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Berlin: (hib/wid) Nach Ansicht des Völkerrechtsberaters der Bundesregierung ist deren Haltung zum Drohnenkrieg der USA weniger eine rechtliche als eine politische Frage. Im Auswärtigen Amt sei dafür deswegen auch nicht die von ihm geleitete Rechtsabteilung, sondern die Politische Abteilung zuständig, sagte Ministerialdirektor Michael Koch am Donnerstagabend in seiner Vernehmung durch den 1. Untersuchungsausschusses ("NSA"). Der 60-jährige Jurist war in jungen Jahren Assistent am Institut für Internationales Recht der Universität Kiel und gehört seit fast drei Jahrzehnten dem Auswärtigen Dienst an. Er war zwölf Jahre lang in verschiedenen Funktionen mit den Krisenstaaten Afghanistan und Pakistan befasst, unter anderem von 2008 bis 2012 als Botschafter in Islamabad.
Koch machte deutlich, dass ein politisches Motiv, nämlich die Rücksicht auf die Stimmung im eigenen Land, für die Bundesregierung ausschlaggebend ist, um sich für die Drohneneinsätze der USA zu interessieren und in diesem Zusammenhang für die Rolle des US-Luftwaffenstützpunkts im rheinland-pfälzischen Ramstein. Drohnen seien nun einmal als Waffentypus "in großen Teilen der Bevölkerung hoch umstritten". Aus diesem Grund sei die Bundesregierung, vertreten durch das Verteidigungsministerium, seit zwei Jahren darüber mit den USA "laufend im Gespräch". Dabei habe die Gegenseite wiederholt versichert, dass von Ramstein aus Drohnen "weder gesteuert noch geflogen" würden.
Völkerrechtlich verbindlich sei eine solche Erklärung nicht, räumte der Zeuge ein. Abgesehen davon habe die Bundesregierung aber auch keinen Anlass, an ihrem Wahrheitsgehalt zu zweifeln: "Wir haben keine Erkenntnis, dass das nicht so sei, insofern gehen wir davon aus, dass dieser Zusage so entsprochen wird." Auch das Verwaltungsgericht Köln habe in einem erstinstanzlichen Urteil in einem Verfahren wegen angeblicher deutscher Verwicklung in den Drohnenkrieg die Darstellung der US-Regierung als wahr unterstellt. Dies gelte auch, wenn Ramstein, wie kompetente Zeugen berichten, als Relaisstation zur Übermittlung von Daten aus dem Mittleren Osten und aus Afrika genutzt würde: "Wenn es eine Relaisstation gäbe, wäre das dennoch kompatibel mit der amerikanischen Zusage", die ja lediglich laute, dass von Ramstein aus Drohnen weder gesteuert noch geflogen würden.
Koch betonte, dass Drohnen als Waffentypus im Prinzip nicht völkerrechtswidrig seien. Sie unterlägen anders als Chemiewaffen, Streubomben oder Laser keiner Ächtung durch die Staatengemeinschaft. Die Drohne sei keine Waffe, die "bei bestimmungsmäßigen Gebrauch regelmäßig zu völkerrechtswidrigen Ergebnissen" führe. Die Rechtmäßigkeit von Drohnenattacken sei daher immer nur im Einzelfall zu beurteilen. Wenn der Einsatz im Rahmen eines bewaffneten Konflikts erfolge und sich nicht gegen illegitime Ziele wie Zivilisten richte, sei aus völkerrechtlicher Sicht nichts einzuwenden. Auch zivile Opfer seien hinzunehmen, wenn gemessen am militärischen Ziel die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe.
Koch zitierte eine Stellungnahme des Generalbundesanwalts zum Tod des deutschen Staatsbürgers Bünyamin Erdogan, der im Oktober 2010 im Nordwesten Pakistans einer US-Drohne zum Opfer gefallen war. Demnach gab es in der Region einen bewaffneten Konflikt, an dem die USA berechtigt waren, teilzunehmen. Die beiden Opfer seien bewaffnete Freischärler, also legitime Ziele gewesen. Freilich, so Koch, gebe es keine verbindliche Definition des bewaffneten Konflikts: "Jeder Rechtsanwender stellt das selber für sich fest."
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