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Berlin: (hib/HLE) Das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel einer stärkeren Verbreitung von Internet-Zugängen über WLAN ist von der Mehrzahl der Sachverständigen begrüßt, die vorgesehene Umsetzung durch den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes (18/6745) jedoch überwiegend als unbrauchbar oder Verstoß gegen europäisches Recht angesehen worden. Mit der Änderung würden nicht Voraussetzungen geschaffen, dass mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar sei, urteilten die meisten Sachverständigen am Mittwoch in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie.
Bisher sei das Angebot von WLAN in Deutschland weniger ausgeprägt als in anderen Ländern, schreibt die Bundesregierung in dem Gesetzentwurf. Grund hierfür sei das Haftungsrisiko, dem Betriebe, Cafes, Restaurants, Hotels, Einzelhändler, aber auch öffentliche Einrichtungen ausgesetzt seien. Denn die Kunden könnten über den Hotspot zum Beispiel Rechtsverletzungen (Verstöße gegen Urheberrecht durch zum Beispiel illegale Downloads) begehen. WLAN-Betreiber würden Gefahr laufen, insbesondere mit Abmahnungen von Urheberrechteinhabern konfrontiert zu werden. Jetzt wird klargestellt, dass WLAN-Betreiber Zugangsanbieter im Sinne von Paragraf 8 des Telemediengesetzes sind. Diese Anbieter sind für den Inhalt übermittelter fremder Informationen nicht verantwortlich. "Daneben wird der bereits von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz kodifiziert, dass WLAN-Anschlussinhaber nicht als Störer haften, wenn sie zumutbare Pflichten erfüllt haben, um Rechtsverletzungen zu verhindern", schreibt die Bundesregierung in der Begründung. Diese zumutbaren Pflichten sind nach dem Gesetzentwurf insbesondere dann erfüllt, "wenn der Diensteanbieter 1. angemessene Sicherungsmaßnahmen gegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose Netzwerk ergriffen hat und 2. Zugang zum Internet nur dem Nutzer gewährt, der erklärt hat, im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen zu begehen". Die im Gesetz genannten Vorgaben seien von den WLAN-Betreibern in der Regel erfüllbar, teilt die Regierung mit.
Professor Gerald Spindler (Universität Göttingen) begrüßte zwar, dass der Gesetzgeber nun die unselige Unterscheidung zwischen privaten und kommerziellen Diensteanbietern aufgebe, bezweifelte jedoch, ob mit den Regelungen das Ziel der Rechtssicherheit erreicht werden könne und ob gegenüber dem jetzigen Rechtszustand ein Mehrwert zu erwarten sei. Der Entwurf sei außerdem europarechtswidrig. Die geforderten Sicherungsmaßnahmen des Netzwerks gegen ungehinderte Zugriffe seien schwammig formuliert. Initiativen wie "Freifunk" würden wohl nicht unter die Privilegierung fallen.
Auch Rechtsanwalt Niko Härting bezeichnete den vorgesehenen Passwortschutz für WLAN-Zugänge als unpraktikabel. Er teile die Kritik des Bundesrates. "Nur durch eine vorbehaltlose Abschaffung jedweder Störerhaftung des Betreibers wird man das erklärte Ziel erreichen, die WLAN-Abdeckung des öffentlichen Raums nachhaltig zu fördern." Diese Ansicht vertrat auch Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin. Er bezeichnete die Störerhaftung als "deutschen Sonderweg, der die Nutzung des Internets unterwegs behindert". Dabei hätten Internetzugänge über WLAN große Bedeutung für die Wirtschaft und den Tourismus. Der Gesetzentwurf werde die Verbreitung des WLANs nicht fördern.
Rechtsanwalt Dieter Frey erklärte, der Gesetzentwurf lasse die erforderliche Sorgfalt bei der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen des Host-Providings nicht erkennen. Er sah auch einen Verstoß gegen europäisches Recht und sagte angesichts der Einführung von mehreren unbestimmten Rechtsbegriffen "erhebliche Rechtsunsicherheit" voraus. Insgesamt bezeichnete Frey den Entwurf als unpraktikabel.
Volker Tripp (Digitale Gesellschaft) nannte die Herstellung von Rechtssicherheit ein begrüßenswertes gesetzgeberisches Ziel. Seine Kritik: "Die derzeit vorgesehene Regelung ist der Erreichung dieses Ziels jedoch nicht förderlich, sondern im Gegenteil sogar abträglich." Denn der Entwurf verhindere den Betrieb offener Funknetzwerke und schreibe die Rechtsunsicherheit fest.
Dirk Häger (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) riet dazu, die Sicherungsmaßnahmen gegen unberechtigten Zugriff als Maßnahme zur Durchsetzung einer Einverständniserklärung des Nutzers zu interpretieren. Sicherungsmaßnahmen könnten in Passwörtern bestehen, aber auch in unverschlüsselten Zugangsseiten, auf denen Nutzer ihr Einverständnis mit den Nutzungsbedingungen abgeben müssten.
Mit der Änderung soll zudem klargestellt werden, dass sich Betreiber von Plattformen (Host-Provider) deren Geschäftsmodell im Wesentlichen auf der Verletzung von Urheberrechten beruht, nicht auf das Haftungsprivileg für Host-Provider berufen können. Nach EU-Recht haftet ein Host-Provider nicht, wenn er "keine tatsächliche Kenntnis" von der Rechtsverletzung durch Nutzer hat. Von Kenntnis sei insbesondere dann auszugehen, wenn das Geschäftsmodell weit überwiegend auf der Verletzung von Urheberrechten aufbaue. Nach Ansicht von Tripp schafft besonders diese geplante Verschärfung der Host-Provider-Haftung neue Rechtsunsicherheiten besonders für Cloud-Computing-Dienste. Das könne zu einem Rückgang der Investitionsbereitschaft führen.
Tripp wies in seiner Stellungnahme auf die relativ geringe Verbreitung von Funknetzwerten in Deutschland hin: "Während in den USA gut fünf, im Vereinigten Königreich über 28 und in Südkorea mehr als 37 offene WLAN-Hotspots auf 10.000 Einwohner kommen, sind es in Deutschland nicht einmal zwei." Anderer Auffassung war Ulrich Meier (Hotsplots). Die Angabe, dass die Verfügbarkeit von WLAN-Anschlüssen geringer sei als anderswo, sei falsch. Im internationalen Vergleich seien nur vollkommen freie Hotspots berücksichtigt worden, die ohne Registrierung oder Identifikation genutzt werden könnten. Damit seien 98,49 Prozent der Hotspots in Deutschland nicht berücksichtigt worden. "Das bedeutet, dass in Deutschland nicht 1,87 sondern eher 187 WLAN-Hotspots je 10.000 Einwohner vorhanden sind." Das seien insgesamt 1,5 Millionen Hotsports in Deutschland. Dass in Deutschland die Entscheidung der WLAN-Betreiber häufig zu Gunsten von mehr Kontrolle und damit weniger freiem Zugängen ausfalle, habe mit der Störerhaftung nichts zu tun. Angesichts der tatsächlichen Zahlen sei fraglich, ob überhaupt ein Problem bestehe und die Gesetzesänderung überhaupt notwendig sei.
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