stehe deshalb auch Überlegungen, eine europäische Cloud bzw. ein europäisches Routing zu schaffen, durchaus offen gegenüber. Wir brauchen in Deutschland mehr Unabhängigkeit von amerikanischen und chinesischen Anbietern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Zum Abschluss möchte ich noch kurz erwähnen: Es ist natürlich wichtig und gut, dass wir das ehrenamtliche Engagement insbesondere im Bevölkerungs- und Kata-strophenschutz loben. Aber auch hier gilt es – das sage ich durchaus selbstkritisch –, den Worten Taten folgen zu lassen. Deswegen richte ich an uns alle den dringenden Appell: Wir müssen den Etat des Technischen Hilfswerks deutlich erhöhen. Wenn wir hier nicht im Bereich der Liegenschaften und der Gerätschaften bzw. der Ausstattung Verbesserungen vornehmen, dann unterminieren wir mittel- und langfristig das ehrenamtliche Engagement. Dieses Engagement ist gar nicht hoch genug zu schätzen. Deswegen darf es nicht bei Sonntagsreden bleiben. Es gilt bei den anstehenden Verhandlungen über den Etat des Bundesinnenministeriums, hier deutlich nachzubessern und den Ansatz für das THW zu erhöhen. Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche uns konstruktive und erfolgreiche Verhandlungen, wenn es um den Haushalt des Bundesinnenministeriums geht. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Dr. André Hahn das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. André Hahn (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt im Einzelplan des Innenministeriums eine ganze Reihe von Themen, über die es sich hier zu sprechen lohnt. Ich will mich auf drei Punkte konzentrieren. Zunächst zur Sportpolitik. Im Etat des BMI gibt es im Vergleich zum Vorjahr für den Sport lediglich eine Anhebung von rund 2,7 Millionen Euro, also nicht 8 Millionen Euro, wie bisweilen in den Medien angekündigt. Diese geringe Erhöhung wird auch den vom Deutschen Olympischen Sportbund benannten aktuellen Aufgaben nicht einmal ansatzweise gerecht. Ich nenne nur das Thema Sportstätten. Im März 2010 wurde der Goldene Plan Ost ersatzlos gestrichen. Die Linke fordert seither nachdrücklich die Neuauflage eines bundesweiten Förderprogramms. (Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist Landesaufgabe!) Denn die Situation vieler Sportstätten ist katastrophal. Der Sanierungsstau wird auf 42 Milliarden Euro geschätzt. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist nicht Aufgabe des Bundes!) Um hier gegenzusteuern, muss auch der Bund wieder seinen Beitrag leisten. Ein wichtiger Teil der Sportförderung des Bundes ist die Beschäftigung von Spitzensportlern und deren Trainern bei Bundeswehr, Bundespolizei, Zoll und anderen Behörden. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf meine Anfrage sind das derzeit 971 Stellen, darunter 76 für Trainer. Davon bekommt der Behindertensport lediglich 1,7 Prozent, darunter ist nicht ein einziger Trainer. Das ist nicht nur mit Blick auf die Ergebnisse der Olympischen und Paralympischen Spiele in Sotschi völlig unangemessen und muss sich dringend ändern. (Beifall bei der LINKEN) Inakzeptabel ist auch die geplante Kürzung der Mittel für die Programme „Jugend trainiert für Olympia“ und für die Paralympics. Hier wird auf dem Rücken von Schülerinnen und Schülern versucht, die Länder zur Mitfinanzierung der Nationalen Anti Doping Agentur zu bewegen. Nun einige Anmerkungen zum Katastrophenschutz – auch Herr Mayer hat eben davon gesprochen –, konkret zum Technischen Hilfswerk. Das THW steht aktuell vor riesigen Herausforderungen. Einzelne Liegenschaften sind wegen Brandschutz- und Baumängeln von Schließung bedroht. 44 Prozent des Fahrzeugbestandes sind älter als 25 Jahre. Der zusätzliche Finanzbedarf wird beim THW auf über 30 Millionen Euro beziffert. Ich bin Realist genug, zu erkennen, dass dieser Betrag wohl nicht in voller Höhe in den Haushalt eingestellt werden wird. Aber es gibt drei Dinge, die unbedingt umgesetzt werden müssen. Erstens: eine Anhebung der Selbstbewirtschaftungsmittel der Ortsverbände um 5 Millionen Euro. Hier ist der Effekt am größten. Ausbildung, Helferwerbung und Jugendarbeit werden davon finanziert. Es geht schlicht darum, die Handlungsfähigkeit des THW zu erhalten; denn bei den Einsätzen geht es oft auch um den Schutz von Menschenleben. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]) Zweitens. Für die dringend erforderliche Erneuerung von Fahrzeugen und Geräten müssen aus unserer Sicht mindestens 5 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt werden. Drittens. 2 Millionen Euro zusätzlich im Bereich der überörtlichen Ausbildung dienen der Bewältigung neuer Herausforderungen, vom Digitalfunk bis zur Sicherung gefährdeter Infrastruktur. 2015 kommen noch größere Probleme auf das THW zu. Die heftigen Mietsteigerungen werden wohl nur noch zulasten von Investitionen in Fahrzeuge und Geräte zu bewältigen sein. Deshalb ist eine Verstetigung der Mittelerhöhung nötig. Nach Ihrer Rede, Herr Kollege Mayer, hoffe ich sehr, dass wir hier an einem Strang ziehen. Sie sind ja auch Präsident des Helfervereins des THW. Ich glaube, wir müssen hier dringend etwas tun. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]) Abschließend noch einige Anmerkungen zum Thema Geheimdienste. Hier sehen wir Linke durchaus erhebliche Einsparpotenziale. Wir werden die NSA-Affäre im Untersuchungsausschuss noch detailliert aufarbeiten, aber eines kann man doch schon jetzt sagen: Die Spionageabwehr, für die der Verfassungsschutz zuständig ist, hat angesichts der von Edward Snowden aufgedeckten millionenfachen Ausspähung deutscher Bürger, aber auch von Wirtschaftsunternehmen eklatant versagt. Wer nicht einmal mitbekommt, dass über Jahre das Handy und der Mailverkehr der Kanzlerin abgeschöpft werden, der stellt seine Existenzberechtigung selbst infrage. (Beifall bei der LINKEN) Da nun endlich auch die Überwachung der Bundestagsabgeordneten der Linken eingestellt worden ist, könnten die bislang damit befassten sieben Mitarbeiter des BfV sicher anderweitig sinnvoll eingesetzt werden. (Beifall bei der LINKEN) Darüber hinaus will die Linke endlich mehr Transparenz bei der Mittelverwendung beim Verfassungsschutz, und das fängt bei der Haushaltsaufstellung an. Sehr geehrter Herr de Maizière, ich hätte nie vermutet, dass ich nach den vielen Jahren im Landtag noch einmal in die Verlegenheit komme, die Sächsische Staatsregierung zu loben. Aber im Haushalt gibt es dort deutlich mehr öffentlich zugängliche Informationen. Jeder kann erfahren, wie viel Geld beim Verfassungsschutz ausgegeben wird, was man für Öffentlichkeitsarbeit aufwendet, wie viel die technische Ausstattung kostet. Selbst der konkrete Stellenplan für den Verfassungsschutz wird vom Landtag beschlossen. Davon sind wir auf Bundesebene meilenweit entfernt. Deshalb meine abschließende Bitte: Lassen Sie uns die Geheimniskrämerei endlich beenden. (Beifall bei der LINKEN) Die Etats der Nachrichtendienste gehören nicht in das sogenannte Vertrauensgremium, sondern in den zuständigen Haushaltsausschuss und müssen letztlich hier im Parlament öffentlich debattiert werden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Dr. André Berghegger das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. André Berghegger (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! In unserer sozialen Marktwirtschaft ist und bleibt der Staat Hüter der Ordnung. Im Mittelpunkt unseres innenpolitischen Handelns steht natürlich die innere Sicherheit. Sicherheit und Freiheit bedingen sich dabei. Wir müssen bei jeder staatlichen Maßnahme eine grundlegende Abwägung zwischen Sicherheit auf der einen Seite und der Einschränkung der Freiheit auf der anderen Seite bedenken. Dabei können wir selbstbewusst, aber umsichtig handeln. Wir sollten dankbar sein, in einem sicheren und in diesem Sinne freien Land in Europa zu leben. Doch der Blick in andere Teile der Welt zeigt: Leider gibt es noch immer viele Regionen, in denen stabile Verhältnisse fehlen und in denen die Menschen in Angst und Schrecken leben. An demokratische Wahlen ist in solchen Situationen kaum zu denken. Daher bin ich der Bundeskanzlerin dankbar, dass sie sich gemeinsam mit den europäischen Partnern für Stabilität und letztendlich auch für die Freiheit der Menschen in diesen Regionen einsetzt. Der Bundesinnenminister hat kürzlich einmal gesagt, er verstehe sein Ministerium als „Bürgerministerium“, das heißt als Dienstleister für die Bürger. Dieser Einzelplan umfasst – wir haben es schon mehrfach gehört – einen Gesamtansatz von rund 5,8 Milliarden Euro, ein Großteil davon, rund zwei Drittel, entfällt auf den Bereich der inneren Sicherheit. Das war in den Jahren zuvor bereits so, und das halte ich auch für richtig. In diesem Einzelplan findet sich ein bunter Strauß an Themen: das THW, das Bundesinstitut für Sportwissenschaft, die Bundeszentrale für politische Bildung. Zu diesem Bereich zählen aber auch die Fragen der Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie die Organisation der öffentlichen Verwaltung. Die Stichworte „Bürokratieabbau“ und „Verwaltungsmodernisierung“ fallen uns hierzu sofort ein. Zwei Felder möchte ich gerne betonen: Zum einen die Bundespolizei. Deren Etat beträgt rund 2,5 Milliarden Euro. Das ist nahezu die Hälfte des gesamten Einzelplans. Hier wird es zusätzliche Mittel geben, und zwar für die IT-Infrastruktur. Denn im Zusammenhang mit der NSA-Affäre ist deutlich geworden – auch das haben wir schon mehrfach betont –, dass unsere Sicherheitsbehörden hier gestärkt werden müssen. Auch die von Herrn Mayer vorhin angesprochenen Vorfälle um die zunächst rund 16 Millionen und aktuell 18 Millionen geknackten E-Mail-Konten zeigen uns, dass wir die IT-Sicherheit unbedingt ausbauen müssen. Die Arbeit des BSI ist dabei deutlich zu unterstützen. Der Großteil der Mittel für die Bundespolizei ist naturgemäß für das Personal erforderlich. Hier sehen wir eine gute Entwicklung. Auf eine pauschale Stelleneinsparung wie in den Vorjahren wird verzichtet. Im Gegenteil: Es gibt Stellenanhebungen. So ist ein Programm vorgesehen, mit dem in den nächsten Jahren insgesamt über 1 300 Stellen bei der Bundespolizei angehoben werden, in diesem Jahr die ersten 350. Das schafft Raum für verdiente Beförderungen, motiviert die Mitarbeiter und steigert die Attraktivität des Arbeitgebers. Denn auch die Bundespolizei muss sich im Hinblick auf den demografischen Wandel immer wieder darüber Gedanken machen, wie sie sich als interessanter Arbeitgeber für Nachwuchskräfte darstellen kann. Das muss auch so bleiben. Das zweite Stichwort ist im Hinblick auf den Bereich Zuwanderung, Integration und nationale Minderheiten: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Erinnern Sie sich bitte an die aktuellen Diskussionen, die wir zu diesen Themen geführt haben. Hier stellen wir zusätzliche Mittel zur Verfügung: in diesem Jahr weitere 14 Millionen Euro als Sachmittel. Daneben sollen, wie zitiert, 300 zusätzliche Stellen geschaffen werden. Das ist richtig und notwendig; denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist zentral zuständig für die Asylfragen in Deutschland. Zuletzt gab es einen Anstieg der Asylbewerberzahlen. Denn Deutschland ist ein Land, das von vielen Menschen auf der ganzen Welt als sicherer Ort angesehen wird, um Krieg und Elend in der Heimat zu entgehen. Unser christliches Verständnis verlangt von uns, diesen Menschen in angemessener Form zu helfen. Dazu gehört aus meiner Sicht auch ein zügiges Asylverfahren. Es ist unser erklärtes, aber ehrgeiziges Ziel, die Dauer der Asylverfahren auf eine regelmäßige Zeit von drei Monaten zu verkürzen. Das sind nur zwei Beispiele dafür, dass die Bundesregierung mit Augenmaß auf bestehende Herausforderungen reagiert. Dies alles zeigt aber: Wir haben viele Handlungsfelder mit großer Bedeutung für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Manchmal fällt uns deren Bedeutung erst dann wirklich auf, wenn einmal nicht alles wie vorgesehen funktioniert. Die Bürger akzeptieren ein Gemeinwesen aber nur dann – das ist meine feste Überzeugung –, wenn es auf funktionierenden Strukturen beruht. Hierfür müssen wir Vorsorge treffen. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bei all denjenigen bedanken, die durch ihren vorbildlichen Dienst einen so großen Beitrag für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und damit für unser Land leisten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Insbesondere möchte ich werben für die Solidarität mit unseren Polizisten, die den Rechtsstaat vertreten und damit unsere Freiheit schützen. In diesem Zusammenhang, Herr Minister, möchte ich auch die jüngsten Tarifverhandlungen erwähnen. Ich möchte Ihnen danken. Es freut mich, dass die gute und wichtige Arbeit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst honoriert wird, auch wenn das für die öffentlichen Kassen eine große finanzielle Kraftanstrengung darstellen wird. Wir setzen auf Kontinuität und Solidität. Bewährtes wird fortgesetzt; wenn erforderlich, werden wir umschichten. Denn bei allem wollen wir unser übergeordnetes Ziel im Blick behalten, 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt und 2015 einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden zu erreichen. Das kann man gar nicht oft genug betonen. Dieser historischen Chance waren wir noch nie so nahe wie jetzt. Die erfolgreiche -Finanzpolitik unter der Federführung der Bundeskanzlerin und des Finanzministers Wolfgang Schäuble ist kein Selbstzweck, sondern ist nachhaltig im Sinne von generationengerecht, und sie schafft finanzielle Freiräume für die Zukunft, für andere Politikfelder, vielleicht auch für diesen Einzelplan. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, für einen ausgewogenen Etat des Bundesinnenministers zu sorgen. Dazu ist der Entwurf eine solide Grundlage. Ich freue mich auf die angenehmen Gespräche. Lassen Sie uns das Beste daraus machen! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Anja Hajduk das Wort. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon darauf hingewiesen worden, welches Volumen dieser Haushalt hat: knapp 5,8 Milliarden Euro, davon zwei Drittel für die innere Sicherheit – bei einem insgesamt sehr großen und breiten Aufgabenspektrum. Sie, Herr Minister, haben gesagt: Es kommt darauf an, auch bei knappen oder zumindest nicht überreichlich vorhandenen öffentlichen Mitteln handlungsfähig zu bleiben. – Ich möchte Sie zu diesem Terminus fragen, ob Sie als Regierung vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung jetzt wirklich handlungsfähig bleiben werden. Das ist mir noch ein bisschen unklar. Ich möchte dem Minister Maas, der in der Debatte zum nächsten Einzelplan sprechen wird – wir hoffen, dass er etwas zu diesem Thema sagt –, zurufen: Herr Maas, Nichtstun wäre hier gute Bürgerrechtlerpflicht! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich möchte jetzt natürlich auf den Etat des Ministers de Maizière eingehen und einen wichtigen Aufgabenbereich ansprechen, den der Integration und der Migration. Sie haben im Koalitionsvertrag einen hohen Anspruch formuliert, nämlich bei den Integrationskursen Verbesserungen herbeizuführen. Wir wissen aus den aktuellen Gesprächen, dass es eine erhöhte Inanspruchnahme der Kurse geben wird. Sie wollen die Qualität durch Zielgruppendifferenzierung und auch durch die Größe der Kurse an sich verbessern. Weil das so ist, wissen wir mittlerweile auch, dass es einen Mehrbedarf von 45 Millionen Euro in diesem Bereich gibt. Sie haben allerdings eine kleine Kürzung vorgenommen und nur 204 Millionen Euro eingestellt. Schon zu Beginn der Beratung wissen wir also: Da fehlen 45 Millionen Euro. – Vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Zielsetzung aus dem Koalitionsvertrag ist das keine solide Vorlage für die Haushaltsberatungen – es fehlen 20 bis 25 Prozent –, und das ist ein ganz schöner Skandal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich interpretiere das einmal so, dass Sie jetzt Hoffnung in das Parlament setzen; denn es gibt im Finanzministerium noch eine „Wundertüte“ in Form eines Topfes von 500 Millionen Euro, mit dem alle Ressorts glücklich gemacht werden sollen. Ich hoffe, dass Sie in der Großen Koalition die Verantwortung für die Integration ernst nehmen und der mangelnden Finanzausstattung in diesem Zuständigkeitsbereich des Bundesinnenministers etwas entgegensetzen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr de Maizière, Sie haben beim Thema Umgang mit Flüchtlingen von der humanitären Verantwortung gesprochen. Mein Vorredner hat gerade gesagt, die Regierung hätte hier mit Blick auf die zunehmende Anzahl von Asylanträgen Vorsorge getroffen. Ich möchte Ihnen da erwidern: Das kann ich nach einer sorgfältigen Analyse leider nicht erkennen. Sie sagen selbst, Sie gehen davon aus, dass es 140 000 bis 150 000 neue Anträge und 20 000 Folge-anträge gibt. Über 100 000 Anträge ist noch nicht entschieden. Das BAMF, das zuständige Bundesamt, hat vor diesem Hintergrund deutlich gemacht: Wir brauchen eigentlich 900 zusätzliche Mitarbeiter, um eine korrekte und gute Bearbeitung dieser Anträge sicherzustellen. Sie sehen sich jetzt aber nur in der Lage, 300 neue Stellen zu schaffen. Daran sieht man schon, dass Sie auf die reale Herausforderung, die auf Deutschland zukommt, keine angemessene Antwort haben und dass Sie gar nicht darauf vorbereitet sind – weder haushalterisch noch personell –, diesen Bereich seriös abzuarbeiten und schon gar nicht das selbst gesteckte Ziel der Verfahrensverkürzung hinzubekommen. Ich kann Ihnen nur zurufen: Diese Herausforderung bekommen Sie nicht in den Griff, indem Sie den Begriff von den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ausweiten. Bei dieser Frage werden Sie auch noch ein saftiges Koalitionsproblem zu lösen haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich komme noch auf einen weiteren Punkt zu sprechen. Es war eine überfällige Entscheidung, ein zweites Aufnahmekontingent für syrische Flüchtlinge am 23. De-zember – endlich – zu beschließen. Es hat mich aber -verärgert, dass Sie im März dieses Jahres bei der Kabinettsentscheidung zum Haushalt keine zusätzlichen Haushaltsmittel bereitgestellt haben. Ich frage mich, warum Sie so handeln. Das ist kein ehrlicher Entwurf. Wir werden natürlich versuchen, da nachzubessern. Im Bereich Integration und Migration sieht es relativ traurig aus. Ich möchte zum Abschluss noch einen anderen Bereich ansprechen, auch wenn die Dinge, die ich bisher dargelegt habe, für eine solide Etataufstellung nichts Gutes erahnen lassen. Herr Minister, das Innenministerium steht vor großen Herausforderungen im Bereich IT--Infrastruktur; wir haben da mit Blick auf zukünftige wichtige Investitionsstrategien noch vieles zu beraten und zu planen. Dazu gehören die Netze des Bundes, Folgen aus dem NSA-Skandal, der große Bereich der Netzsicherheit und eine erfolgreiche Spionageabwehr. In diesem Bereich brauchen wir sicherlich eine neue Investitionsstrategie. Dazu gehören effizientere Netz-investitionen und wahrscheinlich auch entsprechende parlamentarische Strukturen, um diese Maßnahmen zu begleiten. Das sage ich vor dem Hintergrund, dass wir hinsichtlich der Einführung des Digitalfunks – das ist eine sehr alte und lange Geschichte – heute realisieren müssen, dass es zu wenig Flexibilität und auch vielleicht zu wenig Kontrolle gab. Jetzt müssen wir die Restinvestitionen in eine Struktur tätigen, die dem technologischen Fortschritt eigentlich nicht mehr gerecht wird. Ich hoffe, dass wir das bei den zukünftigen Investitionen in die IT-Infrastruktur besser machen. Dabei lassen wir uns auch in die Pflicht nehmen. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Fograscher das Wort. (Beifall bei der SPD) Gabriele Fograscher (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen nachhaltig ausgeglichene Haushalte. Wir werden Einnahmen und Ausgaben des Bundes so gestalten, dass der Bund ab dem Jahr 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt und beginnend mit dem Jahr 2015 einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung aufstellt. So heißt es im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. Der vorliegende Haushaltsentwurf für das laufende Jahr wird dem gerecht. Ja, wir verzichten auf Steuererhöhungen. Der Gesamtansatz für den Haushalt beträgt 2014 rund 5,8 Milliarden Euro. Das sind etwa 1,3 Prozent weniger als das Soll des Haushaltsjahres 2013 und gut 5 Prozent weniger als das Ist in 2013. Damit trägt der Haushalt des BMI zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes bei. Der größte Teil der finanziellen Mittel im Einzelplan 06 ist an Personalausgaben gebunden. Es bleiben daher kaum Spielräume für Veränderungen und Verschiebungen innerhalb des Einzelplans. Trotzdem gibt es aber einige Aufgaben, bei denen wir Schwerpunkte setzen und uns stärker engagieren müssen und wollen, als der Etat es derzeit vorsieht. Ich stimme dem Kollegen Mayer ausdrücklich zu: Es wird in Zukunft nicht ohne ein Mehr an finanziellen Ressourcen gehen. Das gilt zum Beispiel für die personelle Ausstattung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Für die zügige Bearbeitung der Asylanträge braucht das Bundesamt in den nächsten Jahren mehr Personal. Es ist richtig und wichtig, dass wir dem Bundesamt in den nächsten Jahren einen Personalaufwuchs von rund 900 Stellen, Frau Hajduk, zugesagt haben. In diesem Jahr beginnen wir mit dem ersten Schritt und planen 300 zusätzliche Stellen ein. Das Thema Integrationskurse greift mein Kollege Castellucci nachher auf. Zum Thema THW. Mit dem THW verfügen wir über eine vorbildliche Organisation, die nicht nur in Deutschland, sondern weltweit bei Katastrophen im Einsatz ist: gerade aktuell beim Öleinsatz an den Ostseestränden oder beim Aufbau der Wasserversorgung nach dem Taifun „Haiyan“ auf den Philippinen oder bei der Wiederherstellung der Stromversorgung nach einem heftigen Winter in Slowenien. Das THW, das zu 99 Prozent aus Ehrenamtlichen besteht, ist immer da, wo es gebraucht wird. Doch steht das THW nach dem Aussetzen der Wehrpflicht vor neuen Herausforderungen. Etwa jeder dritte ehrenamtliche Helfer hat anstelle des Wehrdienstes Ersatzdienst beim THW geleistet. Mehr als zwei Drittel blieben nach dem Ende des Ersatzdienstes beim THW. Um die Einsatzfähigkeit des THW garantieren zu können, bedarf es Menschen, die sich dort langfristig engagieren. Deshalb ist es notwendig, die Ortsverbände zu stärken. Die im Entwurf vorgesehene Kürzung der Mittel für die Ortsverbände wird den Herausforderungen, vor denen das THW steht, nicht gerecht. Wir sind uns einig, dass wir im Laufe des parlamentarischen Verfahrens und spätestens im Haushalt 2015 die Mittel für die THW-Ortsverbände erhöhen müssen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben vor kurzem interfraktionell in diesem Hause nochmals bekräftigt, die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses umzusetzen. Neben internen Veränderungen in den Sicherheitsbehörden und einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, dem Bundesamt und den Landesämtern für Verfassungsschutz, werden wir in Zukunft auch in diesem Bereich in Personal und Ausstattung investieren müssen. Wir müssen und wollen die Kräfte im Kampf gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit bündeln. Dazu bedarf es einer langfristigen -Finanzierung von vorbildlichen, wirkungsvollen Präventionsprojekten. Wir begrüßen es, dass die sogenannte Extremismusklausel abgeschafft wurde. (Zuruf von der CDU/CSU: Wurde nicht -abgeschafft!) Das stellt die Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft auf eine vertrauensvolle Basis. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt das konkret?) Wichtig bleibt auch die Stärkung der interkulturellen Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes. Nur wer sensibilisiert ist, kann rechtsextreme, antisemitische und fremdenfeindliche Motive und Entwicklungen frühzeitig erkennen und dagegen angehen. Wir müssen dafür sorgen, dass das Wissen, die Erfahrung und die Kontakte zu zivilgesellschaftlichen Akteuren beim Kampf gegen Rechtsextremismus nicht verloren gehen. Ich nenne als Beispiel die Geschäftsstelle des „Bündnisses für Demokratie und Toleranz – gegen -Extremismus und Gewalt“. Sie ist inzwischen bei der Bundeszentrale für politische Bildung angesiedelt. Sie verfügt über kompetente und engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einige von ihnen haben leider nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Läuft der Vertrag aus, verlieren das Bündnis und somit wir als Staat wichtiges Know-how und unverzichtbare Kontakte. Das müssen wir dringend ändern. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für den öffentlichen Dienst. Hier gehen dem Bund in vielen Bereichen qualifizierte Nachwuchskräfte verloren, weil die Zeit bis zum Freiwerden einer entsprechenden Planstelle oftmals nicht überbrückt werden kann. Die NSA-Affäre und der Diebstahl von Passwörtern haben uns gezeigt: Unsere Daten sind nicht sicher. Hier gibt es Handlungsbedarf. Deutschland und Europa sind in sehr vielen Bereichen der digitalen Gesellschaft, bei Hard- und Software, bei Internetdiensten und – der Minister hat darauf hingewiesen – kritischen Infrastrukturen, von Zulieferern aus den USA und Asien abhängig. Wir werden diese Abhängigkeiten überprüfen und Fähigkeiten und Hersteller in Deutschland und Europa stärken. Wir brauchen eine Bestandsaufnahme der Gefahren durch technische Manipulationen für die Nutzer der digitalen Infrastruktur. Unsere Ziele sind dabei die Verbesserung der IT-Sicherheit, die auch ein positiver Standortfaktor ist, mehr Datenschutz, mehr Datensicherheit, Spionageabwehr und die Förderung des vermehrten Einsatzes von Verschlüsselungstechniken. Diese Ziele liegen im Interesse der Bundesregierung und des Bundesinnenministeriums; denn die Modernisierung der Verwaltung und der Abbau von Bürokratie, zum Beispiel durch den Ausbau des E-Governments, werden nur funktionieren, wenn die Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft sicher ist und die übermittelten Daten geschützt sind. Mehr Investitionen in diesem Bereich sind somit im Interesse der Bevölkerung und der öffentlichen Hand. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das auch im aktuellen Fall von Passwortdiebstahl den Bürgerinnen und Bürgern mit einer eigens dafür eingerichteten Internetseite hilft, gewinnt deshalb im digitalen Zeitalter immer mehr an Bedeutung und muss auch in Zukunft gestärkt werden. Mit knapp 2 Prozent Anteil am Gesamthaushalt steht der Haushalt des Bundesministeriums des Innern vor großen Herausforderungen. Ich hoffe auf konstruktive Beratungen in den Ausschüssen. Wir werden diesen Herausforderungen gerecht werden. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächste Rednerin ist die Kollegin Barbara Woltmann, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Barbara Woltmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Keine Steuererhöhungen, keine Neuverschuldung und stabile Staatsfinanzen – das waren die zentralen Forderungen von CDU und CSU im vergangenen Bundestagswahlkampf. Und das sind auch weiterhin unsere Kernforderungen, an denen wir unabdingbar festhalten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der vorliegende Haushaltsentwurf erfüllt diese Forderungen. Er orientiert sich im Wesentlichen auch an den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages; Frau Kollegin Fograscher hatte daraus ja eben zitiert. Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass in diesem Jahr ein strukturell ausgeglichener Haushalt und ab 2015 ein Haushalt ohne Nettoneuverschuldung aufzustellen ist. Mit diesen klaren finanzpolitischen Aussagen ist der Rahmen gesetzt. Es ist natürlich immer ein Leichtes, Wünsche nach Mehrausgaben zu formulieren. Da fällt sicher jedem von uns etwas ein. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wohl wahr!) Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Gebot der Stunde heißt: strukturelle Defizite abbauen, für Haushaltskonsolidierung sorgen und das vorhandene Geld richtig einsetzen. Darüber, wie wir das vorhandene Geld richtig einsetzen, können wir uns dann unterhalten. Der Bürger jedoch – das sei an dieser Stelle auch gesagt – honoriert es keineswegs, wenn Parteien große Wahlversprechen machen und ihnen dann beim Thema Haushaltskonsolidierung nur Steuererhöhungen einfallen. Dass das der Bürger nicht honoriert, hat das Ergebnis der letzten Bundestagswahl eindrucksvoll bewiesen. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine sehr verehrten Damen und Herren, so leicht dürfen wir es uns auch aus einem anderen Grund nicht machen: Wir tragen eine Verantwortung der nachfolgenden Generation gegenüber. Ich möchte, dass Ihre und meine Kinder auch noch über genügend finanziellen Gestaltungsspielraum verfügen, um ihre eigenen Vorstellungen, Wünsche und Erfordernisse realisieren zu können. In Zukunft geht daher kein Weg an diesen Haushaltsgrundsätzen vorbei. Dieser Haushalt zeigt auf, dass das geht; er weist in die richtige Richtung. Der Einzelplan 06 – wir haben es bereits gehört – mit seinen 5,8 Milliarden Euro ist kein ganz großer Haushalt, und er lässt wegen vieler Fixkosten auch nicht ganz so viel Spielraum. Aber trotzdem – ich denke, da können wir alle sehr froh sein – gibt es einen gewissen kleinen Spielraum, sodass wir in wichtigen Bereichen – meine Vorredner sind schon darauf eingegangen – doch eine gewisse Entlastung erreichen können. Auch ich will hier das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nennen, das mehr Sachmittel und mehr Personal erhält. Etwa 300 zusätzliche Stellen sind eingeplant; wir haben es bereits gehört. Es ist außerordentlich wichtig, dass die Asylverfahren kürzer werden. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schaffen Sie so, wie Sie es planen, nicht!) Ich möchte an dieser Stelle einen Gedanken einfügen: Der Bürger möchte, dass die Asylbewerber, die kein Bleiberecht erhalten, das Land wieder verlassen. Das erhöht die Akzeptanz dessen, was wir hier tun. Zusätzliche Mittel soll es auch für das Bundesamt für Verfassungsschutz, für das BSI und für das BKA geben. Auch die Bundespolizei soll zur Festigung der IT-In-frastruktur etwas mehr Geld erhalten. Es ist ja heute hier schon erwähnt worden, dass es dringend notwendig ist, hier mehr Mittel bereitzustellen. Ich denke, es ist auch außerordentlich wichtig, dass insbesondere der gehobene und der mittlere Polizeivollzugsdienst bei der Bundespolizei im Rahmen des bereits mit dem BMF vereinbarten vierjährigen Programms von Stellenanhebungen profitieren werden. Das trägt vor allen Dingen zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes bei. Wir müssen insgesamt sehr viel mehr tun, um die Attraktivität des öffentlichen Dienstes zu erhalten. Das THW hat sehr viele Fürsprecher; das haben wir gerade schon gehört. Auch ich konnte mich vor Ort von der guten Arbeit vor allen Dingen auch der ehrenamtlichen Mitarbeiter überzeugen. Vor dem Hintergrund der Hinweise zur Infrastruktur und zum technischen Gerät müssen wir schauen, was wir da noch tun können; darüber müssen wir noch einmal reden. Es muss zumindest nach und nach mehr investiert werden, damit es hinterher nicht zu einem großen Investitionsstau kommt, den wir dann nicht mehr in den Griff bekommen. Ich bin froh, dass uns die Abschmelzung der globalen Minderausgabe, zu der es in den nächsten Jahren kommt, einen gewissen Spielraum geben wird. Ich möchte kurz etwas zu den prioritären Maßnahmen mit einem Volumen von 23 Milliarden Euro sagen, die wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben. Es sind im Wesentlichen Maßnahmen, die unseren Kommunen direkt oder indirekt zugutekommen. Wir lassen uns das hier nicht schlechtreden. Es wird zwar viel kritisiert; aber man muss doch mal festhalten, dass der Bund sehr viel Geld zur Unterstützung der Kommunen in die Hand nimmt, obwohl er nicht zuständig ist. Zuständig sind nämlich die Länder, wie hier auch schon erwähnt worden ist. (Beifall bei der CDU/CSU) Hier seien nur die letzte Stufe der Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter im Umfang von 1,1 Milliarden Euro und die Unterstützung bei der Eingliederungshilfe ab 2018 im Umfang von 5 Milliarden Euro per annum erwähnt; (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann ist 2018 noch mal?) bis dahin erhalten die Kommunen – 2015, 2016 und 2017 – eine Unterstützung in Höhe von jeweils 1 Milliarde Euro. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo bleibt sie dieses Jahr?) Letzten Endes kommen auch die weiter vorgesehenen Milliarden für die Städtebauförderung und die Verkehrsinfrastruktur und die 6 Milliarden Euro zur Unterstützung der Länder bei der Finanzierung von Kinderkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen den Kommunen zugute. Wir werden allerdings darauf achten, dass dieses Geld dann auch bei den Kommunen ankommt und nicht an den Fingern der Länder kleben bleibt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Ergebnis bleibt festzuhalten: Angesichts aller finanzpolitischen Rahmenbedingungen liegt uns ein sehr guter Haushaltsentwurf vor, der die Anforderungen, wie wir sie im Koalitionsvertrag formuliert haben, voll und ganz umsetzt. Wir haben nicht nur einen Entwurf mit einem strukturell ausgeglichenen Haushalt vorliegen; nein, er beinhaltet sogar einen strukturellen Überschuss von 0,07 Prozent, was immerhin 1,81 Milliarden Euro sind. Alle im Koalitionsvertrag genannten Maßnahmen bis 10 Millionen Euro müssen zudem in den jeweiligen Einzelplänen des Haushaltes erwirtschaftet werden. Dafür gibt es kein zusätzliches Geld. Wer – nur das kann die Botschaft sein – weitere finanzielle Wünsche hat, der muss dafür Deckungsvorschläge liefern. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Frau Kollegin Woltmann, das war Ihre erste Rede hier im Deutschen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen dazu und wünsche Ihnen viele weitere Reden hier in unserem Parlament. (Beifall) Nächster Redner ist der Kollege Lars Castellucci, SPD. (Beifall bei der SPD) Dr. Lars Castellucci (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Innenministerium ist das Ministerium für gutes Zusammenleben. Aber es ist natürlich nicht alleine zuständig für gutes Zusammenleben: Alle sind vielmehr gefragt für gutes Zusammenleben, auch wir selbst sind gefragt. Die Basis für gutes Zusammenleben ist Respekt. Zu Respekt gehört für mich, Menschen vorurteilsfrei zu begegnen. Vor diesem Hintergrund finde ich es – seit ich diesem Gremium angehöre, noch mehr – schwierig, dass wir, wenn wir hier über Zuwanderung reden, häufig im nächsten Satz sofort von Missbrauch und im übernächsten Satz sofort von Kriminalität reden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) So schafft man keine gute Basis für gutes Zusammenleben, sondern das Gegenteil. Nun stecken vielleicht sogar gute Vorstellungen dahinter, wenn zum Beispiel betont wird, dass es um die Akzeptanz der Bevölkerung gehe. Selbstverständlich, um die Akzeptanz der Bevölkerung muss es uns immer gehen, und zwar bei allen Politikfeldern. Wer aber Zuwanderung, Sozialmissbrauch und Kriminalität immer in einem Atemzug nennt, der schafft gerade keine Akzeptanz, sondern Vorurteile. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) Nebenbei bemerkt: Damit trifft man auch die Zuwanderinnen und Zuwanderer, die man hier vielleicht lieber als andere haben möchte, nämlich die Ingenieurin oder jemanden, der etwas von IT versteht. Willkommenskultur und Fachkräftestrategien leistet man so jedenfalls einen Bärendienst. Dabei ist völlig klar – es steht ein aufrechter Protestant vor Ihnen –: Alle haben sich an die Spielregeln zu halten. Das ist immer richtig. Spielregeln zeichnen sich ja gerade dadurch aus, dass sie für alle gelten. Sie machen ja keinen Sinn, wenn sie nur für einige gelten. Also, die Straßenverkehrsordnung gilt für alle, aber wir wissen, dass sich nicht alle daran halten. Die Steuergesetze gelten für alle, aber wir wissen natürlich, dass sich nicht immer alle daran halten, (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) und zwar nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch Bayern! – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Häufig auch Nordrhein-Westfalen!) Meine Damen und Herren, Zusammenleben ist nie konfliktfrei. Natürlich gibt es immer auch Probleme. An die müssen wir ran, und das tun wir auch. Lieber Kollege Beck, wir stocken doch die Hilfen für die Städte, die besonders von Zuwanderung betroffen sind, auf. Wir stocken doch das Programm „Soziale Stadt“ auf. Es wird wahrscheinlich viele sozialdemokratische Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter geben, vielleicht sind auch noch ein paar grüne dabei, die dadurch eine gute Arbeit machen können. (Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Es sind auch Christdemokraten dabei!) Das Innenministerium ist das Ministerium für gutes Zusammenleben. Das heißt, wir gestalten Gesellschaftspolitik. Wir haben das Glück, dass die nicht immer Geld kostet, wir also die schwarze Null nicht gefährden mit dem, was wir tun. Das betrifft auch das Thema Optionspflicht. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Vorrednerinnen und Vorredner der Opposition eingehen. Wir alle wissen: Bisher mussten Kinder von Eltern mit ausländischer Herkunft mit Erreichen der Volljährigkeit in der Regel wählen, ob sie Deutsche werden wollen oder die Nationalität der Eltern behalten möchten. In der Praxis gab es damit Probleme, und es mussten bittere Entscheidungen getroffen werden: Entscheidet man sich für die deutsche Staatsbürgerschaft, dann kappt man seine Wurzeln, entscheidet man sich für die Staatsbürgerschaft der Eltern, verliert man das Wahlrecht, bekommt vielleicht Probleme auf dem Arbeitsmarkt usw., und das, obwohl man in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, sich zum Beispiel in Vereinen engagiert hat. – Die Große Koalition wird das nun beenden: Die Optionspflicht fällt weg. (Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist ein richtiger und wichtiger Schritt. (Beifall bei der SPD) Johannes Singhammer (CDU/CSU): Herr Kollege Castellucci, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck? Dr. Lars Castellucci (SPD): Ja, gerne. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn ich richtig informiert bin, fällt die Optionspflicht nicht weg, sondern das Kabinett hat einen Gesetzentwurf beschlossen, der die Optionspflicht an neue Bedingungen knüpft. Vor dem Hintergrund dieses Gesetzentwurfs möchte ich Sie fragen, ob Sie mir erklären können, welche sachlichen Überlegungen es dafür gibt, dass jemand, der einen deutschen Hauptschulabschluss hat, nicht optionspflichtig wird, während jemand, der ein französisches Abitur, also Baccalauréat, oder eine österreichische Matura hat, optionspflichtig wird. Was ist der Sinn dahinter? (Uli Grötsch [SPD]: Das stimmt nicht!) – So steht es im Gesetzentwurf. (Uli Grötsch [SPD]: Das stimmt nicht! Dafür gibt es die Einzelfallprüfung! – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Die sind innerhalb der EU!) Dr. Lars Castellucci (SPD): Herr Kollege Beck, erstens steht das so nicht im Gesetzentwurf, und zweitens muss man sich im Leben entscheiden, ob es irgendwann einmal von einem heißt: „Ihm ist zu jeder Frage eine Maximalforderung eingefallen“, oder ob es von einem einmal heißen soll: „Er hat etwas hingekriegt.“ (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich für meine Begriffe habe mich für die zweite Rolle entschieden. Ich bin stolz, dass wir jetzt miteinander einen wichtigen Schritt hinbekommen. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja eine dürftige Antwort!) Herr Kollege Beck, Sie wissen, dass aus Sicht der SPD mehr drin gewesen wäre – das ist keine Frage –; trotzdem halte ich den gefundenen Kompromiss für gut und richtig. Er zeigt doch: Wir sind auf dem Weg; das ist noch nicht das Ende des Weges, aber es ist ein wichtiger Meilenstein hin zu einem modernen Staatsangehörigkeitsrecht. (Beifall bei der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Trippelschritt! – Zurufe von der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte fortfahren. Die Themen Integration und Migration sind wichtige Schwerpunkte in unserer Ausschussarbeit. Die Kollegin Fograscher ist auf das BAMF schon eingegangen. Ich möchte noch einen Gedanken zu den Asylanträgen einbringen. Ich glaube, Frau Hajduk, es ist richtig, jetzt auf Qualität zu setzen und zu sagen: Das machen wir Stück um Stück. – Die Ziele haben wir festgelegt. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Instrumente nicht!) Zu der Frage gehört für mich aber auch folgende Überlegung: Wenn in diesem Bereich angeblich so viel Missbrauch herrscht, sind das Kernproblem dann die Menschen, oder ist das Kernproblem, dass die rechtliche Situation nicht wirklich tragfähig ist? In diesem Zusammenhang muss gesagt werden: Die europäische Flüchtlingspolitik hat ihre Defizite. Wir haben uns vorgenommen, dieses Thema anzugehen. Wir müssen da ran. Ein weiteres Thema sind die Integrationskurse. Auch in diesem Bereich wollen wir die Qualität verbessern; das ist richtig. Wir wollen die Kurse näher zu den Menschen bringen. Auch wir sind nicht damit zufrieden, dass es in diesem Bereich trotz eines Mehrbedarfs eine Absenkung im Haushaltsentwurf gibt. Das wird in den fachlichen Beratungen eine Rolle spielen. Ich bin mir sicher, dass wir hier Bewegung in die Sache bringen können. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle miteinander und auch dieses Land lernen erst, was es heißt, Zuwanderungsland zu sein. Der Bundestag ist ein Spiegel der Gesellschaft, und das zeichnet ihn ja aus. Das heißt, wir werden miteinander ringen, aber wir kommen auch miteinander voran. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als Nächstem erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Reinhard Brandl, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der heute eingebrachte Haushalt ist der Beleg dafür, dass die Große Koalition hält, was sie verspricht. Sie tut dies auch im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Auch dafür ist der Haushalt ein Beleg. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie jetzt bei dem Integrationstitel untermauern, wie Sie das halten, was Sie versprechen! Mit weniger Mitteln!) Im Geschäftsbereich des BMI ist der Rahmen der Möglichkeiten, politische Akzente zu setzen, besonders eng. Es handelt sich um einen Verwaltungshaushalt: 55 Prozent der Ausgaben sind Personalkosten, 95 Prozent der Ausgaben sind gesetzlich oder vertraglich gebunden und damit nicht disponibel. Dennoch ist es gelungen, etwa 50 Millionen Euro entsprechend unseren politischen Zielsetzungen umzuschichten. Und diese haben wir in unserem Koalitionsvertrag beschrieben. Ein Thema, das wir im Koalitionsvertrag beschrieben haben und mit diesem Haushalt angehen, ist die Beschleunigung der Asylverfahren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhält 14 Millionen Euro für Sachausgaben mehr und zusätzlich etwa 300 neue Stellen. Das wird kurzfristig helfen, den Antragsstau aufzulösen und die steigende Zahl der Anträge zu bewältigen, und es wird langfristig helfen, die Verfahrensdauer zu verkürzen. Aber Geld und Stellen sind dabei nur ein Teil der Lösung. Wir brauchen auch qualifizierte Menschen, um diese Stellen zu besetzen, und wir brauchen auch adäquate gesetzliche Rahmenbedingungen, nach denen diese Menschen arbeiten können. Der Minister hat dazu bereits einiges ausgeführt. Der zweite wichtige Punkt aus dem Koalitionsvertrag ist das Thema IT-Sicherheit. Wir als Bund haben ein echtes Kompetenzzentrum für dieses Thema: das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Wie wichtig dieses Kompetenzzentrum auch für den Bürger ist, haben wir spätestens Mitte Januar dieses Jahres gesehen, als das BSI in hochprofessioneller Art und Weise die Warnaktion bezüglich der gestohlenen Identitäten organisiert und auf den Weg gebracht hat. Wir erinnern uns: 16 Millionen E-Mail-Adressen und die zugehörigen Passwörter wurden entwendet. Das BSI hat daraufhin die Internetseite sicherheitstest.bsi.de auf den Weg gebracht. Innerhalb weniger Wochen haben 30 Millionen Menschen ihre E-Mail-Adresse dort eingegeben, um herauszufinden, ob sie betroffen sind. Darunter waren auch 1,6 Millionen E-Mail-Adressen mit gestohlenen Identitäten. Seit letzter Woche gibt es einen neuen Fall. Diesmal sind 18 Millionen E-Mail-Adressen betroffen. Stand von heute, 12 Uhr, ist, dass seit gestern 9 Millionen Menschen das entsprechende Angebot des BSI in Anspruch genommen haben. 270 000 der seit gestern überprüften E-Mail-Adressen konnten dabei als gestohlene Identitäten identifiziert werden. Die Bürger wurden gewarnt. Mit ihren Daten kann nun kein Missbrauch mehr stattfinden. Meine Damen und Herren, die Aufbereitung dieser Daten und die adäquate Warnung der Bürger, ohne dabei selbst gegen den Datenschutz bzw. gegen Datensicherheitsbestimmungen zu verstoßen, erfordern einen enormen organisatorischen und logistischen Aufwand. Ich möchte – ich glaube, dies kann ich im Namen des ganzen Hauses tun – heute den Menschen im BSI danken, die das in hervorragender Weise organisiert haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir werden auch das BSI weiter stärken, jetzt erst einmal mit 2 Millionen Euro jährlich mehr für die IT-Sicherheitsforschung und 3 Millionen Euro zusätzlich für die Sicherung der Regierungskommunikation. Damit sind wir beim nächsten Punkt aus dem Koalitionsvertrag: Stichworte NSA bzw. Spionageabwehr. Auch hier ist Geld für die Verbesserung der IT-Sicherheit ein Teil der Lösung, aber nicht die ganze Lösung. Es geht vielmehr um die Frage, wie wir in Europa und in Deutschland ein Stück weit technologische Souveränität zurückgewinnen. (Beifall des Abg. Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]) Das wird uns in den nächsten Jahren noch an vielen Stellen beschäftigen. Auch bei der anstehenden Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur des Bundes werden wir über dieses Thema reden. Das geht weit über den aktuellen Haushalt des Bundesinnenministeriums hinaus. Aber auch in diesem Haushalt werden die entsprechenden Ansätze verstärkt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz erhält 4 Millionen Euro mehr und die Bundespolizei erhält 12 Millionen Euro mehr für die Stärkung der IT-Sicherheit. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich könnte die Liste fortsetzen. Meine Vorredner sind ja bereits auf viele Punkte eingegangen. Der Haushaltsentwurf enthält Stellenhebungen bei der Bundespolizei, einen Aufwuchs der Mittel bei der Spitzensportförderung, mehr Investitionen in E-Government und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt usw. Mir geht es aber nicht um die Vollständigkeit der Aufzählung, sondern mir geht es darum, Ihnen in den wenigen Minuten Redezeit, die ich habe, vor Augen zu führen, wie sich der Koalitionsvertrag ganz konkret in dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern widerspiegelt. Ich möchte dem Bundesinnenminister ganz herzlich für die Vorlage dieses Haushaltsentwurfs danken. Er ist eine gute Vorlage für die weiteren Beratungen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Verschiedene Vorredner haben es bereits angesprochen: Es gibt auch in diesem Haushaltsentwurf Bereiche, an denen wir in den Beratungen noch weiter arbeiten müssen. Frau Hajduk und Herr Castellucci haben zum Beispiel das Thema Integrationskurse erwähnt. Auch das THW wurde angesprochen. Ich kann auch für meinen Mitberichterstatter Martin Gerster von der SPD sprechen: (Martin Gerster [SPD]: Ja!) In den vergangenen Wochen haben uns zahlreiche Kollegen aus den Wahlkreisen kontaktiert und uns deutlich gemacht, wie wichtig das THW ist. Wir wissen das. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Richtig!) Wir wollen die Arbeit der Ehrenamtlichen fördern. Das wird sich auch in den Haushaltsberatungen entsprechend widerspiegeln. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Viel Zeit für die Beratungen haben wir ja nicht; wir wollen den Haushalt – es ist ja der Haushalt für 2014 – möglichst bald auf den Weg bringen, aber, meine Damen und Herren, ich kann Ihnen versichern: Wir werden die Zeit gut nutzen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank, Herr Kollege Brandl. – Als abschließendem Redner zu diesem Einzelplan erteile ich dem Kollegen Matthias Schmidt, SPD, das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Innenpolitik ist auch Sportpolitik. Im Bundeshaushalt sind beide Politikfelder in einem Einzelplan vereint. Wir hier im Bundestag haben uns entschieden, beides in verschiedenen Ausschüssen zu organisieren. Ich selbst bin Mitglied im Innen- und im Sportausschuss und möchte meinen Schwerpunkt jetzt auf die Sportpolitik legen. Herr Minister, quasi als Obersatz: Sie haben einen ordentlichen und anständigen Entwurf des Sporthaushalts vorgelegt. Hierfür gebührt Ihnen persönlich Dank, aber selbstverständlich auch Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Sportabteilung. Ich bitte Sie, diesen Dank von uns zu übermitteln. Die Kolleginnen und Kollegen mussten ja bekanntlich zwei Entwürfe vorlegen, einen unter der schwarz-gelben Regierung und jetzt aktuell einen neuen. Ihre Botschaft von den 8 Millionen Euro mehr, Herr Minister, ließ ja viele Sportlerinnen- und Sportlerherzen höher schlagen, übrigens auch die Herzen von Funktionären. Aber wir sollten da etwas genauer hinschauen; denn die 8 Millionen Euro mehr bezogen sich auf die Ansätze im ersten, dem schwarz-gelben Regierungsentwurf. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Ein komischer Vergleich!) Vergleicht man die Haushaltsansätze von 2013 und 2014, ergibt sich ein Mehr von 2,7 Millionen Euro für den Sport. Auch das ist eine gute Botschaft. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber weniger!) Die erste Million davon kommt der NADA und damit ihrem wichtigen und engagierten Kampf gegen Doping zugute. Die Finanzierung der NADA ist und bleibt für meine Fraktion ein wichtiges Anliegen. Aber – lassen Sie mich auch das an dieser Stelle deutlich sagen – die Finanzierung der NADA ist ein Gemeinschaftsprojekt der sogenannten Stakeholder: des Sports, der Wirtschaft, des Bundes und der Länder. (Beifall bei der SPD) Die Länder sollten an dieser Stelle nicht aus ihrer Verantwortung entlassen werden; Herr Minister, Sie haben darauf zu Recht hingewiesen. Bisher gibt es nur ein Land, das an dieser Stelle seiner Verantwortung gerecht wird und mitzahlt. Dies gilt es deutlich zu kritisieren. Wir müssen schauen, welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Kommen wir zu anderen Nachrichten, die dieser Haushalt zu bieten hat. Der Spitzensport lebt von seinen Wettkämpfen. Hier sind natürlich an zentraler Stelle Olympische und Paralympische Spiele zu nennen. Die gezielte Vorbereitung der Topteams der Spitzenathletinnen und -athleten auf die Wettkämpfe ist in jeder Hinsicht aufwendig und – Sie alle werden es sich denken können – kostet Geld. Dieses Geld ist gut investiert. Wir begrüßen es, dass der Haushalt hier einen deutlichen Aufwuchs vorgesehen hat. Dies gilt ebenso für die Förderung von IAT und FES, in der Langfassung Institut für Angewandte Trainingswissenschaft bzw. Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten. Lassen Sie mich zum FES ein paar Sätze sagen. In der öffentlichen Debatte wird das FES oftmals leider nur mit dem Bobsport verknüpft. Das greift viel zu kurz; der Bob selbst wäre übrigens nach Aussage der Sportlerinnen und Sportler in Sotschi zu Gold gefahren, wenn er nur schnell genug angeschoben worden wäre. Die Ergebnisse im Bobsport waren also nicht etwa die Folge eines technischen Problems. Was FES und IAT betrifft, möchte ich Sie bitten, sich jeweils zwei Zahlen zu merken: beim FES die Zahlen 10 und 14, beim IAT die Zahlen 20 und 7. Das FES unterstützt derzeit die Tätigkeit von 10 Spitzenverbänden. 14 weitere Verbände stehen Schlange; sie würden gerne gefördert werden, können aber nicht gefördert werden, weil kein Geld dafür da ist. Beim IAT sind es 20 Spitzenverbände, die gefördert werden, und 7, die außen vor bleiben, weil kein Geld da ist. Allein deswegen ist der Mittelaufwuchs in diesem Bereich ein sehr gutes und ein wichtiges Zeichen. Besonders freut es mich, dass ein Teil dieses Fördermittelzuwachses dem Deutschen Behindertensportverband, DBS, zugutekommen soll; denn der DBS leistet hervorragende Arbeit für unsere ganze Gesellschaft, er lebt den Inklusionsgedanken. Ich selbst konnte mich gemeinsam mit dem Kollegen André Hahn bei den Paralympischen Spielen in Sotschi von den tollen Leistungen der Sportlerinnen und Sportler überzeugen. Sie sind uns ein Vorbild, in sportlicher und in menschlicher Hinsicht. Darum ist es gut, dass der DBS stärker gefördert wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE]) Ein wenig nachdenklich macht mich, dass die Fördermittel für „Jugend trainiert für Olympia“ und „Jugend trainiert für Paralympics“ nach dem Haushaltsentwurf um die Hälfte reduziert werden. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir waren doch alle einmal Teil von „Jugend trainiert für Olympia“, haben mitgefiebert. Ich selbst bin über ein Landesfinale nie hinausgekommen. Ich wäre auch gern nach Berlin gefahren und hätte da mitgemacht. Es sind doch Hunderttausende von Jugendlichen, die an dieser Stelle engagiert sind. Natürlich ist diese Veranstaltung eher dem Breitensport zuzuordnen; aber allein die Bezeichnung „Bundesfinale“ legt doch auch eine gewisse Bundeszuständigkeit nahe. Und seit 2010 sind auch Kinder und Jugendliche mit Behinderung dabei, im Rahmen von „Jugend trainiert für Paralympics“. Der DBS hat uns im Ausschuss gesagt, dass dies hervorragend ist, nicht allein wegen der Spitze, des Bundesfinales in Berlin, sondern auch weil an den Schulen, an der Basis, gemeinsame Sportveranstaltungen gelebt werden. Ich fände es ein schwieriges Zeichen, wenn wir jetzt an dieser Stelle kürzen. Ich würde mir wünschen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir könnten im Ausschuss noch einmal intensiv darüber diskutieren. (Beifall bei der SPD) Herr Präsident, ich habe Ihren Blick gespürt; (Heiterkeit – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Und das Blinken gesehen!) ich komme jetzt auch zum Schluss. Vizepräsident Johannes Singhammer: Das ist eine ganz besondere Gabe: diesen Blick zu spüren. (Heiterkeit) Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sportpolitik ist auch Innenpolitik. Engagieren wir uns gemeinsam weiterhin für die Menschen in unserem sportbegeisterten Land! Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank, Herr Kollege Schmidt. Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor. Wir kommen deshalb jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Wir warten vielleicht noch kurz, bis die entsprechenden Wechsel auf den Sitzen stattgefunden und die Fachkollegen Platz genommen haben. – Ich denke, dass das jetzt weitgehend erfolgt ist, und darf das Wort dem Bundesminister Heiko Maas erteilen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem vorhin in der Debatte der Etat des Kollegen de Maizière schon als nicht der größte bezeichnet worden ist, kann ich Ihnen sagen: (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt noch kleinere!) Jetzt sind Sie beim kleinsten Etat dieser Bundesregierung. Aber dieser kleinste Etat ist – das werden Sie sicherlich schon erkannt haben – der Beweis dafür, dass die absolute Höhe der Haushaltsmittel nichts mit der Bedeutung einer Aufgabe oder eines Ressorts zu tun hat. Hinzu kommt – das sei bei einer Haushaltsdebatte einmal vorausgeschickt –, dass das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eine Kostendeckungsquote von 72,4 Prozent hat; das heißt, 72,4 Prozent unserer Ausgaben erwirtschaften wir selber. Wenn das in der gesamten Bundesregierung so wäre, hätten wir weitaus weniger Probleme. Meine Damen und Herren, ich habe Ende Januar wie die Kolleginnen und Kollegen der Regierung insgesamt die Möglichkeit gehabt, Ihnen vorzustellen, was wir uns für dieses Jahr, insbesondere für die ersten Monate, im Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgenommen haben. Ich finde, dass sich die Bilanz nach den ersten 100 Tagen durchaus sehen lassen kann: Wir haben mit dem Gesetzentwurf zur Sukzessiv-adoption das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. Auch wenn die Diskussion darüber geführt wird, dass man möglicherweise noch mehr tun kann, (Jan Korte [DIE LINKE]: Mehr tun muss, nicht nur kann!) ist das, glaube ich, ein ganz wesentlicher Schritt zu mehr Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in unserem Land gewesen und damit unsere Gesellschaft erneut ein Stück moderner gemacht worden. (Beifall bei der SPD) Wir haben den Referentenentwurf zur Mietpreisbremse mittlerweile in der Ressortabstimmung und an die Länder und Verbände verschickt. Auch das ist ein wichtiges Gesetzgebungsvorhaben. Ich glaube, das braucht man hier in Berlin nur wenigen zu sagen; aber auch Menschen, die in Hamburg, München, Köln, Düsseldorf oder Frankfurt zurzeit auf Wohnungssuche sind, stellen fest, dass die Mieten explodieren. Wir sind der Auffassung, dass das Wohnen, also die Tatsache, dass man eine Wohnung hat, ein wichtiges Gut ist. Nur weil man zurzeit mit allerlei Finanzprodukten keine Rendite auf den Finanzmärkten mehr erzielt, kann es nicht sein, dass die Wohnungswirtschaft sozusagen das neue Eldorado der Profitmaximierung wird. Deshalb ist es richtig, die Mietpreisbremse einzuführen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE]) Wir haben auch – das ist mir wichtig – die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses in einen Gesetzentwurf gegossen und diesen hier eingebracht. Daneben haben wir mittlerweile auch die Leitlinien zur Frauenquote für Aufsichtsräte vorgestellt, die ich jetzt zusammen mit Bundesministerin Manuela Schwesig umsetzen werde. Last, but not least ist der Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch ebenfalls fertig und soll noch in dieser Woche in die Ressortabstimmung. Ich denke, bei dem, was wir in diesen drei Monaten alles auf den Weg gebracht haben, kann man durchaus sagen: Die Rechtspolitik der Bundesregierung hat eine neue Dynamik gewonnen und besitzt ein neues Selbstbewusstsein, und das fußt auf Taten im Ministerium. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, das Ministerium ist aber auch größer geworden: Der Verbraucherschutz – die Verbraucherpolitik in Recht und Wirtschaft sowie im Sozial- und im Gesundheitswesen – ist hinzugekommen. Alle Stellen, die es dafür im Landwirtschaftsministerium gegeben hat, wechseln nun nach einer Absprache mit dem Kollegen im Landwirtschaftsministerium ins BMJV. Zugleich werden auch die notwendigen Haushaltsmittel in den Einzelplan überführt. Das ist, wie ich finde, eine gute Nachricht; denn das bedeutet, dass die Verbraucherorganisationen auch in Zukunft nicht nur einen starken Partner in der Bundesregierung haben, sondern – das bestätigen mittlerweile auch die Verbraucherorganisationen – dass das zuständige Ministerium neben den notwendigen Mitteln vor allen Dingen über die Kompetenzen verfügt, den Verbraucherschutz in den jeweiligen Bereichen durch Gesetze zu stärken. Damit kommen wir zu dem Ergebnis, dass jetzt auch beim Verbraucherschutz die Zeit der Appelle vorbei sein wird. (Beifall bei der SPD) Wir haben uns vorgenommen – das gilt für diesen Haushalt, aber vor allen Dingen für den nächsten Haushalt –, insbesondere zwei Dinge, die im Koalitionsvertrag verabredet worden sind, auf den Weg zu bringen: Das Erste ist, dass wir den Sachverständigenrat für Verbraucherfragen neu aufsetzen wollen. Er wird für uns bei der Beantwortung ständig auftretender Fragen aus dem Bereich des Verbraucherschutzes mehr als nur eine Hilfe sein. Es gibt nicht nur viele Organisationen, die bereits darauf warten; eine große Fülle von Expertinnen und Experten ist bereit, sich dort zur Verfügung zu stellen. Das zweite große Projekt im Verbraucherschutz ist der Aufbau der Finanzmarktwächter und der digitalen Wächter. Zusammen mit den Verbraucherzentralen wollen wir ein Netzwerk von Organisationen und Stellen aufbauen, die nicht nur die Märkte beobachten, sondern Missstände auch sehr schnell an die Aufsichtsbehörden, die Politik und den Gesetzgeber weitergeben können. Ich glaube, dass das ganz besonders zu einer wesentlichen Verbesserung der Qualität der Verbraucherpolitik in Deutschland führen wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch Verbraucherorganisationen wie die Stiftung Warentest oder der Bundesverband der Verbraucherzentralen haben in unserem Ministerium nicht nur in der Sache starken Rückhalt. Das hat sich schon in unterschiedlichen Fällen gezeigt, etwa bei der Diskussion um die Firma Prokon. Hier konnten wir zusammen mit der BaFin eine Lösung auf den Weg bringen. Aktuell ist hier auch die – sicherlich nicht einfache – Frage zu nennen: Wie geht es mit den Bewertungsreserven bei den Lebensversicherungen weiter? Hier funktioniert die Zusammenarbeit außerordentlich gut. Ich finde, diese Organisationen sollten wir stärken. Dabei will ich auf einen Punkt hinweisen: Ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucherpolitik – das ist mittlerweile in vielen Bereichen so – wird auf EU-Ebene und vor allen Dingen in Brüssel gemacht. Dort ist die Indus-trie mit zahllosen Lobbyisten präsent. Wir müssen dafür sorgen, dass dort, wo mittlerweile viel Recht gesetzt wird, das wir lediglich umsetzen, die Belange der Verbraucherinnen und Verbraucher vertreten sind. Ich finde, die Verbraucherzentrale muss deshalb mit einem festen Büro dauerhaft in Brüssel präsent sein. Dieses Büro wird im kommenden Jahr Teil unserer institutionellen Förderung sein. Damit werden wir den Verbraucherschutz organisatorisch ganz besonders stärken. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch wenn wir in einer Haushaltsdebatte sind, geht es nicht nur um Geld, sondern es geht vor allen Dingen natürlich um die richtige Politik. Ich will in der Rechtspolitik ein Thema aufgreifen, weil es sehr aktuell ist und weil es mir wichtig ist, darauf besonders hinzuweisen: In den vergangenen Monaten war in der Öffentlichkeit und auch hier viel von Kinderpornografie und Pädophilie die Rede. Die öffentlich geäußerte Abscheu darüber war groß und laut. Wo es hier Lücken im Recht gibt, werden wir diese schließen; das habe ich eben schon angekündigt. Aber eines sollte uns auch klar sein: Mit Gesetzen und Empörung alleine können wir unsere Kinder nicht schützen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Damit Kinder nicht zu Opfern werden, müssen wir in diesem Fall verhindern, dass Männer zu Tätern werden. Das erreichen wir nicht durch permanente Hysterie, sondern vor allen Dingen durch zielgerichtete Hilfe. Deshalb fördert das Justizministerium seit 2008 ein wichtiges Projekt an der Berliner Charité. Es hilft Männern mit pädophilen Neigungen, dass aus ihren Fantasien keine Taten werden. Die Nachfrage nach diesem Projekt ist groß. Inzwischen gibt es diese anonyme Hilfe in sieben deutschen Städten. Wir wollen in diesem Bereich nicht nur das Gesetz ändern, sondern wir wollen die Förderung für dieses Projekt kräftig ausweiten. Wenn Sie zustimmen, werden wir die Mittel für die Präventionsarbeit in diesem Jahr um 70 Prozent erhöhen. Auch das ist ein Hinweis auf unsere Schwerpunktsetzung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Meine Damen und Herren, es gäbe sicherlich noch vieles anzusprechen, was in diesem Ministerium von Bedeutung ist. Wir werden uns nicht nur mit den aktuellen technischen Fragen auseinandersetzen. Vielmehr haben wir uns zum Ziel gesetzt, grundlegende rechtspolitische Reformen anzupacken, auch wenn sie nicht im Koalitionsvertrag erwähnt werden, etwa im Strafgesetzbuch die Reform der Paragrafen zu Mord und Totschlag, ein unter Juristen schon lange debattiertes Thema. Wir haben jetzt eine Expertenrunde gegründet und wollen diese Diskussion fachlich führen und sie in ein Gesetzgebungsverfahren einmünden lassen. Zum Schluss ein Wort zum Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung. Der Europäische Gerichtshof hat – ich begrüße dieses Urteil – die Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung komplett für ungültig erklärt. Wir gingen – zugegebenermaßen – davon aus, dass die Richtlinie entsprechend dem Antrag des Generalanwaltes für überarbeitungsbedürftig erklärt, aber nicht komplett kassiert würde. Das Urteil geht damit weit über den Antrag des Generalanwaltes hinaus. Es geht auch deutlich – das ist eben schon angesprochen worden – über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in unserem Land hinaus. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) Das Gericht weist zum Beispiel darauf hin, dass es je nach Kommunikationsmittel und Datenart zu unterschiedlichen Speicherfristen kommen kann. Das ist ein völlig neues Feld, mit dem wir uns in unserer Debatte noch nicht auseinandergesetzt haben. Ich finde, das Urteil zeigt vor allen Dingen eins: Nicht alles, was technisch machbar ist, ist mit unseren Grundrechten vereinbar. Wenn es um Sicherheit geht, müssen auch die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger weiter respektiert werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Mit dem Urteil ist eine neue Situation eingetreten. Es gibt keine Richtlinie mehr, die wir umsetzen müssen oder können. Uns drohen auch keine Strafgelder mehr. Deshalb gibt es keinen Grund, voreilige Schlüsse aus dem Urteil zu ziehen. Wir alle werden es sicherlich sorgfältig auswerten müssen, und wir werden uns dann -gemeinsam und ergebnisoffen überlegen, welche Schlussfolgerungen im Verfahren, aber auch, welche Konsequenzen wir in der Sache daraus ziehen. Ich wäre außerordentlich froh, wenn dies eine Debatte würde, die wir vor allen Dingen sachlich führen könnten. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir schon lange!) Denn das wäre aller Ehren wert. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Nächster Redner ist der Kollege Roland Claus, Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Roland Claus (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich will mich in meiner Rede an das Motto halten: Lobend beginnen, kritisch ausführen, optimistisch enden. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Parteiparole war das denn?) – Das ist aus dem Handbuch des sozialistischen Leiters. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das steht aber auch in Handbüchern der evangelischen und katholischen Kirche. Wir haben bei diesem Etat die Situation, dass mit relativ wenig Geld viel gesellschaftliche Verantwortung übernommen wird. Man stelle sich nur einmal für Sekunden vor, wir hätten diesen Etat nicht: Wie viel würde uns für die Ausübung der Rechtsstaatlichkeit fehlen? Beispielsweise die meisten der obersten Gerichte. Es ist ein sogenanntes Verfassungsministerium. Ein solches ist in Zeiten Großer Koalitionen besonders wichtig, weil so übergroße Mehrheiten im Parlament, wie wir sie zurzeit haben, zuweilen denken, die Mehrheit sei schon Rechtsstaat genug. Auch und gerade die Opposition hat ein Interesse daran, dass die Ausübung dieser Rechtsstaatlichkeit auskömmlich finanziert wird. Ich will ein paar zentrale Themen aus Ihrem Ressort streifen. Wir wollen schließlich wissen, was mit dem gut angelegten Geld geschehen soll. Bei der Modernisierung des Staatsbürgerschaftsrechts sind wir der Auffassung, hier sind Sie glatt an der Zukunft vorbeigeschrammt. Sie haben einen Zwang zur Entscheidung zwischen Herkunft und dem, was viele Hierhergekommene als ihre neue Heimat empfinden, weiter aufrechterhalten. Das Überkommene wird lediglich reformiert. Damit werden wir uns nicht zufriedengeben und Ihnen weitergehende Vorschläge machen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Das wird nötig sein. Denn Große Koalitionen lieben auch die Formulierung „Maß und Mitte“. Beim Staatsbürgerschaftsrecht ist aus Maß und Mitte bestenfalls Mittelmaß geworden. (Michael Frieser [CDU/CSU]: Na, na!) Die Stenografen sollten Maß hier aber immer mit nur einem A schreiben, sonst wäre es beleidigend. (Heiterkeit – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Und mit scharfem S!) Die Lösung hieße auch hier: lieber Doppelpass als Mittelmaß. Ich will ein Wort zur Vorratsdatenspeicherung und zu dem heutigen EuGH-Urteil sagen. Dazu haben wir, glaube ich, vor wenigen Minuten neue Töne vom Bundesminister der Justiz gehört, und wir sind durchaus in der Lage, neue Töne wahrzunehmen. Wir möchten Sie darin bestärken, Ihren Platz an der Seite all derer in der Zivilgesellschaft und auch im Parlament zu sehen, die für ihre Freiheitsrechte eintreten. (Beifall bei der LINKEN) Wenn ein Innenminister so redet, wie er es getan hat, kann ich dafür noch ein gewisses Verständnis aufbringen. Aber aus guten Gründen sind das Innen- und das Justizressort in unserem Land getrennt. Wenn die Innenminister zuweilen überziehen, dann bleiben nur zwei Akteursgruppen übrig, die sie wieder in die Schranken verweisen können: Das ist die kritische Öffentlichkeit einschließlich der kritischen Öffentlichkeit im Parlament, und das ist die Justiz. Wer Zivilcourage will, Herr Minister, der muss auch Justizcourage zeigen. (Beifall bei der LINKEN) Bundesminister de Maizière hat gesagt, er bedauere ein bisschen, was im EuGH entschieden wurde. Der Justizminister hat gesagt, er begrüße es. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Herr Maas hat angekündigt, keine schnelle Entscheidung zu treffen, also den Prozess zu entschleunigen. Der beste Beitrag zur Entschleunigung, Herr Minister, ist der Verzicht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister, Sie haben das Wort „Mietpreisbremse“ von anderen politischen Akteuren übernommen. Wir werden Sie daran messen, wie Sie sich des Themas annehmen. Bislang jedenfalls wird das, was vorliegt, dieser Bezeichnung nicht wirklich gerecht. Ich will daran erinnern, dass zuerst die Linke dieses Thema angesprochen hat. (Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE] – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren vorher dran, Herr Kollege!) Dann hat sich die Bundeskanzlerin entschlossen, es im Wahlkampf zu übernehmen. Sie gestalten nun die Aufgabe aus. Den Beitrag meiner Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen werde ich selbstverständlich nicht vergessen. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE] – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir waren vorher dran!) Eine Institution, auf die der Minister eingegangen ist, ist das Deutsche Marken- und Patentamt. Das ist natürlich ein Mekka für Haushälter, weil diese Institution als Bundesbehörde sehr viel mehr Geld einnimmt als ausgibt. Deshalb haben wir Ihnen schon vor Jahren vorgeschlagen – wir erneuern heute diesen Vorschlag –: Setzen Sie sich für eine bessere personelle und sächliche Ausstattung des Patentamtes ein! Dann werden wir auch mehr Einnahmen generieren; das wäre ein vernünftiger Weg. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage das nicht, um als Haushälter die Kassen zu füllen. Mein Hauptargument ist, dass ein Patentstau für junge Erfinderinnen und Erfinder Gift im Geschäft ist. Sie haben zwar ihre wissenschaftliche Erkenntnis mit der Anmeldung geschützt. Wenn der Weg bis zur Vermarktung aber so lang ist, dann ist das in Zeiten globalisierter und schneller Erkenntnisgewinne ein Nachteil für sie. Dagegen können und müssen wir etwas tun. Das ist schon einmal gelungen. Ich finde, dass das aller Mühen wert ist. (Beifall bei der LINKEN) Das Ministerium hat sich vor einiger Zeit – wie ich finde, leider – für einen größeren Neubau am Bundesamt für Justiz in Bonn entschieden. Da drängen die jungen Leute, die klugen Köpfe mehr und mehr nach Berlin trotz oder wegen „Arm, aber sexy“, und Sie bauen in Bonn! Sie verharren in der Bonner Republik. Wir wiederholen unsere Forderung: Treten Sie ein für die Wiedervereinigung der Bundesregierung in Berlin, in der Bundeshauptstadt! (Beifall bei der LINKEN) Ich hatte eingangs ein optimistisches Ende versprochen; dazu komme ich jetzt. Der Haushaltsentwurf heißt so, weil er nicht so bleiben muss, wie er ist. Was die Koalition möglicherweise im Frühjahr noch nicht gelernt hat, kann sie im Herbst besser machen. Wir werden sie dabei begleiten als eine kritische, als eine heitere, aber auch als eine optimistische Opposition. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Thomas Strobl, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Rechtspolitik ist Gesellschaftspolitik. Rechtspolitik ist nicht nur Theorie, sondern gestaltet die Gesellschaft nachhaltig. Deswegen erlauben Sie mir, dass ich mit einem Blick aus der Gesellschaft auf die Rechtspolitik beginne. Ein frisch verheiratetes Ehepaar, beide berufstätig, hat sich eine neue Wohnung gekauft und sie liebevoll eingerichtet. Eines Tages kommen die beiden von der Arbeit nach Hause und finden alles verwüstet vor. Es ist eingebrochen worden: Ketchup und Mayonnaise aus dem Kühlschrank an den Wänden, einige Erbstücke gestohlen, das Geschirr aus den Schränken gerissen. Laptop, Computer und selbst die Stereoanlage sind weg. „Aber das Schlimmste“, sagt die Frau später, „ist das, was im Schlafzimmer passiert ist, wo gar nichts gestohlen wurde.“ Die Wäsche einschließlich der Unterwäsche wurde durchwühlt. Die Frau hat alles weggeworfen – vielleicht irrational – und sagt, sie fürchte sich noch immer, wenn sie ihr Schlafzimmer betritt. Bei allen erheblichen materiellen Schäden ist der entscheidende Punkt: Diese Frau traut sich nicht mehr alleine nach Hause. Wenn sie früher nach Hause kommt als ihr Ehemann, geht sie lieber zu Freunden, nicht mehr in ihr Heim, wo sie vorher noch Entspannung und Wohlgefühl hatte. Nein, sie hat Angst. Oder aber ganz praktisch: Bei uns ist vor kurzem in der Tiefgarage eingebrochen worden. Autos wurden aufgebrochen, Dächer aufgeschlitzt. (Burkhard Lischka [SPD]: Was ist denn da los in Baden-Württemberg?) Die Polizei hat ermittelt, die Autos sind inzwischen repariert, die Täter sind in diesem Fall sogar gefasst worden. Aber was für viele der Bewohnerinnen und Bewohner der Wohnanlage bleibt, ist Angst in dieser Tiefgarage. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bürger unseres Landes wollen sich auf ihren Staat verlassen können, gerade wenn es um ihre Sicherheit und auch wenn es um den Schutz ihres Eigentums geht. (Beifall bei der CDU/CSU) Jeden Tag wird in Deutschland 420-mal eingebrochen. In den 96 Minuten, in denen wir hier den Justizhaushalt debattieren, passiert das über 25 Menschen: 25-mal geschieht während dieser Debatte ein Einbruchsdiebstahl in Deutschland. Ich finde, das ist eine alarmierend hohe Zahl, und alarmierend ist das vor allem vor dem Hintergrund, dass diese Zahl ansteigt. In meiner Heimat Baden-Württemberg wurden aktuell 31 Prozent mehr Einbruchsdiebstähle verübt als noch vor einem Jahr. Täglich werden allein in Baden-Württemberg 31 Wohnungen aufgebrochen. Die Aufklärungsrate liegt bei gerade einmal 10 Prozent. Das heißt, nur drei von diesen 31 Einbruchsdiebstählen können aufgeklärt werden, 28 werden nicht aufgeklärt. Noch einmal: Es geht gar nicht allein um die materiellen Schäden, die angerichtet werden, sondern es geht um die tiefe Verunsicherung bei Bürgerinnen und Bürgern, bei Familien, wenn der private Rückzugsbereich, der Intimbereich verletzt wird. Jetzt kann jeder Bürger versuchen, sich selbst durch Alarmanlagen und anderes mehr zu schützen. Natürlich können wir es uns auch einfach machen und sagen, es seien vor allem die Länder, die hier tätig werden müssen. Aber ich finde, diese Art der Kriminalität, die die Bürgerinnen und Bürger vor allem ganz praktisch betrifft und die auch ihren Blick auf den Staat und auf die Rechts-politik vielleicht mehr als vieles andere prägt, diese Alltagskriminalität dürfen wir nicht ausblenden, sondern wir müssen sie in den Blick nehmen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie jetzt neue Gesetze, oder was?) Deswegen haben wir das miteinander in den Koalitionsvertrag geschrieben. Ich bin ganz gespannt, Herr Bundesjustizminister, welche Vorschläge uns hierzu aus dem Ministerium erreichen werden. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das BKA ist nicht zuständig für die Unterwäsche in Privatwohnungen!) Wir sollten im Übrigen auch nicht vergessen, besonders diejenigen zu schützen, die versuchen, uns zu schützen. Polizistinnen und Polizisten setzen Tag für Tag und Nacht für Nacht ihr Leben und ihre körperliche Unversehrtheit für uns ein. Sie halten den Kopf hin, wenn es brenzlig wird, und schützen uns alle. Bereits in der letzten Wahlperiode haben wir zu Recht dafür gesorgt, dass der Widerstand gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte strenger bestraft werden kann. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie neue Gesetze, oder was?) – Herr Ströbele, dass Sie das nicht interessiert, ist bekannt. – (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Ich will wissen, ob Sie neue Gesetze machen wollen!) Aber die Entwicklung der Gewalt gegen Polizeibeamte ist weiterhin alarmierend. Bei der Demonstration für den Erhalt des Kulturzentrums Rote Flora in Hamburg wurden Ende letzten Jahres mehr als 80 Polizisten verletzt. (Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das war ja klar!) – Waren Sie dabei? (Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Aber Sie wahrscheinlich!) Die Einsatzgruppe wurde mit Steinen, Flaschen und -Pyrotechnik beworfen. (Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) – Wissen Sie, wir finden das nicht so lustig, und wir finden es auch nicht lustig, dass inzwischen selbst Rettungssanitäter attackiert werden. Das ist eine Verrohung der Gesellschaft. Das machen wir nicht mit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) Diese Verrohung der Gesellschaft ist inakzeptabel, auch dann, wenn Sie von der Linken das lustig finden. Im Vergleich zum Jahr 2011 wurden im Jahr 2012 bundesweit insgesamt 5 451 Polizeivollzugsbeamte Opfer von Straftaten. Jeden Tag des Jahres 2012 wurden 15 Polizistinnen und Polizisten angegriffen. Auch hier gab es ein Plus von 10 Prozent. Das ist ein hohes Niveau der Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, gegen Einsatzkräfte. Das ist für uns inakzeptabel. Wir wollen diejenigen besser schützen, die uns jeden Tag schützen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ein weiteres Thema, das mir am Herzen liegt, ist der bessere Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuel-ler Ausbeutung. Als Union haben wir nun ein eigenes Eckpunktepapier erarbeitet. Jetzt werden wir gemeinsam mit dem Bundesminister der Justiz ein richtiges und umfassendes Opferschutzpaket auf den Weg bringen. Das entsprechende Gesetz wird – das hat der Bundesjustizminister angekündigt – noch vor Ostern innerhalb der Bundesregierung in die Ressortabstimmung gehen. Das ist ein gutes Zeichen für alle Opfer. Wir werden versuchen, das Ganze noch vor der Sommerpause ins Bundesgesetzblatt zu bringen. Es wird künftig keinen Handel mehr mit und keinen Tausch mehr von Bildern von nackten Kindern geben. In Deutschland macht man in Zukunft mit Bildern von nackten Kindern keine Geschäfte mehr. Das werden wir beenden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir werden auch die Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch künftig erst ab dem 30. Lebensjahr beginnen lassen, weil wir aus vielen Gesprächen mit Opfern wissen, dass diese über viele Jahre, ja Jahrzehnte traumatisiert sind, sich nicht offenbaren können. Dem wollen wir mit dem Hinausschieben des Beginns der Verjährung Rechnung tragen. Wir schließen auch eklatante Strafbarkeitslücken. Es ist doch für jedermann klar, dass zwischen einem Vertretungslehrer und einem Schüler oder einer Schülerin ein Über-/Unterordnungsverhältnis, auch ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Deswegen stellen wir solche sexuellen Beziehungen richtigerweise und unbestrittenerweise unter Strafe. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht doch schon längst im Gesetz!) – Dass das nur für einen Lehrer, aber nicht für einen Vertretungslehrer gelten soll, das kann vielleicht der Kollege Ströbele erklären. Wir können das nicht erklären. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Ströbele, wollen wir auch eine solche Strafbarkeitslücke schließen, (Beifall bei der CDU/CSU) um die Jugendlichen zu schützen. (Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]) Klar ist: Mehr Gesetze bedeuten nicht automatisch mehr Gerechtigkeit. Der 2008 verstorbene Richter und Rechtspolitiker Rudolf Wassermann hat gesagt – ich zitiere –: Der Schutz des Bürgers vor dem Staat war das große Thema der 70er und 80er Jahre. Die 90er Jahre werden von dem neuen großen Thema beherrscht werden: dem Schutz der Bürger vor Gewalt und Verbrechen. Ich finde, dieser zweite Satz gilt heute mehr denn je. Ich glaube, das ist die große rechtspolitische Herausforderung zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund, Herr Bundesjustizminister, sollten wir auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung interpretieren. Es geht uns um den Schutz der Bürger vor Gewalt und Verbrechen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und vor dem Staat!) Der Europäische Gerichtshof hat uns heute die Vorratsdatenspeicherung nicht verboten. Luxemburg hat uns nicht zur Tatenlosigkeit verurteilt. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Es bleibt unsere Aufgabe, die Bürgerinnen und Bürger vor Gewalt und Verbrechen zu schützen, und das wollen wir tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Danke fürs Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Tobias Lindner, Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst eine Vorbemerkung zum Thema des Tages machen, zum EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung. Herr Minister Maas, ich bin froh, dass ich einen Erkenntnisprozess bei Ihnen wahrnehmen kann. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs – Sie haben es selbst erwähnt – ist klar und eindeutig. Im Namen meiner Fraktion fordere ich Sie auf: Handeln Sie ebenso klar und eindeutig, und setzen Sie sich innerhalb der Bundesregierung dafür ein, dass die Vorratsdatenspeicherung dahin kommt, wohin sie gehört: in die Schublade der Geschichte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich möchte, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der Bewerbungsrede des Kollegen Strobl zurück zum Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz kommen. Schon der Titel verrät es: Es geht hier um die Debatte eines durch die Große Koalition neu zugeschnittenen Ministeriums. Das ist eine Entscheidung, die ich persönlich mit Spannung betrachte. Ich weiß, es gibt unterschiedliche Meinungen darüber, wohin der Verbraucherschutz gehören mag. Ich glaube, man kann aus dieser Kombination spannende Dinge machen. Aber ich will ganz ehrlich sagen: Die Umsetzung dieser Entscheidung, die Konsequenz ist misslungen. Sie, Herr Maas, sind ein Minister, der im Verbraucherschutz zu geringe Zuständigkeiten hat und noch viel geringere finanzielle Mittel hat, um diese zu geringen Zuständigkeiten auszufüllen. Sie sind quasi ein König ohne Reich, was den Verbraucherschutz betrifft, oder – so würde man im Parlament eher sagen – ein Verbraucherschutzminister ohne Verbraucherschutzetat. Ich will das nur daran deutlich machen: Es reicht nicht, wenn nur ein Drittel der Mittel des Verbraucherschutzes aus dem Etat des ehemaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ins Justizministerium wandert. Es reicht nicht aus, wenn Sie Politik im Prozentbereich betreiben. Ich will dazu nur auf den Titel „Förderung von Innovationen im Bereich des Verbraucherschutzes“ zu sprechen kommen. Er war vormals mit 35 Millionen Euro ausgestattet. Ganze 1,5 Millionen Euro sind in Ihren Bereich gewandert; das sind schlappe 4 Prozent. Ich erwarte von Ihnen mehr als Verbraucherschutzpolitik im Prozentbereich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Burkhard Lischka [SPD]: Warten Sie doch mal ab!) – Den Kolleginnen und Kollegen von der SPD rufe ich zu: Wir freuen uns auf die Haushaltsberatungen mit Ihnen bzw. mit euch (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Sehr gern!) und sind dankbar für Unterstützung, wenn es darum geht, etwas zu verändern. (Zuruf der Abg. Elvira Drobinski-Weiß [SPD]) Zum Thema Marktwächter – Herr Maas, Sie haben es selbst erwähnt – muss ich sagen: Marktwächter haben wir Grüne schon lange gefordert. Eigentlich hätten wir uns freuen können, dass die Große Koalition sie in ihren Vertrag übernommen hat. Es ist wichtig, dass wir im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher Marktwächter haben, was Finanzprodukte, digitale Welt und neue Geschäftsmodelle betrifft. Aber leider ist es bisher – zu dem Schluss kommt man, wenn man den Etatentwurf für 2014 betrachtet – nur bei Ankündigungen geblieben. Die Marktwächter sind schlichtweg nicht etatisiert. Ich bin sehr gespannt, ob wir bis 2015 warten müssen (Burkhard Lischka [SPD]: Nein, müssen Sie nicht!) oder wie lange wir warten müssen, bis dieses Projekt umgesetzt werden kann. Zumindest nach dem Entwurf für 2014, wenn man den ernst nimmt, müssten wir darauf noch warten. Ein anderer Punkt, auf den Sie eingegangen sind, ist der Sachverständigenrat für Verbraucherschutz. Das ist ein Projekt, das man durchaus begrüßen kann. Aber es darf bei einem Sachverständigenrat für Verbraucherschutz nicht bei einer netten Kaffee- oder Teerunde bleiben. Der Rat muss angemessen ausgestattet sein, er braucht eine Geschäftsstelle und Mitarbeiter, wenn er wirklich wissenschaftliche Beratung leisten soll, wenn er wirklich Sachverstand versammeln soll, der dann auch der Politik zugutekommt. Auch hierzu muss man sagen: Es ist im Etatentwurf dazu nichts zu finden, und wir debattieren heute nun einmal über den Entwurf für 2014. Mehr als eine Ankündigung ist das bisher also nicht. Ich habe die Hoffnung, dass wir in den Haushaltsberatungen an der einen oder anderen Stelle noch Dinge verändern können, damit es nicht bei Ankündigungen bleibt. (Beifall der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]) Lassen Sie mich einen letzten Punkt aufzählen – Sie haben das selbst erwähnt –: institutionelle Zuschüsse für den Verbraucherzentrale Bundesverband und die Stiftung Warentest. Es ist richtig, dass man sich Brüssel zuwendet, aber das ist beileibe nicht genug, nachdem Sie im Koalitionsvertrag angekündigt haben, diese Mittel zu erhöhen und zu verstetigen. Man darf mit dem Etatentwurf nicht hinter diesen Ankündigungen zurückbleiben. Der Kollege Claus von den Linken hat durchaus, so denke ich, im Namen vieler hier herausgestellt, wo Justizpolitik wirklich wichtig ist und dass sich Koalition und Opposition einig sind, dass diese Bereiche angemessen ausgestattet sein müssen. Ich fordere Sie deshalb auf: Wenn Sie ein Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wollen, dann müssen Sie dies in Ihrem Haushalt nachvollziehen und dann dürfen Sie keine halben Sachen machen. Bleiben Sie nicht nur bei Ankündigungen, sondern sorgen Sie auch dafür, dass die Projekte, die Sie im Koalitionsvertrag beschreiben und die Sie heute hier angekündigt haben, Wirklichkeit werden können und angemessen ausgestattet sind. Wir Grüne werden dazu in den Haushaltsberatungen zahlreiche Vorschläge machen. Ich freue mich da über die Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen, die das ähnlich sehen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU-Fraktion erteile ich jetzt das Wort dem Kollegen Dr. Hendrik Hoppenstedt. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Etat des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz handelt es sich – das wurde schon gesagt – um den kleinsten Etat aller Bundesministerien. Das ist auch nicht weiter überraschend; denn Aufgabe der Rechtspolitik und damit auch Aufgabe des BMJV ist es, die grundlegenden Regeln für unser gesellschaftliches Zusammenleben in Gesetzentwürfe zu gießen. Mich freut es deshalb ganz besonders, dass die Rechtspolitik wieder stärker in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt ist. Das liegt sicherlich auch daran, dass wir im Koalitionsvertrag wichtige Themen aufgegriffen haben. In der Großen Koalition haben wir in dieser Wahlperiode schon einiges auf den Weg gebracht; auch das klang schon an. Die Stichworte sind: Bestechung von Mandatsträgern, Sukzessivadoptionen, Reform des Insolvenzrechtes und sehr bald auch die Vorratsdatenspeicherung. (Beifall bei der CDU/CSU) Weil Herr Maas heute in seiner Rede schon ein erhebliches Maß an Aufmerksamkeit genossen hat, möchte ich an dieser Stelle auch einmal Herrn Staatssekretär Lange erwähnen und ihm sehr herzlich für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit der letzten Monate danken, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) nicht nur im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, sondern auch ganz besonders im Unterausschuss Europarecht. Bei so viel Positivem gestatten Sie mir zwei kritische Bemerkungen: Erste Bemerkung. Auch wir laufen in der an sich sehr sachgeprägten Rechtspolitik gelegentlich Gefahr, in Aktionismus zu verfallen. Das betrifft nach meinem Dafürhalten insbesondere die viel diskutierte Mietpreisbremse. Die Mietpreisbremse allein löst das Problem zu weniger Wohnungen nicht. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat auch keiner behauptet!) Der Wohnungsbau muss angekurbelt werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir wollen, dass Wohnraum insbesondere in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten bezahlbar bleibt. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für wen bezahlbar?) Ich glaube, das ist Konsens in diesem Hohen Hause. Deshalb bekommen die Länder das Instrument der Mietpreisbremse an die Hand. Die Mietpreisbremse ist für Gebiete mit nachgewiesenermaßen angespannten Wohnungsmärkten gedacht. Hier sollen die Mieterhöhungen bei Wiedervermietung auf maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt werden können. Teilweise wird der Eindruck erweckt, dass die Mietpreisbremse alle Probleme des Wohnungsmarktes löst, wenn sie nur flächendeckend genug eingesetzt wird. Tatsache ist aber, dass die Mietpreisbremse überhaupt keine Probleme löst, sondern bestenfalls Symptome lindert. (Beifall bei der CDU/CSU – Burkhard Lischka [SPD]: Immerhin!) Sollten wir es in den nächsten fünf Jahren nicht schaffen, zu mehr Wohnraum zu gelangen, dann ist die Mietpreisbremse vor allen Dingen eines: ein Instrument, das geeignet ist, Politikverdrossenheit zu schüren, weil die Politik den Eindruck erweckt, Probleme zu lösen, die auf diese Art und Weise überhaupt nicht gelöst werden können. Mit der Erhöhung der Mittel für Städtebauförderung, die wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, wird der Bund deshalb seinen Beitrag leisten, um der Wohnungsknappheit zu begegnen. Auch die Länder, insbesondere aber die Kommunen stehen hier in der Pflicht. Durch Bauleitplanungen oder auch durch die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften werden überhaupt erst die Rahmenbedingungen gesetzt, um mehr Wohnungen zu schaffen. Weil die Mietpreisbremse eben nur Symptome lindert und zudem einen schweren Eingriff in die Eigentumsrechte von Vermieterinnen und Vermietern darstellt, möchten wir von Unionsseite sie vorsichtig und restriktiv einsetzen. Wir möchten sie zeitlich auf fünf Jahre begrenzen. Wir möchten sie auf diejenigen Gebiete begrenzen, in denen die Wohnungsknappheit nachweislich besonders hoch ist. Außerdem müssen die Länder parallel dazu Maßnahmenpläne erarbeiten, die beinhalten müssen, wie die Wohnungsknappheit innerhalb der nächsten fünf Jahre bekämpft werden soll. Und schließlich muss auch zwingend über die Erstellung von Mietspiegeln geredet werden; denn sie sind erforderlich, um ein realistisches Bild der Miethöhen in den jeweiligen Quartieren zu bekommen. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, meine zweite kritische Bemerkung zielt ab auf die Prioritäten, die wir manchmal in der Rechtspolitik setzen. Was ich damit meine, möchte ich an zwei Beispielen verdeutlichen: Herr Minister Maas, Sie haben eine Debatte über die Straftatbestände Mord und Totschlag – §§ 211 und 212 StGB – angestoßen, mit dem richtigen Hinweis, diese stammten noch aus der NS-Zeit. Damit wir uns nicht missverstehen: Wir als Union werden selbstverständlich an diesem Thema mitarbeiten und gegebenenfalls zu Verbesserungen gelangen. Da diese Paragrafen aber schon seit vielen Jahrzehnten in der Praxis existieren, ist im Umkehrschluss die Vermutung naheliegend, dass dieses Gesetz im Großen und Ganzen halbwegs funktioniert. Gleichzeitig höre ich aus Ihrem Hause, dass die Einführung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Angehörigenschmerzensgeldes noch mindestens zwei Jahre auf sich warten lassen wird. Meine Damen und Herren, wir gehören zu den letzten Ländern Europas, deren Rechtsordnung ein Angehörigenschmerzensgeld nicht kennt. Wir wissen, dass Eltern, die beispielsweise ihr Kind bei einem Verkehrsunfall durch das Verschulden eines Dritten verlieren, über diesen furchtbaren Verlust wahrscheinlich wohl nie wieder in ihrem Leben hinwegkommen. Wir wissen auch, dass ein Angehörigenschmerzensgeld dieses Kind nicht zurückholt. Aber ich denke, es ist wichtig, dass wir diesen Eltern als Zeichen der Solidarität einen solchen Anspruch zugestehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deswegen werden wir als Union sehr bald Vorschläge unterbreiten, wie ein Anspruch von Angehörigen auf Schmerzensgeld im BGB verortet und geregelt werden kann. Ein zweites Beispiel möchte ich nennen. In vielen Reden von Vertretern fast aller Fraktionen in diesem Hause wird immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig der Mittelstand für unsere deutsche Wirtschaft im Allgemeinen und für die Schaffung von Arbeitsplätzen im Besonderen sei. Dies gilt in erster Linie für das Handwerk. Wir haben deshalb im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass Handwerker nicht pauschal auf den Folgekosten von Produktmängeln sitzen bleiben sollen, die ein Lieferant oder Hersteller zu verantworten hat. Kauft ein Handwerker, ohne dies zu wissen, mangelhaftes Material, das er bei seinem Kunden einbaut, zum Beispiel Parkettstäbe, hat der Kunde einen Nachbesserungsanspruch. Der Handwerker muss die fehlerhaften Parkettstäbe auf seine Kosten ausbauen und fehlerfreie wieder einbauen. Der Handwerker seinerseits hat gegen seinen Verkäufer aber nur einen Anspruch auf Lieferung mangelfreier Parkettstäbe. Den wegen der hohen Lohnkosten zumeist viel teureren Ausbau und den anschließenden Einbau muss er aber selber bezahlen. Der Handwerker muss also zweimal arbeiten, bekommt aber nur einmal sein Geld. Diese Rechtsprechung hat der BGH erst in der letzten Woche bestätigt. Wir halten das für ungerecht, und deshalb wollen wir lieber das Gewährleistungsrecht schnell ändern, als rechtsdogmatische Debatten über das Verhältnis der Mord- und Totschlagparagrafen zu führen. Die praktische Relevanz des Gewährleistungsrechts ist meines Erachtens viel höher. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss eine persönliche Anmerkung machen. Bis vor wenigen Monaten war ich Bürgermeister der Stadt Burgwedel – das liegt in Niedersachsen –, einer der schönsten Städte, wie ich finde, die wir in Deutschland haben. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Das war klar!) – Das war klar. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wissen alle, wo das liegt!) – Es freut mich zu hören, Frau Künast, dass Sie auch über dieses Maß an Bildung verfügen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ja einfach!) Mich hat an der Kommunalpolitik immer die Tatsache begeistert, dass man parteiübergreifend für das Wohl einer Stadt arbeiten kann. Der Grundtenor in der Kommunalpolitik ist immer sachorientiert. Deswegen bin ich sehr dankbar und froh, dass ich jetzt im Rechtsausschuss mitarbeiten darf. Auch dort ist der Ton im Großen und Ganzen sachorientiert. Deswegen möchte ich an dieser Stelle allen Kollegen, nicht nur jenen meiner eigenen Fraktion und des Koalitionspartners, sondern auch jenen der Oppositionsfraktionen ein herzliches Dankeschön für die gute Zusammenarbeit sagen, verbunden mit der Freude auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nicht so voreilig!) In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Hoppenstedt, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag und wünsche Ihnen viele weitere Debattenbeiträge im deutschen Parlament. (Beifall) Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Kollegin Caren Lay, die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Caren Lay (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Es könnte Ihnen vielleicht entgangen sein, dass heute eigentlich der Haushaltsplan auf der Tagesordnung steht. Es wurde viel über ideelle Werte, über angekündigte Gesetze und über Wünsche gesprochen. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe Zahlen genannt!) Nur wenige Redner haben bisher über den Haushalt gesprochen. Ich kann mich meinem Vorredner von den Grünen, Herrn Lindner, anschließen: Darüber sollten wir an dieser Stelle wirklich sprechen. Es mag in der Rechtspolitik nicht entscheidend sein; aber für die Verbraucherpolitik gilt in der Tat, dass es nicht völlig egal ist, wie viel Geld im Haushalt steht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Schauen wir doch mal in diesen Haushalt hinein. Für den Bereich „Wirtschaftlicher Verbraucherschutz“ stehen gerade einmal 26 Millionen Euro zur Verfügung. Das hört sich jetzt vielleicht für die Zuhörerinnen und Zuhörer nach viel Geld an. Aber ziehen wir doch einmal einen Vergleich mit anderen Ministerien: 26 Millionen Euro für den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher auf den Märkten stehen 7,4 Milliarden Euro für den Bundeswirtschaftsminister gegenüber. Allein 270 Millionen Euro, also mehr als zehnmal so viel, wie wir hier zu verteilen haben, stehen für die Förderung der deutschen Wirtschaft im Ausland zur Verfügung. Das mag alles gut und schön sein. Fakt ist aber: Für wirtschaftlichen Verbraucherschutz gibt es zu wenig Geld. Die genannten Haushaltsposten stehen wirklich in keinem Verhältnis zueinander. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das können Sie überhaupt nicht beurteilen!) – Ich höre hier gerade einen wirklich unseriösen Zwischenruf aus den Reihen der CDU/CSU. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ich habe nur Ihre Urteilsfähigkeit bezweifelt!) Das muss mich nicht wundern. Aber ich denke, ich kann es ganz gut beurteilen. Ich arbeite schon seit vielen Jahren im Bereich der Verbraucherpolitik. Sie sind mir da noch nicht untergekommen. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das will ich auch gar nicht!) Aber das muss einer zukünftigen Zusammenarbeit nicht im Wege stehen. Ich kann nur sagen, dass es mich wundert, dass der Bundeslandwirtschaftsminister viermal so viel Geld für die Verbraucherpolitik zur Verfügung hat wie der Verbraucherminister. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das kommt doch noch!) Hier – das muss ich sagen – ist nicht gut verhandelt worden; auch hier muss deutlich nachgebessert werden. (Beifall bei der LINKEN) Das Schlimmste ist – auch hier kann ich an Herrn Lindner von den Grünen anknüpfen –: Ich sehe überhaupt keine Umsetzung des Koalitionsvertrages. Ich muss ganz ehrlich sagen: Dinge, die Sie, Herr Maas, hier angekündigt haben und die wir zum Teil unterstützen, beispielsweise die Einführung eines Marktwächters „Finanzmarkt“ und eines Marktwächters „Digitale Welt“, sehe ich bisher nur auf Ihrer Wunschliste, Herr Minister, nicht aber im vorliegenden Haushaltsentwurf. Das muss sich ändern. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es wäre höchste Zeit, beispielsweise einen Finanzmarktwächter einzuführen oder, wie wir Linke es schon seit vielen Jahren fordern, endlich dafür zu sorgen, dass es mehr unabhängige Finanzberatung und Schuldnerberatung gibt. Es bleibt dabei: Wenn jeder Haushalt eine unabhängige Finanzberatung in Anspruch nehmen wollte, dann müsste man ungefähr 30 Jahre auf den nächsten Termin bei der Verbraucherzentrale warten. Vor dem Hintergrund, dass Verbraucherinnen und Verbraucher über 50 Milliarden Euro im Jahr aufgrund falscher Finanzberatung verlieren – das sind die konservativen Schätzungen –, müssen wir hier dringend nachbessern. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, die Grundpfeiler der deutschen Verbraucherpolitik, Stiftung Warentest und vzbv, erhalten im Rahmen der institutionellen Förderung nicht mehr Geld. Nun kennen wir die Inflationsrate und den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Dann muss man so ehrlich sein, festzustellen: Wenn die Summe gleich bleibt, dann ist dies faktisch eine Kürzung. Das können wir so nicht akzeptieren. (Beifall bei der LINKEN) Auch ich will es mir natürlich nicht entgehen lassen, noch zu Themen zu sprechen, die nicht unmittelbar haushaltsrelevant sind, aber zu den großen verbraucherpolitischen Themen gehören, über die wir sprechen sollten. Die Mietpreisbremse ist schon angesprochen worden. Da sind wir als Linke in einer absurden Situation: Wir müssen als Oppositionsfraktion die Idee der Mietpreisbremse gegen einen der Koalitionspartner verteidigen. Wir haben schon gehört, dass hier von „Aktionismus“ gesprochen wurde, dass immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass die Mietpreisbremse die Gefahr birgt, dass Vermieterinnen und Vermieter – so darf ich es übersetzen – nicht mehr eine so hohe Rendite machen können. Wir von der Linken sind prinzipiell für eine Mietpreisbremse, aber wir sagen: Das, was bisher vorgelegt wurde, muss wirklich kein Vermieter fürchten. Erstens soll es nur dann gelten, wenn die Länder bereit sind, es umzusetzen. Wir hören in der Debatte heraus, dass die CDU/CSU alles daransetzen wird, es auszusetzen bzw. nicht umzusetzen. Das heißt übersetzt: In München, in Bamberg, in Frankfurt am Main oder auch in Dresden, also in Städten, die in den letzten Jahren enorme Mietpreissteigerungen erleben mussten, wird die Mietpreisbremse überhaupt nicht wirken. Insofern muss ich sagen: Das ist eine Mietpreisbremse, die ihren Namen nicht verdient hat. (Beifall bei der LINKEN) Bei Wiedervermietung einer Wohnung soll eine Miete, die 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, weiterhin erlaubt sein. Wenn beispielsweise hier in Berlin-Mitte ein alter Mietvertrag gekündigt wird und an einen Nachmieter vermietet wird, dann ist zunächst einmal die ortsübliche Vergleichsmiete der Maßstab. Das kann locker doppelt so viel sein. Dann darf man noch 10 Prozent drauflegen. Der geltende Mietpreisspiegel wird als Grundlage herangezogen. Aber der Mechanismus des Mietspiegels ist völlig falsch. So, wie er bisher berechnet wird, ist er ein Mieterhöhungsspiegel. Die Mietpreisbremse ist bestenfalls ein Tempomat. Den Namen „Bremse“ hat sie definitiv nicht verdient. (Beifall bei der LINKEN) Zum Schluss möchte ich ein Thema ansprechen, das heute noch keine Rolle gespielt hat; der Minister hat es offensichtlich gar nicht auf dem Plan, was ich sehr schade finde. Ihr Kabinettskollege und Parteivorsitzender, Sigmar Gabriel, hat heute die Eckpunkte für die Ökostromreform vorgelegt. Er ist fast wöchentlich nach Brüssel gereist und hat sich mit seinem gesamten Gewicht für die Interessen der deutschen Großindustrie eingesetzt. Schön und gut, aber die Verbraucherinnen und Verbraucher sind am Ende die Gelackmeierten. Es bleibt dabei: Die Stromkundinnen und Stromkunden werden weiterhin den Strom für die deutsche Großindustrie mitbezahlen. Wir als Linke können das nicht akzeptieren. Es wäre gut gewesen, wenn der Minister für Verbraucherschutz wenigstens einmal das Wort im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher ergriffen hätte. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die SPD spricht jetzt der Kollege Burkhard Lischka. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Burkhard Lischka (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mietpreisbremse, Maklerrecht, Frauenquote in Aufsichtsräten, Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung, Sukzessiv-adoption für homosexuelle Paare, Anti-Doping-Gesetz, Verbraucherrechte – wer die ersten gut 100 Tage dieser Großen Koalition Revue passieren lässt, der wird feststellen: Es tut sich endlich wieder etwas in der Rechts- und Verbraucherpolitik. Politik wird wieder gestaltet. Die drängendsten Probleme werden angepackt. Das ist auch gut so. Man kann sagen: Stillstand ist wahrlich nicht das Markenzeichen dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Beispiel Mietpreisbremse. Wehe dem, der im Augenblick hier in Berlin, in Hamburg oder in München eine Wohnung sucht. Steht der Umzugswagen erst einmal vor der Tür, sind Mietpreisexplosionen von 20, 30 oder sogar 40 Prozent vorprogrammiert. In vielen Innenstadtlagen wird es für ganz normale Menschen mit ganz normalen Einkommen immer schwieriger, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Herr Kollege Hoppenstedt, ich finde, darauf musste die Politik endlich reagieren. (Beifall bei der SPD) Allein auf die Selbstheilungskräfte des Marktes zu vertrauen, hieße doch, die Augen vor der Realität zu verschließen. Wir, Union und SPD, wollen gemeinsam, dass unsere Städte auch in Zukunft Heimat für Millionen von Normalverdienern bleiben. Dem Polizisten, der Krankenschwester, der Erzieherin, dem Rentner, der jungen Familie muss es auch in Zukunft möglich sein, in Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf oder Köln zu wohnen, und deshalb werden wir Mieterhöhungen deckeln. Davon werden Hunderttausende Normalverdiener profitieren. Die Reichen in die City und die Normalverdiener in die Außenbezirke – das kann nicht die Zukunft unserer Städte sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir werden – das ist in der heutigen Debatte noch nicht angesprochen worden, das wundert mich – mit einer weiteren Unsitte Schluss machen. Wer bisher in einer langen Schlange stand und auf die Besichtigung einer freigewordenen Mietwohnung wartete, der hat dort vor allen Dingen eine Berufsgruppe kennengelernt, nämlich die des Maklers. Bei dem musste der Wohnungssuchende zwar nur seinen Namen und seinen Gehaltszettel abgeben – das war es dann schon mit dem Makler –, dafür war hinterher die Rechnung, die man bekommen hat, wenn man das Glück hatte, die Wohnung zu bekommen, umso heftiger: 1 000 Euro, 2 000 Euro sind hier der regelmäßige Standard. Wofür eigentlich? Dafür, dass man über zwei Stunden im Hausflur gestanden und auf den Besichtigungstermin gewartet hat? Warum muss eigentlich ausgerechnet derjenige den Makler bezahlen, der ihn gar nicht beauftragt hat? Mit dieser Absurdität, die es seit Jahren und Jahrzehnten gibt, machen wir jetzt Schluss. Wer als Vermieter künftig einen Makler beauftragt, der muss ihn auch bezahlen. Auch das kommt Hunderttausenden Mieterinnen und Mietern in unserem Land zugute. (Beifall bei der SPD) Wir sorgen auch endlich für Bewegung beim Thema „Frauenquote in Aufsichtsräten“. Es war ein langer Weg hin zu einer gesetzlichen Frauenquote. Jetzt wird sie kommen. Viel zu viele Konzernspitzen hier in Deutschland sind nach wie vor Männerrunden mit verkrusteten Strukturen. Daran haben alle Selbstverpflichtungserklärungen der letzten zwölf Jahre überhaupt nichts geändert. Offensichtlich gibt kein Mann freiwillig etwas ab. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Das stimmt so auch nicht!) Deswegen werden wir mit einer gesetzlichen Frauenquote endlich ein Stück weit die Chancengleichheit herstellen, die sich von allein eben nicht einstellen würde. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Marco Wanderwitz [CDU/CSU]) Ein beliebtes Argument von so manchem Mann gegen die Frauenquote in den vergangenen Jahren war besonders dumm. Es lautete in etwa so: Eine Frau in einer Führungsposition könne sich doch gar nicht wohlfühlen, wenn sie diese Position nur wegen der Quote bekommen habe. Diesen Schlipsträgern sagen wir jetzt sehr deutlich: Es war in der Vergangenheit viel schlimmer. Da hat so manche männliche Niete in Nadelstreifen wegen irgendwelcher Männernetzwerke eine Position bekommen. Künftig werden Topfrauen mit der Rückendeckung des Gesetzgebers endlich die faire Chance erhalten, Toppositionen in ihrem Unternehmen zu bekommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich finde, in Zukunft muss keine Frau in einem Unternehmen ein schlechtes Gewissen haben. Nicht die gut qualifizierten Frauen in unserem Land, sondern mancher dumm daherredende Mann hat eine Quote bitter nötig. Schließlich werden wir auch bei der Verbraucherpolitik neue Maßstäbe setzen. Damit, dass beispielsweise sogenannte Finanzberater skrupellos selbst 84-Jährigen windige Schiffsbeteiligungen als sichere Altersvorsorge andrehen, nur um sich eine fette Provision einzustreichen, werden wir Schluss machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Für uns ist Verbraucherschutz weit mehr als nur Krisenbewältigung bei irgendwelchen Lebensmittelskandalen und Anlagebetrügereien. Wir wollen, dass sich mündige Verbraucher mit der Wirtschaft auf Augenhöhe begegnen können. Auch diesbezüglich haben wir vieles vor – das ist schon angesprochen worden –: Marktwächter in der digitalen Welt und auf den Finanzmärkten, Einrichtung eines Sachverständigenrates und vieles andere mehr. Diese Regierung hat in der Verbraucher- und Rechtspolitik noch viel vor. Daran werden wir auch in den kommenden gut drei Jahren hart arbeiten. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Renate Künast, Bündnis 90/Die Grünen. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zuerst auf die EuGH-Entscheidung von heute eingehen. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Aber -richtig!) Der EuGH hat heute quasi eine Zeitenwende eingeleitet. Das wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wie sich die Rechtspolitik in den letzten Jahrzehnten in den Bereichen Datenschutz und Grundrechte entwickelt hat – das ist schon beeindruckend –: Vor Jahrzehnten hat das Bundesverfassungsgericht gesagt: Es gibt ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Viele Jahre später hat es in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung kritisch entschieden. Heute hat der Europäische Gerichtshof glasklar entschieden – und weg ist die Richt-linie. Herr de Maizière hat vor einigen Stunden hier -gesagt, lieber wäre ihm gewesen, der EuGH hätte beanstandet und man hätte zwei Jahre Zeit bekommen, die Richtlinie zu überarbeiten. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wir sind froh darüber, dass sie sogar rückwirkend für ungültig erklärt wurde. Das ist wirklich ein Meilenstein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das wird mehr bringen, als zwei Jahre an diesem Teil herumzufummeln. Ich möchte aus der Entscheidung zitieren. Es wird gesagt, dass das Eingriffe „von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte“ sind, und zwar gegen alle und bei jeder Kommunikationsform. Das Gericht hat kritisiert, dass es keine Differenzierung gibt, sondern eine große Streubreite. Es hat kritisiert, dass ohne Anlass gespeichert wird, egal ob eine schwere Straftat vorliegt oder gar keine. Es hat kritisiert, dass es keine Beschränkung auf das absolut Notwendige gibt. Deshalb lautet das Ergebnis – das ist Fakt –: Die Zeitenwende beginnt mit dieser Entscheidung heute, weil jetzt klar ist, dass die Sicherheit definitiv nicht jedes anlasslose Eingreifen in unsere Grund- und Menschenrechte rechtfertigt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will an dieser Stelle durchaus auch Folgendes sagen: Herr Maas, es ist wohltuend, wie Sie sich in der Debatte verhalten haben, klar und auch mal abwartend, was das Gericht uns aufgibt. Ich finde es auch wohltuend, wie Sie sich heute äußern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich muss allerdings anfügen, dass die Bundesdatenschutzbeauftragte, wie ich gerade gelesen habe, sagt: Einmal abwarten, ob der europäische Gesetzgeber eine neue Richtlinie macht oder nicht, und dann schauen wir weiter. – Das löst bei mir die Frage aus: Wozu brauchen wir eigentlich eine Bundesdatenschutzbeauftragte? In dieser Hinsicht ist es ein Tag zum Zweifeln. Jetzt habe ich genug gelobt. Herr Maas, Sie und auch Herr Lischka haben gerade gesagt: Die Rechtspolitik und die Verbraucherpolitik haben einen neuen, einen hohen Stellenwert. Alles ist ganz toll. – Ich muss ehrlich sagen: Auch hier finde ich wieder nur jede Menge Ankündigungen. Bei der Rede von Herrn Lischka hatte ich schon das Gefühl, dass er, wenn er hier nur wiederholt, was in 100 Tagen angekündigt wurde, schon Lob für große politische Errungenschaften bekommt. So dumm sind wir nicht, Herr Lischka. Wir können sehr wohl zwischen Ankündigungen und einem Gesetz im Bundesgesetzblatt unterscheiden. (Burkhard Lischka [SPD]: Sie werden staunen, wie schnell das geht!) Schauen wir uns einmal an, was alles angekündigt wurde: Frauenquote, Mietpreisbremse, Adoptionsrecht, Anlegerschutz, Kinderschutz im Strafrecht, Antidopinggesetz, Modernisierung des Mordparagrafen, Verbesserung des Datenschutzes, No-Spy-Abkommen, Einrichtung eines Sachverständigenrats für Verbraucherfragen und Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters. Meine Redezeit reicht nicht aus, jetzt bei jedem dieser Punkte zu schauen, was von den Ankündigungen umgesetzt wurde. Nehmen wir als ein Beispiel das Adoptionsrecht. Dies ist einer der Punkte, für den Sie sich hier loben. Sie loben sich für etwas, was durch das Bundesverfassungsgericht ab 30. Juni dieses Jahres zwingend vorgeschrieben ist. Sie haben es immerhin geschafft, eine Vorlage zu machen, die null Gestaltungsspielraum bietet. Sie schreiben nur das Allernötigste, was das Gericht vorschreibt, ins Gesetz. Dafür sollen wir Ihnen noch Applaus geben? Nein, das können Sie nicht von uns erwarten. Ich kann allenfalls sagen: Applaus für die Bürger, die Betroffenen, die dafür gekämpft haben, dass es eines Tages diese Gerichtsentscheidung gibt, die dieses Parlament zum Handeln zwingt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ein weiteres Beispiel ist die Mietpreisbremse. Es wurde groß gelobt, was jetzt alles passieren wird. Ich muss Sie einmal bitten: Noch ist dieser Gesetzentwurf nicht verabschiedet. Das Erste, was ich gehört habe, als dieser Gesetzentwurf vorgestellt wurde, war Kritik von Herrn Luczak, der als Zuständiger der CDU/CSU-Fraktion sagte: So haben wir uns das nicht gedacht. Dadurch weiß ich zumindest, dass dieser Entwurf in der aktuellen Fassung offensichtlich nicht in oder durch den Deutschen Bundestag kommt. (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das Struck’sche Gesetz!) Angesichts all der Lorbeerkränze, die sich manche hier schon selber aufsetzen, muss ich sagen: Wissen Sie, bis Ihr Gesetzentwurf verabschiedet ist, sind die Mieten sicherheitshalber zwei- bis dreimal erhöht worden, was auch zu einer Erhöhung des Mietspiegels führt. (Zuruf des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]) Ich habe noch eine Frage: Warum gehen Sie nicht gleich die Modernisierungsumlage mit an und machen dazu einen Vorschlag? Denn die Modernisierungsumlage – 11 Prozent der Modernisierungsaufwendungen können auf die Miete umgelegt werden – und die Maßnahmen, die man dulden muss, bedeuten eine große Belastung für die Mieterinnen und Mieter. Sie sind also noch gar nicht richtig losgesprungen, wieso sollen wir dann applaudieren? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich komme zur Frauenquote. Wenn Ekin Deligöz jetzt hier wäre, würde sie seufzen. Die Frauenquote war ja nicht gerade das Lieblingsthema der SPD-Fraktion in der letzten Legislaturperiode. (Widerspruch bei der SPD – Burkhard Lischka [SPD]: Wir haben zusammen einen Gesetzentwurf gemacht!) – Das kann man so nicht sagen. Einige schauen dabei weg. – Man musste Sie zum Jagen tragen. (Burkhard Lischka [SPD]: Was?) Ich glaube, Dagmar Ziegler weiß, wie schwer es war. Man soll ja klüger werden, weiterkommen und positiv denken. Aber statt der eigentlich 3 300 Betriebe, auf die man dabei setzen müsste, sind von der von Ihnen geplanten Quote ungefähr 100 Betriebe betroffen. Ich könnte noch weitermachen. Wo ist eine Vorlage zum Kundendatenschutz? Wo sagen Sie etwas zu den 18 Millionen gestohlenen Passwörtern? Wo sagen Sie etwas zum Urteil des BGH zur Schufa und ändern das Bundesdatenschutzgesetz? Wo ist das Geld für die Einrichtung einer Geschäftsstelle für den Sachverständigenrat? Zu all diesen Dingen findet man am Ende gar nichts. Ein weiteres Beispiel. Ende April jährt sich der Tag, an dem das Rana Plaza in Bangladesch, in dem sich mehrere Textilfabriken befanden, zusammenbrach und regelrecht zertrümmert wurde. Dabei starben 1 200 Menschen. Wo ist jetzt eine Initiative von Ihnen? Herr Müller, Ihr Kollege, erklärt uns gerade, dass er einen Runden Tisch für die deutsche Textilindustrie einsetzen wird. Ich rufe Herrn Müller zu: Es gibt eine internationale, eine globale Textilindustrie. Also lassen Sie uns dafür Maßnahmen ergreifen. Was hat eigentlich der Bundesverbraucherminister zum Beispiel zu einer möglichen Transparenzrichtlinie für die Textilindustrie auf europäischer Ebene gesagt? Herr Maas, Sie haben sich bei der Vorratsdatenspeicherung klug verhalten. Trotz alledem sage ich Ihnen: Minister werden nicht an Interviews gemessen, sondern an Taten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Johannes Singhammer: Für die CDU/CSU erteile ich jetzt dem Kollegen Sebastian Steineke das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Sebastian Steineke (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute – das ist bereits mehrfach angeklungen – über den Einzelplan mit dem niedrigsten Volumen. Es geht in der Debatte deswegen in erster Linie um die Inhalte. Diesen sollten wir uns auch widmen. Einige rechtspolitische Aspekte möchte ich näher betrachten. Kollege Lischka hat angesprochen, was wir auf den Weg gebracht haben. Es gibt Referentenentwürfe, und es gibt Vorlagen, die wir zum Teil sogar schon in erster Lesung behandelt haben. Von bloßen Ankündigungen kann also keine Rede sein. Wir haben in den ersten 100 Tagen extrem viele Vorhaben auf den Weg gebracht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein besonderes Thema möchte ich ansprechen. Mit der Neuregelung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung haben wir schon im Februar dieses Jahres eines der größten Streitthemen der letzten zwei, drei Legislaturperioden abgeräumt. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie früher immer dagegen waren!) Nach langen Diskussionen, vielen Debatten und einer Menge Anhörungen, die es dazu gegeben hat, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) konnten wir eine ausgewogene Regelung finden, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt lange genug gebraucht!) die sowohl der Korruptionsbekämpfung als auch der Sicherung des freien Abgeordnetenmandats Rechnung trägt. Es haben alle Fraktionen im Bundestag zugestimmt, Herr Ströbele; auch das sollte man erwähnen. (Beifall des Abg. Burkhard Lischka [SPD] – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es hat ja auch lange genug gedauert, bis Sie sich entschlossen haben!) Wir Abgeordnete werden gewählt, um die Interessen der Bürger und Bürgerinnen zu vertreten. Wir sind im besten Sinne des Wortes Interessenvertreter. Das darf nicht zum Risiko für die Mandatsausübung werden. Uns war daher wichtig, dass das vom Grundgesetz geschützte freie Mandat, aber vor allen Dingen auch die Tätigkeit Zehntausender ehrenamtlich tätiger Kommunalvertreter – auch sie sind uns wichtig – durch diese Neuregelung nicht beeinträchtigt werden. Hierbei galt es zu bedenken, dass ein Ermittlungsverfahren für jeden Bürger eine Belastung ist, dass es für einen Politiker aber in der Regel das Ende der Laufbahn bedeutet. In den kommenden Monaten wird der Bundestag die bisher geltenden Verhaltensregeln überarbeiten müssen. Wir sind uns einig, dass wir klare, transparente Regeln brauchen, dass diese aber auch praxisgerecht und umsetzbar sein müssen. In diesem Zusammenhang gehört sicherlich auch das Immunitätsrecht auf den Prüfstand. Es erfüllt schon lange nicht mehr den Zweck, für den es ursprünglich gedacht war. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr richtig!) Es schützt den Abgeordneten nicht, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) sondern führt vielfach zu Vorverurteilungen und schadet daher viel mehr. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) Wir haben uns in der Koalition für die nächsten dreieinhalb Jahre auch im Bereich des Zivilrechts Ziele gesetzt. Die Justiz soll bürgernäher und effizienter werden; wir wollen eine moderne Justiz. Dazu sollen die Länder unter anderem die Möglichkeit erhalten, spezialisierte Spruchkörper einzurichten, beispielsweise für Bauprozesse; so wollen wir das Fachwissen in Bezug auf diese komplexe Materie erhöhen. Zu einer modernen Justiz gehört insbesondere die Fortentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs. Dies darf aber kein reiner Selbstzweck sein, sondern muss den Bürgerinnen und Bürgern einen echten Mehrwert bieten. Der Anteil der Internetnutzer in Deutschland liegt aktuell bei 76, 77 Prozent. Für die allermeisten Menschen sind E-Mail- und Internetnutzung eine absolute Selbstverständlichkeit. Die Kommunikation zwischen Anwälten und Justiz erfolgt trotzdem fast ausschließlich in Papierform. Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde deswegen das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten verabschiedet. Mit den entsprechenden Neuregelungen in Zivilprozessordnung und Verfahrensordnung sollen die elektronischen Zugangswege zur Justiz in den nächsten Jahren verbessert werden. Mit der Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs bietet sich der Justiz die Chance auf eine zeitgemäße und unkomplizierte Kommunikation mit Bürgern, Anwälten und Unternehmen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die müssen erst mal alle einen Computer haben!) Die Anwaltschaft ist hier, vertreten durch die Bundesrechtsanwaltskammer, in Vorleistung gegangen, sowohl finanziell als auch organisatorisch; das wissen Sie. Bereits ab Anfang 2016 stehen allen Rechtsanwälten in Deutschland elektronische Anwaltspostfächer zur Verfügung. Um auch wirklich Synergieeffekte erzielen zu können, ist es wichtig, dass mittelfristig auch die Gerichte verpflichtet werden, Schriftstücke elektronisch zuzustellen, und dass die elektronische Akte in deutschen Gerichten zum Alltag wird, um Medienbrüche sinnvoll zu verhindern. Es stellen sich dabei aber auch im Prozessrecht einige Fragen, die beantwortet werden müssen: Wie ist zum Beispiel mit dem Risiko von Fehlern und Ausfällen bei elektronischer Kommunikation umzugehen? Kann man dies tatsächlich ausschließlich dem Wiedereinsetzungsrecht überantworten? Ich denke, nicht. Darüber müssen wir sicherlich noch nachdenken. Wir stehen jedoch hinsichtlich der dafür notwendigen Ausstattung zweifellos vor einer enormen finanziellen Herausforderung; das gilt sowohl für die Länderhaushalte als auch für den Bundeshaushalt. Der elektronische Rechtsverkehr ist ein Modernisierungs- und kein Sparprogramm. Er wird sich nicht automatisch kurz- oder mittelfristig durch Effektivitätsgewinne refinanzieren. Die bloße Umsetzung darf deswegen nicht zu einem weiteren Personalabbau im Bereich der Justiz führen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Bezüglich des Personals gilt dies im Übrigen auch an einer anderen Stelle: Die starke Zunahme im Bereich der Nichtzulassungsbeschwerden bei den Zivilsenaten des BGH muss uns Sorgen machen. Ihre Zahl hat sich beispielsweise im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr um 41 Prozent erhöht. Diese Steigerung bei den Nichtzulassungsbeschwerden beruht maßgeblich auf der hier im Haus verabschiedeten Änderung des § 522 ZPO. Mit Einführung des Abs. 3 können seither auch Beschlüsse, mit denen das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen hat, angegriffen werden. Die hohe personelle Belastung aufgrund des vermehrten Eingangs von Nichtzulassungsbeschwerden ist offensichtlich und auf Dauer so nicht mehr tragbar. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) Hier müssen ebenfalls entsprechende Mittel bereitgestellt werden. Als Rechtspolitiker wird man von Zeit zu Zeit auch mit nicht so sinnvollen Gesetzesvorschlägen konfrontiert. Vor kurzem ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission zur Änderung der Verordnung über das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen in -Zivil- und Handelssachen, die sogenannte Small-Claims-Verordnung, auf unseren Tischen gelandet. Diese Verordnung gibt es bereits seit 2009. Mit ihrer Hilfe sollen grenzüberschreitende Forderungen bis 2 000 Euro leichter geltend gemacht werden können. Dabei kann man mittels eines kleinen Formblatts Klage erheben. Eine mündliche Verhandlung oder die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist nicht vorgesehen, und es gelten sehr kurze Fristen. In meiner praktischen Arbeit als Rechtsanwalt bin ich mit dieser Verordnung bisher nicht in Berührung gekommen. Anscheinend bin ich damit nicht ganz allein; denn das Small-Claims-Verfahren wird auch fünf Jahre nach seiner Einführung nur äußerst spärlich genutzt. Um dies zu ändern, soll nun der Anwendungsbereich der Verordnung massiv ausgeweitet werden. Bei der Begründung des Vorschlags zur Änderung geht die Kommission davon aus, dass die Ursache im Wesentlichen im fehlenden Bekanntheitsgrad und zum Teil in Mängeln bei der Ausgestaltung der Verordnung liegt. Sie möchte nun unter anderem die Streitwertgrenze von 2 000 auf 10 000 Euro anheben und die Begriffsbestimmung für grenzüberschreitenden Rechtsverkehr deutlich erweitern. Dieser Vorschlag stößt auf erhebliche Bedenken: Er lässt nicht nur die Schutzbedürftigkeit der Prozessparteien völlig außer Acht, sondern eröffnet zusätzlich eine Bandbreite an Missbrauchsmöglichkeiten. Die auf das Fünffache angehobene Streitwertgrenze ist für die Bürger und die meisten Unternehmen beim besten Willen keine Bagatelle mehr. Die Geringfügigkeitsgrenze der ZPO liegt bekanntlich bei lediglich 600 Euro, und die hinter einem hohen Streitwert stehenden Rechtsstreitigkeiten sind in der Regel auch keine einfachen Verfahren. Ebenso fragwürdig ist, dass der Vorschlag auch keine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorsieht; allein davon verspricht man sich, billiger und schneller zu sein. Dadurch wird jedoch weder die Attraktivität des Verfahrens erhöht, noch ist den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland mit der Einführung solch einer, ich will einmal sagen, europäischen ZPO durch die Hintertür geholfen. Anstatt den Anwendungsbereich dieser Verordnung in solch einer Art und Weise zu erweitern, sollten wir hier darüber nachdenken, wie wir die Attraktivität der bestehenden Regelung deutlich erhöhen können, schon dadurch, dass wir sie bekannter machen. Dafür könnten wir uns im Bundestag am besten gemeinsam einsetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Johannes Singhammer: Herr Kollege Steineke, zu Ihrer ersten Rede hier im Deutschen Bundestag gratuliere ich Ihnen herzlich und wünsche Ihnen viele weitere Debattenbeiträge hier in unserem Parlament. (Beifall) Nächster Redner für die Sozialdemokraten ist der Kollege Dennis Rohde. (Beifall bei der SPD) Dennis Rohde (SPD): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister Maas! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Rechtspolitik hat den Anspruch, die Regeln des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft zu gestalten. Es geht dabei nicht nur darum, bestehende Rechte zu wahren, sondern auch darum, die Rahmenbedingungen für ein solidarisches Miteinander zu schützen, zu entwickeln und dort, wo es nottut, sie auch zu verändern. Darum braucht eine gute Rechtspolitik den Mut, aktiv zu handeln und nicht nur zu blockieren, was verbriefte Rechte bedroht. Diesen Mut hatte die vorige Leitung des Hauses leider nicht. Hier weht jetzt ein frischer Wind, und darüber freuen wir uns. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]) Besonders freuen wir uns darüber, dass im Ministerium jetzt auch der wirtschaftliche Verbraucherschutz angesiedelt ist; denn klar ist: Wir müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher stärken und ihre Interessen in höherem Maße berücksichtigen, als dies bisher der Fall war. Wir wollen sie informieren und ausrüsten, damit sie auf Augenhöhe und selbstbestimmt am Marktgeschehen teilnehmen können, statt immer wieder zum Spielball der wirtschaftlichen Kräfte zu werden. Darum brauchen wir transparente Regeln und eine Gesetzgebung, die beim Verbraucher ansetzt, und zwar beim Verbraucher, wie er wirklich ist, und nicht bei einem idealisierten Gebilde irgendwelcher Theoretiker. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich bin überzeugt: Die stärkere Einbindung des Verbraucherschutzes ist gut für die Rechtspolitik dieser Bundesregierung. Sie erinnert uns daran, dass die realen Lebensbedingungen der Bevölkerung Richtschnur allen Handelns sein müssen. Nicht nur thematisch, sondern auch finanzpolitisch ist die Zusammenführung sinnvoll und bringt mehr Transparenz und Überschaubarkeit über Kosten und Einnahmen mit sich. Der nun vorliegende Haushaltsentwurf hat das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts fest im Blick. Mit einer Quote von 73 Prozent wird erneut die höchste Eigendeckung aller Einzelpläne ausgewiesen – und das trotz der Eingliederung des Bereichs Verbraucherschutz mit seiner ganz eigenen Einnahmen- und Kostenstruktur. Es ist im Übrigen erneut das Patent- und Markenamt, das zur guten Einnahmesituation des Haushaltes beiträgt. Deutschland ist also unverändert das Land der Erfinder und der Innovationen. Das begrüßen wir, und das gilt es zu schützen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dabei ist die Maxime der gestaltenden Haushaltsführung, die wir anstreben, auch im engen Korsett der Vorgaben unserer Verfassung und der Maastricht-Kriterien schon heute erkennbar. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Haushaltsausschuss werden den Prozess des Gestaltens und des gleichzeitigen Konsolidierens gerne und konstruktiv begleiten. Lassen Sie mich auch das noch ganz ausdrücklich sagen: Die bisherigen Gespräche zum Einzelplan 07 habe ich – und zwar auch mit den Vertreterinnen und Vertretern der Opposition – als ausgesprochen angenehm, programmatisch und weitsichtig empfunden. Wenn alle wissen, was auf dem Spiel steht, und alle an einem Strang ziehen, dann kann man zum guten Schluss meist mit dem besten Ergebnis rechnen. Diese interfraktionelle Übereinstimmung freut mich auch angesichts der richtigen und wichtigen Projekte, die der Bundesminister bereits angestoßen hat. Das Ministerium hat schon mit Hochdruck an Neuregelungen gearbeitet. Weitere werden mit Sicherheit folgen. Ich will kurz auf einige Punkte eingehen, die ich dabei als besonders wichtig empfinde: Wir erleben, dass in vielen städtischen Räumen Menschen mit niedrigem Einkommen durch Mietexplosionen in Vororte und in Randgebiete gedrängt werden – oftmals weit weg von ihrem Arbeitsplatz und von der Schule der Kinder; sie sind damit raus aus dem Viertel, in dem sie aufgewachsen sind. Das entspricht nicht unserer Vorstellung von einer Gesellschaft, an der jeder gleichberechtigt teilhaben kann, egal aus welcher gesellschaftlichen Schicht er kommt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Darum begrüßen wir es besonders, dass die Große Koalition mit der Mietpreisbremse endlich Wuchermieten Einhalt gebietet. Es wurde auch Zeit! (Beifall bei der SPD) Die Wohnungsnot in unseren Städten ist jedoch nur ein Thema, das die Arbeit des Ministeriums und unserer Fraktion bestimmt. Weil Gerechtigkeit für uns Leitwert ist, begrüßen wir Sozialdemokraten auch ausdrücklich die Frauenquote in Aufsichtsräten, die die SPD-Bundesminister Maas und Schwesig gemeinsam umsetzen; (Beifall bei Abgeordneten der SPD) denn dass es in einem modernen Industrieland noch immer viel zu wenig Frauen in Führungspositionen gibt, ist doch peinlich und nicht länger hinzunehmen. Wie oft hat man uns erzählt, dass die Unternehmen das schon von alleine regeln werden? Wie oft hat man uns erzählt, dass es überhaupt keiner gesetzlichen Handhabe bedarf? Würden wir diesem Rat folgen, müssten wir wohl noch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten. So viel Geduld wäre keine Tugend, sondern ein Zeichen von Gleichgültigkeit, eine Gleichgültigkeit, die es mit uns Sozialdemokraten nicht mehr geben wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) 30 Prozent Frauen in Aufsichtsräten: Das ist ein Verdienst dieser Großen Koalition, einer Koalition, die Ungerechtigkeiten eben nicht nur beklagt, sondern ihnen auch entschieden entgegentritt. Aus dem Haushalt des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz fördern wir deswegen erneut die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!) Damit tragen wir dazu bei, die Akzeptanz von Schwulen, Lesben und Transgendern in der Gesellschaft zu fördern und, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, Diskriminierung zu bekämpfen. Wir wollen einen gesellschaftlichen Konsens schaffen, um die Weichen für die vollendete Gleichberechtigung zu stellen. Wir Sozialdemokraten wissen aber auch: Hier sind auch gegen Widerstände im Hause noch viele weitere Schritte notwendig. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Wir werden ferner den Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses ernst nehmen. Das sind wir zuallererst den Opfern und ihren Angehörigen schuldig, die so lange auf Gerechtigkeit gewartet haben und viel zu lange von unserem Staat im Stich gelassen wurden; denn dass Rechtsextreme in Deutschland jahrelang morden, ohne gefasst zu werden, darf es in diesem Land nie wieder geben. Hier müssen wir handeln, und hier werden wir handeln. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Eingangs habe ich gesagt, gute Rechtspolitik müsse das Recht nicht nur bewahren, sondern auch gestalten. Ich glaube, wir haben jetzt ein Ministerium, das sich genau das auf die Fahne geschrieben hat. Ich bin davon überzeugt: Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist gut aufgestellt, um unser aller Zusammenleben gerechter und solidarischer zu gestalten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Johannes Singhammer: Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht der Kollege Michael Frieser, CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Michael Frieser (CDU/CSU): Vielen Dank. – Herr Präsident! Ich bin fast etwas überrascht, wie viele Punkte in dieser doch sehr inhaltlich getragenen Debatte mit großer Ernsthaftigkeit im Tonfall genannt wurden. Das mag uns auf unserem Weg, Herr Minister, weiterbringen, auch was die Zusammenarbeit in diesem Haus betrifft. Ich war schon etwas überrascht, dass keiner die jüngsten Veröffentlichungen des EU-Justizbarometers erwähnt hat: Die Zahlen sind beachtlich. Unser Justiz-wesen kann sich sehen lassen, was die Qualität, die Unabhängigkeit und die Effizienz anbetrifft. Deutschland spielt mit seinem Justizwesen in dieser Frage immer in der obersten Liga. Ich glaube, dass wir angesichts dieser Kategorien durchaus sagen können, dass der Rechtsstaat in diesem Land eine Vorbildfunktion in Europa hat. Allerdings waren wir in einem Punkt nur im Mittelfeld, nämlich in der entscheidenden Frage: Wie sieht es bei den Richterinnen und Richtern in der Frage der Fortbildung aus? Insbesondere im Hinblick auf die Fortbildung im Bereich der europarechtlichen Fragestellungen befinden wir uns in einem guten Mittelfeld. Da kann man sagen: Richterinnen und Richter sind auch nur ganz normale Menschen. Man lernt eben nicht unbedingt gerne, wenn es nicht unbedingt sein muss. Wir wissen aber, dass gerade die Zahl der Vorlageverfahren – das sehen wir anhand der Tagesordnungen des Rechtausschusses – beim Europäischen Gerichtshof einen Aufwuchs von immerhin 10 Prozent aufweist. Ganz aktuell ist es so: Es vergeht nahezu keine Ausschuss-sitzung, in der wir es nicht mit europäischem Recht zu tun haben und in der wir Europa nicht im Blick haben. Deshalb muss man ganz deutlich sagen: Vielleicht wäre es ganz gut, ein erhöhtes Augenmerk auf die Fortbildung in europarechtlichen Belangen zu legen, vielleicht auch verstärkt den Eventcharakter von Fortbildungen zu den interessanten Urteilen des Europäischen Gerichtshofes zu betonen. Damit sind wir ganz aktuell bei der Frage der Mindestspeicherfristen. Ich will mich da beschränken, weil wir zu dieser europarechtlichen Fragestellung schon sehr viel gehört haben. Mehrfach hieß es: Man hätte sich eine andere europäische Haltung dazu gewünscht. Man hätte sich gewünscht, dass es eine Übergangsfrist gibt. Ich kann deutlich sagen, dass das auch mein Wunsch gewesen wäre. Deutlich ist auch: Das Instrument der Vorratsdatenspeicherung als solches wurde anerkannt. Sogar seine Durchschlagskraft wurde in diesem Urteil hervorgehoben. Nur lediglich die Art und Weise der Speicherung muss anders werden. Man kann fast sagen: Die Dosis macht das Gift. Wir dürfen allerdings nicht so tun, als ob es beim Thema Vorratsdatenspeicherung jetzt gelte, eine Denkpause einzulegen. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass diese Auffassung hier um sich greift. Ich glaube schon, dass Deutschland auch in dieser Frage Standards setzen muss. Immerhin ist es doch so: Wir haben ein Ministerium für Verbraucherschutz und nicht für Straftäterschutz. Deshalb braucht es an dieser Stelle unser aktives, unser mutiges Vorgehen, ohne dabei die Rechte der Bürger zu verletzen. Trotzdem müssen wir sagen: Wir brauchen die Möglichkeit der Mindestspeicherfrist als schlagkräftiges Instrument gegen Straftaten, vor allem bei schweren Straftaten. (Beifall bei der CDU/CSU) Gesellschaftsrechtliche Fragestellungen sind heute in vielfacher Weise angeklungen. Wir haben verschiedene Fragestellungen vor allem beim Thema Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, beim Thema Zwangsprostitution und auch beim Menschenhandel gehört. In diesen Fragen sind die Erwartungen, Herr Minister, an Ihr Haus sehr hoch. Man kann durchaus sagen: Die letzte Legislatur war von großen Diskussionen geprägt, und in dieser Legislatur müssen wir miteinander Ergebnisse erarbeiten. Ich habe den Eindruck, das ist machbar. Das, was wir bisher vorgelegt haben, lässt diesen Schluss zu. Es geht darum, dass wir hier einen ausreichenden Schutz bieten müssen. Manchmal hat man in der öffentlichen Diskussion das Gefühl, dieses Thema hat die Menschen noch gar nicht richtig erreicht. Die Erwartungen sind auch deshalb so hoch, weil wir aus aktuellem Anlass deutlich sagen müssen: Wir dürfen es nicht zulassen, dass Kinder und Jugendliche in der ihrem Alter entsprechenden Unerfahrenheit und Unbefangenheit zu Opfern von Ausbeutung und Missbrauch werden. Wenn wir in diesem Haus dazu irgendetwas beitragen können, dann sind wir sogar dazu verpflichtet, das in dieser Legislatur schnell auf den Weg zu bringen. Ich bin dem Kollegen Staatsminister Bausback, dem Justizminister Bayerns, dafür dankbar, dass er über den Bundesrat eine diesbezügliche Initiative auf den Weg bringt. Die Umsetzung der dazugehörigen EU-Richtlinie tut ein Übriges dazu. Ich bin auch dankbar, dass der Herr Minister angekündigt hat, bei dem Thema Kinderpornografie und beim Schutz des Persönlichkeitsrechtes das Seinige dazu beizutragen, und zwar nicht irgendwann, sondern jeweils mit einem Vorlagedatum versehen. Ich glaube, damit handeln wir richtig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Beim Thema Zwangsprostitution und Menschenhandel – Kollege Strobl hat es schon gesagt – hat die Union ihre Eckpfeiler eingerammt. Ich glaube, auch hier besteht kein grundsätzlicher Dissens, schon gar nicht in der Öffentlichkeit, aber auch in diesem Hohen Hause nicht. Wer sich mit diesem Thema beschäftigen muss – man tut das nicht immer freiwillig –, arbeitet an einer wichtigen Stelle; denn gerade beim Thema Zwangsprostitution und Menschenhandel haben wir in diesem Land etwas aufzuarbeiten, und ich meine, dass wir das in Kürze tun können und auch tun sollten. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich darf noch einen Punkt hinzufügen, der heute nicht angesprochen worden ist. Dabei geht es um den Verbraucherschutz und das Insolvenzrecht. Wir haben in der Insolvenzrechtsänderung durchaus eine Möglichkeit gesehen, auch in der Frage der Rechtssicherheit einen Beitrag zu leisten. Die vielfältige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat das Ihrige dazu beigetragen. Wir haben uns immer als mittelstandsfreundlich bezeichnet. Manchmal weiß der eine oder andere Mittelständler in dieser Frage nicht so genau, woran er ist. Mit dem Willen, Rechtssicherheit zu schaffen, müssen wir das Ganze allerdings auch praktikabel und umsetzbar machen. Interessant ist nämlich: Wenn der groß angelegte Kampf gegen das kollusive Zusammenwirken in ein kollektives Unverständnis umschlägt, weil der einzelne Mittelständler nicht mehr genau weiß, was er machen soll, dann kommt auch das Verbraucherschutz-ministerium meines Erachtens an den Rand seiner Belastbarkeit. Man darf als CSUler den Wechsel des Verbraucherschutzes ins Justizressort mit einem weinenden Auge betrachten. Aber ich meine, über gute Synergieeffekte hinaus gibt es noch andere inhaltliche Gründe dafür, dass der Verbraucherschutz zum Recht gezogen wird. Damit kann er bei den vielen Punkten, die es dort inhaltlich aufeinander abzustimmen gilt, und auch in der Größenordnung des Haushaltes eine ganz wesentliche Rolle spielen. Sie haben die Punkte genannt, Herr Minister. Es geht um die Stiftung Warentest, um Prokon und um die Kontrolle des grauen Marktes. Das sind die Stichworte in diesem Zusammenhang. Ich habe keinerlei Anlass, zu glauben, dass der Verbraucherschutz in diesem Lande in irgendeiner Weise einen Nachteil erfährt. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um einen Vorteil!) Es geht vor allem darum, dass wir die Bezüge herstellen können, die sich in der Frage der Rechtspolitik ergeben. Wir können uns diese Form der Mittelstandsförderung auf die Fahne schreiben, die wir zum Beispiel mit der Bekämpfung des Zahlungsverzugs betreiben können. Zahlungsverzug ist in diesem Land zum Volkssport geworden. Wir können deutlich machen: So kann man, quasi zur Refinanzierung des eigenen Unternehmens, nicht miteinander umgehen. Kollege Hoppenstedt hat Staatssekretär Lange mit seinem Lob fast etwas verunsichert. Jetzt könnte der Parlamentarische Staatssekretär Kelber fragen: „Und was ist mit mir?“ In meiner fränkischen Heimat heißt es: Nicht kritisiert ist schon gelobt genug. – Nehmen Sie das zum Anlass, sich das Lob zukünftig noch etwas mehr zu verdienen! Wir sind auf jeden Fall dabei, daran tätig mitzuwirken. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. Das war jetzt wirklich ziemlich gelobt. – Schönen Nachmittag von mir, und als Nächste die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß für die SPD. (Beifall bei der SPD) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Wenn sich der Verbraucherschutz an der Anzeigetafel wiederfindet, wenn der Einzelplan 07 diskutiert wird, werde auch ich zufrieden sein: das vielleicht als kleiner Hinweis an die Bundestagsverwaltung. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Verbraucherpolitik für echte Verbraucher: Das klingt banal, doch war das bisher nicht selbstverständlich. Die verbraucherpolitischen Maßnahmen – verschiedene sind schon genannt worden – sollen in Zukunft den wirklichen, den real existierenden Verbraucherinnen und Verbrauchern nutzen. Das hat mein Kollege Dennis Rohde schon angedeutet. Die Grundlagen dafür haben wir gelegt. Denn unter der alten Bundesregierung herrschte noch die Vorstellung vom mündigen Verbraucher vor. Den gibt es aber nicht. Das haben wir jetzt auf den Boden der Realität geholt. Denn das Leben ist anders, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Kein Mensch ist immer und überall in der Lage, informierte und rationale Konsumentscheidungen zu treffen. Wenn Sie Menschen danach fragen, werden sie Ihnen das bestätigen. Die neue verbraucherpolitische Basis, das sind die realen Menschen mit ihren verschiedenen Interessen und Problemen. Gute Verbraucherpolitik muss ihre unterschiedlichen Voraussetzungen und vor allen Dingen Verhaltensweisen berücksichtigen. Zum Beispiel bei der Entwicklung von geeigneten Instrumenten sollen künftig die Erkenntnisse der Verbraucherforschung einfließen und dafür sorgen, dass die getroffenen Maßnahmen tatsächlich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ankommen. (Beifall bei der SPD) Ein weiteres Beispiel. Bestehende Regelungen sollen daraufhin überprüft werden, ob sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern nutzen. Damit wird die Verbraucherpolitik auf neue Füße gestellt. Das heißt, sie bekommt damit Bodenhaftung. Einen wichtigen Beitrag dazu wird der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen leisten können, dessen Einrichtung wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Der Einstieg in das Marktwächtermodell – schon verschiedentlich genannt – und die Einrichtung eines Sachverständigenrats für Verbraucherfragen werden Maßnahmen sein, die die Verbraucherpolitik grundlegend verändern werden. Wichtig ist uns, dass sich der Rat aus unabhängigen Experten und Wissenschaftlern über die verschiedenen Disziplinen hinweg zusammensetzt und dass – Sie gestatten mir diese Äußerung, werte Kolleginnen und Kollegen Juristen – die juristische Perspektive um Erkenntnisse etwa aus der Soziologie, der Politologie und vor allen Dingen aus der Verhaltensforschung ergänzt wird. Das heißt, der Sachverständigenrat soll zu wichtigen Verbraucherfragen und Teilmärkten Gutachten abgeben und Vorschläge zur Forschungsförderung erarbeiten. Durch die Nutzung der Ergebnisse der Verbraucherforschung zur Entwicklung von effektiveren und effizienteren Politikinstrumenten wird die Verbraucherpolitik besser werden. Sie ist zwar schon ganz gut, kann aber noch besser werden. Nur wer die realen Verbraucher mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen, Interessen und Problemen im Blick hat, kann eine Verbraucherpolitik gestalten, die bei den Menschen ankommt und ihren Alltag erleichtert, eine Verbraucherpolitik mit dem Ziel, erstens dort für Schutz zu sorgen, wo sich Verbraucher nicht selbst schützen können – es sind verschiedene Beispiele gerade aus dem Finanzdienstmarkt genannt worden –, zweitens Verbraucher zu unterstützen durch gezielte und umfassende Information, die auch sprachlich verstanden wird, sowie durch Beratung und Bildung, drittens Transparenz zu schaffen durch Vergleichbarkeit und Offenlegung beim Angebot an unterschiedlichen Produkten und viertens die Möglichkeit zu schaffen – das klang schon verschiedentlich an – für eine effektive Rechtsdurchsetzung. Wir wollen also einen verbraucherfreundlichen, transparenten Markt, auf dem sichere und gute Produkte unter fairen und nachhaltigen Bedingungen hergestellt und angeboten werden. (Beifall bei der SPD) Das zeichnet für mich gute Verbraucherpolitik aus. Ich bin davon überzeugt, dass das mit diesem Minister gelingen wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Frau Kollegin. – Letzter Redner zu diesem Bereich ist Klaus-Dieter Gröhler für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Auch Ihnen einen schönen Nachmittag, genauso wie Ihnen, meine Damen und Herren Kollegen, und den Zuhörerinnen und Zuhörern auf der Tribüne! Ich bin der letzte Redner zum Einzelplan 07. Vielleicht sollte ich lieber „abschließender Redner“ sagen, weil sonst die Opposition den Ausdruck „letzter Redner“ falsch verstehen könnte. Vizepräsidentin Claudia Roth: Dann hätte ich gesagt „allerletzter Redner“. Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU): Danke schön. Ich will mich ein bisschen an dem orientieren, was der Kollege Claus als erster Redner in dieser Debatte als Leitfaden ausgegeben hat, wenngleich ich mich als anständiger Christdemokrat sonst nicht am Handbuch des sozialistischen Leiters orientiere. Aber mir gefiel ganz gut sein Slogan „Lobend beginnen, kritisch fortsetzen und optimistisch enden“. Ich glaube, so war das. Daran will ich mich entlanghangeln. Bitte erlauben Sie mir, dass ich als Mitglied des Haushaltsausschusses ein bisschen mehr auf die Zahlen schaue. Der Einzelplan, über den wir jetzt gerade sprechen, hat einen Anteil am ganzen Bundeshaushalt von 0,2 Prozent bei den Ausgaben und von 0,16 Prozent bei den Einnahmen. Der eine oder andere Banker hätte wahrscheinlich früher gesagt: 641 Millionen Euro Ausgaben sind Peanuts. – Als Mitglied des Haushaltsausschusses sehe ich das natürlich ein bisschen anders; denn wann immer wir 1 Euro Steuergeld ausgeben, lohnt es sich, genau hinzuschauen, wofür wir das tun. Der Minister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Deckungsquote bei 73 Prozent liegt. Herr Minister Maas, ich darf Sie darauf hinweisen, dass die Deckungsquote früher bei 80 Prozent lag. Ihr Vorgänger hatte im Jahr 2012 eine Deckungsquote von 87 Prozent. Aber Sie haben bis zum Jahr 2017 noch ein bisschen Zeit, sich zu steigern. Lassen Sie mich ganz kurz auf den allgemeinen Haushalt zurückkommen. Ich will mich an der Stelle ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einerseits des Bundesfinanzministeriums, andererseits aber auch des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz bedanken. Als Berichterstatter haben wir in den nächsten Tagen häufig viele Fragen und viele Informationswünsche und hatten sie auch schon in den letzten Wochen gehabt. Die werden, wie ich finde, immer sehr anständig bedient. Ein Haushaltsplan fällt nicht vom Himmel, auch der Minister schreibt ihn nicht selbst herunter, sondern dafür gibt es viele fleißige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die kommen manchmal vielleicht ein bisschen zu kurz bei unserer Diskussion. Herr Minister, ich bitte Sie ganz herzlich, einen Dank an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von uns zu übermitteln. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mein ganz besonderer Dank gilt aber dem Bundesfinanzminister. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Ich bin Jahrgang 1966. Seitdem ich auf der Welt bin, sind in der Bundesrepublik Deutschland fast immer Schulden gemacht worden, nur die ersten drei Jahre nicht. Das hängt nicht an mir, hoffe ich. Ich fand es heute schon ganz beeindruckend, als um 11.16 Uhr – ich habe es mir extra aufgeschrieben – Wolfgang Schäuble von diesem Podium aus gesagt hat: Ab 2015 wird der Bund keine neuen Schulden mehr machen. Ich finde, diesen Satz kann man gar nicht oft genug wiederholen. Ich bin sehr zufrieden, dass bei der ersten Haushaltsberatung, an der ich hier teilnehme, dieser Satz gefallen ist. Ich werde meinem Sohn sagen: Wir leben ab jetzt nicht mehr über unsere Verhältnisse. Wir sorgen mit dafür, dass dir nicht ein Schuldenberg übergeben wird, der so groß ist, dass sich deine Generation nicht mehr bewegen kann. Ich werde ihm sagen: Wir haben angefangen, Nachhaltigkeit auch in die Haushaltspolitik -einfließen zu lassen. Wir schaffen neue Gestaltungsspielräume, statt nur die Schulden zu bedienen und Zinszahlungen an Banken zu leisten. Lassen Sie mich auch auf Folgendes hinweisen: Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist ein Haushalt gegenüber dem Vorjahreshaushalt so stark abgesenkt worden, nämlich um 3 Prozentpunkte. Das heißt, gegenüber 307,8 Milliarden Euro werden wir in diesem Jahr nur 298,5 Milliarden Euro ausgeben. Der Staat hat endlich begriffen, dass er nicht mehr der Staubsauger sein kann, der den Bürgerinnen und Bürgern das Geld aus der Tasche zieht und es anschließend wie ein Füllhorn wieder über ihnen ausschüttet, sondern wir haben uns dafür entschieden, einen anderen Weg zu gehen. Ich finde, das ist auch gut so. Aber zurück zum Etat des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. In der Tat ist der Etat vielleicht nicht der politischste in diesem Bundeshaushalt. Zwei Drittel der Ausgaben sind für Personal vorgesehen. Aber – auch darauf hat der Minister hingewiesen – es ist ein Etat, der wichtig ist. Im Justizbereich stellen wir damit die Rechtsstaatlichkeit sicher. Wir in Deutschland wissen aus dem 20. Jahrhundert – wir haben es zweimal leidvoll erfahren –, was es bedeutet, wenn Rechtsstaatlichkeit nicht gegeben ist, welche Konsequenzen das für die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich hat. Die finanzielle Ausstattung unserer Gerichte ist auch die Gewähr für effektiven Rechtsschutz, insbesondere dann, wenn der Staat als Monopolist dieses Angebot macht. Die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung durch die finanziell ordentlich ausgestatteten Bundesgerichte ist auch ein Standortvorteil, mit dem wir uns sehen lassen können. Das Stichwort „Standortvorteil“ bringt mich auf ein Thema, bei dem sozusagen ein bisschen Wasser im Wein ist. Erstaunlicherweise stimme ich jetzt schon wieder mit dem Kollegen Claus überein. Darüber sollte ich einmal nachdenken. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist bedenklich! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, ja, das stimmt!) – Übereinstimmung habe ich aber nur in diesem Punkt. – Es geht dabei um die Patentämter. Dort haben wir das Problem, dass die Bearbeitungszeiten zu lang sind. Da ist der Schutz des geistigen Eigentums aus meiner Sicht nicht ausreichend gewährleistet. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jobmaschine!) Für ein Erfinderland wie Deutschland, das sich Exportnation nennt, ist es einfach wichtig, spätestens beim Haushaltsentwurf 2015 – er steht ja an – dort für eine bessere Ausstattung zu sorgen. Der Minister hat darauf hingewiesen: Das Netzwerk gegen Kindesmissbrauch ist eine wichtige Einrichtung. Aber auch hier meine ich, dass sechs bis neun Monate Wartezeit bis zur Betreuung vielleicht zu lang sind. Wir werden genauer hinsehen müssen, ob wir dieses Netzwerk verstärken sollten. Denn in einem Dreivierteljahr kann viel passieren, und wir wollen nicht, dass unseren Kindern etwas passiert. Deshalb werden wir dieses Netzwerk finanziell besser ausstatten müssen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD]) Beim Verbraucherschutz hatte ich den Eindruck, dass der eine oder andere Oppositionspolitiker meint, dieses Thema sei ganz neu erfunden worden. Dem ist mitnichten so. Bei meinem Besuch bei der Stiftung Warentest anlässlich ihres 50-jährigen Jubiläums – insofern gibt es eine lange Tradition des Verbraucherschutzes – konnte ich feststellen, wie effizient so eine Einrichtung auch mit relativ wenig Geld arbeiten kann. Ich war als Haushälter baff, als mir die Vertreter der Stiftung Warentest auf meine Frage „Brauchen Sie denn mehr Geld?“ antworteten: Wir kommen gut klar. Das war eine Antwort, die ich einmal erfrischend fand und die auch zeigt, dass es gar nicht immer auf das Geld ankommt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich komme zum Schluss; ich sollte ja positiv enden. Wie war noch gleich das Struck’sche Gesetz? Kein Gesetzentwurf verlässt das Hohe Haus so, wie er eingebracht worden ist. – Das gilt selbstverständlich auch für den Haushaltsentwurf. Wir werden noch an der einen oder anderen Schraube drehen müssen. Aber eins sage ich als Haushälter auch gleich: Wir haben den Ehrgeiz, dass diese geringe Nettoneuverschuldung, die wir mit diesem Haushalt vornehmen, nicht wieder gesteigert wird; sie soll die letzte Nettoneuverschuldung sein. Insofern werden alle Vorschläge für mehr Geld in den einzelnen Etats immer ausgeglichen sein müssen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, Einzelplan 10. – Ich bitte diejenigen, die an der Debatte nicht teilnehmen wollen, zügig den Saal zu verlassen. Diejenigen, die hierbleiben, darf ich bitten, ihre Plätze einzunehmen. Das Wort hat zunächst der Bundesminister Christian Schmidt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Ich hatte an Ihre freundliche Aufforderung die kleine Hoffnung geknüpft, dass der eine oder andere nicht allein seinem Fachthema zugewandte Kollege auch hier sein würde. Ich denke, einige, für die das zutrifft, sind dageblieben. Herzlichen Dank! In dem Marathon einer Haushaltsdebatte, in der ein Etat den anderen jagt, ist das keine Selbstverständlichkeit. Es liegt viel Arbeit vor dem Hohen Haus. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich sehr herzlich dafür bedanken, dass ich schon im Vorfeld dieses Etats spüren durfte, welche gute und konstruktive Arbeit sich im Bereich Ernährung und Landwirtschaft hier im Haus widerspiegelt. Ich habe nun seit knapp zwei Monaten die Ehre und die Freude, das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zu führen. Ich verstehe diese Aufgabe als eine gute Möglichkeit, auf der Basis guter tradierter Erfahrungen heute notwendige Anpassungen an ökonomische und soziale Veränderungen in Landwirtschaft und Ernährung zu begleiten und zu steuern und für die Zukunft an einer in die nächste Generation hineinreichenden tragfesten Struktur zu bauen. Mein Ressort hat viel mit Wurzeln zu tun, nicht nur weil der volkswirtschaftliche Primärsektor, die Urproduktion, hier zu Hause ist, sondern auch, weil Ernährung und Leben im ländlichen Raum primäre Lebensbedürfnisse sind, die wir sichern wollen. Nachhaltigkeit und Naturbewusstsein gehören genauso dazu. Es ist geradezu ein Lebensministerium. (Peter Bleser [CDU/CSU]: Sehr gut!) Dies verbindet sich für mich auch mit den Primärwerten. Der Respekt vor der Schöpfung Gottes und das Gebot, sich die Erde untertan zu machen, gehören hierher. Im gesamten ländlichen Raum steht die Wertschöpfung auf solch einem ethischen Fundament. Ich sehe unsere Aufgabe darin, den so lange gewachsenen Erfahrungen in der Land- und Forstwirtschaft, in der Fischerei oder auch in der Energiewirtschaft einen gesicherten Platz in einer heute von einer digitalen Dienstleistungsmentalität und -struktur geprägten Gesellschaft zu erhalten und sie dort einzupassen. So sieht der Entwurf für den Haushalt 2014 auch aus. Er ist in allererster Linie ein sozialer und zukunftsorientierter -Agrarhaushalt. Auch 2014 ist die landwirtschaftliche Sozialpolitik der Kernbestandteil des Einzelplans. Das soll so bleiben, und das hat seine Berechtigung. Von den 5,3 Milliarden Euro des Gesamtetats sind für die Sozialpolitik immerhin 3,7 Milliarden Euro vorgesehen. 70 Prozent des Geldes, das uns zur Verfügung steht, fließen also in die Alterssicherung, in die Krankenversicherung und in die Unfallversicherung unserer Bauern. Wir sichern damit Grundlagen, die die Wertschöpfung durch unsere Landwirtschaft erst möglich machen. Ich denke, wir machen hier auch deutlich, dass sich die Bauernfamilien, die verschiedenen Generationen auf uns verlassen können. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir sorgen nicht nur für Kontinuität, sondern wir setzen Akzente auch in Zeiten strikter Haushaltsdisziplin – in einer Abwägung mit dem, was wir denen, die eingezahlt haben und die Leistungen erhalten, sozusagen ein Stück weit schuldig sind. 62 Millionen Euro wollen wir in den Jahren 2014 und 2015 für die landwirtschaftliche Krankenversicherung zur Verfügung stellen. Wieso? Wir federn damit die Sonderbelastungen infolge des geringeren Bundeszuschusses an den Gesundheitsfonds ab, die in unserem Bereich nicht wie in der GKV durch Rückflüsse kompensiert werden können. Für mich ist das eine Gerechtigkeitsfrage. Würden wir das nicht tun, wären unsere Landwirte die einzige Bevölkerungsgruppe, die nur wegen eines Systemunterschieds höhere Kassenbeiträge zahlen müsste. Das will ich nicht zulassen. (Beifall bei der CDU/CSU) Neben der Krankenversicherung behalten wir auch die Altersvorsorge im Auge. Nicht nur die allgemeine demografische Entwicklung, sondern auch die Strukturanpassung in der Landwirtschaft erfordert dies. Deswegen haben wir besprochen, dass wir bis zur Sommerpause Vorschläge für die Anpassung der Hofabgabeklausel erarbeiten wollen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Kollege Priesmeier, ich hatte schon darauf gehofft, dass ich von Ihnen hier Zustimmung bekomme. Wir haben das in den Koalitionsverhandlungen bereits besprochen. Deswegen wollen wir daran arbeiten. Ich bitte bei diesem Thema um die konstruktive Mitarbeit der Fraktionen des Hohen Hauses, aber auch der Versichertengenerationen, der Älteren und der Jüngeren, die unmittelbar davon betroffen sind. Der Haushaltsentwurf 2014 verbindet soziale, ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Ansätze. Gerade hat eine Debatte über einen anderen Etat stattgefunden. Darin wurde, nachdem das vormalige BMELV des V verlustig gegangen ist, über Themen gesprochen, die bisher bei uns besprochen worden sind. Aber keine Sorge: Nicht die Buchstabenverschiebereien, sondern die Zuständigkeiten sind das, was die Arbeit eines Hauses definiert. Es bleibt dabei: Die Ressortzuständigkeit für den gesundheitlichen Verbraucherschutz und für das Verbraucherinformationsgesetz liegt bei uns. Mit über 100 Millionen Euro, die in diesem Bereich investiert werden, hat der Bereich auch zukünftig eine große Bedeutung. Wir wollen nicht die Bevormundung, sondern den Schutz und die Selbstbestimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland. Der gesundheitliche Verbraucherschutz wird im Zuge der weiteren Globalisierung eine immer größere und wichtigere Rolle spielen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Wertschöpfung im ländlichen Raum mit einer starken Landwirtschaft. Diese Koalition wird also den Bauernfamilien und den Erzeugern weiter verlässlich zur Seite stehen: mit stabilen Direktzahlungen, mit einem Greening, das praktikabel ist und eine flächendeckende Bewirtschaftung zulässt – der Deutsche Bundestag beschäftigt sich diese Woche in einer Anhörung intensiv mit dieser Frage –, und mit neuen Förderelementen für kleine und mittlere Betriebe sowie für unsere Junglandwirte. Wir schaffen dem Prinzip der Nachhaltigkeit mehr Raum. Wir wollen die biologische Vielfalt bewahren, unsere Böden schützen und für mehr Tierwohl sorgen. Wertschöpfung im ländlichen Raum heißt, Verantwortung zu übernehmen. Gestatten Sie mir einen kleinen Exkurs. Ich war beeindruckt, dass wir bei der Agrarministerkonferenz, die vor ein paar Tagen in Cottbus stattgefunden hat, über alle Parteigrenzen hinweg zu einer vernünftigen Diskussion über diese Fragen gekommen sind. Ich habe zu erkennen gegeben, dass ich in den Wochen, in denen ich in dieser Funktion tätig bin, schon manches gelernt habe, dass mir aber die Kampfbegriffe noch nicht vertraut sind. Ich bin mir auch noch gar nicht sicher, ob ich ideologische Kampfbegriffe überhaupt lernen möchte. Eher möchte ich pragmatisch, vernünftig und am Ziel orientiert über diese Fragen reden. – Siehe da, wir konnten gut miteinander reden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir wollen darüber hinaus natürlich diejenigen Leistungsträger in der Fläche, die sich um den Naturschutz kümmern müssen – dazu zählen insbesondere die Bauern –, unterstützen. Nach Vorlage der delegierten Rechtsakte durch die Europäische Kommission zu der GAP-Reform gab es ein wenig Gegrummel. Das Parlament hat sich stärker zu Wort gemeldet als vermutet. Dank an die Kommission und auch Dank an das Parlament – wir sind doch eigentlich für die Stärkung der Parlamentsrechte – dafür, dass Nachbesserungen erfolgt sind. Der Rat sieht das mit Interesse und Freude. Ich werde das am Montag zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD]) Die Gelder stehen zur Verfügung. Sie werden rechtzeitig ausbezahlt werden, wenn der Deutsche Bundestag den entsprechenden Beschluss gefasst hat und die Verordnungen vorbereitet sind. Ich denke, das ist für die deutsche Landwirtschaft ein Zeichen von Verlässlichkeit. Vor dem Hintergrund der Wertschöpfung im ländlichen Raum, die wir alle gestärkt sehen wollen, gehören die Leistungen unserer Landwirte als Energiewirte gewürdigt. Wir wollen weg vom Risiko der Kernenergie. Wenn wir saubere, grundlastfähige und speicherbare Energie gewinnen wollen – das liegt im gesamtgesellschaftlichen Interesse –, dann führt an der Biomasse kein Weg vorbei. Heute hatten wir den Neuentwurf des EEG im Kabinett zur Beratung. Wir haben den Bestands- und Vertrauensschutz für die bestehenden Anlagen im neuen EEG verankert. Wir haben den Luftreinhaltebonus für die Bestandsanlagen erhalten. Wir haben die bestehende Flexibilitätsprämie für Bestandsanlagen gesichert. Eine Teilstilllegung muss nicht mehr erfolgen, wenn man flexibilisieren möchte. Das heißt, wir haben den Vorteil der Biomasse, der darin liegt, dass sie steuerbar und regelbar ist, erhalten. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Grundlast, Herr Minister!) Ich bin froh, dass uns das gelungen ist. Die Biomasse bleibt eine tragende Säule der Energiewende. Ich darf mich an dieser Stelle bei dem Kollegen Gabriel, bei der gesamten Bundesregierung und bei den Ministerpräsidenten sehr bedanken, die dieser Lösung ihre Zustimmung gegeben haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum ländlichen Raum gehört auch eine Waldpolitik, die sich an den Interessen von Natur und Nutzern ausrichtet. Ich danke für die konstruktive Begleitung gerade in diesem Bereich. Kollege Caesar, ich habe schon viel über die Funktion des Waldes als Klimastabilisator gelernt. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Du bist schon früher gern in den Bayerischen Wald gefahren!) – Ja. Ich oute mich hier: Ich bin ja selbst Waldbesitzer. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der SPD: Oh!) Allerdings gehöre ich eher zu den kleinen Waldbesitzern, die sich nur einen Christbaum zu Weihnachten aus dem Wald holen. Lieber Kollege Caesar, vielleicht sollte ich dich einmal zu mir einladen und dir zeigen, wie man auch kleine Waldflächen bewirtschaften kann. Das ist sehr wichtig. Den Geräuschen im Saale folgend, spüre ich, dass man in der ersten Rede als Minister nicht all seine guten Ideen und Vorhaben gleichermaßen deutlich darstellen, sondern auch Platz für die weiteren Beratungen lassen sollte. Ich freue mich, dass wir diesen Haushalt in einem sehr konstruktiven Klima mit Blick bereits auf 2015 beraten – 2014 ist ja schon fast zur Hälfte vorbei –, und dann müssen wir Akzente bei der Gemeinschaftsaufgabe GAK und bei GAL setzen. Spätestens 2015 sollten wir zu diesen Themen zurückkommen. Ich bedanke mich, Frau Präsidentin. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege, lieber Christian Schmidt. – Die nächste Rednerin in der Debatte: Dr. Kirsten Tackmann für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Minister Schmidt, Sie haben zwei Schwerpunkte Ihrer Politik genannt: Agrarexporte und ländliche Räume. Aus Sicht der Linken ist der erste agrarpolitisch falsch, und der zweite findet sich leider im Haushaltsentwurf nicht wieder. Aber es gibt eben keine richtige Politik mit falschem Haushaltsplan. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass Sie die richtigen Schwerpunkte setzen. Laut dem Fachmagazin Agra--Europe wollen Sie sich persönlich einbringen und ver-suchen, den Export in kaufkräftige Märkte voranzu-bringen. Aus Sicht der Linken lösen aber Agrar-exportstrategien überhaupt keine Probleme, weder soziale noch ökologische – im Gegenteil: Es werden sogar neue geschaffen. (Beifall bei der LINKEN) Das hilft weder den Empfängerländern noch den einheimischen Betrieben, zum Beispiel weil Dumpingpreise auf dem Weltagrarmarkt zum Dumpingeinkommen führen. Wir haben doch schon jetzt die Situation, dass landwirtschaftliche Einkommen gerade einmal 60 Prozent des Industrieniveaus erreichen, und das, obwohl – rechnerisch – 30 Prozent öffentliches Geld dazu beitragen. Das ist inakzeptabel. Wochenmärkte, Landfleischereien, regionale Molkereien oder Bäckereien von nebenan können doch im internationalen Dumpingwettbewerb nicht mithalten. Herr Minister, das können Sie nicht auch noch unterstützen. (Beifall bei der LINKEN) Die gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft sinkt doch auch, wenn Milchkühe oder Schweine nicht mehr für die Versorgung in der Heimatregion gehalten werden, sondern für den Export nach China. Es ist ein Märchen, mit Agrarexporten würde der Welthunger bekämpft. Der Weltagrarbericht sagt eindeutig: Unser Beitrag gegen den Welthunger kann nur die Unterstützung der Landwirtschaft im globalen Süden sein – und nichts anderes. (Beifall bei der LINKEN) Agrarexporte gehen außerdem auf Kosten der Umwelt und des Klimas, nicht nur wegen der Transporte. Wer mehr produziert, als er braucht, übernutzt Äcker und natürliche Ressourcen wie Wasser und Phosphordünger – völlig unnötig. Agrarkulturen wie Kartoffeln oder Rüben verschwinden von den Äckern, nicht weil sie nicht gebraucht werden, sondern weil sie nicht billig genug produziert werden können. Erkauft werden Höchsternten durch Höchstverbrauche von Pflanzenschutzmitteln. Auch das geht auf Kosten von Bienen und Pflanzenvielfalt. Also: Es gibt kein öffentliches Interesse an Agrarexporten. Deswegen darf es dafür auch kein öffentliches Geld geben, (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) und zwar weder direkt noch versteckt hinter den Gehältern von Staatssekretären oder Beamten, die weltweit nach Absatzmärkten suchen. Weil ich gerade dabei bin: Beim Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, muss sofort die Notbremse gezogen werden. Wir können doch nicht zulassen, dass Konzerne wie Vattenfall souveräne Staaten vor Schiedsgerichte zerren, um sie zum Beispiel wegen möglicher Gewinneinbußen durch verbesserte soziale oder ökologische Standards zu verklagen. Das wäre doch die absolute Kapitulation der Politik. Und deswegen macht die Linke da nicht mit. (Beifall bei der LINKEN) Wir bleiben auch an anderen Stellen bei unseren Forderungen. Warum werden Gesetze nicht so verschärft, dass Bodenerwerb durch nichtlandwirtschaftliche Investoren zumindest erschwert wird? Warum wird noch immer ehemals volkseigener Boden in Ostdeutschland meistbietend zum Wohle des Bundeshaushaltes zum Schaden der vor Ort verankerten Betriebe verkauft? Warum bringen Sie nicht endlich die steuerfreie Risikorücklage auf den Weg? Das wäre Hilfe zur Selbsthilfe für die Landwirtschaft. Und: Warum gibt es nicht endlich einen Notfallfonds für tierhaltende Betriebe? Er hätte uns zum Beispiel im Falle des Blutschwitzens bei Kälbern oder der Blauzungenerkrankung bei Schafen geholfen. Warum wird nicht endlich verlässlich Geld für die Umstellung der Landmaschinenflotte von fossilen auf selbstproduzierte pflanzliche Kraftstoffe zur Verfügung gestellt? Das wäre doch mal ein Beitrag zur Unabhängigkeit von Energiekonzernen. Warum wird nicht endlich unser Vorschlag der Einrichtung eines Wolf- und Herdenschutzkompetenzzentrums aufgegriffen? Die Weidetierhalter wollen nicht nur für getötete Tiere entschädigt werden; sie wollen wissen, wie man Tierverluste verhindern kann. (Beifall bei der LINKEN) Aber dabei brauchen sie Unterstützung. Das wäre richtig, gerade weil es gesellschaftlich gewollt ist, dass Isegrim zurückkommt, gerade weil Weidetierhaltung, wie wir gestern in der Anhörung gehört haben, der beste Grünlandschutz ist. Aber ausgerechnet diese Betriebe sind bisher die Verlierer Ihrer Agrarpolitik. Hier wird dringend Hilfe benötigt. Stattdessen werden diese Betriebe zusätzlich belastet, weil zum Beispiel die Beiträge zu ihrer Unfallversicherung extrem steigen – wie übrigens auch bei den Kleinwaldbesitzern. Was hat das mit Haushaltspolitik zu tun? Stolze 70 Prozent des gesamten Bundesagrarhaushaltes gehen in die landwirtschaftliche Sozialversicherung; der Minister hat es schon erwähnt. Auch hier müssen die öffentlichen Mittel im öffentlichen Interesse verwendet werden. Es ist doch eine Binsenweisheit, dass die ländlichen Räume ohne eine starke regionale Landwirtschaft verlieren – und umgekehrt. Aber nach Ihrem Schwerpunkt „ländliche Räume“, Minister Schmidt, muss man im Haushalt leider mit der Lupe suchen. Die Koalition will die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu einer Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Räume“ fortentwickeln. Nun gut! Aber das versprochene Plus von 200 Millionen Euro hat nicht einmal die Koalitionsverhandlungen überlebt. Nun sollen auch noch zusätzlich Hochwasserschutzmaßnahmen aus diesem Etat bezahlt werden, sagt die Umweltministerin. Also mehr Aufgaben mit weniger Geld? Offensichtlich ist das nicht wirklich ernst gemeint. Ich ärgere mich weiterhin, dass wir als Parlament zwar das Geld für diesen Fördertopf beschließen und zur Verfügung stellen, aber keinerlei Einfluss darauf haben, wofür das Geld ausgegeben wird, weil dies nur zwischen Länderregierungen und der Bundesregierung ausgehandelt wird. Diese parlamentsfreie Zone muss endlich abgeschafft werden. (Beifall bei der LINKEN) Mein Fazit: Dem ersten Bundesagrarhaushalt der GroKo kann man eigentlich gar nicht ansehen, dass die FDP nicht mehr dabei ist. Ich denke, die SPD hat da einiges zu tun. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN – Rainer Spiering [SPD]: Das Letzte war nicht nett!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Frau Kollegin. – Nächster Redner: Ulrich Freese für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ulrich Freese (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion für den Haushalt der Landwirte. Zu fachlichen, inhaltlichen Fragen werden gleich meine Kolleginnen Christina Jantz und Ute Vogt und mein Kollege Rainer Spiering Stellung nehmen. Der Haushalt des Landwirtschafts- und Ernährungsministeriums ist ein kleiner, feiner Haushalt – er macht 1,7 Prozent des gesamten Haushaltes der Bundesrepublik Deutschland aus –, aber er ist ein bedeutsamer Haushalt. Denn Ernährung, ob in fester oder flüssiger Form, geht uns alle an. Deshalb sind uns die in der Landwirtschaft tätigen Unternehmerinnen und Unternehmer, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gleich in welcher Sparte, sehr wichtig. Minister Schmidt hat sehr deutlich herausgearbeitet, dass 70 Prozent der Haushaltsmittel, ein hoher Anteil, für Sozialpolitik gebunden sind. Daran hat sich auch nichts dadurch geändert, dass der erste Haushalt der Großen Koalition in dieser Wahlperiode schon durch drei Ministerhände gegangen ist. Ob Aigner, Friedrich oder Schmidt – es bleibt bei dem großen Anteil der Sozialpolitik. Das wird von uns Sozialdemokraten nicht infrage gestellt. Aber dennoch wird man – darauf werden wir zu achten haben – die Kosteneffi-zienz und Wirksamkeit der Maßnahmen, ob in der Kranken-, ob in der Renten- oder in der Unfallversicherung, sehr genau überprüfen. Einer der wichtigen Punkte, die hier beleuchtet werden müssen, sind die Verwaltungskosten der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Sie sind deutlich höher als bei anderen Sozialversicherungsträgern. Mit etwa 340 Millionen Euro liegen sie weit über dem Benchmark vergleichbarer Sozialversicherungssysteme. Wir werden gemeinsam im Zuge der Haushaltsberatungen in diesem und im nächsten Jahr dazu beitragen müssen, dass in diesem Bereich Einsparpotenziale gehoben werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Minister Schmidt, wir Sozialdemokraten haben ja in den Koalitionsverhandlungen sehr intensiv eine in die Sozialpolitik nicht mehr hineinpassende Regelung infrage gestellt. Worum geht es? Während andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Abschläge in Rente gehen können, wenn sie das 65. Lebensjahr – oder ein paar Monate darüber hinaus – erreicht haben, werden die Bauern immer noch, sofern sie weiterarbeiten und ihren eigenen Hof bewirtschaften, benachteiligt, und zwar nicht nur der Bauer, sondern auch seine Frau, die Bäuerin. Dies ist heute sozial- und rentenpolitisch nicht mehr vertretbar. Wir werden Sie im Zuge der Haushaltsberatungen beim Wort nehmen. Bevor wir den Haushalt beschließen, werden wir darauf achten, dass das auch in die Tat umgesetzt worden ist. Wir sehen dort gute Möglichkeiten: Die Rente soll gewährt werden. Wer seinen Hof nicht abgibt, muss einen Abschlag von 10 Prozent hinnehmen. Ich denke, das ist eine faire Regelung. Da gehen wir Sozialdemokraten mit Ihnen gemeinsam den Weg in die Zukunft. (Beifall bei der SPD) Zu einem zweiten Punkt, der uns wichtig ist. Leider wurden die Mittel für den Waldklimafonds von 26,8 Millionen auf 13,7 Millionen Euro gesenkt. Das ist kontraproduktiv; denn die natürlichste CO2-Senke ist der Wald. Bei all dem, was in der Energiepolitik kritisch diskutiert werden kann, kann von Deutschland ein wirkungsvolles Signal ausgehen: Der Wald wird gebraucht, wir wollen ihn erhalten und aufforsten. Von daher ist unser Ziel, in den Haushaltsberatungen zu erreichen, dass der Waldklimafonds mindestens auf 20 Millionen Euro – davon sind 10 Millionen Euro für dieses Ministerium – erhöht wird. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ein dritter Punkt ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Wir haben dafür bereits 600 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Weil auch die ländliche Region Zugang zur digitalen Welt erhalten soll, sind im Haushalt 10 Millionen Euro für die Breitbandverkabelung im ländlichen Raum vorgesehen. Einen wichtigen Punkt, den wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart haben, nämlich ein nationales Hochwasserschutzprogramm, haben wir haushalterisch im Kalenderjahr 2014 allerdings nicht abgebildet. Aber das nächste Hochwasser – über die Ursachen können wir streiten – kommt bestimmt, und zwar in immer kürzeren Intervallen. Deshalb muss mit dem Haushalt 2014 klar signalisiert werden, dass wir es mit dem Hochwasserschutz ernst meinen. Die Landschaften vieler Bundesländer – Bayern, Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und möglicherweise Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern – sind von der Problematik betroffen. Da Prävention besser ist als Nachsorge, wollen wir, dass darüber nachgedacht wird, ob die Mittel aus dem Hilfsfonds für die Flutopfer, der noch nicht gänzlich ausgeschöpft ist, zusätzlich für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ bereitgestellt werden können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Des Weiteren liegen uns Forschung und Entwicklung im landwirtschaftlichen Bereich sehr am Herzen. Für außeruniversitäre Forschung und Entwicklung sind 3 Milliarden Euro vorgesehen. Über alle ministeriellen Bereiche hinweg gilt es nun, gemeinschaftliche Aktivitäten zu entwickeln, weil gute Landwirtschaft, gute Tierhaltung, Tierwohl, Eiweißstrategie usw. wichtige Aufgaben sind, und zwar nicht nur in Bezug auf Ernährung, sondern auch in Bezug auf den Verbraucherschutz. Deshalb wollen wir einen gesicherten Anteil aus diesem Topf für das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft für Forschung und Entwicklung im ländlichen Bereich reklamieren. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich freue mich sehr auf unsere haushalterischen Diskussionen und hoffe, dass wir einen Haushalt auf den Weg bringen, der, wie ich sagte, allen Menschen dient; denn Nahrung in fester und flüssiger Form hält uns alle bei guter Laune, erhält unsere Schaffenskraft und Wirkungskraft. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Nächster Redner: Friedrich Ostendorff für Bündnis 90/Die Grünen. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „… in den ländlichen Räumen schlägt das Herz Europas“, verkündete Minister Horst Seehofer 2007, damals Bundeslandwirtschaftsminister. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Recht hat er!) Durchaus folgerichtig verkündete Horst Seehofer in Absprache mit den Länderministern im Herbst 2013, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ werde um 200 Millionen Euro aufgestockt, um die Verluste bei den Programmen zur ländlichen Entwicklung im mehrjährigen Finanzrahmen der EU auszugleichen. Im aktuellen Haushalt ist von diesen versprochenen 200 Millionen Euro aber keine Rede mehr. CSU-Minister Schmidt sieht leider keine Möglichkeit, die versprochenen 200 Millionen Euro aufzubringen. Das ist ziemlich herzlos gegenüber dem „Herzen Europas“ und ziemlich verlogen gegenüber den Wählerinnen und Wählern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Erstens. Dieses Geld ist ohnehin da, weil Deutschland im mehrjährigen Finanzrahmen Geld einspart. Genau daher wollte es Herr Seehofer ja auch nehmen. Warum besteht diese Möglichkeit plötzlich nicht mehr? Zweitens. 360 Millionen Euro kostet uns heute die teilweise Erstattung von Steuern auf Diesel in der Landwirtschaft, die Sie als Wahlgeschenk an den Deutschen Bauernverband 2009 nochmals um 280 Millionen Euro aufgestockt haben. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Das Geld ist für die Bauern!) Wir Grünen wollen dieses Geld nehmen, um die Landwirtschaft umzubauen und sie zukunftsfähig zu machen. Drittens. 15 Prozent, rund 750 Millionen Euro, könnten Sie von den Direktzahlungen aus der ersten Säule in die zweite Säule umschichten, das heißt in ländliche Entwicklung, das heißt in Agrarumweltmaßnahmen und das heißt in die Förderung des Ökolandbaus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch diese Möglichkeit besteht. Aber das Bundesministerium hat dafür gesorgt, dass es nur 4,5 Prozent werden. Übrigens – das sei hier auch gesagt –: Die Hälfte dieser Gelder geht nach Bayern. Von daher versteht man nicht immer das Agieren der bayerischen Kolleginnen und Kollegen. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Soll noch mehr nach Bayern?) Diese Möglichkeiten bestehen, aber man muss ländliche Entwicklung, Tierschutz und Biodiversität auch wollen, meine Damen und Herren von CDU und CSU. Sie wollen es nicht, Sie tun es nicht, und das ist hier zu kritisieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) „Unsere Dörfer sind die Seele des ländlichen Raumes“, sagte Minister Schmidt am 13. März 2014 dazu, nachdem er einen Tag zuvor ebendiesen Haushalt im Kabinett abgesegnet hatte, der für die Dörfer und den ländlichen Raum so wenig zu bieten hat. Dieser Haushalt sollte Antwort geben auf die Versprechen und Absichtserklärungen, die auch Sie, Herr Minister, schon so oft gemacht haben. Tut er aber nicht. Ein Beispiel. Wieder einmal sieht ein CSU-Minister das Heil der deutschen Landwirtschaft im Export. Sie wollen die Exportkompetenz stärken. Das wird morgen Abend gegenüber, in der Parlamentarischen Gesellschaft, zu erleben sein. Dabei übersehen Sie offenbar, dass gerade die Exportmärkte für die deutschen Erzeuger zunehmend riskant werden. Wirft nicht der russische Markt mit dem in den letzten Monaten gepflegten Umgang, aber auch die politische Entwicklung in Russland sehr große Fragen für uns alle auf? Und China? China geht wie immer sehr stark den Weg der Entwicklung der eigenen Erzeugung. Täglich gibt es neue Meldungen von den internationalen Handelsbörsen. Seit Februar brechen die Preise für Milchprodukte permanent ein. Die Märkte, auf die Sie setzen, sind extrem volatil; die Bundesregierung tut aber nichts, Herr Minister, um das Risiko einer erneuten Milchkrise zu minimieren. In Brüssel bremst die Bundesregierung alle Initiativen für Krisen- und Steuerungsinstrumente wie die Marktmonitoringstelle aus. Im Bundeshaushalt findet sich wieder einmal kein Euro, um den Zusammenschluss von Milcherzeugern zu fördern und damit die Marktmacht der Bäuerinnen und Bauern zu verbessern, wie wir Grünen es seit Jahren fordern und unterstützen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister, was ist denn das für eine Politik, die voll auf Export setzt, ohne eine Antwort auf die Frage nach den damit verbundenen Risiken für die eigenen Erzeuger geben zu können? Nicht einmal die von uns Grünen immer wieder geforderten 5 Millionen Euro für eine Bündelungsoffensive Milch haben Sie in den Haushalt eingestellt. Ein anderes Beispiel. Sie behaupten, Herr Minister, den Ökolandbau voranzubringen. Aber offenbar wollen Sie dafür keinen einzigen zusätzlichen Euro in die Hand nehmen. Das Bundesprogramm Ökologischer Landbau bleibt finanziell genauso schlecht ausgestattet wie zuvor und wird zudem weiterhin von Ihnen geplündert, um diffuse Nachhaltigkeitsprojekte zu fördern. Auch der Erfüllung der Forderung des Nachhaltigkeitsrates der Bundesregierung, 20 Prozent der Agrarforschungsgelder in die Ökolandbauforschung zu stecken, kommen Sie keinen Schritt näher. Nicht besser sieht es beim Megathema Tierschutz aus, nicht besser sieht es bei der Ernährung und im Verbraucherschutz aus. Dieser Haushalt setzt keine Prioritäten. Er enthält keine wegweisenden Projekte, und er bleibt bei den großen Herausforderungen sprach- und konzeptlos. Dieser Agrarhaushalt eignet sich zur Verwaltung des Status quo, zur Gestaltung der Zukunft der Landwirtschaft und attraktiver ländlicher Räume trägt er jedoch nichts, aber auch gar nichts bei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es leider!) Dieser Haushalt ist visions- und antriebslos. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. Ich bin erstaunt; denn Ihre Redezeit war noch gar nicht um. – Dr. Franz Josef Jung ist der nächste Redner. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft für 2014 fällt in ein besonderes Jahr. Wir gedenken nicht nur des Beginns des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren. Vielmehr begann zu dieser Zeit auch eine Phase von starkem Hunger in Deutschland. Der Winter 1916/1917, der sogenannte Steckrübenwinter, wurde ein Symbol des Hungers. Fast niemand nimmt heute noch zur Kenntnis, dass in der Zeit von 1914 bis 1918  800 000 Deutsche an den Folgen des Hungers gestorben sind. Wir feiern in diesem Jahr auch 65 Jahre Grundgesetz. Noch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Grundgesetzes wurden an unsere Bevölkerung Lebensmittelkarten verteilt. Die Menschen waren froh über jedes Stück Brot, Schmalz oder Butter. Die meisten von uns kennen die Situation des Hungers und Lebensmittelmarken nur aus Erzählungen. Ich denke, dies zeigt eines: Ein vielfältiges, hochwertiges und erschwingliches Angebot an Lebensmitteln ist nicht selbstverständlich. Die Bauernfamilien in Deutschland arbeiten hart für unsere gesunde Ernährung. Dafür haben sie unsere Unterstützung und Wertschätzung verdient. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit diesem Haushalt gewähren wir diese Unterstützung. Die Vereinten Nationen haben dieses Jahr als das Internationale Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft ausgerufen. Dies ist ein Signal für Politik und Gesellschaft. Aber ich denke, unsere Bauernfamilien brauchen nicht nur derartige Signale – diese sind auch wichtig –, sondern auch Perspektiven und Planungssicherheit. Sie brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, und sie brauchen Mittel und Möglichkeiten für notwendige Investitionen in ihre Betriebe. Diesen Kriterien entspricht der hier vorgelegte Haushalt von Bundesminister Schmidt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich will vier Punkte hervorheben. Erstens. Wir stellen für die agrarsoziale Sicherung – es ist gerade erwähnt worden – einen zusätzlichen Betrag von 62 Millionen Euro bereit und halten so die Beiträge zur Krankenversicherung stabil. Zweitens. Mit der nationalen Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik schaffen wir die Voraussetzungen für die Direktzahlungen an unsere Landwirte. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Direktzahlungen sind Risikoabsicherungen für kleinere und mittlere Betriebe. Sie sind aber auch ein Ausgleich für gesellschaftliche Leistungen; denn unsere Landwirte leisten einen erheblichen Beitrag zur Pflege unserer Kulturlandschaft. Auch das ist finanziell entsprechend abzusichern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Kernpunkt in diesem Zusammenhang ist das Greening. Ich denke, Greening muss mit Augenmaß und ohne pauschale Flächenstilllegungen erfolgen. Ich füge hinzu: Ich denke, dass in entsprechenden Gebieten auch in Zukunft Pflegeumbruch ermöglicht werden muss. Denn wir wollen keine Verwahrlosung der Landschaft, sondern wir wollen auch in Zukunft die Pflege unserer Landschaft durch unsere Landwirte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD] – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Anhörung hat es sich anders angehört!) Der dritte Punkt ist die Förderung kleinerer und mittlerer Betriebe. Für die ersten 30 Hektar werden zusätzliche Zahlungen von 50 Euro pro Hektar erfolgen, für die nächsten 16 Hektar dann noch 30 Euro pro Hektar. Dies ist ein wichtiger Beitrag zu einer vielfältigen Agrarstruktur mit kleineren und mittleren Betrieben. Ich denke, gerade die Familienbetriebe und die kleineren und mittleren Betriebe sind auch ein Stück Lebenselixier für den ländlichen Raum. Deshalb haben sie die entsprechende Unterstützung verdient. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Viertens nenne ich die nachhaltige und tiergerechte Produktion. Wir wollen die Agrarforschung besser verzahnen. Das gilt auch und gerade mit Blick auf den Tierschutz. Wir haben in diesem Haushalt für den Bereich Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation insgesamt 510 Millionen Euro veranschlagt. Dies dient auch dazu, neue Tierschutzmaßnahmen in der betrieblichen Praxis umzusetzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Aber, meine Damen und Herren, ich sage auch: Tiergerechte Aufzucht und Haltung gibt es nicht zum Nulltarif. Die Initiative „Tierwohl“ darf nicht durch Preisdumping untergraben werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir wollen – so haben wir es auch im Koalitionsvertrag vereinbart – die Vermarktung regionaler Produkte ausbauen. Ich glaube, dass gerade die Einführung eines Regionalfensters – der Startschuss war ja anlässlich der Grünen Woche hier in Berlin – einen wichtigen Beitrag hierzu leistet. Eine Regionalkennzeichnung mit klaren Kriterien – die Hauptzutat muss zu 100 Prozent aus der Region stammen – stärkt, wie ich finde, das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die regionale Herkunft. Wir stärken damit auch die Wertschöpfungsketten auf dem Land. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Unterstützung auch und gerade unserer regionalen Landwirtschaft in der Zukunft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Was in dieser Debatte oft nicht erwähnt wird – ich will es heute aber mit Genehmigung der Frau Präsidentin tun –: Vizepräsidentin Claudia Roth: Es kommt darauf an, was Sie sagen. (Vereinzelt Heiterkeit – Ute Vogt [SPD]: Keine Zensur!) Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU): Zu diesem Bereich, Frau Präsidentin, gehört auch der Weinbau. Vizepräsidentin Claudia Roth: Ja, selbstverständlich. Dr. Franz Josef Jung (CDU/CSU): Deshalb finde ich es erwähnenswert, dass wir die Qualität des Weinbaus durch ein Stützungsprogramm für Wein weiter fördern, und zwar mit rund 39 Millionen Euro im Jahr. Dies dient insbesondere der Steillagenförderung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer einmal in den entsprechenden Gebieten gewesen ist – sei es an der Mosel, sei es am Rhein oder in anderen Regionen – und gesehen hat, wie die Winzerinnen und Winzer gerade in den Steillagen durch sehr harte Arbeit mit die Voraussetzungen dafür schaffen, dass unsere Kulturlandschaft auch in diesen Regionen in Zukunft erhalten bleibt und weiterentwickelt wird, der kann, glaube ich, nachvollziehen, dass die Steillagenförderung für die Winzerinnen und Winzer auch in Zukunft notwendig ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Das Qualitätsprodukt Wein ist aus meiner Sicht ein Kulturgut. Ich finde, wir müssen nur noch einen Beitrag leisten, dass dies noch mehr in das breite Bewusstsein unserer Bevölkerung eindringt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Perspektiven, Planungssicherheit, Qualität und Produktinnovationen, das sind die Voraussetzungen für eine zukunftsfeste Landwirtschaft. Wir legen mit diesem Haushalt das finanzielle Fundament für eine positive Entwicklung unserer Landwirtschaft, für eine positive Entwicklung im Bereich der Ernährung. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Unterstützung für diesen Haushalt. Besten Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Jung. – Nächste Rednerin ist Karin Binder für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Karin Binder (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Gäste auf den Tribünen! Herr Finanzminister Schäuble freute sich heute Morgen über die schwarze Null in seinem Haushalt und dass er seit 2010 keine Ausgabenerhöhungen mehr zugelassen habe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das mag für einen schwäbischen Häuslebauer durchaus erstrebenswert sein; aber ich sage Ihnen: Ein Finanzminister muss die Zukunft im Blick haben, die Zukunft des Landes, der Menschen und künftiger Generationen, und Zukunft braucht Entwicklung und deshalb Investitionen. Die schwarze Null aber bedeutet Stagnation. (Beifall bei der LINKEN) Besonders deutlich wird das am Haushalt des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Zusätzliche Mittel gibt es nur für überfällige Gebäudesanierungen oder notwendige bauliche Erweiterungen. Wo, frage ich Sie, bleiben die Investitionen, die notwendig sind, um die im Koalitionsvertrag versprochenen Maßnahmen umzusetzen? Wo schlagen sich diese Investitionen im Haushaltsplan nieder? Ich nenne nur wenige Beispiele. Erstens: Nanotechnologie. Der Koalitionsvertrag verspricht staatliche Begleitforschung zum Thema Nanomaterialien, im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes eines der brennendsten Themen überhaupt. Lebensmittel und Produkte des täglichen Bedarfs werden mittels Nanotechnologie hergestellt oder mit Nano-partikeln besser verkaufbar gemacht; da sind die Unternehmen sehr kreativ und sehr erfinderisch. Das Problem ist nur: Wer kümmert sich um die gesundheitlichen Risiken, wer kümmert sich um die Einschätzung der Folgen, die diese Technologie nach sich ziehen kann? Diese Einschätzung muss uns Politikerinnen und Politikern am Herzen liegen. (Beifall bei der LINKEN) Wir müssen dafür sorgen, dass solche Produkte nicht einfach auf den Markt geworfen werden und man sich erst in 20 Jahren dafür interessiert, was alles an Krankheiten, Allergien oder Ähnlichem zutage tritt. Wir müssen Mittel einstellen, damit diese wichtige Forschung – Risikoabschätzung, Technikfolgenabschätzung, Begleitforschung zu all diesen Produkten, die hier bedenkenlos auf den Markt kommen – stattfinden kann. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Zweitens: Ökolandbau; dieses Thema wurde schon angesprochen. Die Verbraucherinnen greifen aus guten Gründen immer häufiger zu Ökoprodukten. Diese kommen aber immer öfter aus weit entfernten Ländern. Da frage ich mich: Wo bleibt dann der Nutzen für die Umwelt? Das Problem ist: Bei uns wächst der Ökolandbau nicht mit der Nachfrage nach diesen Produkten. Immer mehr Ökobauern geben auf, weil die Rahmenbedingungen einfach nicht stimmen, nicht ausreichen, um ihren Betrieb zu erhalten. Das heißt, der Bund muss dringend den regionalen Anbau und die Vermarktung hier im Land fördern, damit der Umwelt tatsächlich gedient ist. (Beifall bei der LINKEN) Die Mittel zu verstetigen, reicht nicht aus; verstetigen bedeutet nämlich: einfrieren. Sie haben im Koalitionsvertrag aber versprochen, den Ökolandbau zu fördern. Drittens: Verbraucherschutz. Unter der Überschrift „Verbraucherschutz“ versprechen Sie im Koalitionsvertrag: Wo Verbraucher sich nicht selbst schützen können oder überfordert sind, muss der Staat Schutz und Vorsorge bieten. Aber wo haben Sie das denn einkalkuliert? Ich finde das im Haushaltsplan nicht. Ungleichgewichte im Markt, also die Benachteiligung von Verbraucherinnen und Verbrauchern, beseitigen Sie nicht mit freiwilligen Selbstverpflichtungen der Unternehmen. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen verbindliche gesetzliche Regelungen, um den Verbraucherinnen und Verbrauchern ihr Recht zu verschaffen. Hier ist politischer Wille gefordert. Klare Verbraucherinformationen gibt es nur mit einer gesetzlich geregelten Kennzeichnung. Deshalb fordert die Linke: Nicht nur Inhalts- und Zusatzstoffe, sondern auch die Herkunft und die Lieferwege wesentlicher Bestandteile industriell hergestellter Lebensmittel müssen verständlich und nachvollziehbar ausgewiesen werden. (Beifall bei der LINKEN) Nur mit solchen Nachweisen haben die Lebensmittelkontrolleure bei globalisierten Märkten und einer weltweit arbeitenden Lebensmittelindustrie eine Chance, möglichst frühzeitig Probleme zu erkennen und damit der Politik die Möglichkeit zum raschen Handeln zu geben. Damit sind wir bei der Lebensmittelsicherheit. Dioxine, EHEC und andere gefährliche Krankheitserreger in Lebensmitteln, Gammelfleisch oder Pferdefleisch im Essen sind Beispiele für die Notwendigkeit einer kompetenten und schlagkräftigen Lebensmittelkontrolle. Lebensmittelskandale verunsichern die Verbraucherinnen und Verbraucher, und mit jedem weiteren Vorfall bröckelt das Vertrauen in die Lebensmittelbranche und in die Politik weiter. Deshalb müssen die Ursachen angegangen werden: (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Durch weltweite Lieferketten und den zunehmenden Handel von Lebensmitteln im Internet ist die Herkunft der zusammengekauften Zutaten kaum noch zu ermitteln. Wenige Handelskonzerne kontrollieren die Preise. Als Folge von Dumpingpreisen bleiben Qualität und Sicherheit auf der Strecke. Der Anteil an Fertiglebensmitteln nimmt ständig zu. Bei jedem Verarbeitungsschritt steigt aber das Risiko einer Verunreinigung. Gleichzeitig leidet die amtliche Lebensmittelüberwachung unter erheblichem Personal- und Ausstattungsmangel; es fehlen circa 3 000 Fachleute. Das Absurde ist: Gemeinden und Kommunen sind für die Kontrollen globaler Lebensmittelkonzerne zuständig. Das kann nicht funktionieren. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen diese Kontrolle auf Bundesebene. Auf dieser Ebene muss auch die Stelle eingerichtet werden, die über die Länder hinweg koordiniert. Ich komme zu einem letzten Punkt, der mir ganz wichtig ist, zum Thema „Schulverpflegung und Kinderernährung“. Ich wünsche mir wirklich, dass wir in diesen Haushalt noch sehr viele Dinge aufnehmen können. Die Ernährung der Kinder ist die wesentliche Grundlage dafür, wie sich ihre Entwicklung vollzieht, ob sie in der Lage sind, einen vernünftigen Schulabschluss zustande zu bringen. Deshalb ist eine flächendeckende bundesweite Schulverpflegung aus meiner Sicht unumgänglich. Hier ist der Bund in der Pflicht. Der Bund ist für Daseinsvorsorge und Fürsorge zuständig. Deshalb muss auch das bestehende Kooperationsverbot weg. Stattdessen brauchen wir ein Verbot der Kooperation mit der Lebensmittelindustrie, – Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Kollegin! Karin Binder (DIE LINKE): – damit die Kinder nicht von vornherein mit viel Zucker, Salz und Fett verdorben werden. Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist Christina Jantz für die SPD. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Christina Jantz (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es vollzieht sich ein Wandel in der Gesellschaft. Lebensmodelle und Konsumgewohnheiten ändern sich, und vor allem verbessert sich unsere Wertschätzung gegenüber anderen Lebewesen. Dem hat der Gesetzgeber, wir alle hier, Rechnung getragen, indem der Tierschutz in das Grundgesetz aufgenommen wurde. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dieser aus meiner Sicht richtige, sich verändernde Stellenwert des Tierschutzes schlägt sich auch im vorliegenden Haushaltsentwurf nieder. Der Schutz der Tiere macht zu Recht einen guten Teil des Etats des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft aus. Der Tierschutz ist als übergreifendes Thema Teil vieler wichtiger Einzelposten in diesem Haushaltsentwurf. Er betrifft erstens sowohl die Forschung als auch die Praxis, zweitens sowohl die Privatpersonen als auch die Wirtschaft, und drittens ist er lokal und auch global relevant. Als Tierschutzbeauftragte meiner Fraktion freue ich mich deshalb, dass mit diesem Haushalt natürlich auch aufgrund unserer SPD-Forderung trotz umfassender Sparbemühungen dem Schutz der Tiere viel Raum zugestanden wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Koalitionsvertrag gibt dabei die Richtung der Bemühungen der kommenden Jahre vor. So haben wir darin unter anderem eine nationale Tierwohloffensive vereinbart. Wir wollen eine sichtbare Verbesserung beim Tierwohl. Die Nutztierhaltung muss tiergerechter werden. Sie passt sich damit auch den veränderten Wünschen in der Gesellschaft an. Hierbei müssen selbstverständlich die Tiergesundheit, die Möglichkeit zum natürlichen Verhalten der Tiere und das Tierwohl im Vordergrund stehen, (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN) dies alles vor dem Hintergrund, dass gute Haltungsbedingungen weniger kranke Tiere bedeuten und damit auch der Medikamenteneinsatz insgesamt zurückgefahren wird. Daran schließt sich an, dass wir ein bundeseinheitliches Prüf- und Zulassungsverfahren für Tierhaltungssysteme einführen werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die SPD hat schon früh einen Tierschutz-TÜV gefordert. Das bedeutet, dass es zukünftig für serienmäßig hergestellte Stallsysteme einheitliche Prüfrichtlinien geben wird. Daher finde ich es richtig, dass die Zuschüsse zur Förderung von Modell- und Demonstrationsverfahren in diesem Jahr auf 16 Millionen Euro erhöht werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) 7 Millionen Euro hiervon sind alleine für Projekte im Bereich des Tierschutzes vorgesehen. Mit diesen Mitteln werden wir unter anderem Forschungsvorhaben finanzieren, mit deren Hilfe der Antibiotikaeinsatz reduziert und die Hygiene in den Ställen verbessert wird. Wir werden mit diesen Mitteln auch den Praxistransfer von Forschungsergebnissen voranbringen, und die Landwirtschaft wird hiervon profitieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der gesellschaftliche Diskurs über die Größe tiergerechter Haltung hat bereits begonnen. So befürchten beispielsweise die Bürgerinnen und Bürger sicher nicht nur in meinem Wahlkreis mit der Errichtung eines großen Schweinemaststalls Belastungen für Umwelt und Anwohner. Die Auswirkungen dieser Intensivtierhaltung wie Belastungen des Grundwassers und der Nährstoffüberschuss sind vielerorts bereits spürbar. Eine solche Entwicklung kann auf Dauer nicht gesund sein. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Tiergerecht ist sie auf keinen Fall. Daher brauchen wir eine flächengebundene Tierhaltung. Wir müssen bei diesem Prozess vor allem die Bauern mitnehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Forschung kann und muss uns dabei unterstützen. Die Förderung unterschiedlicher Forschungsinstitute, projekte und cluster in den kommenden Jahren ist daher aus meiner Sicht genau der richtige Ansatz. Stellvertretend erwähnt sei hier nur das Friedrich-Loeffler-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, das wir mit rund 120 Millionen Euro unterstützen werden. Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Im Vordergrund steht natürlich das Tier und seine Lebensbedingungen. Aber wir brauchen Qualitätsstandards auch, um mit unseren landwirtschaftlichen Produkten international bestehen zu können. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Es gilt hier, was für nahezu alle deutschen Wirtschaftszweige gilt: Wir können nicht anders, als uns bei den Standards an die Spitze zu setzen. Nur so können wir auf den globalisierten Märkten bestehen. Dass dies der richtige Weg ist, sehen wir auch daran, dass eine tiergerechte Nahrungsmittelproduktion vom Verbraucher zunehmend honoriert wird. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch, dass wir diese hohen Standards sichtbar machen. Nur durch eine klare, transparente Kennzeichnung mit Tierschutzsiegel hat der Verbraucher eine echte Wahl. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Franz Josef Jung [CDU/CSU]) Auch in der Forschung ganz allgemein muss es Veränderungen hin zu mehr Tierschutz geben. Ziel muss es sein, die Zahl der Tierversuche auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch, kurz ZEBET, kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Kern dieser Forderung ist das aus meiner Sicht wichtige Ziel, Tierversuche komplett zu vermeiden. Ich begrüße daher ausdrücklich, dass wir diese Einrichtung über den Etat des Bundesinstituts für Risikobewertung fördern. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir abschließend eine persönliche Anmerkung: Der sorgsame Umgang mit Tieren ist für mich nicht nur als Tierschutzbeauftragte, sondern auch ganz persönlich dort ein Anliegen, wo kein unmittelbarer Nutzen für die Menschen daraus folgt. Er ist für mich eine ethische Verpflichtung. Insgesamt sehe ich den Tierschutz zudem in einem größeren Zusammenhang. Aus ihm ergibt sich die Notwendigkeit einer nachhaltigen bäuerlichen Landwirtschaft, des Erhalts und der Entwicklung lebenswerter ländlicher Räume und des Naturschutzes im Allgemeinen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutschland muss im Tierschutz weltweit eine Vorreiterrolle einnehmen. Wir rücken das Tierwohl in den Vordergrund und vergessen zugleich die Landwirtschaft nicht. Mit diesem Haushalt begeben wir uns auf den richtigen Weg für den Tierschutz. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin. Das ganze Haus gratuliert Ihnen zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. (Beifall) Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Einsatz nicht nur, aber auch für die Rechte der Tiere. Darf ich Sie bitten, die Gratulationstour etwas zu beschleunigen. Sie können ja hinterher noch etwas trinken. Ihr Vorredner hat ja gesagt, das sei gut für die Stimmung. – Dann kommt Harald Ebner als nächster Redner für Bündnis 90/Die Grünen. (Alois Gerig [CDU/CSU]: Das ist schlecht für die Stimmung!) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Gut Ding will Weile haben, könnte man beim späten Einbringen dieses Haushalts meinen – wenn es denn so wäre. Beim Blick auf den Einzelplan 10 frage ich mich aber: Was haben Sie eigentlich die ganze Zeit gemacht? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Gearbeitet!) Der Plan ist ein einziges Weiter-so, Kollege Holzenkamp. Vom Regierungswechsel merke ich nichts. Doch auch wenn sich offenbar drinnen trotz neuer Koalition nichts geändert hat: Draußen in der Welt hat sich doch einiges von Relevanz für Landwirtschaft und Ernährung getan. Lassen Sie mich drei Punkte herausgreifen: den Bericht des Weltklimarates, den Bericht zur Lage der Natur und, last, but not least, die Gentechnik. (Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Das überrascht mich jetzt!) Eines zur Klarstellung vorneweg: Wir Grünen sagen ausdrücklich Ja zur bäuerlichen Landwirtschaft und zu unseren wunderschönen Kulturlandschaften in Deutschland. Das gehört untrennbar zusammen. Gerade deshalb wollen wir, dass unsere Bauern und Bäuerinnen auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet werden. Das ist Ihre Aufgabe, Herr Minister, als Bundesregierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wo liegen die Herausforderungen? Erstens. Der neue Bericht des Weltklimarates zeigt: Es geht nicht mehr um Wandel. Es droht eine Klimakatastrophe, und das auch bei uns. Wenn künftig immer häufiger extreme Starkregenereignisse auf ausgetrocknete vegetationsarme Böden treffen, dann ist die Existenzgrundlage unserer Bauern, nämlich der Boden, akut gefährdet. Wenn Sie schon nicht die Ursachen der Klimakata-strophe angehen wollen, weil Ihnen die Kohle wichtiger ist als das Klima, dann müssen Sie doch wenigstens die Anpassung unserer Landwirtschaft an die Folgen unterstützen. Das geht aber nicht mit einem Haushalt des Weiter-so. Dafür brauchen wir gezielte Investitionen in eine klimagerechte Landwirtschaft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das machen wir doch!) Da lassen Sie die Landwirte aber im ausbleibenden Regen stehen. Immerhin, Sie fördern die Züchtung klimaangepasster Kulturpflanzen mit 1 Million Euro; aber den Posten haben Sie im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte gekürzt. Gleichzeitig geben Sie allein für die Verbesserung der Fleischqualität das Dreifache aus. Ja, beim Klima geht es um die Wurst, aber da haben Sie, glaube ich, doch etwas falsch verstanden. Das, was Sie anpacken, passt nicht zu Ihrer Politik in anderen Feldern, meine Damen und Herren. Sie stocken die Mittel für die Biomasseforschung weiter auf. Gleichzeitig kürzen Sie beim EEG und gehen den erneuerbaren Energien an den Kragen. Das ergibt doch keinen Sinn. Ich habe den Eindruck: Hier weiß die linke Hälfte der Regierung nicht, was die rechte Hälfte der Regierung tut. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Machen Sie hier doch etwas für die Ökologisierung der Biomasse und für das Biogas! Zweitens. Der aktuelle Bericht zur Lage der Natur von Umweltministerin Hendricks ist ein Offenbarungseid. Gerade in unseren Agrarökosystemen müssen wir ein dramatisches Artensterben beklagen. Aber statt in die Forschung und die Förderung von Bewirtschaftungsalternativen zu investieren, will die Bundesregierung jetzt auch Pestizide auf den ökologischen Vorrangflächen zulassen. Staatssekretärin Flachsbarth schiebt die Verantwortung ab und ruft die Bundesländer zu größeren Anstrengungen bei den Agrarumweltmaßnahmen auf. Dabei hat Bundeskanzlerin Merkel die dafür nötigen EU-Gelder in der zweiten Säule zusammenstreichen lassen. Von Horst Seehofers Versprechen, die Mittel für die GAK aufzustocken, hört man nach der Wahl nichts mehr. Sie wollen mit weniger Geld mehr Natur- und Umweltschutz betreiben und dann noch eine nachhaltige Politik für den ländlichen Raum. Das funktioniert nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Das kann nicht jeder!) Dabei wäre es doch so einfach. Der von der Bundesregierung eingesetzte Rat für Nachhaltige Entwicklung hat den Ökolandbau als Goldstandard der Nachhaltigkeit bezeichnet. Aber ausgerechnet das Bundesprogramm Ökologischer Landbau dümpelt auch in diesem Haushalt weiter vor sich hin. Bei Ihnen ist das Bundesprogramm zur Resterampe verkommen, mit der alles Mögliche finanziert wird, nur möglichst kein Ökolandbau. Wer mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft will, muss genau hier investieren. Genau das werden wir einfordern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie versenken lieber 4 Millionen Euro für ein verbessertes Düngemanagement in viehstarken und wassersensiblen Gebieten und geben damit Steuergelder aus, um ein Problem zu lösen, an dessen Schaffung andere Geld verdienen. Verursacherprinzip sieht anders aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dabei liegen im Forschungsministerium – wenn Sie da denn ran wollen – satte 135 Millionen Euro für den Bereich Bioökonomie bereit. Dieses Geld gehört aus meiner Sicht zumindest in wesentlichen Teilen in den Agrarhaushalt, Herr Minister. Sie können doch nicht ernsthaft für Ihr Haus die Federführung bei der Entwicklung der Bioökonomiestrategie reklamieren und sich dann jeden Gestaltungsspielraum im Haushalt aus der Hand nehmen lassen. Da müssen Sie ran, wenn Sie nicht König ohne Land sein wollen. Drittens und Letztens. In der Agrogentechnik verfolgen Sie gerade die Linie bei der Genmaiszulassung: erst die Katze aus dem Sack lassen und dann mit Schmackes auf den Sack draufhauen und mit Opt-out Scheinlösungen vorgaukeln. Das muss man erst einmal hinbekommen. Wenn es nun eine Scheineinigkeit in der Gentechnik gibt – alle sagen, dass wir die Gentechnik nicht brauchen –, dann frage ich mich: Wo finde ich das im Haushalt? Ich finde es nicht. Es gibt kein Geld für eine Kampagne für das Qualitätssiegel „Ohne Gentechnik“. Es gibt zudem keine gezielte Förderung der gentechnikfreien Pflanzenzüchtung. Da herrscht im Haushalt Fehlanzeige. Das muss sich ändern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Das genau nicht!) Noch eine allerletzte Bemerkung. Im Europawahlprogramm der CDU ist zu lesen: Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit wollen wir den Züchtern die Möglichkeit einräumen, auf dem Gebiet der Nutzung grüner Gentechnik wissenschaftlich tätig zu sein. Was, glauben Sie denn, kommt dabei heraus, wenn sich Züchter mit Grüner Gentechnik befassen? (Rita Stockhofe [CDU/CSU]: Gute Ergebnisse!) Dabei kommt Gentechniksaatgut für den Anbau heraus. Das werden wir bekommen, wenn Sie mit dem Haushalt so weitermachen. Das muss sich ändern. Dafür setzen wir uns ein. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist Marlene Mortler für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Marlene Mortler (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, in dieser Zeit und in einem Land zu leben, wo Lebensmittel noch nie so sicher waren wie heute, ob biologisch oder konventionell hergestellt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]) Ich darf aus einem Interview mit unserem Minister Schmidt in der heutigen Ausgabe des Tagesspiegels -zitieren. Als er in zwei Sätzen erklären sollte, was er als seine wichtigste Aufgabe ansieht, hat er geantwortet: „Die Landwirtschaft und die Bedeutung des ländlichen Raums allen Menschen näherzubringen.“ Das wünsche ich mir auch von der Opposition. Des Weiteren sagte er: „Unsere Lebensmittel sicherhalten und für den Respekt vor der Schöpfung arbeiten.“ (Beifall bei der CDU/CSU) Für diese wichtigen Aufgaben geben wir ihm heute den nötigen Agrarhaushalt an die Hand. Mit 5,31 Milliarden Euro halten wir den Agrarhaushalt, wie ich meine, auf einem hohen Niveau, und das zu Recht; denn Landwirtschaft ist eine Zukunftsbranche. Nur mit der Landwirtschaft wird es gelingen, die Herausforderungen angesichts der wachsenden Weltbevölkerung zu meistern. Ich denke, Deutschland hat hier als Gunst- und Wissensstandort national und international eine besondere Verantwortung. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir setzen also in diesem Haushalt nicht nur auf Kontinuität, sondern wollen auch eine Landwirtschaft, die nachhaltig wirtschaftet und leistungs- und wettbewerbsfähig bleibt. Lassen Sie mich aus meiner Sicht noch drei Punkte aus dem Haushalt herausgreifen. Erstens. Den größten Posten – das wurde schon mehrfach genannt –, nämlich 70 Prozent des Haushalts, bildet der Agrarsozialbereich. Als zuständige Berichterstatterin sind mir folgende Punkte wichtig: In der landwirtschaftlichen Bevölkerung werden zwar mehr Kinder geboren als in der übrigen Bevölkerung; aber es zahlen nur diejenigen Beiträge in das landwirtschaftliche Sicherungssystem, die einen Hof bewirtschaften bzw. dort arbeiten. Das ist leider die absolute Minderheit. Das heißt auch, dass das Verhältnis von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung viel schlechter ist als in der allgemeinen gesetzlichen Sozialversicherung. Das hat gravierende Auswirkungen. Dem tragen wir durch angepasste Haushalte übrigens immer wieder Rechnung. Bereits im Jahr 1957, als die landwirtschaftliche Alterssicherung eingeführt wurde, hat man von einem Teilsicherungssystem gesprochen. Seit 1995 trägt nun der Bund die finanziellen Folgen eines leider beschleunigten Strukturwandels. Das ist nicht selbstverständlich. Daher an alle Akteure, die im Haushaltsbereich tätig sind, ein großes, dickes Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Lieber Kollege Priesmeier, ich freue mich aufrichtig, dass du schon fast wieder der Alte bist. (Willi Brase [SPD]: Er hört auf, zu rauchen!) Damit es dir gleich noch viel besser geht, spreche ich die Hofabgabeklausel an, die ebenfalls auf unserer Agenda bleibt. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das interessiert uns auch!) Auch in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung können die aktiven Mitglieder nicht alle Ausgaben für ihre eigenen Rentner bzw. Altenteiler stemmen. Sie wären finanziell schlichtweg überfordert. Danke deshalb auch dem Bundesminister und den Haushältern für die zusätzlichen, heute schon mehrfach genannten Kompensationsmittel von 37 Millionen bzw. 25 Millionen Euro. All dieses Geld ist gut investiert. Es hilft im Alter, unterstützt bei Krankheit und sichert bei Unfällen ab. Mein zweiter Punkt ist der gesundheitliche Verbraucherschutz. Auch wenn das V im BML verschwunden ist, bleibt Verbraucheraufklärung Daueraufgabe. Gerade die Arbeit des Bundesinstituts für Risikobewertung hat sich bewährt. Deshalb begrüße ich auch hier die Mittelaufstockung sehr. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Denn das BfR zeigt Missstände auf, und es steuert auch dann mit Fakten dagegen, wenn Verunsicherung oder bewusste Panikmache den Blick für Sachargumente verschließen. Je mehr sich die Menschen von der Lebenswirklichkeit auf dem Land und der Erzeugung von Lebensmitteln entfremden, umso wichtiger wird diese Arbeit bzw. diese Aufgabe. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, als Landfrau freue ich mich außerdem, dass wir weiter auf eine gesunde Ernährungsweise setzen, auf transparente Lebensmittelkennzeichnung und auf die Vermeidung von Lebensmittelabfällen. Dritter Bereich: unsere Investitionen in Forschung und Innovationen. Kollege Jung hat darauf intensiv hingewiesen: Immerhin sind dafür im Etat 510 Millionen Euro veranschlagt. Ich möchte das Kind gerne einmal beim Namen nennen: Egal ob Tiergesundheit – Friedrich--Loeffler-Institut –, Kulturpflanzen – Julius-Kühn-Institut –, leistungsfähige Pflanzensorten – Bundessortenamt –, Ernährung und Lebensmittel – Max-Rubner-Institut –, Lebensmittelsicherheit – Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit – oder Ressourcennutzung – Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut –: Hier liegt die Forschung in unserem Land in guten Händen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Wer aufgepasst hat, hat bemerkt: Die BLE, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, habe ich nicht erwähnt. Ich nenne sie jetzt ganz bewusst noch. Die BLE richtet nämlich alle zwei Jahre – das ist den meisten hier unbekannt – eine internationale Tagung für alle Führungskräfte im Bereich der Landjugend aus – diese Tagung ist einmalig –, und zwar in Herrsching in Bayern; darüber freue ich mich als Bayerin natürlich. Dorthin kommen junge Leute, um sich – das ist weltweit einmalig – auszutauschen, um sich fit zu machen für die Anliegen der Landwirtschaft und der ländlichen Räume. Auch dieser Austausch wird durch unseren Haushalt gestützt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden unserem Minister mit diesem Etat ein solides Fundament bereiten. Wir wünschen ihm eine glückliche Hand im Sinne von Respekt und Bewahrung unserer Schöpfung. Sehr geehrte Frau Präsidentin, ich habe das, was ich das letzte Mal überzogen hatte, heute wiedergutgemacht. Ich bin vor Ablauf meiner Redezeit fertig. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und alles Gute bei den weiteren Beratungen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Marlene Mortler. Bei Ihnen wäre ich heute auch ganz besonders gnädig gewesen. – Rainer Spiering ist der nächste Redner für die SPD. (Beifall bei der SPD) Rainer Spiering (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Liebe Schülerinnen und Schüler! Im aktuellen Haushalt nehmen die Bereiche Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation einen hohen Stellenwert ein. Wir hören, das Gesamtbudget umfasst 5,3 Milliarden Euro. Hiervon entfallen, wie bekannt, 3,6 Milliarden Euro auf die landwirtschaftliche Sozialpolitik und 600 Millionen Euro auf die GAK-Mittel. Für Forschung und die vier Ressortforschungseinrichtungen sind insgesamt 510 Millionen Euro – eine halbe Milliarde Euro, Kolleginnen und Kollegen! – veranschlagt; damit ist dies der drittgrößte Posten in diesem Einzelplan. Schwerpunkte der Forschungsinvestitionen sind eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion, Klima- und Ressourcenschutz, Sicherheit von Lebensmitteln, Tierwohl – die Kollegin Christina Jantz hat es gerade gesagt und, wie ich finde, sehr anschaulich deutlich gemacht – (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) und gesunde Ernährung. Es ist richtig, den Mittelzufluss für die großen Forschungseinrichtungen konsequent zu steigern und ihnen Planungssicherheit zu geben. Die Langzeit- und Großforschung ist mit einer Haushaltssteigerung von 4 Prozent gut berücksichtigt. Glückwunsch, Herr Minister! (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Forschung im Landwirtschafts- und Ernährungsbereich hat nicht nur etwas mit Saatgut und Seuchenprävention zu tun, nein, es geht hierbei auch um zentrale Fragen unserer zukünftigen Ernährung. Diese wird durch die Landwirtschaft und die nachgelagerte Lebensmittelproduktion gesichert. Sie wissen, unsere Erde und ihre Ressourcen gibt es nur einmal. Phosphor zum Beispiel als Bestandteil von Dünger wird in naher Zukunft ein knappes Gut sein. Die weltweiten Phosphorvorräte werden, wenn nicht massiv umgesteuert wird, in nicht einmal einer Generation aufgebraucht sein. Ich habe gelernt, nur 0,09 Prozent der Erdrinde geben Phosphor her. Es heißt, Alternativen aufzuzeigen. Hier sind wir in Deutschland mit unseren großen Instituten Julius Kühn, Friedrich Loeffler, Max Rubner, Johann Heinrich von Thünen und anderen sehr gut aufgestellt. Herr Minister, ich möchte jetzt auf eine besondere Förderung des ländlichen Raums kommen: Wichtig ist, auch kleinere Institute in den Blick zu nehmen. Lassen Sie mich an dieser Stelle einen kurzen Augenblick bei einer Stadt im nördlichen Landkreis Osnabrück verweilen. Ich gebe zu: Jetzt kommt der Werbeblock Heimat. Quakenbrück ist ein kleines Mittelzentrum mit circa 13 000 Einwohnern im Grenzbereich der Landkreise Cloppenburg und Vechta, die wiederum allgemein bekannt sein dürften. Wir befinden uns in einer Region, die maßgeblich an der Fleischproduktion der Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist. Ende der 80er-Jahre erlebte diese kleine Stadt wie viele andere auch eine tiefgreifende Strukturkrise, verbunden mit dem Rückgang der Zahl hochwertiger Arbeitsplätze. Heute beheimatet die Stadt Quakenbrück das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik, kurz: DIL. Eingebettet in eines der Zentren der Fleisch- und Lebensmittelproduktion hat sich hier ein Hochleistungszentrum für Forschung und Anlagentechnik entwickelt. Eine kleine Randbemerkung. Dem einen oder anderen Sportbegeisterten wird Quakenbrück bekannt sein. (Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Ja!) Die Basketballmannschaft Artland Dragons spielt in der 1. Bundesliga. (Beifall bei der SPD – Willi Brase [SPD]: Bravo!) – Ja, ein Spitzenteam im ländlichen Raum. – Herr Minister, wir brauchen auch Spitzenteams in Forschung und Innovation im ländlichen Raum. (Beifall bei der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Haben Sie gerade dichtgemacht!) Wenn wir diesen Raum stärken wollen, haben wir die Möglichkeit dazu, durch vermehrte Projektförderung von kleineren Forschungseinrichtungen, auch fernab der Ballungszentren, gerade auch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, in den Bereichen der Technikfolgenabschätzung und der Nanotechnologie. Lassen Sie uns die Forschung dort fördern, wo auch die Produktion stattfindet: im ländlichen Raum. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dann ist die Kette zwischen Forschung und Umsetzung in der Praxis auch geschlossen. Warum brauchen wir diese Forschung? In unserer hochmodernen Gesellschaft vergessen wir mitunter, was die Basis unseres Daseins ist. Wir benötigen täglich gesunde Nahrungsmittel, am besten nachhaltig und ressourcenschonend produziert. Der erste Sektor, also die Urproduktion, sichert unsere Ernährung und bildet die Grundlage für alles, was danach kommt, für den Sektor der Industrie und die Dienstleistungsbranche. Man muss immer wissen, wo es anfängt und wo es aufhört. Ernährung ist in hohem Maße eine Frage des Vertrauens. Wir haben in der Vergangenheit häufig erlebt, dass durch Lebensmittelskandale dieses Vertrauen erschüttert wurde. Es ist unsere Aufgabe, durch Forschung und Entwicklung dafür zu sorgen, dass das Grundvertrauen der Verbraucher langfristig wiederhergestellt wird und dass die Landwirtschaft und die Lebensmittelindustrie ihre Produkte, die gut hergestellt sind, auch ordentlich auf den Markt bringen können. Aber es geht auch darum, die Ernährung generell sicherzustellen. Wir finden heute im Supermarkt ein Angebot im Überfluss. Aber ist es sicher, dass das langfristig so bleibt? Stichworte in einer sich verändernden Umwelt sind „Klimawandel“, „Rückgang der Ressourcen“, als kleines Beispiel: „massenhaftes Bienensterben“, und zwar durch Einflüsse, die wir erzeugt haben. Schon heute gibt es eine Eiweißlücke in Europa. Wir benötigen mehr pflanzliches Eiweiß, als auf den Ackerflächen unseres gesamten Kontinents angebaut werden könnte. Diese Eiweiße werden für Futtermittel benötigt, um die Tiere zu mästen, die später unseren Fleischbedarf stillen sollen. Was uns an pflanzlichem Eiweiß fehlt, stammt von Soja-Monokulturanbauflächen in Nordamerika oder aus abgeholzten Regenwäldern in Südamerika. Ist das nachhaltig? Nein. (Beifall des Abg. Willi Brase [SPD]) Ist das ressourcenschonend oder wirtschaftlich effizient? Nein. Ist das ethisch vertretbar? Ein ganz großes Fragezeichen! Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, warum Forschung im Bereich der Ernährung und Landwirtschaft wichtig ist. Das ist übrigens auch ein Bereich, in dem das vorhin von mir genannte DIL forscht. Forschung allein reicht aber nicht. Die Forschungs-ergebnisse müssen auch in die Praxis gelangen und dort angewendet werden. Deshalb begrüßt die SPD-Fraktion die konsequente Förderung des Bundesprogramms „Ökologischer Landbau“ und anderer Formen nachhaltiger Landwirtschaft. (Beifall bei der SPD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es bleibt bei 17 Millionen!) Das Bundesprogramm richtet sich auf die nachhaltige Beseitigung von Wachstumshemmnissen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Rund 10 Millionen Euro sollen für die Förderung des Wissenstransfers zwischen Forschung und Praxis verwendet werden. Das ist der richtige Weg. Der Etat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft benötigt Kontinuität und Flexibilität und darf nicht Streichreserve für das Gesamtbudget werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Unsere Maximen sind: Planungssicherheit für die großen Institute, die hervorragende Arbeit leisten, aber auch Förderung kleinerer Einrichtungen als regionale Leuchttürme, die eine Perspektive für den ländlichen Raum darstellen. Herzlichen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke schön, Herr Kollege. – Nächster Redner: Alois Gerig für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Alois Gerig (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Schade, dass ich heute keinen Geburtstag habe. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Von den nüchternen Zahlen her gesehen ist der Einzelplan 10 mit seinen 5,31 Milliarden Euro in unserem 300 Milliarden Euro umfassenden Gesamthaushalt eher unbedeutend. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir bei dieser Debatte sowohl die Zahlen als auch die Bedeutung unseres Ressorts ins rechte Licht rücken. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Landwirtschaft ist durch einen immensen Strukturwandel zu einer in der Tat eher kleinen Branche geschrumpft. Gleichwohl ist ihre volkswirtschaftliche Bedeutung für die Menschen in Deutschland von ganz besonderer Wichtigkeit. Immerhin hängt jeder neunte Arbeitsplatz mit allen vor- und nachgelagerten Gewerken direkt oder indirekt mit der Land- und der Ernährungswirtschaft zusammen. Unsere Bäuerinnen und Bauern versorgen die Bürger mit guten und preiswerten Lebensmitteln. Nirgendwo auf dieser Erde sind dabei die Standards für Pflanzenproduktion und Tierhaltung höher und damit die behördlichen Auflagen strenger als bei uns. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]) Auch deshalb müssen wir eine vernünftige und ausgewogene Politik der Wertschätzung für die Land- und Forstwirtschaft sowie für die ländlichen Räume insgesamt machen – mit Verlässlichkeit und Perspektive für die Branche. Gewiss, die Einkommen der Landwirte sind sehr breit gestreut, mit Bilanzen von hochrot bis schwarz. Im Mittel liegen sie aber weit hinter dem gewerblichen Vergleichslohn. Lieber Kollege Ostendorff, auch deshalb können wir auf den Agrardiesel nicht verzichten. (Beifall bei der CDU/CSU – Lachen des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir müssen deshalb mit einer möglichst ausbalancierten Agrarpolitik dafür Sorge tragen, dass der Agrarsektor positive wirtschaftliche Rahmenbedingungen vorfindet, die bürokratischen Hürden nicht unüberwindbar werden und so bei unseren Bäuerinnen und Bauern – das ist mir ganz wichtig – die Freude an einem der ältesten, aber schönsten Berufe dieser Welt erhalten bleibt. (Beifall bei der CDU/CSU) Insbesondere liegen mir dabei die bäuerlichen, fami-liengeführten Betriebe am Herzen. Dort wird mit Liebe zur Natur und Liebe zu den Tieren über das ganze Jahr in harter Arbeit dafür gesorgt, dass genügend gute Lebensmittel bereitstehen und dass unsere Kulturlandschaft in der gebotenen Vielfalt und Schönheit gepflegt und erhalten bleibt. Anfeinden und diffamieren, liebe Kollegen von der Opposition, ist hier nicht nur fehl am Platz, sondern beschleunigt den Strukturwandel zusehends. Wir sind gefordert, mit einer klugen Agrarpolitik möglichst dazu beizutragen, die Balance und so das friedliche Miteinander zwischen konventionellen und Biobetrieben, zwischen kleineren Nebenerwerbsbetrieben und flächenstarken Großbetrieben herzustellen. Das zunehmende Landgrabbing durch außerlandwirtschaftliche Investoren stellt hierbei ohne Zweifel ein zunehmendes Problem dar, welchem wir uns nach meiner Einschätzung politisch noch mehr widmen müssen als bisher. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine Damen und Herren, Bescheidenheit ist eine Tugend der Landwirtschaft, und so freue ich mich, dass unser kleiner, feiner Haushaltsplan 10 immerhin um 41 Millionen Euro anwachsen soll, obwohl ein Teil unserer Zuständigkeiten im Verbraucherschutz in das Justizressort abgewandert ist. Dass rund zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Mittel in die agrarsoziale Sicherung gegeben werden, ist richtig und wichtig, um insbesondere Härten bei dem von mir schon angesprochenen Strukturwandel abfedern zu können. Mit der GAP-Reform und damit der möglichst gerechten Verteilung der Finanzmittel der EU kommen wir jetzt hoffentlich gut voran. Bei der Feinplanung müssen wir dafür Sorge tragen, dass sie möglichst gerecht ausgestaltet wird. Ich finde es ein bisschen schade, dass die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ nicht aufgestockt werden. Wir alle wollen selbstverständlich zum Ziel eines ausgeglichenen Haushalts beitragen. Gleichwohl bleibt die GAK ein wichtiges Förderinstrument. Mit rund 600 Millionen Euro werden Infrastrukturmaßnahmen in ländlichen Räumen sowie Investitionen in der Landwirtschaft und dem Ökolandbau unterstützt. Mit dem finanziellen Spielraum des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wollen wir Wirtschaftsministerium und Anwalt für den ländlichen Raum sein. Da geht es sehr wohl um eine gezielte Politik für die ländlichen Räume in ganz vielen Bereichen des täglichen Lebens. Es geht um unser Bestreben für eine maßvolle Umsetzung der EEG-Novelle und um eine nachhaltige Forstwirtschaft. Ebenso wollen wir unseren Teil zum Verbraucherschutz mit oder ohne „V“ im Namen des Ministeriums sehr ernst nehmen. Mein Dank geht hier und heute besonders an unseren neuen Bundesminister Christian Schmidt mit seinen Staatssekretären und Mitarbeitern für die Ausarbeitung dieser Vorlage. Vorab auch einen Dank an unseren ebenso neuen Fachhaushälter Cajus Caesar, der sich in unserem Sinne bei den Verhandlungen – da bin ich ganz sicher – in die Riemen schmeißen wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich bin überzeugt, meine Damen und Herren, dass wir zum Abschluss des heute beginnenden parlamentarischen Verfahrens einen guten Haushalt beschließen werden. Es gibt allerdings viel zu tun. Lassen Sie es uns gemeinsam angehen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist Ute Vogt für die SPD. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ute Vogt (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Dank an das Ministerium, dem Minister sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, schließe ich mich gerne an. Ich möchte Ihren Blick auf die Zahlen lenken; denn die zeigen uns, wie stark die Europäische Union unsere Landwirtschaftspolitik auch in Deutschland prägt. Die gesamten Ausgaben unseres Ministeriums liegen bei 5,31 Milliarden Euro. Die Direktzahlungen der Europäischen Union betragen 5,1 Milliarden Euro, kaum weniger als das gesamte Budget, das dem Landwirtschafts-ministerium zur Verfügung steht. Ich will diese Debatte nutzen, um auch denen zu danken, die in rund 300 000 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland dazu beitragen, dass wir eine qualitativ hochwertige Versorgung mit Lebensmitteln haben und dass unsere Kulturlandschaft geprägt und erhalten wird. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ohne Zweifel ist die Vielfalt unserer Landschaft auch ein Erfolg des europäischen Modells. Es hat zumindest dazu beigetragen, diese Vielfalt bei uns in Deutschland zu erhalten. Trotzdem haben wir großen Bedarf an einer Neuausrichtung. Wir müssen die Weichen stellen, um nach 2020 die Mittel zielgenauer einzusetzen. Für unsere Fraktion – ich denke, auch für die Regierung – stehen dabei nachhaltiges und ökologisches Wirtschaften sowie tiergerechte Landwirtschaft als wichtige Punkte ganz vorne an. (Beifall bei der SPD) Die Kollegin Christina Jantz hat eindrucksvoll darüber gesprochen: Tiere dürfen nicht zum Industrieprodukt degradiert werden. Sie sind Teil der Schöpfung. Man muss sie als solches ansehen und auch entsprechend behandeln. Ich freue mich ausdrücklich, dass wir mit dem neuen Herrn Minister einen Landwirtschafts-minister haben, dem solche Ansätze nicht fremd sind. Ich hoffe deshalb, dass wir hier in dieser Legislatur-periode richtige Fortschritte machen werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Im vorliegenden Haushalt spielen auch die Forschungsmittel eine große Rolle. Uns ist wichtig, dass wir die Agrarforschung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, besser verzahnen. Kollege Spiering hat darauf hingewiesen: Es ist auch ein wichtiger Ansatz, dass wir – nicht nur bei ihm vor Ort, sondern überall im ländlichen Raum – darauf achten, das Geld nicht nur an die großen Institute zu vergeben, sondern gerade auch kleinen Instituten eine Chance zu geben, mit ihrem speziellen Fachwissen dazu beizutragen, die Forschungslandschaft vielfältiger zu machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es ist uns von der SPD weiterhin ein großes Anliegen, den ökologischen Landbau entsprechend zu würdigen. Für uns ist der ökologische Landbau Goldstandard. Der Markt ist nicht einfacher geworden; davon war schon mehrfach die Rede. Ich hätte einen Vorschlag, wie das Bundesprogramm Ökologischer Landbau stärker auf das Thema „Ökologischer Landbau“ fixiert werden könnte; wir haben uns schon öfter darüber unterhalten. Wir sind der Meinung, dass es wichtig wäre, ein eigenes Förderprogramm für den Bereich der Eiweißpflanzen aufzulegen und sich beim Bundesprogramm Ökologischer Landbau tatsächlich auf den Ökolandbau zu konzentrieren. Das wäre ein wichtiges Anliegen, Herr Minister. Wir würden uns freuen, wenn wir das gemeinsam erreichen könnten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Schließlich will ich etwas zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ sagen. In der Tat ist sie mit Mitteln in Höhe von 600 Millionen Euro nicht so gut ausgestattet, wie wir uns das gewünscht haben und wie es der Kollege Seehofer – das darf ich sagen – eigentlich schon fast versprochen hatte, zwar nicht uns, aber der Agrarministerkonferenz. Vielleicht gelingt es, dafür zu sorgen, dass in der nächsten Legislaturperiode eine Schippe draufgelegt wird. Unabhängig davon denke ich, dass wir diese Gemeinschaftsaufgabe verändern sollten, um die Mittel zu erhöhen. Europäische Förderprogramme eröffnen neue Spielräume bei der Stärkung der ländlichen Räume. Es geht jetzt darum, dass wir die Daseinsvorsorge, aber auch die wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum sichern. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Da geht es nicht allein um landwirtschaftliche Betriebe, sondern auch um kleine und mittlere Unternehmen, die es eben auch braucht, um die Landwirtschaft im ländlichen Raum am Leben zu erhalten. Insofern sind wir der Meinung, dass wir die für einen besseren Mitteleinsatz notwendige Grundgesetzänderung vornehmen und die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ tatsächlich in eine Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der ländlichen Räume umwandeln müssen. Das bringt uns mehr Mittel, die wir für den ländlichen Raum einsetzen können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich habe noch zwei Wünsche, insbesondere an die Haushälter. Der Kollege Uli Freese hat schon den Waldklimafonds erwähnt. Die Erhöhung der Mittel für diesen Fonds ist ein Anliegen, dem wir uns anschließen. Es ist eine wunderbare Sache, dass es wenigstens gelungen ist, dass beide Ministerien, nämlich das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium, zu gleichen Teilen in diesen Fonds einzahlen. Aber wir wünschen uns, dass er so ausgestattet wird, dass wir den Beitrag, den der Wald zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten kann, effektiv nutzen. – Die Erhöhung der Mittel für den Waldklimafonds ist also ein wichtiges Anliegen unserer Fraktion. Der zweite Punkt ist das Thema Hochwasserschutzprogramm. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, das nationale Hochwasserschutzprogramm weiterzuführen. Unzählige Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus haben es im vergangenen Jahr erlebt: Es kostet uns ungeheure Summen von Geld – weit mehr als das, was wir zur Vorbeugung investieren müssten –, wenn ein Schaden eintritt. Ein Hochwasser bringt nicht nur einen materiellen Schaden – 8 Milliarden Euro wurden im letzten Jahr für die Schadensbekämpfung gebraucht –, sondern auch großes Leid für die Menschen, die die Hochwasserschäden zu verkraften haben. Insofern brauchen wir die Unterstützung des ganzen Hauses für die Erhöhung der Mittel in diesem Bereich. Ich würde mich über lebendige Beratungen freuen. Lassen Sie uns am Ende einen Haushaltsentwurf verabschieden, der sichtbar die Handschrift unseres Parlamentes, der Abgeordneten dieses Hohen Hauses trägt. Danke schön. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin. – Zum Abschluss der Debatte hat das Wort Cajus Caesar für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Cajus Caesar (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine ersten Worte möchte ich an unseren Minister Christian Schmidt richten. In den ersten Wochen seiner Amtszeit hat er gezeigt, wie wichtig ihm der Bereich Ernährung und Landwirtschaft ist. Mit Elan ist er die Dinge angegangen, aber nicht nur das. Mein Dank gilt ihm auch, weil er uns Politikern stets das Wort gönnt. So schaffen wir es gemeinsam, im Bereich Ernährung, Landwirtschaft und – ich darf hinzufügen – Forsten etwas zu erreichen. Herr Minister, herzlichen Dank für diesen Elan! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich darf mich auch bei meinen Mitberichterstattern bedanken. Die ersten Gespräche haben gezeigt: Wir sind auf einem guten gemeinsamen Weg für die Landwirtschaft. Ein zentrales Anliegen der Union ist der ländliche Raum. Betrachten wir die Zahlen: Der ländliche Raum hat über 44 Millionen Einwohner und 322 000 Quadratkilometer Fläche. 300 000 Familien arbeiten in der Landwirtschaft und sorgen so für die volkswirtschaftliche Bedeutung des ländlichen Raumes. Davon hängen wiederum 4 Millionen Arbeitsplätze ab, die mit der Landwirtschaft und den damit zusammenhängenden Bereichen verbunden sind. Man sieht: Es ist ein Bereich, für den es sich lohnt, sich einzusetzen. Wir als Union wollen das in besonderer Art und Weise tun. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]) Wichtig ist uns natürlich auch die Kulturlandschaft. Diese einzigartige Kulturlandschaft in Deutschland hätten wir nicht, wenn Bäuerinnen und Bauern nicht daran mitgewirkt hätten, sie zu gestalten. Mein Dank gilt all jenen, die im ländlichen Raum arbeiten, leben und ihn gestalten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]) Ein zentraler Bereich – das ist schon mehrfach angeklungen – umfasst die Themen Nachhaltigkeit, Forschung und Innovation. In diesem zentralen Haushaltsbereich werden die Mittel um 33 Millionen Euro erhöht. Das ist uns wichtig. Es gibt vier Ressortforschungseinrichtungen des BMEL: das Julius-Kühn-Institut, das Friedrich-Loeffler-Institut, das Max-Rubner-Institut und das Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut. Ich darf sagen: Diese Namen stehen für Zukunftsforschung. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir sind sehr dankbar, dass dort die dafür nötige Arbeit geleistet wird. Deshalb sind die 510 Millionen Euro, die in den Bereich Forschung und Innovation insgesamt investiert werden, gut angelegtes Geld. Auch das ist uns wichtig. Wir wollen Tiergesundheit, wir wollen Lebensmittelsicherheit, und wir wollen auch den Bereich der Fischereiforschung – das mag zunächst wie ein Randbereich klingen, er ist aber dennoch wichtig – fördern. Wir setzen uns dafür ein, dass die Mittel für diesen Bereich erhöht werden. Wir als Koalition setzen mit diesem Haushalt das Signal, dass wir diesen Bereich voranbringen wollen. Es ist uns wichtig, dass wir im Bereich der Fischereiforschung, der nicht so oft genannt wird, vorankommen, beispielsweise durch den Ersatzbau des Fischereiforschungsschiffes „Walther Herwig III“, für den insgesamt immerhin 100 Millionen Euro veranschlagt wurden. Aber auch das ist gut angelegtes Geld. Die Fischer in Deutschland tragen dazu bei, dass wir weltweit als Vorbild gelten. Nachhaltigkeit spielt in diesem Bereich ebenso eine wichtige Rolle. Hier schließt sich der Kreis. Ein weiterer wichtiger Bereich ist der demografische Wandel. Wir haben das Projekt „Modellvorhaben -LandZukunft“ auf den Weg gebracht. Wir stellen uns der Herausforderung. Wir wollen, dass geeignete Strategien zur Bewältigung des Bevölkerungsrückgangs im ländlichen Bereich angegangen werden. Deswegen haben wir das Projekt „Modellvorhaben LandZukunft“ auf den Weg gebracht und mit den entsprechenden finanziellen Ressourcen ausgestattet. Ich denke, dieses Projekt zeigt, dass uns, der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD, dieser Bereich wichtig ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir wollen gemeinsam mit den Landwirten auch das Tierwohl angehen. Das wird oft als Gegensatz dargestellt. Nein, unsere Sprecher, unsere Obleute haben gesagt: Das ist für uns ein wichtiger Bereich. Franz-Josef Holzenkamp, Alois Gerig, Johannes Röring, alle, mit denen wir uns stetig austauschen, haben gesagt: Wir wollen das Projekt Tierwohl gemeinsam auf den Weg bringen und ausstatten; uns ist daran gelegen, dass wir dabei erfolgreich sind. Das gilt im Übrigen auch für andere Projekte. Es macht doch keinen Sinn, wenn wir sagen: Ökologischer Landbau ist gut, konventioneller Landbau ist schlecht. Wir müssen die Ideologien beiseitelassen und uns für die Landwirtschaft einsetzen. Dann sind wir auf dem richtigen, auf einem guten Weg. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich möchte an dieser Stelle das BiomasseForschungsZentrum ansprechen, das mit immerhin 10,7 Millionen Euro ausgestattet werden soll, aber auch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. Der gesamte Bereich Nachwachsende Rohstoffe soll laut Entwurf mit 60 Millionen Euro ausgestattet werden. Die Fachagentur zeigte in der Vergangenheit, dass sie Projekte in hervorragender Art und Weise bürokratiefrei meistert. Deshalb ist es uns ein großes Anliegen, dass die Fachagentur weiterhin die Dinge aktiv begleitet und den positiven Weg weiterhin beschreitet. Deshalb diese Mittelausstattung für Nachwachsende Rohstoffe, die zwar nicht erhöht werden konnte, aber in diesem Umfang gut angelegtes Geld ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zum Bereich des Waldes: Wir wollen – das haben meine Kollegen bereits angesprochen – einerseits die Mittel für den Waldklimafonds auf 20 Millionen Euro erhöhen. Auch das ist gut angelegtes Geld. Dieses Geld trägt zum Klimaschutz bei, und so werden Ökologie und Ökonomie sehr gut verbunden. Waldschutz ist andererseits auch international wichtig. Internationaler Waldschutz bedeutet, Wald zu sichern und etwas dagegen zu tun, dass jedes Jahr 13 Millionen Hektar verloren gehen. Damit könnten 20 Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes vermieden werden, da diese allein durch den Waldverlust verursacht werden. Es geht darum, nicht nachher teuer zu reparieren, sondern vorher präventiv zu handeln. Mit dem Minister und in der Großen Koalition sind wir uns einig, dass wir auch beim Waldschutz etwas tun wollen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Als Große Koalition wollen wir den Strukturwandel begleiten. Das haben wir durch eine entsprechend höhere Mittelausstattung der Sozialversicherung deutlich gemacht. Wir wollen den ländlichen Raum stärken. Wir wollen qualitativ hochwertige Ernährung, und wir wollen insbesondere die Arbeitsplätze von morgen im ländlichen Raum sichern. Wir werden die Herausforderungen angehen und damit auf Zukunft setzen. Wir als Große Koalition aus Union und SPD setzen uns für eine leistungsfähige und wettbewerbsfähige Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei ein. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen nicht vor. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Beratung des Antrags der Bundesregierung Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der Europäischen Überbrückungsmission in der Zentralafrikanischen Republik (EUFOR RCA) auf Grundlage der Beschlüsse 2014/73/GASP sowie 2014/183/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. Februar 2014 und vom 1. April 2014 in Verbindung mit den Resolutionen 2127 (2013) und 2134 (2014) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 5. Dezember 2013 und vom 28. Januar 2014 Drucksache 18/1081 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsauschuss gemäß § 96 der GO Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Wenn die allfälligen Verabschiedungen ihren ordnungsgemäßen Abschluss gefunden haben, können wir in die Debatte einsteigen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Rednerin erteile ich das Wort Frau Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einer Woche sind die drei Religionsführer aus Zentralafrika bei uns hier in Berlin gewesen: der katholische Erzbischof von Bangui, der Präsident der Evangelischen Allianz und der oberste Imam des Islamischen Rates. Alle drei werben zusammen in einer Friedensmission in Europa und in den USA um Hilfe für ihr Land. Zentralafrika versinkt im Augenblick in blutigen Auseinandersetzungen zwischen muslimischen Séléka-Milizen und christlichen Anti-Balaka-Milizen. Die drei Religionsführer sagten mir, dies sei kein Religionskrieg. Vielmehr werde die Religion durch die Politik für blutige Konflikte instrumentalisiert. Die drei Religionsführer haben sich aufgemacht, einen Versöhnungsprozess in ihrem geschundenen Land zu beginnen. Sie haben mir geschildert, dass Kinder aus Schulen herausgeprügelt werden, weil sie entweder christlichen oder muslimischen Glaubens sind. Sie haben mir geschildert, wie in Krankenhäusern kranke Menschen sprichwörtlich aus den Betten gerissen werden, weil sie muslimischen oder christlichen Glaubens sind. Sie haben mir erzählt, dass sie, alle drei zusammen, sich vorstellen können, Gemeinschaftsschulen und Gemeinschaftskrankenhäuser auf den Weg zu bringen. Sie haben aber auch unmissverständlich klargemacht, dass sie unsere Hilfe brauchen, um die Bevölkerung zu schützen, um Tötungen, Vergewaltigungen und Plünderungen zu unterbinden. Sie haben unmissverständlich klargemacht, dass sie ein robustes Mandat möchten, damit die Friedenswilligen das Gespräch wieder aufnehmen können. Ja, meine Damen und Herren, dabei wollen wir ihnen helfen, und dabei müssen wir ihnen helfen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Afrikanische Union baut seit Juli 2013 eine Stabilisierungsmission mit 6 000 Soldaten und Polizisten auf. Frankreich engagiert sich seit Dezember mit 2 000 Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik. Vor wenigen Tagen hat auch der Europäische Rat eine Mission für Zentralafrika beschlossen, die für sechs Monate die Mission der Afrikanischen Union bei ihrem Aufwuchs unterstützen soll, um letztlich die Voraussetzungen für eine UN-Friedensmission zu schaffen. Ende Mai sollen rund 1 100 Soldaten aus bisher 22 beteiligten Nationen einsatzbereit sein. Es war nicht leicht, diese europäische Mission auf den Weg zu bringen. Es hat allein fünf Truppenstellerkonferenzen bedurft, bis die Mission so weit war. Die Mission drohte nicht nur daran zu scheitern, dass zu wenig Truppen aufgestellt wurden – das war nicht das Nadelöhr –, sondern vor allem daran, dass weder Truppen noch Material noch Nachschub per Lufttransport nach Zentralafrika gebracht werden konnten und dass der Verwundetentransport nicht gesichert war. Wir wollen uns deshalb mit dem beteiligen, was am meisten und am häufigsten von uns nachgefragt wird. Es geht um den strategischen Lufttransport. Dabei wollen wir uns mit zivilen Transportgroßflugzeugen beteiligen. Großbritannien und Schweden stellen ebenfalls strategische Luftkapazitäten. Wir wollen auch den luftgestützten Verwundetentransport anbieten, unsere fliegende Intensivstation, für die die Bundeswehr hochgeschätzt wird. Zusätzlich werden wir Einzelpersonal in den beiden Hauptquartieren anbieten, sowohl in Bangui als auch in Griechenland. Das alles umfasst das Mandat. Meine Damen und Herren, die Lage in Zentralafrika ist dramatisch. Navi Pillay, die Menschenrechtskommissarin der Vereinten Nationen, hat es nach ihrem Besuch in Bangui mit ausgesprochen drastischen Worten umschrieben, indem sie gefragt hat: Wie viele Kinder müssen noch geköpft werden, wie viele Frauen und Mädchen noch vergewaltigt, bevor wir … unsere Aufmerksamkeit darauf richten? Hunderttausende sind auf der Flucht vor der täglichen Gewalt. Gut jeder Zweite in Zentralafrika ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das sind 2,5 Millionen Menschen; die Gesamtbevölkerung beträgt 4,6 Millionen Menschen. Wir alle wissen, dass die Militärmission allein nicht die Probleme lösen kann. Aber sie kann ein Fenster öffnen, sie kann zumindest einen Schutzraum ermöglichen, der dann für humanitäre Hilfe, für wirtschaftliche Entwicklung und vor allem für den Versöhnungsprozess, von dem die drei Religionsführer sprechen, genutzt werden kann. Dafür bitten wir Sie um ein Mandat. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Niema Movassat, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Niema Movassat (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Frau von der Leyen, die Lage der Bevölkerung in der Zentralafrikanischen Republik ist dramatisch. Bewaffnete Gruppen bekämpfen sich und ermorden unschuldige Zivilisten. Die Opferzahlen gehen in die Tausende. Die Hälfte der Einwohner ist auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Die Menschen in Zentralafrika brauchen Hilfe; das ist klar, und da ist auch Deutschland gefragt. (Beifall bei der LINKEN) Zur Vorgeschichte: Im März 2013 putschten die -Séléka-Rebellen den Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik Bozizé aus dem Amt. Truppen aus Frankreich und dem Tschad waren im Land, griffen aber nicht ein, als die Rebellen in die Hauptstadt einmarschierten. Sie ließen Bozizé plötzlich fallen, nachdem sie ihn jahrelang unterstützt hatten. Es gibt viele Hinweise, dass die Séléka-Rebellen auch vom Nachbarland Tschad unterstützt wurden. Sie kamen aus den Grenzprovinzen zum Tschad. Bis heute ist nicht geklärt, wie die Rebellen so schnell an die vielen Waffen kamen. Der Tschad wiederum ist einer der engsten Verbündeten Frankreichs in Afrika und wird kaum ohne Rücksprache mit Paris agiert haben. In der Geschichte der Zentralafrikanischen Republik hat es seit der Unabhängigkeit 1960 keinen einzigen Regierungswechsel gegeben, an dem der ehemalige Kolonialherr Frankreich nicht irgendwie beteiligt war. So ist es auch dieses Mal kaum vorstellbar, dass Paris diesen Putsch nicht zumindest geduldet hat. Was da seit Jahrzehnten stattfindet, ist nichts anderes als Neokolonialismus und entschieden abzulehnen. (Beifall bei der LINKEN) Derzeit befinden sich 2 000 französische und 6 000 afrikanische Soldaten im Land. Mit der heute diskutierten EU-Militärmission sollen weitere 1 000 Soldaten nach Zentralafrika geschickt werden. Dabei ist die Lage vor Ort völlig unübersichtlich. Die verfeindeten Gruppen Séléka und Anti-Balaka sind in sich gespalten. Es herrscht Bürgerkrieg. Frankreich und die afrikanischen Truppen gehen bei den Entwaffnungen der verschiedenen Gruppen laut Berichten einseitig vor. Wenn man aber tendenziell nur eine Gruppe entwaffnet, kann das das Morden sogar erst recht anheizen. Obwohl der Übergangsregierung in Zentralafrika jede Legitimation fehlt, will die EU-Mission mit ihr zusammenarbeiten. Die Führung der EU-Soldaten soll ausgerechnet bei Frankreich liegen. Es ist doch so: Frankreich sieht seinen Einfluss in Afrika schwinden. Weil es dort auch finanziell nicht mehr alleine zurechtkommt, sollen die EU und Deutschland jetzt einspringen – erst in Mali, nun in der Zentralafrikanischen Republik. Ich sage Ihnen: Frankreich ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems. Dessen Truppen müssen raus aus Zentralafrika. Das wäre ein Beitrag zur Deeskalation. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Und was würden Sie dann machen?) – Darauf komme ich noch. (Henning Otte [CDU/CSU]: Da bin ich mal gespannt!) Der deutsche Beitrag zur EU-Mission ist eher symbolisch: bis zu 80 Soldaten, zwei Transportflugzeuge, ein Sanitätsflugzeug. Deutschland führt unmittelbar keinen Krieg, wird aber im Führungsstab der EU-Militärmission vertreten sein und damit auch Kampfentscheidungen mitbestimmen. Im Mandatstext steht ja, dass die EU-Soldaten kämpfen sollen. Deutschland leistet mit seiner Unterstützung letztlich Beihilfe zum Krieg. (Widerspruch des Abg. Niels Annen [SPD] – Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist ja ungehörig! Wie kommen Sie denn darauf? Das ist ja eine Frechheit!) Deshalb sagt die Linke selbstverständlich Nein dazu. (Beifall bei der LINKEN) Der tiefere Sinn der deutschen Beteiligung ergibt sich aus dem offenen Kurswechsel in der deutschen Außenpolitik. Besonders in Afrika will man „mehr Verantwortung“ übernehmen. Das heißt offenbar auch, überall dabei zu sein. Es vergeht keine Woche, in der im Bundestag nicht über einen neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr diskutiert wird. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Parlamentsbeteiligung!) Da liegt die Vermutung nahe, dass diese Einsätze die Bundeswehr auch für künftige Kampfeinsätze fit machen sollen. (Henning Otte [CDU/CSU]: Das sagt ja sonst immer nur Frau Buchholz!) Zudem soll die deutsche Bevölkerung, die nach einer Umfrage zu drei Vierteln militärische Einsätze ablehnt, weiter an die Normalität von Auslandseinsätzen gewöhnt werden. Deutschland hat eine Verantwortung und sollte dieser durch humanitäre Hilfe gerecht werden. (Niels Annen [SPD]: Hört! Hört! – Zuruf von der CDU/CSU: Und die Linke hat keine!) Die mindestens 12 Millionen Euro, die Deutschland für diesen Einsatz allein 2014 ausgeben wird, wären im Bereich der Nahrungs- und Gesundheitsversorgung für die Menschen Zentralafrikas besser aufgehoben. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Das ist wirklich schlimm, was Sie sagen!) Oft wird ja behauptet, dass Entwicklungshilfe in Krisengebieten ohne Militär nicht möglich sei. Aber auch in Zentralafrika verzichten Ärzte ohne Grenzen und die Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung freiwillig auf militärische Begleitung ihrer Arbeit, weil sie das ihren neutralen Status kostet und sie damit Angriffsziel werden. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Sie ignorieren dieses Problem in Afghanistan seit Jahren, nun auch beim EU-Einsatz in Zentralafrika. Die Linke lehnt die fatale Logik der zivil-militärischen Zusammenarbeit entschieden ab. Es muss endlich Schluss damit sein! (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Mit Ihrer Rede muss bald Schluss sein!) Deutschland muss zudem endlich aufhören, drittgrößter Waffenexporteur der Welt zu sein. Niemand würde es wundern, wenn die Séléka-Rebellen auch mit deutschen Kleinwaffen ausgerüstet waren, als sie das Land ins Chaos stürzten. (Henning Otte [CDU/CSU]: Wer schreibt -eigentlich für Sie die Reden?) Auf seiner Reise in die Zentralafrikanische Republik sagte Herr Entwicklungsminister Müller, er habe keinen „Ruf nach Soldaten gehört, sondern den Schrei nach Hilfe“ vernommen. – Das wäre ein Ansatzpunkt für die deutsche Außenpolitik. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als Nächstem erteile ich das Wort Herrn Staatsminister Michael Roth. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich in meiner letzten afrikapolitischen Rede vom Kontinent der Chancen sprach, hatte ich den Eindruck, dass dieser positive Ansatz von sehr vielen Kolleginnen und Kollegen hier im Hause geteilt wird. (Dagmar Freitag [SPD]: Wird er auch!) Es ist sicherlich ein bitterer Moment, heute wieder daran zu erinnern, dass furchtbare Gewalt in Teilen Afrikas vorherrscht. Auch hier sind wir wieder zur Solidarität verpflichtet. Am vergangenen Freitag haben wir uns hier im Deutschen Bundestag der Opfer des Völkermords in Ruanda erinnert, der sich in diesen Tagen zum 20. Mal jährt. Gestern fand in Ruanda selbst eine Gedenkveranstaltung statt. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen hat die Situation treffend auf den Punkt gebracht – ich darf ihn hier zitieren –: Auch eine Generation nach den Ereignissen währt die Schande fort. Wir hätten mehr tun können. Wir hätten mehr tun müssen. Der Völkermord in Ruanda ist eines der finstersten Kapitel in der Geschichte der Menschheit. Wenn Sie Menschen sehen, die der Gefahr von Gräueltaten ausgesetzt sind, warten Sie nicht auf Anweisungen aus der Ferne! Sprechen Sie, auch wenn es verletzend sein mag! Handeln Sie! Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir hier im Hause einig sind: Ein zweites Ruanda darf es nicht geben. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das bedeutet aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es nicht genug ist, nur lautstark „Nie wieder!“ zu rufen; denn erst wenn den besorgten Worten auch entschiedenes Handeln folgt, werden wir unserer außenpolitischen Verantwortung wirklich gerecht. Ich will hier überhaupt keine Vergleiche ziehen, die zu kurz greifen oder krumm sind; aber es treibt uns sicherlich alle die Frage um: Hat die internationale Gemeinschaft in Zentralafrika bislang genug und das Richtige getan, um weiteres sinnloses Blutvergießen zu verhindern? Catherine Samba-Panza ist seit Januar dieses Jahres Übergangspräsidentin der Zentralafrikanischen Republik. Die Sicherheitslage in der Hauptstadt Bangui hat sich leicht beruhigt; aber insgesamt bleibt das, was wir in der Zentralafrikanischen Republik erleben, katastrophal. Die Vereinten Nationen und zahlreiche Hilfsorganisationen zeichnen das Bild eines Landes im freien Fall. Brutale Gewalt gegen die Zivilbevölkerung prägt den Alltag, schwerste Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung: Morde, Vergewaltigungen, Brandschatzungen, Plünderungen und die Rekrutierung von Kindersoldaten. Die Lage ist desaströs: 2,5 Millionen Menschen sind mittlerweile auf humanitäre Hilfsleistungen angewiesen, allein 1,6 Millionen Menschen auf akute Nahrungsmittelhilfe. Über 600 000 Menschen sind geflüchtet, sind vertrieben worden, haben ihre Heimat verloren. Allein in der Hauptstadt Bangui befinden sich 200 000 Flüchtlinge. Doch solange das Land weiterhin von gewaltsamen Unruhen erschüttert wird, haben die internationalen Hilfsorganisationen kaum eine Chance, dorthin zu gelangen, wo ihre Hilfe am dringendsten gebraucht wird. Die zentralafrikanischen Sicherheitskräfte – die Polizei, das Militär, die Gendarmerie –, auch wenn sie offiziell wieder ihren Dienst aufgenommen haben, sind derzeit außerstande, der Gewalt irgendetwas entgegenzusetzen: Es fehlt an Personal, es fehlt an Finanzierung, es fehlt an Infrastruktur, es fehlt an Ausrüstung und Ausbildung. Es ist nicht damit zu rechnen, dass die zentralafrikanischen Sicherheitskräfte mittelfristig einsatzfähig sein werden. Frau Bundesministerin von der Leyen hat es eben schon ausgeführt: MISCA, das heißt, die multinationale Friedenstruppe der Afrikanischen Union, ist mit 6 000 Soldaten engagiert, darüber hinaus die Franzosen mit der Operation Sangaris mit abermals 2 000 Soldaten. Jetzt geht es darum, ob wir eine weitere Mission auf den Weg bringen. Diese Mission der Europäischen Union ist aber eine Überbrückungsmission. Für uns steht eine Mission der Vereinten Nationen im Mittelpunkt, und wir hoffen, dass es in Kürze einen Einsetzungsbeschluss des UN-Sicherheitsrates geben wird, damit die UN-Mission – hoffentlich im Herbst – ihre Arbeit aufnehmen kann. Wir sind uns bewusst, dass eine nachhaltige Stabilisierung der Zentralafrikanischen Republik nur von innen möglich ist. Angesichts der dramatischen Lage, in der sich das Land nun seit mehr als einem Jahr befindet, dürfen wir aber keine schnellen Erfolge erwarten. Wir wissen, dass wir einen ziemlich langen Atem brauchen. Wir in der Bundesregierung sind aber einem umfassenden und vorausschauenden Ansatz in der Außenpolitik verpflichtet. Dazu gehören für uns nicht zuletzt die zivile Krisenprävention, humanitäre Hilfe und ein entwicklungspolitischer Ansatz. Dazu haben wir uns im Rahmen der EU und der Vereinten Nationen auch bilateral verpflichtet. Die Bundesregierung hat bislang 6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die EU hat 45 Millionen Euro zugesagt, und es gibt weitere konkrete Zusagen. Die Übergangsregierung in der Zentralafrikanischen Republik ist angetreten, um endlich wieder Stabilität und Sicherheit herzustellen. Es war gut, dass dieses Thema auch auf dem EU-Afrika-Gipfel in der vergangenen Woche noch einmal angesprochen wurde und dass Wege aufgezeigt wurden, die mehr Verantwortung auch der Europäerinnen und Europäer zum Ziel haben. Präsident Barroso brachte es auf den Punkt: „Euer Frieden ist auch unser Frieden, euer Wohlstand ist auch unser Wohlstand.“ Das sind erste zaghafte Bemühungen um mehr Stabilität und Sicherheit in der Zentralafrikanischen Republik. Wir sollten sie wirklich nach Kräften unterstützen; denn die beunruhigenden Nachrichten, die uns tagtäglich aus Bangui erreichen, zeigen uns: Das Land ist dringend auf internationale Hilfe angewiesen. Dem sollten wir uns nicht verschließen. Daher wollen wir gemeinsam mit unseren euro-päischen Partnern im Rahmen der EU-Mission -EUFOR RCA einen begrenzten, aber wichtigen Beitrag in Zentralafrika leisten, um das Leben der Zivilbevölkerung in der Zentralafrikanischen Republik zu schützen. Ich bitte Sie dafür im Namen der Bundesregierung um Ihre Unterstützung. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als Nächstem erteile ich dem Kollegen Dr. Tobias Lindner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir führen hier heute Abend eine schwierige Debatte über ein Land in einer bitteren, in einer katastrophalen Situation, und wir stehen vor der Entscheidung, ob wir einen begrenzten, überschaubaren Beitrag leisten wollen, der die Chance bieten kann, diese katastrophale Situation abzumildern, oder ob wir das angesichts vieler offener Fragen nicht wollen. Dies ist keine einfache und muss eine sehr verantwortungsbewusste Entscheidung sein. Es ist von der Vorrednerin und den Vorrednern vielfach angesprochen worden: Wir reden bei der Zentralafrikanischen Republik über ein Land, in dem nur noch rudimentäre staatliche Strukturen vorhanden sind. Eine erste Aufgabe muss von daher lauten, so etwas wie ein Gewaltmonopol wiederherzustellen und Voraussetzungen für mehr humanitäre Hilfe – darin sind wir alle uns ja einig – zu schaffen. Wir reden über ein Land mit katastrophalen Zuständen, in dem Gewalt aus unterschiedlichen Richtungen herrscht: angefangen bei kriminellen Banden bis hin zu – so will ich sie nennen – religiös getriebenen Gruppen. Wir reden über eine Bevölkerung, die auf der Flucht ist und von der mehr als die Hälfte humanitärer Hilfe bedarf. In dieser Situation ist Hilfe bitter notwendig, aber Hilfe zu leisten ist auch schwierig. Wir alle müssen uns fragen, was wir überhaupt tun können, wie groß unser Beitrag zur Lösung der Probleme sein kann und auf welche Fragen wir in der jetzigen Situation überhaupt keine Antworten geben können. Natürlich müssen wir heute an diesem Abend innehalten und uns selbstkritisch fragen, was wir in der Vergangenheit nicht getan haben und warum es zu dieser Situation gekommen ist. Aber wir müssen uns auch fragen, was passiert, wenn wir diese Hilfe nicht geben würden, wenn Deutschland diesen Beitrag nicht leisten würde. Dieser Beitrag, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, ist aus meiner Sicht mehr als ein symbolischer Beitrag: Wir reden von Unterstützung in Form eines strategischen Lufttransports, über einen strategischen Verwundetentransport und über Hilfe bei der Erstellung eines Lagebilds. Aber dieser Beitrag ist im positiven wie im negativen Sinne ein überschaubarer Beitrag. Er wird nicht ausreichen, um alle Probleme wirklich in den Griff zu bekommen. Er wird – das haben Sie, Herr Staats-minister, eben herausgestellt – vor allem dann nicht ausreichen, wenn er isoliert von uns geleistet wird. Wir müssen also dringend über mehr humanitäre Hilfe reden. Wenn es darum geht, die Situation vor Ort zu verbessern, wenn es um mehr humanitäre und zivile Hilfe geht, haben Sie unsere Unterstützung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Gisela Manderla [CDU/CSU]) Dieser Beitrag ist mit einer Menge offener Fragen verbunden: Was ist, wenn diese Überbrückungsmission nicht reicht? Was ist, wenn am Ende der sechs Monate die Vereinten Nationen nicht in der Lage sind, mit einer eigenen Mission vollständig Verantwortung zu übernehmen? Was ist, wenn nicht ausreichende zivile Hilfe kommt oder wenn es nicht gelingt, eine von allen Seiten akzeptierte Regierung zu finden und das Gewaltmonopol wiederherstellen? In welche Richtung wird sich das Land entwickeln? Eine weitere offene Frage lautet: Was ist denn der große Gesamtplan, um das Ganze anzugehen? Aber so überschaubar dieser Beitrag ist, muss man doch sagen: Ein überschaubarer Beitrag ist am Ende immer noch besser als kein Beitrag, als ein hilfloses Zusehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE]) Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir in unserer Fraktion zwischen der Lage in der Zentralafrikanischen Republik, den offenen Fragen und den bei dieser Mission bestehenden Risiken sehr ernsthaft abgewogen. Ich kann Ihnen heute sagen, dass – vorbehaltlich der Beratungen im Ausschuss – die überwiegende Mehrheit unserer Fraktion zu dem Ergebnis gekommen ist, diesem Mandat zustimmen zu wollen. Ich kann nur wiederholen: Dieses Mandat öffnet ein Fenster und schafft eine Chance. Es ist nicht an sich die Lösung, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Deswegen sind wir alle gerade in dieser Stunde angehalten, das zu tun, was noch darüber hinaus notwendig ist, und ernsthaft zivile Hilfe zu leisten. Auch dafür werden Sie unsere Unterstützung haben. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Als Nächster erteile ich das Wort der Kollegin Dagmar Freitag, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dagmar Freitag (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen – darauf ist bereits hingewiesen worden – blickt die Welt auf den schrecklichen Völkermord in -Ruanda vor genau 20 Jahren zurück. Auch hier im Hause haben wir Ende vergangener Woche dazu eine intensive, nachdenkliche und – das möchte ich hinzufügen – in Ansätzen durchaus selbstkritische Debatte geführt; Staatsminister Roth hat bereits darauf hingewiesen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat auch von einer sich für uns aus Ruanda ergebenden Verpflichtung gesprochen – Herr Präsident, ich darf zitieren –: Wir schulden ihnen – also den Menschen Ruandas –, dass wir uns nicht dem Gefühl der Ohnmacht und schon gar nicht der Gleichgültigkeit hingeben, dass wir nicht nur anprangern, sondern das uns Mögliche tun, das in unserer Macht steht, um Völkermord zu verhindern. Das ist unsere Verpflichtung, und dieser Verpflichtung müssen wir gerecht werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat am Wochenende in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, seiner Befürchtung Ausdruck verliehen, dass in dem Land ein Völkermord unmittelbar bevorsteht. Einige Fakten untermauern diese Einschätzung. Die Sicherheitslage und natürlich auch die humanitäre Situation im Land sind dramatisch. Die Menschen durchleben für uns unvorstellbare Situationen. Massaker und brutale Vertreibungen bestimmen die aktuelle Lage. Die Vereinten Nationen gehen mittlerweile von mehreren Tausend Toten beider Konfessionen seit Beginn der Krise aus. Ein Viertel der knapp 5 Millionen Einwohner befindet sich auf der Flucht. 2,5 Millionen Menschen sind ganz dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. 1,5 Millionen Menschen hungern jeden Tag. Für Experten von Amnesty International hat die Gesamtsituation längst den Charakter einer „ethnischen Säuberung“ angenommen, wie es in einem Bericht heißt. Hinzu kommt – ich denke, das darf nicht unterschätzt werden – die prekäre Sicherheitslage, die den Zugang für humanitäre Hilfe unendlich erschwert und teilweise sogar unmöglich macht. Ich denke, auch das muss jeder im Hinterkopf haben, der ausschließlich humanitäre Hilfe fordert. Sie muss erst ankommen können, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Unter den geschilderten Bedingungen steht die sich seit Januar im Amt befindliche Übergangsregierung vor der Herkulesaufgabe, einen Neubau dieses Landes zu organisieren. Angesichts der auch schon von den Vorrednern und Vorrednerinnen geschilderten Lage darf sich aus unserer Sicht die internationale Gemeinschaft der Unterstützung nicht verweigern. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon fordert deshalb eine 12 000 Mann starke UN-Friedenstruppe, die ihre Arbeit bis Ende des Jahres aufnehmen soll. Wir erwarten einen entsprechenden Beschluss des UN-Sicherheitsrates in diesen Tagen. Für eine wirkungsvolle internationale Unterstützung ist es nach unserer Einschätzung allerdings notwendig, dass eine UN-Mission in dieser Größenordnung ihre Arbeit in der Zentralafrikanischen Republik zeitnah aufnehmen kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Kontext diskutieren wir heute den deutschen Beitrag zur UN-Friedensmission. Diese Überbrückungsmission hat vorrangig zum Ziel, gemeinsam mit der Afrikanischen Union und den Vereinten Nationen die Rückkehr des Landes zu einer verfassungsmäßigen Ordnung zu unterstützen – im Übrigen auch als Voraussetzung für die für 2015 geplanten Wahlen – sowie die von den bewaffneten Truppen ausgehende Bedrohung für die Bevölkerung einzudämmen. Damit wäre dann auch gewährleistet, den dringend erforderlichen Zugang für die humanitären Maßnahmen zu ermöglichen. Das geplante Einsatzgebiet liegt in der Region Bangui. Von deutscher Seite – wir haben es gehört – können bis zu 80 Soldatinnen und Soldaten in der Mission eingesetzt werden. Sie sollen in Planung und Führung der Mission tätig werden und – auch das wurde bereits erwähnt – die strategischen luftgestützten Verwundetentransporte übernehmen. Nach heutigem Stand sollen innerhalb von sechs Monaten nach Erreichen der vollen Einsatzbereitschaft die Voraussetzungen für die dann geplante UN-Friedensmission geschaffen sein, und entsprechend ist das Mandat bis Ende Februar 2015 befristet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Kollege Lindner hat darauf hingewiesen: Niemand macht sich solch eine Entscheidung leicht. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass in den Fraktionen sicherlich unterschiedliche, aber bestimmt intensive Diskussionen stattfinden. Wir halten die Beteiligung Deutschlands an der Mission für sinnvoll und werden diesem Mandat zustimmen, auch um dazu beizutragen, ein Massaker wie vor 20 Jahren in Ruanda zu verhindern. Die Lehren aus Ruanda sollten uns Leitlinien für unser heutiges Handeln aufzeigen. Eine davon muss sein, nicht nur mit Betroffenheit zurückzublicken, sondern auch mit der gebotenen Verantwortung nach vorne zu schauen, in diesem Fall auf die Zentralafrikanische Republik, die Zukunft des Landes und die Menschen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Florian Hahn, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Florian Hahn (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte an die Debatte anknüpfen, die wir am letzten Freitag zum 20. Jahrestag des Völkermords in Ruanda geführt haben. Diese Debatte war angemessen, differenziert und hat uns, glaube ich, alle zum Nachdenken angeregt. Zum einen war sie wichtig, um der Hundertausenden Opfer zu gedenken, die unter den Augen der Weltgemeinschaft massakriert wurden. Zum anderen war sie wichtig, weil wir uns dabei immer wieder die Frage stellen mussten: Wie konnte das passieren? Warum haben wir keine Maßnahmen – welche auch immer – ergriffen, um diese Katastrophe zu verhindern bzw. zu stoppen und zu helfen? Dabei waren alle Debattenbeiträge – das möchte ich ausdrücklich sagen – sehr wertvoll, auch die Beiträge der Linken. Allerdings ließ -beispielsweise der Kollege Liebich in seinem Beitrag am letzten Freitag – wahrscheinlich mit Blick auf die Debatte, die wir heute führen – ein Hintertürchen offen, als er sagte: Bitte legitimieren Sie keine neuen Militäreinsätze in Situationen, die mit Ruandas Völkermord mit Hundertausenden Toten nicht zu vergleichen sind! (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Recht hat er!) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, ich glaube schon, dass sich hier einiges vergleichen lässt. Natürlich lässt sich nichts hundertprozentig miteinander vergleichen, weil sich nichts hundertprozentig wiederholt. Aber wir müssen aus der Vergangenheit und der Geschichte lernen, um in der Gegenwart die richtigen Entscheidungen zu treffen und richtig zu handeln. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, die Lage in der Zentralafrikanischen Republik ist gerade unter humanitären Aspekten desaströs: Tausende Tote, Hundertausende auf der Flucht, allein in Bangui 200 000 Flüchtlinge, Terror und Chaos durch marodierende Banden. Es fehlt an staatlichen Strukturen. Religiöse Unterschiede werden als Vorwand für Mord und Totschlag verwendet. So ist die Lage. Ban Ki-moon hat vor wenigen Tagen dazu gesagt: Die staatliche Sicherheit wurde durch einen Zustand der Anarchie ersetzt. Die internationale Gemeinschaft hat die Menschen in Ruanda vor 20 Jahren im Stich gelassen. Heute riskieren wir, nicht genug für die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik zu tun. Wir stehen also wieder vor der Frage: Handeln oder nicht handeln? Wenn die Staatengemeinschaft nicht handelt, laufen wir Gefahr, dass wir uns später die Antwort auf die Frage „Wo wart ihr?“ wieder überlegen müssen. Deshalb ist es richtig, dass in der Zentralafrikanischen Republik international gehandelt wird. Da der Einsatz der französischen Soldaten im Rahmen von Sangaris und Afrikanischer Union sowie MISCA zwar wertvoll, aber noch nicht ausreichend ist, wird es eine kompaktere VN-Friedensmission im Herbst geben. Um diese vorzubereiten, wollen wir heute die EU-Mission EUFOR RCA auf den Weg bringen. Wir sollten uns als großer europäischer Player daran beteiligen. Auch wenn wir damit keine originären nationalen Interessen verfolgen, wollen und dürfen wir uns angesichts der dramatischen Lage in diesem Land nicht verweigern. Es ist daher angemessen, dass wir keine Kampftruppen zur Verfügung stellen, wohl aber Fähigkeiten, die kaum ein anderer hat und ohne die eine solche Mission wahrscheinlich scheitern würde. Damit zeigt sich Deutschland auch bei dieser Mission mit den europäischen und afrikanischen Partnern solidarisch. Auch wenn es beim heutigen Mandat im Wesentlichen um Sicherheitsaspekte geht, sollten wir nicht vergessen, dass in der Zentralafrikanischen Republik – ganz im Sinne eines vernetzten Ansatzes – viel mehr Hilfe und Unterstützung zur Verbesserung der Lage vonnöten sein werden. So braucht es den Aufbau von medizinischer Versorgung, von Infrastruktur im Allgemeinen, einer Wasserversorgung, von staatlichen Strukturen etc. Ich bin daher dankbar, dass Deutschland auch hier Verantwortung zeigt. Entwicklungshilfeminister Müller hat erst kürzlich bei seinem Besuch vor Ort zusätzlich 10 Millionen Euro vor allem für den Ausbau der medizinischen Versorgung zugesagt. Damit dieser zivile Aufbau möglich ist, brauchen wir eine erfolgreiche europäische Aufbaumission und eine Friedensmission der Vereinten Nationen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als letzter Rednerin in dieser Debatte erteile ich das Wort der Kollegin Elisabeth Motschmann, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Elisabeth Motschmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist von allen Seiten darauf hingewiesen worden: Die -Sicherheitslage und die humanitäre Lage in der Zentralafrikanischen Republik haben sich seit dem Putsch gegen die Rebellenkoalition im letzten Jahr drastisch verschlechtert. Die Sicherheitslage und die humanitäre Lage gehören untrennbar zusammen. Sie sind zwei Seiten einer Medaille. Wer, wie die Linken, diesen Zusammenhang nicht sieht oder nicht sehen will, handelt unverantwortlich, Herr Movassat. Es geht nicht, dass Sie hier sagen, dass wir Beihilfe zum Krieg leisten. Wo sind wir denn? Wir organisieren Verwundetentransporte. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Die EU-Mission ist ein Kampfeinsatz! Gucken Sie sich mal das Mandat an!) Ich kann nur sagen: Gehen Sie in sich! Ich hoffe, dass Sie irgendwann zu der Erkenntnis kommen, dass Sie hier komplett falsch gelegen haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) 2,8 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe. Das sind 54 Prozent der Gesamtbevölkerung oder die Einwohnerzahl von Schleswig-Holstein. 1,3 Millionen bis 1,6 Millionen Menschen – da gibt es unterschiedliche Zahlen – sind akut auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Das sind 28 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das entspricht der Bevölkerungszahl einer Großstadt in unserem Land. 625 000 Menschen sind im Land auf der Flucht. Das sind 15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das entspricht der Zahl der Bevölkerung des Bundeslandes, aus dem ich komme, Bremen-Bremerhaven. Das sind Zahlen, aber was bedeuten sie eigentlich? Christliche und muslimische Milizen – darauf wurde hingewiesen – ziehen abwechselnd durch das Land. Sie morden nicht nur die direkten Gegner, sondern greifen fast wahllos die Zivilbevölkerung an. Mord, Plünderung, Sterben, Tod, auch von Kindern, Hunger, Mangelernährung, Vergewaltigungen, Kinder ohne Schulunterricht – all das gehört zum Alltag in diesem Land. Unsere Ministerin hat gesagt: Es versinkt im Chaos. Als ich journalistisch tätig war, bin ich in vielen Elendsgebieten auf verschiedenen Kontinenten gewesen, auch in Afrika. Ich kann Ihnen sagen: Die Bilder, das, was man da sieht, vergisst man nie im Leben. Dieses Elend, dieser Schrecken – ich wünsche Ihnen, Herr Movassat, nicht, dass Sie das sehen oder erleben müssen; aber ich wünsche Ihnen schon mehr Nachdenklichkeit in Bezug auf das, was Sie hier gesagt haben, nämlich dass Sie nicht helfen wollen. Das kann ganz bestimmt nicht unser Auftrag sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Karin Binder [DIE LINKE]: Wir wollen sehr wohl helfen! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wir wollen nicht militärisch helfen!) Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Movassat zu? Elisabeth Motschmann (CDU/CSU): Am Ende. Dann gerne. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ach was, am Ende? Jetzt!) – Nein, ich scheue keine Diskussionen. Ich habe auf der Reise mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier vor zwei Wochen drei afrikanische Länder besucht, in denen man sehen konnte, welche Potenziale Afrika hat, wie es gehen kann, wenn Sicherheit herrscht, wenn nicht jeden Tag der Kampf ums Überleben stattfindet. Wir müssen sehen, dass das ein Kontinent ist, der sich entwickeln kann und der vorwärtskommen kann, wenn Stabilität herrscht. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wenn nicht ständig interveniert wird! Von Frankreich zum Beispiel!) Immer ist es natürlich auch der Bildungsstand in einem Land, der Auskunft darüber gibt, wie sich ein Land entwickelt. Die Alphabetisierungsrate bei den Männern in Zentralafrika liegt unter 70 Prozent, die der Frauen noch unter 45 Prozent. Ohne Bildung fehlt natürlich die Kraft zur Abwehr von Gewalt und Hass. Insofern ist Bildung immer auch eine wesentliche Grundlage dafür, dass Stabilität herrscht. Deshalb müssen wir hier helfen und unterstützen; mehr ist es ja nicht. 80 Soldaten sind dort im Rahmen eines begrenzten Auftrages und eines begrenzten Zeitraumes im Einsatz. Es ist gut, dass dieser Einsatz im Schulterschluss mit der Europäischen Union, den Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union geschehen soll. Man agiert also nicht isoliert, sondern in diesem Zusammenschluss. Es geht darum, die Stabilität des Landes, die Stabilität der Regierung, die Stabilität der gesamten staatlichen Autorität herzustellen. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass überhaupt Entwicklungshilfe stattfinden und greifen kann. Der Einsatz der Bundeswehr ist eine Übergangsmission und keine Langzeitmission. Es ist gut, dass wir diesen Auftrag ausführen, damit im Anschluss eine Friedensmission stattfinden kann. Ich bin eindeutig der Meinung, dass – wie die Bundesregierung es klar dargestellt hat – eine dauerhafte Lösung des Konflikts nur durch einen politischen Prozess zustande kommen kann. Militärische Unterstützung ersetzt niemals politische Prozesse. Wenn wir dem Antrag am kommenden Donnerstag zustimmen, dann entsenden wir Soldatinnen und Soldaten wieder in eine Krisenregion. Dies tun wir aber nur, um Stabilität und humanitäre Hilfe möglich zu machen. Ich hoffe und wünsche den Soldatinnen und Soldaten eine erfolgreiche Mission und eine gute und sichere Heimkehr. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Wenn wir sie nicht entsenden, müssen sie nicht heimkehren!) Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Niema Movassat, Fraktion Die Linke. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. – Ich möchte, liebe Frau Kollegin Motschmann, zwei Punkte richtigstellen. Ich finde, man kann unterschiedlicher Auffassung sein; aber man sollte zumindest in der Wiedergabe dessen, was gesagt wurde, bei den Tatsachen bleiben. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Peter Beyer [CDU/CSU]: So haben wir das aber auch verstanden!) Erste Richtigstellung, und zwar zur Frage der Hilfe. Sie haben gesagt: Die Linke will nicht helfen. – Ich habe hier deutlich gemacht, dass die Linke dafür ist, humanitäre Hilfe zu leisten und auszuweiten. (Peter Beyer [CDU/CSU]: Ja, wie denn?) Ich habe Ihnen auch deutlich gemacht, dass es verschiedene Nichtregierungsorganisationen gibt, die derzeit in der Zentralafrikanischen Republik ohne militärische Begleitung aktiv sind, unter anderem Ärzte ohne Grenzen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Peter Beyer [CDU/CSU]: Also haben Sie doch ein schlechtes Gewissen! Sie selbst versuchen, das jetzt zurechtzurücken!) Zweite Richtigstellung. Sie haben kritisiert, dass ich den Einsatz als Beihilfe zum Krieg bezeichnet habe. (Henning Otte [CDU/CSU]: Haben Sie auch gesagt!) Ich möchte gerne aus dem Mandatstext vorlesen. Da steht: EUFOR RCA ist nach Maßgabe der Resolution 2134 (2014) ermächtigt, alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zur Erfüllung dieses Mandats zu ergreifen. Ich habe hier deutlich gesagt, dass Deutschland durch seinen Einsatz an dieser militärischen Gewaltanwendung nicht unmittelbar beteiligt ist, dass die deutschen Soldaten aber natürlich einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass diese Mission stattfinden kann und dass die anderen Mitgliedstaaten der EU, die mit ihrer Infanterie auf dem Feld militärische Gewalt ausüben werden, Unterstützung in ihrem Einsatz erhalten. Insofern trifft die Formulierung „Beihilfe zum Krieg“ durchaus zu. Danke. (Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Eine Verschlimmbesserung!) Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin Motschmann, wollen Sie erwidern? Sie dürfen, Sie müssen aber nicht. – Bitte schön. Elisabeth Motschmann (CDU/CSU): Herr Movassat, ich bin dankbar, dass Sie noch einmal klar und deutlich formuliert haben: Es ist „Beihilfe zum Krieg“. Genau das ist es eben nicht, und genau das habe ich kritisiert. Genau das ist unverantwortlich: dass Sie das so bezeichnen. Vielmehr geht es darum – das kann man Ihnen nur immer wieder sagen –, Menschen zu helfen und das Elend in diesem Land dadurch zu lindern, dass man Hilfe überhaupt möglich macht. Das lehnen Sie ab. Sie sagen zwar, auch Sie wollen humanitäre Hilfe, aber in Wahrheit verhindern Sie humanitäre Hilfe; denn wenn es keine Sicherheit gibt, gibt es auch keine humanitäre Hilfe. Den Zusammenhang müssen Sie kapieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/1081 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 9. April 2014, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 19.50 Uhr) Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 08.04.2014 Bätzing-Lichtenthäler, Sabine SPD 08.04.2014 Dr. Brunner, Karl-Heinz SPD 08.04.2014 Ehrmann, Siegmund SPD 08.04.2014 Ernst, Klaus DIE LINKE 08.04.2014 Ernstberger, Petra SPD 08.04.2014 Dr. Fabritius, Bernd CDU/CSU 08.04.2014 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 08.04.2014 Gohlke, Nicole DIE LINKE 08.04.2014 Groß, Michael SPD 08.04.2014 Groth, Annette DIE LINKE 08.04.2014 Gunkel, Wolfgang SPD 08.04.2014 Hardt, Jürgen CDU/CSU 08.04.2014 Hellmuth, Jörg CDU/CSU 08.04.2014 Ilgen, Matthias SPD 08.04.2014 Keul, Katja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 08.04.2014 Dr. Lamers, Karl A. CDU/CSU 08.04.2014 Dr. Launert, Silke CDU/CSU 08.04.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 08.04.2014 Meiwald, Peter BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 08.04.2014 Möhring, Cornelia DIE LINKE 08.04.2014 Pitterle, Richard DIE LINKE 08.04.2014 Pronold, Florian SPD 08.04.2014 Reichenbach, Gerold SPD 08.04.2014 Rüthrich, Susann SPD 08.04.2014 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 08.04.2014 Schauws, Ulle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 08.04.2014 Schlecht, Michael DIE LINKE 08.04.2014 Schwabe, Frank SPD 08.04.2014 Stritzl, Thomas CDU/CSU 08.04.2014 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 08.04.2014 de Vries, Kees CDU/CSU 08.04.2014 Werner, Katrin DIE LINKE 08.04.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 08.04.2014 Zech, Tobias CDU/CSU 08.04.2014 Ziegler, Dagmar SPD 08.04.2014 II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 28. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 8. April 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 28. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 8. April 2014 2323 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 2224 2326 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 28. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 8. April 2014 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 28. Sitzung, Berlin, Dienstag, den 8. April 2014 2325