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Berlin: (hib/KOS) Was genau ist unter „anerkannten parlamentarischen Gepflogenheiten“ zu verstehen, die nicht als Korruption anzusehen sind? Sollen bei Abgeordneten, die keine „Amtsträger“ sind, die gleichen oder andere Maßstäbe für Bestechung und Bestechlichkeit gelten wie bei Amtsträgern? Läuft der Kampf gegen parlamentarische Korruption ins Leere, wenn nachgewiesen werden muss, dass ein Volksvertreter im Falle von Zuwendungen „im Auftrag oder auf Weisung“ eines Interessenvertreters politisch agiert - und ein solcher Beweis nur schwer zu führen ist? Solche und andere kritische Fragen will der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Montag, den 17. Februar 2014, mit sieben Sachverständigen bei einer Anhörung über einen Gesetzentwurf (18/476) erörtern, mit dem die Große Koalition den Kampf gegen Abgeordnetenbestechung verstärken will.
Nach den bisherigen Regelungen ist nur der direkte Stimmenkauf im Einzelfall strafbar, wenn also ein gewählter Volksvertreter Zuwendungen für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten entgegennimmt, etwa bei einem Votum im Plenum des Bundestags über ein konkretes Gesetzesvorhaben. Union und SPD wollen den Begriff der parlamentarischen Korruption nun auf alle unsauberen Verhaltensweisen in Ausübung eines Mandats ausdehnen, also etwa auch auf den Versuch, Gesetzesinitiativen im Sinne eines spendablen Lobbyisten auszugestalten. Die Koalition definiert den Kern ihres Anliegens so: „Wer als Mitglied einer Volksvertretung … einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandats eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Bei den Zuwendungen an Abgeordnete soll es sich künftig nicht unbedingt um Geld handeln müssen, um von Bestechung zu reden, könne es auch um „immaterielle Vorteile“ wie die Verleihung einer Ehrendoktorwürde gehen.
Doch die geplanten Neuregelungen werfen Probleme auf, die bei dem Hearing diskutiert werden sollen. Die Vorlage von Union und SPD spricht nur dann von parlamentarischer Korruption, wenn eine „konkrete Unrechtsvereinbarung“ vorliegt. Was aber ist unter einer solchen Übereinkunft zu verstehen? Reicht eine mündliche Absprache oder muss dies schriftlich fixiert sein, lässt sich so etwas überhaupt belegen? Nicht leicht zu beweisen dürfte es im Zweifelsfall auch sein, dass ein Volksvertreter „im Auftrag oder auf Weisung“ eines Interessenvertreters gehandelt hat. Werden Bestechung und Bestechlichkeit vielleicht häufig nicht geahndet werden können, weil solche Nachweise nur schwer zu führen sind? Oder gebieten es rechtsstaatliche Erfordernisse, die Schwelle sehr hoch zu legen?
Nicht als Korruption klassifizieren will die Koalition „anerkannte parlamentarische Gepflogenheiten“. Aber auch hier ist eine präzise Definition schwierig: Darf sich ein Abgeordneter zu einem Essen einladen lassen, zu einer mehrtägigen Reise aber nicht? Ein anderes Dilemma: Parlamentarier sind keine Amtsträger, Abgeordnete sind in ihrer politischen Willensbildung frei und nur ihrem Gewissen verpflichtet. Doch lässt es sich rechtfertigen, beim Thema Bestechung an Volksvertreter weniger strenge Maßstäbe anzulegen als an Amtsträger? Oder ist dies sogar geboten? Unter Parlamentariern kursiert im Übrigen die Furcht, dass der Vorwurf der Korruption im politischen Machtkampf instrumentalisiert werden könnte: Werde ein Abgeordneter einem solchen Verdacht ausgesetzt, könne er auf Dauer diskreditiert werden, auch wenn sich die Vorwürfe im Zuge strafrechtlicher Ermittlungen später als ungerechtfertigt erweisen sollten.
Die Anhörung beginnt um 13 Uhr im Sitzungssaal E 300 im Paul-Löbe-Haus.
Zu den geladenen Sachverständigen gehören u.a. der Berliner Strafrechtsprofessor Bernd Heinrich und der Würzburger Staatsrechtler Professor Kyrill-Alexander Schwarz.
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