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Berlin: (hib/wid) Sie verstehen sich als Hüter eines Kulturguts. Unternehmer in Sachen Heimat und Tradition. Ihre Arbeitsplätze unter freiem Himmel sehen sie als "Stätten der Begegnung" und der Integration. Doch die Dienstleister auf Deutschlands Jahrmärkten und Kirmesplätzen blicken mit Sorge in die Zukunft. Sie fühlen sich von der Bürokratie gegängelt, von Städten und Gemeinden buchstäblich an den Rand gedrängt, von der Politik sogar als "böse Buben" verkannt. "Den Schaustellern brennt der Arsch. Wir fühlen uns sehr oft allein gelassen", klagte Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes, im Ausschuss für Tourismus.
Der Deutsche Schaustellerbund und der Bundesverband Deutscher Schausteller und Marktkaufleute vertreten gemeinsam etwa 5000 Unternehmen, die auf 10.000 Jahrmärkten und Volksfesten mit 150 Millionen Besuchern einen Umsatz von 2,65 Milliarden Euro im Jahr erwirtschaften. Die meisten von ihnen, nach Ritters Schätzung 90 Prozent, beschicken im Winter überdies die etwa 2.000 Weihnachtsmärkte der Republik, wo in jeder Saison 85 Millionen Besucher einen Umsatz von einer Milliarde Euro erbringen. Das Weihnachtsmarktgeschäft, früher eine Art Zubrot, sei mittlerweile unentbehrlich für die wirtschaftliche Existenz der Betriebe, sagte Ritter.
"Wo ist Deutschland Weltmarktführer, wenn's nicht die Volksfeste und Jahrmärkte sind? Nehmen Sie einem Deutschen seinen Volksfestplatz weg, und Sie nehmen ihm seine Heimat weg", gab Andreas Pfeffer zu bedenken, Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Schausteller und Marktkaufleute. Immerhin darf sich Deutschland des weltweit ältesten Volksfestes rühmen: Der Lullusmarkt in Bad Hersfeld wird seit 1200 Jahren gefeiert. Ein Vorstoß der Schausteller-Lobby, Deutschlands Jahrmärkte und Volksfeste auf die Liste des immateriellen Weltkulturerbes zu setzen, wurde freilich kürzlich von der Unesco abgeschmettert. Unter anderem mit dem Argument, es handele sich um kommerzielle Veranstaltungen.
Es ist nicht das einzige Missgeschick der Branche. Ihr schleichender Niedergang lässt sich an Zahlen ablese. Vor zehn Jahre konnte sie noch 12.000 Festplätze beschicken, 2.000 mehr als heute. Immer wieder beanspruchen Gemeinden zentral gelegene Filetstücke als Baugrund. Wo in Berlin heute die Nordischen Botschaften stehen, fanden früher Jahrmärkte statt. Sie sind heute in eine Randzone jenseits des nördlichen S-Bahn-Ringes verbannt. In Gütersloh baute die Stadt auf dem Kirmesplatz eine Feuerwache. Der Jahrmarkt musste auf einen 14 Kilometer entfernten alten Militärflugplatz ohne Anschluss ans Nahverkehrsnetz umziehen.
Diskriminiert fühlt sich die Branche obendrein, weil sie seit 2002 auf der "besonderen Liste zur Bekämpfung der Schwarzarbeit" steht. Damals galt für Polen und Rumänen, die bei Schaustellern Beschäftigung finden, noch keine Freizügigkeit in Europa. Das hat sich längst geändert, indes: "Wir haben keinerlei Chance, aus dieser Liste rauszukommen. Das ist ein Thema, das uns sehr stark umtreibt - wir sind keine bösen Buben mehr", klagte Ritter.
Das Arbeitszeitgesetz empfindet die Branche als lebensfremd - Schausteller tun sich schwer mit dem Achtstundentag. Die Dokumentationspflicht aus dem Mindestlohngesetz verursacht Beschwernisse. Dass ihre Fahrzeuge neuerdings unter die Mautpflicht fallen, leuchtet den Schaustellern nicht ein. "Wir wollen gar keine Subventionen. Wir wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden", appellierte Ritter an die Politik.
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