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Erstmals in der Geschichte der Bundeswehr soll für die Soldaten und Soldatinnen prinzipiell die 41-Stunden-Woche gelten. Ausnahmen sollen nur zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes und der Einsatzbereitschaft erlaubt sein. Dies sieht der von Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) vorgelegte Entwurf eines Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetzes (18/3697) vor, über das der Bundestag am Freitag, 30. Januar 2015, in erster Lesung beriet. Das Gesetzespaket enthält 22 Einzelmaßnahmen in den Bereichen Arbeitszeit, Besoldung, Beförderungen und soziale Absicherung, durch die der Dienst in den deutschen Streitkräften attraktiver werden soll. Die Kosten für das Attraktivitätsprogramm beziffert das Verteidigungsministerium auf rund eine Milliarde Euro in den Jahren 2015 bis 2018.
Während die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD die Gesetzesvorlage begrüßten, fiel die Reaktion der Opposition gemischt aus. Bündnis 90/Die Grünen unterstützen die Zielsetzung der Gesetzesinitiative, forderten zugleich Nachbesserungen. Die Linke hingegen lehnte das Vorhaben aus prinzipiellen Gründen ab. Das Gesetz solle nur die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr für Auslandseinsätze erhalten. Dies sei abzulehnen.
Mit dem Gesetz will Ministerin von der Leyen die Streitkräfte im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft um geeigneten Nachwuchs besser positionieren. Niemand kaufe heute mehr „die Katze im Sack“, sagte die Ministerin. Dies gelte auch am Arbeitsmarkt. Die jungen Menschen würden sich ihre potenziellen Arbeitgeber sehr genau ansehen. Die Bundeswehr bemühe sich genau wie alle anderen Arbeitgeber um qualifizierte, motivierte und belastbare Fachkräfte - vor allem in den Bereichen Medizin, Logistik und Informationstechnologie.
Die verteidigungspolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen Rainer Arnold (SPD) und Henning Otte (CDU/CSU) lobten die Initiative von der Leyens ausdrücklich. Der Gesetzentwurf verdiene die Note „sehr gut“, sagte Otte. Die Maßnahmen seien geeignet, um das gute Personal in der Bundeswehr zu halten und den benötigten Nachwuchs zu rekrutieren.
Arnold lobte, die Ministerin habe mit dem Gesetz entscheidende Knoten gelöst. Durch die Einführung der 41-Stunden-Woche könne die hohe Zahl der Überstunden in der Truppe reduziert werden. Otte und Arnold verwiesen darauf, dass der Beruf des Soldaten kein Beruf wie jeder andere sei. Dem müsse der Gesetzgeber Rechnung tragen und seiner Fürsorgepflicht gerecht werden.
Die Grünen hingegen halten den Gesetzentwurf für unzureichend. Eine Erhöhung des Wehrsolds oder die Zahlung von Zulagen reiche nicht aus, um die Bundeswehr attraktiver zu machen, monierte deren Verteidigungs- und Familienpolitikerin Doris Wagner. Die Soldaten wünschten sich vor allem eine familienfreundlichere Armee.
Die Regelungen zur Teilzeitarbeit seien beispielsweise nicht flexibel genug. Und die Einführung der 41-Stunden-Woche nütze nicht viel, wenn diese in vielen Bereichen aus Personalmangel kaum zu realisieren sei. Wagner forderte zudem, das Pflegezeitgesetz auch für Soldaten zu öffnen.
Für die Linksfraktion lehnte Christine Buchholz die Gesetzesinitiative aus prinzipiellen Gründen ab. Die Einführung der 41-Stunden-Woche und eine bessere Bezahlung der Soldaten sei zwar zu begrüßen. Allerdings seien die Auslandseinsätze der eigentliche Grund, warum der Dienst in den Streitkräften unattraktiv sei, sagte Buchholz. Diese würden auch von einer Mehrheit in der Bevölkerung abgelehnt. Der Ministerin gehe es in Wirklichkeit nicht darum, den Soldaten bessere Berufsperspektiven zu bieten, sondern um eine einsatzbereite Armee.
Neben der Einführung der 41-Stunden-Woche sieht der Gesetzentwurf vor, die Möglichkeiten für Teilzeitbeschäftigungen nach dem Vorbild des öffentlichen Dienstes auszubauen. Mit diesen Regelungen soll vor allem die Vereinbarkeit von Dienst, Familienleben und Freizeit erleichtert werden.
Um vor allem dringend benötigtes, hochqualifiziertes Personal für die Streitkräfte zu gewinnen, ist die Einführung eines Personalbindungszuschlages für Zeit- und Berufssoldaten geplant. Dieser Zuschlag soll bis zu vier Jahre lang in Höhe von 20 Prozent des ersten Grundgehaltes gezahlt werden können – entweder in Form eines monatlichen Zuschlags oder als Einmalzahlung. Damit sollen Personalengpässe in Verwendungsbereichen, die über sechs Monate lang ihre Sollstärke nur zu 90 Prozent erreichen, schneller beseitigt werden.
Erhöht werden sollen neben dem Wehrsoldtagessatz zudem die Erschwernis- und Stellenzulagen, zum Beispiel für Minentaucher, Angehörige des Kommandos Spezialkräfte und Soldaten, die ihren Dienst in Bunkeranlagen leisten. Zudem sollen nach dem Willen der Ministerin die Beförderungsmöglichkeiten von Mannschaftsdienstgraden durch eine Streichung der Planstellenobergrenzen verbessert werden.
Verbesserungen sieht das Gesetz auch bei der sozialen Absicherung der Soldaten vor. So sollen Zeitsoldaten zukünftig eine erhöhte Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Zudem soll der Stichtag für Entschädigungszahlungen nach dem Einsatzversorgungsgesetz für Soldaten, die in Auslandseinsätze verletzt wurden, vom 1. Dezember 2002 auf den 1. Juli 1992 vorverlegt werden.
Den Gesetzentwurf überwies der Bundestag zur weiteren Beratung in die Ausschüsse. Den Antrag der Grünen (18/2874), der eine Vorverlegung der Stichtagsregelung im Einsatzversorgungsgesetz vorsieht, wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Linken abgelehnt, da diese Forderung mit dem Gesetzentwurf erfüllt wird. (aw/30.01.2015)