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Berlin: (hib/PST) Der Nationale Normenkontrollrat will nicht nur die Kosten bewerten, die durch die Umsetzung neuer Gesetze zu erwarten sind, sondern auch den Nutzen. In der Wirtschaft kenne man nur Kosten-Nutzen-Rechnungen, begründete der Vorsitzende des unabhängigen Kontrollgremiums, Johannes Ludewig, im Gespräch mit dem Wirtschaftsausschuss den Vorstoß. Anlass für das Gespräch war die Unterrichtung des Bundestages durch die Bundesregierung über den Bericht für 2013 nach § 7 des Gesetzes zur Einsetzung des Nationalen Normenkontrollrates (18/866). Neben Ludewig nahmen dessen Stellvertreter Wolf-Michael Catenhusen sowie der für das Bundeswirtschaftsministerium zuständige Berichterstatter im Normenkontrollrat, Hanns-Eberhard Schleyer, daran teil.
Ludewig zog zunächst eine Bilanz der Arbeit des 2006 eingesetzten Normenkontrollrates. In der letzten Legislaturperiode sei „eine Menge bewegt worden zur Entbürokratisierung“, vor allem was die Belastung von Unternehmen durch Bilanzierungs-, Statistik- und andere Vorschriften angeht. Hatte der Normenkontrollrat zunächst nur den Auftrag, im Vorfeld der Gesetzgebung den dadurch entstehenden Bürokratieaufwand zu bewerten, so soll er seit einer Novelle 2011 alle Gesetzesfolgekosten ermitteln - den sogenannten Erfüllungsaufwand.
Dieser Aufwand für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung ist dem Bericht des Normenkontrollrates zufolge seit November von rund 1,0 Milliarden Euro auf 2,6 Milliarden in die Höhe geschnellt, und zwar durch die neue Energiesparverordnung. „Dieser Aufwand entsteht dadurch, dass die Energieeffizienzstandards bei neuen Gebäuden der Wirtschaft sowie bei Wohngebäuden der Wohnungswirtschaft ab dem Jahr 2016 angehoben werden.“ Zwar sei zu erwarten, dass diese Belastungen „über die Zeit durch eingesparte Energiekosten zumindest ausgeglichen“ werden, allerdings fehlt dem Normenkontrollrat bisher der gesetzliche Auftrag, auch diesen Nutzen zu bewerten, was Ludewig bedauerte. Eine deutliche Entlastung bei den Kosten für die öffentliche Verwaltung sieht das Gremium bei dem im April verabschiedeten Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenkasse.
Zu den Erfahrungen in der neuen Legislaturperiode stellte Ludewig fest: „Der Normenkontrollrat hat noch kein so schwieriges halbes Jahr erlebt wie dieses.“ Bei allen wichtigen Gesetzesvorhaben hätten bis kurz vor der Beschlussfassung im Kabinett keine Kostenberechnungen vorgelegen. Die Ministerien hätten die Vorgaben des Normenkontrollgesetzes nicht eingehalten. Als Beispiele nannte Ludewig die EEG-Novelle, den Mindestlohn, die Rentenreform und die Lebensversicherungsreform. Stets habe parallel zum parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren nachgearbeitet werden müssen.
Kritisch äußerte sich Ludewig auch zu den Folgekosten von europäischem Recht. Nur bei EU-Richtlinien, welche in nationales Recht umgesetzt werden müssen, könne der Erfüllungsaufwand ermittelt werden. Bei EU-Verordnungen, die unmittelbar geltendes Recht werden, gebe es dagegen „keine Kenntnis der Kosten“. Ludewig drängte darauf, hier mit der neuen EU-Kommission ein Verfahren zu finden. „Sehr unvollständig erfasst“ sei auch der Verwaltungsaufwand für Länder und Kommunen bei der Umsetzung von Bundesrecht. Ludewig machte dafür mangelnde Auskunftsbereitschaft der Landesregierungen verantwortlich.
Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, Peter Ramsauer, fasste Ludewigs Darstellung mit „viel Licht, aber auch mancher Schatten“ zusammen, enthielt sich aber einer inhaltlichen Bewertung der Aussagen. Aus den Fraktionen erfuhr der Normenkontrollrat insgesamt viel Anerkennung. Aus der CDU/CSU-Fraktion kam allerdings Kritik an Ludewigs Darstellung, der Mindestlohn bedeute für die Wirtschaft 9,6 Milliarden Euro mehr Lohnkosten und erfordere für die Überwachung 1.600 zusätzliche Mitarbeiter beim Zoll. Die Lohnkosten-Schätzung sei zu niedrig und die Zahl der Kontrolleure zu hoch. Ludewig berief sich dagegen auf entsprechende Zahlen aus dem Bundesarbeitsministerium.
Aus der SPD-Fraktion wurden Zweifel an der Aussagekraft von Kostenangaben geäußert, solange dem kein Nutzen gegenübergestellt wird - was Ludewig als Bekräftigung seiner Position bewertete. Andererseits zeigte man sich in den Reihen der Sozialdemokraten „erstaunt“ über „sehr stark politische Bewertungen“ des Normenkontrollrates und bezweifelte, ob dies vom Auftrag seines Gremiums abgedeckt ist. In diese Richtung ging auch Kritik aus der Fraktion Die Linke. Man sei „verwundert, ja verstört“, dass der Normenkontrollrat materielle Kosten bewertet. Eine Einschätzung beispielsweise der Folgekosten einer Lohnerhöhung - gemeint war der Mindestlohn - „steht Ihnen gar nicht zu“, wurde Ludewig vorgehalten. Dieser erwiderte, sein Gremium gingen zwar die politischen Ziele des Mindestlohns „nichts an“, aber sein Auftrag sei „zu prüfen: Welche Kosten verursacht das?“. Ludewigs Stellvertreter Wolf-Michael Catenhusen ergänzte, der Normenkontrollrat fasse seine Beschlüsse stets einstimmig.
Ein Ausschussmitglied der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen regte an, nicht erst bei Beginn des Gesetzgebungsverfahrens eine Kostenabschätzung vorzulegen, sondern bereits während der vorangehenden politischen Diskussion. Außerdem sei es wünschenswert, bei Änderungen, die sich im laufenden Gesetzgebungsverfahren ergeben, den Erfüllungsaufwand neu zu bewerten. Normenkontrollrats-Mitglied Hanns-Eberhard Schleyer verwies darauf, dass dies beispielsweise bei der EEG-Novelle auch geschehen sei. Der frühere Bundestagsabgeordnete Wolf-Michael Catenhusen schließlich hatte noch eine Anregung für die Parlamentarier. Das Bundeskabinett hatte im Januar 2013 beschlossen, künftig alle Gesetze nach drei bis fünf Jahren zu evaluieren, ob die Folgekosten so waren wie erwartet. Catenhusen ermunterte die Abgeordneten, sich in diese Evaluierung mit einzuschalten.
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