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Der Nachtzugverkehr in Deutschland muss neu organisiert werden. Dies wurde am Mittwoch, 14. Januar 2015, deutlich bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitaler Infrastruktur unter Vorsitz von Martin Burkert (SPD). Dabei sahen einige Experten auch die Politik in der Pflicht, gerechtere Rahmenbedingungen zu schaffen. Grundlage der Anhörung war ein Antrag der Linken (18/2494), die die Deutsche Bahn AG auffordert, den Rückzug bei Nacht- und Autoreisezügen zu stoppen.
So fordert Marion Jungbluth vom Verbraucherzentrale Bundesverband in ihrer schriftlichen Stellungnahme eine Prüfung der Möglichkeiten zur Wiederbelebung des Nachtzugverkehrs von unabhängiger Seite. Das Argument der Bahn, dass der Abbau des Nachtzugverkehrs aufgrund der mangelnden Nachfrage unvermeidlich ist, sei nicht ausreichend belegt. So würden die Bahngewerkschaften die Auslastung des Nachtzugverkehrs deutlich positiver darstellen als die Bahn AG.
Jungbluth warf dem Unternehmen fehlende Bemühungen vor, das Nachtzugangebot für die Verbraucher attraktiv zu gestalten. „Vom W-Lan in Nachtzügen können die Kunden noch lange träumen“, sagte sie. Investitionen in das Zugmaterial, hochwertiger Kundenservice und Marketing für das Nachtzugangebot würden fehlen. Die Streichung des Bordrestaurants spiele eine wichtige Rolle. Für die Wiederbelebung des Nachtzugverkehrs braucht man aus Sicht des Verbraucherzentrale Bundesverbandes kreative Lösungen und bessere politische Rahmenbedingungen.
Für ein Moratorium sprach sich Joachim Holstein, Sprecher des Wirtschaftsausschusses des Gesamtbetriebsrates der Deutsche Bahn European Railservice GmbH, aus. Dieses Moratorium solle dafür genutzt werden, die wesentlichen Kennziffern der Entscheidungen der Bahn AG zu überprüfen. Dabei will Holstein wissen, ob auch die Reisenden in den mitgeführten Sitzwagen der Nachtzüge miteinberechnet wurden.
Insgesamt hätten die Nachtzüge eine gute Auslastung, sagte er. Die Jahre 2012 bis 2014 seien wegen Sonderfaktoren wie erhöhte Personalanforderungen nicht als Rechtfertigung für eine Abschaffung der Nacht- und Autoreisezüge zu gebrauchen. Holstein ist der Ansicht, dass die Deutsche Bahn AG die Nachtzüge „stiefmütterlich behandelt“. Bei dem Nachtzug nach Kopenhagen habe sie in den laufenden Fahrplan eingegriffen und Züge gestrichen, für die bereits Buchungen vorgelegen hätten.
Alexander Kirchner von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft betonte, dass beim Wegfall des Nacht- und Autozugverkehrs insgesamt rund tausend Arbeitsplätzen gefährdet seien. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, würden die Nachtzüge einen „schleichenden Tod“ erleiden, sagte er. Er forderte die Bahn auf, Nacht- und Autozüge nicht länger als Nischenprodukte zu betrachten und setzte sich für ein freiwilliges Moratorium von mindestens einem Jahr ein.
Aber auch die Politik sei in der Pflicht, so Kirchner. Benachteiligende politische Rahmenbedingungen und zusätzliche Belastungen durch die EEG-Umlage, die Senkung der Lkw-Maut und fehlende Mittel zur Sicherung des Bestandsnetzes hätten die Nacht- und Autozüge erst in Gefahr gebracht.
Christoph Gipp von IGES Institut GmbH sah dagegen keinen Grund für ein Moratorium, da es sowohl im innerdeutschen wie im europäischen Raum genügend Angebote im Nachtverkehr gebe, schreibt er in seiner Stellungnahme. Geschäftsreisende würden die Flugreise aufgrund des Zeitvorteils präferieren, Kunden im niedrigpreisigen Segment hätten mit den Fernbussen eine deutlich kostengünstigere Alternative.
Für die Fahrt mit dem Nachtzug „CityNightLine“ wären knapp 180 Euro (ohne Rabatte) fällig, im Vergleich dazu bezahle der Reisende für die gleiche Strecke bei „MeinFernbus“ nur 66 Euro und brauche nur etwa zwei Stunden länger.
Für Jakob Kunze von der Agentur Probst & Konsorten ist laut Stellungnahme ein weiterer Abbau von Nachtzugverbindungen „eine Schwächung des Systems Eisenbahn generell“. Europäische Klimaschutz- und Verkehrspolitikziele würden so konterkariert. Es sei zu prüfen, ob und wie der wirtschaftliche Betrieb von Nachtreisezügen ohne direkte Subventionen möglich sei.
Dabei sprach Kunze sich dafür aus, die in Deutschland relativ hohen Trassenkosten an die Anforderungen des Nachtzugverkehrs anzupassen, eine europaweite Vertriebsplattform mit der verpflichteten Teilnahme aller europäischer Eisenbahnunternehmen zu schaffen und die Benachteiligungen des Schienenverkehrs gegenüber Flugverkehr und Fernbusverkehr (bei den Fahrgastrechten) abzubauen.
Auch Dr.-Ing. Thomas Sauter-Servaes von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften wies auf die steuerliche Ungleichheit zum Flugverkehr hin: Obwohl der Schienenverkehr nur einen halb so hohen volkswirtschaftlichen Schaden verursache wie der Flugverkehr, müssten Flugunternehmen keine Ökosteuer bezahlen.
Nachtzüge seien nicht zu teuer, sondern die Konkurrenten zu billig. „Der Verkehrswissenschaftler in mir wird dabei depressiv“, sagte er. Nachtzugbetreiber müssten aber in Zukunft auch verstärkt auf die neuen Bedürfnisse der Kunden eingehen.
Bis 2016 möchte Ulrich Homburg, Vorstand der Deutsche Bahn Mobility Logistics AG, ein wirtschaftlich zukunftsfähiges Nachtzugkonzept etablieren. Dabei sollen weniger und nachfragestärkere Strecken befahren werden. Der wirtschaftliche Verlust im Nachtzugverkehr belaufe sich auf eine zweistellige Millionensumme. Investitionen in benötigtes Zugmaterial könnten aus dem Geschäft nicht erwirtschaftet werden.
Die Verbindung Berlin-Paris sei vor allem deshalb eingestellt worden, da in Frankreich die Gesamtkosten pro Zugkilometer 70 Prozent über dem Niveau in Deutschland lägen. Die Streichung der Verbindungen nach Kopenhagen im November 2014 sei eine Entscheidung des dänischen Staates gewesen. In Deutschland seien von den Kürzungen etwa 100 Mitarbeiter betroffen, die laut Homburg innerhalb des DB-Konzerns weiter beschäftigt würden, schreibt er in seiner Stellungnahme. (joj/14.01.2015)