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Berlin: (hib/HLE) Die deutsche Wirtschaft unterstützt die Absicht der Bundesregierung, die Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge nur noch elektronisch durchzuführen. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Montag zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (18/6281) erklärte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), die Praxis zeige, dass gerade kleinere Unternehmen die geringsten Schwierigkeiten bei der Umstellung hätten: "Insofern treffen Befürchtungen, dass sich der Bieterkreis durch elektronische Vergabeverfahren verringern könnte, nicht zu." Der Gesetzentwurf insgesamt sei ein guter Schritt in die richtige Richtung. Das Vergaberecht werde anwenderfreundlicher werden. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bewertete die elektronische Vergabe ebenfalls positiv, verwies aber in seiner schriftlichen Stellungnahme andererseits auf bereits heute bestehende "äußerst gravierende Inkompatibilitäten" bei Übertragungsformaten, Software und Hardware. Rechtsanwalt Mathias Finke (Kapellmann und Partner Rechtsanwälte) erinnerte an die Zersplitterung des Vergaberechts durch die Gesetzes der Länder. Für kleine und mittlere Unternehmen sei es schwer, sich auf die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen einzustellen. Auch Annette Karstedt-Meierrieks (DIHK) bezeichnete die Rechtszersplitterung als "ziemliche Katastrophe" für kleine und mittlere Unternehmen und sprach von einer "Wettbewerbsbehinderung"
Neben der Umstellung auf elektronische Vergaben enthält der Gesetzentwurf weitere Regelungen. Die Vergabefahren sollen effizienter, einfacher und flexibler gestaltet und die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) an Vergabeverfahren erleichtert werden. Die Interessen mittelständischer Unternehmen sollen vorrangig berücksichtigt werden, indem öffentliche Aufträge in Form von Losen vergeben werden müssen. Anja Mundt (BDI) sagte, die Aufteilung in Lose könne bei Großprojekten schwierig werden. Für den Deutschen Städte- und Gemeindebund ist eine Wahlfreiheit zwischen Losvergabe und Gesamtvergabe wegen der Großprojekte wichtig. Die mit dem Entwurf geplante Stärkung kleinerer und mittlerer Unternehmen sei aber wichtig und ziele in die richtige Richtung. Die Bundesarchitektenkammer begrüßte in ihrer Stellungnahme die vorrangige Berücksichtigung mittelständischer Bieter.
Unternehmen, die öffentliche Aufträge ausführen, müssen nach den Vorschriften des Entwurfs die geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen einhalten. Dies gelte besonders für die Regelungen in für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen und den Mindestlohn. Unternehmen, die bei der Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen haben, können von Vergaben ausgeschlossen werden. Mit Blick auf die Beschaffung energieverbrauchsrelevanter Waren oder die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderung bei der Definition der Leistung sollen von den öffentlichen Auftraggebern sogar zwingende Vorgaben gemacht werden.
Dem Deutschen Gewerkschaftsbund gingen die Kriterien nicht weit genug. Die EU-Vergaberichtlinie werde vor allem bezogen auf die verpflichtenden Regelungen zu den sozialen Kriterien und zur Vergabe an Subunternehmer nur unzureichend umgesetzt. "Da hätten wir uns mehr gewünscht", sagte Stefan Körzell vom DGB in der Anhörung. Er verlangte, dass Subunternehmen dieselben Pflichten wie die Hauptunternehmen haben müssten. Außerdem vermisste der DGB Regelungen zu Kontrollen und Sanktionen. Wie der DGB befand auch die Organisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung, die von der EU eingeräumten Spielräume zur Einforderung ökologischer und sozialer Standards seien nur unzureichend genutzt worden.
Die Vorschriften zu den Standards, die Unternehmen einzuhalten haben, stießen auf Protest der Wirtschaft. Das Vergaberecht sei "völlig ungeeignet", politische Ziele durchsetzen zu wollen, argumentierte der DIHK in seiner Stellungnahme. Auch der BDI lehnte es ab, dass politische Ziele allein über das Vergaberecht durchgesetzt würden. Rechtsanwalt Finke sagte, die vergabefremden Kriterien könnten sogar dazu führen, dass der Wettbewerb nicht geöffnet, sondern eingeschränkt werde.
Für den Paritätischen Gesamtverband kritisierte Werner Hesse, dass die Besonderheiten für die Beauftragung mit sozialen Dienstleistungen erst ab einem Schwellenwert von 750.000 gelten sollen. Diese Größenordnung werde nur selten erreicht. "Bei Anwendung des speziellen Vergaberechts für soziale Dienstleistungen nur oberhalb dieses Schwellenwertes würde das mit den Erleichterungen verfolgte Ziel verfehlt", klagte die Organisation. 90 Prozent der Arbeitsmarktdienstleistungen würden unterhalb dieser Schwelle liegen.
Eine Rolle spielte auch eine Änderung für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Der Bundesrat hatte verlangt, dass bei Betriebsübergängen auf andere Unternehmen aufgrund der Ausschreibungen von Strecken das Personal übernommen werden "soll". Im Regierungsentwurf ist nur eine Kann-Vorschrift enthalten. Der DIHK sah keine Veranlassung, diese Verschärfung vorzunehmen. Das sei ein Eingriff in die Tarifautonomie. Sollte es eine Pflicht zur Personalübernahme geben, könnten gleich die bisherigen Unternehmen die Strecken weiter betreiben. Dagegen stellte sich der DGB auf die Seite des Bundesrates. 50.000 Beschäftigte seien im Schienenpersonennahverkehr betroffen, die während ihres Berufslebens mit bis zu fünf Betreiberwechseln und damit verbundenen Lohnkürzungen zu rechnen hätten. Im gesamten Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)seien sogar 200.000 Beschäftigte betroffen.
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