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Grundsätzliche Übereinstimmung, aber Differenzen über die Rolle des Militärischen, das prägte die Debatte über zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung am Freitag, 6.Februar 2015. Anlass war der Bericht über die Umsetzung des gleichnamigen Aktionsplans für den Zeitraum 2010 bis 2014, den die Bundesregierung als Unterrichtung vorgelegt hatte (18/3213).
Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, bevor er zum Münchner Sicherheitskonferenz weiterreiste: „Wir dürfen gerade inmitten von Krisen nicht nachlassen, Krisen vorzubeugen.“ Er hob hervor, dass sich die Etatmittel für Krisenprävention seit dem Start des Aktionsplans 2004 ungefähr verzehnfacht hätten.
Steinmeier nannte drei Schwerpunkte der vielfältigen Maßnahmen, die er unter die Überschrift „vorsorgende Außenpolitik“ stellte. Einer sei die Stärkung fragiler Staaten. „Wo staatliche Strukturen drohen zu erodieren, wissen wir: Das sind die Krisen von morgen.“ Als erfolgreiches Beispiel führte er Kenia an, wo ein nach der letzten Präsidentschaftswahl drohender Bürgerkrieg mit deutscher Beteiligung habe verhindert werden können. Ähnlich wichtig sei nun die Hilfe für Jordanien und den Libanon, die an der hohen Zahl syrischer Flüchtlinge zu zerbrechen drohten.
Als zweiten Schwerpunkt nannte der Außenminister die Stärkung multilateraler Organisationen. Hier gelte es, wichtige, öffentlich manchmal kaum wahrgenommene Ansätze zu unterstützen. So wolle die Afrikanische Union bis 2017 umstrittene Grenzverläufe auf dem Kontinent identifizieren, um Grenzkonflikten vorbeugen zu können. Das gehe nicht ohne technische Hilfe, zu der Deutschland beitragen wolle.
Die Friedensmediation ist laut Steinmeier dritter Schwerpunkt. Sie solle nach überwundenen Konflikten ein erneutes Abgleiten in Gewalt verhindern. Nächste Woche wolle er in das ehemalige Bürgerkriegsland Kolumbien besuchen, wo Deutschland bei dem Versöhnungsprozess, „der jetzt hoffentlich ansteht“, beratend zur Seite stehe. Er nehme dazu ganz konkrete Projektvorschläge mit, die sein Haus gemeinsam mit der Gedenkstätte Hohenschönhausen und der Max-Planck-Stiftung für Internationalen Frieden entwickelt habe. Als weiteres Beispiel nannte er Mali, wo Deutschland ein neu geschaffenes Ministerium für Versöhnung unterstütze.
Kathrin Vogler, Obfrau der Fraktion Die Linke im Unterausschuss für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln des Auswärtigen Ausschusses, forderte, „dass die Zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung endlich über Symbolpolitik hinauskommt“. Die Menschen im Land hätten gewiss nicht den Eindruck, dass in den zehn Jahren seit Verabschiedung des Aktionsplans die deutsche Außenpolitik friedlicher geworden sei, „im Gegenteil“.
Mit Blick auf das von Steinmeier genannte Mali sagte sie, die Ausbildung von Soldaten dort habe mit friedlicher Krisenprävention „aber auch gar nichts“ zu tun. Nach Kolumbien liefere Deutschland Waffen für 50 Millionen Euro, während es zur Konfliktbewältigung dort nur 1,5 Millionen zur Verfügung stelle.
Das von der Regierung gezeichnete Bild von der Bundesrepublik als Vorreiterin der Zivilen Krisenprävention sei „schon deshalb schief, weil Deutschland selbst inzwischen Partei in allzu vielen Kriegen und Konflikten ist“. Wenn Steinmeier oder der Bundespräsident dann von Deutschlands Verantwortung in der Welt redeten, sei es „vor diesem Hintergrund gar kein Wunder, dass viele Menschen das als Ankündigung von noch mehr Militäreinsätzen wahrnehmen“.
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion Dr. Franz Josef Jung wies diese Kritik „mit Nachdruck zurück“. Zu vernetzter Sicherheit gehöre eine Vielzahl von Instrumenten, darunter „als Ultima Ratio“ auch der Einsatz militärischer Fähigkeiten. So sei angesichts des Isis-Terrors „leider Gottes die alleinige Zivile Krisenprävention nicht die Maßnahme, die zur friedlichen Entwicklung führt“.
Dort sei es richtig, die kurdischen Peschmerga-Kämpfer mit Waffen zu unterstützen und eine Ausbildungsmission im Irak zu erbringen. Es gelte der Satz: „Ohne Sicherheit keine Entwicklung, aber ohne Entwicklung auch keine Sicherheit.“
Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzende des Unterausschusses für zivile Krisenprävention, unterstützte grundsätzlich den Ansatz der Bundesregierung auf diesem Feld. Erfolge seien hier nur schwer zu messen, „da gibt es keine Bilder auf CNN“. Andererseits seien beispielsweise Versuche, verlässliche staatliche Strukturen aufzubauen, oft gescheitert. Brantner warf der Regierung vor, vom Richtigen zu wenig zu tun. Es müsse massiv investiert werden, um wirksame Instrumente der Konfliktprävention zu entwickeln.
Es gebe zahlreiche erfolgreiche Projekte, die im Bericht der Bundesregierung aufgeführt sind, aber sie frage sich, erklärte Brantner, ob es für sie auch genügend Geld gibt. „Da sprechen die Haushaltszahlen, Herr Steinmeier, eben eine andere Sprache.“ Der Minister habe von 150 Millionen Euro gesprochen, aber da seien die Beiträge für internationale Organisationen sowie die Klima-Außenpolitik schon mit eingerechnet. Für die reine Zivile Krisenprävention stünden seit 2013 nur 95 Millionen im Jahr zur Verfügung. Für das nächste Jahr forderte Brantner hierfür deutlich mehr Geld.
Dr. Ute Finckh-Krämer, SPD-Obfrau im Unterausschuss, wies darauf hin, dass neben den von Steinmeier beschriebenen Aktivitäten zur Stärkung staatlicher Strukturen und politischer Versöhnungsprozesse auch das friedliche Zusammenleben der Menschen vor Ort wichtig für den Frieden sei. Es gehe darum, „diejenigen zu unterstützen, die sich innerhalb ihrer Gesellschaft für Frieden und Versöhnung einsetzen“.
Das vom Auswärtigen Amt finanzierte Förderprogramm ZIVIK des Instituts für Auslandsbeziehungen beteilige sich seit 2001 erfolgreich an solchen Projekten ausländischer Partner, zum Beispiel im Libanon.
Der Bundestag beschloss, den Bericht der Bundesregierung zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen. Gegen das Votum der Linken bei Enthaltung der Grünen lehnte er einen Entschließungsantrag von CDU/CSU und SPD (18/3926) zu dem Bericht ab. Darin wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, die Schwerpunktsetzung bei der Krisenprävention und Konfliktbearbeitung sowie die ressortübergreifende Vernetzung weiter zu verstärken. Deutschland sollte sich vor allem dort engagieren, wo es seine Kompetenzen am besten einsetzen kann.
Mit den Stimmen der übrigen Fraktionen fand ein Entschließungsantrag der Linken (18/3827) keine Mehrheit, wonach die Regierung unter anderem ihr außenpolitisches Handeln zivil ausrichten und in allen Politikbereichen auf seine Konfliktrelevanz überprüfen sollte. Konfliktfördernde Maßnahmen seien zu unterlassen. Ebenfalls gegen das Votum der übrigen Fraktionen scheiterten die Grünen mit einem Entschließungsantrag (18/3928), wonach die Regierung unter anderem die finanziellen Ressourcen für deutsche Friedensakteure schrittweise aufstocken sollte.
Ein Antrag der Grünen „Mehr Anerkennung für Peacekeeper in internationalen Friedenseinsätzen“ (18/1460, 18/3931) wurde mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD abgelehnt, Die Linke enthielt sich. Weltweit seien mehr als 240.000 zivile Expertinnen und Experten, Polizistinnen und Polizisten sowie Soldatinnen und Soldaten in über 70 Friedensmissionen im Auftrag der Vereinten Nationen oder anderer Akteure wie der EU oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Einsatz, hieß es in dem Antrag.
Deren Arbeit und Engagement sollte nicht nur intern, sondern durch eine Reihe von Maßnahmen auch öffentlich anerkannt werden, hatten die Grünen gefordert. Unter anderem sollte jährlich am „Tag des Peacekeepers“ daran erinnert werden. (pst/06.02.2015)