Menschen mit Behinderung im Deutschen Bundestag
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versanchezthGrafik 1: _Pic1/Dokumentation2
Menschen mit Behinderungim Deutschen Bundestag26. /27. Oktober 20123
ImpressumHerausgeber: Deutscher Bundestag Referat BesucherdienstPlatz der Republik 1, 11011 Berlin www.bundestag.deBilder: S.7: Deutscher Bundestag / Lichtblick /Achim Melde; S.15: DBT / photothek / Thomas Köhler; S.89 und 91: TU-Berlin / G. Lepkowski; weitere Bilder: DBT / Antonio Morales OkyazBundestagsadler: Urheber Prof. Ludwig Gies, Bearbeitung 2008 büro uebeleLayout: Deutscher Bundestag, Referat ZT 5Druck: Osthavelland-Druck Velten GmbH, Velten© Deutscher Bundestag, Berlin 2013; alle Rechte vorbehalten.Die Publikation wird vom Deutschen Bundestag im Rahmen der parlamentarischen Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Sie ist nicht zum Verkauf bestimmt. Eine Verwendung für die eigene Öffentlichkeitsarbeit von Parteien, Fraktionen, Mandatsträgern oder Wahlbewerbern insbesondere zum Zwecke der Wahlwerbung ist grundsätzlich unzulässig.4
DokumentationMenschen mit Behinderung im Deutschen Bundestag26. /27. Oktober 20125
04 Vorwort06 Grußwort Prof. Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages 08 Programm der Veranstaltung11 Grußworte12 Maria Michalk, Beauftragte für Menschen mit Behinderungen der CDU / CSU- Bundestagsfraktion14 Silvia Schmidt, Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion16 Gabriele Molitor, behindertenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion18 Dr. Ilja Seifert, behinderten- und tourismus- politischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE.20 Markus Kurth, Sprecher für Sozial- und Behindertenpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen22 Hubert Hüppe, Beauftragter der Bundesregie- rung für die Belange behinderter MenschenInhalt6
04 Vorwort06 Grußwort Prof. Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages 08 Programm der Veranstaltung11 Grußworte12 Maria Michalk, Beauftragte für Menschen mit Behinderungen der CDU / CSU- Bundestagsfraktion14 Silvia Schmidt, Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion16 Gabriele Molitor, behindertenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion18 Dr. Ilja Seifert, behinderten- und tourismus- politischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE.20 Markus Kurth, Sprecher für Sozial- und Behindertenpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen22 Hubert Hüppe, Beauftragter der Bundesregie- rung für die Belange behinderter MenschenInhalt7
25Ergebnisse der Arbeitsgruppen26Arbeitsgruppe 1Arbeit und Soziales32Arbeitsgruppe 2Auswärtiges, EU, Verteidigung, Wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung, Humanitäre Hilfe40Arbeitsgruppe 3Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung44Arbeitsgruppe 4Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz48Arbeitsgruppe 5Familien-, Senioren-, Frauen- und Jugendpolitik54Arbeitsgruppe 6Haushalt und Finanzen60Arbeitsgruppe 7Gesundheit64Arbeitsgruppe 8Innen, Recht, Menschenrechte, Wahlprüfung68Arbeitsgruppe 9Kultur und Medien74Arbeitsgruppe 1087Die Ausstellung Gestaltung für alleSport und Tourismus88Grußwort der Senatsverwaltung78Arbeitsgruppe 11für StadtentwicklungVerkehr, Bau und Stadtentwicklung90Erläuterungen des Fachbereichs82Arbeitsgruppe 12Modell+Design der TU BerlinWirtschaft und Technologie, Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit103Impressionen der Veranstaltung8
Experten in eigener Sache: Menschen mit Behinderung im Dialog mit der PolitikAm 26. und 27. Oktober 2012 fand die fraktionsübergreifende Veranstaltung Menschen mit Behinderung im Deutschen Bundestag statt. Auf Anregung der Fraktionen wurden aus dem gesamten Bundesgebiet 299 Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingeladen, um den Dialog über Inklusion und Barrierefreiheit voranzubringen.Die Expertinnen und Experten in eigener Sache stellten den Abgeordneten ihre speziellen Bedürfnisse dar und nutzten die Gelegenheit, ihre selbsterarbeiteten Vorschläge zu präsentieren.In zwölf Arbeitsgruppen, die thematisch an die ständigen Ausschüsse des Deutschen Bundestages angelehnt waren, wurden alle Politikbereiche aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung diskutiert. Initiatoren waren die fünf behindertenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen sowie der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen.Im Rahmen der Veranstaltung wurden auch die Ausstellung Gestaltung für alle und die Foto-Dokumentation Deutscher Bundestag barrierefrei eröffnet.Die Arbeitsgruppenergebnisse in dieser Dokumentation sind protokollarische Mitschriften vom Tag der Veranstaltung. Um den dokumentarischen Charakter zu bewahren, sind sie weitgehend unverändert übernommen worden, auch wenn dies einige Doppelungen zur Folge hat. Lediglich die äußere Form wurde behutsam vereinheitlicht. Die Fotos aus der Arbeitsgruppenphase sind nicht einzelnen AG´s zugeordnet.Diese Dokumentation liegt auch als Audiodatei im DAISY-Format vor. Beide Versionen, sowie eine kurze Filmdokumentation der Veranstaltung, finden sich unter www.bundestag.de/mmb.Vorwort9
Grafik 2: _Pic17/10
Den Parlamenten und den Abgeordneten fällt eine Schlüsselrolle bei der Wahrung und Förderung der Menschenrechte zu so bringt das Handbuch für Parlamentarier zur UN-Behindertenrechtskonvention auf den Punkt, was für uns als Abgeordnete Aufgabe und Verpflichtung ist, vor allem, wennes darum geht, Gleichberechtigung für Menschen mit und ohne Behinderung in die Tat umzusetzen. Ohne Zweifel ist in den vergangenen Jahren vieles für eine inklusive Gesellschaft erreicht worden. Aber nach wie vor werden Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung benachteiligt und stoßen auf Barrieren, auch im übertragenen Sinne auf solche in den Köpfen ihrer Mitmenschen.Diese Barrieren gemeinsam abzubauen das war das Ziel der Veranstaltung im Deutschen Bundestag, die in dieser Broschüre dokumentiert wird. Ende Oktober 2012 waren knapp 280 Menschen mit Behinderung zu Gast im Bundestag, um als Expertinnen und Experten in eigener Sache mit den Abgeordneten darüber zu sprechen, was sie beschäftigt. Ein wichtiges Ergebnis: Nur der Dialog bringt uns voran. Nur gemeinsam können wir die manchmal auch unterschiedlichen Perspektiven auf behindertenpolitische Themen kennenlernen, Schwierigkeiten benennen und über mögliche Lösungen diskutieren. Und: Nur miteinander werden wir Chancengleichheit im täglichen Leben undin der Lebensplanung aller Menschen tatsächlich verwirklichen.Damit das gelingen kann, kommt es auf die Bereitschaft an, mit Phantasie und Kreativität Einschränkungen jeder Art zu überwinden, sich aufeinander einzulassen und voneinander zu lernen. Auchdeshalb zählt das wir, wenn es darum geht, Ideen zu entwickeln und Barrieren zu beseitigen ganz konkrete und solche in den Köpfen.Grußwort des Präsident des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert11
Grafik 3: _Pic22/Prof. Dr. Norbert Lammert,Präsident des Deutschen Bundestages12
Freitag, 26. Oktober 201214:00 Uhr Eröffnung der Veranstaltung und der Ausstellungen im Foyer des Paul-Löbe-Hauses durch den Präsidenten des Deutschen Bundes- tages, Prof. Dr. Norbert Lammert Grußworte von Repräsentanten der Fraktionen Ingrid FischbachDr. Frank-Walter SteinmeierDr. Heinrich L. KolbDr. Gregor GysiRenate Künast Gemeinsamer Rundgang des Präsidenten des Deutschen Bundestages und der Repräsentanten der Fraktionen durch die AusstellungGestaltung für alle und die Foto-Dokumentation Deutscher Bundestag barrierefrei15:30 Uhr Konstituierung der Arbeitsgruppen, Vorstellungsrunde, Wahl einer Arbeitsgruppensprecherin / eines Arbeitsgruppensprechers, Impulsreferat zur inhaltlichen Einführung durch die Leiterin /den Leiter der Arbeitsgruppe,offene Diskussion18:30 Uhr: Abendessen mit Gelegenheit zum Gespräch in der Halle des Paul-Löbe-Hauses sowie im Abgeordneten- und Mitarbeiterrestaurant und im Besucherrestaurant Führungen durch die Liegenschaften des Deutschen Bundestages unter barrierefreien Aspekten Anschließend gemeinsamer Ausklang des Abends mit musikalischem RahmenprogrammProgramm der Veranstaltung Menschen mit Behinderung im Deutschen Bundestag13
Samstag, 27. Oktober 20129:30 UhrFortsetzung der Arbeit in den Arbeitsgruppen im Paul-Löbe-Haus11:30 12:30 UhrGemeinsames Mittagessen mit Abgeordneten in der Halle des Paul-Löbe-Hauses sowie im Abgeordneten- und Mitarbeiterrestaurant und im Besucherrestaurant13:00 UhrAbschlussplenum im Foyer des Paul-Löbe-Hauses Präsentation der Arbeitsergebnisse Eröffnung durch die Vizepräsidentin desDeutschen Bundestages, Petra Pau Statement des Beauftragten der Bundesregierungfür die Belange behinderter Menschen,Hubert Hüppe Präsentation der Ergebnisse der Arbeitsgruppen durch die Berichterstatter Schlussworte der behindertenpolitischen Sprecher der FraktionenMaria Michalk (CDU/CSU)Silvia Schmidt (SPD)Gabriele Molitor (FDP)Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.)Markus Kurth (Bündnis 90/Die Grünen) Schlusswort durch die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Petra Pau14
Grußworte15
In Deutschland gibt es viele Bestimmungen für die Teilhabe von Menschen mit Behinderung.Dennoch treffen wir immer wieder auf Situationen, wo sich selbst im öffentlichen Raum Barrieren unterschiedlichster Art auftun. Was ein körperlich behinderter Mensch selbst einfordern und entscheiden kann, kann sich für einen geistig behinderten Menschen als ein großes Problem erweisen.Auf diese spezifischen Unterschiede aus dem Gebot der Mitmenschlichkeit heraus einzugehen, ist eine große Aufgabe der Politik, aber auch Auftrag an unsere Gesellschaft insgesamt. Wirkliche Inklusion ist erst erreicht, wenn Menschen mit Behinderung sichtbarer Teil unseres gesellschaftlichen Lebens sind. Und deshalb ist die vollständige Barrierefreiheit, ob im Bereich der Mobilität, im Verkehr, im Bau- und Wohnbereich, in den Medien, in Kultur und Sport oder im gesamten Freizeit- und Tourismusbereich, so entscheidend.Im Gebäudekomplex des Deutschen Bundestages wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen. Vieles ist bereits erreicht. Aber so manches muss immer wieder ergänzt werden. Es darf keinen Stillstand geben. Weil Menschen mit ihren individuellen Behinderungen die wahren Experten in ihrer eigenen Sache sind, sind sie unbedingt in den Phasen der Planung, Realisierung und Nutzung immer wieder einzubeziehen.Barrierefreiheit ist und bleibt eine Querschnittsaufgabe, die nie abgeschlossen ist und die allen zugutekommt.Grußwort der Beauftragten für Menschen mit Behinderungen der CDU / CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk16
Grafik 4: _Pic29/Maria Michalk, MdBBeauftragte für Menschen mit Behinderungen der CDU/CSU- Bundestagsfraktion17
Der Bundestag hat als Volksvertretung eine besondere Verantwortung, gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit und ohne Behinderung sowohl in Gesetzen als auch in seinen Gebäuden und Angeboten zu verwirklichen. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich deshalb seit vielen Jahren für Barrierefreiheit als wichtigste Voraussetzung für Teilhabe ein.Deutschland hat auf dem Weg zur barrierefreien Gesellschaft viel erreicht. Mit dem Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes im Jahr 2002, dem Sozialgesetzbuch IX im Jahr 2001, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz im Jahr 2006 und dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2008 wurden wichtige Meilensteine verabschiedet. Letztere muss nun umgesetzt werden. Denn: Barrierefreiheit ist kein Zugeständnis; jeder Mensch hat ein Recht auf eine diskriminierungsfreie Umgebung. Immer noch sind nur 71 Prozent aller Bahnhöfe und nur fünf Prozent des Wohnungsbestands barrierefrei oder barrierearm. Noch immer gibt es unzumutbare Barrieren bei Flug- oder Bahnreisen und bei öffentlichen Dienstleistungen.Eine barrierefreie Umwelt kommt aber nicht nur Menschen mit Behinderungen zugute, sondern erleichtert und ermöglicht Älteren, Familien mit Kindern und zeitweise mobilitätseingeschränkten Menschen den Alltag.Barrierefreiheit ist für zehn Prozent der Bevölkerung zwingend erforderlich, für über 30 Prozent hilfreich und für 100 Prozent komfortabel. Im demografischen Wandel ist Barrierefreiheit ein zentrales Zukunftsthema, das die SPD daher weiter vorantreiben wird.Grußwort der Behindertenbeauftragtender SPD-Bundestagsfraktion, Silvia Schmidt18
Grafik 5: _Pic32/Silvia Schmidt, MdB Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion19
Nichts über uns ohne uns. Dieses Motto war Grundsatz bei der Entwicklung der UN-Behindertenrechtskonvention in New York. Dieses Motto soll auch in Zukunft den Inklusionsprozess begleiten. Ich freue mich, dass heute erstmalig Menschen mit Behinderung in den Deutschen Bundestag gekommen sind, um mit Politikern behindertenpolitische Themen zu erörtern.Unser gemeinsames Ziel muss dabei die Teilhabe von Menschen mit Behinderung in jedem Bereich des Lebens sein: Gemeinsames Lernen und Arbeiten sowie das gesellschaftliche Miteinander kennzeichnen eine inklusive Gesellschaft. Um sie zu realisieren, müssen wir alle Hindernisse aus dem Weg räumen, die der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung im Weg stehen.Zwänge und Sanktionsdenken sind dabei für Menschen mit und ohne Behinderung die falschen Mittel. Vorurteile und Intoleranz, Ängste und mangelndes Selbstvertrauen machen ein gemeinsames Miteinander schwer und diese Situation wird weder durch Drohungen noch durch Druck verbessert. Vielmehr müssen wir frühzeitig Voraussetzungen schaffen, die ein inklusives Miteinander ermöglichen.Gemeinsames Spielen und Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung schaffen ein erstes Verständnis füreinander. Teilhabe am Berufsleben und Barrierefreiheit überall da, wo sie möglich ist, ebnen dann den weiteren Weg für eine wirklich inklusive Gesellschaft. An diesen und anderen Themen möchte ich gemeinsam mit Ihnen arbeiten.Ich freue mich, wenn unsere gemeinsamen Beratungen hierfür die richtigen Wege aufzeigen und danke Ihnen allen für Ihren Beitrag.Grußwort der behindertenpolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gabriele Molitor20
Grafik 6: _Pic35/Gabriele Molitor, MdB Behindertenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion21
Das Reichstagsgebäude und die anderen Häuser des Bundestages sind mehr als normale Verwaltungsgebäude. Sie sind öffentliche Versammlungsstätten und eine Visitenkarte des Landes. Insofern bestehen besondere Herausforderungen an Baukultur, Barrierefreiheit und ökologische Standards. Dies war der Baukommission, der ich als Vertreter der Linken seit vielen Jahren angehöre, stets bewusst. Vieles wurde vorbildlich gelöst. Rampen und Aufzüge, rollstuhlgerechte Toiletten und Leitsysteme sind weit über die gesetzlich geforderte Mindestnorm vorhanden. Und oben die Reichstagskuppel mit der Rampe als weltbekanntes Wahrzeichen nicht zusätzlich für Rollstuhlfahrer, sondern nutzbar und bequem für alle. Hier zeigt sich, dass Architekten in der Diskussion mit Betroffenen durchaus zu attraktiven und barrierefreien Lösungen kommen können. Trotzdem gibt es noch viele Stellen, die für Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen nicht oder nur mit Assistenz zu überwinden sind.Dass das Treffen von Menschen mit Behinderungen und Mitgliedern des Bundestages um ein Jahr verschoben und aus dem Plenarsaal umgesiedelt werden musste, zeigt deutlich, dass noch viel zu tun bleibt, bis wirklich von Barrierefreiheit die Rede sein kann. Es liegt in unserer Hand, die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu rücken: das Interesse aller an guter Kommunikation, an freier Begegnung auf gleicher Augenhöhe, auch an der Möglichkeit, im Notfall sicher gerettet werden zu können. Die Bündelung von Betroffenensachverstand und Expertenwissen nutzt allen.Grußwort des behinderten- und tourismuspolitischen Sprechers der Bundestagsfraktion DIE LINKE., Dr. Ilja Seifert22
Grafik 7: _Pic38/Dr. Ilja Seifert, MdBBehinderten- und tourismuspolitischer Sprecher der BundestagsfraktionDIE LINKE23
Wir Grüne streiten für ein umfassendes Verständnis von Barrierefreiheit. Barrieren sind nicht ausschließlich baulicher Natur. Wenn ein Mensch mit Lernschwierigkeiten Anweisungen der Arbeitsagentur nicht versteht oder wenn eine gehörlose Person dem Film im Fernsehen nicht folgen kann, so sind das auch Barrieren.Um Barrieren abzubauen oder gar nicht erst entstehen zu lassen, sind viele verschiedene Maßnahmen nötig. Es müssen mehr Texte in leichte Sprache übersetzt werden. DigitaleAngebote müssen im Sinne des Universal Design so gestaltet werden, dass sie sich intuitiv über verschiedene Wege erschließen lassen.Barrieren abzubauen kommt letztendlich nicht nur Menschen mit einer Beeinträchtigung, sondern allen zugute. Wer einen Kinderwagen schiebt, freut sich über Rampen. Menschen mit geringen Deutschkenntnissen profitieren von leichter Sprache. Alte Menschen möchten so lange wie möglich selbstständig in ihren Wohnungen und ihrem Stadtquartier leben und benötigen dafür ein barrierefreies Wohnumfeld.Auch der Deutsche Bundestag kann sich hinsichtlich seiner Barrierefreiheit noch verbessern. Die Untertitelung der Plenardebatten wäre ein sinnvoller Weg, sie ohne Zeitverzögerung einer größtmöglichen Zahl von Menschen zugänglich zu machen.Grußwort des Sprechers für Sozial- und Behindertenpolitikder Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen, Markus Kurth24
Grafik 8: _Pic41/Markus Kurth, MdBSprecher für Sozial- und Behinderten- politik der BundestagsfraktionBündnis 90/Die Grünen25
Die über 9,5 Millionen in Deutschland lebenden Menschen mit Behinderungen sind keine Zuschauer in unserer Demokratie. Sie wählen Kandidatinnen und Kandidaten auf kommunaler, Landes-, Bundes- und europäischer Ebene und stellen sich selbst zur Wahl. Sie stimmen in Bürgerentscheiden ab und engagieren sich in politischen Parteien, in Verbänden und Selbsthilfegruppen. Immer noch gibt es für Menschen mit Behinderungen aber viele Barrieren, sie werden ausgegrenzt und nicht an Entscheidungen beteiligt. Es wird häufig nicht mit, sondern über behinderte Menschen gesprochen. Ich begrüße deshalb sehr, dass die VeranstaltungMenschen mit Behinderung im Deutschen Bundestag anlässlich des internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen stattfindet. Vielen Dank den Abgeordneten, die sich für diese Veranstaltung eingesetzt haben. Und ein ganz besonderer Dank gilt natürlich dem Deutschen Bundestag als Hauptverantwortlichen für diese Veranstaltung, insbesondere dem Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert. Der Deutsche Bundestag setzt mit Menschen mit Behinderung im Deutschen Bundestag ein deutschlandweites Zeichen für die Belange behinderter Menschen, das hoffentlich auch in vielen Hauptstädten Europas Nachahmer finden wird. Menschen mit Behinderung aus allen Teilen Deutschlands können sich heute mit Bundestagsabgeordneten und Vertretern der Bundesministerien direkt austauschen. Die Abgeordneten und Vertreter der Bundesministerien haben wiederum die Chance, von den Profis zu lernen.Ihnen allen eine gelungene Veranstaltung.Grußwort des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe26
Grafik 9: _Pic44/Hubert Hüppe, MdBBeauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen27
Ergebnisse der Arbeitsgruppen der VeranstaltungMenschen mit Behinderung im Deutschen Bundestag28
FeststellungenDie Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen ist völlig unbefriedigend. Die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen ist doppelt so hoch wie die von Menschen ohne Behinderungen. Auch die in der letzten Zeit gute Beschäftigungsentwicklung hat die Arbeitsmarktchancen von Menschen mit Behinderungen kaum verbessert.Viele Unternehmen zahlen lieber die Ausgleichsabgabe, als Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen. Zahlreiche Menschen mit Behinderungen sind arbeitslos oder haben resigniert, sind unterbeschäftigt, verdienen unterdurchschnittlich oder verrichten minderqualifizierte Tätigkeiten.Die Erwerbspotentiale vieler auch gut ausgebildeter und hervorragend qualifizierter Menschen mit Behinderungen werden nicht genutzt, und dies in einer Zeit, wo andernorts über Fachkräftemangel gesprochen wird. Nach wie vor bestehen bei Arbeitgebern weit verbreitet Vorurteile gegenüber der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Außerdem bestehen Informationsdefizite hinsichtlich von Fördermöglichkeiten.Bei Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen kommen kaum die Fähigkeiten der Menschen mit Behinderungen zur Sprache. Stattdessen werden vermeintliche Probleme und Kosten in den Vordergrund gestellt. Viele Betroffene haben den Eindruck, dass es sich nur um Alibiveranstaltungen handelt, um nicht in Konflikt mit dem Antidiskriminierungsgesetz zu geraten.Ergebnisse der Arbeitsgruppe 1 Arbeit und SozialesBerichterstatter: Anke Dallmann und Benedikt Lika29
Äußerst negativ sind die Erfahrungen eines Großteils der Menschen mit Behinderungen mit den Sozialversicherungen, den Sozialhilfeträgern, sonstigen Behörden sowie der Bundesagentur für Arbeit. Allzu oft entsteht der Eindruck, dass die einzelnen Stellen ihre Verantwortung hin und herschieben und vor allem das Ziel verfolgen, Ausgaben zu vermeiden.Für Menschen mit Behinderungen gibt es ein zu geringes Angebot an Ausbildungsplätzen im regulären Arbeitsmarkt. Viele Menschen mit Behinderungen werden von vornherein in ein Erwerbsleben in Werkstätten und damit eine meist lebenslängliche Abhängigkeit gedrängt.Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen stellen für viele eine Sackgasse dar, zumal die Werkstätten kein existenzsicherndes Einkommen ermöglichen. Es gibt kaum Möglichkeiten des Übergangs von Werkstätten in den ersten Arbeitsmarkt. Es gibt vielerorts keine wirklichen Alternativen. Das Angebot an Tagesförderstätten bis hin zu einer ambulanten Betreuung auf dem Arbeitsmarkt ist unzureichend. Die derzeitigen Förderstrukturen der Werkstätten widersprechen dem Gedanken einer Inklusion in das Erwerbsleben.Die Schwerbehindertenvertretungen könnten eine wichtige Rolle spielen. Ihre derzeitigen gesetzlichen Möglichkeiten sind aber unzureichend. Außerdem sind sie nicht flächendeckend vorhanden und erfahren bei ihrer täglichen Arbeit kaum Rückendeckung und Unterstützung.Menschen mit Behinderungen zustehende Rechte werden von den Behörden nur unzureichend zugestanden, mitunter gar verweigert und erst nach zermürbenden Widerspruchs oder Gerichtsverfahren anerkannt.Viele Menschen empfinden den Umgang mit Trägern und Behörden als extrem bürokratisch und vielfach respektlos. Bisweilen wird das Verhalten dort auch als Schikane empfunden. Nach Einschätzung derMenschen mit Behinderungen mangelt es bei den Behörden und Trägern an Mitarbeitern, die Experten in eigener Sache sind.Als völlig unzureichend sind die derzeitigen Regelungen zur Existenzsicherung anzusehen. Der Verweis auf die Grundsicherung geht am Bedarf von Menschen mit Behinderungen vorbei. Die derzeitigen Leistungsregelungen sind ungeeignet, um eine selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft zu gewährleisten. Der Kostenvorbehalt führt dazu, dass Menschen mit Behinderungen nicht selbstbestimmt leben und frei entscheiden können, wo sie wohnen wollen.30
Forderungen Das Anerkennungsverfahren muss in den einzelnen Bundesländern vereinheitlicht werden; zugleich müssen für die Bearbeitung von Anträgen Fristen gesetzt werden. Das SGB IX muss geändert werden, damit es Nachhaltigkeit entfaltet und die Kostenträger zu einer stärkeren Kooperation im Interesse der Menschen mit Behinderungen verpflichtet. Bürokratische Verfahren müssen beseitigt werden. Die Ausgleichsabgabe muss in einer Weise angehoben werden, dass sie für die Arbeitgeber spürbar wird. Die dadurch gewonnenen Mittel müssen besser im Interesse der Menschen mit Behinderungen eingesetzt werden. Für eine selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft müssen sich die Werkstätten weitgehender umgestalten und mehr als bisher darauf ausrichten, einen Übergang in den ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Es ist wichtig, wenn die Menschen mit Behinderungen eine reelle Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt erhalten sollen, dass die Eingliederungshilfe vom SGB IX entkoppelt wird, da nur dann eine Aufstiegsmöglichkeit und Karriere für Menschen mit Behinderungen ermöglicht werden kann. Neben den Werkstätten müssen andere Formen der Unterstützung angeboten werden (Tagesförderstätten, ambulante Betreuung, Arbeitsassistenz) Staatliche Gelder müssen zielgerichteter eingesetzt werden. Förderungen dürfen nur erfolgen, wenn sie zu einer Stärkung des selbstbestimmten Lebens und einer Verbesserung der Teilhabeam gesellschaftlichen Leben von Menschen mit Behinderungen beitragen. Eine reine Förderung einer Betreuungsindustrie muss verhindert werden. Die Reduzierung des Regelbedarfs für Schwerbehinderte muss beseitigt werden. Für Menschen mit Behinderungen muss eine eigenständige Leistung geschaffen werden, die eine wirkliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Diese Leistung muss im Sinne eines Nachteilsausgleichs einkommens- und vermögensunabhängig gewährt werden (Teilhabesicherungsgesetz). Der Kostenvorbehalt muss beseitigt werden. Es muss einen Anspruch auf persönliches Budget und die Gewährung von persönlicher Assistenz geben. In den Behörden müssen mehr Menschen mitBehinderungen beschäftigt werden, die alsExperten in eigener Sache besser mit den spezifischen Bedürfnissen und Problemen von Menschen mit Behinderungen umgehen können. Darüber hinaus müssen die Mitarbeiter von Behörden besser qualifiziert und ein diskriminierungsfreier Umgang mit Menschen mit Behinderungen sichergestellt werden. Rechtliche Vorschriften müssen gesetzeskonform angewandt werden.31
Der Deutsche Bundestag und das zuständige Ministerium sollen mit geeigneten Mitteln untersuchen, was die Ursachen für das gesetzwidrige Handeln von Behörden und Kostenträgern bei der Bearbeitung und Bescheidung von Anträgen auf Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, der Deutschen Rentenversicherung, der Träger der Sozialhilfe und der Krankenkassen sind, und die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um dies abzustellen. Menschen mit Behinderung müssen von den Rundfunkgebühren befreit werden. Habilitation und Rehabilitation müssen verbessert werden. Es darf zu keinen Wartezeiten bei der Inanspruchnahme von notwendigen medizinischen und rehabilitativen Leistungen kommen. Menschen mit Behinderungen dürfen nicht in die Rente abgeschoben werden. Das Betriebliche Eingliederungsmanagement muss verbessert und vor allem flächendeckend angeboten werden. Widerstände bei der praktischen Umsetzung müssen beseitigt werden. Verstöße der Arbeitgeber gegen Vorschriften des SGB IX müssen strenger geahndet werden. Die völlig unzureichenden Unterstützungsangebote für völlig erwerbsunfähige Menschen mit Behinderungen müssen ausgebaut werden. Das Gleiche gilt für Menschen mit starken psychischen Behinderungen.32
Grafik 10: _Pic61/33
Grafik 11: _Pic65/Impressionen aus den Arbeitsgruppen34
Themenwünsche der Teilnehmer