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Berlin: (hib/ROL) In der Industrie 4.0 findet eine intelligente Vernetzung der Produktion statt, in der alle Elemente der Wertschöpfungskette durch Sensortechnik und eine Maschine-zu-Maschine-Kommunikation zuverlässig und in Echtzeit gesteuert werden können. Die intelligente Vernetzung der Industrieproduktionen wird in Deutschland auch als die vierte industrielle Revolution bezeichnet. Zu dem Thema "Industrie 4.0" fand am Mittwochvormittag auf Einladung des Ausschusses für Bildung und Forschung ein Öffentliches Fachgespräch statt. Alle Sachverständigen waren sich einig, dass die Industrie 4.0 eines der wichtigsten Zukunftsthemen ist. Vorlagen zum Fachgespräch waren der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (18/6643), der überwiegend von den Sachverständigen begrüßt wurde.
Ariane Hellinger, IG Metall Vorstand, Ressort Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik sagte, Industrie 4.0 müsste grundsätzlich als Chance verstanden werden, Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe zu verbessern und die Humanisierung der Arbeitswelt voranzutreiben. Die Auswirkungen des technologischen Wandels für die Belegschaften müssten mitberücksichtigt und integriert werden. Sie forderte die Forschungsvorhaben, die vor allem in technikwissenschaftlichen Instituten stattfinden würde, auch auf Arbeitssoziologen zu erweitern.
Professor Henning Kagermann, Präsident der Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech), betonte, dass Deutschland ein Internet in Echtzeit bräuchte, um digitale Plattformen zu eröffnen. Mit Smart Data könnten innovative Geschäftsmodelle entwickelt werden. Deutschlands Wirtschaft solle seine gute Ausgangsposition als "Fabrikausrüster der Welt" nutzen, um diesen Wandel zu gestalten, statt von Digitalisierung und der Technologie- und Marktentwicklung in den USA, China und Japan getrieben zu werden.
Professor Peter Liggesmeyer, Lehrstuhl Software Engineering: Dependability, Fachbereich Informatik der TU Kaiserslautern, machte deutlich, dass das markanteste Merkmal von Industrie 4.0 der Ersatz von Massenprodukten durch sogenannte massenindividualisierte Produkte sei. Die dritte industrielle Revolution habe in den 1970er und 1980er Jahren des letzten Jahrhunderts die weitgehende Automatisierung der Produktion bewirkt. Manuelle Fertigungsschritte seien zunehmend von computergesteuerten Maschinen übernommen worden, die Produkte schneller, präziser und in besserer Qualität fertigten. In der vierten industriellen Revolution sollen sich die Produkte viel mehr am individuellen Bedürfnis des Kunden ausrichten, Massenprodukte sollen weitgehend ersetzt werden.
Norbert Lütke-Entrup, Leiter der Abteilung Technologie- und Innovationsmanagement der Siemens AG, betonte, dass in Deutschland noch nicht alles erreicht sei, aber das Land bezüglich Industrie 4.0 auf gutem Weg sei. Industrie 4.0 sei heute bereits in der Praxis angekommen, was auch an den über 200 Anwendungsbeispielen deutlich werden, die auf dem IT Gipfel im November in Form einer Landkarte präsentiert worden seien. Zugleich habe die Plattform 4.0 mit der Vorlage einer Forschungs-Roadmap einen wichtigen Beitrag geleistet. Zugleich forderte er ein "konzises an der Forschungs-Roadmap ausgerichtetes Förderprogramm zu Industrie 4.0. in welcher sich auch gerade kleinere Unternehmen zurechtfinden können".
Mario Patuzzi vom Deutschen Gewerkschaftsbund sagte, dass neben den wachsenden fachlichen Anforderungen von den Beschäftigten ein hohes Maß an selbstgesteuertem Handeln, kommunikativen Kompetenz und Fähigkeiten zur Selbstorganisation verlangt werde. Diese biete Chancen für eine positive Gestaltung der Arbeit, berge aber auch Gefahren der ungebremsten Arbeitsverdichtung, der Entgrenzung von Leben und Beruf. Dabei gehe es um die Frage, ob der Mensch als verlängerter Arm der Maschine gesehen werde oder ob für die Beschäftigten neuen Spielräume entstehen würden.
Professor Sabine Pfeiffer, Professur für Soziologie, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hohenheim, unterstrich das Industrie 4.0 einen großen Wandel bewirken werde. Industrie 4.0 sei keine Technik, die "sozusagen von der Stange" zu kaufen sei. Letztlich müsse jedes Unternehmen für seine Produkte, Prozesse, Märkte und Kunden seine passende Industrie 4.0 entwickeln. Das werde vor allem für die Beschäftigten zu einem hohen Maß von Veränderungen führen, die diesen Wandel aber gut bewältigen könnten, wenn sie von Anfang an in diesen Prozess mit eingebunden würden.
Auf die Problematik im Mittelstand machte Professor Gerrit Sames, Technische Hochschule Mittelhessen, Fachbereich Wirtschaft, aufmerksam. 72 Prozent aller Industriebeschäftigten in Deutschland würden im Mittelstand arbeiten. Dieser zeichne Deutschland gegenüber wesentlichen Wettbewerbernationen, wie China und den USA aus, wo überwiegend Großbetriebe vorzufinden seien. Gleichwohl sei die Umsetzung von Industrie 4.0 im Mittelstand noch ganz am Anfang und brauche dringend mehr Umsetzungshilfe. Hinzu käme, dass die Förderantragstellung für Fördermaßnahmen durch den Bund für den Mittelstand so kompliziert gestaltet sei, das fast alle Mittelständler bei dem Versuch der Antragstellung kapitulieren würden.
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