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Die Bundeswehr soll sich am maritimen Begleitschutz bei der Unschädlichmachung syrischer Chemiewaffen an Bord des US-Schiffs "Cape Ray" beteiligen: Bei der ersten Beratung eines entsprechenden Antrags der Bundesregierung (18/984) betonten Vertreter der Koalition, dass Deutschland damit nicht nur ein Signal zur Ächtung von Chemiewaffen setze, sondern ganz konkret zur Vernichtung solcher Waffen beitrage. Der Bundestag will die Beteiligung am Mittwoch, 9. April 2014, nach 45-minütiger abschließender Beratung in namentlicher Abstimmung beschließen. Der Auswärtige Ausschuss hat dazu am 7. April eine Beschlussempfehlung vorgelegt (18/1067). Abgestimmt wird außerdem über einen Entschließungsantrag der Linksfraktion (18/1078).
Die Debatte wird ab etwa 14.45 Uhr live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
In der ersten Beratung des Antrags am Freitag, 4. April, sah das auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen so. Sie wies aber – ebenso wie die Fraktion Die Linke – darauf hin, dass es Unternehmen aus Deutschland gewesen seien, die mit ihren Lieferungen das syrische Chemiewaffenprogramm in der Vergangenheit erst möglich gemacht hätten.
Bundesverteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen nannte den Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg im August 2013, bei dem mindestens 1.400 Menschen ums Leben kamen, eine "Barbarei", die offenkundig auf das Konto das Assad-Regimes gehe. Die Ministerin wies darauf hin, dass einer entsprechenden UN-Resolution zur Vernichtung der C-Waffen eine Rahmenvereinbarung der USA mit Russland vorausgegangen sei – und eine solche Operation ursprünglich auch von Nato und Russland gemeinsam in Angriff genommen werden sollte.
Dies sei durch die Aussetzung der Zusammenarbeit zwischen Nato und Russland im Zuge des Konflikts um die Ukraine und die Krim nun nicht mehr gegeben. Bei dem Vorhaben "geht es auch darum, zu zeigen, dass die Stärke des Völkerrechts höher steht als das Recht des Stärkeren", wie es das Assad-Regime mit dem Einsatz solcher Waffen praktiziert habe, sagte von der Leyen. Russland teile eigentlich dieses Interesse und zu hoffen sei, "dass sich Russland darauf besinnt, dass auch in allen anderen Regionen der Welt des Völkerrecht gelten sollte".
Christine Buchholz (Die Linke) begrüßte, dass Reststoffe der syrischen Chemiewaffen nach den Plänen der Bundesregierung auch in Deutschland fachgerecht entsorgt werden sollen. Es seien allerdings deutsche Unternehmen gewesen, die in 50 Fällen zwischen 1982 und 1993 Material für das syrischen Chemiewaffenprogramm geliefert hätten und selbst noch zwischen 1998 und 2011 in Form von Dual-use-Gütern, die sowohl militärisch als auch zivil verwendet werden können.
"Sie wären glaubwürdiger, wenn Sie Lieferungen an Länder stoppen würden, die noch nicht einmal Mitglied der Chemiewaffenkonvention sind", sagte Buchholz. Bevor die Bundesregierung den nächsten Einsatz plane, müsse sie zunächst einmal offenlegen, welche deutschen Unternehmen damals involviert waren. Gleichzeitig deutete Buchholz an, dass in ihrer Fraktion die Haltung zum vorliegenden Mandat, das in der nächsten Woche zur Abstimmung steht, noch diskutiert werde.
Der Entschließungsantrag der Linken zur abschließenden Beratung am 9. April fordert von der Bundesregierung, keine Dual-use-Güter, die zur Herstellung chemischer oder biologischer Waffen verwendbar sind, an Staaten zu genehmigen, die die Chemiewaffen- und die Biowaffenkonvention der Vereinten Nationen nicht ratifiziert haben.
Michael Roth (SPD), Staatsminister im Auswärtigen Amt, stellte mit Blick auf den August 2013 nochmals fest, dass nach Einschätzung Bundesregierung nur die "syrische Armee als Täter in Frage" komme. "Wir wollen verhindern, dass es weitere Gräueltaten gegen die syrische Bevölkerung gibt." Die geplante Vernichtung der Chemiewaffen unter Beteiligung von Nato- und EU-Partnern nannte Roth eine "bisher beispiellose Abrüstungsinitiative", deren Wert auch nicht geschmälert werde, wenn Russland nicht daran teilnehme.
Roth bat die Abgeordneten zudem, die Fortführung und den Ausbau der humanitären Hilfe für Flüchtlinge des syrischen Bürgerkriegs zu unterstützen. Seit 2011 habe die Bundesregierung bereits 500 Millionen Euro für die Bewältigung der humanitären Krise bereitgestellt.
Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) nannte die Vernichtung der Chemiewaffen einen "wichtigen und richtigen" Schritt. "Mir fällt kein plausibles Argument ein, was man gegen einen Einsatz haben kann, der den Schutz bei der Zerstörung von Massenvernichtungswaffen gewährleistet", sagte sie in Richtung Linksfraktion.
Aber wie diese erinnerte Brugger die Bundesregierung an die deutschen Lieferungen für das syrische C-Waffenprogramm: "Das ist erschreckend", sagte Brugger und forderte die Bundesregierung auf, die Ausfuhrbestimmungen für Dual-use-Güter zu verschärfen, "und dabei die Interessen der Wirtschaft nicht höher zu gewichten als die Menschenrechte."
Für Philipp Mißfelder (CDU/CSU) dokumentierte der geplante Einsatz, dass "es uns wichtig ist bei Konfliktlösungen nicht nur am Rand zu stehen". Mit Blick auf den Bürgerkrieg in Syrien plädierte Mißfelder nach wie vor für Bemühungen um eine politische Lösung. "Der Frontverlauf ist in keiner Weise klar", und so sehr man auch mit Teilen der Opposition sympathisiere, dürfe man doch nicht die Augen davor verschließen, dass "viele Dschihadisten von außen eingesickert sind."
Die Beteiligung der Bundeswehr soll laut Antrag der Bundesregierung mit bis zu 300 Soldaten im Rahmen der gemeinsamen Mission der Vereinten Nationen und der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) stattfinden. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte die Staaten in seiner Resolution 2118 vom 27. September 2013 aufgerufen, die gemeinsame Mission zu unterstützen und abzusichern.
Die Bundeswehr soll laut Antrag das US-Schiffs "Cape Ray" während der Vernichtung der Chemiewaffen sowie bei Transitfahrten im Mittelmeer und bei Bedarf auch im Nordatlantik mit angrenzenden Seegebieten in internationalen Gewässern begleiten. Neben Begleitschutz und Sicherung des Cape-Ray-Verbandes gehe es um die Kontrolle des Seeverkehrs, die See- und Luftraumüberwachung, die Aufklärung und Erstellung von Lagebildern in und über See, den Austausch und Abgleich von Lagebildinformationen mit weiteren Akteuren und die zeitweise Führung dieser maritimen Operation.
Eingesetzt werden können laut Antrag Berufs- und Zeitsoldaten, freiwillig Wehrdienst Leistende sowie Reservisten, die dazu ihre Bereitschaft erklärt haben. Aus dem Verteidigungsetat stehen dafür im Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2014 rund 7,2 Millionen Euro bereit. Das Mandat ist bis zum Jahresende befristet. (ahe/04.04.2014)