Plenarprotokoll 18/113 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 113. Sitzung Berlin, Freitag, den 19. Juni 2015 I n h a l t : Änderung der Tagesordnung 10883 A Tagesordnungspunkt 28: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 Drucksachen 18/5052, 18/5248 10883 A – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/5249 10883 B Dietmar Nietan (SPD) 10883 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) 10885 A Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) 10885 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 10886 D Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) 10887 C Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10887 D Gisela Manderla (CDU/CSU) 10888 D Namentliche Abstimmung 10889 D Ergebnis 10892 C Tagesordnungspunkt 29: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolutionen 2100 (2013) und 2164 (2014) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013 und 25. Juni 2014 Drucksachen 18/5053, 18/5250 10890 A – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/5251 10890 A Gabi Weber (SPD) 10890 B Christine Buchholz (DIE LINKE) 10891 C Philipp Mißfelder (CDU/CSU) 10895 A Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10896 A Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) 10897 A Namentliche Abstimmung 10897 D Ergebnis 10899 C Tagesordnungspunkt 30: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und nachfolgender Verlängerungsresolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2172 (2014) vom 26. August 2014 Drucksachen 18/5054, 18/5252 10898 A – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/5253 10898 A Thomas Hitschler (SPD) 10898 B Inge Höger (DIE LINKE) 10902 A Philipp Mißfelder (CDU/CSU) 10902 D Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10903 D Ingo Gädechens (CDU/CSU) 10905 B Namentliche Abstimmung 10906 A Ergebnis 10907 C Tagesordnungspunkt 31: a) Antrag der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Martina Renner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unabhängige Polizeibeschwerdestelle auf Bundesebene einrichten Drucksache 18/4450 10906 B b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes – Aufenthaltsrecht für Opfer rechter Gewalt Drucksache 18/2492 10906 B c) Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus verstetigen und finanziell absichern Drucksache 18/2493 10906 C Petra Pau (DIE LINKE) 10906 D Günter Baumann (CDU/CSU) 10910 A Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10912 A Wolfgang Gunkel (SPD) 10912 D Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 10914 A Frank Tempel (DIE LINKE) 10915 D Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) 10916 C Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10916 D Marian Wendt (CDU/CSU) 10917 D Dr. Lars Castellucci (SPD) 10918 C Petra Pau (DIE LINKE) 10919 B Martin Patzelt (CDU/CSU) 10920 A Susann Rüthrich (SPD) 10922 A Tagesordnungspunkt 32: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2015 Drucksache 18/4970 10923 A Christian Schmidt, Bundesminister BMEL 10923 B Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) 10924 D Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) 10926 A Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10927 C Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU) 10929 B Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) 10930 B Rainer Spiering (SPD) 10931 C Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) 10932 D Tagesordnungspunkt 33: Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte Drucksache 18/5201 10934 B Heiko Maas, Bundesminister BMJV 10934 B Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) 10935 B Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) 10936 B Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10937 D Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) 10938 D Christian Flisek (SPD) 10940 A Dr. Silke Launert (CDU/CSU) 10941 B Tagesordnungspunkt 34: a) Antrag der Abgeordneten Harald Ebner, Kordula Schulz-Asche, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bevölkerung vor Krebsgefahr durch das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat schützen und EU-Neuzulassungsverfahren für Glyphosat stoppen Drucksache 18/5101 10942 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Heidrun Bluhm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Zulassung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel einschränken Drucksachen 18/1873, 18/5087 10942 C Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10942 D Hermann Färber (CDU/CSU) 10944 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 10946 C Hermann Färber (CDU/CSU) 10946 D Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) 10947 B Rita Hagl-Kehl (SPD) 10948 B Artur Auernhammer (CDU/CSU) 10949 C Elvira Drobinski-Weiß (SPD) 10950 D Nächste Sitzung 10951 D Berichtigung 10951 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 10953 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) (Tagesordnungspunkt 29) 10953 C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 10953 C Inhaltsverzeichnis 113. Sitzung Berlin, Freitag, den 19. Juni 2015 Beginn: 9.00 Uhr Vizepräsident Peter Hintze: Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich darauf aufmerksam machen, dass die für heute verlangte Aktuelle Stunde zum Thema „Rolle des Bundes beim Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG“ nicht stattfindet. Die Fraktion Die Linke hat ihren Antrag zurückgezogen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf: – Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 Drucksachen 18/5052, 18/5248 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/5249 Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses werden wir in 25 Minuten namentlich abstimmen. Über die Streitkräfteeinsätze in Mali und im Libanon – das sind die Tagesordnungspunkte 29 und 30 – werden wir jeweils im Abstand von 25 Minuten ebenfalls namentlich abstimmen. Wir werden also in den nächsten anderthalb Stunden drei namentliche Abstimmungen durchführen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache dieses Tagesordnungspunkts 25 Minuten vorgesehen. – Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der Abgeordnete Dietmar Nietan, SPD-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dietmar Nietan (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der KFOR-Einsatz geht nun schon in sein 16. Jahr. Seit 1999 sind deutsche Soldatinnen und Soldaten im Kosovo präsent. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass unser größter Wunsch ist, dass sich die Situation im Kosovo möglichst schnell in eine Richtung entwickelt, dass wir dieses Mandat beenden können; denn wir alle wissen: Die Probleme und die Verwerfungen, die es in der Region gibt und die ihre Ursachen auch in dem schrecklichen Bürgerkrieg der 90er-Jahre haben, werden nie mit militärischen Mitteln zu lösen sein, sondern sie können nur im Miteinander in der politischen Arbeit gelöst werden. Aber – das sage ich an dieser Stelle auch sehr deutlich – solange diese Situation im Kosovo noch fragil ist, solange Kosovo noch nicht auf einem stabilen Weg ist, wäre es verantwortungslos, die Mission zum jetzigen Zeitpunkt zu beenden. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will aber auf die politischen Rahmenbedingungen zurückkommen; denn es reicht nicht aus, dass wir hier ein Mandat verlängern. Wir müssen uns überlegen, was wir als Bundesrepublik Deutschland, aber auch gemeinsam mit unseren Partnern in der Europäischen Union tun können. Ich denke dabei an die Unterstützung von positiven Entwicklungen im Kosovo, die Stärkung der Zivilgesellschaft, die Schaffung einer ökonomischen Perspektive, die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität oder etwa die Ausarbeitung von konkreten Roadmaps für eine bessere Governance im Kosovo. Wir müssen in diesen Fragen eng zusammenarbeiten und immer wieder neue Initiativen starten. Warum sage ich das? Ich meine damit nicht, dass wir besser wissen, welcher Weg der richtige für das Kosovo ist, als die Bürgerinnen und Bürger des Kosovo. Aber ich sehe es schon als unsere Aufgabe an, deutlich zu machen, dass wir an den politischen Entwicklungen im -Kosovo ein großes Interesse haben, dass wir aber auch eine Empathie für die Menschen dort haben und wir mithelfen wollen, dass die Menschen eine Perspektive bekommen. Wir müssen ihnen zeigen, dass ihr Weg der richtige ist, wenn er zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit führt. Dabei muss klar sein, dass dieser Weg am Ende auch von uns mit dem Ziel unterstützt wird, eines Tages das Kosovo als Mitgliedstaat in der Europäischen Union begrüßen zu können. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich halte das auch deshalb für sehr wichtig, weil die Gesellschaft im Kosovo sehr jung ist; es ist die jüngste aller europäischen Gesellschaften. Gerade dort, wo eine Gesellschaft sehr viele junge Menschen hat, können Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit – das müssen wir erkennen – zu besonders großen Problemen führen. Wir können uns nicht zurücklehnen und sagen: Na ja, die politischen Eliten im Kosovo hätten auch schon einiges besser machen können – was sicherlich richtig ist –, sondern wir müssen immer wieder überlegen, wie wir uns mit den Kräften in der Zivilgesellschaft und auch mit den Kräften in der Politik im Kosovo engagieren können, die ein Interesse daran haben, den Status quo zu verändern, und nicht danach schauen, welcher politische Clan welche Macht und welches Geld einkassiert, und die ihr Land vielmehr wirklich auf einen guten Weg bringen wollen. Diese Kräfte gibt es im Kosovo, und sie erwarten von uns, dass wir sie nicht alleinlassen und dass wir weiterhin ein großes Engagement, nicht nur im Kosovo, sondern auch in der gesamten Region des sogenannten Westbalkans zeigen. Ich will an dieser Stelle betonen, dass wir das Kosovo natürlich nicht allein betrachten können. Deshalb will ich ausdrücklich sagen, dass ich es begrüße, dass sich die Bundesregierung so stark in dieser Region engagiert, dass 2014 die Westbalkankonferenz stattgefunden hat, die neue Perspektiven für die gesamte Region entwickeln soll. Ich begrüße ausdrücklich, dass die Bundesregierung Initiativen auch in der Frage von Beitrittsverhandlungen mit Serbien gestartet hat; dort soll ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Ich glaube, dass es der richtige Weg ist und dass jetzt auch die richtige Zeit ist, mit der serbischen Regierung darüber zu sprechen, wie wir die Kapitel 35 und 32 des Besitzstands öffnen können. Wir erwarten, dass auf beiden Seiten, in Serbien, aber auch im Kosovo, mit Ernsthaftigkeit, mit Lauterkeit daran gearbeitet wird, die Differenzen zwischen beiden Seiten Schritt für Schritt abzubauen. Am Ende des Weges muss sich Serbien klar sein – auch das sage ich an dieser Stelle –, dass der Weg in die Europäische Union nur über die Anerkennung des Kosovo führen wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Allerdings – auch das will ich betonen – müssen wir uns die Realitäten in der Entwicklung seit dem schrecklichen Bürgerkrieg in der Region anschauen. Deshalb will ich an dieser Stelle sagen: Es mag bei den fünf EU-Staaten zum damaligen Zeitpunkt gute Gründe gegeben haben, das Kosovo nicht anzuerkennen. Aber ich sage auch: Wenn wir diese gemeinsame Perspektive für alle Westbalkanstaaten, insbesondere für Serbien und das Kosovo, eröffnen wollen, dann ist es jetzt an der Zeit, dass in diesen fünf Staaten darüber nachgedacht wird, ob jetzt nicht der Zeitpunkt ist, auch das Kosovo anzuerkennen; denn eine Veränderung von Grenzen und ein Zurückdrehen der Zeit wird keinen einzigen Arbeitsplatz im Kosovo schaffen, wird keinem jungen Menschen eine Perspektive geben, aber es wird die nationalistische Auseinandersetzung befeuern und die Region destabilisieren. Deshalb appelliere ich an die fünf Staaten, die es noch nicht getan haben, zu überlegen, ob jetzt nicht der Zeitpunkt ist, das Kosovo anzuerkennen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist, ist der, dass wir uns sehr genau überlegen sollten, wie wir deutlich machen können, dass die Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union, die wir für das Kosovo und die anderen Staaten aufrechterhalten wollen – wofür auch wir uns engagieren –, ein Missverständnis von vornherein ausschließt: Alles Bemühen, eine faire Beitrittsperspektive zu bieten, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich nicht nur im Kosovo, sondern überall in den sogenannten Westbalkanstaaten die politischen Eliten ändern müssen. Sie müssen von der Haltung wegkommen: Solange ich am Status quo festhalte, meine Pfründe sichere, aber nach außen erzähle: „Wir wollen in die EU“, fahre ich am besten. – Nur wenn die politischen Eliten bereit sind, auf das einzugehen, was sich in ihren Zivilgesellschaften schon längst tut, nur wenn sie bereit sind, ihre teilweise oligarchischen Strukturen aufzugeben, dann wird es für die Staaten und insbesondere für das Kosovo auch eine ernsthafte Perspektive geben. Das ist den Menschen dort zu wünschen. Ich finde, es liegt auch in unserer Verantwortung, gerade den jungen Menschen im Kosovo eine Perspektive zu geben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, möchte ich einer Kollegin gratulieren. Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion feiert heute ihren 50. Geburtstag. Glückwunsch vom ganzen Haus! (Beifall) Noch viele weitere spannende Debattenjahre, in welcher Funktion auch immer! Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Laut dem Antrag der Bundesregierung leistet der NATO-Einsatz KFOR Folgendes – ich zitiere aus dem Antrag –: „Unterstützung zur Entwicklung eines stabilen, demokratischen, multiethnischen … Kosovo“. Dafür beantragen Sie auch für das nächste Stationierungsjahr rund 45 Millionen Euro. Allein: Die Bundeswehr steht schon seit 16 Jahren im Kosovo, und keines der von Ihnen vorgegebenen Ziele wurde auch nur annähernd erreicht, meine Damen und Herren. Im Gegenteil: Die gesamte Regierung besteht aus ehemaligen UCK-Kadern. Im Schatten der Bundeswehrpanzer im Jahr 2015 agiert diese Terrororganisation UCK erneut und überzieht die Nachbarstaaten wie -Mazedonien mit Terror. Ihr Rückzugsgebiet ist das -Kosovo. So erhielten die in Mazedonien in einem Gefecht mit Sicherheitskräften getöteten UCKler in Pristina erst kürzlich ein Heldenbegräbnis auf dem Friedhof der Märtyrer unter Anwesenheit höchster Kader dieser nationalistischen Truppe. Muss es Ihnen nicht zu denken geben, meine Damen und Herren, dass das Kosovo zu der Region in Europa geworden ist, aus der mittlerweile die meisten Kämpfer für die Terrorbanden des „Islamischen Staats im Irak und in Syrien“ rekrutiert werden – und das unter den Augen der NATO und Ihrer Bundeswehr? Ich finde, Deutschland darf nicht weiter großalbanischen Nationalismus der UCK und Terrorzentren wie das Kosovo unterstützen, die die Gewalt in die Region und in den Nahen -Osten tragen. (Beifall bei der LINKEN) Das Kosovo ist das Armenhaus Europas. Die Menschen stimmen dort mit ihren Füßen gegen ein zutiefst korruptes System ab. Gerade die Minderheiten der Roma und der Serben haben die Region zu Hunderttausenden verlassen. Auch deshalb ist Ihre Bilanz hier einfach nur niederschmetternd. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Auch in puncto Völkerrecht ist Ihre Performance schlicht negativ. Der ehemalige Bundeskanzler Schröder aus der SPD erklärte erst letztes Jahr, (Zuruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) dass es sich beim Jugoslawien-Krieg um einen Völkerrechtsbruch auch der Bundesregierung gehandelt hat. „Die Bombardierung Jugoslawiens war völkerrechtswidrig“, sagte der ehemalige Bundeskanzler Schröder. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ich frage Sie: Welche Konsequenzen haben Sie eigentlich aus dieser Aussage gezogen? Die Bundeswehr steht im Kosovo in der Folge dieses Völkerrechtsbruchs, und sie hat wie die deutsche Außenpolitik dort nie eine neutrale Rolle eingenommen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Ich finde, wir brauchen keine deutschen Soldaten auf dem Balkan, die Partei ergreifen und Völkerrechtsbrüche militärisch absichern. Wir brauchen eine Rückkehr zum Völkerrecht; denn nur dies kann die Basis für ein friedliches Zusammenleben in Europa sein. (Beifall bei der LINKEN) In diesem Zusammenhang ist auch bemerkenswert, dass sich der Entschließungsantrag der Grünen von dem Antrag der Bundesregierung unterscheidet; er fordert noch schärfer Völkerrechtsbrüche. Jene EU-Mitgliedstaaten, die das Kosovo bzw. die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht anerkannt haben und im Rahmen des Völkerrechts geblieben sind, sollen diesen Völkerrechtsbruch gleich der Bundesregierung anerkennen. Während Sie alle hier Russland wegen der Krim Völkerrechtsbruch vorwerfen und deshalb sanktionieren, verlangen Sie von Zypern, Rumänien, Spanien, Griechenland und der Slowakei, Ihren Völkerrechtsbruch sozusagen anzuerkennen und ihm zu folgen. Das ist pure Heuchelei, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihre Auffassung!) Doppelte Standards, deutsche Machtpolitik und die Heiligung von Völkerrechtsbrüchen schaffen keinen dauerhaften Frieden in Europa. Wir sagen: Wir müssen zurück zum Völkerrecht und zu der friedlichen Außenpolitik Willy Brandts, sodass niemals wieder Krieg von deutschem Boden ausgeht. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Roderich Kiesewetter, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der jetzigen Debatte im Bundestag KFOR Völkerrechtsbruch vorzuwerfen, ist angesichts dessen, was wir zurzeit erleben, eine Verhöhnung der Geschichte und der historischen Tatsachen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der LINKEN) Ich glaube, wir sind uns im Bundestag bis auf wenige Ausnahmen übergreifend einig, dass es uns in den letzten 25 Jahren wirklich gelungen ist, eine Grundstabilität auf dem Balkan zu entwickeln. Überlegen wir einmal: Vor 100 Jahren gingen Mord und Gewalt vom Balkan aus. Der Erste Weltkrieg hatte dort einen seiner Ausgangspunkte. (Dr. Alexander S. Neu [DIE LINKE]: Was?) Vor 25 Jahren sind Hunderttausende Menschen vom Balkan in den sicheren Schoß Europas geflüchtet, auch und gerade nach Deutschland. Vor 15 Jahren befand sich die NATO in einem Krieg mit Serbien, und wir sind um Haaresbreite an einem intensiveren Konflikt mit Russland vorbeigeschlittert. Heute haben wir erreicht, dass im Bewusstsein der deutschen Bevölkerung und auch aus Sicht Europas der Balkan eben nicht mehr zur Peripherie Europas gehört. (Zurufe von der LINKEN) Angesichts der Eskalation, die wir gerade am Ostrand Europas erleben, wird uns immer deutlicher, dass ein stabiler Balkan zur Befriedung unseres Kontinents beiträgt. Auch wenn Sie weiterhin nicht zuhören wollen: Es hilft nichts. Sie werden damit keinen Fortschritt erzielen. Fortschritt erreichen wir – Sie haben Willy Brandt zitiert; ich sage das als Christdemokrat – nur durch Versöhnen statt Spalten. Mit Ihren Aufführungen hier versuchen Sie, zu spalten. Aber der Bundestag steht zusammen und unterstützt das KFOR-Mandat. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der LINKEN: Oh!) Uns ist bewusst: Der Balkan braucht keine Gesamtbetrachtung, sondern auf dem Balkan müssen wir jedes einzelne Land gesondert betrachten. Im Kosovo, einem armen Land mit einem Durchschnittseinkommen von 2 800 Euro, einer Jugendarbeitslosigkeit in Höhe von 40 Prozent und einer Regierung, die dieses Land letztes Jahr über nahezu ein halbes Jahr im Stich gelassen und jetzt mühsam zu einer Koalition gefunden hat, müssen wir uns mit ganz großem Augenmerk um Rechtsstaatlichkeit, die Bekämpfung organisierter Kriminalität und die Bekämpfung des zunehmenden Islamismus kümmern. In Albanien haben wir ein schwächelndes Justizsystem und ebenfalls Herausforderungen bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Herstellung der Rechtsstaatlichkeit. In Mazedonien – der Kollege Beyer hat es beim letzten Mal angesprochen – versuchen Kräfte, den gesamten Balkan zu destabilisieren, indem sie interethnische Konflikte wieder in den Vordergrund tragen. Auf der anderen Seite haben wir ein Serbien, von dem vor 25 Jahren Gewalt ausging und das heute versucht, mäßigend in der Region zu wirken. Hier geht es mir um Folgendes: Wir sollten mit aller Kraft darauf hinwirken, dass die Staaten des Balkans nur gemeinsam die Chance haben, in die Europäische Union zu kommen, damit es hier nicht um einen Wettbewerb der besten Staaten geht, sondern darum, dass diese Länder sich in einer Art Geleitzug untereinander unterstützen. Aussöhnung ist das Entscheidende. Wie können wir das schaffen? Indem wir die KFOR-Mission fortsetzen. Sie merken: Ich gehe gar nicht direkt auf die KFOR-Mission ein. Wir sind jetzt in der 32. Mandatsdebatte seit 1999. Ich glaube, wir sind uns, was das Mandat angeht, einig. Die Ergebnisse der Rühe-Kommission werden zeigen – fünf Parlamentarier waren ja Mitglied in dieser Kommission –, dass wir uns künftig auch stärker über die sicherheitspolitische Ausrichtung unseres Landes und der EU unterhalten müssen, statt jedes einzelne Mandat im Detail zu beleuchten. Es gehört aus meiner Sicht ganz intensiv dazu, dass wir für den Balkan Stabilität schaffen. Das kann dahin führen, dass das KFOR-Hauptquartier auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Hauptquartier unter Beteiligung der sechs Staaten des westlichen Balkans, die noch nicht Mitglied der EU sind, wird, dass wir also Inklusivität vorantreiben, dass wir dabei den Aussöhnungsprozess vorantreiben und Rechtsstaatlichkeitsmissionen unterstützen. Dazu gehört übrigens, dass auch EULEX den Ansprüchen, die wir an diese Länder stellen, gerecht werden muss und dass wir auch im Bereich von EULEX Korruptionsbekämpfung im eigenen Hause stärker durchsetzen müssen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn es um die Sicherheit geht, müssen wir auch auf die Bereiche wirtschaftliche Stabilität, Arbeitslosigkeit und Korruptionsbekämpfung setzen. Das machen wir, indem wir Aussöhnungsprogramme unterstützen und indem wir Bildungsprogramme unterstützen. Wir sollten uns auch parlamentarisch Gedanken machen – dabei sollten wir allerdings nicht der uneingeschränkten Visaliberalisierung das Wort reden –, wie wir ganz gezielt bestimmte Bevölkerungsgruppen, Wissenschaftler und Unternehmungen mit Visaerleichterungen unterstützen können, um den Austausch der jungen Generation mit Mitteleuropa fortzusetzen und zu befördern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte abschließend sagen: Mit KFOR stabilisieren wir die Region. Mit KFOR schaffen wir auch den Anker für eine stärkere sicherheitspolitische Integration. Aber die zivilgesellschaftlichen Anstrengungen, wie wir sie 2003 in Thessaloniki beschlossen haben, müssen zukünftig zunehmend in den Vordergrund. Überlassen wir den Balkan nicht reaktionären Gestaltungsmächten. Gestalten wir selbst als Deutsche und als Europäer. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Fraktion Die Linke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Kiesewetter, ich möchte zwei Aussagen von Ihnen nicht unwidersprochen hier stehenlassen. Ich glaube auch, dass Sie selber Ihre Aussagen nicht zu Ende gedacht haben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na!) – Ja, ich glaube es. Das muss ja nicht so sein. Die Aussage, dass der Erste Weltkrieg seinen Ausgangspunkt auf dem Balkan gehabt hat, ist derartig skandalös, weil sie die militante, aggressive Politik des Deutschen Kaiserreiches ausblendet. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die deutsche Großmachtpolitik, Flottenaufrüstungsprogramme und die Unterdrückung der inneren Opposition in Deutschland sind die Ausgangspunkte. 1933 hatte auch seinen Ausgangspunkt in 1914, letztendlich auch der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Wer Geschichte so umfälscht, wie es gerade passt, tut sich selbst und unserem Land überhaupt keinen Gefallen. Anzuerkennen, dass der deutsche Militarismus für den Ersten Weltkrieg verantwortlich ist, ist das Mindeste, was gemeinsame Einstellung hier im Hause sein muss. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD]) – Es war das Argument eines Teiles der Sozialdemokratie, dass der Erste Weltkrieg geführt worden ist, um den russischen Zaren zu stürzen. Dieses Argument ist zigfach widerlegt worden, lieber Kollege Mützenich. Lesen Sie einmal die Protokolle der Zimmerwalder Konferenz nach. Das lohnt sich heute. Das waren noch Sozialdemokraten und nicht Angepasste. Das zweite Argument – ich bitte Sie, ernsthaft darüber nachzudenken – ist: Wollen Sie wirklich ein Parlament, das Opposition nicht mehr will? (Florian Hahn [CDU/CSU]: Wir wollen ein gescheites Parlament!) Soll die große Übereinstimmung im Parlament, die Sie ausgerufen haben, die Regel werden? Wer den Widerspruch nicht will, der will keine Demokratie. Das ist das Entscheidende. Widerspruch hat etwas mit Demokratie zu tun. Das verfechte ich. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Halten Sie diese Rede mal in Russland!) Die vielen Menschen in unserem Land – mittlerweile ist es die Mehrheit –, die keine deutschen Militäreinsätze wollen, müssen im Parlament eine Vertretung haben, damit Demokratie in diesem Land eine Chance hat. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Die halten Sie im Zweifel nur einmal!) Denken Sie bitte einmal über die beiden Aussagen nach. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Zur Erwiderung gebe ich dem Kollegen Roderich Kiesewetter, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie mir genau zugehört hätten – ich glaube, das ist Ihnen in der Geräuschkulisse Ihrer Fraktion nicht gelungen –, hätten Sie gehört, dass ich gesagt habe: einer der Ausgangspunkte. Das Attentat von Sarajevo war der Auslöser. Darüber, dass die Ursachen vielfältig sind, sind wir uns einig. Aber der serbische Nationalismus seinerzeit war der wesentliche Punkt, der die anderen Kräfte in den Krieg getrieben hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vielleicht haben Sie das Buch Die Schlafwandler von Christopher Clark nicht gelesen. Es arbeitet in herausragender Art und Weise heraus, wie die Ursachen waren. Lassen wir das einmal ganz beiseite. Ich weiß, woher Sie kommen, und ich habe Respekt vor Ihrer Sozialisation. Der zweite Punkt, den Sie genannt haben, ist noch deutlich gravierender. Wenn eine Opposition ihre Rechte wahrnehmen möchte, dann hört sie zu und setzt gezielt Akzente, (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ach so!) dann begeistert sie den Rest des Parlaments, nämlich die Mehrheit, mit Initiativen, dann beteiligt sie sich an entscheidenden Punkten. Sie haben sich an der Rühe-Kommission nicht beteiligt. Sie haben sich auch in nachträglichen Bereichen verweigert. Sie haben allerdings Gespräche mit den Repräsentanten der Kommission, Volker Rühe und Walter Kolbow, geführt, denen ich beiden an dieser Stelle ausdrücklich danke. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir Gelegenheit geben, den Dank an diese beiden deutlich auszusprechen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Lassen Sie mich abschließen. Wenn Sie als Opposition konstruktiv mitwirken wollen, dann übernehmen Sie die Aufgabe, zu kontrollieren. Diese Rechte haben Sie; sie werden durch die Rühe-Kommission sogar noch eindeutig gestärkt. Es hilft uns hingegen überhaupt nicht, wenn Sie Beiträge anderer durch Getöse, Lärm und zeitweise auch durch das Hochhalten von Plakaten unterbinden. Das ist keine Oppositionsarbeit, das ist Polemik. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Unruhe bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU], an DIE LINKE gewandt: Ruhe jetzt!) Vizepräsident Peter Hintze: Nachdem die historischen Streitfragen unterschiedlich dargestellt wurden, darf ich darum bitten, dem nächsten Redner zu lauschen. – Danke schön. Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Tobias Lindner, Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Debatten über die Rühe-Kommission und über die Ursachen des Ersten Weltkrieges mögen spannend sein, aber ich möchte mich in meinem Beitrag mit dem KFOR-Mandat befassen. Das Mandat geht in das 17. Jahr. Ich selbst bin 33 Jahre alt; der Einsatz der Bundeswehr im Kosovo dauert also schon fast die Hälfte meines Lebens an. Prüfstein für uns muss sein: Was bedeuten 17 Jahre Einsatz der Bundeswehr im Kosovo? Der lange Einsatz macht deutlich: Man benötigt Jahre, teilweise Jahrzehnte, um das, was in Wochen und Monaten zerstört werden kann, um das Chaos, das in einer so kurzen Zeit verursacht werden kann, um das, was Gewalt anrichten kann, wieder in den Griff zu kriegen. Eine Debatte über ein Mandat, das so lange existiert, darf kein Selbstzweck sein, keine jährliche Selbstvergewisserung, dass alles okay ist. Vielmehr müssen wir uns fragen: Was ist in dieser Zeit erreicht worden? Welche Probleme liegen vor uns? Was ist nicht erreicht worden? Wo liegt der Schlüssel für die Lösung der Probleme? Es bleibt festzustellen: Seit 1999 hat die Rolle des Militärs im Kosovo stetig abgenommen, und das ist ein Erfolg, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Im Jahr 1999 hat die Bundesregierung noch eine Obergrenze von 8 500 Soldatinnen und Soldaten beantragt. Derzeit befinden sich 773 deutsche Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten im Einsatz im Kosovo, denen ich an dieser Stelle, ich denke, im Namen vieler Kolleginnen und Kollegen, für ihren Dienst danken möchte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) 2009 hat die NATO im Zuge eines mehrstufigen Prozesses mit einer Reduktion der KFOR-Truppen begonnen. Es ist bedauerlich, dass diese Reduktion nach ersten Unruhen im Jahr 2011 ausgesetzt werden musste. Meine Fraktion begrüßt es ausdrücklich, dass die NATO in diesem Jahr den Prozess der Truppenreduktion wieder voranbringen will, indem sie nicht mehr an starren Zielmarken zur Reduktion festhält, sondern nun einen flexiblen Prozess beginnen will. Wir begrüßen, dass in diesem Jahr mit der Freigabe solcher ersten Reduzierungsschritte zu rechnen ist. Auch das ist ein Fortschritt, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir reden in dieser Debatte – Kollege Kiesewetter hat es angesprochen – über die notwendigen zivilen Schritte und darüber, dass der Schlüssel für die Lösung der Probleme in dieser Region das Haus Europa ist. Ich will in diesem Zusammenhang deutlich sagen: Ja, es muss ein Ende haben, dass fünf Staaten der Europäischen Union nach wie vor das Kosovo nicht anerkennen. Ja, beide Staaten, Serbien und das Kosovo, benötigen eine Beitrittsper-spektive hin zur Europäischen Union. Uns muss eines klar sein: Militärische Intervention ist nicht zwingend die Lösung für die Probleme. Es braucht aber nach wie vor einen Rahmen für ziviles Wirken, der durch das KFOR-Mandat gesetzt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU) Deshalb fordern wir als Grüne in unserem Entschließungsantrag die Bundesregierung auf, weitere Schritte zu unternehmen und sich stärker als bisher zu engagieren: für eine zivile Lösung, für weitere Gespräche, für einen Weg in das Haus Europa für das Kosovo und Serbien. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird meine Fraktion am heutigen Tag auch der Verlängerung dieses Mandats zustimmen. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als letzter Rednerin in dieser Aussprache erteile ich das Wort der Abgeordneten Gisela Manderla, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Gisela Manderla (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wiederhole es noch einmal: Deutschland trägt seit 16 Jahren über seine Beiträge an NATO und EU-Kommission substanziell zur Stabilisierung dieses jungen Landes Kosovo und der Gesamtregion bei. Ich will an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, was die internationale Gemeinschaft Ende der 90er-Jahre zu diesem Einsatz bewogen hat. Auf der Basis der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates ging es um nicht weniger als die unmittelbare Beendigung der -kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Ko-sovaren und Serben, um die Beendigung von Vertreibung und Barbarei auf dem Balkan. Das, liebe Kollegen und Kolleginnen, dürfen wir zu keinem Zeitpunkt vergessen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Erinnern wir uns noch einmal an jene Zeit: an die Ohnmacht angesichts der Rückkehr des Krieges nach Europa, an die Brutalität, mit der die verschiedenen Ethnien übereinander herfielen, und an die ethnischen Säuberungen ganzer Landstriche. Wenn man sich diese Szenen in Erinnerung ruft und dies dann mit der heutigen Situation vergleicht, kann man eigentlich nur zu einer vernünftigen Wahrnehmung kommen: Unser Einsatz, der Einsatz internationaler Streitkräfte zur Beendigung dieses grausamen Krieges, war richtig, und er war wichtig, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Die Bundeswehr war dabei seit Anbeginn ein robuster und verlässlicher Eckpfeiler der internationalen Sicherheitspräsenz. Deutlich mehr als 120 000 Soldatinnen und Soldaten haben mittlerweile im Auftrag dieses Parlaments ihren Beitrag geleistet zu einem friedlicheren, demokratischen, rechtsstaatlichen und vor allen Dingen auch multiethnischen Kosovo; ihnen allen danke ich ausdrücklich für ihren wertvollen Einsatz. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit gegenwärtig circa 773 Einsatzkräften vor Ort, wie Kollege Dr. Lindner bereits festgestellt hat, stellt das KFOR-Kontingent den zweitgrößten Auslandseinsatz der Bundeswehr dar, knapp hinter Resolute Support, der Trainingsmission in Afghanistan. Was die Mandatsobergrenze anbetrifft, ist KFOR sogar der mit Abstand größte Einsatz. Diesen Umstand darf man nicht unterschätzen; schließlich lag gerade in den letzten Jahren der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung eher auf dem deutschen Einsatz in Afghanistan. Dabei war die in weiten Teilen positive Entwicklung im Kosovo keineswegs selbstverständlich. Es ist in den vergangenen Jahren gelungen, die KFOR mehr und mehr aus der ersten Reihe zurückzunehmen und sie zunehmend mit sekundären Aufgaben zu betrauen. Sie wirkt mittlerweile oft als stiller Vermittler im Hintergrund. Viele Sicherheitsaufgaben, etwa der Schutz von serbischen Denkmälern oder Klöstern, werden mittlerweile in Eigenregie von der kosovarischen Polizei ausgeführt. Als echter Meilenstein im Annäherungsprozess zwischen Serbien und Kosovo gilt das Normalisierungsabkommen zwischen beiden Ländern, das im April 2013 unterzeichnet wurde. Dieses Abkommen war ein echter Durchbruch und wird mittlerweile in beiden Ländern von einer immer breiteren politischen, vor allen Dingen aber von einer zivilgesellschaftlichen Mehrheit getragen. Es trägt wesentlich zu einer Normalisierung der nachbarschaftlichen Beziehungen bei. Die konkreten Fortschritte, die seitdem erzielt wurden, dürfen durchaus optimistisch stimmen, zum Beispiel der Abbau der illegalen Parallelstrukturen im mehrheitlich serbisch bewohnten Nord-kosovo und deren Eingliederung in die kosovarische Staatsverwaltung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe im letzten Jahr das deutsche KFOR-Kontingent besucht. Ich will an dieser Stelle klar festhalten: Eine ganze Reihe von Fragen sind immer noch nicht oder nur unzureichend gelöst. Die kosovarische Regierung muss weiter hart daran arbeiten, tragfähige Strukturen zu implementieren, um in der Bevölkerung ein belastbares Vertrauen in die eigene Regierungs- und Handlungsfähigkeit herzustellen. Hier ist noch ein langer Weg zurückzulegen. Denn, meine Damen und Herren, ohne Vertrauen und Verlässlichkeit ist kein Staat zu machen. Korruption, organisierte Kriminalität und unzureichende Rechtsstaatlichkeit müssen noch entschlossener als bisher bekämpft werden. Die Rechtsstaatlichkeitsmission der EU – EULEX Kosovo –, die den Aufbau von Polizei, Justiz und Verwaltung im Kosovo aktiv begleitet, ist daher genauso bedeutsam wie das KFOR-Mandat. Auch EULEX muss seine Strukturen überprüfen und darf keinen Anlass für Korruptionsverdacht bieten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, unser langfristiges Ziel bleibt ein dauerhaft friedlicher, mit einer realen europäischen Perspektive ausgestatteter westlicher Balkan. Das KFOR-Mandat bildet auf absehbare Zeit die richtige Plattform, um – mit Blick auf die militärische Komponente des Gesamtkonzeptes – angemessen reagieren zu können. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung für das anstehende Mandat. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem -Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/5248, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 18/5052 anzunehmen. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Sind noch Kolleginnen oder Kollegen im Saal, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird später bekannt gegeben.1 Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich bitte die Damen und Herren Parlamentarische Geschäftsführer, ihre Plätze einzunehmen, damit alle wissen, wie sie abstimmen müssen. – Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/5260 ab. Wer stimmt für den Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Entschließungsantrag abgelehnt. Für ihn haben gestimmt die Grünen, dagegen haben gestimmt CDU/CSU-Fraktion, SPD-Fraktion und Fraktion Die Linke. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf: – Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolutionen 2100 (2013) und 2164 (2014) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013 und 25. Juni 2014 Drucksachen 18/5053, 18/5250 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/5251 Über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses werden wir, wie angekündigt, in circa 25 Minuten namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Gabi Weber, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Gabi Weber (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mali hat seit Erlangung seiner Unabhängigkeit im Jahre 1960 mit sozialen und politischen Problemen zu kämpfen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lauter!) 2012 eskalierte die Situation im Norden. Glücklicherweise konnten die Franzosen den Konflikt eindämmen. Seit 2013 unterstützt die UN-Mission MINUSMA die Stabilisierungsbemühungen. Die Bundeswehr beteiligt sich an MINUSMA, indem sie Kapazitäten zum Lufttransport und zur Betankung bereithält und sich in der Missionsführung engagiert. Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin, einen Moment. – Hier wird gebeten, den Lautsprecher lauter zu stellen. Es wäre natürlich gut, wenn Sie selber etwas leiser würden. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist unmöglich!) Dann könnten wir nämlich der Rednerin zuhören. Wer etwas Wichtiges zu besprechen hat – ich kann eigentlich nicht glauben, dass es etwas Wichtigeres gibt –, kann das bitte draußen tun. – Frau Kollegin, fahren Sie einfach fort. Gabi Weber (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. Ein Erfolg der Mission ist, dass Mitte Mai endlich ein Friedensabkommen seitens der Regierung und einiger regierungsfreundlicher Gruppen, der sogenannten Plattform, unterzeichnet wurde. Am morgigen Samstag wollen auch die regierungskritischen Gruppen, zusammengefasst in der „Coordination“, das Abkommen unterschreiben. Darüber bin ich sehr glücklich. Dieser Erfolg weckt Hoffnungen, dass endlich, nach mehreren konfliktreichen Jahrzehnten, die Probleme des Landes angegangen werden können. Das ist ein großer Erfolg, der ohne die Bemühungen von MINUSMA und anderen, nämlich EUTM Mali und EUCAP Mali, sicher nicht erreicht worden wäre. Aber, meine liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten dennoch zurückhaltend bleiben. Nicht die Unterschrift, sondern die Verwirklichung des Abkommens wird entscheidend sein. Die politischen Forderungen des Abkommens nach stärkerer Dezentralisierung müssen von den Vertragspartnern gemeinsam umgesetzt und auch garantiert werden. Die politischen Institutionen Malis sind seit Jahrzehnten sehr schwach. Das bedeutet, dass sich auch nach dem Friedensschluss eine Verbesserung der Sicherheitslage im Norden nicht automatisch einstellen wird; wir werden weiter mit terroristischen Anschlägen und hoher Kriminalität rechnen müssen. Langfristig umso wichtiger ist es daher, von internationaler Seite Hilfe anzubieten. Wir sind Bestandteil dieser internationalen Hilfe, und das ist gut so. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Militärisch unterstützen wir MINUSMA aktuell mit acht Soldaten in den Bereichen Aufklärung und Analyse sowie im Hauptquartier. Darüber hinaus sind sieben Polizisten im Rahmen der UN-Polizei und der Beratung der malischen Behörden zur Bekämpfung organisierter Kriminalität eingesetzt. In der Mandatsbegründung bezeichnet die Bundes-regierung Mali als einen „Schwerpunkt des deutschen sicherheitspolitischen Engagements in Afrika“. Diesen Anspruch sollten wir ernst nehmen. Das ZIF hat Vorschläge unterbreitet, inwieweit wir im Rahmen des bestehenden Kontingents – das sind wesentlich mehr als acht Soldatinnen und Soldaten – und gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn weitere Aufgaben übernehmen könnten. Wie Sie wissen, richtet sich mein Blick bei jeder Mandatsdebatte auch auf die entwicklungspolitischen Maßnahmen. Die staatlichen Organisationen GIZ und KfW sind zurzeit in drei Bereichen besonders aktiv: Dezentralisierung und gute Regierungsführung, Förderung der Landwirtschaft sowie Trinkwasserversorgung. Daneben kommt der nichtstaatliche Sektor ins Spiel. Beispielsweise setzt sich der Deutsche Hochschulverband für eine Verbesserung der Alphabetisierung ein. Diese Programme werden gepaart mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und erzielen umgehend eine positive und spürbare Verbesserung für die Bevölkerung. Das ist wesentlich, und es ist ein gutes Beispiel, wie Entwicklungszusammenarbeit die zivile Krisenprävention unterstützen kann. (Beifall bei der SPD) Es gibt aber auch einen Wermutstropfen: Im letzten Jahr haben wir über das EZ-Budget 130 Millionen Euro in Mali eingesetzt und weitere 25 Millionen Euro für nichtstaatliche Hilfsorganisationen. In diesem Jahr werden diese Mittel leider ganz massiv zurückgefahren. Die Sondermittel werden reduziert. Diese Reduzierung wird leider nicht aufgefangen. Das ist ein Riesenproblem. Wir haben gestern eine Debatte darüber geführt, wie wir die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika verstärken können. An dieser Stelle machen wir aber einen Rückzug. Das ist ein Zickzackkurs. Dadurch werden unsere Bemühungen im Rahmen der Stabilisierungsmission leider nicht unterstützt. (Beifall der Abg. Dr. Bärbel Kofler [SPD]) Wir brauchen eine stärkere Beteiligung an den Maßnahmen, die in Mali möglich sind. Deswegen müssen diese Sondermittel wieder zur Verfügung stehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Herr Präsident, ich möchte abschließend ein paar Worte zum Thema Flüchtlinge sagen; denn auch dieses Thema spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. In den vergangenen Wochen hat sich die Lage im Norden Malis leider wieder verschlechtert. Aus Timbuktu mussten 50 000 Menschen fliehen. Im Moment sind in den Nachbarländern aufgrund des Konflikts weitere 135 000 Menschen als Flüchtlinge unterwegs. Zugleich debattieren wir in Europa darüber, welche Länder wie viele Flüchtlinge aufnehmen können, die es durch die Sahara und über das Mittelmehr hierher geschafft haben. Viele dieser Menschen kommen auch aus Mali. Sie sind auf der Flucht vor Bedrohungen und auf der Suche nach einem wirtschaftlich besseren Leben. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir hier in Europa die Initiative ergreifen und gemeinsam mit den anderen Europäern vernünftige Regelungen finden, wer Verantwortung für die Flüchtlinge in Europa übernimmt. Ich denke, wir sind mit einem guten Beitrag dabei und können die Debatte nochmals anstoßen. (Beifall bei der SPD) Liebe Kollegen und Kolleginnen, wir verlängern heute das Mandat für MINUSMA – hoffentlich. Klar ist, dass der Konflikt und seine Auswirkungen mit militärischen Mitteln allein nicht zu lösen sind. Entwicklungspolitik und Diplomatie haben gleiche Anteile an diesem Prozess. Sicherheitspolitisch: MINUSMA kann einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Sicherheitslage und zur Einhaltung des Friedensvertrages leisten. Entwicklungspolitisch: Wir kommen nicht umhin, das Niveau der EZ weiterhin hochzuhalten, auch wenn wir noch keinen Weg gefunden haben, das 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen. Diplomatisch: Unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat gemeinsam mit den Außenministern Frankreichs und Italiens Anfang dieser Woche die Europäer aufgerufen, die Herausforderungen, die sich aus der Migration ergeben, gemeinsam mit den Afrikanern zu lösen. Gerade Deutschland kann hierzu einen gewichtigen Beitrag leisten, der nicht zuletzt den freundschaftlichen deutsch-malischen Beziehungen gerecht wird. Ich bitte Sie daher um Ihre Unterstützung für dieses Mandat. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Christine Buchholz, Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Christine Buchholz (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die UN-Mission MINUSMA soll seit 2013 die Lage in Mali stabilisieren und die Sicherheit unterstützen. Wenn die Bundesregierung diesen Maßstab ernst nehmen würde, müsste sie einräumen: MINUSMA ist eben keine Erfolgsgeschichte. Im Norden Malis herrschen weiter bewaffnete Konflikte, und die UN-Truppe steckt mittendrin. In den letzten drei Monaten gab es 40 Angriffe auf MINUSMA; die Mission gilt als eine der gefährlichsten UN-Missionen überhaupt. Um es plastisch zu machen: Im Januar haben holländische MINUSMA-Soldaten mit Apache-Kampfhubschraubern im Nordosten von Mali ein Fahrzeug von Rebellen angegriffen und dabei mindestens sieben Tuareg getötet. Die Gefechte dauerten Stunden an. Ebenfalls im Januar gab es Demonstrationen von Jugendlichen gegen MINUSMA. MINUSMA-Polizisten schossen in die Menge, es gab drei Tote. MINUSMA wird zunehmend als Konfliktpartei angesehen. (Zuruf der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich glaube, es muss doch klar sein, dass es Ihnen hier mitnichten um die Menschen und um Menschlichkeit geht. MINUSMA ist in Wirklichkeit ein Teil eines viel größeren militärischen Engagements, das unter französischer Führung steht. Paris geht es insbesondere um die Sicherung des Uranabbaus in der Region und um die Vormachtstellung in der Region. Es geht darum, in Mali eine Regierung zu stabilisieren, die dem Westen genehm ist. Da will die Bundesregierung nicht hintenanstehen. Das machen wir nicht mit. (Beifall bei der LINKEN) Wenn die Bundesregierung von Stabilisierung spricht, dann meint sie auch den Aufbau der malischen Armee. Doch die bewaffneten Kräfte des Staates Mali sind selbst Teil des Problems. Im letzten Jahr haben malische Gefechtsverbände, die unter anderem von der Bundeswehr ausgebildet wurden, die Tuareg-Stadt Kidal angegriffen. 80 Tote waren die Folge. Vor vier Wochen haben Soldaten der malischen Armee im Nordosten des Landes laut Agenturmeldungen neun Zivilisten hingerichtet, darunter einen 13-jährigen Jungen und Mitarbeiter einer französischen Hilfsorganisation. Die Linke sagt: Probleme in Mali können nicht militärisch gelöst werden. (Beifall bei der LINKEN) Die meisten Malier sind bitterarm. Das ist das Hauptproblem in diesem Land. Auch der Konflikt im Norden wird durch Armut und Perspektivlosigkeit befeuert. Die nordmalische Abgeordnete Aicha Belco Maiga sagte, dass die Lage katastrophal ist: „Es gibt keine Medikamente, … es fehlt an Nahrungsmitteln und Trinkwasser. Die Kinder gehen nicht mehr zur Schule.“ Wie wenig die sozialen Probleme der Bevölkerung für die Bundesregierung eine Rolle spielen, wird auch am Umgang mit den malischen Flüchtlingen deutlich. Zweieinhalb Jahre nach Beginn der Militäroperationen sitzen immer noch 135 000 malische Flüchtlinge in Lagern im Ausland fest; die Kollegin Weber hat es angesprochen. Ihnen muss endlich geholfen werden. (Beifall bei der LINKEN) Doch, Frau Weber, die Bundesregierung wird jetzt aktiv gegen die Migration in Richtung Europa und nicht für die Flüchtlinge. Außenminister Steinmeier hat erklärt, die Mission EUCAP in Mali ausweiten zu wollen. Dabei sollen malische Polizei, Nationalgarde und Gendarmerie befähigt werden, wie es heißt, „illegale Migration“ in Richtung Europa zu verhindern. Aber es gibt gar keine sicheren legalen Migrationswege nach Europa. Das heißt, alles läuft wieder auf die Bekämpfung der Flüchtlinge hinaus. EU und Bundesregierung bekämpfen Flüchtlinge, nicht Fluchtursachen. Das ist schäbig. (Beifall bei der LINKEN – Florian Hahn [CDU/CSU]: Reden Sie doch nicht so einen Unsinn!) Als ich im vergangenen November in Mali war, traf ich viele Menschen, die für die Verbesserung der sozialen Lage im Land und für ihre eigenen Rechte kämpfen. Ein Generalstreik im August hat zur Anhebung des Mindestlohns um 30 Prozent geführt. Das alles sind ermutigende Schritte aus der malischen Zivilgesellschaft. Die Linke befürwortet zivile Projekte, die ihren Namen wirklich verdient haben. Und: Wir unterstützen die malische Bevölkerung in ihrem Kampf für Würde. (Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht gehen Sie mal darauf ein, was die malische Bevölkerung selbst möchte!) Was wir nicht tun, ist, diesem Bundeswehreinsatz zuzustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Unsere Schriftführerinnen und Schriftführer waren sehr schnell. Ich gebe Ihnen daher jetzt das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internationalen Sicherheitspräsenz in Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999“, Drucksachen 18/5052 und 18/5248, bekannt: abgegebene Stimmen 599. Mit Ja haben gestimmt 532, mit Nein haben gestimmt 60, Enthaltungen 7. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 599; davon ja: 532 nein: 60 enthalten: 7 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Ronja Schmitt (Althengstett) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Cansel Kiziltepe Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Irene Mihalic Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Nein SPD Klaus Barthel Dr. Ute Finckh-Krämer DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hans-Christian Ströbele Enthalten SPD Petra Hinz (Essen) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Monika Lazar Peter Meiwald Beate Müller-Gemmeke Lisa Paus Corinna Rüffer Ich erteile nun als nächstem Redner in dieser Debatte dem Abgeordneten Philipp Mißfelder, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Frau Buchholz, ich möchte kurz auf das eingehen, was Sie gesagt haben. Keiner der bisherigen Redner, die sich für die Verlängerung dieses Mandats ausgesprochen haben, hat in irgendeiner Form behauptet, dass wir diesen Konflikt militärisch lösen können. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Habe ich auch nicht gesagt! – Gegenruf von der SPD: Doch, doch!) Wenn die Linke also klatscht, wenn gesagt wird: „Wir wollen den Konflikt mit politischen Maßnahmen lösen“, dann sind wir genau dieser Meinung; da können Sie sich uns gerne anschließen. Auch wir sind der Meinung, dass man diesen Konflikt nur politisch lösen kann und eben nicht militärisch. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Sie wollen ihn politisch und militärisch lösen! Das ist der Unterschied!) Allerdings: Die Zwischenfälle, die Sie aufgezählt haben, sind sehr, sehr ernst zu nehmen, und sie beschäftigen uns natürlich. Aber ohne MINUSMA würde es nicht bei diesen Zwischenfällen bleiben, sondern dann hätten wir einen Flächenbrand. MINUSMA bringt uns überhaupt erst in die Lage, die Entwicklungszusammenarbeit zu vertiefen, Staatlichkeit aufzubauen und das Land wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Das ist ja gelungen. (Beifall des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]) In Ihrem ganzen Beitrag haben Sie außer Acht gelassen, dass der Versöhnungsprozess innerhalb des Landes mittlerweile sehr große Fortschritte macht. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das hängt aber nicht mit der Beteiligung der Bundeswehr zusammen!) Daran hat auch MINUSMA einen Anteil; gar keine Frage. Ohne MINUSMA wäre das nicht zustande gekommen, ohne unser großes politisches Engagement darüber hinaus auch nicht. Im Bereich der Krisenprävention sind wir mehr als je zuvor tätig. Wir haben Ausstattungshilfeprogramme für die malischen Streitkräfte auf den Weg gebracht, um dort wieder Staatlichkeit hinzubekommen. Polizei und Sicherheitskräfte werden im Rahmen von EU-Missionen und VN-Missionen nach unseren Maßstäben ausgebildet. Die Entwicklungszusammenarbeit habe ich schon angesprochen. Darüber hinaus versuchen wir, die Konfliktursachen anzugehen. Wir müssen die staatlichen Strukturen in die Lage versetzen, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten. Wir haben ein Programm aufgelegt, in dessen Rahmen Trainingskurse für Polizeikräfte durchgeführt werden. Wir haben ein Programm aufgelegt, das eine Professionalisierung der Medien zum Ziel hat, damit die Kommunikation wieder funktionieren kann und die Leute nicht auf einzelne örtliche Stammesgruppen oder andere Rattenfänger, die versuchen, dort Unruhe zu stiften, hereinfallen. Das alles ist nur möglich, weil wir einen Gesamtansatz gewählt haben; das ist uns nicht leichtgefallen. Keiner von uns ist gerne dabei, wenn es darum geht, Soldaten in gefährliche Einsätze zu schicken. Aber als unsere französischen Partner uns gefragt haben, ob wir ihnen zur Seite stehen würden – sie haben dort die Lead-Funktion übernommen –, haben wir nicht Nein gesagt, sondern wir haben gesagt, dass wir unter den Bedingungen, die ich genannt habe, bereit sind, unser Engagement über das Politische hinaus um eine militärische Komponente zu ergänzen. Das verstehe ich unter Verlässlichkeit, auch im Bündnis mit unseren französischen Freunden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Lage – das haben Sie richtig beschrieben – ist nach wie vor sehr fragil; gar keine Frage. Wir haben am 7. März dieses Jahres einen Anschlag erlebt, von dem auch Ausländer beinahe betroffen gewesen wären. Dieser Anschlag ist nach wie vor nicht aufgeklärt. Es gibt verschiedene Terrorgruppen, die dort aktiv sind. Keiner weiß so richtig, aus welcher Richtung diese Terror-gruppierungen kommen. Damit es keinen erneuten Flächenbrand in Mali gibt, damit dieses Land nicht aus-einanderfällt, ist es notwendig, sich ihm mit großer Aufmerksamkeit zu widmen. MINUSMA ist im Verbund mit unseren entwicklungspolitischen Maßnahmen die richtige Antwort. Deshalb plädiere ich für die Fortsetzung dieses Mandats. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es stimmt: Es ist nicht alles gut für die Menschen in Mali. Nach wie vor ist Mali eines der ärmsten Länder der Welt. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind dort 5 Millionen Menschen von Hunger bedroht; das ist ein Drittel der malischen Bevölkerung. Und, ja, die Sicherheitslage in bestimmten Gebieten des Nordens von Mali hat sich verschlechtert, und sie bietet Anlass zu großer Sorge. Meine Damen und Herren, die 2013 eingerichtete Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali, MINUSMA – heute beraten wir die deutsche Beteiligung daran –, gilt mittlerweile leider als eine der gefährlichsten Missionen der Welt. Immer wieder werden auch die Camps von -MINUSMA und Blauhelmsoldaten Ziele von Anschlägen. Wir gedenken heute auch der fast 50 Blauhelmsoldaten, die bei ihrem Einsatz für mehr Frieden und Sicherheit im Mali ihr Leben lassen mussten. Als 2012 eine unheilvolle Allianz aus Rebellengruppen, Unabhängigkeitsbewegungen, religiösen Extremisten und organisierten Kriminellen den Norden des Landes unter ihre Kontrolle brachte, dort ein Schreckensregime errichtet hat und dann auch noch den Rest von Mali erobern wollte, hat die internationale Gemeinschaft entschlossen reagiert, und zwar auf einen dramatischen Hilferuf aus der malischen Hauptstadt selbst. Man hat sich nicht darauf beschränkt, die Gewalttäter zurückzudrängen und aus dem Norden zu vertreiben, sondern man wollte die Probleme in Mali im Anschluss umfassend angehen; denn die Krise im Jahre 2012 hat auch offenbart, dass die malische Zentralregierung extrem schwach ist und dass sich die Sicherheitskräfte in einem desolaten Zustand befinden. Die Europäische Union, die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, die Afrikanische Union und die Vereinten Nationen haben eine Vielzahl von Maßnahmen und auch mehrere Missionen auf den Weg gebracht, um diese Probleme anzugehen, und das war richtig und notwendig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]) MINUSMA ist eine dieser Maßnahmen. Ihre Aufgabe ist es nicht, jemanden militärisch zu bekämpfen, sondern besteht vor allem darin, die Zivilbevölkerung zu schützen, die Menschenrechte zu fördern und staatliche Institutionen und die Polizei zu stärken. (Beifall der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE]) Eine besonders wichtige Aufgabe von MINUSMA ist es, den Dialog und den Versöhnungsprozess zwischen den verschiedenen Gruppen zu begleiten. Frau Kollegin Buchholz, Sie haben völlig recht: Es ist völlig inakzeptabel, dass MINUSMA-Angehörige in eine Menge von Demonstranten schießen und dadurch Zivilistinnen und Zivilisten ums Leben kommen. Sie sagen an diesem Pult aber immer nur die Hälfte der Wahrheit, nämlich das, was in Ihre Logik passt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Dass die Vereinten Nationen diesen Vorfall sehr ernst genommen und sofort untersucht haben, die drei Schuldigen dafür ausgemacht und für das Strafverfahren in ihre Heimatländer geschickt haben, haben Sie hier nicht erzählt. Das gehört aber zur Wahrheit dazu. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Die meisten Soldatinnen und Soldaten, die Polizeiangehörigen und auch die zivilen Expertinnen und Experten leisten im Rahmen dieser Mission einen sehr wichtigen Beitrag für mehr Frieden und Sicherheit in Mali. Dafür sind wir auch als Grüne sehr dankbar. Auch wenn die Zunahme an Gewalt im Norden von Mali wirklich großen Anlass zur Sorge bietet, ist dort nicht alles düster. In den letzten Jahren konnten Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen stattfinden. Die Menschenrechtslage hat sich verbessert, auch wenn es dort immer noch gravierende Probleme gibt, und 200 000 Flüchtlinge konnten mittlerweile zurückkehren. Was besonders wichtig ist und großen Anlass zur Hoffnung gibt, ist, dass es nach langen und schwierigen Verhandlungen endlich gelungen ist, ein Friedensabkommen zwischen der Zentralregierung und vielen Gruppen im Norden von Mali zu verhandeln. Dieses Abkommen ist die erste Grundlage dafür, dass die Konflikte zwischen dem Norden und dem Süden in Zukunft nicht mehr mit Gewalt, sondern im Rahmen eines Dialoges und von Verhandlungen ausgetragen werden, sodass darauf basierend endlich ein Versöhnungsprozess beginnen kann. Meine Damen und Herren, für die Menschen in Mali wäre es schlecht, wenn wir heute gegen dieses Mandat stimmten. Man muss bedenken: So lange die Verhandlungen über dieses Friedensabkommen auch gingen und so schwierig sie waren, die größte Herausforderung steht noch an; denn dieses Abkommen muss umgesetzt und in konkrete Politik gegossen werden. Das ist eine noch viel größere Herausforderung. Dafür, dass sich die Hoffnung der Menschen in Mali auf einen nachhaltigen Frieden und echte Sicherheit erfüllt, braucht es MINUSMA, braucht es mehr deutsches Engagement und auch mehr Engagement der Vereinten Nationen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Als letzter Rednerin in dieser Aussprache erteile ich der Abgeordneten Elisabeth Motschmann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Elisabeth Motschmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! MINUSMA ist das kleinste Mandat, über das wir heute reden. Nur acht Soldaten sind zurzeit in Mali; es könnten 150 sein. Warum beschäftigen wir uns so intensiv mit diesem Thema? Egal wie groß der Einsatz ist und wie viele Soldaten im Ausland sind: Jeder Einzelne hat es verdient, dass wir uns intensiv Gedanken über seine Sicherheit machen (Beifall des Abg. Philipp Mißfelder [CDU/CSU]) und über die Sinnhaftigkeit eines Einsatzes. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auf der Grundlage von sozialen, wirtschaftlichen und politischen Indikatoren veröffentlicht die amerikanische NGO The Fund for Peace einmal jährlich einen Index der fragilen Staaten. Mali belegt in dieser Tabelle mit 178 Nationen den 36. Platz. Das bedeutet: Die Lage ist alarmierend, aber nicht aussichtslos. Staaten, die noch schlechter als Mali beurteilt wurden, sind unter anderem Südsomalia, der Kongo, Tschad und Syrien. Aber Platz 36 ist keineswegs beruhigend. Immer noch befinden sich 135 000 Flüchtlinge in den Nachbarstaaten. In Europa halten sich etwa 10 000 malische Flüchtlinge auf. „Europa oder Tod“, so hat ein junger Flüchtling seine Situation in der Tagesschau beschrieben. Wir wissen, dass für viele der Flüchtlinge die Flucht mit dem Tod endet. Vor diesem Hintergrund müssen wir die Frage beantworten, warum wir Soldaten nach Mali schicken. Natürlich ist es zuallererst sinnvoll, dass Menschen in Freiheit und Sicherheit leben können. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten immer wieder über die Flüchtlinge und ihre Situation gesprochen. Auch Sie, Frau Buchholz, haben ja gesagt: Wir wollen die Fluchtursachen bekämpfen. – Aber das geht doch nur, indem wir für Sicherheit und Stabilität in diesen Ländern sorgen. Diese Flüchtlinge sind ja keine Auswanderer; sie fliehen vor Mord, vor Terror, vor Gewalt und Vergewaltigung. Deshalb ist es so wichtig, dass wir auch in Mali – das ist der kleinste, aber vielleicht auch gefährlichste Einsatz – mithilfe der Soldaten das Ziel verwirklichen, Stabilität zu erreichen. Wir wollen nicht, dass Menschen den schier unüberwindbaren Weg durch die Sahara antreten müssen, um sich in Sicherheit zu bringen. Wir müssen verhindern, dass die Menschen den Weg durch Staaten suchen, die selbst von Terror und Verfolgung bedroht sind. Wir müssen verhindern, dass Menschen alles hinter sich lassen und sich nur mit dem Nötigsten am Leib, nicht selten auch mit einem Säugling im Arm, auf diesen gefährlichen Weg begeben. Die Sicherheit in Mali ist noch lange nicht gewährleistet; wir haben das eben gehört. Der Norden des Landes ist nicht befriedet. Dort gibt es Terroristen aus ganz verschiedenen islamistischen Organisationen. Sie bedrohen die Bevölkerung. Deshalb muss der Einsatz weitergehen. Deshalb müssen wir versuchen, staatliche Autorität wiederherzustellen und die politischen Prozesse voranzutreiben. Oberstes Ziel – Herr Mißfelder hat es gesagt – ist die Aussöhnung im Land. Sie schreitet voran, und das macht uns Hoffnung. Insofern ist dieser Einsatz in Mali gerechtfertigt. Die humanitäre Lage hat sich inzwischen verbessert. Das Land macht politische Fortschritte. 80 Prozent der Binnenflüchtlinge haben den Weg zurück in die Heimat antreten können. Frau Buchholz, das sind doch Erfolge und Ergebnisse. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christine Buchholz [DIE LINKE]: Was ist mit den 135 000 Flüchtlingen?) – Wir wollen nicht, dass diese 135 000 Flüchtlinge nach Europa kommen, (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das wollen Sie! Darum geht es, nicht um die Ursachen! Wenn Sie das wollen, dann sagen Sie das doch!) sondern in ihrer Heimat bleiben können. Aber dafür müssen wir vor Ort Sicherheit gewährleisten. Ansonsten werden sie den Weg nach Europa antreten, und dann sind die Alternativen nur Europa oder Tod. Genau das wollen wir nicht. Deshalb danke ich den Soldaten, dass sie versuchen, den Menschen diese Überlegung zu ersparen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) „Europa oder Tod“ kann nicht das Lebensmotto der Menschen in Mali oder anderswo sein. Deshalb bitte ich um Zustimmung für diesen Einsatz. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Peter Hintze: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission in Mali. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/5250, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 18/5053 anzunehmen. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab. Sind die Plätze an den Urnen mit Schriftführerinnen und Schriftführern besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben.2 Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf: – Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und nachfolgender Verlängerungsresolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2172 (2014) vom 26. August 2014 Drucksachen 18/5054, 18/5252 – Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/5253 Über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses werden wir in circa 25 Minuten namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 25 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner erteile ich dem Abgeordneten Thomas Hitschler, SPD-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der SPD) Thomas Hitschler (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine letzte Rede zur UN-Mission im Libanon habe ich mit einem Zitat der libanesischen Sängerin Fairuz begonnen. Heute möchte ich zum Einstieg noch etwas weiter in die lange und reiche Geschichte dieses Landes zurückblicken: Mit ihren Fußsohlen stampfen sie auf der Erde. Durch ihr Herumspringen bersten Sirara und Libanon. Da wurde schwarz das weiß‘ Gewölk. Der Tod regnet wie Nebel auf sie herab. Diese Zeilen stammen aus dem Gilgamesch-Epos, dem vielleicht ältesten Mythos der Geschichte. Diese Zeilen handeln vom epischen Kampf zwischen dem sumerischen König Gilgamesch und dem Wächter des Zedernwaldes. Sirara ist der alte Name für das Kalamun-Gebirge, im Deutschen besser bekannt als der Antilibanon, das Gebirge, das die Grenze zwischen dem Libanon und Syrien bildet. Diese Zeilen sind gut 4 000 Jahre alt. Sie könnten aber auch genauso gut vier Wochen alt sein; denn vor vier Wochen verkündete der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah die Vertreibung der dschihadistischen Al-Nusra-Front aus dem Kalamun-Gebirge. „Durch ihr Herumspringen bersten Sirara und Libanon.“ Das Bersten Syriens verfolgen wir seit vier Jahren. Syrien ist faktisch auseinandergebrochen, zwischen den letzten Bastionen des Assad-Regimes und dem blutigen Kalifat des „Islamischen Staates“, zwischen der sunnitischen Al-Nusra-Front und der schiitischen Hisbollah, zwischen den Interessen Saudi-Arabiens und den Interessen des Iran. Das Bersten des Libanon blieb bisher aus. Aber auch der Libanon steht vor einer Zerreißprobe an den eigenen konfessionellen Konfliktlinien, zwischen den Assad-Unterstützern und den Assad-Gegnern, zwischen den Interessen Saudi-Arabiens und den Interessen des Iran. Das Bersten Syriens hat den Libanon bisher noch nicht erfasst. Aber der schreckliche Bürgerkrieg wirft seine dunklen Schatten immer wieder über die Grenze, etwa bei blutigen Attentaten wie dem Bombenanschlag im libanesischen Tripolis im Januar dieses Jahres, bei dem neun Menschen starben. „Da wurde schwarz das weiß‘ Gewölk. Der Tod regnet wie Nebel auf sie herab.“ Immer wieder drängen die dschihadistischen Kämpfer von IS und al-Nusra aus Syrien auf libanesisches Territorium vor, vor allem in die Beeka-Ebene, die zwischen dem Libanongebirge und dem Antilibanon liegt. Aber nicht nur Dschihadisten drängen aus Syrien in die Beeka-Ebene. In Hunderten provisorischen Zeltsiedlungen sind die meisten der bis zu anderthalb Millionen Flüchtlinge untergebracht, die vor dem syrischen Bürgerkrieg in den Libanon geflohen sind. Gemeinsam mit meinen beiden Fraktionskollegen Christina Kampmann und Jens Zimmermann habe ich Mitte Februar den Libanon besucht und dort auch eine dieser Zeltstädte in der Beeka-Ebene. Die Temperaturen lagen unter dem Gefrierpunkt. Im alles durchdringenden Schneeregen spielten Kinder im eiskalten Schlamm, in offenen Sandalen oder barfuß. „Mit ihren Fußsohlen stampfen sie auf der Erde.“ Dies war nicht das erste Flüchtlingslager, das ich besucht habe. Aber selten habe ich in meinem ganzen Leben etwas so Bedrückendes erlebt. Wenn ich dann die Ignoranten bei uns in Deutschland höre, die gegen vermeintliche Wirtschaftsflüchtlinge hetzen, und wenn ich von den Feiglingen lesen muss, die Unterkünfte für Flüchtlinge anzünden, dann weiß ich nicht, was ich mehr sein soll: mehr traurig, mehr wütend oder mehr fassungslos. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Nur einer Sache bin ich mir ganz sicher: dass wir als Demokraten diese geistige und diese tatsächliche Brandstifterei mit aller Entschlossenheit bekämpfen müssen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dem Libanon und den Flüchtlingen zu helfen, ist eine Frage der Menschlichkeit. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, ob wir es mit unseren Werten ernst meinen. Dem Libanon zu helfen, ist aber auch eine Frage unserer eigenen Sicherheit. Das Bersten Syriens hat zu enormen Flüchtlingsbewegungen geführt, die den Mittleren Osten massiv belasten und uns selbst in Europa vor große Herausforderungen stellen. Das Bersten des Libanon würde diese Situation in einer Dimension vervielfachen, die ich mir nicht vorstellen möchte. Dieses Bersten müssen wir verhindern. Neben der Flüchtlingsproblematik sind zwei weitere Faktoren in hohem Maße sicherheitsrelevant für Europa: die zunehmende Instabilität einer Region direkt vor unserer Haustür und der Terrorismus. Zerfallene Staaten sind Brutstätten des Terrors. Der Niedergang der Staatlichkeit im Mittleren Osten hat den Aufstieg des „Islamischen Staates“ erst ermöglicht. Hier können sich seine Anhänger ausbreiten. Hier können sie sich zurückziehen. Hier können sie neue Mitglieder anwerben. Neben dem IS tummeln sich etliche weitere Terrorgruppen im Grenzgebiet zwischen Syrien und dem Libanon. Die Al-Nusra-Front ist ein direkter Ableger von al-Qaida. Die Hisbollah greift direkt in den Syrien-Konflikt ein, gewinnt Kampferfahrung, rüstet auf und steht an der Schwelle zu einem neuen Krieg mit Israel. Die Sicherheitslage im Libanon ist äußerst fragil. Ich bin mir sicher: Wenn sich die internationale Gemeinschaft in dieser Situation herausziehen würde, wäre das Bersten des Libanon kaum noch aufzuhalten. Heute stimmen wir über die UN-Mission UNIFIL ab – ein kleiner, aber sehr bedeutender Stabilitätsfaktor für den Libanon. Das bestätigte mir auch der libanesische Außenminister Gebran Bassil bei meinem Besuch. Davon konnte ich mich auf der deutschen Korvette „Erfurt“ im Hafen von Beirut selbst überzeugen. Unsere Soldaten leisten dort hervorragende Arbeit in einem durchaus schwierigen Umfeld. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Auch sie wissen um die Situation der Flüchtlinge. Auch sie wissen, dass Anfang des Jahres ein spanischer Soldat der UN-Mission gefallen ist. Umso wichtiger ist, dass sie mit ihren Angehörigen in der Heimat kommunizieren können. Dafür müssen wir ihnen die technischen Möglichkeiten zur Verfügung stellen, wie etwa einen WLAN-Zugang an Bord. Das wäre das Mindeste. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) UNIFIL sichert die libanesische Küste und den Zugang zu humanitärer Hilfe. Angesichts der katastrophalen Situation der Flüchtlinge ist dies unerlässlich. UNIFIL stärkt die libanesischen Sicherheitskräfte, die als einzige Institution konfessionsübergreifendes Vertrauen genießen. Angesichts der politischen Spaltung im Land ist dies unersetzlich. UNIFIL bietet die einzige Plattform, auf der sich Israel und der Libanon direkt untereinander austauschen. Angesichts der Spannungen zwischen der Hisbollah und Israel ist dies unverzichtbar. Helfen Sie mit, das Bersten des Libanon zu verhindern. Stimmen Sie für die Weiterführung von UNIFIL. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsident Peter Hintze: Ich verlese das Protokoll des von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisses der zweiten namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zum Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolutionen 2100 (2013) und 2164 (2014) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013 und 25. Juni 2014“, Drucksachen 18/5053 und 18/5250: abgegebene Stimmen 598. Mit Ja haben gestimmt 529, mit Nein haben gestimmt 65, Enthaltungen 4. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen. Berlin, den 19. Juni 2015, die Schriftführerinnen und Schriftführer. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 597; davon ja: 528 nein: 65 enthalten: 4 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Ronja Schmitt (Althengstett) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Markus Paschke Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Rüdiger Veit Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Irene Mihalic Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Nein SPD Klaus Barthel Dr. Ute Finckh-Krämer Cansel Kiziltepe Christian Petry Waltraud Wolff (Wolmirstedt) DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Peter Meiwald Corinna Rüffer Hans-Christian Ströbele Enthalten SPD Marco Bülow Petra Hinz (Essen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Monika Lazar Beate Müller-Gemmeke Als nächster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Inge Höger, Fraktion Die Linke, das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Inge Höger (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jahr für Jahr stimmen wir hier im Bundestag über die Fortsetzung der Beteiligung an dem UNIFIL-Mandat ab. Als Ergebnis dieses traurigen Rituals entsendet die Bundeswehr zwischen 150 und 250 Soldatinnen und Soldaten in die Kriegs- und Krisenregion Nahost. Die Situation hat sich dadurch kaum verbessert. Im Gegenteil: Sie hat sich in den letzten Jahren deutlich zugespitzt. Der Auftrag des Mandats war von Anfang an eher symbolischer Natur. Die Bundesmarine hat dort nach Waffen gesucht, wo höchstens geschmuggelte Zigaretten zu finden waren. Das einzig greifbare Ergebnis der deutschen Beteiligung an UNIFIL ist die völlige Enttabuisierung der militärischen Präsenz von deutschen Soldatinnen und Soldaten überall in der Welt. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hatten Sie zum Frühstück?) Das Ziel der UNIFIL-Mission war ursprünglich die Umsetzung der UN-Resolution 1701, also die Überwachung des Waffenstillstandes zwischen Israel und dem Libanon. Das Mandat wirkt inzwischen eher wie ein Syrien-Mandat durch die Hintertür. (Zurufe von der SPD: Was?) Die Beteiligung an UNIFIL zusammen mit dem Patriot-Einsatz in der Türkei ermöglicht es der Bundeswehr, im Nahen Osten präsent zu sein. Für die Linke ist klar: Wir wollen keine Auslandseinsätze der Bundeswehr und ganz besonders keine deutschen Soldaten im Nahen Osten. (Beifall bei der LINKEN) Mir ist bewusst, dass Deutschland in den letzten vier Jahren 247 Millionen Euro als Hilfe für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt hat. Allerdings ist dies völlig unzureichend, um der humanitären Katastrophe in Syrien und im Irak gerecht zu werden. Für den Nothilfefonds der Vereinten Nationen für syrische Flüchtlinge sind von den notwendigen 4,5 Milliarden Dollar bis Anfang Juni 2015 gerade einmal 23 Prozent zusammengekommen. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Deutschland hat gezahlt! Das wissen Sie!) Durch Verzicht auf das Militär bei UNIFIL könnte Deutschland seinen Beitrag um 50 Prozent steigern. Noch besser wäre der Verzicht auf das völlig unsinnige Rüstungsprojekt MEADS. (Beifall bei der LINKEN) Mit der möglichen Einsparung von 4 Milliarden Euro könnte man den gesamten Nothilfetopf auffüllen. Das wäre aktive humanitäre Hilfe und zugleich aktive Friedenspolitik. (Beifall bei der LINKEN) Dem Welternährungsprogramm stehen gerade 62 Cent pro Tag und Flüchtling im Libanon zur Verfügung. Davon können die Menschen nicht satt werden, (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Vielleicht können Sie mal über die deutsche Hilfe reden!) von ausreichender hygienischer und medizinischer Versorgung ganz zu schweigen. Die fehlenden Gelder für die Versorgung von syrischen Flüchtlingen stellen neben der humanitären Krise auch ein sicherheitspolitisches Risiko dar. Hier könnte verantwortliche Außenpolitik wirklich etwas ändern; sonst müssen wir uns über die weitere Destabilisierung des Libanon und weitere Flüchtlingstragödien im Mittelmeer nicht wundern. Der Kampf gegen Waffenlieferungen kann übrigens statt auf dem Mittelmeer sehr viel erfolgreicher in Deutschland beginnen. Warum kann die Türkei ohne Konsequenzen Milizen in Syrien bewaffnen? Warum liefert Deutschland U-Boote an Israel, die atomar bewaffnet werden können? Warum schickt Deutschland weiter Waffen in die Golfregion, obwohl die Waffen an terroristische Gruppen wie den IS geliefert werden? Dass Saudi-Arabien auch die offizielle libanesische Armee ausrüstet, ist ebenfalls kein Grund zur Entwarnung. Das nutzt allein der Waffenindustrie. Stoppen Sie die Waffenlieferungen in die gesamte Region, und zwar sofort! (Beifall bei der LINKEN) Unabhängig davon lohnt es sich, die bisherige Strategie des Einfrierens von Konflikten zu überdenken. Die militärische Präsenz von UN-Truppen beruhigt bestenfalls kurzfristig die Lage. Die Lösung der zugrundeliegenden politischen Probleme tritt dadurch allzu oft in den Hintergrund. Ein glaubwürdiger politischer Prozess könnte zum Beispiel eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen und Mittleren Osten nach dem Vorbild der KSZE sein. (Beifall bei der LINKEN) Ohne einen umfassenden politischen Prozess wird es keinen dauerhaften Frieden und keine Sicherheit im Nahen Osten geben, weder für die Menschen im Libanon noch für die Menschen in Syrien noch für die Menschen in Israel. Den notwendigen Friedensprozess sollte Deutschland nicht durch immer mehr Waffen und Soldaten erschweren; vielmehr sollte man zu einem glaubwürdigen politischen Prozess kommen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Philipp Mißfelder, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Frau Höger, ich hatte gerade schon die Gelegenheit, das, was Frau Buchholz gesagt hat, einzuordnen. Diese Gelegenheit möchte ich auch bei Ihnen nicht verstreichen lassen. Ich möchte aber zunächst eine Bemerkung zu den Vorgängen innerhalb Ihrer Fraktion machen. Nachdem ich gehört habe, was Sie, Frau Höger, und vorher Sie, Frau Buchholz, gesagt haben, kann ich verstehen, warum Gregor Gysi aufgegeben hat, zu versuchen, die Linkspartei in der Außenpolitik auf einen verantwortungsbewussten Kurs zu bringen. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) Sie haben gerade gefordert, einen Prozess für den Nahen Osten ähnlich der OSZE anzustoßen. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass UNIFIL genau so etwas ist. (Inge Höger [DIE LINKE]: Ich habe gesagt: ohne Soldaten, ohne Waffen!) Ohne UNIFIL würden die Drei-Parteien-Gespräche nicht stattfinden. Ohne UNIFIL, der Beobachtermission der Vereinten Nationen, wären diese Gespräche überhaupt nicht auf den Weg gebracht worden. Das Beste an diesem Mandat ist, dass man alle vier Wochen zusammensitzt und versucht, gemeinsam Lösungen zu finden, übrigens zur Zufriedenheit aller Beteiligten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Situation – damit haben Sie recht – ist insgesamt sehr fragil. Das Mandat ist unter ganz anderen Gesichtspunkten, unter einem ganz anderen Konfliktszenario zustande gekommen. Aber gerade weil sich die Situation im Nahen Osten insgesamt durch ISIS und durch andere Vorgänge sehr verschärft hat, kann man nun wirklich nicht sagen: Wir verschließen die Augen davor und ziehen uns zurück. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir dieses Mandat dringend verlängern müssen. Was sich im Irak vollzieht, der steigende Einfluss des Irans, insbesondere im Libanon, aber auch im Jemen, in der gesamten Region, ist eine große Gefahr. Zu befürchten ist, dass daraus wieder neue Konflikte entstehen. Das, was wir in Syrien sehen, ist – davon sind einige von uns schon seit längerer Zeit überzeugt – nur der Anfang dessen, was dem Nahen Osten insgesamt an Stellvertreterkonflikten bevorstehen wird. Wenn die mittleren Mächte und Großmächte wie die Türkei, Saudi-Arabien und der Iran aufeinanderprallen, dann dürfen wir nicht an der Seitenlinie stehen und so tun, als wenn uns das nichts angeht. Es geht uns etwas an. Deshalb ist UNIFIL auch weiterhin wichtig, und deshalb müssen wir mit UNIFIL weiter präsent sein, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Hisbollah-Angriff auf zwei israelische und einen spanischen UNIFIL-Soldaten zeigt, dass die Situation nach wie vor sehr angespannt ist. Ich befürchte, dass durch die Vorgänge im Irak, durch den drohenden Einfluss des Irans die Gelegenheit, im Libanon an Einfluss zuzulegen und die Hisbollah in eine noch viel stärkere Position zu bringen, nicht ungenutzt bleiben wird. Gerade deshalb ist es wichtig, für Ausgleich zu sorgen. Das macht UNIFIL in dieser Situation. Deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass das Mandat richtig ist. Es ist korrekt, dass politische Konflikte – ich wiederhole das, was vorhin viele Redner schon gesagt haben – nicht durch militärische Maßnahmen gelöst werden. Aber die Einbettung dieses Mandats, flankiert durch unsere starken diplomatischen Bemühungen in der Region, ist sinnvoll, ist nachhaltig und führt dazu, dass es einen großen Beitrag zum Frieden und zur Stabilität in der Region liefert. Das ist wichtig. Deshalb wollen wir dieses Mandat auch fortsetzen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn wir resümieren, wo wir in unserer Syrien-Politik stehen, müssen wir natürlich schon kritisch sagen: Aus der Oppositionsbewegung in Syrien ist nicht das entstanden, was wir anfangs gehofft hatten. Aber gerade aufgrund dieser Erfahrung in Syrien kann uns nicht egal sein, was in Ländern passiert, die auch fragil sind, wie im Libanon oder in Jordanien, das mit einer so großen Zahl von Flüchtlingen konfrontiert ist, dass es ein Wunder ist, dass es überhaupt noch so stabil ist. Wir müssen uns auf allen Ebenen politisch, aber an dieser Stelle eben auch militärisch engagieren, um die Staatlichkeit weiter aufrechtzuerhalten. Das BMZ ist im Libanon stark präsent. Sie haben ausgeblendet, was wir auf dieser Ebene tun. Es ist tatsächlich eine unserer Prioritäten und eine Verpflichtung für uns, in der gesamten Region mit allen Möglichkeiten, die die politische Klaviatur bietet, zu helfen und zu unterstützen. Dieses Mandat ist nur ein kleiner Ausschnitt von dem, was wir alles tun. Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie um die Verlängerung und weiterhin auch um die Unterstützung derjenigen Maßnahmen, die wir sonst noch durchführen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Bündnis 90/Die Grünen. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Libanon liegt in einer Region, in der es extreme konfessionelle und ethnische Spannungen gibt, in der es viel zu viele Waffen gibt, in der extremistische, islamistische Gruppen Gräueltaten verüben und brutale Regime auch mit militärischen Mitteln um Macht und Einfluss kämpfen. Auch im Libanon ist die innenpolitische Lage sehr fragil. Die politischen Institutionen sind sehr schwach. Wahlen mussten mehrfach verschoben werden, und wichtige politische Ämter sind vakant. Verschiedenste Gruppen versuchen, die Konflikte zwischen den Konfessionen zu befeuern und die Lage immer wieder auch mit Gewalt zu destabilisieren. Seit Jahren hat das Land eine hohe Bürde auf sich genommen. Man muss sich das einmal vorstellen: Jeder vierte Mensch in diesem Land, das bei weitem nicht so wohlhabend ist wie Deutschland, ist ein Flüchtling. In einem solch schwierigen Umfeld haben Streitkräfte schon oft eine sehr ungute, eine verheerende Rolle gespielt, gerade in einem solchen politischen Vakuum. Meine Damen und Herren, dass die Armee im Libanon bei allen Problemen, die es in ihren Reihen gibt, immer noch großes Vertrauen in der Bevölkerung genießt und eben nicht zur Destabilisierung, sondern zur Stabilität beiträgt, hat auch etwas mit der UN-Mission UNIFIL zu tun; das ist auch richtig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Neben der Aus- und Fortbildung des libanesischen Militärs hat UNIFIL aber auch die Aufgabe, Waffenschmuggel zu unterbinden und den Schutz der Pufferzone zwischen den ehemaligen Kriegsparteien Israel und Libanon sicherzustellen. Diese Friedensmission ist angesichts der explosiven Lage in der Nachbarschaft ebenso wie der innenpolitisch fragilen Situation im Libanon keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Erfolgsgeschichte. Allein dass mit dem Beginn dieser Mission der Krieg zwischen Israel und Libanon vor neun Jahren beendet werden konnte, ist, finde ich, auch heute noch ein Riesenverdienst. Das kann kaum hoch genug gewürdigt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Israel und der Libanon gelten auch heute nicht als befreundete Staaten. UNIFIL hat aber nicht nur dazu beigetragen, den Krieg vor neun Jahren zu beenden, sondern leistet Tag für Tag neu einen Beitrag zur Vertrauensbildung, einen Beitrag dazu, dass Gewalt verhindert wird und Deeskalation stattfindet. Das ist ein sehr wertvoller Beitrag. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich würde das gern einmal konkret machen, weil das immer so große Schlagworte sind, die wir benutzen, wenn wir im Deutschen Bundestag über solche Mandate sprechen. Wir müssen nur in den Januar dieses Jahres schauen. Da ist ein Hisbollah-Konvoi von einer israelischen Rakete getroffen worden. Es gab daraufhin einen Vergeltungsangriff. Israel hat dann wieder mit Artilleriebeschuss reagiert. Die traurige Bilanz dieser drei Vorfälle: Zwei israelische Soldaten, ein UNIFIL-Soldat, sechs Hisbollah-Kämpfer und ein iranischer Offizier sind gestorben. Ich finde, es braucht eigentlich gar nicht so viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass aus solchen schrecklichen Vorfällen eine neue verheerende Gewalt-spirale entstehen kann. Aber gerade auch in diesem Fall hat UNIFIL dazu beigetragen, dass andere Konfliktlösungsmechanismen greifen, dass die Logik der Gewalt durchbrochen wird und der Waffenstillstand hält. Ich finde, das zeigt auch, dass es verantwortungslos wäre, UNIFIL angesichts der Lage in der Region und im Libanon selbst heute zu beenden, und dass die Soldatinnen und Soldaten der Marine hier einen wichtigen Beitrag zur Prävention von Gewalt leisten. Dafür sind wir sehr dankbar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber wenn wir über die Situation im Libanon diskutieren, dann müssen wir auch über Flüchtlinge sprechen. Dass das Programm für die syrischen Flüchtlinge, das nur zu 20 Prozent ausfinanziert ist, dazu führt, dass die Menschen dort teilweise nur noch eine Mahlzeit am Tag bekommen, ist, finde ich, beschämend und ein Armutszeugnis für die internationale Gemeinschaft. Dieses Geld muss dringend und schnell fließen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ebenso beschämend finde ich die Politik der europäischen Mitgliedstaaten der letzten Jahre, aber auch insbesondere der letzten Wochen. Nicht nur, dass man es versäumt hat, über Jahre hinweg eine funktionierende Seenotrettung auf den Weg zu bringen, und den Katastrophen im Mittelmeer einfach zugeschaut hat. Ich wundere mich schon, warum die europäischen Verteidigungs- und Außenminister auf einmal so viel Aktionismus entwickeln und Energie aufwenden, um eine Mission zu planen, die die Schlepperbanden militärisch bekämpfen soll. Ich finde, das ist gefährlich, und das ist eine Fortsetzung und sogar eine Verschärfung der falschen und fatalen Politik der letzten Jahre. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gerade wenn man verhindern will, dass es im östlichen Mittelmeer zu genau solchen dramatischen Katastrophen wie vor Libyen und Lampedusa kommt, darf man nicht die Schlepper in einer militärisch hochriskanten Mission bekämpfen. Vielmehr muss dann die Bundesregierung endlich handeln, damit diejenigen, die vor Not und Gewalt fliehen, nicht auch noch unter Lebensgefahr den Weg nach Europa auf sich nehmen müssen. Deshalb sind legale und sichere Einwanderungswege nach Europa die richtige Antwort. Sie sind weniger risikoreich als ein solches militärisches Abenteuer. Sie sind auch viel geeigneter und nachhaltiger, weil sie den verbrecherischen Schlepperbanden nämlich die Geschäftsgrundlage entziehen. Tun Sie hier endlich etwas! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Frau Kollegin. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Damen und Herren, im Rahmen von UNIFIL übernimmt Deutschland Verantwortung. Vizepräsident Peter Hintze: Geschätzte Frau Kollegin, Sie haben die Zeit überschritten. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin bei meinem letzten Satz, Herr Präsident. Vizepräsident Peter Hintze: Sie haben schon dramatisch überzogen, fast schon eine zweite Rede. Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Noch besser wäre es, wenn auch endlich die europäische und deutsche Verantwortungslosigkeit in der Flüchtlingspolitik ein für alle Mal beendet würde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war ein wichtiger Satz!) Vizepräsident Peter Hintze: Der Satz war wichtig. Aber sagen wir einmal so: Man kann einen wichtigen Satz auch an das Ende seiner Rede legen statt zwei Minuten später. Insofern wäre auch das einmal gut. Der nächste Redner – der letzte in dieser Aussprache – ist der Kollege Ingo Gädechens, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Ingo Gädechens (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Erneut stimmen wir über die Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ ab. UNIFIL ist leider so etwas wie der vergessene Einsatz. Von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, leisten seit 2006 unsere Bundeswehrsoldaten einen wertvollen Beitrag zur Friedens-sicherung im Libanon. Die heutige Debatte zur erneuten Verlängerung des Mandates ermöglicht es, den Fokus etwas schärfer auf diesen Auslandseinsatz zu richten, um noch einmal herauszustellen, was deutsche Soldatinnen und Soldaten in diesem Einsatzgebiet tatsächlich leisten. Das ist wichtig, meine Damen und Herren; denn gerade mit Blick auf den linken Teil des Plenarsaales wird immer wieder deutlich, dass gerade die Fraktion Die Linke diesen Einsatz nicht verstehen will. Sie wollen ihn nicht verstehen. Deshalb werden die guten Argumente noch einmal ins Feld geführt. Meine Damen und Herren, es ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit, dass seit dem verheerenden Bürgerkrieg 2006 zwischen Israel und dem Libanon eine relative Ruhe herrscht. Nach dem Libanon-Krieg wurde UNIFIL zu einem robusten Mandat, bei dem die Zahl der eingesetzten Blauhelme erheblich erhöht wurde. Ziel war und ist es, Frieden und Sicherheit in der Region herzustellen, um letztendlich auch der libanesischen Regierung – die Kollegin Brugger hat die Problemvielfalt dort geschildert – zu helfen, die Souveränität und ihre Autorität in dem Gebiet wieder zu erlangen. (Beifall bei der CDU/CSU) Die deutsche Marine leistet hier einen wertvollen Beitrag zur Sicherung der Seegrenzen und hat die Führung im Bereich der seemännischen Ausbildung übernommen. Die UNIFIL-Mission ist aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion aber viel mehr. Sie ist ein erkennbar starkes Signal an die Nachbarn Israel und Libanon. Auch dieser Aspekt wird von Ihnen leider völlig ausgeblendet. Die UN-Kräfte, insbesondere die deutsche Marine, werden sowohl vom Libanon als auch von Israel als Partner und Stabilitätsfaktor für die Krisenregion betrachtet. Beide Staaten schätzen das deutsche Engagement und legen ausdrücklich Wert auf eine Fortsetzung. Ich wundere mich bei jeder erneuten Beratung, dass die Linken diesen konkreten Wunsch der beiden Länder nicht erfüllen wollen. Gerade mit Blick auf die instabile Lage in Syrien ist UNIFIL ein sehr wichtiges Mandat. Wir wollen einen möglichen Flächenbrand in der Region verhindern. Durch den Syrien-Konflikt und den unverändert anhaltenden Flüchtlingsstrom ist die Sicherheit im Libanon ohnehin schon stark gefährdet. Zudem nimmt die Bedrohung durch die Terrormiliz „Islamischer Staat“ in der Region weiter zu. Für diese wachsenden Herausforderungen braucht der Libanon auch weiterhin internationale Unterstützung. Deshalb ist alles, was hilft, um den libanesischen Staat zu ertüchtigen, gut und richtig. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch kurz etwas Allgemeines zum Wirken deutscher Soldaten sagen; denn auch hier werden vom linken Teil des Hauses oft abstruse Gebilde aufgebaut. Deutsche Bundeswehrsoldaten haben das feste Ziel, überall dort, wo sie im Friedenseinsatz sind, auch Frieden zu schaffen. Sie schaffen Vertrauen, bauen Vorurteile ab, sorgen für ein Klima der Verlässlichkeit und der partnerschaftlichen Kooperation. Die deutschen Soldatinnen und Soldaten meistern ihre Aufgabe in allen Einsatzgebieten vorbildlich, professionell und souverän. Damit geben sie unsere Werte und unser Demokratieverständnis, zum Beispiel auch im Libanon, weiter an die Menschen und an die Soldaten. Hier in Deutschland wachen 99,7 Prozent der Menschen auf und genießen die Freiheit. 0,3 Prozent unserer Menschen, Bundeswehrsoldaten, schützen diese Freiheit in diesen Einsätzen. Die Bundeswehr sichert unseren Frieden jeden Tag aufs Neue. Dies ist nicht in Zahlen oder Statistiken zu messen, sondern im kontinuierlichen Fortschritt, wie wir im UNIFIL-Mandat auch am Beispiel der libanesischen Marine gut beobachten können. Leider ist der Libanon noch weit von einer inneren Stabilität entfernt und noch lange nicht befriedet. Gerade in den letzten Monaten gab es immer wieder Grenzzwischenfälle mit Verwundeten, leider auch mit Toten. Umso wichtiger ist es, dem etwas entgegenzusetzen. Es gibt vor Ort viele Libanesen, die sehnlichst auf Frieden hoffen und aktiv dafür arbeiten. Die Soldaten des deutschen Kontingents unterstützen diese Bemühungen mit ganzer Kraft. Ihnen gilt mein besonderer Dank. Ich bitte Sie um die Unterstützung des UNIFIL-Mandats. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Peter Hintze: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der „United Nations Interim Force in Lebanon“ (UNIFIL). Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/5252, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 18/5054 anzunehmen. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Plätze an den Urnen zu besetzen. – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Die Plätze an den Urnen sind besetzt. Ich eröffne die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer um die Auszählung. Das Ergebnis wird dann später im Verlaufe der Sitzung bekannt gegeben.3 Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a bis 31 c auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Martina Renner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Unabhängige Polizeibeschwerdestelle auf Bundesebene einrichten Drucksache 18/4450 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes – Aufenthaltsrecht für Opfer rechter Gewalt Drucksache 18/2492 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus verstetigen und finanziell absichern Drucksache 18/2493 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Innenausschuss Sportausschuss Haushaltsauschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich darf, bevor ich dem ersten Redner, genauer gesagt: der ersten Rednerin, das Wort gebe, bitten, dass die Kollegen Platz nehmen. Wer meint, er muss unbedingt etwas besprechen, möge das bitte draußen tun, damit wir hier ordnungsgemäß unsere Beratungen fortsetzen können. Es wäre uns ein Herzenswunsch, dass auch die Bundesregierung diesem Wunsch des Parlamentes folgt. Bitte Platz nehmen oder hinausgehen, das sind die beiden Alternativen. Das Allerbeste ist Platz nehmen und zuhören, das ist vollkommen klar. Nun rufe ich die erste Rednerin in dieser Aussprache auf: Das ist die Abgeordnete Petra Pau, Fraktion Die Linke. – Bitte schön. (Beifall bei der LINKEN) Petra Pau (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Demnächst jährt sich zum zweiten Mal der Abschluss des NSU-Untersuchungsausschusses. NSU ist das Kürzel für eine Nazibande. Über zehn Jahre zog sie raubend und mordend durch Deutschland, angeblich unerkannt und offenbar ungehindert. Das Kürzel NSU steht aber auch für ein komplettes Staatsversagen. Deshalb enthielt der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses auch 47 dringende Forderungen, was zu ändern sei. Also gefragt: Sind diese Änderungen inzwischen umgesetzt? Bei einigen ist das nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten, andere brauchen Zeit. Aber insgesamt geht es mir, geht es der Linken zu langsam. Mehr Konsequenz ist längst überfällig. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hinzu kommen politische Aktivitäten, die vorgeben, Missstände in Sicherheitsbehörden zu beheben, es aber nicht wirklich tun. Dazu gehört der neue Gesetzentwurf für den Verfassungsschutz – ein Placebo, wie etliche Experten auch im Innenausschuss fanden. Übel werden geregelt, statt behoben. Wir werden diesen Gesetzentwurf daher in der nächsten Sitzungswoche ablehnen. Als Lehre aus dem NSU-Desaster hat die Linke nunmehr drei weitere Anträge gestellt. Wir wollen erstens eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle auf Bundesebene, zweitens ein Aufenthaltsrecht für Opfer rechts-extremer Gewalt und drittens eine solidere Basis für Initiativen gegen Rechtsextremismus. (Beifall bei der LINKEN) Alle drei Anträge sind auch im Sinne der Opfer des NSU-Netzwerkes und gehen gleichwohl darüber hinaus. Sie wollen unser aller Demokratie stärken. Zur unabhängigen Polizeibeschwerdestelle. Ich unterstelle im NSU-Komplex keinem Beamten Rassismus; aber die Ermittlungen trugen nahezu durchweg rassistische Züge. Die Opfer und Hinterbliebenen der Mordserie wurden als Täter verdächtigt und so von Amts wegen ein zweites Mal zu Opfern gemacht. Niemand nahm ihre Einwände, Hinweise und Beschwerden ernst. Es gab für sie einfach keinen Ansprechpartner, schon gar nicht einen unvoreingenommenen. Ich finde, das kann so nicht bleiben. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine unabhängige Beschwerdestelle wäre übrigens zugleich ein Angebot für Polizistinnen und Polizisten. Auch sie hätten einen Partner, wenn sie Unzulänglichkeiten im Dienst wahrnehmen und ihre Vorgesetzten nicht als Partner, die unvoreingenommen sind, erfahren. Zahlreiche Bürgerrechtsverbände und humanistische Organisationen fordern dies seit längerem – die Linke auch. Ich komme zum zweiten Antrag, zum Aufenthaltsrecht für Opfer rechter Gewalt. Rechtsextreme Gewalt nimmt bundesweit zu, insbesondere gegen Flüchtlinge und ihre Heime, gegen Migranten und ihr Umfeld insgesamt. Es ist höchste Zeit, dagegen Zeichen zu setzen – demonstrativ und faktisch. Die betroffenen Menschen brauchen unsere Solidarität, und sie brauchen Sicherheit. Deshalb will die Linke, dass von Gewalt Betroffene einen Aufenthaltsstatus erhalten, sofern sie noch keinen haben oder nur geduldet sind. (Beifall bei der LINKEN) Das würde obendrein den Gewalttätern auch jedwede Genugtuung – nach dem Kumpanei-Motto „Wir greifen an, und der Staat schiebt an“ – nehmen. Ich möchte das Problem und das Anliegen anhand von zwei Beispielen illustrieren. Vor wenigen Wochen sollte ein 28-jähriger Asylsuchender aus dem Iran, der am Anklamer Bahnhof im November 2014 von Rechten angegriffen wurde, nach Italien abgeschoben werden. Die Ausländerbehörde hatte dies angeordnet, obwohl der Betroffene Zeuge und Opfer einer schweren Straftat wurde und die Täter bislang nicht vor Gericht standen. Ähnlich erging es einem algerischen Asylsuchenden. Er war im Juni 2013 in Dresden rassistisch beleidigt und zusammengeschlagen worden. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen den Täter. Der Betroffene wollte und sollte im Prozess als Nebenkläger auftreten. Doch dann verlängerte die Ausländerbehörde den Aufenthaltsstatus des Algeriers nicht mehr. So konnte er weder im Gerichtsprozess gegen die Täter aussagen noch seine Rechte als Nebenkläger wahrnehmen. Leider sind diese beiden Fälle keine Ausnahmen. Deshalb muss die Regel zugunsten der Opfer geändert werden. Genau das ist der Sinn unseres Antrages. (Beifall bei der LINKEN) Zur Förderung gesellschaftlicher Initiativen gegen Rechtsextremismus: Diese engagieren sich vor Ort für Demokratie und Toleranz – die meisten hochprofessionell. Mithin sind sie unverzichtbar. Etliche Initiativen werden inzwischen besser als vordem aus Bundesmitteln gefördert – aber mitnichten gut. Das muss sich ändern. Das müssen wir, das muss der Bundestag ändern. (Beifall bei der LINKEN) Dabei geht es auch um Geld. Gefragt ist aber vor allem Verlässlichkeit, damit diese Initiativen endlich konti-nuierlich arbeiten können. Alle drei Anträge sind, finde ich, in unser aller Interesse. Deshalb hofft die Linke auf prinzipiellen Zuspruch, und zwar so, wie es im NSU-Untersuchungsausschuss möglich war: fraktionsübergreifend. Das ist unser Angebot. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Peter Hintze: Herzlichen Dank. – Ich verlese das Protokoll des von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisses der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung „Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der ‚United Nations Interim Force in Lebanon‘ (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und nachfolgender Verlängerungsresolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2172 (2014) vom 26. August 2014“, Drucksachen 18/5054 und 18/5252: abgegebene Stimmen 598. Mit Ja haben gestimmt 526, mit Nein haben gestimmt 65, Enthaltungen 7. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Berlin, den 19. Juni 2015, die Schriftführerinnen und Schriftführer. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 599; davon ja: 527 nein: 65 enthalten: 7 Ja CDU/CSU Stephan Albani Katrin Albsteiger Peter Altmaier Artur Auernhammer Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Maik Beermann Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Sybille Benning Dr. André Berghegger Dr. Christoph Bergner Ute Bertram Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Michael Donth Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Hansjörg Durz Iris Eberl Jutta Eckenbach Dr. Bernd Fabritius Hermann Färber Uwe Feiler Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Thorsten Frei Dr. Astrid Freudenstein Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Alois Gerig Eberhard Gienger Cemile Giousouf Josef Göppel Reinhard Grindel Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe Klaus-Dieter Gröhler Michael Grosse-Brömer Astrid Grotelüschen Markus Grübel Manfred Grund Oliver Grundmann Monika Grütters Dr. Herlind Gundelach Fritz Güntzler Olav Gutting Christian Haase Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Matthias Hauer Mark Hauptmann Dr. Stefan Heck Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Frank Heinrich (Chemnitz) Mark Helfrich Uda Heller Jörg Hellmuth Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Peter Hintze Christian Hirte Dr. Heribert Hirte Robert Hochbaum Alexander Hoffmann Thorsten Hoffmann (Dortmund) Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Dr. Hendrik Hoppenstedt Margaret Horb Bettina Hornhues Anette Hübinger Hubert Hüppe Erich Irlstorfer Thomas Jarzombek Sylvia Jörrißen Andreas Jung Dr. Franz Josef Jung Xaver Jung Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Steffen Kanitz Alois Karl Anja Karliczek Bernhard Kaster Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Dr. Georg Kippels Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Markus Koob Carsten Körber Hartmut Koschyk Kordula Kovac Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Roy Kühne Günter Lach Uwe Lagosky Dr. Karl A. Lamers Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Barbara Lanzinger Dr. Silke Launert Paul Lehrieder Dr. Katja Leikert Dr. Philipp Lengsfeld Dr. Andreas Lenz Philipp Graf Lerchenfeld Dr. Ursula von der Leyen Antje Lezius Ingbert Liebing Matthias Lietz Andrea Lindholz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Wilfried Lorenz Dr. Claudia Lücking-Michel Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Karin Maag Yvonne Magwas Thomas Mahlberg Dr. Thomas de Maizière Gisela Manderla Matern von Marschall Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Reiner Meier Dr. Michael Meister Jan Metzler Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Karsten Möring Elisabeth Motschmann Dr. Gerd Müller Carsten Müller (Braunschweig) Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Dr. Andreas Nick Michaela Noll Helmut Nowak Dr. Georg Nüßlein Julia Obermeier Wilfried Oellers Florian Oßner Dr. Tim Ostermann Henning Otte Ingrid Pahlmann Sylvia Pantel Martin Patzelt Dr. Martin Pätzold Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Eckhard Pols Thomas Rachel Kerstin Radomski Alexander Radwan Alois Rainer Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Erwin Rüddel Albert Rupprecht Anita Schäfer (Saalstadt) Andreas Scheuer Karl Schiewerling Jana Schimke Norbert Schindler Tankred Schipanski Heiko Schmelzle Christian Schmidt (Fürth) Gabriele Schmidt (Ühlingen) Ronja Schmitt (Althengstett) Patrick Schnieder Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Ole Schröder Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Bernhard Schulte-Drüggelte Dr. Klaus-Peter Schulze Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Christina Schwarzer Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Tino Sorge Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Dr. Wolfgang Stefinger Albert Stegemann Peter Stein Erika Steinbach Sebastian Steineke Johannes Steiniger Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Rita Stockhofe Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Matthäus Strebl Karin Strenz Thomas Stritzl Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Sabine Sütterlin-Waack Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Astrid Timmermann-Fechter Dr. Hans-Peter Uhl Dr. Volker Ullrich Arnold Vaatz Oswin Veith Thomas Viesehon Michael Vietz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Sven Volmering Christel Voßbeck-Kayser Kees de Vries Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Nina Warken Kai Wegner Albert Weiler Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Anja Weisgerber Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Marian Wendt Waldemar Westermayer Kai Whittaker Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese (Ehingen) Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Barbara Woltmann Tobias Zech Heinrich Zertik Emmi Zeulner Dr. Matthias Zimmer Gudrun Zollner SPD Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heike Baehrens Ulrike Bahr Heinz-Joachim Barchmann Dr. Katarina Barley Doris Barnett Dr. Matthias Bartke Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Burkhard Blienert Dr. Karl-Heinz Brunner Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Dr. Lars Castellucci Petra Crone Bernhard Daldrup Dr. Daniela De Ridder Dr. Karamba Diaby Sabine Dittmar Elvira Drobinski-Weiß Siegmund Ehrmann Michaela Engelmeier Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Saskia Esken Karin Evers-Meyer Dr. Johannes Fechner Dr. Fritz Felgentreu Elke Ferner Christian Flisek Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Ulrich Freese Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Angelika Glöckner Ulrike Gottschalck Kerstin Griese Uli Grötsch Wolfgang Gunkel Bettina Hagedorn Rita Hagl-Kehl Metin Hakverdi Ulrich Hampel Sebastian Hartmann Dirk Heidenblut Hubertus Heil (Peine) Gabriela Heinrich Marcus Held Wolfgang Hellmich Heidtrud Henn Gustav Herzog Thomas Hitschler Dr. Eva Högl Christina Jantz Frank Junge Josip Juratovic Thomas Jurk Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Christina Kampmann Ralf Kapschack Gabriele Katzmarek Ulrich Kelber Marina Kermer Arno Klare Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Birgit Kömpel Anette Kramme Dr. Hans-Ulrich Krüger Helga Kühn-Mengel Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Hiltrud Lotze Kirsten Lühmann Dr. Birgit Malecha-Nissen Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Dr. Matthias Miersch Klaus Mindrup Susanne Mittag Bettina Müller Detlef Müller (Chemnitz) Michelle Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Ulli Nissen Thomas Oppermann Mahmut Özdemir (Duisburg) Markus Paschke Christian Petry Jeannine Pflugradt Detlev Pilger Sabine Poschmann Joachim Poß Florian Post Achim Post (Minden) Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Dr. Simone Raatz Martin Rabanus Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Andreas Rimkus Sönke Rix Dennis Rohde Dr. Martin Rosemann René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth (Heringen) Susann Rüthrich Bernd Rützel Johann Saathoff Annette Sawade Dr. Hans-Joachim Schabedoth Axel Schäfer (Bochum) Dr. Nina Scheer Marianne Schieder Udo Schiefner Dr. Dorothee Schlegel Ulla Schmidt (Aachen) Matthias Schmidt (Berlin) Dagmar Schmidt (Wetzlar) Carsten Schneider (Erfurt) Ursula Schulte Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Stefan Schwartze Andreas Schwarz Rita Schwarzelühr-Sutter Rainer Spiering Norbert Spinrath Svenja Stadler Martina Stamm-Fibich Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Claudia Tausend Michael Thews Dr. Karin Thissen Franz Thönnes Carsten Träger Ute Vogt Dirk Vöpel Gabi Weber Bernd Westphal Andrea Wicklein Gülistan Yüksel Dagmar Ziegler Stefan Zierke Dr. Jens Zimmermann Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Dr. Franziska Brantner Agnieszka Brugger Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Matthias Gastel Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Britta Haßelmann Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Dieter Janecek Uwe Kekeritz Katja Keul Sven-Christian Kindler Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Stephan Kühn (Dresden) Christian Kühn (Tübingen) Renate Künast Markus Kurth Steffi Lemke Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Irene Mihalic Özcan Mutlu Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Cem Özdemir Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulle Schauws Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Kordula Schulz-Asche Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Markus Tressel Jürgen Trittin Dr. Julia Verlinden Doris Wagner Beate Walter-Rosenheimer Dr. Valerie Wilms Nein SPD Klaus Barthel Dr. Ute Finckh-Krämer Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Rüdiger Veit Waltraud Wolff (Wolmirstedt) DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Roland Claus Sevim Dağdelen Dr. Diether Dehm Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Annette Groth Dr. Gregor Gysi Dr. André Hahn Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Andrej Hunko Sigrid Hupach Ulla Jelpke Kerstin Kassner Katja Kipping Jan Korte Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Birgit Menz Cornelia Möhring Niema Movassat Norbert Müller (Potsdam) Dr. Alexander S. Neu Thomas Nord Petra Pau Harald Petzold (Havelland) Richard Pitterle Michael Schlecht Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Dr. Kirsten Tackmann Azize Tank Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Halina Wawzyniak Katrin Werner Birgit Wöllert Jörn Wunderlich Hubertus Zdebel Pia Zimmermann Sabine Zimmermann (Zwickau) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Monika Lazar Hans-Christian Ströbele Enthalten SPD Cansel Kiziltepe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Maria Klein-Schmeink Peter Meiwald Beate Müller-Gemmeke Lisa Paus Corinna Rüffer Dr. Harald Terpe Ich gebe nun als Nächstem das Wort dem Abgeordneten Günter Baumann, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Günter Baumann (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter dem Tagesordnungspunkt 31 beraten wir heute drei Anträge der Fraktion Die Linke unterschiedlicher Art. Ich möchte zunächst zum ersten Antrag sprechen. Die Fraktion fordert eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle auf Bundesebene und darüber hinaus eine Abstimmung der Gesetzesinitiative, damit ähnliche Polizeibeschwerdestellen in den Ländern entstehen. Meine Damen und Herren, für mich liegt diesem Antrag ein generelles Misstrauen gegen unsere Polizei, gegen unsere Institutionen zugrunde, (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, darum geht es gerade nicht! – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das ist doch Unsinn!) und das tragen wir als Fraktion absolut nicht mit. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir möchten einen derartigen Generalverdacht gegen die Polizei so nicht stehen lassen. Das gibt mir die Gelegenheit, mich an dieser Stelle einmal ganz herzlich bei unseren Bundespolizistinnen und Bundespolizisten sowie Landespolizistinnen und Landespolizisten für den Job zu bedanken, den sie jeden Tag für uns alle in Deutschland leisten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Lars Castellucci [SPD]) Wir sehen die Bilder von – auch jungen – Polizisten, die bei Demonstrationen, bei Fußballchaoten zwischen die Fronten geraten. Da kann man sich nur bei den Leuten für das bedanken, was sie für uns leisten. Meine Damen und Herren, was Beschwerden über die Bundespolizei und Beschwerden innerhalb der Polizei anbelangt, gibt es bereits eine Reihe von Möglichkeiten, Abhilfe zu leisten. Als Erstes steht den Bürgerinnen und Bürgern eine unabhängige Justiz, die Staatsanwaltschaften und Gerichte, zur Verfügung, um rechtswidriges Verhalten bei der Polizei anzuprangern. Es gibt die Prüfungen der Verwaltungsgerichte, um Anzeigen von Bürgern nachzugehen. Es gibt staatsanwaltschaftliche, gegebenenfalls strafrechtliche Überprüfungen polizeilichen Handelns. Das kennen wir alle, da gibt es Beispiele. Im Falle einer Anzeige gegen Polizeibeamte beauftragt die zuständige Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Sachleistungsbefugnis immer eine nicht betroffene Polizeibehörde mit der Ermittlung des Sachverhaltes. Das heißt, es gibt bereits unabhängige, objektive Ermittlungen. Es gibt bei uns eine generelle Trennung zwischen Staatsanwaltschaft als Teil der Judikative und Polizei als Teil der Exekutive, was einen unabhängigen Verfahrensablauf absolut gewährleistet. Darüber hinaus haben wir Dienstaufsichtsbeschwerdestellen. Auch da gibt es Möglichkeiten, sich direkt über Fehlverhalten zu beschweren. Es gibt die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit, sich bei Personalvertretungen oder Berufsorganisationen zu beschweren und einen Sachverhalt aufklären zu lassen. Der Präsident des Bundespolizeipräsidiums Dr. Romann hat die Einrichtung einer Sonderbeschwerdestelle angekündigt, die die Möglichkeit einer Beschwerde außerhalb des Dienstwegs ermöglicht. Ich möchte einen weiteren Schwerpunkt nennen: unser Petitionswesen. Wir haben den Artikel 17 im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, der besagt: Jedermann kann sich mit Bitten oder Beschwerden an das Parlament wenden. – Gerade in der letzten Woche haben wir über den Bericht des Petitionsausschusses beraten. Ich war vor diesem Hintergrund, Frau Kollegin Pau, etwas enttäuscht über Ihren Antrag. Die Fraktion Die Linke bemüht sich seit Jahren um den Vorsitz im Peti-tionsausschuss und hat ihn auch inne; Kollegin Steinke macht das im Übrigen hervorragend. Wir sind überzeugt, dass wir hier den Bitten und Beschwerden der Bürger abhelfen können. Eigentlich, Kollegin Steinke, kämpfen wir gemeinsam darum, dass keine anderen Stellen neben uns geschaffen werden; denn wir als Parlamentsausschuss können die Angelegenheiten hervorragend klären. Der Tätigkeitsbericht, den wir in der letzten Woche vorgelegt haben, besagt, dass bei uns jedes Jahr fast 20 000 Bitten oder Beschwerden eingehen und wir den Bürgerinnen und Bürgern in über 40 Prozent der Fälle helfen können. Es gibt also beim Bundestag bereits die Möglichkeit, sich zu beschweren. Ich kann Ihnen sagen: Der Petitionsausschuss bietet verschiedene Möglichkeiten. Zum einen stellen wir fest, dass sich Bürgerinnen und Bürger über die Bundespolizei beschweren. Es wenden sich auch Bundespolizistinnen und Bundespolizisten an uns, die sich über Probleme innerhalb der Bundespolizei beschweren. Beide Möglichkeiten gibt es bereits, und in beiden Fällen arbeiten wir es ordnungsgemäß auf. Ich könnte Ihnen eine Reihe von Beispielen für Petitionen von Bundespolizeibeamten aus dem letzten Jahr aufzählen, die sich zum Beispiel über eine nicht erfolgte Beförderung, eine ungenügende Ausstattung oder einen nicht genehmigten Sonderurlaub beschwert haben. Es gab also eine Reihe von Beschwerden, denen Vertreter aller Fraktionen gemeinsam nachgegangen sind, und in vielen Fällen konnten wir abhelfen. Eine zusätzliche Stelle brauchen wir also eindeutig nicht. Eine weitere Kommission würde aus meiner Sicht eine Dopplung bedeuten. Deswegen lehnen wir diesen Antrag ab. Der zweite Antrag – Frau Pau hat ihn vorgestellt – enthält die Forderung nach einem dauerhaften Aufenthaltsrecht für ausländische Personen, die während des Aufenthalts im Bundesgebiet Opfer einer rechten Gewalttat geworden sind oder denen eine rechte Gewalttat angedroht wurde. Das heißt, für diese Personen gilt dann, dass sie nicht mehr ausreisepflichtig sind. Wir alle – ich denke, da sind wir uns einig – verurteilen rechte Gewalt. Wir haben das Beispiel NSU erlebt. Alle Fraktionen haben der Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses zugestimmt. Da waren wir uns einig. Ich glaube, wir sollten nicht unterscheiden zwischen rechter Gewalt, linker Gewalt und terroristisch motivierter Gewalt. Wir haben die Möglichkeit, mit rechtsstaatlichen Mitteln darauf zu reagieren. (Petra Pau [DIE LINKE]: Dann erweitern Sie das doch!) – Wir brauchen das nicht zu erweitern, weil die Möglichkeiten bereits bestehen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellt in seinem Bericht fest, dass die Anzahl von Gewalttaten zugenommen hat. Unsere Sicherheitsbehörden sind aufgefordert, zu reagieren. Ich denke, man kann deutlich sagen: Wir sind nicht auf einem Auge blind, sondern bearbeiten alle Gewalttaten gleich. In den letzten Wochen und Monaten gab es auch schlimme linksextremistisch motivierte Gewalttaten. Unterschiede zu machen und Sonderregelungen für eine Opfergruppe zu erlassen, wäre – so sage ich das einmal – eine Privilegierung einer Opfergruppe. Dann hätten wir Opfer erster und Opfer zweiter Klasse. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wollen Sie das gleichsetzen?) Frau Jelpke, das brauchen wir auf jeden Fall nicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Deswegen lehnen wir die Privilegierung einer Opfergruppe absolut ab. Das Herleiten eines nachträglichen Aufenthaltstitels für Personen, denen politisches Asyl in Deutschland nach einem rechtsstaatlichen Verfahren verwehrt wurde, über einen anderen Weg ist absolut nicht nachvollziehbar. In den Vorlagen wurde der Tatbestand sehr weit gefasst und, so möchte ich es sagen, auch schwammig formuliert. Ich möchte zwei Sätze aus dem Gesetzentwurf zitieren: Zur Feststellung einer rassistischen oder vorteilsmotivierten Gewalttat genügen in diesem Zusammenhang nachvollziehbare Angaben der Opfer, wobei deren Ängste und subjektive Wahrnehmungen angemessen zu berücksichtigen sind … Wenn ein Opfer also sagt: „Mir könnte das eventuell passieren“, reicht das für einen Aufenthaltstitel. Das kann so natürlich nicht sein. Ein weiteres Zitat: Erforderlich ist nicht, dass eine gerichtliche Verurteilung des Täters vorliegt, die eine solche Moti-vation als bewiesen annimmt. Ebenso wenig ist -erforderlich, dass Ermittlungsbehörden oder die Staatsanwaltschaft von einer solchen Motivation ausgehen. Die Argumente der Linksfraktion können wir nicht nachvollziehen. Wir – das gilt für alle Behörden – sind nicht auf einem Auge blind. Wir behandeln alle Straftaten gleich. Eine anderslautende Unterstellung müssen alle Parteien, die auf der demokratischen Grundlage fußen, ablehnen. Deshalb müssen wir, die CDU/CSU-Fraktion, die Vorlagen zu den Tagesordnungspunkten 31 a und 31 b ablehnen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Irene Mihalic von Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zu Beginn dieser Wahlperiode haben wir mit allen vier Fraktionen hier einen Antrag zu den Konsequenzen aus dem NSU-Terror beschlossen und darin ausdrücklich eine Fehlerkultur bei den Sicherheitsbehörden angemahnt. Doch leider, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, fehlt bis jetzt jegliche gesetzgeberische Initiative, um die institutionellen Voraussetzungen für das Entstehen einer solchen Fehlerkultur zu schaffen, zumindest an den Stellen, an denen der Bund in der Verantwortung steht. Dabei könnte man diese Voraussetzungen durch die Einrichtung der Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten schaffen. Herr Kollege Baumann, Sie haben diese Forderung damit zurückgewiesen, dass das Ausdruck einer Misstrauenskultur wäre. Ich frage mich allen Ernstes: Mit dem Wehrbeauftragten haben Sie doch auch nicht die geringsten Probleme; oder darf ich Ihrer Zustimmung entnehmen, dass Sie den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr misstrauen? Ich glaube nicht, dass das der Fall ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Stelle eines unabhängigen Polizeibeauftragten haben wir Grüne, unterstützt von den Linken, bereits in zwei Haushaltsberatungen beantragt. Dieser Forderung haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, stets die kalte Schulter gezeigt. Von Ihnen hieß es immer: Wozu brauchen wir denn noch einen Beauftragten? Er sei doch ohnehin nur für die Polizeibehörden des Bundes zuständig. – Ja, und genau in diesen Zuständigkeitsbereich fallen die skandalösen Vorfälle bei der Bundespolizeidirektion Hannover, die jetzt bekannt geworden sind. Dort hat es in mindestens einer Dienstgruppe über Jahre hinweg eine scheinbar völlig undurchdringliche Struktur mit einem informellen Machtgefüge des Sich-gegenseitig-Schützens und des Schweigens gegeben. Folter, Nötigung und sogar Vergewaltigung stehen als Vorwürfe im Raum. Diese schlimmen Vorfälle – auch das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen – betreffen selbstverständlich nicht die gesamte Polizei; aber weil solche Vorwürfe eben nicht nur in Hannover, sondern auch an anderer Stelle leider immer wieder auftauchen, müssen endlich Konsequenzen gezogen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Einem Polizeibeauftragten hier beim Deutschen Bundestag könnten sowohl Bürgerinnen und Bürger als auch Beamtinnen und Beamte auf Wunsch anonym Hinweise geben. Das heißt, keiner, der hier sein Herz ausschüttet, müsste am Ende Angst davor haben, von den Kolleginnen und Kollegen als Nestbeschmutzer diffamiert zu werden. Hierin liegt der entscheidende Schwachpunkt beim sogenannten Vertrauensbüro, das Bundespolizeipräsident Romann jetzt als schnelle Konsequenz aus dem Skandal in Hannover präsentiert hat. Denn dieses Vertrauensbüro ist Teil der Polizeihierarchie und natürlich auch dem Legalitätsprinzip verpflichtet, strafrechtlich relevante Sachverhalte zu verfolgen. Das betrifft nicht nur die Beamten, die sich strafrechtlich relevant im Sinne der Vorfälle, die ich eben geschildert habe, verhalten haben, sondern auch die Beamten, die solche Vorfälle nicht sofort melden, sondern vielleicht zeitlich verzögert. Denn dann muss diese Vertrauensstelle sofort wegen Strafvereitelung ermitteln. Im Klartext: Das bringt überhaupt nichts. Solche Vorgänge wie in Hannover werden auch zukünftig viel zu spät bekannt oder vielleicht nur durch puren Zufall. Leider ist der Antrag von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, bei der Frage der Unabhängigkeit sehr ungenau. Sie sagen, eine solche Stelle müsse räumlich von den Polizeidienststellen getrennt arbeiten und Mitarbeiter dürften in keinem institutionellen oder hierarchischen Verhältnis zum betroffenen Beamten stehen. Das reicht meiner Ansicht nach nicht aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir brauchen eine völlig autonome Stelle, am besten hier beim Parlament; (Günter Baumann [CDU/CSU]: Petitionsausschuss!) denn es geht auch um die Verbesserung der parlamentarischen Kontrolle. Die Unabhängigkeit ist ein zentraler und unverzichtbarer Bestandteil eines Polizeibeauftragten. Leider bleiben Sie mit der Forderung bei einer Beschwerdestelle stehen. Wir brauchen aber keinen Kummerkasten – entschuldigen Sie, wenn ich das so flapsig sage –, sondern ein echtes Rad im Getriebe der Sicherheitsarchitektur. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist natürlich gut, dass sich die Linken mit uns auf den Weg machen. Die zentrale Frage ist jetzt: Wo steht die SPD, wo stehen CDU/CSU? Der Vorschlag für einen Polizeibeauftragten trifft auf äußerst positive Resonanz, sowohl bei Bürgern als auch bei Experten jeglicher -Couleur und auch bei immer mehr Polizeibeamten. Auch der ehemalige Wehrbeauftragte und Sozialdemokrat Reinhold Robbe, der nun nicht gerade bekannt dafür ist, ein ausgewiesener Grünenversteher zu sein, sagt: Wir brauchen einen unabhängigen Polizeibeauftragten beim Deutschen Bundestag. – Ich finde, das kann Sie jetzt nicht unbeeindruckt lassen. Meine Damen und Herren von der Koalition, geben Sie sich einen Ruck. Packen Sie endlich dieses wichtige Reformwerk mit uns gemeinsam an. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Wolfgang Gunkel von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wolfgang Gunkel (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei dem hier vorliegenden Antrag der Linken, der ja sozusagen dreigeteilt ist, ist es meine Aufgabe, zum ersten Teil zu sprechen. Zwei weitere Kollegen meiner Fraktion werden die anderen Teile behandeln. Deshalb stütze ich mich jetzt zunächst auf das, was hier zur Polizei zu sagen ist. Wir haben ja gehört, dass auf die NSU-Untersuchungen Bezug genommen wird, also auf die Untersuchungen zu den Vorfällen, die vor einiger Zeit zu zehn Morden geführt haben und aufs Höchste zu bedauern sind. Das, was daraus geschlossen wird, ist selbstverständlich richtig, auch, dass es da Veränderungen geben muss. Es ist aber die Frage zu stellen, ob man der Polizei strukturellen Rassismus unterstellen kann, weil die Ermittlungen nun leider nicht in die richtige Richtung verlaufen sind. Ich weise darauf hin, dass mehrere Beamte des bayerischen Landeskriminalamts sehr wohl die Spur des rechtsextremen Verhaltens aufgedeckt haben. Leider ist diese Spur dann nicht weiterverfolgt worden, weil die Mehrheit anderer Auffassung war. So etwas kann passieren. Das ist höchst peinlich. Das hat ja dann auch zu den entsprechenden Ergebnissen geführt. Letztendlich blieb als Konsequenz übrig, dass viele Menschen sehr tief bestürzt waren, dass da vielen Ausländern Unrecht geschehen ist. Auch das muss man ganz einfach konstatieren. Welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Ich glaube nicht, dass die Polizei strukturell rassistisch ist und dass diese Ermittlungen nur unter diesem Aspekt geführt wurden, zumal es auch Landesbehörden waren, nämlich die von Bayern, Sachsen und Thüringen, und die entsprechenden Verfassungsschutzämter, die da versagt haben. Die Bundespolizei, um die es ja bei einem Bundespolizeibeauftragten oder bei einer polizeilichen Beschwerdestelle beim Bund geht, ist daran überhaupt nicht beteiligt gewesen. Aber es ist natürlich richtig: Man muss fragen, ob das im Wesentlichen Sinn macht. Wir haben gerade ein leidenschaftliches Plädoyer dafür gehört. Ich kann mich dieser Frage nicht entziehen. Deswegen will ich auf das zurückkommen, was wesentlich ist. Uns liegt ein Antrag der Linkspartei vor. Darin wird die Einrichtung einer Beschwerdestelle gefordert, die zwar unabhängig sein, aber die vollen Befugnisse einer Staatsanwaltschaft erhalten soll, also das Recht der Zeugenvernehmung, das Recht auf Akteneinsicht und das Recht auf Beweisführung. Das stößt nach meiner Ansicht an rechtsstaatliche Grenzen. Denn im Rahmen unserer Gewaltenteilung haben wir die Exekutive, die Legislative und die Jurisdiktion, und die Staatsanwaltschaft ist zuständig, wenn es sich um Straftaten handelt, die von Polizeibeamten begangen wurden. Es ist bekannt, dass viele Bundesländer bei der Staatsanwaltschaft Dezernate unterhalten, die sich ausschließlich mit Beamtendelikten befassen, also auch mit von Polizeibeamten begangenen Straftaten. Es ist keineswegs so, dass da gemauschelt wird oder Ähnliches. Im Gegenteil: Da wird ganz präzise ausermittelt, und die entsprechenden Verurteilungen erfolgen. Es ist für mich nicht tragbar, eine Parallelinstitution zu schaffen, um damit den Nachweis zu führen, dass bei der Polizei irgendetwas falsch läuft. Von daher geht das nach meinem Dafürhalten leider an der Sache vorbei. Eine andere Frage ist, wie man generell mit diesem Thema umgeht. Ich kann eine gewisse Sympathie nicht verhehlen. Der Wehrbeauftragte des Bundestages ist dafür sicherlich das Maß aller Dinge. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein gutes Vorbild!) In einem Bundesland gibt es ja schon einen Polizeibeauftragten; darauf möchte ich einmal zu sprechen kommen. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rheinland-Pfalz!) Rheinland-Pfalz hat seit Juli 2014 einen Polizeibeauftragten. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der sehr erfolgreich arbeitet!) – Ja, darauf komme ich gleich; warten Sie es ab. – Dieser Polizeibeauftragte war vorher schon Bürgerbeauftragter. Jetzt hat er die Aufgabe, auch Beschwerden von Polizeibeamten entgegenzunehmen. Ich habe mir einmal angesehen, was er bisher gemacht hat. Herr Burgard hat da einen Rechenschaftsbericht vorgelegt. Es gab 35 Beschwerden von Bürgern. Bei diesen Beschwerden ging es im Wesentlichen um rauen Ton und Unhöflichkeit, um überzogene Personen- und Fahrzeugkontrollen und um Rangeleien bei Fußballspielen. Na ja, gut; so etwas ist alltäglich, wenn man sich dorthin begibt. Die zweite Frage, die auftauchte, lautete: Über was haben sich Polizeibeamte beschwert? Es waren 25 an der Zahl. Sie haben im Wesentlichen Beschwerden über ihre Vorgesetzten geführt; das heißt, sie sind mit ihren Vorgesetzten nicht gut klargekommen. So weit, so gut. Auf die Frage nach den Vorfällen in Hannover – Frau Mihalic, Sie haben sie ja hier sehr schön erwähnt – hat er geantwortet: Das ist erste Aufgabe der Ermittlungsbehörden. – Genau so ist es. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) – Danke. – Dieser Polizeibeauftragte handelt nach meiner Ansicht insofern völlig korrekt, als er sagt: Wenn es sich um Straftaten handelt, dann ist in erster Linie die Ermittlungsbehörde zuständig, also die Staatsanwaltschaft. – Hinzugefügt hat er aber – auch das muss man erwähnen –: Natürlich untersuchen wir dann, wenn dieses Verfahren abgeschlossen ist, ob es vielleicht Ansatzpunkte gibt, um in der Polizeiarbeit Verbesserungen zu erzielen, bei Aus- und Fortbildung und Ähnlichem. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das sind strukturelle Probleme!) Dass dies möglich ist, kann ich mir durchaus vorstellen. Dazu bedarf es natürlich auch einiger Initiativen. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Aufgabe nimmt hier aber keiner wahr!) Insgesamt sage ich: Dieser Antrag ist ein Anstoß dieser Diskussion vonseiten der Linkspartei, den ich ganz gut finde. Was Sie da aufgeschrieben haben, ist aber inhaltlich falsch. Deswegen müssen wir den Antrag leider ablehnen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wieso „leider“? Wenn er falsch ist, wird er abgelehnt – fertig!) Aber wir werden weiter über dieses Thema diskutieren. Ich habe ja vor einiger Zeit im Innenausschuss gesagt, dass es Aufgabe von uns allen ist, sich darüber Gedanken zu machen. Über dieses Thema werden wir also noch weiter zu diskutieren haben. Heute möchte ich zusammenfassend sagen: So wie es in Ihrem Antrag steht, geht es nicht. Deswegen wird meine Fraktion diesen Antrag ablehnen. Danke. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Dr. Volker Ullrich von der CDU/CSU das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Linkspartei auf Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle und eines Aufenthaltsrechts für Opfer ist dem Titel nach eine Sorge um die Polizei und den wehrhaften Rechtsstaat. Tatsächlich ist Ihr Antrag aber geprägt von einer tendenziösen Sprache und von Voreingenommenheit. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das überrascht ja nicht!) Ihr Antrag, in dem über unsere Polizei „institutioneller Rassismus“, „Corpsgeist“, „bestehende Polizeikultur“, „Schwierigkeiten, Fehlverhalten anzeigen zu können“ zu lesen ist, ist von einem tiefen Misstrauen gegenüber dem Rechtsstaat und der Polizeiarbeit geprägt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses, oder wie?) Wir setzen dem Misstrauen gegenüber der Polizeiarbeit das Vertrauen in den wehrhaften Rechtsstaat und in unsere Polizei gegenüber. Viele Zehntausend Menschen sind in diesem Land als Polizeibeamte tätig – die meisten davon im Streifendienst, auf den Straßen, auf den Plätzen, in den Revieren, im Umfeld von Fußballstadien, an Flughäfen und an Bahnhöfen. Diese Polizeibeamten haben keine leichte Aufgabe. Sie sind meist im mittleren Dienst besoldet, sie haben Nachtschichten und haben mit Gewalttätern und Betrunkenen zu kämpfen, und sie sind oftmals nicht im großen Maße sichtbar, sind aber immer da, wenn es darum geht, Freiheit und Sicherheit zu verteidigen. Deswegen lade ich Sie ganz persönlich ein: Machen Sie einmal eine Nachtschicht mit Polizisten am Hauptbahnhof oder mit Streifenbeamten in einer deutschen Großstadt. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe 20 Jahre lang Nachtschichten gemacht! Herzlichen Dank!) Sie werden erkennen, welch wertvolle Arbeit unsere Polizei leistet. Wir danken für deren Arbeit. (Beifall bei der CDU/CSU) Natürlich kommen auch – das sind aber die absoluten Ausnahmen – Fehlverhalten von einzelnen Polizeibeamten vor. Diese müssen und werden vom Rechtsstaat verfolgt werden. Das Gewaltmonopol des Staates verlangt, dass dieser Staat bei einem Überschreiten der Grenzen intensiv reagiert, und wir haben gar keine Erkenntnisse, dass dies nicht der Fall ist. (Abg. Frank Tempel [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Dr. Ullrich, lassen Sie eine Zwischenfrage zu? Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Nein. (Frank Tempel [DIE LINKE]: Angst?) Dienstaufsichtsbeschwerden, interne Ermittlungsgruppen, Disziplinarverfahren, die Möglichkeit zur Remonstration, besondere Straftatbestände, die eine höhere Strafdrohung haben, wenn im Dienst Gewalt angewendet wird oder gar bei Verfolgung Unschuldiger, zeigen, dass dieser Rechtsstaat sehr klar und deutlich reagiert, wenn Inhaber und Träger des Gewaltmonopols ihre Grenzen überschreiten. Wir haben Vertrauen in diesen Rechtsstaat. Der Linkspartei scheint es auch entgangen zu sein, (Richard Pitterle [DIE LINKE]: Wir heißen „Linke“ und nicht „Linkspartei“!) dass 47 Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses teilweise schon umgesetzt worden sind. Im Bereich der Gewaltkriminalität wird sorgfältiger geprüft, ob ein rassistischer oder anderweitig politisch motivierter Hintergrund vorliegt. Wir haben vor einigen Monaten § 46 des Strafgesetzbuches geändert und damit auch den Staatsanwaltschaften den Auftrag gegeben, rassistische oder menschenverachtende Motive besonders zu berücksichtigen. Wir haben dem Generalbundesanwalt mehr Kompetenzen gegeben. Das, was Sie fordern, ist zu einem großen Teil bereits umgesetzt, und die anderen Punkte werden wir umsetzen. Dieser Staat handelt, er schläft nicht. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Warum hat es in Hannover nicht funktioniert?) Meine Damen und Herren, in diesem Land ist aber nicht nur über das Fehlverhalten einzelner Polizisten zu sprechen, sondern auch über die Frage, wie diese Gesellschaft mit denjenigen umgeht, die uns schützen. Deshalb sei noch ein Wort in Bezug auf Blockupy und Frankfurt verloren: 150 verletzte Polizeibeamte, verletzte Feuerwehrleute, circa Tausend Gewalttäter: Das sind schreckliche Bilder, die uns noch gut in Erinnerung sind. Was sagt die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping? Parlamentarier seien anwesend gewesen, um zu deeskalieren, weil – ich zitiere –: Dies war auch deshalb notwendig, weil Teile der Polizei zum Aufheizen der Stimmung beigetragen haben. (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist ein Skandal!) Ihre Kollegin Heike Hänsel hat Rauchschwaden in Frankfurt mit dem Maidan verglichen – ich zitiere –: Auf dem Maidan in Kiew waren Rauchschwaden für die Presse Zeichen der Freiheitsbewegung! (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Frechheit!) Ulrich Wilken, Landtagsvizepräsident in Hessen, hat gesagt: Klar ist uns allen, dass die Proteste, die in Frankfurt auch in Gewalt stattgefunden haben, in anderen europäischen Ländern viel selbstverständlicher sind, als das in Deutschland Demonstrationskultur ist. Wilken sieht die Ausschreitungen nur als „Auswirkungen einer gewalttätigen Politik“. Der Fraktionschef Ihrer Partei im hessischen Landtag, Willi van Ooyen, sagt, wer Sturm ernte, werde Wind säen. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Umgekehrt! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch zitiert!) Meine Damen und Herren, die Äußerungen Ihrer Parteikollegen sind inakzeptabel. Ich verlange eine Ablehnung und Distanzierung von Gewalt im Bereich der politischen Auseinandersetzung. (Beifall bei der CDU/CSU) Wer Gewalt relativiert oder sie zu politischen Zwecken billigt, stellt sich außerhalb des demokratischen Konsenses. Deswegen wäre es wichtig, dass Sie sich von diesen Aussagen eindeutig distanzieren und die gute -Polizeiarbeit in Frankfurt und auch anlässlich des G-7-Gipfels klar und deutlich würdigen. Das ist in diesem Hohen Haus einfach Ihre Pflicht. (Beifall bei der CDU/CSU) Unsere Anstrengungen gelten unserer Polizei. Wir werden bei der Bundespolizei 750 neue Stellen schaffen. Wir werden die Ausrüstung verbessern. Wir werden auch ein Gesetzespaket zum besseren Schutz von Polizeibeamten und Rettungskräften angehen. Das sind wir denjenigen schuldig, die diesen Staat schützen. Diese Rede wäre aber unvollständig, wenn man nicht auch noch auf Ihren zweiten Punkt eingehen würde: Sie fordern ein Aufenthaltsrecht für Opfer rechter Gewalt. Wir werden diesen Antrag aus vielen guten Gründen, die meine Kollegen schon angesprochen haben, ablehnen. Aber es bleibt augenfällig, wen Sie ausblenden: Sie blenden die Opfer linker Gewalt aus. Sie blenden die Opfer religiös-extremistischer oder islamistischer Gewalt aus. Sie blenden die Opfer von Menschenhandel aus, von Ausbeutung und von erpresserischem Menschenraub. (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Lesen Sie mal unsere Anträge! – Frank Tempel [DIE LINKE]: Sie blenden alles aus!) Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Sie sehen Menschen nur in Gruppen gemäß Ihren Interessen aufgeteilt. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie nicht?) Wir haben alle Menschen im Blick; alle Menschen, die Opfer von Gewalt, von Übergriffen und von Intoleranz werden. Wir werden es nicht zulassen und auch nicht dulden, dass unvollständige Anträge beschlossen werden, dass man linke, rechte oder islamistische Gewalt gegeneinander ausspielt. Wir bekämpfen Gewalt und Extremismus jeglicher Couleur. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, diese Anträge sind rechtsstaatlich bedenklich, unvollständig und drücken Misstrauen gegenüber diesem Rechtsstaat und der Polizei aus. Wir leben eine Kultur des Vertrauens in den Rechtsstaat, der Tauglichkeit unserer Maßnahmen, der Freiheit und der demokratischen Werte. Deswegen lehnen wir diese Anträge ab. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Frank Tempel von der Fraktion Die Linke erhält jetzt die Möglichkeit zu einer Kurzintervention. Frank Tempel (DIE LINKE): Herr Dr. Ullrich, ich kann mir bei dem, was Sie erzählen, sehr gut vorstellen, dass Sie Angst vor Zwischenfragen haben. (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Vor allem, wenn sie so qualifiziert sind wie Ihre!) Aber man darf zum Glück eine Kurzintervention machen. Wenn Sie über Polizeibeamte reden und glauben, Ihre Verweigerungshaltung, zum Beispiel zur Einrichtung einer polizeilichen Beobachtungsstelle, mit der Ablehnung von Polizeibeamten begründen zu können, dann rate ich Ihnen, sich besser zu informieren. Da Sie so viel über den Polizeidienst gesprochen haben: Fahren Sie einfach einmal eine Weile mit, und schauen Sie sich an, was dort passiert. Polizeibeamte wenden sich nach den Vorfällen in Hannover sehr häufig an uns Abgeordnete, gerade auch an mich als ehemaligen Polizeibeamten, was zeigt, dass die Zustimmung zu einer solchen polizeilichen Beobachtungsstelle bei Polizeibeamten enorm steigt. Wie ist es denn, wenn jemand tatsächlich den Mund aufmachen will, um Missstände anzusprechen? Er hat Angst, als Nestbeschmutzer dazustehen. Er hat Angst, eine Durchschnittsbeurteilung zu bekommen. Er hat Angst, nie -wieder befördert zu werden. Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, dass genau das eingetreten ist. Als -Polizeibeamter in einer Dienststelle tatsächlich den Mund aufzumachen, erst recht, wenn Vorgesetzte involviert sind, ist fast unmöglich, weil dann die Karriere zu Ende ist. Deswegen wollen viele Polizeibeamte – Personalräte, Gewerkschafter und auch ganz normale diensttuende -Polizeibeamte wenden sich an mich und verfolgen, was hier diskutiert wird – eine auch für sie nutzbare Polizeibeschwerdestelle, bei der ihnen außerhalb des Dienstweges rechtssicher Vertraulichkeit zugesichert werden kann, bei der sie sicher sind, dass diese Einrichtung parlamentarisch und demokratisch kontrolliert wird. Eine solche Beschwerdestelle wollen sie, um gerade solche Dinge vorzutragen und um sich sicher zu sein, dass ihre weitere Karriere in der Polizei nicht gefährdet wird. Wir brauchen eine solche Stelle, die in alle Richtungen entsprechend nutzbar ist. Das zeigt sich gerade, wenn wir auf das schauen, was im Zusammenhang mit dem NSU passiert ist. Das ist übrigens der Anlass der heutigen Diskussion. Man muss daraus Rückschlüsse ziehen; denn vieles davon ist passiert, ohne dass eine entsprechende Rückmeldung möglich war. Es wird immer ordentlich der Dienstweg beschritten. Dabei ist auch vieles versandet oder gestoppt worden. Wir haben die vielen Berichte von Polizeibeamten und die Zeugenaussagen gehört. Diese Rückmeldungen muss man doch ernst nehmen. Verkaufen Sie Ihre Verweigerungshaltung nicht als Willen der Polizeibeamten! (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Diese sehen das sicherlich sehr unterschiedlich. Bei ihnen wird das Thema genauso kontrovers diskutiert wie hier. (Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Wie viele Minuten haben Sie eigentlich Redezeit! Das ist ja der Wahnsinn!) Sie haben nicht das Recht, für alle Polizeibeamten zu sprechen. Es gibt eine ganze Menge, für die Sie heute nicht gesprochen haben. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Dr. Ullrich, Sie erhalten das Wort zur Erwiderung. Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Herr Kollege Tempel, in den letzten Jahren bin ich sicherlich ein Dutzend Mal in Polizeidienstwagen zur Nachtschicht mitgefahren. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welch Expertise!) Ich war mit Feuerwehreinsatzkräften, mit dem Roten Kreuz und dem Rettungsdienst unterwegs, und ich habe auch eine Schicht mit Verkehrskontrolleuren verbracht. Ich habe eine ganz andere Beobachtung als Sie. Zwar gibt es – ich habe das vorhin angesprochen – auch Vorfälle innerhalb der Polizei, bei denen Fehlverhalten vorliegt. Das ist gar keine Frage. Aber ich glaube, wir sollten uns vielmehr darum sorgen, wie wir diejenigen schützen, die alltäglich ihren Kopf riskieren oder, wie bei der Feuerwehr, sogar ihr Leben einsetzen, um andere zu retten. Das sind die entscheidenden Fragen, um die es geht. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen Sie ja auch nicht, Herr Ullrich! An wen können die sich denn wenden? Sagen Sie das mal!) Wenn Sie selber nachts unterwegs wären, dann würden Sie erleben, dass gerade bei alkoholbedingten Ausfällen Polizisten bespuckt und angegriffen werden. (Frank Tempel [DIE LINKE]: 20 Jahre Dienst!) Sie müssen auch bei Demonstrationen ihren Kopf hinhalten. Deswegen gilt unsere Sorge der Integrität und dem Schutz unserer Polizei. Das werden wir uns auch von solchen Kurzinterventionen nicht nehmen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Wir fahren fort in der Debatte. Als nächste Rednerin hat Monika Lazar von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin den Ausführungen des Kollegen Tempel sehr dankbar, weil er einige Beispiele aus der Praxis gebracht hat. Im Gegensatz dazu hatte ich bei der Rede des Kollegen Ullrich – die Nachbemerkungen haben es nicht besser gemacht – eher das Gefühl, wir leben in unterschiedlichen Welten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Allerdings!) Denn wir alle müssen konstatieren – das hat uns gerade auch die gemeinsame Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss gezeigt, und dort waren wir uns in vielen Fragen einig –, dass wir in unserem Land auf vielen Ebenen ein Problem mit Rassismus haben. Das zeigt sich im Alltag, und das reicht bis in die letzten Monate hinein. Die Aktivitäten von Pegida und Co. haben gezeigt, wie tief rassistische Einstellungen in der Gesellschaft verankert sind und wie viele verschiedene Erscheinungsformen es gibt. Rassismus ist nicht nur im Alltag verankert, sondern auch in staatlichen Institutionen. Sie sind nicht frei davon. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Gerade die Opfer des NSU hätten sicherlich davon profitieren können, wenn es schon damals auf Bundes- oder Landesebene so etwas wie einen unabhängigen -Polizeibeaufragten gegeben hätte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Denn ich könnte mir durchaus vorstellen, dass dann manches, was wir heute zum Glück alle so bitter beklagen, anders gelaufen wäre. Einige Beispiele: Ein Kriminalbeamter in der Zwickauer Polizeidirektion hat mehrfach fahndungsinterne E-Mails mit rassistischen Bemerkungen versehen und an seine Mitarbeiter weitergeleitet. Das Foto eines Dunkelhäutigen kommentierte er mit den Worten: „Der sollte sich mal die Hände waschen.“ Bei einem anderen ergänzte er die Frage, ob der Mann seine Frau oder Tochter auf den Strich schicke. Der Beamte ist vom Dienst suspendiert worden. Dazu mag es im Einzelfall kommen. (Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Das hat ja funktioniert!) – Ja, aber erst im Nachhinein. (Günter Baumann [CDU/CSU]: Das geht doch erst im Nachhinein!) Aber es wäre früher möglich gewesen, wenn sich die Kollegen, die die E-Mail bekommen haben, sofort bei einer solchen unabhängigen Beschwerdestelle hätten melden können. Darum geht es. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es geht darum, sofort zu reagieren. Das ist als Schutz der Polizisten gedacht. Ich glaube, das verstehen Sie aufseiten der CDU/CSU einfach nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wo immer Rassismus auftaucht, muss er geahndet werden. Kollegin Mihalic hat gesagt, dass wir schon in den letzten Haushaltsberatungen Anträge dazu gestellt haben, weil wir das finanziell abgesichert wissen wollen. Nach dem NSU-Untersuchungsausschuss waren wir uns alle einig, dass sich Diskursfähigkeit und Fehlerkultur in den Behörden verbessern müssen. Es gibt auch Beispiele dafür, dass die Polizei Bürger unangemessen behandelt. Im Zusammenhang mit den Protesten von Legida in Leipzig wurde meinem grünen Landtagskollegen Sebastian Striegel von der Polizei vorgeworfen, er habe einen Böller geworfen. Für diesen Vorwurf gab es weder Anhaltspunkte noch Zeugen. Trotzdem kam es zu Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft. Auch in einem solchen Fall könnte man sich direkt bei einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle beschweren. Die Vorfälle, die wir immer wieder beobachten, passen nicht in das Bild einer Polizei, die unsere Grundrechte schützen soll. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Sie beschädigen das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitsorgane. Aber dieses Vertrauen braucht die Polizei zur Erfüllung ihrer wichtigen Aufgaben. Deshalb fordern wir Grüne schon lange einen strukturierten Dialog zwischen Polizei und Zivilgesellschaft sowie einen unabhängigen Polizeibeauftragten. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Lazar, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wendt zu? Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber selbstverständlich. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie freut sich schon!) – Weil ich schon weiß, was kommt. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Sie haben das Wort, Herr Wendt. Marian Wendt (CDU/CSU): Ich möchte ein paar Dinge klarstellen, weil die Zuschauerinnen und Zuschauer sonst den Eindruck bekommen könnten, dass wir in einem von Polizeigewalt geprägten Staat leben. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie leben in einer Parallelwelt!) Da Sie aus Leipzig stammen: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass in Leipzig alleine im letzten halben Jahr fünf spontane Gewaltaktionen gegen Polizei, staatliche Behörden, Gerichte und das US-Generalkonsulat stattfanden, dass dabei bis zu 600 vermummte Personen wie ein Mob vandalierend durch die Stadt gerannt sind und Bierflaschen und Steine geworfen haben, dass Polizisten verletzt wurden und dass es am Rande der Legida-Demonstrationen zu linksextremistischer Gewalt gegen die Polizei kam, oder wollen Sie das negieren? Vielen Dank. Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am Rande von Legida kam es nicht zu den von Ihnen so genannten linksextremistischen Gewalttaten. (Marian Wendt [CDU/CSU]: Die Polizisten haben das selber erzählt!) – Ich komme darauf noch zu sprechen. Hören Sie mir jetzt bitte erst einmal zu! Ich möchte hier eine Trennung vornehmen. Zu den Vorfällen am Rande der Legida-Demonstrationen: Ich war dabei und habe beide Seiten – auch die Polizei – beobachtet. Am Rande der Legida-Demonstrationen kam es nicht zu den von Ihnen so genannten linksextremistischen Gewalttaten. (Beifall des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Es war eher so, dass Legida-Teilnehmer Linke und auch Journalisten angegriffen haben. So viel zu diesem Fall. Zu den von Ihnen erwähnten Gewalttätigkeiten: Ich glaube, hier sind wir uns einig. Ich finde, dass alle Vorkommnisse seit Anfang des Jahres absolut inakzeptabel sind; denn egal wer Gewalttaten verübt, für uns Grüne ist Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Gewalt ist absolut abzulehnen. Gewalttaten sind extrem kontraproduktiv, weil man mit Gewalt nicht das erreicht, was man erreichen will. Vielmehr bringt man den Protest insgesamt in Misskredit. Die Zahl der gewalttätigen Ausschreitungen in Leipzig hat sich zum Glück nicht erhöht. Die Zahl ist sicherlich noch immer zu hoch. Aber wir unterstützen so etwas auf keinen Fall. Wir sind uns einig, dass wir solche Gewalttätigkeiten ablehnen. Aber das eine hat mit dem anderen nur indirekt etwas zu tun. Wenn sich ein Polizist über einen Gewalttäter hätte beschweren wollen, dann hätte er sich auch bei einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle beschweren können. Das eine schließt das andere nicht aus. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Günter Baumann [CDU/CSU]: Es gibt auch jetzt verschiedene Möglichkeiten, sich zu beschweren!) – Natürlich, der Petitionsausschuss wurde schon angesprochen. Wir beide sind Mitglieder dieses Ausschusses und wissen, dass er eine Möglichkeit darstellt, sich zu beschweren. Es geht aber darum, eine weitere Beschwerdemöglichkeit zu schaffen. Kollegin Mihalic hat auf den Wehrbeauftragten Bezug genommen. Diesen wollen Sie auch nicht abschaffen. Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass es darum geht, dass sich Menschen in unserem Land sicher und willkommen fühlen. Präventionsarbeit ist unverzichtbar. Wir müssen dort ansetzen, wo Rassismus und Diskriminierung beginnen, und nicht erst dort, wo es schon zu Eskalation und Gewalt kommt. Gerade deshalb brauchen wir ein umfassendes Konzept zur Förderung der demokratischen Kultur in unserer gesamten Gesellschaft. Ich hoffe, da sind wir uns dann wieder einig. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Dr. Lars Castellucci von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Lars Castellucci (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zum Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes – Aufenthaltsrecht für Opfer rechter Gewalt“. Zunächst einmal muss unmissverständlich klargestellt sein: Menschen anzugreifen, die gerade Schutz hier bei uns suchen, gehört zum Schändlichsten, was man sich überhaupt ausdenken kann. (Beifall im ganzen Hause) Dem müssen wir alles entgegenstellen, was wir als Rechtsstaat haben. Wir alle sind gefordert; denn es geht immer auch um Einstellungen und Haltungen; es geht um Vorurteile und kleine Diskriminierungen, die die Einstellung und Haltung, die zu so etwas führen, fördern. Sie schlagen nun vor, dass diejenigen, die Opfer rechter Gewalt werden, automatisch ein Aufenthaltsrecht in Deutschland bekommen. Ich muss Ihnen sagen: Zunächst einmal halte ich das für eine charmante Idee. Wenn Sie sich im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur bewegen und jemanden darstellen würden, der sich mit anderen zusammensetzt und wirklich viel Hirnschmalz darauf verwendet, um herauszufinden, was man eigentlich tun müsste, um der Sache Herr zu werden, und welche Ideen man entwickeln müsste, dann würde ich Sie für preiswürdig halten. Aber für ein Gesetz reicht das nicht. Es reicht auch deshalb nicht, weil Sie keine Analyse vorlegen, die eine belastbare Grundlage für diesen Ansatz enthält. Frau Pau, Sie sprechen selber davon, dass Einzelfälle keine Ausnahmen seien. Nur, woher nehmen Sie das? Wenn etwas zu machen ist, ausgehend von dem, was Sie gesagt haben, dann müssen wir mehr Engagement aufwenden, um das Dunkelfeld zu erhellen; wir müssen besser Bescheid wissen, bevor wir Gesetzentwürfe vorlegen. (Petra Pau [DIE LINKE]: Lesen Sie das Buch von Barbara John!) Sie erwähnen auch die Residenzpflicht, die wir längst abgeschafft haben. Das heißt, in vielen Teilen ist dieser Gesetzentwurf veraltet. Schauen Sie, wenn auf dem Pausenhof jemand von seinen Schulkameradinnen oder Schulkameraden – Schulkameraden werden es wohl eher sein – vermöbelt wird, sollen wir dann ein Gesetz beschließen, dass derjenige in der Schule automatisch versetzt wird? Ich glaube, das ist nicht die richtige Antwort, weil das eine sachfremde Antwort ist. Sachlich richtig ist die Antwort, dass man diejenigen, die sich fehlverhalten, zur Rechenschaft zieht, dass man präventiv arbeitet und dass man sich für Zivilcourage einsetzt. Das ist etwas, was wir mit Programmen wie „Demokratie leben!“ fördern. Meine Kollegin Susann Rüthrich wird darauf eingehen. Ich möchte eine Stelle aus der Problembeschreibung in Ihrem Gesetzentwurf zitieren. Frau Pau, ich weiß nicht, ob Sie diesen Satz aufgeschrieben haben. Ich frage Sie an dieser Stelle, welches Geschäft Sie eigentlich betreiben. Sie schreiben hier: Zum anderen muss bereits der Anschein eines – und sei es unfreiwilligen – Zusammenwirkens zwischen rechten Gewalttätern und dem Staat vermieden werden. Der Passus „… der Anschein eines – und sei es unfreiwilligen – Zusammenwirkens …“ heißt: in Teilen eines möglicherweise sogar ganz bewussten Zusammenwirkens zwischen dem Staat und rechten Gewalttätern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da überziehen Sie wieder einmal. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit den V-Leuten im Verfassungsschutz? Das war ein Eigentor!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Castellucci, lassen Sie die Zwischenfrage von Frau Pau zu? Dr. Lars Castellucci (SPD): Ja. Bitte schön. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Pau. Petra Pau (DIE LINKE): Ich empfehle, nachher den Blick auf das Protokoll der Rede zu richten. Ich habe genau ein solches Beispiel, in dem es um diesen Anschein geht – also nicht um irgendeine Regel –, hier zitiert. Es war das Beispiel eines Opfers von schwerer Gewalt, welches durch seine Abschiebung seines Rechts beraubt wurde, als Nebenkläger aufzutreten. Diese Abschiebung hat gleichzeitig den Tätern die Genugtuung verschafft, dass sie ihr Ziel erreicht haben. Wir wissen genau: Es ist doch das Ziel dieser Gewalttäter, Migranten, Asylsuchende und in der sozialen -Hierarchie vermeintlich unter ihnen Stehende einzuschüchtern und ihnen zu bedeuten: Wir wollen euch nicht hier haben. – Jetzt geht es mir doch gar nicht darum, dass jeder, der – in welcher Weise auch immer – Opfer solcher Gewalttaten wird, für immer und ewig in der Bundesrepublik leben soll; er will es vielleicht auch gar nicht. Aber er muss doch wenigstens die Möglichkeit haben, die Möglichkeiten des Rechtsstaates hier auszuschöpfen, beispielsweise indem er in einem solchen Prozess als Zeuge auftritt und seinem Nebenklagerecht nachgeht. Ich empfehle Ihnen – das war der Inhalt meines Zwischenrufs vorhin – den Band mit den Geschichten der Überlebenden der NSU-Anschläge und der Angehörigen der NSU-Opfer, den Barbara John, Mitglied der Partei Ihres Koalitionspartners, im November letzten Jahres herausgegeben hat. Dort schildern beispielsweise Witwen der NSU-Opfer, wie sie beinahe ihres Aufenthaltsstatus verlustig gegangen wären, weil sie als Folge des Mordes an ihren Ehemännern nicht mehr ihren Lebensunterhalt hier bestreiten konnten. Tatsächlich erhielten einige von ihnen eine Aufforderung zur Ausreise. Wir reden über solche Extremsituationen. Mag sein, dass das handwerklich besser zu lösen ist, als wir es vorgeschlagen haben; deswegen habe ich Sie zu dieser Debatte eingeladen. Aber dann sollten wir uns genau dieser Frage zuwenden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dr. Lars Castellucci (SPD): Frau Kollegin Pau, so wie Sie hier sprechen und wie Sie sich jetzt zu Wort gemeldet haben, diskutiere ich alle diese Fragen sehr gern mit Ihnen; denn Sie argumentieren differenziert und unterlegen ihre Äußerungen mit konkreten Beispielen. Ich beziehe mich aber auf das, was Sie hier aufgeschrieben haben. Das, was Sie hier aufgeschrieben haben – ich sage es noch einmal: „Anschein eines – und sei es unfreiwilligen – Zusammenwirkens“, heißt – das weiß man, wenn man sich mit der deutschen Sprache auskennt –, dass es eben auch ein freiwilliges Zusammenwirken von Staat und rechten Gewalttätern geben kann. Davon distanziere ich mich. Das hat hier keinen Boden. (Zuruf der Abg. Petra Pau [DIE LINKE]) – Frau Pau, ich habe Sie ja deswegen extra persönlich angesprochen. Was Sie mit solchen Aussagen erreichen, ist, dass Sie den Rechtsstaat madig machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Damit leiten Sie Wasser auf die Mühlen von Leuten, bei denen Sie das gar nicht wollen. Damit fordern Sie nicht die Stärke des Rechts, sondern diejenigen, die meinen, dass das Land mit dem Recht des Stärkeren zu regieren sei. Auch das kann nicht in Ihrem Interesse sein. Meine Damen und Herren, das Beispiel, das Sie genannt haben, legt nahe, dass wir uns verstärkt um Einzelfälle kümmern müssen. Wir brauchen rechtsstaatliche Mittel, die uns in die Lage versetzen, auch im Einzelfall Gerechtigkeit walten zu lassen; aber wir brauchen keine Verallgemeinerung in dem Sinne, dass jeder, der Opfer rechter Gewalt ist, hier Aufenthaltsstatus bekommt. Im Übrigen machen wir eine ganze Menge dafür, dass der Aufenthaltsstatus sicher werden kann. Wir werden hier in Kürze einen Gesetzentwurf einbringen, in dem es um die Ausweitung des Bleiberechts und die Abschaffung von Kettenduldungen geht. Das sind ganz wichtige Initiativen, die von dieser Bundesregierung ergriffen werden. Die entscheidende Frage ist, wo der richtige Anknüpfungspunkt ist, wenn wir gegen rechte Gewalt vorgehen wollen. Wir wissen, dass die Einstellungen, die rechter Gewalt zugrunde liegen, tief in der Bevölkerung verankert sind. Deswegen geht es um Demokratielernen. Dazu wird meine Kollegin Susann Rüthrich noch etwas sagen. Es geht darum, die Einstellung zu verändern. Es geht auch darum, das Dunkelfeld aufzuhellen und mit der Bevölkerung im Gespräch darüber zu sein, wie wir in diesem Land zusammenleben können. Das ist zentral. Aber das macht man nicht, indem man rechtsstaatliche Institutionen infrage stellt, sondern gerade dadurch, dass man herausstellt, welchen Wert diese rechtsstaatlichen Institutionen in Deutschland für das Gemeinwesen haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Martin Patzelt von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Martin Patzelt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Als ich den Antrag der Linken zur Kenntnis genommen habe – ich spreche jetzt über das Begehren, 10 Millionen Euro mehr in die Präventionsprogramme gegen Rechtsextremismus zu stecken –, habe ich gedacht: Es ist wieder so, dass Sie zwei verhängnisvollen Irrtümern erliegen. Der erste Irrtum ist: Viel hilft viel. Das ist durchaus nicht der Fall. Jeder gute Arzt schaut genau, welche Medikation indiziert ist und wird diese entsprechend dosiert verordnen. Ich bin dem Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und insbesondere Herrn -Heppener außerordentlich dankbar, dass sie in einem ganz anderen Ansatz nach unserer Debatte zu den Ergebnissen des NSU-Ausschusses eine äußerst akribische Herangehensweise gewählt haben. Wir haben gemeinsam vereinbart, dass wir die Ansätze verstetigen. Das haben wir getan. Das ist jetzt auf fünf Jahre ausgedehnt. Damit kann man für einen überschaubaren Zeitraum planen. Wir haben weiter gesagt: Die Ergebnisse müssen ausgewertet werden. – Wir haben dann noch einmal 10 Millionen Euro draufgelegt. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben also den Antrag von den Linken umgesetzt!) – Unser gemeinsamer Antrag war das damals; daran möchte ich erinnern. Jetzt sagen die Linken: Wir legen noch einmal etwas drauf. – Herr Heppener hat mit seinem Team eine hervorragende Arbeit geleistet. Wir haben erst in den letzten Tagen die letzten Millionen vergeben. Das hat also über ein Jahr gedauert. Warum? Weil er nicht alle Antragsteller aus den vergangenen Jahren so bedacht hat, wie sie das begehrt hatten. Es wurde genau evaluiert: Welche Ergebnisse sind da erzielt worden? Wer war daran beteiligt? Die Antragsteller mussten ihr Begehr verteidigen. Er hatte unabhängige Gutachter dazugenommen. Dann wurde sehr akribisch gearbeitet und entschieden – wer wollte, konnte als Parlamentarier daran teilnehmen –, wer wie viel bekommt. Die Programmmittel sind tatsächlich nach sehr nachvollziehbarer fachlicher Erkenntnis vergeben worden und nicht einfach nach dem Motto: Jetzt geben wir noch ein paar Millionen aus; wir haben es ja. Wir haben gerade in den letzten Tagen eine Veröffentlichung vom Deutschen Jugendinstitut zu den Ursachen von Radikalismus bekommen; wer will, kann es nachlesen. Danach hat sich deutlich herausgestellt, dass es nicht nur die politischen Rahmenbedingungen sind, nicht die aktuelle politische Situation, die politisch wirksamen Kräfte und die Abhängigkeitsverhältnisse, sondern dass die Ursachen ganz wesentlich zu liegen scheinen – man ist noch vorsichtig, aber es sind etliche Untersuchungsergebnisse angeführt worden – in der Primärsozialisation in den ersten Jahren der Kindheit. Jugendliche Straftäter, Extremisten haben vermehrt davon berichtet, dass sie aus Stiefkinderfamilien kommen, dass der Vater gefehlt hat, dass das Klima rau und grob war, dass es gleichgültig war, dass keine Zeit für die Kinder vorhanden war, dass Konflikte unangemessen verarbeitet wurden, dass das die Sicht auf die Welt und das Miteinander geprägt hat und dass im Laufe des weiteren Lebens die Erfahrungen in der Schule, die Erfahrungen in der Ausbildung vielleicht noch diese Sicht in der selektiven Wahrnehmung immer wieder verstetigt haben. Ich erzähle Ihnen das, weil das nun einmal eine wissenschaftliche Erkenntnis und nicht meine persönliche Erkenntnis ist. Danach müssen wir noch einmal ganz woanders gucken, müssen vielleicht auch in unserer Familienpolitik Ansätze suchen, um dem politischen Extremismus zu begegnen. Es reicht nicht, immer sozusagen eine Soforthilfe, ein Notprogramm zu fordern, ein Pflaster aufzukleben, um sagen zu können: Jetzt haben wir Politiker etwas gemacht. – Notwendig ist, systematisch von der Ursache her zu denken und von der Ursache her zu handeln, eine gesunde Familienpolitik zu betreiben. Es gilt, nicht bestimmten ideologischen Schimären zum Opfer zu fallen. Es ist immer so naheliegend, zu sagen: Die Armen, die Ausgegrenzten, das sind diejenigen, die das Potenzial für unangemessene Verhaltensweisen haben. Ich komme aus einer armen Familie, Nachkriegsgeneration, viele Kinder. Ich hatte das große Glück, dass ich Armut erlebt habe, Glück deshalb, weil wir nicht auf materielle Werte setzen konnten, weil wir kulturvoll und sozial sehr befriedigend miteinander umgegangen sind. Das hat mir eine Sozialisation geschenkt, aufgrund derer ich heute sagen kann: Ich bin ein glücklicher Mensch. – Das würde ich auch meinen Kindern wünschen. Aber Glück gibt es nicht zu kaufen. Mit Geld und immer mehr Geld können wir die Probleme der Kinder nicht lösen. Wir brauchen für die Kinder Zeit. So ist das Programm „Elterngeld Plus“ zum Beispiel ein wesentlicher Beitrag dazu, dass Eltern mehr Zeit für Kinder haben. Wir müssen die Aufmerksamkeit darauf richten, dass Eltern nicht nur ihre Karriere oder ihre neue Liebschaft im Auge haben, sondern dass sie tatsächlich sehen: Mein Kind braucht mich. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das jetzt mit den Anträgen zu tun?) Kinder sind nicht die Glücksgehilfen für die Eltern. Ich habe in all den Debatten, die wir geführt haben, immer das Kind ein bisschen vermisst. (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Tagesordnungspunkt heißt „Schutz für Opfer rechter Gewalt“!) Kinder sind erst einmal für sich selbst Mensch. Sie brauchen unsere Fürsorge, unsere Unterstützung. Wenn wir dadurch glücklich werden, dann ist das wunderbar, aber sie sind nicht Objekt, um uns Befriedigung zu verschaffen. Das zu dem Teil, auf den bezogen ich sage: „Viel hilft viel“ ist einfach falsch. Dann sind Sie in Ihrem selbst geschaffenen Gefängnis der ideologischen Verblendung. Der Antrag hätte sich ja auch gegen politischen Extremismus richten oder Mittel für Programme gegen politischen Extremismus fordern können. Aber auf diesem linken Auge sind Sie einfach blind. Man hat im Ministerium die Sorge gehabt, dass sich viel zu wenige – vielleicht referiert meine Kollegin -Rüthrich nachher die Zahlen; damit will ich Sie jetzt gar nicht belasten – oder kaum Antragsteller melden, die Opfer politischen Linksextremismus wurden. (Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kennen aber schon das Programm der Vorgängerministerin Schröder?) – Lassen Sie mich doch einmal ausreden. Dann können wir nachher oder an einer anderen Stelle darüber reden. – Der politische Extremismus ist in jeder Hinsicht eine Irreführung. Deswegen bin ich immer ein bisschen skeptisch, wenn eine Aufteilung in die alten Bilder von rechts und links erfolgt und dann Etiketten verteilt werden, damit wir wissen, wo die Guten und wo die Bösen sind. Das ist doch eine Engführung, in der wir selber hängen bleiben. Es geht darum, dass es ein unangemessenes Verhalten von jungen Menschen gibt, das sie selbst in eine schwierige Situation bringt, das sie unglücklich macht und das anderen Menschen Unglück bringt. Da müssen wir einmal genau schauen: Wie kommt es dazu? Welche Rahmenbedingungen können wir beeinflussen? Wie können wir ihnen helfen und damit auch uns? Das kommt mir immer viel zu kurz. Ich habe manchmal den Eindruck, dass – nicht gewollt; aber doch in der Wirkung ganz sicher – auch zum Hass erzogen wird, nicht gegen das Rechte und gegen das Feindliche, sondern gegen die Menschen. Das ist äußerst gefährlich. Ich bin in einer Situation aufgewachsen, in der man gesagt hat: Wir müssen das Böse hassen. Wir müssen den Klassenfeind hassen. Wir müssen uns stark machen dagegen. – Wenn ich die Aktionen der Linken in meiner Stadt beobachtet habe, habe ich immer gedacht: Meine Güte, wie rennen diese armen jungen Menschen gegen einen vermeintlichen Feind an, weil sie in ihrem pubertären Drang und aufgrund von Idealen – ja, guter Ideale – meinten, sie könnten mit Gewalt, mit Gewalt der Straße das Unrecht und das Elend der Welt beseitigen. Es sind Milliarden Liter Blut geflossen, beispielsweise während der Französischen Revolution und auch bei anderen Revolutionen. Hat das die Welt wesentlich verändert? Nein. Wir sind heute in einer Phase, in der wir mit Vernunft und Verstand sowie angemessenen Hilfen den Menschen tatsächlich helfen können, die Dinge neu zu sehen. Sie haben das vorhin selber gesagt: Gewalt ist niemals ein Mittel – niemals. Damit meine ich nicht nur körperliche Gewalt. Kollege Ullrich hat ja die Zitate, die ich mir aufgeschrieben habe, hier schon vorgetragen. Aber eines möchte ich doch noch vortragen, insbesondere meinen linken Kollegen, weil mich das so erschrocken gemacht hat. Auf der Homepage des Kollektivs CrimethInc. steht: Deshalb mag es zwar manchmal sogar nötig sein, Polizist_innen anzuzünden, allerdings sollte dies nicht in einem Anflug von rachsüchtiger Selbstgerechtigkeit geschehen, sondern von einem Standpunkt der Fürsorge und des Mitgefühls aus – wenn auch nicht für die Polizei, dann wenigstens für alle, die sonst unter ihnen zu leiden hätten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir solche Haltungen bei jungen Menschen befördern – ich meine nicht unbedingt das mit dem Verbrennen; das ist ein -Extrem –, (Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Wer hat das gesagt? Quelle! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das hat kein Linker gesagt!) wenn die Polizei, also diejenigen, die das Gewaltpotenzial des Staates verbürgen, in ihrer Existenz angegangen werden, wenn man nicht dagegenhält, dann setzen wir unseren Staat aufs Spiel, dann setzen wir unsere Demokratie aufs Spiel. Genau das passiert aber. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon hat überhaupt keiner geredet!) Sie waren wohl noch nicht bei den Demonstrationen dabei, wenn die Bullen getrieben wurden, wenn die Bullen sich schützen mussten. In meiner Tageszeitung in Frankfurt (Oder) stand nach einer der letzten Demonstrationen sinngemäß: Es war eigentlich relativ friedlich. Es sind nur drei Polizisten verletzt worden. – Toll! Die Polizisten, die das Gewaltmonopol haben und die dafür Sorge tragen, dass wir in unserem Staat friedlich leben können, werden dann noch zum Opfer von jungen, und ich sage: fehlgeleiteten, Menschen. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit deutlich überschritten. Martin Patzelt (CDU/CSU): Ja, ich weiß, meine Zeit ist um. Danke schön. – Ich sage einmal: Dieser Antrag ist ein Schaufensterantrag. Es liegt nichts drin, was mich überhaupt nur anziehen könnte, die Ware zu kaufen. Überlegen Sie einmal, wie Sie Ihre Anträge besser und möglichst ideologiefrei stellen können. Dann haben wir vielleicht eine gemeinsame Zukunft. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine gemeinsame Zukunft mit den Linken? Super!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Susann -Rüthrich von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Susann Rüthrich (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Letzte Woche ist bei mir zu Hause eine Asylunterkunft mit Steinen angegriffen worden. Das geschieht dieser Tage immer wieder, überall in Deutschland. Es werden Menschen angegriffen. Sie werden angepöbelt. Manche Jugendliche werden zu Glaubenskriegen rekrutiert. An anderer Stelle wird vor einer vermeintlichen Islamisierung Deutschlands gewarnt. Ich will, dass das anders wird, dass alle Menschen, die bei uns leben, sicher sind – egal woher sie kommen, wie sie aussehen und was sie glauben –: ohne Demütigungen, ohne seelische und ohne körperliche Übergriffe. Doch das kommt nicht von allein. Vor Ort muss das Miteinander gestützt und gefördert werden, und zwar verlässlich, sicher und ausreichend. Der Antrag der Linken handelt von genau dieser Unterstützung. Er ist schon einige Tage alt – macht nichts. Für mich sind diese Fragen immer aktuell. So nehme ich den Ball also gerne auf und rede darüber, was wir mit dem Programm „Demokratie leben!“ umsetzen, das vom Familienministerium unterstützt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns einstimmig dazu bekannt, die Forderungen des NSU-Untersuchungsausschusses umzusetzen. Wir haben zugesagt, die Förderung der Demokratie dauerhaft mit mehr Geld zu unterstützen. Wir wollen ein eigenes Bundesgesetz, um diese Arbeit auch zukünftig zu sichern. So ist unsere Beschlusslage, und im Übrigen sieht das auch der Koalitionsvertrag vor. Der Beschluss ist sehr gut. Gut ist auch, dass er umgesetzt wird. In 220 Kommunen gibt es jetzt lokale „Partnerschaften für Demokratie“. In den Gemeinden können vor Ort Einwohnerinnen und Einwohner ganz konkrete Projekte umsetzen, egal ob es Kinderkonferenzen sind oder das Engagement für Asylsuchende. Alle 16 Bundesländer haben jetzt Demokratiezentren, in denen die Opferberatung, die mobile Beratung und weitere Beratungs-ansätze, etwa für Schulen, koordiniert und umgesetzt werden. 28 bundesweit wirkende Initiativen und Projektträger haben jetzt die Möglichkeit, ihre Arbeit auf stabile Füße zu stellen. Sie sind so etwas wie ein inhaltliches Dach, weil sie Konzepte und Inhalte von einem Ende Deutschlands an das andere transferieren können und dann inhaltliche Koordinierungen umsetzen können. Zusätzlich erproben 54 Modellprojekte, was beispielsweise Demokratie im ländlichen Raum stützt. Weitere 36 Modellprojekte wirken präventiv gegen Radikalisierungen. Ich kann nur sagen: Ich bin davon beeindruckt, was hier alles möglich gemacht wird. Ich sage den vielen Engagierten Danke, die jeden Tag dabei helfen, dass wir uns in Deutschland alle wohlfühlen können. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Programm ist komplett neu geschrieben worden. Für den Prozess, wie das Familienministerium – von der Spitze mit Manuela Schwesig über die Leitungsebene bis zu den Fachabteilungen – diese Aufgabe angegangen ist, kann ich nur aus vollem Herzen Danke sagen. Es wurde beraten, miteinander gesprochen, gemeinsam gedacht – und das nicht nur mit uns Abgeordneten, sondern auch mit den Engagierten in den Projekten. Das war eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das ist eine Qualität für sich. Dafür vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, 40,5 Millionen Euro: Das ist die Summe, die wir jetzt in das Programm stecken können. Nun schauen wir, ob das reicht, um auch den Forderungen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss gerecht zu werden; denn weiße Flecken – egal ob regional oder inhaltlich – können wir uns nicht leisten. Die darf es nicht geben. Wenn Notwendiges am Geld scheitert, dann sind wir im Parlament gefragt, solche Missstände aufzuheben. Noch etwas ist neu. Die Programmlaufzeit beträgt jetzt fünf statt drei Jahre. Die Engagierten können endlich einige Jahre ihre Arbeit machen, ohne an den Folgeantrag und das nächste Projekt denken zu müssen. Verstetigung aber heißt – sowohl im NSU-Abschlussbericht als auch im Koalitionsvertrag –: eine dauerhafte Lösung. Eine dauerhafte Lösung ist eine eigene bundesgesetzliche Grundlage. Das Gutachten von Herrn Professor Battis sagt, dass wir dafür auch die Zuständigkeit -haben. Meiner Meinung nach geht es jetzt darum, das Programm „Demokratie leben!“ in eine Institution „Demokratie leben!“ zu überführen. Das wird auch der Arbeit der Träger gerecht; denn Bildungsarbeit, Opferberatung, mobile Beratung sowie Gemeinwesenarbeit sind keine Projekte, die einen Anfang und ein Ende haben; vielmehr wird mit ihnen eine Daueraufgabe erledigt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dem tragen wir Rechnung, indem wir diese Aufgaben auf Dauer unterstützen. Wir haben das versprochen. Ich finde, das ist ein gutes Ziel für die zweite Halbzeit dieser Legislaturperiode. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 18/4450, 18/2492 und 18/2493 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf: Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-regierung Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2015 Drucksache 18/4970 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner erhält Bundesminister Christian Schmidt für die Bundesregierung das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Vorlage des Agrarberichts rückt das Thema Landwirtschaft in das Zentrum der Debatte und, ich hoffe, auch in das Zentrum der Gesellschaft. Für die Debatte stehen uns 38 Minuten zur Verfügung. Ich würde mich freuen, wenn es uns darüber hinaus gelingt, die Diskussionen über die Zukunft der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und, nicht zu vergessen, der Fischereiwirtschaft breit in die Gesellschaft hineinzutragen. Die Debatte muss nicht von allgemeinen Übereinstimmungen gekennzeichnet sein. Auf jeden Fall aber sollten wir den Handelnden – das sind in der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft in erster Linie die Erzeuger, die -Bäuerinnen und Bauern, die Fischer und die Forstwirte – zunächst dafür danken, (Dieter Stier [CDU/CSU]: Sehr gut!) dass sie unser Land in einem hervorragenden Zustand halten und die Ernährung sichern. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Der Agrarbericht zeigt, dass wir in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Produktivität zusammen mit den vor- und nachgelagerten Bereichen – ein Begriff, der alles umfasst: vom Boden bis zum Teller – bisher viel erreicht haben. Die Land- und Ernährungswirtschaft hat eine Bruttowertschöpfung von 161 Milliarden Euro erzielt. Das sind mehr als 6 Prozent der Wertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche und unterstreicht die Bedeutung der Ernährungswirtschaft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Unsere Produkte sind weltweit beliebt und gefragt. Jeden vierten Euro erlöst die deutsche Landwirtschaft im Export, die deutsche Ernährungswirtschaft sogar jeden dritten Euro. Der Export ist natürlich keine Einbahnstraße. Aber wir sollten uns auch in Verhandlungen über Freihandelsabkommen immer wieder vor Augen führen: Wir müssen einerseits unsere Standards durchsetzen, aber wir müssen andererseits im globalen Kontext -gestaltungsfähig bleiben und deshalb unsere Qualitätsprodukte aus Deutschland mit Selbstbewusstsein vermarkten. Ein Nichtvermarkten, eine Entlastung der Produktion zulasten von anderen Märkten über den Weg von Exporterstattungen, gibt es mit mir und dieser Bundesregierung Gott sei Dank nicht mehr. Das ist kein richtiger Weg. (Beifall bei der CDU/CSU) Das würde auch die Auffassung, über die die wichtigsten Industriestaaten beim G-7-Gipfel in Elmau übereingekommen sind, nicht widerspiegeln. Wir wollen uns mit fairen Produkten und fairer Produktion auf dem globalen Markt behaupten. Das ist das Ziel. Die bäuerliche Landwirtschaft ist das Rückgrat des Erfolges. In Deutschland gibt es 285 000 solcher Betriebe, 90 Prozent davon sind Familienbetriebe. Ich freue mich deshalb, dass es uns gelungen ist, den Strukturwandel, der stattgefunden hat und der, wie der Strukturwandel in anderen Bereichen unserer Gesellschaft auch, weitergehen wird – da sollten wir ganz realistisch sein –, etwas abzufedern. Heute haben wir im Verhältnis zur Zahl der Betriebe vor 40 Jahren gerade noch 15 Prozent; die Leistungsfähigkeit ist hingegen deutlich gesteigert worden. Ich möchte klar sagen, dass für die bäuerlichen, familiären Betriebe mit ihrer Unmittelbarkeit im Wirtschaften, aber auch für die Nebenerwerbsbetriebe, die ich auch erwähnen möchte, eine Stabilisierung der Produktion und die Orientierung nicht nur am Markt, sondern auch in der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen. Ich sehe meine Aufgabe darin, deutlich zu machen, dass der vorgelegte Bericht einen Hinweis gibt, dass die Landwirte im Prinzip zuversichtlich nach vorne schauen können. Damit das weiter so bleibt, ist vorgesorgt: Die beschlossene Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union bis 2020, die bei uns umgesetzt wird, trägt zur Planungssicherheit für unsere Bäuerinnen und Bauern bei; das ist der Boden, auf dem sie und auch wir stehen. Wir haben stabile Direktzahlungen in Höhe von knapp 5 Milliarden Euro bis 2020 gesichert. Dadurch hat sich die Einkommenslage der Landwirte weiter verbessert. Deutschlands Landwirte liegen mit im Schnitt 45 800 Euro Gewinn deutlich über dem EU-Durchschnitt von knapp 18 000 Euro. Denjenigen, die jetzt zuhören und sich fragen: „Ja, was sagt denn der Minister hier? Weiß der nicht, wie meine augenblickliche Milch-abrechnung aussieht? Die sieht nicht so aus“, muss ich sagen: Ich weiß. Ich berichte über einen vergangenen Zeitraum, den Zeitraum bis Ende letzten Jahres. Wir müssen feststellen, dass es in der Einkommenssituation der Landwirte in diesem Jahr leider Verwerfungen gibt. Was ist daran schuld? „Schuld“ ist das falsche Wort. Was sind die Ursachen? Wetter, Märkte, Menschen. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wichtige Frage ist: Was tun Sie? Das ist die einzige Frage!) – Gegen das Wetter, lieber Kollege Ostendorff, können wir gerne gemeinsam vorgehen. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden nicht über das Wetter, wir reden über das Einkommen!) – Da Sie das Einkommen ansprechen: Sie wissen ja, dass wir gerade durch die Stabilität unserer Politik die Grundlage dafür schaffen, dass das Einkommen der Landwirte erhalten bleibt und besser wird. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Bei der Milch war das nicht ganz so überzeugend!) – Bei der Milch haben wir einen großen Wandel weg von der Milchquote bewältigen müssen. Die Milchquote hat übrigens auch nicht die Milchkatastrophe in den Jahren 2007 und 2008 verhindert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Alle die, die Patentrezepte kennen, möchten sich bitte bei mir melden. Nein, wir brauchen ein Netzwerk, das Leitplanken schafft und Krisenreaktionen beinhaltet. Das hat die Europäische Union, glaube ich, ganz gut entwickelt. Wir müssen in diesem Bereich aber aktiv bleiben und werden das tun. Ich will auf das Bodenrecht hinweisen. Steigende Pachtpreise, mancherorts um 50 Prozent, und eine zunehmende Flächenkonzentration sehe ich kritisch für unsere heimische Agrarstruktur. Das ist eine Baustelle, an der wir arbeiten müssen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eine weitere Baustelle ist die Bürokratie. Es gab einmal die Diskussion um eine Steuerreform – Sie erinnern sich vielleicht noch –, in der ein Bierdeckel eine Rolle spielte. Auf den will ich gar nicht hinaus. Aber die Ausdehnung der bürokratischen Belastungen – Mehrfach-antrag etc., durch das Greening nicht weniger gewor-den – sind für mich Anlass, anzukündigen, dass die Bundesregierung, mein Haus, zukünftig im Abstand von zwei Jahren einen Bericht darüber vorlegen wird, wie die Belastung der Landwirtschaft und der Erzeuger durch europäische und nationale Regelungen aussieht und wo Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Wir müssen dieses Thema angehen. (Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ablenkungsmanöver!) Es gibt eine Reihe von Themen, die es erfordern, dass die Mitte der Gesellschaft mitredet. Diejenigen, die über die Landwirte reden, sollten zuerst mit ihnen reden. Das schärft den Blick für das Wesentliche und das Machbare. Ich appelliere an die Dialogfähigkeit unserer Gesellschaft. Nicht über die Landwirtschaft reden, sondern mit ihr, das schafft Erkenntnis. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Das gilt auch für die Frage des Tierwohls, wo wir viele Initiativen ergriffen haben, die eindeutig und gut überschaubar Verbesserungen bringen. Es geht um die Kernkompetenz der Agrar- und Ernährungsbranche. Dabei sind Anpassungsfähigkeit, Modernität und Innovation von Bedeutung. Es ist ja nicht so, dass diese keine Rolle spielen. Dabei gibt es auch eine Verknüpfung mit den umweltpolitischen Herausforderungen, zum Beispiel mit den Düngeregelungen, die wir in der nächsten Zeit besprechen werden, oder mit den Belastungen der Luft. Das sind Probleme, welche die Landwirtschaft nicht leugnet. Sie ist bereit, darüber zu sprechen. Wir müssen über diese Dinge in einem gesamtgesellschaftlichen Dialog reden und dann Entscheidungen treffen. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Minister, Sie haben Ihre Redezeit schon deutlich überschritten. Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: Herzlichen Dank für den Hinweis. – Ich möchte noch einen letzten Hinweis bezüglich des ländlichen Raums geben, der für uns ganz wichtig ist. Eine unabhängige Jury hat mein Modellvorhaben „Land(auf)Schwung“ bewertet. Von den 37 Landkreisen in Deutschland, die sich beworben hatten, sind 13 ausgewählt worden. Auch die nicht Ausgewählten verdienen für ihr Konzept Achtung und Unterstützung. Bei ihnen wird es noch manch eine Weiterentwicklung geben. Heute werden die entsprechenden Landkreise die Information erhalten, dass sie ihr Entwicklungskonzept für den ländlichen Raum in den nächsten Jahren mit einer Finanzierung von ungefähr 1,5 Millionen Euro umsetzen können. Wir bleiben bei der Agrarentwicklung und brauchen keine Agrarwende. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächste Rednerin in dieser Debatte hat Dr. Kirsten Tackmann von der Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Die Koalition hat ja so wenig Redezeit, da muss man schon mal überziehen! (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich das Inhaltsverzeichnis des Agrarberichtes las, war ich positiv überrascht. Denn das erste Mal seit 1990 wurde dort der Begriff „Agrarleitbild“ erwähnt. Beim weiteren Lesen wurde ich doch bitter enttäuscht. Von den siebeneinhalb Zeilen im entsprechenden Absatz wird höchstens ein Phrasenschwein fett. Ja, alle Stichworte sind richtig: ländliche Räume, multifunktionale Land und Forstwirtschaft, Fischerei, landwirtschaftliche Familienbetriebe, Unternehmen mit bäuerlicher Wirtschaftsweise. – Das wurde sprachlich noch mit Adjektiven wie „attraktiv“, „vital“, „lebenswert“, „ökologisch verantwortbar“, „nachhaltig“ sowie „ökonomisch leistungsfähig“ geschmückt. Aber das sind doch bestenfalls Überschriften. Sie stellen jedoch kein Leitbild dar. Dabei ist ein Leitbild bei den vielen ökologischen und sozialen Herausforderungen doch wirklich dringend notwendig. Bei diesen Herausforderungen geht es zum Beispiel um die Bodenpolitik. Der Agrarbericht beschreibt immerhin sehr zutreffend die Problemlage, auf die wir Linken seit Jahren hinweisen. Dabei geht es um zum Teil drastisch gestiegene Kauf- und Pachtpreise, um die zunehmende Aktivität nichtlandwirtschaftlicher Investoren, um – wie es zum Beispiel auch in meinem Dorf in Brandenburg der Fall ist – Holdingstrukturen in der Landwirtschaft sowie um die deutliche Zunahme der Konzentration des Bodenbesitzes in bestimmten Regionen. Ja, das führt zu einschneidenden Veränderungen auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt. Aber, Minister Schmidt, wo sind denn Ihre Initiativen, um das endlich zu ändern? Beim Boden geht es doch schließlich um die Existenzgrundlage der regionalen Landwirtschaft. Gerade in Ostdeutschland läuft doch längst die Umverteilung des Bodens in die Hände landwirtschaftsfremder Kapitalgeber. Es gibt doch real längst Ackerbauholdings, die aus der Ferne gesteuert werden. Zum Beispiel geschieht das auch in Bezug auf die Felder in meinem Dorf. Dabei wird in Niedersachsen bestimmt, was in Brandenburg wächst. Statt aber Vorschläge zu machen, verweisen Sie auf die Zuständigkeit der Länder. Und Sie sagen, dass alles so kompliziert sei und man miteinander reden müsse. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ablenkungsmanöver sind das!) Ja, richtig. Aber mit welchem Ziel denn? Es gibt doch Vorschläge, die sinnvollerweise im Bund oder wenigstens bundeseinheitlich geregelt werden sollten. Zum Beispiel geht es darum, dass Anteilskäufe bei Agrar-unternehmen von Behörden genehmigt werden müssen. (Beifall bei der LINKEN) Tun Sie doch endlich etwas gegen die feindlichen Übernahmen durch landwirtschaftsfremdes Kapital! (Beifall des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wo bleibt denn ein bundesweites Kataster, aus dem hervorgeht, wer wo wie viel Boden besitzt? Ich fürchte, es gibt ein böses Erwachen, weil sich schon jetzt immer mehr Boden im Besitz von wenigen kapitalstarken Händen konzentriert. Hier ist Gefahr in Verzug. Handeln Sie, Herr Minister! (Beifall bei der LINKEN) Wem gehört das Land? Das ist doch eine der zentralen Zukunftsfragen. Marktgläubigkeit ist hier die völlig falsche Antwort! Es geht aber nicht nur um die ortsansässigen Betriebe. Wenn Bodeneigentum und Landbewirtschaftung nichts mehr mit den Menschen in den Dörfern zu tun haben, dann stirbt das Dorf. Deshalb wollen wir Linken eine Allianz zwischen Dorfbevölkerung, orts-ansässigen Betrieben und Verbraucherinnen und Verbrauchern. (Beifall bei der LINKEN) Es gibt noch mehr Brennpunkte, denen Sie ausweichen, Herr Minister. Stichwort: Bioökonomie. Ja, wir müssen raus aus dem fossilen Kohlenstoffzeitalter; aber wenn die Landwirtschaft zum Rohstofflieferanten degradiert wird, ist es doch mit der Nachhaltigkeit zu Ende. Die Konflikte zwischen Tank, Trog und Teller werden dann nur noch nach Gewinnerwartungen entschieden. Das dürfen wir doch nicht zulassen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hier geht es schließlich um die Daseinsvorsorge, um die Versorgung mit Lebensmitteln und erneuerbaren Energien. Nachwachsende Rohstoffe sind nicht unendlich verfügbar. Die Anbaufläche ist doch begrenzt, und wir verlieren täglich 70 Hektar. Zwischen 2005 und 2013 ist die Anbaufläche für Biomasse um rasante 40 Prozent gewachsen, zulasten von Lebensmitteln und Futtermitteln. Der Anstieg hat sich jetzt zwar verlangsamt, aber wir brauchen endlich eine Biomassestrategie, die energetische und stoffliche Nutzung zusammenführt. Dann wird es auch was mit dem nachhaltigen Anbau. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Noch ein Thema möchte ich ansprechen. Die USA erleben gerade einen verheerenden Vogelgrippeseuchenzug, dem schon 40 Millionen Stück Geflügel zum Opfer gefallen sind. 10 Prozent der Eierproduktion wurden vernichtet. Als Tierärztin sage ich: Das hat auch was mit Risikostrukturen zu tun, nämlich mit zu vielen Tieren an einem Standort und in einer Region. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das sollte uns jetzt wirklich mahnen. Lassen Sie uns endlich Obergrenzen für Tierbestände an einem Standort und in einer Region gesetzlich definieren. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das bringt übrigens auch wieder Frieden in die Dörfer; denn 40 000 Schweine oder 400 000 Hähnchen in der Nachbarschaft sind definitiv zu viel. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Dr. Wilhelm Priesmeier von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Herr Minister, ich freue mich außerordentlich, dass Sie die Zeit gefunden haben, in der wichtigen Debatte heute einen Redebeitrag zu leisten. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollte selbstverständlich sein! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Es ist doch sein Bericht! Er hat ihn geschrieben!) Denn ich glaube, es ist die vornehmste Aufgabe des Ministers, zum Agrarbericht hier im Parlament Stellung zu beziehen. Wir haben die zeitliche Abfolge vor etlichen Jahren verändert: Früher gab es jährlich einen Agrarbericht; jetzt diskutieren wir alle vier Jahre einen Agrarbericht. Deshalb kann man jetzt immer nur auf vier Jahre zurückschauen. Die Rückschau weist viele Zahlen für die letzten vier Jahre aus, die durchaus positiv sind. Da kann man würdigen, dass unsere Agrarwirtschaft international wettbewerbsfähig ist. Das Exportvolumen von 60 Milliarden Euro spricht eine deutliche Sprache. Bei so vielen positiven Zahlen und Entwicklungen kann man an sich stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD]) Wenn wir die Diskussionen in der Rückschau betrachten und versuchen, in die Zukunft zu schauen, erkennen wir aber auch eine Diskussion in der Gesellschaft, in der viele die Form der Produktion und Wertschöpfung kritisch hinterfragen. Das ist auch ihr gutes Recht. 40 Prozent der Bevölkerung sind laut einer Umfrage in besonderer Weise an gesunden und sicheren Lebensmitteln interessiert. Sie wollen, dass die Politik ihren Beitrag dazu leistet; das ist ihnen vielleicht wichtiger als das Wirtschaftswachstum oder eine gesicherte Energieversorgung. Das macht deutlich, wie wichtig dieser Sektor für uns und für die Menschen ist. Die Verbraucherinnen und Verbraucher vertrauen dabei auf eine hohe Lebensmittelsicherheit und auf eine hervorragende Produktqualität. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Diese liefert unsere deutsche Landwirtschaft, und damit wird in der deutschen Landwirtschaft auch Geld verdient – zu Recht. Aber das Hinterfragen der Produk-tionsweise in der gesellschaftlichen Diskussion müssen wir natürlich auch ernst nehmen. Begriffe wie „industrielle Massentierhaltung“, „Antibiotikamissbrauch“ und – regelmäßig im Januar, wenn die Grüne Woche stattfindet – der Satz „Wir haben es satt!“ machen deutlich, dass die Form, die Art und Weise der Produktion und bestimmte Strukturen kritisch hinterfragt werden. Ich finde, es ist bislang für die Politik nicht ganz einfach, die richtige Antwort darauf zu finden. Es beginnt ein Umdenkprozess in der Branche. Die Landwirte stellen sich diesen Themen. Der Bauernverband hat diese Diskussion, wenn ich zurückschaue, vor Jahr und Tag vermutlich gar nicht so ernst genommen. Mittlerweile reagiert aber nicht nur er darauf, sondern auch die ISN, wie ich neulich auf einer Veranstaltung der ISN, bei der es hervorragendes deutsches Fleisch gab, live feststellen konnte. Ich glaube, das sind richtige Ansätze, um sich mit dem auseinanderzusetzen, was notwendig ist. Notwendig ist natürlich auch der stete Wandel. Notwendig ist auch, dass man auf die Gesellschaft zugeht. Ich hoffe, dass das alle Landwirte in Zukunft weiter gemeinsam tun werden. Agrarpolitik ist heute ein Teil der Gesellschaftspolitik. Tiergerechte Haltungssysteme, Tierhygiene und besseres Management sind an sich Selbstverständlichkeiten, die in unseren Ställen umgesetzt werden. Wir sollten die Ställe an die Tiere anpassen und nicht umgekehrt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb begrüße ich die Initiative Tierwohl; denn hierbei wird zum ersten Mal der Versuch unternommen, entlang der Kette ein System zu schaffen, das zu spürbaren Verbesserungen führt. Das ist ein erster Versuch; das ist ein erster Anlauf. (Alois Gerig [CDU/CSU]: Genau!) Es bedarf allerdings weiterer Initiativen und, wie ich glaube, auch einer entsprechenden Flankierung. Ich glaube, der Verbraucher sollte klar und deutlich erkennen, unter welchen Tierschutz- und Tierwohlbedingungen das Fleisch produziert worden ist, das er an der Ladentheke kauft. Zu bedenken ist, dass die höheren Standards nicht nur für das Fleisch gelten, das an der Ladentheke unter diesem Label verkauft wird, sondern auch für das Fleisch, das für den Export bestimmt ist. Höhere Standards sind nur dann umzusetzen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Branche in Gänze nicht infrage gestellt wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Branche muss letztlich so wettbewerbsfähig und so produktiv sein, dass Maßnahmen für höhere Tierschutzstandards finanziert werden können. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: So ist es!) Das Gutachten des Sachverständigenrates liefert einen, wie ich finde, guten und positiven Ansatz, der die Diskussion in den nächsten Jahren mit Sicherheit erheblich beflügeln wird. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon kann man ausgehen!) Diese Diskussion ist notwendig. Notwendig ist aber auch, dass wir Konsequenzen ziehen und diesen Prozess begleiten, und zwar auch durch entsprechende Forderungen. Dazu bedarf es vielleicht einer neuen Architektur der Agrarpolitik auf europäischer Ebene. Vielleicht muss man Geld aus dem kaum an Bedingungen geknüpften Zahlungssystem herausnehmen und zielgerichtet in landwirtschaftliche Betriebe investieren, die bereit sind, sich diesem Prozess zu stellen, die bereit sind, zu investieren und das Risiko zu tragen. Durch diese finanzielle Förderung kann man dafür sorgen, dass das Risiko derjenigen, die diesen Weg zuerst beschreiten, abgemildert wird. Das ist, glaube ich, grundsätzlich richtig. Wenn wir uns die Ausrichtung der Agrarpolitik anschauen – dafür ist der Agrarpolitische Bericht immer ein guter Anlass –, sollten wir unser Augenmerk auch auf 2017 richten. Wir sollten die notwendigen Konsequenzen hinsichtlich der weiteren Ausgestaltung der europäischen Agrarpolitik ziehen. Ich halte das jetzige System – das habe ich hier schon wiederholt kundtun dürfen – für wenig zukunftsfähig. Man sollte langsam beginnen, aus dem jetzigen System auszusteigen. Ziel muss es sein, dass wir nach 2020 aus dem Säulensystem, das wir auf europäischer Ebene entwickelt haben, herauskommen. Wir müssen für mehr Effizienz im Zahlungssystem sorgen, als wir heute haben. (Beifall bei der SPD) Einen ersten Ansatz haben wir in die Koalitionsverhandlungen eingebracht: 4,5 Prozent aus der ersten in die zweite Säule. Mit Blick auf 2017 muss man natürlich sehen, dass 225 Millionen Euro in diesem Zusammenhang nicht allzu viel sind. Da kann man mehr tun. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 15 Prozent!) Theoretisch können wir 750 Millionen Euro umschichten. Ich halte diesen Weg für richtig. Wir sollten das zum Ziel unserer Arbeit hier im Deutschen Bundestag machen; denn undifferenzierten Zahlungssystemen gehört sicherlich nicht die Zukunft. Wir brauchen natürlich auch einen guten Ansatz für die Weiterentwicklung der Politik für die ländlichen Räume. Im Koalitionsvertrag haben wir dazu etwas aufgeschrieben: Wir wollen aus der GAK etwas Ordentliches machen. Diese Aufgabe werden wir jetzt angehen, im Sinne unserer ländlichen Räume. Wir wollen uns den Problemen stellen, die in bestimmten Regionen besonders groß sind, zum Beispiel bei mir zu Hause, wo wir 2035 – das ist nicht lang hin; das sind nur 20 Jahre – ein Viertel weniger Einwohner haben werden. Das macht deutlich, dass wir auch in diesem Bereich zusätzlicher -finanzieller Ressourcen bedürfen, um die Politik für die ländlichen Räume aktiv ausgestalten zu können, um Prozesse aktiv begleiten zu können. Es geht nicht darum, Sterbehilfe für die Dörfer zu leisten, sondern darum, Initiativen zu fördern, darum, bürgerschaftliches Engagement zu fördern, darum, all diejenigen zu fördern, die Ideen haben und sich in diesen Prozess einbringen wollen. Angesichts des, glaube ich, schon in der Abstimmung befindlichen Gesetzes zur Novellierung der alten GAK hoffe ich auf den Herbst und darauf, dass wir eine fruchtbare Diskussion führen werden. In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Friedrich Ostendorff von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Überall volle Säle, kein Ereignis hat in den vergangenen Wochen die Diskussion über die Landwirtschaft und die Zukunft der Landwirtschaft so bestimmt und verändert wie das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung. Überall wird heute entlang konkreter Vorschläge diskutiert, wohin unsere Nutztierhaltung gehen muss, um zukunftsfähig zu sein. Allerdings, nebenbei bemerkt, verhält sich Minister Schmidt auch zu dieser großen gesellschaftlichen Debatte wie immer, nämlich gar nicht. Stille, absolute Stille im Haus des Bundeslandwirtschaftsministers. Herr Minister Schmidt, Sie werden scheinbar zwischen Münchener Staatskanzlei und Bauernverband bis zur Unkenntlichkeit pulverisiert, aber nicht nur Sie, sondern leider auch – das bedauern wir besonders – das ganze Ministerium. Herr Minister, die große Frage für uns alle ist doch: Wohin soll sich unsere Landwirtschaft entwickeln? Darüber müssen wir diskutieren und debattieren, und Sie müssen handeln. Sie sind die Handlungsebene. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wenn ich aber in den Agrarpolitischen Bericht schaue, dann muss ich feststellen, dass sich hinter Ihrem agrarpolitischen Leitbild – Kollegin Tackmann sagte es schon – nur leere Worthülsen, nur Allgemeinplätze verstecken: „… attraktive, lebenswerte und vitale ländliche Räume und eine nachhaltige, ökologisch verantwortbare, ökonomisch leistungsfähige und multifunktionale Landwirtschaft“ – wir Grünen hätten es nicht besser formulieren können – streben Sie an. Danke, Herr Minister, ja, aber etwas genauer wollten wir es dann doch schon wissen. Das ist, glaube ich, klar. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Aber da Sie, Herr Minister Schmidt, im Zweifel nichts entscheiden, wird der Aktenberg der ungelösten Probleme höher und höher – statisch sehr bedenklich, nämlich bedrohlich hoch. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Uns würden wirklich einmal die konkreten Konzepte, mit denen Sie die Probleme anpacken wollen, interessieren. Reden wir doch endlich einmal Tacheles. Initiative Tierwohl – das Thema, das die Landwirtschaft momentan neben der großen Frage der Zukunft der Tierhaltung bewegt –: Welche Strategie, Herr Minister, haben Sie denn, um den Betrieben zu helfen, die sich auf den Weg gemacht haben, Tierschutz in die Ställe zu bringen, die Geld investiert haben und die heute im Regen stehen, da über die Hälfte von ihnen nicht in den Genuss der Ausgleichszahlungen kommt? Erklären Sie uns doch bitte Ihre Strategie. Hier und heute ist der Ort, wo die Landwirtschaft eine Antwort erwartet. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Aber auch hier: nichts, gar nichts von Ihnen, kein Wort. Die Betriebe, die sich aufgemacht haben, müssen doch endlich für ihren Aufwand entlohnt werden, damit sie Mut fassen, auf diesem richtigen Weg weiterzumachen. Ihre Versprechungen, Herr Minister, waren groß. Sie haben während der Grünen Woche viel darüber geredet. Aber jetzt sind wir in einer Zeit, in der Taten erforderlich sind. Wir wollen endlich Taten sehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Was habt ihr dazu beigetragen?) Ihre Aufgabe ist es, den Lebensmittelhandel mehr in die Verantwortung zu nehmen, sodass er das notwendige Geld für die tierwohlgerechte Haltung bereitstellt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Warme Worte helfen den Betrieben hier überhaupt nicht. Die Folgen Ihres Nichthandelns bezahlt die Gesellschaft, bezahlen die Steuerzahler, bezahlen die Bäuerinnen und Bauern. Aber es kann doch nicht sein, dass Steuerzahler die Auswüchse des falschen Wirtschaftens bezahlen. Ist denn der Staat zum Reparaturbetrieb der Wirtschaft verkommen? Das kann doch nicht Staatsaufgabe sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber was macht der Minister? Selbst die Kosten für die Beendigung des Kükenschredderns sollen nun die Steuerzahler zahlen. Wenn das nicht ein Beispiel für eine falsche wirtschaftliche Entwicklung ist, dann weiß ich nicht, was eins sein soll. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Noch schlimmer: Die Lösung vertagen Sie auch noch auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Wie steht es denn nun um die Betriebe? Für die meisten Betriebe hat sich zum Glück das Einkommen – das war nötig für sie – in den letzten vier Jahren bis 2014 gut entwickelt, sehr gut entwickelt. Aber wir alle wissen doch, dass dies ganz besondere Jahre waren. Und aktuell? Die Betriebsergebnisse werden aufgrund der abstürzenden Preise, der rasant abstürzenden Preise in diesem Jahr viel, viel schlechter ausfallen. Viele werden große Schwierigkeiten haben, die nächsten Jahre zu überstehen. Sie wissen genauso gut wie ich, Herr Minister: Die Situation vieler Milchviehbetriebe entwickelt sich trotz Ihrer blumigen Zukunftsvisionen seit dem Wegfall der Quote am 1. April dieses Jahres desaströs. Schöne Märchen haben Sie in der Zeit rund um März/April erzählt. Wie blumig sie waren, die Worte! Sie sagten, wie toll alles wird, wie gut die Zukunft für die Milchviehhaltung ist. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Sie haben den Preis kaputtgeredet!) – Ich habe den Milchpreis nicht gemacht – das wäre eine falsche Entwicklung, Herr Auernhammer –, (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Kaputtgeredet habt ihr ihn!) und ich glaube, Sie auch nicht; also wir beide nicht. Aber wir hätten es gemeinsam beeinflussen können. (Artur Auernhammer [CDU/CSU]: Nein! Wie denn?) Um die Situation der Milchviehhalter in dieser Krisenzeit zu verbessern, sind ein effektives Krisenmanagement und Marktregulierungen nötig. (Christian Schmidt, Bundesminister: Kommunismus!) Dazu haben wir Sie immer wieder aufgefordert, und das haben wir immer wieder angemahnt. Sie haben das vom Tisch gewischt. Wir Grüne haben deutlich gemacht, dass eine aktive Marktgestaltungspolitik für die Milch gebraucht wird, und wir haben deutlich gemacht, wie sie auszusehen hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Was hören wir auch hier vonseiten des Ministers seit Wochen, seit der Milchpreis abgestürzt ist? Nichts, gar nichts, eisiges Schweigen, Ignoranz! (Christian Schmidt, Bundesminister: Wer hat Ihnen eigentlich den Auftrag gegeben, hier so etwas zu sagen? – Gegenruf der Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie auf die Seite des Parlaments, wenn Sie dazwischenrufen wollen! Nicht von der Regierungsbank!) Dabei laufen selbst auf europäischer Ebene die Diskussionen, wie die Probleme gelöst werden können, auf Hochtouren. Herr Minister, Handeln, auch wenn es Ihnen schwerfällt, ist dringend notwendig, mehr als dringend notwendig. Deshalb fordern wir von Ihnen: Legen Sie endlich einen Masterplan zum Umbau der Tierhaltung vor! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Ostendorff, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Minister Schmidt zu? Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn ich meine drei Forderungen genannt habe, können wir gerne darüber diskutieren. Lassen Sie mich das aber eben zu Ende vortragen; denn sonst ist das abgehackt. – Legen Sie endlich einen Masterplan zum Umbau der Tierhaltung vor, Herr Minister! Sorgen Sie endlich dafür, dass der Lebensmittelhandel unter Druck gesetzt wird und er für die Initiative Tierwohl mehr Geld bereitstellt! Geben Sie der Milchviehhaltung eine Perspektive! Sorgen Sie endlich für aktive Milchmengensteuerung, damit nicht weiterhin jedes Jahr 4 Prozent der Milchbetriebe aufgeben müssen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt Sie, Herr Minister; ich freue mich auf Ihre Frage. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Herr Abgeordneter Schmidt!) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Jetzt der Abgeordnete Schmidt. Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Der Abgeordnete Schmidt möchte diese Diskussion mit zwei Fragen zu dem in der Rede des Kollegen Vorgetragenen ergänzen. Darf ich Sie bitten, uns an Ihren Ideen im Hinblick auf die Milchmarktregelung teilhaben zu lassen, bzw. ist Ihnen bekannt, welche Aussagen zur Zukunft des Milchmarktes in dem Gutachten, das das baden-württembergische Landwirtschaftsministerium gerade zu diesem Thema eingeholt hat, vor dem Hintergrund der derzeit schwierigen Situation getroffen worden sind? Die zweite Frage, die ich stellen möchte, betrifft die Initiative Tierwohl. Ist Ihnen bekannt, dass die Initiative Tierwohl eine private Brancheninitiative des Deutschen Bauernverbandes und des Lebensmitteleinzelhandels ist? Welche Mittel schlagen Sie dem Bundesminister vor, um unter Beachtung des Kartellrechtes zu verordnen, was wo wer bezahlen soll? Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, wunderbar; danke für diese Fragen. – Nicht nur wir, sondern auch die Kollegen der Linken haben seit der Grünen Woche dazu aufgefordert (Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU], an die Abg. Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Jetzt hat er mir ja die Zeit zum Fragen gegeben!) – Herr Minister bzw., in diesem Fall, Herr Kollege, jetzt hören Sie mir bitte zu –, (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Kollege, genau! Kollege Minister!) sich aktiv um die Milch zu kümmern, weil wir die Sorge hatten – das ist leider eingetreten; keiner von uns kann das wollen –, dass die Preise in große Turbulenzen kommen, und sich Gedanken zu machen: Welche Hilfsinstrumente kann es geben, um die Märkte zu stabilisieren? Aber Sie haben ja jede Debatte darüber abgelehnt; Sie haben sich auf keine Debatte eingelassen. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Richtig!) Das wollen wir doch erst einmal feststellen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir haben gesagt, dass die Marktbeobachtungsstelle in Brüssel, die von den Milchviehhalterinnen und Milchviehhaltern mühsam erkämpft worden ist, gestärkt werden muss. Wir haben das in den Haushaltsberatungen gesagt und entsprechende Anträge eingebracht, um dabei zu helfen, die Aktivitäten der Milcherzeuger zu bündeln und zu stärken. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Geht es auch ein bissel konkreter?) Was war? Sie haben es abgelehnt! Sie haben ja keine Debatte darüber zugelassen! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sich jetzt hierhinzustellen und uns zu fragen: „Wo sind denn die Instrumente?“, halte ich für infam. Wir werden Ihnen all unsere Vorschläge, die wir in den ganzen Reden der letzten Wochen und Monate vorgetragen haben, zuschicken. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Meine bitte auch! – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Ach, das ist ja eine Milchmädchenrechnung!) Das ist infam, wie Sie hier Politik machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister, die Initiative Tierwohl ist sehr zu begrüßen. Sie haben immer wieder erklärt, dass sich das Ministerium in die Debatte einbringen wird, wenn diese Brancheninitiative Schwierigkeiten hat. Das ist sogar in den Verträgen niedergelegt. Was ist denn jetzt? Wo bringen Sie sich denn ein? Sagen wir es doch einmal so: Was muss denn noch passieren, damit Fahrt aufgenommen wird (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie Ostendorff!) und wir diese Debatte beginnen? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE] – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Gehen Sie einmal auf die Fragen ein!) Kommen Sie doch einmal mit mir in die Säle Westfalens und Niedersachsens, und hören Sie sich an, was dort zur Initiative Tierwohl diskutiert wird. Vielleicht haben Sie ja in Bayern keine Gelegenheit dazu. Die Bauern und Bäuerinnen fragen Johannes Röring und alle, die wir hier sind, wo die Hilfe bleibt, die ihnen versprochen worden ist. Hier ist der Minister gefordert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Frau Präsidentin!) Herr Abgeordneter, Sie können sich gerne hinsetzen; ich bin mit meiner Beantwortung fertig. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Im wahrsten Sinne des Wortes!) Zum Schluss will ich Ihnen, Herr Minister, aber noch sagen: Die Hoffnung stirbt zuletzt – auch bei uns, und das ist bei einem evangelischen Christen sehr schwer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fahren jetzt in der Debatte fort. – Als nächste Rednerin hat Ingrid Pahlmann von der CDU/CSU-Fraktion das Wohl. (Beifall bei der CDU/CSU) Ingrid Pahlmann (CDU/CSU): Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Minister Schmidt hat ja die großen Schlaglichter des Agrarpolitischen Berichts beleuchtet und deutlich gemacht, dass die Anforderungen an die deutsche Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft in immer stärkerem Maße auch mit den gesellschaftspolitischen Anforderungen korrespondieren müssen. Ich danke ihm auch ganz besonders für die Anerkennung, die er hier eben den so wirtschaftenden Betrieben ausgesprochen hat. Herr Ostendorff, mir ist ein stilles, konkretes, effektives Arbeiten zehntausendmal lieber als laute Schaumschlägerei, die nur aus viel heißer Luft besteht. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Uns auch! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo war das denn Schaumschlägerei?) Aufgabe der Politik muss es sein, verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Es muss auch was herauskommen beim Arbeiten!) für ein Nebeneinander von Akzeptanz, Wertschätzung, aber auch wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit der Branche. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schöne Worte, keine Hilfen!) Die Branchen sind bereit, sich den gesteigerten Anforderungen zu stellen und die Dinge mitzumachen, die auf den Weg gebracht werden. Ich möchte jetzt aber die Aufmerksamkeit auf zwei spezielle Bereiche des Berichts lenken, die hier noch nicht behandelt worden sind, nämlich auf die Fischerei und auf die Forschung. In der Fischereipolitik ist nachhaltige Fischerei das oberste Ziel – in der Binnen- wie auch in der Seefischerei –; denn eine nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände ist ökologisch geboten, und der Erhalt der Biodiversität ist im Sinne der Bewahrung der Schöpfung. Gesunde Bestände sichern aber auch die wirtschaftliche Lebensgrundlage der Fischer, die so einen wesentlichen und immer bedeutsamer werdenden Beitrag als Lieferanten gesunder Lebensmittel leisten können. Hier gilt, wie in anderen Bereichen auch, was der Bundesminister bereits bei der Vorstellung des Agrarpolitischen Berichts 2015 in der Befragung der Bundesregierung am 20. Mai 2015 postulierte: Das Schützen und das Nutzen unserer natürlichen Ressourcen sind zwei Seiten einer Medaille. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Fischereiwesen in Deutschland ist ein traditioneller Bestandteil von Wirtschaft und Kultur – besonders an der Küste, aber auch im Binnenland. Deshalb ist es auch erfreulich, dass der weitaus größte Teil der deutschen Fischereifahrzeuge, nämlich 1 166 von insgesamt 1 530, der kleinen Küstenfischerei angehört. Auch wenn wir es kritisch sehen, dass sich die Kapazität der Fischereiflotte in den letzten Jahren insgesamt weiter verringert hat – die Fischereiflotte hat ja wirtschaftlich durchaus einen schweren Stand –, ist der eingeschlagene Weg auf jeden Fall der richtige. Gerade im Bereich der Hochseefischerei und der Küstenfischerei war der große Kraftakt der vergangenen Jahre die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik. Sie gilt seit dem 1. Januar des letzten Jahres. Auch wenn mit dem Inkrafttreten die eigentliche Arbeit erst angefangen hat und längst noch nicht alles zufriedenstellend gelöst ist, muss man doch anerkennen: Das Nachhaltigkeitsziel als oberstes Prinzip ist ein großer Erfolg. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]) Rückwurfverbot und Anlandegebot zeigen bereits erste Wirkungen. Die Entwicklung der Fischbestände im Berichtszeitraum ist erfreulich und zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind, den wir konsequent fortsetzen wollen. Auch die Aquakultur darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Hier besteht noch erhebliches Potenzial für Wachstum und Produktionssteigerung, wobei auch hier die nachhaltige und tiergerechte Erzeugung das oberste Prinzip sein muss. Das spannt dann auch den Bogen zu meinem zweiten Schwerpunkt, der Agrarforschung. Hier wird das gefördert, was wir schon lange fordern: eine innovative und gut aufgestellte Forschung, die anwendungsorientiert -zukunftsfähige Lösungen entwickelt, die Ressourcen schont und umweltverträglich unsere Agrar- und Ernährungswirtschaft wettbewerbsfähig hält. Dabei sind die einzelnen Forschungsfelder derart komplex, dass ihnen eigentlich eine weitaus größere Aufmerksamkeit zukommen sollte. (Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Ja!) Ich nenne zukunftsfähige und attraktive ländliche Räume; nachhaltige Produktion und Nutzung pflanzlicher Ressourcen; Tiergesundheit, Tierschutz und nachhaltig gestaltete Erzeugung tierischer Produkte; funktionsfähige Märkte und faire Handelsbedingungen; Lebensmittel- und Produktsicherheit; gesunde Ernährung und Lebensweise sowie Sicherung der globalen Ernährung. All die genannten Forschungsfelder stehen gleichberechtigt nebeneinander und sind unabdingbar für eine gelingende Gesellschaft. (Beifall bei der CDU/CSU) Dabei soll Forschung nicht nur gesellschaftliche Debatten aufgreifen und für diese Lösungen entwickeln, sondern sollte selbst auch zukunftsweisende Prozesse anstoßen. Hierfür muss Forschung allerdings nicht nur mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet werden, sondern auch strukturell ermöglicht werden, indem zum Beispiel Hindernisse abgebaut werden, die in der Programmförderung weiterhin noch vorhanden sind. Wir haben das Stichwort schon gehört – der Minister hat es angesprochen –: Entbürokratisierung ist ein großes Thema, auch für die Forschung. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Ausgaben für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung haben sich seit dem letzten Bericht um knapp 40 Millionen Euro erhöht. So fördern wir seit 2014 zum Beispiel im Rahmen der Eiweißstrategie – Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Kollegin. Ingrid Pahlmann (CDU/CSU): – ich bin gleich fertig – Forschungsvorhaben mit dem Ziel, die Versorgung mit pflanzlichen Eiweißen heimischer Produktion zu verbessern. Weil Forschungsergebnisse eben erst dann nutzbringend sind, wenn sie auch praktische Anwendung in den Betrieben finden, wurde die Deutsche Innovationspartnerschaft Agrar gegründet. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Frau Kollegin, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen. Ingrid Pahlmann (CDU/CSU): Ja, ich komme zum Schluss. – Wir brauchen die Forschung an der Seite der Politik, wir brauchen die Forschung an der Seite der Betriebe – im Interesse aller und im Miteinander für den ländlichen Raum. Dann gelingt das auch. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Rainer Spiering von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Rainer Spiering (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Meinen Redebeitrag zum -Agrarpolitischen Bericht 2015 möchte ich mit einem Zitat beginnen: Der politische und gesellschaftliche Konsens, die Landwirtschaft als elementaren Teil unserer ökonomischen, sozialen, ökologischen und kulturellen Gesellschaftsstruktur anzuerkennen, ist in Teilen brüchig geworden. Das sagte Landwirtschaftsminister Schmidt bei der Vorstellung des Agrarpolitischen Berichts 2015. Ein zweites Zitat daraus, auch vom Landwirtschaftsminister: Die Bruttowertschöpfung im Bereich der Ernährungs- und Landwirtschaft beträgt 161 Milliarden Euro; – diese Zahl ist heute schon einmal genannt worden – das entspricht einem Anteil an der gesamten Wertschöpfung von 6 Prozent. Diese beiden Zitate machen das Spannungsfeld klar, in dem wir uns zurzeit befinden: Wir haben eine sehr leistungsfähige Agrarwirtschaft. Aber wir haben auch eine gesellschaftliche Entwicklung, die dazu führt, dass die Menschen den Produkten der Agrarwirtschaft nicht mehr das Zutrauen entgegenbringen, das sie ihnen eigentlich entgegenbringen müssten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Und keine leistungsfähige Bundesregierung!) Daran müssen wir schwerpunktmäßig arbeiten, und zwar unter Berücksichtigung der Kritik, die geübt worden ist. Im Agrarpolitischen Bericht wird die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Tieren und Umwelt betont. Zitiert worden ist heute bereits Professor Spiller, der mit seinem Gutachten über die Marketingseite – diese darf man nie vergessen – deutlich macht, wie das Produkt zurzeit in seinem Umfeld, also in Deutschland, wahrgenommen wird. Daraus folgt, es gibt in Deutschland nachhaltig, in unserem inneren Kreis und nicht irgendwo draußen, ein Unwohlsein. Dieses Unwohlsein kann man nicht wegdiskutieren; denn es ist da. Man kann es auch nicht verdecken; denn es ist da. Das heißt, wir müssen irgendwie damit umgehen. Und „umgehen“ bedeutet hier, eine Strategie zu entwickeln, mit der nach vorne geschaut wird. Tierwohl kann dabei eine sehr große Rolle spielen. Ich möchte mich ausdrücklich bei meiner Kollegin Christina Jantz bedanken, die in diesem Zusammenhang ein wirklich ausgesprochen innovatives Papier entwickelt hat. Wir werden gemeinsam mit Christina dafür kämpfen, dass wir es umsetzen. Denn Tierwohl ist ein marktrelevanter Faktor. Aber wenn wir uns mit diesem marktrelevanten Faktor auseinandersetzen wollen, dann brauchen wir keine Versuche – probieren reicht nämlich nicht aus –, sondern nachhaltige wissenschaftliche Untersuchungen. Die Kollegin Pahlmann hat gerade die Forschung angesprochen. Wir sind ein Land, das im Bereich Forschung und Entwicklung sehr stark ist. Zur Frage des Tierwohls sind wir aber offensichtlich noch nicht in der Lage nachhaltige Untersuchungsergebnisse vorlegen zu können. Das wird unsere Aufgabe sein. Diskutiert wird auch der Stall der Zukunft. Aber der Stall der Zukunft – das hat gestern unser Gespräch mit der DAFA gezeigt – ist ein ausgesprochen vielschichtiges und analytisch schwer zu erfassendes Instrument. Die DAFA weist zu Recht darauf hin, dass eine Erprobung, wenn man sich dafür entscheidet, in mehreren Streams gemacht werden muss. Das heißt, man muss mehrere Projekte gleichzeitig auf den Weg bringen. Wenn man das tun will und den Landwirten, die man dafür braucht, nachhaltige Sicherheit für ihr Experiment geben will, dann müssen wir dafür Geld ausgeben, Herr Minister Schmidt. Das ist eine Tatsache; das ist eine einfache Wahrheit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das gilt auch für andere Forschungsbereiche. Die Eiweißpflanzenstrategie ist bereits angesprochen worden. Schön und gut, Kolleginnen und Kollegen, aber damit, dass wir der Eiweißpflanzenstrategie die richtige Richtung geben, geben wir letztlich noch keine schlüssige Antwort. Das heißt, dass wir auch im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie sehr gründlich darüber nachdenken müssen, wie wir Proteine in einem ganz anderen Maße nutzen können, als wir das derzeit tun. Denn die Nutzung von Proteinen erfolgt nicht nur auf dem Weg über das Tier. Es gibt auch andere Nutzungsmöglichkeiten für Proteine. Auch in diesem Bereich werden wir Geld für Forschung in die Hand nehmen müssen. Forschung ist schlechthin der Ansatz, den wir brauchen, um überhaupt agieren zu können. Da meine Redezeit schon abgelaufen ist, lassen Sie mich Folgendes sagen: Landwirtschaft made in Germany ist weltweit gefragt. Wir haben hochwertige Lebensmittel. Wir haben sehr hohe prozessorientierte Standards, und wir haben Spitzentechnologien im Bereich der Landmaschinentechnik. Wir können es schaffen, die ökonomischen Interessen der Landwirtschaft mit den gestiegenen Anforderungen des Verbraucher- und des Umweltschutzes zu verknüpfen. Aber wir müssen dies auch wollen. Und dafür werden wir Geld in die Hand nehmen müssen. Wir müssen besser werden. Forschung ist dabei von zentraler Bedeutung. Der Agrarsektor ist – das ist mir in den letzten zwei Jahren klar geworden – einer der wenigen Sektoren, bei dem wir in Deutschland Urproduktion haben. Wir reden immer davon, dass wir nur eine Basis haben, nämlich unser Wissen. Nein, wir haben im landwirtschaftlichen Bereich auch Urproduktion, und wir müssen die Möglichkeiten, die wir im Bereich der Urproduktion haben, nutzen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Mittels Pflanzen findet Urproduktion statt. Aber es reicht nicht, darüber zu reden. Man muss auch Geld in die Hand nehmen, um eine Zukunftsperspektive aufzubauen. Wir können das, und wir wollen das. Wir können mit Big Data, Toptechnologie und einer hochengagierten Landwirtschaft mit stark ausgeprägtem Umwelt- und Produktbewusstsein einen Zyklus vorgeben, mit dem Deutschland in der Welt Vorreiter sein kann – wenn wir denn wollen. Ich danke fürs Zuhören. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Vielen Dank. – Als letzter Redner in dieser Debatte hat Franz-Josef Holzenkamp von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Rainer Spiering, mit dieser Rede kann man sich sogar bei der CDU bewerben. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Bekommt er auch Geld dafür?) Aber zurück zum Agrarpolitischen Bericht 2015. Man sollte vielleicht auch noch den Gartenbau erwähnen. Er wurde nämlich bislang komplett vergessen. Jedenfalls, meine Damen und Herren, tut sich etwas in unserem Land. Das Interesse am Essen und Trinken – und auch ein bisschen die Wertschätzung dafür – steigt, (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ich denke, Sie sind gegen Adipositas!) wenn es auch, wie ich finde, noch zu gering ist; da ist noch Luft nach oben. Über diese Entwicklung können wir uns freuen. Auch das Interesse an der Art und Weise der Erzeugung in Deutschland steigt, (Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Trotz dieser Regierung!) ob im Pflanzenbau oder in der Tierhaltung. Die Agrar-politik steht also zunehmend im gesellschaftlichen Fokus. Ich will an dieser Stelle aber auch anmerken: Ich finde, wir verlangen richtig viel von unseren Landwirten, und sie leisten auch richtig viel. Ich finde, dafür haben sie ganz banal Dank, Würdigung und Unterstützung verdient. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie sind in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten dem Preisdruck der Märkte und den Forderungen nach Effi-zienzsteigerungen sehr erfolgreich entgegengetreten. Aber gleichzeitig – auch das ist wahr – sind Akzeptanz und Vertrauen spürbar gesunken. Die Erwartungen und Ansprüche der Gesellschaft steigen. Das tatsächliche Kaufverhalten ist aber nach wie vor im Wesentlichen von Preisbewusstsein geprägt. Der Agrarpolitische Bericht greift dieses Spannungsfeld als Standortbestimmung auf. Wichtig ist nun, die Weichen richtig zu stellen und die entsprechenden Vorhaben auf den Weg zu bringen. Ich will behaupten: Das BMEL, die Agrarwirtschaft und wir als Agrarpolitiker sind auf einem guten Weg, und zwar mit einer Art Qualitätsoffensive Landwirtschaft made in Germany, wie ich es einmal nennen möchte. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Aber im Schleichgang!) Wir haben auch Veränderungsbereitschaft – das hat Bundesminister Schmidt deutlich gemacht –, Landwirtschaft neu zu denken. Aber wir machen es ein bisschen anders als einige andere, nämlich miteinander statt gegeneinander. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Jahre später!) Wir wollen den notwendigen Änderungsprozess als Chance verstehen. Aber dafür brauchen wir Begeisterung. Wir dürfen keine Zukunftsängste unter den Landwirten und in der Landwirtschaft verbreiten. Da stehen wir alle in der Verantwortung, meine Damen und Herren. Der gesundheitliche Verbraucherschutz spielt eine große Rolle. Ich will nur zwei Beispiele nennen. Wir wollen die Kennzeichnung vorantreiben, damit jeder weiß, ob das drin ist, was draufsteht, nach dem Motto „Wahrheit und Klarheit“. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Deshalb kämpfen wir für eine umfassende GVO-Prozesskennzeichnung. Ich will an dieser Stelle auch erwähnen: Wir haben trotz Anlaufschwierigkeiten das AMG novelliert, um den Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung zu reduzieren, und haben damit große Verantwortung übernommen. Dieses Gesetz ist beispielhaft und dient dazu, den Antibiotikaeinsatz jedes landwirtschaftlichen Betriebs zu ermitteln und automatisch Reduk-tionsmaßnahmen auf den Weg zu bringen. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Aber das reicht nicht!) Hier sind wir hervorragend aufgestellt. Darüber dürfen wir uns auch einmal freuen. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Aber Dokumentation reicht nicht! – Zuruf des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Landwirtschaft, meine Damen und Herren, ist aber auch Wirtschaft. Nur durch Landwirtschaft gibt es nämlich auch lebendige Dörfer. Natürlich funktioniert Wirtschaft nur – Herr Spiering hat bereits darauf hingewie-sen –, wenn Wettbewerbsfähigkeit gegeben ist. Im Übrigen gibt es ohne Wettbewerbsfähigkeit auch keine Nachhaltigkeit. Das hat der kollektive Zusammenbruch des Sozialismus gezeigt. Anders geht es nicht. Dabei gewinnt Regionalität an besonderer Bedeutung. Ich will aber klarstellen: Für uns sind Regionalität und Globalität kein Widerspruch. Wochenmarkt und Weltmarkt sind unsere Leitlinie. Deshalb bin ich dem Bundesminister dankbar, dass beide Richtungen gestärkt und nicht gegeneinander ausgespielt werden. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir wollen unsere Ressourcen im Umweltbereich schützen und nutzen. Pflanzenschutz und Düngerecht stehen im Zentrum einer effizienten und ressourcenschonenden Pflanzenerzeugung. Es wurde darauf hingewiesen, dass wir die Düngeverordnung neu regeln, (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben! – Zuruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) um Einträge in Wasser zu minimieren. Aber ich will unterstreichen: Auch die Pflanzen müssen ausreichend ernährt werden. Das geht nicht mit Verboten, sondern nur mit Lösungen. (Beifall bei der CDU/CSU) Auch in der Tierhaltung ergreifen wir – das wurde schon mehrfach angesprochen – konkrete politische Maßnahmen. Ich weise auf die Tierwohl-Initiative des BMEL hin. In diesem Rahmen wollen wir konkrete Lösungen durch Forschung erarbeiten und den Landwirten anbieten. Wir machen Politik, indem wir Lösungen anbieten, und nicht, indem wir nur Verbote aussprechen; das greift nämlich zu kurz. Deshalb haben wir die Initiative „Verbindliche Freiwilligkeit“ ins Leben gerufen. Friedrich Ostendorff, ich weiß um all die Probleme, die du zu Recht angesprochen hast, und dass sich der Handel stellenweise nicht ausreichend seiner Verantwortung stellt. Daran arbeiten wir. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Herr Kollege Holzenkamp, Sie müssen zum Schluss kommen. Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Ich komme zum Schluss. – Die Initiative „Verbindliche Freiwilligkeit“ ist ein erster Schritt; nur so haben wir die Chance, dass die Landwirte für ihre höheren Standards tatsächlich angemessen entlohnt werden. Meine Damen und Herren, wir sind auf einem sehr guten Weg. Wir nehmen die richtigen Weichenstellungen vor. Wir stehen vor einer herausfordernden und spannenden Aufgabe. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das sind jetzt gleich sieben Minuten!) Ich lade Sie alle herzlich ein, mitzumachen, aber bitte konstruktiv. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Danke, Herr Kollege. – Ich wünsche Ihnen allen sowie unseren Gästen auf der Tribüne einen schönen Mittag. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/4970 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich bitte um Platzwechsel. Wer die nächste Debatte nicht verfolgen will, möge den Saal bitte zügig verlassen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf: Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikus-anwälte Drucksache 18/5201 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Arbeit und Soziales Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Heiko Maas, der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, hat das Wort. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir den Beruf der Syndikusanwälte und -anwältinnen zum ersten Mal auf eine eigene gesetzliche Grundlage stellen. Wir wollen damit Rechtssicherheit für die Betroffenen schaffen, aber wir wollen vor allen Dingen auch – das ist ein wichtiges Ziel – die Einheit der Anwaltschaft stärken. Dieser Gesetzentwurf hat einen Anlass. Es sind die Urteile des Bundessozialgerichts aus dem vergangenen Jahr. Die meisten, die sich damit beschäftigt haben, werden sie kennen. Das Gericht in Kassel war der Ansicht, dass ein Jurist, der bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber angestellt ist, kein Anwalt sein kann. Diese Urteile haben bei den Betroffenen für große Unsicherheit gesorgt; denn damit standen für sie die Mitgliedschaft in den Versorgungswerken der Anwaltschaft und damit auch ihre Altersversorgung auf dem Spiel. Mit diesem Gesetzentwurf formulieren wir jetzt erstmals klare Voraussetzungen, unter denen ein Syndikus für seine Tätigkeit im Unternehmen zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden kann. Wir schaffen damit Rechtssicherheit für über 40 000 Kolleginnen und Kollegen; denn wir geben ihnen die Möglichkeit – darum geht es im Wesentlichen in diesem Gesetzentwurf –, in die Versorgungswerke zurückzukehren. Unser Gesetzentwurf geht von einer berufsrechtlichen Lösung aus. Ob ein Unternehmensjurist als Anwalt zu qualifizieren ist, hängt danach von folgenden Umständen ab: Er muss fachlich unabhängig und weisungsfrei tätig sein. Seine Tätigkeit muss darin bestehen, Rechtsfragen zu prüfen, Rechtsrat zu erteilen und Rechtsverhältnisse zu gestalten, und er muss eine Vertretungsbefugnis nach außen besitzen. Dabei orientieren wir uns genau an den Kriterien, die die Deutsche Rentenversicherung auch bisher schon angelegt hat. Mit der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft werden die Syndikusanwälte den übrigen Anwälten weitestgehend gleichgestellt. Einige Unterschiede bestehen nur bei der Vertretung und bei den Privilegien in der Strafprozessordnung; aber das ist, wie ich finde, nachvollziehbar und berechtigt. Der Syndikusrechtsanwalt ist in seiner Beratung und Vertretung grundsätzlich auf die Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers beschränkt. Wo vor Zivil- und Arbeitsgerichten Anwaltszwang herrscht, dürfen Syndikusanwälte ihren Arbeitgeber nicht gerichtlich vertreten. Auch das halte ich für sinnvoll und notwendig. In Straf- und Bußgeldverfahren besteht ein umfassendes Vertretungsverbot. Außerdem sollen das Zeugnisverweigerungsrecht und das Beschlagnahmeverbot der StPO hier nicht gelten. – Diese Einschränkungen sind allesamt begründet, sie sind der besonderen Stellung der angestellten Anwältinnen und Anwälte in ihren Unternehmen -geschuldet und deshalb, wie ich finde, alle sehr nachvollziehbar. Ganz wichtig bei diesem Gesetzentwurf ist auch, dass sich zugelassene Syndikusanwälte in Zukunft wieder von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen können. Für besondere Rechtssicherheit – darauf kommt es vielen Syndikusanwälten, die im Moment sehr verunsichert sind, an – sorgt dabei die Bindungswirkung der Kammerentscheidung. Wenn die Rechtsanwaltskammer einen Unternehmensjuristen zur Rechtsanwaltschaft zugelassen hat, dann bindet diese Entscheidung auch die Rentenversicherer, wenn es um die Befreiung von der Versicherungspflicht geht. Der Gesetzentwurf geht noch weiter. Er schafft nämlich auch Vertrauensschutz: Wer bis zu den Urteilen des Bundessozialgerichts von der Versicherungspflicht befreit war und anschließend in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, der kann seine Beiträge nun in die anwaltliche Versorgung zurückführen. Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetzentwurf schaffen wir alles in allem ein modernes Berufsrecht, wir schützen das Vertrauen der Syndikusanwälte in ihre Alterssicherung, und wir stärken damit die Anwaltschaft als Ganzes. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Hat ein bisschen gedauert mit dem Beifall!) – Aber er war immer noch an der richtigen Stelle, Herr Petzold. (Heiterkeit bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dieses Thema ist umfassend diskutiert worden, und das ist auch alles gut und richtig. Dieser Gesetzentwurf ist mittlerweile bei den Betroffenen, in der Fachwelt, aber auch in allen politischen Lagern auf viel Zustimmung gestoßen. Deshalb hoffe ich, dass dieser Entwurf auch in diesem Hause auf große Zustimmung stößt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Heiko Maas. – Nächster Redner in der Debatte: Harald Petzold für die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Besuchertribünen! Die Bundesregierung will – so schreibt sie in ihrem Gesetzentwurf, und so hat es der Minister gerade vorgetragen – die Stellung des Syndikusanwalts als Rechtsanwalt gesetzlich regeln. Nun kann man das natürlich so sehen, wie es der Minister hier gerade vorgetragen hat. Für die Linke kann ich nur sagen: Es ist zumindest bedauerlich, dass diese Gesetzesinitiative erst dann zustande kam, als uns das Bundessozialgericht dazu gezwungen hatte, hier aktiv zu werden. Sie wäre eigentlich schon längst überfällig gewesen. Das Kernproblem, um das es geht, nämlich die rentenrechtliche Frage, hätte eigentlich schon längst gelöst sein können, wenn Sie sich einer Diskussion über eine solidarische Bürgerversicherung nicht ständig verweigern würden. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: In Gedanken klatsche ich mit, Herr Petzold!) Mit den bisherigen gesetzlichen Regelungen haben Syndikusanwälte – ich erläutere diesen Begriff für diejenigen, die ihn heute zum ersten Mal hören –, also Rechtsanwälte, die im Rahmen eines dauerhaften Beschäftigungsverhältnisses ihre Arbeitszeit und ihre Arbeitskraft einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber, etwa Unternehmen, Versicherungen, Banken, Verbänden, zur Verfügung stellen, vor allen Dingen ein rentenrechtliches Problem. Nun kann man sagen: Das stimmt ja gar nicht. Das Bundessozialgericht hat doch nur entschieden, dass Rechtsanwälte, die nicht selbst anwaltlich tätig sind, von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr befreit werden können. – Das stimmt zwar. Wenn wir aber, wie gesagt, eine Versicherung einführen würden, in die alle einzahlen und die dann auch für alle gilt, dann hätten wir dieses vermeintliche rentenrechtliche Problem mit einem Schlag gelöst. Denn wir hätten eine Rentenversicherung, in die erstens alle einzahlen, in der es zweitens keine Beitragsbemessungsgrenzen gibt – wer wenig leisten kann, zahlt also wenig ein, und wer mehr leisten kann, zahlt auch mehr ein –, in die drittens alle Einkommensarten einbezogen werden, bei der es viertens eine Parität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt und für die fünftens gilt, dass die Leistungen, die daraus resultieren, so geregelt sind, dass wir Sonderversorgungssysteme und private Versicherungssysteme eigentlich nicht mehr als Vollversicherungssysteme brauchen. (Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sie machen doch alle gleich!) – Nein, wir machen eben nicht alle gleich. Aber wir stellen einen solidarischen Ausgleich in der Gesellschaft her; das ist etwas anderes. – Dementsprechend wird unser parlamentarisches Handeln in der vorliegenden Sache darauf gerichtet sein, dass wir eine sozialrechtliche Lösung anstreben, und alles andere ist ein erfundenes Nebenproblem. (Beifall bei der LINKEN) Natürlich ist es ein längst überfälliger Schritt, dass gesagt wird, dass Syndikusanwälte neben ihrer Tätigkeit als angestellter Anwalt auch als niedergelassener Anwalt tätig sein können. Damit werden die Syndikusanwälte den niedergelassenen Rechtsanwälten gleichgestellt, wenn sich – das ist wiederum das Problem dabei – aus ihrem Anstellungsvertrag ergibt, dass die anwaltliche Unabhängigkeit nicht durch das Weisungsrecht eines Arbeitgebers beeinträchtigt wird. Es ist natürlich zu unterstützen, dass die bisherige Praxis, so zu verfahren, fortgesetzt wird. Auf der anderen Seite ist das für die Syndikusanwälte überhaupt keine Gewähr für eine ausreichende Unabhängigkeit. Die würden sie nur erreichen, wenn es einen Sonderkündigungsschutz für sie gibt. Das alles festzustellen, also herauszufinden, wer tatsächlich unabhängig ist, also nicht weisungsgebunden arbeitet, überlassen Sie dann wieder der Rechtsanwaltskammer. Die bekommt die bürokratische Arbeit aufgebürdet. Ich sage: Entbürokratisierung sieht anders aus. (Beifall bei der LINKEN) Wir begrüßen natürlich die Einschränkungen bei der gerichtlichen Vertretung des Arbeitgebers durch einen Syndikusanwalt. Ohne diese Einschränkungen würde es zu einem Ungleichgewicht zwischen den Prozessparteien kommen: Einzelpersonen oder kleine und mittlere Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung müssten ihren Rechtsanwalt selbst bezahlen, während sich große Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung durch ihre eigenen Syndikusanwälte vertreten lassen könnten (Christian Flisek [SPD]: Die kosten auch was!) und so ihr Kostenrisiko in einem Prozess minimieren könnten. Das kann nicht sein. – Die Einschränkungen unterstützen wir natürlich. Es wäre aber nicht notwendig gewesen, extra ein Gesetz dafür zu schaffen, um hier ein Berufsrecht zu definieren. Wir sagen: Schaffen Sie endlich eine solidarische Bürgerversicherung! Dann bekommen wir das Problem gelöst. In diesem Sinne werden wir uns in den Ausschusssitzungen an der Arbeit an dem Gesetzentwurf beteiligen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Petzold. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Jan-Marco Luczak für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Christian Flisek [SPD]) Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! § 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung formuliert: „Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.“ In § 3 Absatz 1 heißt es, dass der Rechtsanwalt „der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten“ ist. Ich glaube, diese wenigen Worte verdeutlichen, dass der Rechtsanwalt ein zentraler Akteur in unserem rechtsstaatlichen Gefüge ist. Ohne freie Advokatur, ohne Anwälte, die dem Justizgewährungsanspruch der Bürger tatsächlich Geltungskraft verschaffen, gibt es keinen Rechtsstaat. Meine Damen und Herren, was macht einen unabhängigen Rechtsanwalt aus? Bei dieser Frage scheiden sich die Geister. Die Diskussion darüber hat letztlich ihren Kulminationspunkt in den Urteilen des Bundessozialgerichts vom April des letzten Jahres gefunden. Darin hat das Gericht allen in Unternehmen angestellten Syndikusanwälten abgesprochen, Rechtsanwälte zu sein; denn nach Ansicht des Gerichts – wir haben es hier gehört – schließen sich abhängige Beschäftigung und anwaltliche Tätigkeit aus. Weil Syndizi als abhängig Beschäftigte dem Direktionsrecht ihres Arbeitgebers unterliegen, seien sie nicht in der Lage, so das Gericht, unabhängigen und weisungsfreien Rechtsrat zu erteilen. Die sozialrechtliche Folge dieser Auffassung war, dass Syndikusanwälte sich nicht mehr von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung haben befreien lassen können. Diese Urteile – das haben wir gehört – haben zu einer wirklich großen Verunsicherung der Betroffenen geführt. Sie reichen aber weiter. Sie betreffen auch die Grundfragen des anwaltlichen Berufsbildes. Da muss man schon einmal fragen: Ist denn eigentlich das vom Bundessozialgericht zugrunde gelegte Berufsbild richtig? Bildet es die Realität des Anwaltsberufs nicht nur in den Unternehmen, sondern etwa auch mit Blick auf die große Zahl angestellter Anwälte in Kanzleien treffend ab? Ich glaube, man muss hier sagen, dass die Prämissen des Bundessozialgerichts an dieser Stelle falsch gewesen sind. (Beifall bei der CDU/CSU) Keinem Unternehmen – das muss man deutlich formulieren – ist mit einem nach Weisung erstellten geschönten Rechtsgutachten geholfen. Da setzt sich ein Vorstand nur der Gefahr von Haftungsfällen, von Compliance-Verstößen oder gar der Gefahr aus, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Nein, es ist so, dass Syndikusanwälte ihren Berufsethos und damit das Recht in die Unternehmen tragen. Deswegen können, sollen und müssen Syndizi unabhängigen Rechtsrat für ihren Arbeitgeber erteilen. Alles andere verkennt die Realität in den Unternehmen. (Beifall bei der CDU/CSU) Deswegen war für uns als Union in dieser Diskussion immer klar: Syndikusanwälte sind keine Anwälte zweiter Klasse, sondern, im Gegenteil, sie sind zentrale und integrale Bestandteile der Anwaltschaft, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU) Weil wir an dieser Stelle so klar waren, haben wir aus den Urteilen des Bundessozialgerichts einen klaren gesetzgeberischen Handlungsauftrag abgeleitet. Wir wollen klarstellen, dass Syndikusanwälte wirkliche, echte Anwälte sind und sich dann in der Folge auch wieder von der Versicherungspflicht befreien lassen können. Insofern freut es mich, dass wir nach über einem Jahr zusammenkommen, um über diesen Gesetzentwurf zu diskutieren. Unser Ziel ist dabei ganz klar: Wir wollen den Status quo ante, also vor den Urteilen des Bundessozialgerichts, wiederherstellen. Der Entwurf geht an der Stelle in die richtige Richtung, einen berufsrechtlichen Ansatz in der Bundesrechtsanwaltsordnung zu finden, der dann auch von sozialrechtlichen Regelungen im SGB VI flankiert wird. Was sagt nun der Entwurf? Dazu haben wir schon einiges gehört. Erst einmal ist es so, dass der Syndikusanwalt legal definiert und statusrechtlich anerkannt wird. Ich will an der Stelle auch sagen: Es geht hier nicht darum, dass jeder Jurist, der in einem Unternehmen tätig ist, zukünftig auch ein Syndikusanwalt ist. Darum geht es nicht. Wir reden nicht über den Sachbearbeiter bei einer Versicherung, sondern wir reden über diejenigen, die wirklich anwaltlich tätig sind, das heißt fachlich unabhängig und eigenverantwortlich ihre Tätigkeit ausüben. Das Gesetz definiert hier klare Kriterien. Diese lehnen sich an denen der Rechtsprechung und an denen der Deutschen Rentenversicherung an. Die Deutsche Rentenversicherung hat hier eine Vier-Kriterien-Theorie entwickelt: Rechtsberatung, Rechtsgestaltung, Rechts-entscheidung und Rechtsvermittlung, das waren die Stichworte. Die finden sich im Anklang jetzt auch im Gesetz wieder. Mir ist ganz wichtig, an der Stelle zu betonen: Diese vier Kriterien wollen wir beibehalten. Wir wollen diesbezüglich keine Änderungen erreichen und schon gar keine Verschärfung. Deswegen müssen wir auch noch einmal genau hinschauen, etwa was die Vertretungsbefugnis nach außen anbelangt: Das ist ein -Kriterium an dieser Stelle. Damit ist natürlich eine gerichtliche Vertretungsbefugnis gemeint, nicht etwa eine rechtsgeschäftliche im Sinne von Prokura oder etwas Ähnlichem. Im parlamentarischen Verfahren soll klargestellt werden, dass hier an die bisherigen Kriterien angeknüpft wird. Die entscheidende Frage ist natürlich: Wer legt denn diese Kriterien aus? Wer entscheidet letztlich darüber, was anwaltliche Tätigkeit ist und was nicht? Für uns als Union war die Beantwortung der Frage sehr klar: Wir wollen, dass diejenigen, die die Sachkompetenz über das anwaltliche Berufsbild haben, die auch die Veränderungen im Zeitablauf nachverfolgt haben, darüber entscheiden. Für uns ist ganz klar, wer das ist: Das sind die jeweiligen Rechtsanwaltskammern. Das ist ausdrücklich nicht die Deutsche Rentenversicherung. Auch die So-zialgerichte haben über diese Frage nicht zu entscheiden. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Letztentscheidungsrecht über diese Fragen muss bei den anwaltlichen Kammern liegen. Insofern ist es gut, dass der Kabinettsentwurf gegenüber dem Referentenentwurf jetzt klarstellt, dass eine bestandskräftige Zulassungsentscheidung von der Rechts-anwaltskammer zukünftig auch für die Deutsche Rentenversicherung bindend ist. Es ist gut und richtig, dass es hier nicht zu gegenteiligen Entscheidungen kommt und die Deutsche Rentenversicherung das eine sagt, die Kammer das andere und man sich fragt: Wie geht man damit um? Das war im Referentenentwurf noch nicht vernünftig geregelt. Im Kabinettsentwurf geht das jetzt in die richtige Richtung. Wir haben einige weitere Punkte, die wir im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens klären müssen. Die kann ich jetzt aus Zeitmangel nicht mehr alle nennen. Ein Punkt ist mir aber ganz wichtig: Wir müssen noch die Frage der Pflichtmitgliedschaft klären, die Anknüpfungspunkt bei der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist. In § 6 SGB VI ist die Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk geregelt. Nun ist es so, dass die Landessatzungen der Versorgungswerke eine Altersgrenze von 45 Jahren eingezogen haben. Das heißt: All diejenigen, die nach dem 45. Lebensjahr in ein Unternehmen wechseln, hätten ein Problem bei der Befreiung. Das müssen wir noch klarstellen und im Kabinettsentwurf ändern. Das Gleiche gilt für die Frage der Berufshaftpflichtversicherung. Hier müssen wir noch einmal schauen, ob die Grundsätze der Haftungsprivilegien für Angestellte im Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber auch entsprechend widergespiegelt sind. Da ist noch einiges zu tun. Ich will am Schluss nur noch sagen: Wir tun hier etwas für die Syndikusanwälte. Das ist gut. Wir als Union nehmen aber auch die anderen freien Berufe in den Blick: die Ärzte, die Apotheker, die Architekten. Diese freien Berufe sind alle miteinander das Rückgrat unserer mittelständischen Wirtschaft. Auch für die müssen wir beim Befreiungsrecht etwas tun, vielleicht nicht in diesem Gesetzgebungsverfahren; aber wenn wir das als Pars pro Toto nehmen, können wir uns diesem nicht verweigern. Auch die Angehörigen der freien Berufe haben ein Anrecht, in der Zukunft Rechtssicherheit zu haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin: Renate Künast für Bündnis 90/Die Grünen. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Ist doch alles gesagt, Frau Künast! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sage ich jetzt was anderes, Herr Grindel! – Christian Flisek [SPD]: Frau Künast, eine Steilvorlage! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau, Herr Flisek!) Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich hätte es ja anfangs gar nicht gedacht, dass ich in den letzten 15 Monaten zu diesem Thema, über das wir jetzt reden, so viele Zuschriften bekommen würde, vor allem von jungen Kolleginnen und Kollegen, die sich nach dem zweiten Staatsexamen oder kurz vorher die Frage gestellt haben, wie sie sich eigentlich absichern, auch für das Alter, wenn sie nach dem zweiten Staatsexamen in ein Unternehmen gehen und dort Syndikus werden. Das Urteil des Bundessozialgerichts von April 2014 war für sie dann schon ein schwerer Schlag, weil es einfach zu Handlungsunfähigkeit geführt hat. Deshalb an dieser Stelle, Herr Minister – ich bin manchmal nicht einer Meinung mit Ihnen, vor allem nicht mit dem, was Sie heute und morgen beschäftigt –, ein klares Lob, dass es eine Vorlage gibt, die, wie ich finde, recht gut ist, wenn auch noch nicht alles darin geregelt ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Der mittelenglischen Umgangsformen wegen müsste ich Ihnen für morgen eigentlich alles Gute wünschen. Aber das kann ich leider nicht, (Zuruf von der CDU/CSU: Oh!) weil ich bei der Vorratsdatenspeicherung auf der anderen Seite stehe. Wir werden sehen. (Dr. Johannes Fechner [SPD]: Selbstläufer!) – Herr Fechner sagt: „Selbstläufer!“ Das werden wir sehen. Denn es gibt am Ende immer noch den Bundestag und das Bundesverfassungsgericht. Mal sehen, wohin die Reise am Ende geht. Hier geht es jetzt aber um die Syndikusanwälte. Sie präsentieren eine berufsrechtliche Lösung. Ich finde es gut, dass wir an der Stelle diese Variante nehmen, ohne uns, lieber Harald Petzold, etwas für die Zukunft zu verbauen. In Zukunft muss es nämlich um eine Bürgerversicherung gehen, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Das sage ich gerade auch in Abgrenzung zu den Worten, die Herr Luczak am Ende gesagt hat, und zu den Reaktionen der CDU/CSU. Wir haben hier folgendes Problem: Anwälte, die angestellt sind, haben nach dem BSG-Urteil die Verpflichtung, in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert zu sein. Sie können nicht mehr einem anwaltlichen Versorgungswerk angehören. Diese Verunsicherung müssen wir beseitigen. Man kann diese Anwälte nicht alleinlassen, und deshalb sind wir in der Pflicht. Aber langfristig, bei allem, was wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten gesehen und erlebt haben und was wir über die Zukunft bei der Altersversicherung wissen, ist eine solidarische Bürgerversicherung für alle die richtige Antwort, die übrigens auch jede Menge Probleme löst, sogar noch besser als dieser Gesetzentwurf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Deshalb, Kollege Petzold, ist die Bürgerversicherung als Perspektive und Ziel wichtig, aber wir müssen das Problem auch heute irgendwie lösen. Das gilt gerade für die Jüngeren; denn sie wissen noch nicht, wie sie sich orientieren sollen. Ich finde, es ist richtig, dass die Anwaltskammer letzt-entscheidlich ist. Wir haben einen freien Beruf. Wer, wenn nicht die Anwaltskammern, soll dann über diese Frage entscheiden? Ich glaube nicht, dass die Kammern wehklagen müssten, sie hätten zu viel zu tun. Wenn wir ihnen die Arbeit nicht geben würden, würden sie wehklagen, dass sie nicht selbst entscheiden dürfen. Wenn es eine Anerkennung als anwaltliche Tätigkeit gibt, ist an dieser Stelle klar, dass der Syndikus dann eine Pflichtmitgliedschaft in der Anwaltskammer und eine Pflichtmitgliedschaft im anwaltlichen Versorgungswerk hat. Daraus ergibt sich dann die Möglichkeit, sich von der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung befreien zu lassen. Da wir – das hat Herr Luczak angesprochen – die Grenze von 45 Jahren in einigen Satzungen der Versorgungswerke haben, müssen wir sehr genau hinschauen. Wir würden uns dem verweigern, zu sagen, dass wir dieses Problem lösen, indem wir für alle ab 45 Jahre eine Lösung nehmen, die noch weiter von der Bürgerversicherung entfernt ist. Das würden wir nicht tragen, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]) Wir finden, dass durch diese Vorlage eine Art Marktbereinigung entsteht. Trotzdem müssen wir im Gesetzgebungsverfahren noch einige Punkte diskutieren. Ich will zwei, drei nennen. Das eine ist die Frage: Warum wurde es unterlassen – absichtlich oder unabsichtlich –, den Arbeitgeber zu verpflichten, die Unabhängigkeit des Syndikusanwaltes herzustellen? Warum gibt es nicht die Pflicht auf dieser Seite, sondern warum bleibt sie auf der anderen Seite bestehen? Ich finde, dass man zum Schutz der Syndikusanwälte Maßnahmen treffen muss, die ihre Position auch weiter stärken. Das wäre zu diskutieren. Es geht aber auch um die Frage: Warum sind es die Syndikusanwälte, die sich vor dem Berufsgericht verantworten müssen, wenn ihr Arbeitgeber ihnen die anwaltliche Tätigkeit nicht ermöglicht? Das sind ein paar Diskussionspunkte, die wir klarstellen müssen. Wenn der DAV kritisch sieht, dass es das Zeugnisverweigerungsrecht oder Beschlagnahmeverbote nicht gibt, dann kann ich nur sagen: Diskutieren können wir gerne darüber. Aber wir müssen in unserer Variante der Tatsache Rechnung tragen, dass man auf der einen Seite Syndikus und auf der anderen Seite Anwalt ist, meine Damen und Herren. Wir können also mit diesem Gesetzentwurf leben. Gut, dass wir die Vorlage haben. Gut, dass wir ein Stück Sicherheit bekommen. Es sind nur noch kleine Dinge zu regeln. Wir schaffen hier hoffentlich und bald Rechts-sicherheit, weil ich will, dass auch die Angehörigen der freien Berufe in eine Altersversorgung eingebunden werden und nicht, was es in diesem Bereich leider auch noch gibt, später in ein tiefes schwarzes Loch fallen, wo die Allgemeinheit wieder helfen muss. Auch diese Berufe sollen die Pflicht und die Chance haben, sich zu versichern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Renate Künast. – Nächste Rednerin in der Debatte: Elisabeth Winkelmeier-Becker. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Das Urteil des Bundessozialgerichts aus dem letzten Jahr hat die Syndikusanwälte bei einem ausgesprochen sensiblen Thema, bei ihrer Altersversicherung, kalt erwischt. Es gibt zwar Bestandsschutz für die Tätigkeiten, die man schon ausübt, für die man befreit ist; aber in Zukunft ist jeder Wechsel mit dem Risiko verbunden, dass man vom Versorgungswerk in die Rentenversicherung wechseln muss. Das bedeutet erhebliche Einschnitte hinsichtlich des Status, den man hat. Man muss Wartezeiten erfüllen, man verliert die Berufsunfähigkeitsversicherung, und eventuell reduziert sich die Höhe der Altersversicherung. Kein Wunder also, dass die Betroffenen extrem verunsichert sind. Deshalb darf man mit diesem Thema – das möchte ich unterstreichen – nicht leichtfertig umgehen. Man darf beim Thema Altersvorsorgeplanung nicht leichtfertig all das über Bord werfen, was sich Menschen aufgebaut haben, sondern man muss besonders auf die Lebensplanung und die damit verbundene Berufsplanung Rücksicht nehmen. Das Urteil hat aber noch weitere Auswirkungen. Es belastet die Wirtschaft. Wir hören aus der Wirtschaft, dass sie Schwierigkeiten hat, entsprechende Stellen zu besetzen, weil die Menschen nicht mehr bereit sind, die angestammten Arbeitsplätze aufzugeben. Das hemmt den erwünschten und gewollten Erfahrungsaustausch, den wir gerade zwischen Phasen der Tätigkeit in einer Kanzlei und Phasen der Tätigkeit in einem Unternehmen brauchen. Dazu muss man wissen, dass durch die zunehmende Bedeutung von Corporate Governance den Unternehmen immer mehr Pflichten auferlegt werden. Zum Beispiel ist es erforderlich, dass es in Unternehmen unabhängige Juristen als Ansprechpartner gibt, dass diese als unabhängiges Organ der Rechtspflege tätig sind und eben nicht nur als Angestellte. Durch ihre innere Unabhängigkeit haben die Anwälte in den Unternehmen ein besonderes Standing. (Beifall bei der CDU/CSU) Syndikusanwälte sind das rechtliche Gewissen der Unternehmen. Wir als Gesetzgeber sorgen dafür, dass sie weiterhin diese wichtige Rolle spielen. Wir treffen immer wieder neue rechtliche Entscheidungen, durch die den Unternehmen weitere Pflichten, zum Beispiel weitere Haftungsrisiken bis hin zu einer persönlichen Haftung, übertragen werden. In der Beratung befinden sich beispielsweise neue Tatbestände im Korruptionsrecht. Im Ministerium berät man sogar ein Unternehmensstrafrecht. Da ist es doch klar, dass es für die Unternehmen immer wichtiger wird, sich Rechtsrat einzuholen. Zu einer anderen Vorgabe. Auch die Partnerschafts-gesellschaften haben als Leitbild vor Augen, dass sich Juristen und Spezialisten zusammentun und wiederum weitere Kollegen anstellen. Das ist auch auf angestellte Anwälte gemünzt. Wir dürfen das Leitbild des Anwaltsberufs nicht mehr ausschließlich am forensisch tätigen Anwalt ausrichten, der Generalist ist und alles macht, sondern wir müssen den Beruf des angestellten Anwalts in die neue Berufsordnung übernehmen. Wir brauchen eine stringente Politik, die diese Entwicklung nachzeichnet. Wir wollen nicht – gewollt oder ungewollt –, dass den Menschen durch die Änderungen bei der Altersvorsorge der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Ich möchte daran erinnern: Als es darum ging, die Rentenversicherung zu gründen, hat man die freien Berufe explizit außen vor gelassen. Es ist nicht etwa so, dass sich die freien Berufe der Solidarität entzogen haben. Damals wurde die Entscheidung getroffen, die freien Berufe nicht in das gesetzliche System, das auch steuerfinanzierte Anteile hat, aufzunehmen. Vielmehr sollten sie sich in eigenen Versorgungswerken zusammenschließen und sich so um ihre Altersversicherung kümmern. Erst daraufhin wurden die Versorgungswerke gegründet. Das muss man immer wieder im Blick haben, wenn man meint, man müsse die freien Berufe in eine Bürgerversicherung integrieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich füge ausdrücklich hinzu: Wir wollen das auch für die anderen freien Berufe regeln, für die es entsprechende Regelungen gibt. Auch hier ist die Altersversorgung möglicherweise infrage gestellt. Das ist eine existenzielle Frage, die eben nicht nur Anwälte betrifft. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der anders als seine Vorläufer auch diese Fragen vernünftig in dem angesprochenen Sinne löst. Für uns ist klar, dass die Frage, wer die Tätigkeit eines Syndikus mit all den damit verbundenen Anforderungen, auch mit der notwendigen Unabhängigkeit, erfüllt, nur beurteilt werden kann von der Anwaltskammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts, die – davon können wir ausgehen – da nicht nach Gusto verfährt, sondern sich an das hält, was im Berufsrecht festgelegt ist. Es ist wichtig, noch einmal zu unterstreichen, dass sich die Regelung am Status quo ante orientiert. Wir wollen die Regelung, die vorher in der Praxis gegolten hat, im Wesentlichen materiell wiederherstellen. Das ist allerdings kein ganz banales Unterfangen. Das hätte es sein können, wenn man sich an § 6 SGB VI herangewagt hätte. Dafür gab es aber keine Mehrheit. Deshalb müssen wir hier über das Berufsrecht gehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sehr bedauerlich!) Jetzt liegt ein Entwurf vor, mit dem man gut arbeiten kann. Es gibt aber noch einige Fragen und Sorgen: Es ist klar, dass die neu formulierten Kriterien für den Syndikus in der Praxis nicht zu substanziellen Einschränkungen des Tätigkeitsbereichs führen dürfen. Wir müssen klären, wie das Merkmal der Vertretungsbefugnis ausgelegt werden muss. Kaum ein Syndikus ist forensisch tätig; das darf also nicht der Maßstab sein, sonst wäre das ein Ausschlusskriterium. Wir müssen klären, was es mit der doppelten Pflichtmitgliedschaft in Kammer und Versorgungswerk auf sich hat. Da darf nicht die Regelung, dass die Rechtsanwaltskammer verbindlich Vorgaben macht, auf anderem Wege wieder aufgehoben werden. Wir müssen die Frage der Haftpflichtversicherung regeln; das hat mein Kollege schon ausgeführt. Wir müssen uns auch noch einmal anschauen, welche Anforderungen an die fachliche Unabhängigkeit zu stellen sind. Es besteht natürlich im Arbeitsverhältnis ein Spannungsverhältnis zwischen den Vorgaben des Arbeitgebers einerseits und der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts andererseits. Aber ich denke, Maßstab ist auch da der selbstständige, niedergelassene Rechtsanwalt: Auch er kann von seinem Mandaten entlassen werden, auch ihm können von seinem Mandanten Vorgaben gemacht werden. Wenn wir das als Maßstab für Abhängigkeit im Arbeitsverhältnis nehmen und nicht darüber hinausgehen, dann wird das ein gutes Gesetz. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank, Frau Winkelmeier-Becker. – Nächster Redner: Christian Flisek für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Christian Flisek (SPD): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag, nicht nur weil er einer der wenigen Tage ist, an denen Frau Künast als Vorsitzende des Rechtsausschusses ausdrücklich mal einen Gesetzentwurf des Bundesjustizministers lobt – dafür danke ich Ihnen –, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das streichen wir grün an!) sondern auch deswegen, weil dieser Tag etwas Gutes für die mehr als 40 000 Syndikusanwälte in Deutschland bringt, für jene Rechtsanwälte, die in Unternehmen, in Verbänden, in der Wirtschaft anwaltlich tätig sind. Der Bundestag berät heute in erster Lesung einen Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, mit dem wir die aktuell bestehende Rechtsunsicherheit in Bezug auf den berufsrechtlichen und auf den sozialversicherungsrechtlichen Status dieser Berufsgruppe beseitigen wollen. Diese Rechtsunsicherheit – das ist bereits angesprochen und betont worden – ist entstanden durch ein Urteil des Bundessozialgerichtes im Frühjahr letzten Jahres. Dieses Urteil war für die Syndikusanwälte in Deutschland ein Paukenschlag: Von einem auf den anderen Tag wurde eine über viele Jahre gelebte Rechtspraxis infrage gestellt. Das hat viele Sorgen hervorgerufen: Sorgen der Syndikusanwälte, aber auch Sorgen der Arbeitgeber dieser Syndikusanwälte, Sorgen bei den Versorgungswerken, der gesetzlichen Rentenversicherung, aber auch bei den Anwaltskammern und den Verbänden, beispielsweise dem Deutschen Anwaltverein oder dem Bundesverband der Unternehmensjuristen in Deutschland. Die Politik – der Bundestag, die Koalitionsfraktionen und vor allen Dingen auch das Bundesministerium der Justiz – hat hierauf sehr schnell reagiert. Diese Sorgen wurden aufgegriffen. Wir haben bereits vor Beginn der parlamentarischen Beratungen in einem sehr intensiven Dialog mit allen Beteiligten nach Lösungen gesucht. Es ging darum, das Berufsrecht und den versicherungsrechtlichen Status von Syndikusanwälten – das betone ich – zügig auf eine verlässliche Grundlage zu stellen und die zum Teil bestehenden existenziellen Sorgen und Unsicherheiten zu beseitigen. Ich finde, das ist auch gelungen. Ich möchte hier und heute die Gelegenheit nutzen, dem Bundesjustizminister Heiko Maas, aber auch der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau Nahles, deren Häusern, den beteiligten Staatssekretären sowie auch den Berichterstattern der Koalitionsfraktionen – überhaupt allen Beteiligten, die sich konstruktiv in diesen Dialog eingebracht haben – dafür herzlich zu danken, dass das so zügig geschehen ist. Nur so ist das überhaupt in dieser Zeit zu bewerkstelligen gewesen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Der Dialog ist noch nicht zu Ende. Wir befinden uns, wie gesagt, erst am Beginn der parlamentarischen Beratungen. Wer sich den Gesetzentwurf anschaut – es ist heute schon, was einige Details angeht, viel Richtiges gesagt worden –, wird feststellen: Syndikusrechtsanwälte haben in Zukunft ein Wahlrecht. Sie können zum Beispiel ihre Tätigkeit auf ihre Arbeit als Syndikusanwälte in einem Unternehmen oder einem Verband beschränken. Wenn sie sich darauf beschränken, regelt dieser Gesetzentwurf klipp und klar ihren berufsrechtlichen sowie ihren versicherungsrechtlichen Status. Sie können auch bei dieser Tätigkeit weitgehende Vertretungsbefugnisse vor Gericht wahrnehmen. Wir haben aber auch darauf geachtet, dass die Rechte und Interessen der niedergelassenen Rechtsanwälte gewahrt bleiben. Meine Damen und Herren, wer sich den Gesetzentwurf anschaut, wird feststellen, dass der Syndikusanwalt in Zukunft ein Rechtsanwalt eigener Art sein wird. Das zeigt sich auch darin – das ist ebenfalls schon angesprochen worden –, dass ihm beispielsweise einige strafprozessuale Privilegien vorenthalten bleiben. Wenn man etwa über das Beschlagnahmeverbot redet, ist das für jedermann einsichtig und deutlich. Es ist auch sachgerecht; denn wir wollen vermeiden, dass in Zukunft Strafverfolgungsbehörden – etwa durch einen Missbrauch von Syndikusanwälten quasi als Wagenburg in einem Unternehmen – daran gehindert werden, ihre Arbeit zu tun und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Ich sage aber auch deutlich, dass ich mir gewünscht hätte, dass man dabei nicht so „hopp oder top“ vorgegangen wäre, sondern bei den strafprozessualen Regelungen eine differenziertere Betrachtung vorgenommen hätte. Wenn man den Syndikusanwalt als Rechtsanwalt definiert – das tun wir ja –, dann sage ich sehr deutlich: Ich kann mir einen Rechtsanwalt, der noch nicht einmal ein Zeugnisverweigerungsrecht hat, irgendwie nicht wirklich vorstellen. Das wäre auch etwas, was ich gerne in den parlamentarischen Beratungen auf die Tagesordnung bringen würde. Vielleicht gelingt es uns, bei diesen strafprozessualen Privilegien eine etwas differenziertere Betrachtung hinzubekommen. Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass dieser Gesetzentwurf auch im Hinblick auf die Frage der Haftung eine gute Grundlage dafür sein wird, dass die Versicherungswirtschaft brauchbare Lösungen finden und anbieten wird. Wer als Syndikusanwalt in Zukunft zusätzlich zu seiner Tätigkeit im Unternehmen noch als niedergelassener Anwalt tätig sein will, der muss zusätzliche Voraussetzungen erfüllen. Ich finde, auch das ist eine absolut sachgerechte Lösung – auch wenn mir klar ist, dass wir zu diesem Punkt noch viele Diskussionen führen werden. Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen, sofern Sie eine große sozialrechtliche Lösung lieber gehabt hätten, Folgendes sagen: Ich finde, das Bundessozialgericht hat ausschließlich für die Syndikusanwälte entschieden. Wir sollten an dieser Stelle – davon bin ich überzeugt – den Ball im Sinne einer schnellen und zügigen Lösung für diese 40 000 Kolleginnen und Kollegen flach halten. Denn eines – das wurde auch in dieser Debatte deutlich – ist klar: Wenn wir das Fass aufmachen und die große Lösung suchen, wäre eine solche Lösung im Sinne dieser Kolleginnen und Kollegen weit weg bzw. nicht so schnell in Sicht. Deswegen: Überlegen Sie sich das noch einmal. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das meinen Sie aber an die CDU!) Ich denke, dass wir nah beieinander sind; aber in dieser Frage sollten wir noch ein bisschen näher aneinanderrücken. In diesem Sinne: Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Flisek. – Die letzte Rednerin in dieser Debatte: Dr. Silke Launert für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Silke Launert (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben es schon mehrfach gehört: Die Entscheidung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Rentenversicherungspflicht der Syndikusanwälte hat wirklich für ordentlich Wirbel gesorgt. Sie hat nicht nur die Unabhängigkeit der Syndikusanwälte infrage gestellt und damit überhaupt erst so richtig die Grundsatzdiskussion über die rechtliche Stellung der Syndikusanwälte ausgelöst; sie hat vor allem die langjährige Praxis der Deutschen Rentenversicherung durchkreuzt. Bis dahin war es nämlich in der Regel so, dass für Syndikusanwälte grundsätzlich eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht vorgesehen war. Somit war der Weg frei in die berufsständische Versorgung. Das Bundessozialgericht hat jetzt gesagt: Das geht grundsätzlich nicht mehr. Man muss sagen: Das hat die Altersversorgung von 40 000 Syndikusanwälten ins Wanken gebracht. Deshalb wundert es mich überhaupt nicht, Frau Künast, dass bei Ihnen so viele Beschwerdeschreiben eingegangen sind. 40 000 Menschen, die plötzlich Angst um ihre Altersversorgung haben – das ist nicht nichts. Und Syndikusanwälte sind als Juristen meistens auch in der Lage, zu schreiben. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist mal gut so!) Es gibt aber ein weiteres Problem – Frau Winkelmeier-Becker hat es schon angesprochen –: Das schränkt auch die Mobilität ein. Es führt dazu, dass man aus Angst, die Vorteile der berufsständischen Versorgung zu verlieren, nicht mehr in ein Unternehmen wechselt. Aber gerade diesen Wechsel – freier Anwalt, Anwalt in der Kanzlei eines anderen Anwalts, Anwalt in einem Unternehmen –, den Transfer von Erfahrungen hin zu Unternehmen und vielleicht auch wieder zurück wünschen wir uns, wie wir uns generell mehr Erfahrungsaustausch, vielleicht auch in der Politik, wünschen. Die Unternehmen haben sich zu Recht gemeldet und gesagt: Es ist immer schwieriger, gute Leute zu finden, die eine gewisse Erfahrung haben. – Insofern denke ich, es war höchste Zeit, etwas zu tun. Die Rechtsunsicherheit war enorm. Es bestand ein großes Bedürfnis nach Klarstellung. (Beifall bei der CDU/CSU) Auch wenn der Ruf nach der Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Syndikusanwälte durch die Entscheidung aus dem letzten Jahr erst so richtig laut geworden ist: Es gab ihn vorher auch schon. Die Syndikusanwälte wurden schon vorher stiefkindartig behandelt. Es war jetzt Zeit, sie endlich gleichzustellen – im Sinne einer Einheit der deutschen Anwaltschaft, wie es Herr Minister zu Recht betont hat. Das sieht der jetzt vorliegende Entwurf auch vor. Es wird klargestellt: Man kann Arbeitnehmer sein und trotzdem Anwalt, trotzdem fachlich unabhängig und eigenverantwortlich agieren, wie es mein Kollege Herr Luczak ausgeführt hat. Die Anforderungen stehen genau im Gesetz. Ich finde, das trägt massiv zur Rechtsklarheit bei. Man spricht jetzt nicht mehr von Syndikusanwälten. Sie haben das Recht, sich als Rechtsanwalt zu bezeichnen, mit dem Zusatz „Syndikusrechtsanwalt“ in Klammern. Es ist ganz klar, worum es sich hier handelt. Man ermöglicht den Syndikusanwälten den Verbleib bzw. künftig den Eintritt in das anwaltliche Versorgungswerk. Über die Frage, ob anwaltliche Tätigkeit vorliegt oder nicht, entscheidet nicht irgendeine sachfremde Rentenversicherung, sondern die Anwaltskammer. Die Frage, ob anwaltliche Tätigkeit vorliegt oder nicht, sollte tatsächlich die Anwaltskammer treffen. Ich bin jemand, der sagt: bei Fachfragen lieber die Fachkompetenz nutzen. An eine entsprechende bestandskräftige Zulassungsentscheidung ist die Rentenversicherung dann auch gebunden. Besonders wichtig ist der Vertrauensschutz für diejenigen Syndikusanwälte, die schon einen Bescheid über eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht haben. Die weiteren Details werden wir im Gesetzgebungsverfahren noch ansprechen. Ich möchte zum Schluss auf die freien Berufe eingehen, die hier schon mehrfach angesprochen worden sind. Dieser Entwurf beseitigt jetzt die Unsicherheit bei den Syndikusanwälten, aber bei den anderen freien Berufen besteht nach wie vor Unsicherheit: Was ist mit den Ärzten, mit den Apothekern und mit den Architekten? Sie haben jetzt ebenfalls Schwierigkeiten bei der Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die funktionierende berufsständische Altersversorgung beizubehalten. Herr Petzold, ich wundere mich immer: Wieso müssen wir nach Ihrer Meinung immer das abschaffen, was funktioniert, und in das integrieren, was nicht funktioniert? (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Es funktioniert ja eben nicht! Sonst hätte das Bundessozialgericht nicht so entschieden!) Ich weiß, Sie würden immer gerne jedes Instrument zum kompletten Sozialausgleich heranziehen, aber das ist es eigentlich nicht. Man könnte schauen, ob wir ein effektives Instrument finden; aber die Integration in die gesetzliche Rentenversicherung ist vielleicht nicht das perfekte Mittel. (Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Sie wollen ja wieder Sonderversorgungssysteme machen! Mit bürokratischem Wasserkopf!) Frau Winkelmeier-Becker hat die Frage bereits angesprochen: Wollen Sie die staatlichen Zuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung auch noch den Ärzten und Anwälten zukommen lassen? Ich glaube, nicht. Wir machen den ersten Schritt und sorgen für eine Klarstellung bei den Syndikusanwälten. Von daher sage ich: Vielen Dank für diesen Gesetzentwurf. Es geht hier um Sicherheit und Vertrauen in einem der elementarsten Bereiche, nämlich dem der Altersversorgung. Wenigstens in diesem Bereich sollte Klarheit herrschen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Launert. – Damit schließe ich die Aussprache. Die Redezeiten waren, glaube ich, großzügig bemessen. Da ich viel gelernt habe, war ich nicht so streng. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach nee! Dann machen wir immer Aufklärung! Damit Sie lernen!) Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 18/5201 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich bitte diejenigen, die an der nächsten sehr spannenden Debatte nicht teilnehmen wollen, ihren Platz zu räumen, damit wir zügig weiterdebattieren können. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 34 a und 34 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Ebner, Kordula Schulz-Asche, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bevölkerung vor Krebsgefahr durch das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat schützen und EU-Neuzulassungsverfahren für Glyphosat stoppen Drucksache 18/5101 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, Heidrun Bluhm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Zulassung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel einschränken Drucksachen 18/1873, 18/5087 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre und sehe keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Harald Ebner für Bündnis 90/Die Grünen. (Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Harald, sag uns, wie es ist! – Petra Crone [SPD]: Mach schnell! Sprich schnell!) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Werte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren reden wir heute in diesem Parlament über einen Pestizidwirkstoff, der traurige Berühmtheit erlangt hat, über Glyphosat, einen Wirkstoff von Totalherbiziden, also Pflanzenvernichtungsmitteln mit umfassender Breitenwirkung. Die Bundesregierung hat hinsichtlich der Senkung des Pestizideinsatzes nichts erreicht, die Hersteller von Pestiziden feiern erneut Rekordumsätze. Noch nie wurde weltweit mehr Glyphosat verwendet als heute, über 5 000 Tonnen pro Jahr allein in Deutschland. Und noch nie war der Einsatz von Glyphosat so fragwürdig wie heute! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Schon lange gibt es Hinweise, dass dieses Zellgift Krebs, Erbgutschäden, Missbildungen und andere Gesundheitsschäden verursacht, übrigens auch bei Tieren. Der Spiegel hat letzte Woche über missgebildete Ferkel und andere Folgen berichtet. In Argentinien hat sich die Krebs- und Missbildungsrate in Sojaregionen mit massivem Glyphosateinsatz vervielfacht. 30 000 Ärzte schlagen dort deshalb Alarm. Über viele Jahre haben Industrie, Bundesregierung und Behörden uns dennoch versichert, dass dieses Pflanzenvernichtungsmittel gesundheitlich unbedenklich sei. Das werden wir ganz bestimmt gleich auch wieder von der Union hören; sie hat das heute bereits der Presse mitgeteilt. Jetzt hat aber Ende März dieses Jahres die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation, die IARC, Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ eingestuft. Das ist die zweithöchste Risikokategorie. Damit kann und darf es kein „Weiter so“ bei Glyphosat geben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Die IARC ist unbestritten die wissenschaftliche Institution weltweit für die Bewertung krebserzeugender Substanzen. Sie arbeitet unabhängig, transparent, nach strengen Regeln, und sie berücksichtigt keine Geheimstudien von Herstellern, sondern ausschließlich öffentlich zugängliche, überprüfte und überprüfbare Studien. Das ist der wissenschaftliche Goldstandard! Wenn eine solche Institution eine solche Warnung ausspricht, muss das Konsequenzen haben, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) gerade in Deutschland, das von den Herstellern als Berichterstatter für die EU-Neuzulassung von Glyphosat benannt wurde. Aber was macht die Bundesregierung? Sie sieht keinen Handlungsbedarf. Das Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, hat schon nach wenigen Tagen die Ergebnisse kleingeredet: Sie seien „wissenschaftlich schlecht nachvollziehbar“. Ganz ähnlich hat auch Monsanto reagiert. Dessen Chef, Hugh Grant, hat die Arbeit des IARC als „junk science“, also als Dreckswissenschaft, bezeichnet, und das alles noch, bevor der umfassende Bericht, die Monografie, dazu veröffentlicht wurde. Schauen wir doch einmal auf das BfR und seine entwarnende Risikobewertung. Im BfR-Pestizidkomitee sitzen seit Jahren Angestellte großer Agrochemiekonzerne wie Bayer und BASF. Die WHO-Wissenschaftler fanden klare Belege für die Mechanismen, durch die Glyphosat Krebs verursachen kann: Schädigung des Erbguts und oxidativer Stress. Diesen Risikobereich hat das BfR aber kaum untersucht und wichtige Studien dazu ignoriert. Das BfR verwendet nicht nur in großem Umfang Industriestudien. Viel schlimmer: Es hat eine große Anzahl dieser Studien auch gar nicht selber bewertet, sondern die Bewertung der antragstellenden Industrie übernommen. Unter einer eigenständigen Bewertung stellen wir uns jedenfalls etwas anderes vor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Gleichzeitig verharmlosen das BfR und andere Glyphosat-Fürsprecher das Gift und seine Risiken weiter. BfR-Präsident Hensel erzählt im Agrarausschuss, Glyphosat sei weniger toxisch als Kochsalz oder Kaffee. Der Vergleich ist, gerade wenn es um Krebsverdacht geht, absolut abwegig. Verbraucher können immerhin selber entscheiden, wie viel Salz oder Kaffee sie zu sich nehmen. Hinsichtlich Glyphosat weiß ich doch gar nicht, was in meinem Brötchen ist. Das steht nicht drauf. (Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Bei Kaffee auch nicht!) Dass selbst bei vielen Großstädtern schon Glyphosat im Körper nachgewiesen wird, ist für Herrn Hensel normal und erwartbar. Die Bundesregierung und Teile dieses Hauses mögen die Auffassung teilen, dass es normal ist, wahrscheinlich krebserregende Substanzen im Körper zu haben. Wir jedenfalls können das nicht verantworten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Öko-Test wurde bei den meisten auf Glyphosat getesteten Getreideprodukten fündig. Sind Sie denn wirklich sicher, Herr Bleser, dass Glyphosat nicht schon längst in der Muttermilch auftaucht und Babys es aufnehmen? Um zu wissen, woher die Belastungen der Menschen kommen und wie hoch sie sind, brauchen wir eine umfassende Überwachung der Lebensmittelrohstoffe und endlich ein Human-Biomonitoring für Glyphosat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Trotz Krebsrisiko plädiert das BfR für eine Anhebung der akzeptablen Aufnahmedosis um zwei Drittel. Das ist bei einem wahrscheinlich krebserregenden Stoff schlicht fahrlässig, weil hier jede noch so kleine Dosis schaden kann. Wir brauchen keine höheren, sondern wir brauchen niedrigere Grenzwerte. Gerade hier muss uns das Vorsorgeprinzip oberstes Gebot sein. Bei deutlichen Hinweisen auf eine Gefährdung von Mensch und Umwelt dürfen wir eben nicht warten, bis die Gefährdung abschließend geklärt ist und der Krebsverdacht eindeutig belegt oder widerlegt ist. Aber der BfR-Präsident deutet das Vorsorgeprinzip um und spricht von einem „ökonomischen Vorsorgeprinzip“. Heißt das im Klartext, dass wir Gesundheitsrisiken in Kauf nehmen sollen, wenn es um Gewinne geht? Wir meinen: Wenn der Chef einer so hochrangigen staatlichen Behörde den begründeten Verdacht auf krebserregende Wirkung derart kleinredet, dann ist das ein untragbarer Zustand. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Die Bundesregierung will erst einmal abwarten und behauptet, es gebe keine Rechtsgrundlage für ein Eingreifen. Die Niederlande und Österreich beweisen das Gegenteil. Sie sind tätig geworden. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Herr Schmidt, Herr Bleser, Glyphosat gehört nicht in die Hände von Privatpersonen. Das sagen auch der Bundesrat, die Fachminister der Bundesländer und die Umweltverbände. Auch da hat die Bundesregierung nichts gemacht. Da musste erst die Opposition einen Brief an die Baumärkte schreiben, die jetzt nach und nach dieses Mittel aus den Regalen nehmen. Das zeigt, wie es geht. Tun Sie etwas! Nehmen Sie das Problem endlich ernst! Lesen Sie unseren Antrag! Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Harald Ebner. – Nächster Redner in der Debatte: Hermann Färber für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Hermann Färber (CDU/CSU): Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Zuschauer oben auf den Tribünen! Im März dieses Jahres hat die IARC – das ist die Internationale Agentur für Krebsforschung – die Einstufung von Glyphosat in die Kategorie 2A veröffentlicht. Danach ist Glyphosat wahrscheinlich krebserzeugend. Glyphosat ist nach Einstufung der IARC also genauso gefährlich wie Matetee. Ja, Sie haben richtig gehört: genauso gefährlich wie Matetee; denn beide sind in der gleichen Gefahrenklasse eingruppiert. Ein Antrag der Grünen zum Verbot von Matetee liegt allerdings bisher noch nicht vor. Ebenso wenig liegt ein Antrag der Grünen vor, alle Frisörgeschäfte in Deutschland zu schließen, (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt ja wohl lächerlich!) obwohl die IARC bereits 2010 die Berufsausübung von Frisören als vermutlich krebserzeugend eingestuft hat. Ist das etwa eine beklagenswerte Lücke in der Antragsarbeit der Opposition, meine Damen und Herren? Nein, das ist es nicht. Ich will hier nicht polemisch werden. (Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Oh nein! Natürlich nicht! – Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Daran sind Sie jetzt schon gescheitert! – Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja peinlich! – Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann hören Sie lieber auf!) Aber was ich deutlich machen will, ist Folgendes: Die Opposition erweckt mit der Einbringung ihres Antrags den Eindruck, eine Einstufung als vermutlich krebs-erzeugend durch die IARC sei so schlimm und dramatisch, dass sofortige Verbotsmaßnahmen nötig seien. Meine Beispiele zeigen aber, dass genau dies eben nicht erforderlich ist. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder Bemerkung der Kollegin Künast? Hermann Färber (CDU/CSU): Die Frau Künast soll jetzt einfach einmal meiner Rede zuhören. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Feigling!) Es wäre gut gewesen, wenn sie schon früher, in ihrer Zeit als Ministerin, mehr zugehört hätte. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre dann vor sieben oder vor zehn Jahren gewesen!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Also nein. Hermann Färber (CDU/CSU): Im Anschluss. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Beispiele zeigen, dass das ganz und gar nicht so ist. Übrigens – für denjenigen, der es nicht weiß –: Als sicher krebserzeugend eingestuft ist Alkohol. Auch hier möchte niemand ein Verbot. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist genau die Verharmlosungsstrategie von Monsanto & Co.!) Wir müssen uns auch im Klaren darüber sein, dass diese neue Einstufung nicht die einhellige Haltung der Weltgesundheitsorganisation ist; (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber von der, die für Krebs zuständig ist!) denn andere WHO-Gremien, etwa die JMPR, vertreten nach wie vor die gegenteilige Ansicht. Ebenso sieht auch die europäische Bewertungsbehörde EFSA bislang keine Hinweise auf eine krebs-erzeugende Wirkung; auch das gehört zur vollständigen Wahrheit. Der Bewertung von Glyphosat liegen immerhin mehr als 1 000 Studien zugrunde. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch auch mal, wer in der JMPR sitzt! Vertreter der Industrie, vor allem der Chemieindustrie!) Richtig ist aber, Herr Ebner, dass diese Einstufung Grund zu weiterer Überprüfung ist. Deshalb hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unmittelbar nach Bekanntwerden der Einstufung im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft einen Bericht beantragt, (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wow!) um zu prüfen, ob Sofortmaßnahmen notwendig sind. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Da hat sich Hensel um Kopf und Kragen geredet!) Wir haben dort am 22. April dieses Jahres eine Stellungnahme von Professor Hensel gehört; er ist der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung. Dieses Institut ist die für solche Fragen zuständige wissenschaftliche Bewertungsbehörde. Professor Hensel hat uns in dieser Sitzung klar und deutlich erklärt, dass eine wissenschaftliche Bewertung dieser Einstufung ohne Kenntnis der vollständigen Unterlagen nicht möglich sei. (Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Aber Sie bewerten das doch jetzt auch! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie bewerten es doch auch jetzt! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann warten wir einfach ab, ja?) Die IARC hat die Veröffentlichung dieser Unterlagen für Juli, also für den nächsten Monat, angekündigt. Übrigens hat auch ein Vertreter der IARC, nämlich Professor Rusyn, bei einem Fachgespräch der Grünen am vergangenen Montag erklärt, (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie waren doch gar nicht da!) das BfR solle mit Verlautbarungen besser warten, bis die vollständigen Unterlagen veröffentlicht sind. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das war ein guter Tipp! – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Richtig! Ja, dann tun Sie es doch auch!) Das ist ein wissenschaftlicher Ratschlag, den wir für vernünftig halten und dem wir uns gerne anschließen. Deshalb können wir heute noch gar nichts zu den nötigen rechtlichen Folgerungen aus dieser Einstufung sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mir ist ein Aspekt in dieser ganzen Diskussion sehr wichtig, nämlich die Frage: Welche Expositionspfade, die laut IARC zu erhöhter Krebsgefahr führen, sind eigentlich für Deutschland relevant? Zur Beantwortung dieser Frage brauchen wir die Unterlagen, die aber noch nicht veröffentlicht sind. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege? Hermann Färber (CDU/CSU): Ja? Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, ich versuche es noch einmal – bzw. ein Kollege versucht es noch einmal –: Erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Kollegen Ebner? Hermann Färber (CDU/CSU): Auch der Herr Kollege Ebner sollte sich damit abfinden, dass er sich im Anschluss an meine Rede äußern kann. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist ja sehr kollegial!) Vizepräsidentin Claudia Roth: Gut, nein; alles klar. Hermann Färber (CDU/CSU): Ja. – Wir sind uns doch hier im Hause einig, dass die Art und Weise der Glyphosatanwendung in Deutschland in keiner Weise mit der Anwendung in Nord- und Südamerika vergleichbar ist. Wir haben hier wesentlich strengere Anwendungsbestimmungen und arbeiten nicht mit Monokulturen, sondern mit Fruchtfolgen. Schon das vermindert im Vergleich den Herbizideinsatz. Im Übrigen sind bei uns auch viele Beistoffe verboten, die in anderen Ländern noch erlaubt sind, wie zum Beispiel Tallowamine, die zwar als Zusatz in Pflanzenschutzmitteln verboten, in Körperpflegemitteln aber nach wie vor erlaubt sind. Pflanzenschutzmittel erfüllen bei uns also höhere Standards als Körperpflegemittel. Auch bei der Kombination verschiedener Wirkstoffe ist Deutschland wesentlich re-striktiver als andere Länder. Das lernen die jungen Bauern bereits sehr früh in der Ausbildung. Die Definition guter fachlicher Praxis in Deutschland bewährt sich auch bei Glyphosat. Das sieht man schon daran, dass es in Deutschland keine Resistenzen gegen Glyphosat gibt, wie das in anderen Ländern der Fall ist. Es ist also sehr gut möglich, dass die Unterlagen der IARC zeigen werden, dass Deutschland schon alles Notwendige getan hat, um die Umwelt, die Verbraucher und die Landwirte hinreichend zu schützen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir wissen sehr gut, dass es in anderen Ländern noch erheblichen Handlungsbedarf gibt. Dieses Problem können wir aber nicht durch eine schärfere Gesetzgebung in Deutschland lösen; (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) denn dann würden wir die landwirtschaftliche Produktion ins Ausland exportieren. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland ist berichterstattender Staat für die Zulassung in der Europäischen Union! Das betrifft 28 Mitgliedstaaten!) Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat am Mittwoch einstimmig, also mit den Stimmen der Opposition, beschlossen, im September eine Anhörung zu Glyphosat durchzuführen. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schreien Sie doch noch lauter!) – Herr Ebner, ich habe immer den Eindruck, Sie hören das nicht. Deshalb spreche ich ein bisschen lauter. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lauter macht es nicht verständlicher!) Bis dahin – jetzt kommen wir wieder runter und werden wieder sachlich – können auch die zuständigen deutschen Bewertungsbehörden die ausführliche Monografie der IARC prüfen und dann eine fundierte Bewertung abgeben. Auf deren Grundlage ist dann eine Entscheidung möglich. Nur das ist die richtige Reihenfolge. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird nicht mehr besser!) Jetzt noch einige Worte dazu, was andere Länder machen. Das Schweizer Landwirtschaftsministerium hat am 19. Mai 2015 erklärt, es könne die Einstufung erst dann bewerten, wenn die ausführliche Begründung vorliege. Erst dann könne man entscheiden, ob weitere Maßnahmen nötig seien. Mit Frankreich möchte ich ein weiteres Beispiel nennen. Dazu hat es in den letzten Tagen eine massive Falschinformation der Öffentlichkeit gegeben, als in verschiedenen Medien erklärt wurde, Frankreich wolle ein Verbot des Verkaufs von Glyphosat in Gartencentern. Ich habe die entsprechende Aussage der französischen Umweltministerin Royal übersetzen lassen. Sie möchte lediglich ein Verbot des Verkaufs auf Selbstbedienungsbasis. Es soll verpflichtend werden, dass die Pflanzenschutzmittel, die Glyphosat enthalten, nur direkt durch einen Verkäufer abgegeben werden. Damit würde sich Frankreich dem in Deutschland längst geltenden Standard anpassen, und das ist doch durchaus zu begrüßen. Die falsche Meldung wurde tagelang unter anderem auf www.tagesschau.de verbreitet. Deshalb ein Wort an die Medienvertreter: Ein Blick auf die entsprechende Meldung auf der Homepage des französischen Umweltministeriums hätte ausgereicht, um den Fehler zu korrigieren. Ich erwarte gerade auch von unserem finanziell sehr gut ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass er dieses Minimum an Recherche leistet (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Presseerklärungen nicht einfach ungeprüft übernimmt und sich so an gezielten Fehlinformationen beteiligt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, ich konnte mit diesen Informationen etwas zur Aufklärung beitragen. (Lachen und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!) Dass die CDU/CSU-Fraktion aufgrund dieser Tatsachen die Anträge der Opposition ablehnt, ist nur folgerichtig. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Faschingsveranstaltung! Büttenrede!) Wir sind immer bereit, neue Informationen in unsere Entscheidungen einfließen zu lassen. Aber wir beteiligen uns nicht an Panikmache, an der Angstindustrie und schon gar nicht an blindem Aktionismus. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Färber. – Jetzt erhält zu einer Kurzintervention der Kollege Ebner das Wort. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. – Herr Kollege, Sie haben sehr darauf abgezielt, dass man erst einmal die Monografie abwarten müsse. Das ist richtig. Dies sollte man aber auch tun, bevor man die Arbeit des IARC in Grund und Boden verdammt. Das wäre meine Aufforderung ebenso an das BfR. (Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Deutschland ist berichterstattender Staat für ganz Europa bei der Neuzulassung von Glyphosat. Davon sind 28 Mitgliedstaaten betroffen, Herr Kollege. Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass das BfR seinen Bericht über Glyphosat vor Vorliegen dieser Monografie unverändert an die EFSA geschickt hat. Wie passt das mit Ihrer Rede zusammen? Das würde mich wirklich interessieren. Sie haben so schön gesagt, die WHO habe ja auch noch andere Gremien. Da frage ich Sie: Wollen Sie die wissenschaftliche Reputation des Gremiums der WHO, das für die Einstufung von Substanzen im Hinblick auf die Krebsgefahr zuständig ist und bezüglich krebserregender Substanzen weltweit am besten Bescheid weiß, infrage stellen und relativieren? Sie haben sich auf das JMPR berufen. Mich interessiert, ob Ihnen bekannt ist, dass sowohl in der einzuberufenden Taskforce als auch im JMPR Mitglieder sind, die für das ILSI und für Chemieunternehmen arbeiten, etwa Boobis, Moretto und Dellarco – ich kann Ihnen auch die Namen nennen –, und dass dort auch ein Mitarbeiter des BfR vertreten ist. Wie bewerten Sie es, dass ein solches Gremium mit solchen Interessenvertretern besetzt ist? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Färber, Sie haben das Wort. Hermann Färber (CDU/CSU): Herr Kollege Ebner, das Problem ist, dass Sie mir nicht zuhören wollen. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es war wirklich lautstark genug! – Gegenruf des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Nun hör doch mal zu!) Wenn Sie, so wie ich, abends gescheiter ins Bett gehen wollen, als Sie morgens aufgestanden sind, dann werden Sie nicht umhinkommen, anderen einmal zuhören zu müssen. Herr Ebner, ich habe das eben ausgeführt. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollen nicht sagen, was Sie vorher gesagt haben, sondern die Frage beantworten!) Die Frage ist doch folgende: Welche Expositionspfade nutzt die IARC bei der Einstufung in ihren Grundlagen, die für Deutschland überhaupt repräsentativ sind? Wir haben hier andere Zulassungsvoraussetzungen. Wir haben eine andere Form der Anwendung. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ich denke, Sie kennen die Unterlagen nicht! Wie kommen Sie dann zu Ihrer Bewertung?) – In der Zulassung und in der Anwendung haben wir in Deutschland andere Vorgaben; das ist völlig klar. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Aber die Grundlagen kennen wir doch gar nicht! – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Jetzt ist Herr Färber dran. Hermann Färber (CDU/CSU): Vielen Dank. – Das ist doch die Frage. Man sollte jetzt nicht in blinden Aktionismus verfallen und sagen: Wir sehen – auf der Basis von Nichtinformationen – ein Verbot vor. Damit bestünde nämlich das Risiko, dass wir dieses Verbot nachher nicht begründen könnten. Ich muss sagen: Das BfR, das von Ihnen jetzt ins Nirwana geredet wird, ist das in Deutschland zuständige -Institut, ob Ihnen das gefällt oder nicht. Es ist auch ein gutes, weltweit anerkanntes Institut. Alle Bewertungs-behörden, die an dem Zulassungsprozess für Glyphosat als Berichterstatter beteiligt sind, haben ja nicht nur eine Studie als Grundlage genommen. Sie haben mehr als 1 000 Studien aus ganz verschiedenen Bereichen verwendet. Entscheidend ist, ob die Studien, die verwendet werden, auch wissenschaftlichen Standards entsprechen. Darüber haben wir im Ausschuss schon oft gesprochen. Es gibt auch Studien, die etwas anderes besagen. Entscheidend ist, ob die Studien wissenschaftlichen Standards entsprechen. Das ist doch die Frage. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank. – Nächste Rednerin in dieser Debatte ist Dr. Kirsten Tackmann für Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Gäste auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der gefährliche Unkrautvernichter Glyphosat ist in aller Munde, und zwar leider nicht nur im übertragenen Sinne. Das hat der BUND vor fast zwei Jahren in einer Studie gezeigt. 182 Urinproben von Menschen aus Großstädten in 18 Ländern Europas wurden auf Glyphosat untersucht, und in keinem einzigen Land waren alle Proben frei von Glyphosat. Im Gegenteil: In Malta wurde in 90 Prozent der Urinproben, in Deutschland immer noch in 70 Prozent der Proben Glyphosat gefunden. Ich finde das alarmierend. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nein, das ist keine repräsentative Studie. Aber selbst das Bundesinstitut für Risikobewertung hält die Ergebnisse für plausibel. Die Messwerte liegen zwar unterhalb der Schwelle der gesundheitlichen Unbedenklichkeit, aber sind ein Hinweis auf eine allgemeine Hintergrundbelastung europäischer Bürgerinnen und Bürger mit Glyphosat. Ich finde das bedenklich. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber bis heute wurde keine einzige repräsentative Studie in Auftrag gegeben, um diese alarmierenden Ergebnisse entweder zu widerlegen oder zu bestätigen. Das finde ich fahrlässig. Wir brauchen hier endlich Klarheit. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bis dahin sollten wir davon ausgehen, dass der BUND recht hat. Dann stellen sich aber mindestens drei dringende Fragen: Erstens. Warum wird so häufig Glyphosat im Urin von Menschen gefunden? Zweitens. Welche Risiken sind damit verbunden? Drittens. Was kann oder, besser gesagt, was muss getan werden? Warum haben so viele Menschen Glyphosat im Urin? Das ist der Fall, weil Glyphosat sehr häufig in der Landwirtschaft eingesetzt wird und so in die Lebensmittel gelangt. Vielleicht haben Sie schon einmal im Frühjahr Äcker gesehen, auf denen alle Pflanzen totgespritzt waren. Das ist Unkrautbekämpfung mit Glyphosat. Wenn ein Mähdrescher einmal nicht schnell genug für die Ernte bereitsteht oder die Ernte nicht gleichmäßig genug reift – die Antwort ist Glyphosat. Das wurde im Sommer 2014 selbst dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu krass, und es schränkte die Zulassung ein. Immerhin! Ob es daran liegt oder an der öffentlichen Debatte, zumindest habe ich in meiner Heimatregion Priegnitz in diesem Frühjahr seltener totgespritzte Felder gesehen. Aber auch für den Haus- und Kleingartenbereich sind 51 glyphosathaltige Mittel zugelassen. Man kann sie kanisterweise im Baumarkt kaufen, angeblich mit Beratung; nun ja. Bei www.amazon.de gibt es 500 Milliliter Roundup Easy für 17,63 Euro, gänzlich ohne Beratung. In Nord- und Südamerika werden glyphosatresistente Gentech-Pflanzen, zum Beispiel Roundup-Ready-Soja, in großem Stil angebaut und nach Europa importiert. Auch so kommt Glyphosat in den Urin der europäischen Bevölkerung. Glyphosat ist unterdessen das weltweit am stärksten verbreitete Pflanzenschutzmittel. Das ist ein Riesengeschäft für Monsanto, und zwar auf unsere Kosten. Umso wichtiger ist die zweite Frage: Welche Risiken sind damit verbunden? Die ökologischen Risiken sind im Grundsatz klar. Wenn auf einem Acker ausschließlich Mais, Getreide oder Kartoffeln wachsen dürfen, ist das eine ökologische Wüste. Auch Hinweise auf Schäden bei Lebewesen in Gewässern gibt es, übrigens auch von Bundesoberbehörden. Über das konkrete Ausmaß der ökologischen Schäden wissen wir fast nichts. Aber noch größer sind die Wissenslücken bei den gesundheitlichen Risiken. Es gibt zwar immer wieder Hinweise auf erhebliche Tiergesundheitsprobleme bei Rindern und Schweinen, die mit Glyphosat in Verbindung gebracht werden. Aber offiziell wurden diese gesundheitlichen Risiken immer verneint – bis zum Paukenschlag Ende März, als die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO – das ist schon erwähnt worden – Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Ja, die wissenschaftliche Dokumentation dazu liegt erst Mitte Juli vor, und ja, es ist völlig legitim, diese noch einmal zu überprüfen. Aber dass Union und Bundesregierung schon vorab die wissenschaftliche Kompetenz dieser WHO-Agentur infrage stellen, finde ich absolut inakzeptabel. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich muss ehrlich sagen: Diese deutsche Arroganz ist erschreckend und hochnotpeinlich. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Damit kommen wir zur dritten Frage: Was muss jetzt eigentlich getan werden? Die Forderungen der Linken liegen seit einem Jahr vor. Wenn die Krebsforscher der WHO recht haben, dann sind das, was wir fordern, nur die allernötigsten Maßnahmen. Unsere erste Forderung wird von vielen Baumärkten – vielleicht in vorauseilendem Gehorsam – schon umgesetzt. Sie nehmen Glyphosat aus dem Sortiment, und das ist auch gut so. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was sagt es eigentlich über unser Land, wenn Baumärkte vorsorgender denken als die Bundesregierung? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass sie intelligenter sind!) Zweitens. Glyphosat gehört nicht in die Ernte. Drittens wollen wir mehr Forschung zu ökologischen und gesundheitlichen Risiken. Das kann man nun wirklich nicht ablehnen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Tackmann. – Nächste Rednerin in der Debatte: Rita Hagl-Kehl für die SPD. (Beifall bei der SPD) Rita Hagl-Kehl (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Unser täglich Brot gib uns heute.“ Diesen Satz habe ich als gläubige Christin – genauso wie Millionen andere Menschen – schon tausendfach gen Himmel gesandt, immer in der Überzeugung, dass dieses Lebensmittel gut für mich, meine Kinder, meine Familie ist. Genau dieses Lebensmittel steht nun im Verdacht, ein krebserregendes Pflanzenschutzmittel in unseren Körper zu bringen. Glyphosat ist ein Wirkstoff, der in den letzten Jahren immer mehr zum Einsatz kommt. Es ist das weltweit – auch in Deutschland – am meisten verwendete Her-bizid. Die Zahlen wurden schon genannt. Allein in Deutschland werden 5 000 bis 6 000 Tonnen Glyphosat jährlich eingesetzt. Durch die massive Anwendung von Glyphosat werden die damit bespritzten Unkräuter aber immer resistenter. Dies führt zu einem verstärkten Einsatz dieses Herbizidwirkstoffs und steigender Konzentration des Wirkstoffs. Darüber hinaus kommt es oft zur Vermischung mit anderen Herbiziden. Dadurch entsteht eine noch größere Toxizität. In Deutschland sind derzeit 83 glyphosathaltige Mittel zugelassen, etwa die Hälfte davon auch für Haushalt und Kleingärten. Das heißt, man kann sie, wie wir von der Kollegin vorhin gehört haben, in Baumärkten frei erhalten. Diese Mittel stehen in einem mit einem Schloss gesicherten Schrank. Man geht zur Verkäuferin und sagt, dass man 500 Milliliter haben möchte. Die Verkäuferin fragt dann zurück: Welche Marke hätten Sie denn gerne? Dann gibt sie uns die gewünschte Marke. Ähnliches gilt für das Schneckenkorn. Beratung findet kaum statt. Ich kann mich jedenfalls an keine ausführliche Beratung erinnern. Gleichzeitig verlangen wir von den Landwirten einen Sachkundenachweis. Dabei darf jeder Hobbygärtner solche Mittel einfach so verwenden. Laut einer Studie werden 39 Prozent der Ackerflächen in Deutschland mit glyphosathaltigen Wirkstoffen behandelt. Das ist eine sehr hohe Zahl. Aber die Anwendung von glyphosathaltigen Mitteln betrifft nicht nur die Ackerbauflächen und die heimischen Gärten, sondern auch den öffentlichen und insbesondere den kommunalen Bereich. Dieser Wirkstoff wird zur Pflege von öffentlichen Grünflächen und Spielplätzen sowie zur Pflege von Bahnstrecken und Autobahnrandstreifen verwendet. Welche Mutter lässt es kalt, wenn sie weiß, dass der Spielplatz, auf dem ihr Kind gerade im Sand buddelt, zuvor mit Glyphosat behandelt wurde? Mich würde es nicht kaltlassen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die aktuelle Studie der Arbeitsgruppe der Krebsforschungsagentur, die von meinen Vorrednern bereits mehrfach genannt wurde, hat mit der Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ große Besorgnis in der Bevölkerung ausgelöst. Dazu hat auch die Presse beigetragen, die dies vermittelt hat; das ist auch richtig so. Die neuesten Erkenntnisse haben bewirkt, dass Produkte mit diesem Wirkstoff in den Baumärkten zum Teil schon freiwillig aus dem Sortiment genommen wurden. Wie der Kollege Ebner bereits gesagt hat, haben wir die Aufgabe, bis Ende 2015 bei der Entscheidung auf EU-Ebene mitzuwirken, ob Glyphosat auch in den nächsten zehn Jahren verwendet werden soll. Bei dieser Entscheidung muss der Schwerpunkt auf die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie auf die Folgen für die Umwelt gesetzt werden. Wir als SPD nehmen dieses Problem sehr ernst und haben deswegen der Anhörung zugestimmt, die wir im September haben werden. Wir wollten diese Anhörung auch deshalb, weil dort hoffentlich die neuesten Erkenntnisse für uns zusammengetragen werden. (Beifall bei der SPD) Bevor wir an ein umfassendes Verbot denken, sollten wir eine Reihe von bevorstehenden Ereignissen noch abwarten. Auf die Monografie der Krebsforschungsagentur, die die Belege für die Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ enthalten wird, warten wir noch bis Juli. Auch die Schlussfolgerung der Neubewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zum Pflanzenschutzmittelwirkstoff wird noch veröffentlicht werden. Wir werden darauf einwirken, dass die EU auch diese Studie der IARC mit einbezieht. Bei der Anwendung von Glyphosat zur Abreifebeschleunigung wurde bereits 2014 eine Einschränkung vorgenommen. So dürfen nur noch Flächen behandelt werden, auf denen das Getreide unregelmäßig gereift ist und auf denen eine Beerntung ohne diese Behandlung nicht möglich wäre. Dies ist ein erster Schritt; aber wir wissen auch, dass diese Maßgabe schwer zu kontrollieren ist. Wir brauchen mehr Forschung, um relevante Alternativen zum Glyphosateinsatz zu finden und weiterzuentwickeln, die zum einen denselben Effekt haben und die Produktion nicht hemmen, zum anderen aber nicht gefährlich für Menschen, Tiere und Umwelt sind. Es ist uns wenig geholfen, wenn wir in Deutschland sofort den Einsatz verbieten (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum?) und dann aufgrund von Ernteausfällen, die womöglich eintreten, Getreide importiert wird, von dem wir auch nicht wissen, ob es belastet ist. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch andere Länder, wie zum Beispiel die Schweiz – vorhin wurde auch Frankreich genannt –, arbeiten bereits an einer entsprechenden Gesetzgebung. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! So ist das!) Immer mehr Länder nehmen die Gefahr der Verwendung ernst. Obwohl ein vollkommenes Verbot mehr Zeit in Anspruch nehmen wird, als wir heute haben, scheint mir doch ein Verbot des Verkaufs zum privaten Gebrauch eigentlich sehr realistisch. Dieses Ziel müssen wir uns vornehmen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Denn ich kann zwar nicht vom Bauern verlangen, dass er jedes Unkraut auszupft; aber von einem Hobbygärtner kann ich sehr wohl verlangen, dass er seine Unkräuter noch mit der Hand auszupft und nicht die Giftspritze benutzt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank, liebe Kollegin Hagl-Kehl. – Nächster Redner in der Debatte: Arthur Auernhammer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Artur Auernhammer (CDU/CSU): Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Tagesordnungspunkt 34“ steht hier, und darunter: „Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat“. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pflanzenschutzmittel wäre besser gewesen!) Man könnte meinen, man sei in einer militärischen Debatte. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hätten Sie denn gern?) Diese Überschrift passt wieder ideal in das große politische Leitbild der Grünen, nämlich die deutsche Landwirtschaft zu stigmatisieren, wie es ständig in diesem Hause geschieht. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche schönrednerische Überschrift hätten Sie denn gerne gehabt, Herr Kollege? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Ich bitte die Saaldiener, den Grünen Baldriantropfen vorbeizubringen; denn die sind heute etwas sehr aufgedreht. Vizepräsidentin Claudia Roth: Haben Sie eine Ahnung, wie das ist, wenn die wirklich aufgedreht sind? (Heiterkeit) Artur Auernhammer (CDU/CSU): Dann möchte ich Sie nicht im Rücken haben, Frau Präsidentin. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben bundeseigene Institutionen – BfR und UBA, Umweltbundesamt –, wo gut bezahlte Wissenschaftler sitzen, die sich mit dem Thema Glyphosat befassen. Wir sollten doch in dieser Diskussion auf die Wissenschaftler vertrauen und nicht auf kurzfristige Polemik abfahren. (Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die internationale Forschung?) Wir haben bereits im Jahr 2014 gehandelt; das ist angesprochen worden. Die sogenannte Sikkation wurde verboten. Das Mähdreschermanagement, das teilweise großflächig angewandt wurde, ist nicht mehr erlaubt. Es ist sehr eingeschränkt, und es war gut so, dies zu machen. Wir diskutieren hier oft über den Schaden durch Pflanzenschutzmittel. Ich war als Landwirt heilfroh, als – ich nenne das Kind jetzt einmal beim Namen – Round-up auf den Markt kam und wir zur Bekämpfung der sogenannten Gemeinen Quecke – sie ist wirklich gemein; zuvor hatten wir zu ihrer Bekämpfung nur Bodenbearbeitungsgeräte – endlich ein effektives Mittel hatten. Durch die mechanische Bodenbearbeitung hatte ich mir wie viele andere Landwirte schon Bandscheibenschäden zugezogen, und deshalb waren wir alle froh, als dieses Präparat auf den Markt kam. Wir wollen alles dafür tun, dass wir es auch weiterhin nutzen können. (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das glaube ich!) Wenn wir von heute an landauf, landab auf Glyphosat verzichten würden, wäre Europa – das ist bereits angesprochen worden – zum Beispiel nicht mehr in der Lage, Weizen zu exportieren, sondern müsste, um die eigene Ernährung sicherzustellen, Weizen importieren. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht einschlafen, Herr Kollege! Nicht zu viel Baldrian trinken!) Wissenschaftler haben bereits Berechnungen dazu angestellt und sind zu entsprechenden Erkenntnissen gekommen. Wir haben aber die Verantwortung – das will ich hier ebenfalls sagen –, einen Beitrag zur Welternährung zu leisten. In diesem Zusammenhang wird immer wieder auch über die Kleingärtner und die Baumärkte gesprochen. Es wird gefordert, jeder Baumarkt müsse dieses Präparat sofort aus seinem Sortiment nehmen. Ja, sollen es die Baumärkte herausnehmen. Aber man muss bedenken: Gemessen an der Gesamtmenge an eingesetztem Glyphosat liegt der Anteil bei den in Baumärkten vertriebenen Produkten bei vielleicht 1 Prozent. Natürlich stellt sich auch mir die Frage, ob eine Verbraucherin oder ein Verbraucher das in einem Baumarkt gekaufte Glyphosat auch richtig einsetzt. Die Landwirtschaft verfügt über Sachkundenachweise, über Ausbildung, über eine geprüfte, kontrollierte Technik. In einem Baumarkt öffnet sich einem ein Glasschrank, und jeder kann das angebotene Präparat erwerben. In welcher Konzentration er das auf das Pflaster ausbringt, ist dann die Frage. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aufs Pflaster darf das doch gar nicht, Herr Kollege!) – Herr Kollege Ebner, nicht alle Menschen machen das, was man darf. So weit sind wir noch nicht. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, raus aus dem Baumarkt! – Gegenruf des Abg. Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Genau! Immer alles verbieten!) Es lebt nicht jeder wie Sie in einer Gutmenschenwelt. Meine Damen und Herren, das Thema „Glyphosat in Verbindung mit GVO-Anbau“ ist bereits angesprochen worden, Stichwort: Roundup und Co. Wir haben gerade durch den GVO-Anbau die eine oder andere Resistenz in Nord- und in Südamerika festgestellt. Ich habe das Beispiel Atrazin vor Augen: Atrazin war ein gutes Produkt zur Unkrautbekämpfung beim Maisanbau. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und es ist zu Recht aus dem Verkehr gezogen worden!) Am Anfang betrug die Aufwandmenge pro Hektar 1,5 Kilogramm. Dann kamen die ersten Resistenzen, und man hat die Aufwandmenge erhöht, woraufhin Atrazin im Grundwasser nachgewiesen wurde. Bei der Frage, ob etwas giftig ist, ist immer die Dosis entscheidend. Gerade beim GVO-Anbau ist es wichtig, genau hinzuschauen, inwieweit höhere Aufwandmengen genutzt werden, um die Resistenzen zu bekämpfen. Eines muss ich noch sagen: Warten wir doch erst einmal ab, was uns die Wissenschaftler im im Juli erscheinenden WHO-Bericht sagen. Dann können wir in diesem Hause entscheiden und eine gute und vernünftige Lösung für die deutsche Landwirtschaft und für die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher finden. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Auernhammer. – Dann kommen wir zur letzten Rednerin in dieser Debatte und wahrscheinlich auch des heutigen Tages. Das ist Frau Elvira Drobinski-Weiß für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zum Kollegen Auernhammer bin ich der Meinung, dass eine Landwirtschaft ohne Glyphosat möglich ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ganz sicher bedeutet ein Verzicht darauf weder den Untergang der deutschen Getreide- und Zuckerrübenproduktion noch das Ende des unkrautfreien Kleingartens. Die Internationale Agentur für Krebsforschung – sie ist heute schon mehrfach genannt worden – hat Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft; Hinweise darauf existieren schon seit langem. Die Rückstände dieses Pflanzenschutzmittels finden sich in Brötchen, Mehl und im menschlichen Urin. Im Gegensatz zur Internationalen Krebsforschungsagentur halten das Bundesinstitut für Risikobewertung und die europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde Glyphosat bisher für unbedenklich; das ist hier schon angeklungen. Angeblich fehlen die wissenschaftlichen Belege für die gesundheitlichen Risiken. Beide Behörden müssen jedoch endlich die gesamte Studienlage in ihre Bewertung einbeziehen. Es ist den Verbraucherinnen und Verbrauchern, die im Übrigen zu Tausenden für ein Verbot von Glyphosat demonstrieren, schwer zu vermitteln, dass die kritischen, unabhängigen Studien wegen formaler Ausschlusskriterien nicht in die Bewertung einfließen, während die industriefinanzierten Studien einbezogen werden, im Übrigen oft, ohne dass sie öffentlich zugänglich sind. Die formalen Kriterien, die die Behörden ansetzen, sind von vielen unabhängigen Universitätsinstituten jedoch kaum einzuhalten, und sie sind gleichzeitig auch kein Garant für die Qualität oder Aussagekraft der Studien. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Mir erscheint diese Praxis außerordentlich problematisch. Wir haben die Aufgabe, die Gesundheit und Unversehrtheit von Menschen und die Umwelt zu schützen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In Sachen Glyphosat nichts zu unternehmen, wird dieser Aufgabe jedoch nicht gerecht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ja, der Einsatz kurz vor der Ernte, um die Reife zu -beschleunigen, ist inzwischen eingeschränkt. Ja, die -Anwendungsbestimmungen sind im letzten Jahr noch einmal konkretisiert worden. Aber dennoch landen Tausende Tonnen Glyphosat auf Pflanzen, Spielplätzen, öffentlichen Anlagen und eben auch in privaten Gärten; das ist schon mehrfach genannt worden. Die Handelskette Rewe hat sich inzwischen dazu entschieden, keine Produkte mit Glyphosat mehr zu verkaufen. Man will stattdessen umweltverträglichere Alter-nativen anbieten. Das ist sehr begrüßenswert. Ich hoffe, dass andere Unternehmen folgen. Das entbindet uns aber selbstverständlich nicht von der Pflicht, bald zu entscheiden, wie wir mit den Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation und dem breiten gesellschaftlichen Protest gegen Glyphosat umgehen. Dazu haben wir in dieser Woche eine Anhörung im Bundestag beschlossen. Das ist auch gut so. Auch wollen wir die vollständige Auswertung der Stellungnahme der Internationalen Krebsforschungsagentur abwarten; darauf ist schon mehrfach hingewiesen worden. Aber eines ist jetzt schon klar: Das Vorsorgeprinzip wird uns gebieten, den Einsatz deutlich zu beschränken. Für uns bedeutet das auf jeden Fall: Glyphosat sollte in Baumärkten für den privaten Gebrauch nicht mehr frei erhältlich sein. Dafür werden wir uns einsetzen. Und – ich sage es noch einmal –: Auch eine Landwirtschaft ohne Glyphosat ist zweifellos möglich. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Kollegin Drobinski-Weiß. – Damit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/5101 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Sie sind damit einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft zum Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Zulassung glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel einschränken“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/5087, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 18/1873 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Die Große Koalition – CDU/CSU und SPD – hat zugestimmt. Dagegen waren Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 1. Juli 2015, 13 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen, auch Ihnen auf den Tribünen, ein schönes Wochenende und noch viel Spaß in Berlin. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 14.34 Uhr) Berichtigung 112. Sitzung, Seite 10774 D, vorletzter Absatz, letzter Satz, ist wie folgt zu lesen: „Zu deren Mitgliedern gehören wiederum zahlreiche ärztliche und pflegerische Organisationen, als deren Mitglied auch ich als Person.“ Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.06.2015 Baerbock, Annalena BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.06.2015 Bär, Dorothee CDU/CSU 19.06.2015 Brase, Willi SPD 19.06.2015 Dinges-Dierig, Alexandra CDU/CSU 19.06.2015 Dröge, Katharina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 19.06.2015 Gleicke, Iris SPD 19.06.2015 Groneberg, Gabriele SPD 19.06.2015 Groß, Michael SPD 19.06.2015 Hartmann (Wackern-heim), Michael SPD 19.06.2015 Dr. Hendricks, Barbara SPD 19.06.2015 Ilgen, Matthias SPD 19.06.2015 Karawanskij, Susanna DIE LINKE 19.06.2015 Krellmann, Jutta DIE LINKE 19.06.2015 Kunert, Katrin DIE LINKE 19.06.2015 Mortler, Marlene CDU/CSU 19.06.2015 Nahles, Andrea SPD 19.06.2015 Özoğuz, Aydan SPD 19.06.2015 Renner, Martina DIE LINKE 19.06.2015 Dr. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 19.06.2015 Dr. Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 19.06.2015 Weinberg, Harald DIE LINKE 19.06.2015 Wiese, Dirk SPD 19.06.2015 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali -(MINUSMA) (Tagesordnungspunkt 29) Mein Name ist in der Ergebnisliste nicht enthalten. Mein Votum lautet „Ja“. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 934. Sitzung am 12. Juni 2015 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Tarifeinheit (Tarifeinheitsgesetz) – Viertes Gesetz zur Änderung des Rindfleisch-etikettierungsgesetzes – Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2015 (Nachtragshaushaltsgesetz 2015) – Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern – Kleinanlegerschutzgesetz – Neuntes Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (9. BVerfGGÄndG) – Gesetz zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften – Gesetz zur Neuregelung der Unterhaltssicherung sowie zur Änderung soldatenrechtlicher Vorschriften – Zweites Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – Erstes Gesetz zur Änderung des Informationsweiterverwendungsgesetzes Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/5004 Nr. A.1 EuB-BReg 30/2015 Drucksache 18/5004 Nr. A.2 EuB-BReg 31/2015 Drucksache 18/5004 Nr. A.3 EuB-BReg 36/2015 Drucksache 18/5004 Nr. A.4 Ratsdokument 7949/15 Drucksache 18/5004 Nr. A.5 Ratsdokument 8129/15 Drucksache 18/5004 Nr. A.6 Ratsdokument 8216/15 Innenausschuss Drucksache 18/642 Nr. C.7 Ratsdokument 8229/13 Drucksache 18/1393 Nr. A.21 Ratsdokument 8478/14 Drucksache 18/1393 Nr. A.23 Ratsdokument 8720/14 Drucksache 18/2533 Nr. A.16 Ratsdokument 11580/14 Drucksache 18/2677 Nr. A.3 Ratsdokument 12719/14 Drucksache 18/3110 Nr. A.8 Ratsdokument 13699/14 Drucksache 18/4375 Nr. A.2 EP P8_TA-PROV(2015)0032 Drucksache 18/4749 Nr. A.5 Ratsdokument 6884/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.6 Ratsdokument 6885/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.7 Ratsdokument 6886/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.8 Ratsdokument 6887/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.9 Ratsdokument 6889/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.14 Ratsdokument 6945/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.15 Ratsdokument 6946/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.16 Ratsdokument 6948/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.17 Ratsdokument 6949/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.18 Ratsdokument 6952/15 Drucksache 18/5004 Nr. A.7 Ratsdokument 8293/15 Drucksache 18/5004 Nr. A.8 Ratsdokument 8961/15 Finanzausschuss Drucksache 18/4857 Nr. A.4 EU-Dok 100/2015 Drucksache 18/4857 Nr. A.5 EP P8_TA-PROV(2015)0089 Haushaltsausschuss Drucksache 18/4504 Nr. A.5 Ratsdokument 6644/15 Drucksache 18/4504 Nr. A.6 Ratsdokument 6733/15 Drucksache 18/4504 Nr. A.7 Ratsdokument 6734/15 Drucksache 18/4504 Nr. A.8 Ratsdokument 6736/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.30 Ratsdokument 6586/15 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/5004 Nr. A.11 Ratsdokument 8344/15 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 18/419 Nr. A.159 Ratsdokument 14110/13 Drucksache 18/2677 Nr. A.11 Ratsdokument 12770/14 Drucksache 18/2935 Nr. A.7 EP P8_TA-PROV(2014)0023 Drucksache 18/3477 Nr. A.4 Ratsdokument 15345/14 Drucksache 18/3765 Nr. A.13 EP P8_TA-PROV(2014)0064 Drucksache 18/4749 Nr. A.37 EP P8_TA-PROV(2015)0071 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 18/2845 Nr. A.12 Ratsdokument 13197/14 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 18/4504 Nr. A.13 Ratsdokument 5902/15 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 18/2533 Nr. A.67 ERH 11/2014 Drucksache 18/4504 Nr. A.14 Ratsdokument 6632/15 Drucksache 18/4749 Nr. A.41 EP P8_TA-PROV(2015)0067 Drucksache 18/4749 Nr. A.42 EP P8_TA-PROV(2015)0069 Ausschuss für Kultur und Medien Drucksache 18/4749 Nr. A.44 Ratsdokument 6729/15 1Ergebnis Seite 10892 C 2Ergebnis Seite 10899 C 3Ergebnis Seite 10907 D ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 113. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. Juni 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 113. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. Juni 2015 10909 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 10962 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 113. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. Juni 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 113. Sitzung, Berlin, Freitag, den 19. Juni 2015 10961