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Die Bundesregierung halte an dem „hohen Gut“ der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB) fest. Sie ende nicht dort, wo man einer Maßnahme zustimme oder nicht zustimme. Das versicherte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), am Mittwoch, 28. Januar 2015, in der Aktuellen Stunde des Bundestages. Damit war eigentlich das abgehakt, was die Grünen bei der Beantragung der Aktuellen Stunde als Titel gewählt hatten: „Haltung der Bundesregierung zum EZB-Anleihekaufprogramm“.
Aber natürlich entspann sich eine kontroverse Debatte. Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen) nannte das Aufkaufprogramm der EZB „einzigartig“, sprach von der wohl „wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidung unserer Zeit“. Angesichts von Deflation und Massenarbeitslosigkeit sei der EZB gar nichts anderes übrig geblieben als „dringend etwas zu tun“. Allerdings hätten ihre Maßnahmen „problematische Nebenwirkungen“ wie stark steigende Aktienkurse, die zu „neuen Blasen“ führen könnten.
Die Alternative wäre nach Schicks Ansicht gewesen, dass neben den geldpolitischen Maßnahmen der EZB auch die Regierungen tätig würden und öffentliche und private Investitionen anregten. Aber: „Das passiert ja nicht“, hielt er der Bundesregierung vor. Die betreibe eine „kurzsichtige Sparpolitik“. Wer sich jetzt über die EZB ärgere, solle seinen Protestbrief „nicht nach Frankfurt, sondern nach Berlin ans Bundeskanzleramt“ schicken.
Kampeter gab Schick in einem Punkt recht: „Gute Geldpolitik“ und „anständige Fiskalpolitik“ gehörten zusammen. Verstärkte Investitionen seien aber doch erklärtes Ziel der Bundesregierung: „Dazu bedarf es keiner Mahnung der Opposition.“ Ordentliches Haushalten und mehr Investitionen gehörten zusammen.
Kampeter verwies zudem darauf, dass die EZB ihre Entscheidung mit der Aufforderung an die Regierungen zu nachhaltiger Finanzpolitik verbunden habe. Der EZB-Vorstoß sei „kein Ersatz für nationale Reformen“.
Michael Schlecht (Die Linke) sah die EZB auf „intellektuell höherem Niveau als den Staatssekretär“. Der habe zur Deflation „kein einziges Wort“ gesagt. Doch die „tendenziell sinkenden Preise, auch wenn man das Öl herausrechnet“, ließen im Euro-Raum „die Wirtschaft einbrechen“ und verschärften damit die Misere. Die Konjunktur in der Euro-Zone sei „viel zu schwach“ angesichts staatlicher Ausgabenkürzungen und Lohneinbußen. Der „Hoffnung“ der EZB – „Banken schwimmen in Geld, Nachfrage steigt, alles wird gut“ – mochte sich Schlecht nicht anschließen.
Vielmehr machten die nun steigenden Aktienkurse nur „ein paar Banken und Spekulanten reicher“. Die EZB sei am „Kürzungsdiktat“ für Griechenland beteiligt und mithin „Brandstifter und Feuerlöscher zugleich“. Allerdings lösche sie „mit heißer Luft“, wenn nicht gar mit Benzin. Die griechischen Wähler hätten für einen „vollständigen Politikwechsel“ gestimmt: „Wir sollten den unterstützen.“
Dass Schlecht Griechenland erwähnte, hielt Carsten Schneider (SPD) für „bemerkenswert“. Dort hätten doch jetzt „Rechtspopulisten und Linkspopulisten“ zusammengefunden. Ihr Ziel sei Renationalisierung, nicht Europäisierung. EZB-Schelte aus Deutschland stufte Schneider als „ungerecht“ ein. Sie habe doch „immer wieder Kohlen aus dem Feuer geholt“ und die „Spekulationen gegen Staaten gestoppt“. Jetzt nicht zu handeln, sei für die EZB keine Option gewesen.
Er erwarte, dass die Banken nun ihre Aufgaben erfüllten und Kredite vergeben, damit investiert wird. Schneider wandte sich dagegen, „nur den Sparer in den Mittelpunkt“ zu stellen und nicht Zukunftsinvestitionen in den Blick zu nehmen: Die Gründung von Firmen sei einfacher geworden, Familien könnten sich Häuser bauen: „Das sind Chancen.“ Man dürfe „nicht nur Gefahren an die Wand malen“.
Norbert Barthle (CDU/CSU) bekannte sich auch namens der Fraktion zur Unabhängigkeit der EZB. Indes dürfe es auch „kritische Nachfragen“ geben – zumal „das eine oder andere“ auch noch deutsche Verfassungsrichter beschäftigen werde. Ihn treibe die Sorge um, dass manche Staaten lieber das billige Geld kassierten als notwendige Strukturreformen weiter zu betreiben.
In Deutschland habe die Regierung „wirtschaftliche Spielräume durch konsolidierte Haushalte“ geschaffen. Über die aktuelle Debatte in Griechenland wundere er sich schon, meinte Barthle. Für ihn stehe außer Frage, dass die Bedingungen für das zweite Hilfsprogramm eingehalten werden. Zudem sei „die Schuldenschnittdebatte unsinnig“. (fla/28.01.2015)