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Gäste bei Bundetagsvizepräsidentin Ulla Schmidt (Mitte): von links Hugh Dykes, Angus MacNeil, Paul Farrelly, Andy Love, Alok Sharma, Swraj Paul. © Melde
Egal, um welche politischen Themen es gerade gegangen sei, wie „Mehltau“ habe sich über alle Gespräche zwischen den deutschen und britischen Parlamentariern die Frage gelegt: Wie entwickelt sich das Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien? So beschreibt es der Abgeordnete Stephan Mayer (CDU/CSU) nach dem Besuch von sechs Abgeordneten der „All-Party Parliamentary British-German Group“ aus London. Mayer hatte die Briten als Vorsitzender der Deutsch-Britischen Parlamentariergruppe vom 11. bis 14. November 2014 nach Berlin eingeladen. Die Abgeordneten aus beiden Kammern des britischen Parlaments wurden vom Unterhaus-Abgeordneten Paul Farrelly geleitet und tauschten sich unter anderem mit Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses, des EU-Ausschusses und des Verteidigungsausschusses im Bundestag aus. Protokollarischer Höhepunkt des Besuchs war ein Treffen mit Bundestagsvizepräsidentin Ulla Schmidt (SPD).
„Unisono haben die deutschen Gesprächspartner gesagt, sie können sich eine Europäische Union ohne Großbritannien nicht vorstellen“, fasst Mayer nach dem Treffen zusammen. Er selbst sieht Großbritannien als einen wichtigen Partner für die Deutschen und ist sich sicher, dass ein Austritt für beide Seiten ein großer Verlust wäre.
Zwar äußert Mayer prinzipiell Verständnis dafür, die Kompetenzverlagerungen auf die europäische Ebene kritisch zu hinterfragen. Das vom britischen Regierungschef David Cameron im Falle seiner Wiederwahl angestrebte Referendum über den Verbleib in der EU und die damit verbundene Gemütslage in der britischen Bevölkerung nehme er entsprechend ernst. Nach aktuellen Umfragen gebe es schließlich nur eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der EU. Mayer stellt aber auch klar:
„Dieses Referendum schwebt wie ein Damoklesschwert über jeder Diskussion und beschäftigt die britischen Kollegen egal welcher Couleur, beschäftigt natürlich auch uns, weil wir Großbritannien nicht verlieren wollen, weil wir Großbritannien in der Europäischen Union halten wollen.“
Die Stimmung der britischen Kollegen, die nach Deutschland gereist seien, wäre eher pro Europa gewesen, berichtet Mayer. Das seien aber auch besonders deutschlandaffine Abgeordnete, die nicht unbedingt repräsentativ für die Parlamentarier im Vereinten Königreich stünden. Obwohl Cameron durch die Erfolge der Partei „Ukip“ und die Stimmung in der eigenen Partei stark unter Druck steht, glaubt und hofft Stephan Mayer, dass sich die Briten letztlich für den Verbleib in der EU entscheiden.
Der bayerische Abgeordnete mit Wahlkreis im Voralpenland ist „ein großer Anhänger davon, dass auch zwischen den Parlamenten intensive Beziehungen gepflegt werden und durchaus auch Außenpolitik auf parlamentarischer Ebene betrieben wird“. Mayer bezeichnet die Wahlkreis- und die Ausschussarbeit als die „Pflicht“ jedes Abgeordneten und die eher freiwillige und zusätzliche Betätigung in der Parlamentariergruppe als „Kür“.
Der CSU-Abgeordnete und innenpolitische Sprecher seiner Fraktion übernahm den Vorsitz der Parlamentariergruppe vor sechs Jahren von Karl-Theodor zu Guttenberg, als dieser ins Ministeramt berufen wurde. Die Zahl der gut 40 Mitglieder sei relativ konstant, obwohl seit der aktuellen Wahlperiode die Mitgliedschaft in nur noch drei statt fünf solcher Parlamentariergruppen zulässig ist. Darin sieht Stephan Mayer ein Zeichen für das gleichbleibende Interesse an Großbritannien.
Obwohl die Regierungen zuallererst gefordert seien, wenn es etwa darum gehe, bilaterale Verträge auszuhandeln, die jeweiligen Nationen auf supranationaler Ebene zu vertreten, glaubt Mayer, dass der Austausch unter Parlamentariern wichtig und auch wirksam ist: „Die Parlamentarier stehen ja nicht für sich allein, sondern die haben natürlich auch alle enge Beziehungen in ihren Fraktionen und dann innerhalb der Fraktionen auch wieder zu den Regierungsmitgliedern, zu den Abgeordneten, die originär Außenpolitik machen“, erklärt Mayer. Das parlamentarische Interesse an der fakultativen Außenpolitik sieht Mayer durch die Existenz von über 50 Parlamentariergruppen jedenfalls bestätigt.
Die Reisetätigkeit von London nach Berlin und das Interesse an Deutschland habe übrigens zugenommen, beobachtet Stephan Mayer in den letzten Jahren. Er führt das auf den wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik zurück. „Die Briten sind sehr offen dafür, von uns in Erfahrung zu bringen, wie wir es geschafft haben, relativ schnell aus der schwerwiegenden Wirtschafts- und Finanzkrise herauszukommen.“ (tk/05.01.2015)