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Mit großer Mehrheit hat der Bundestag am Freitag, 27. Februar 2015, der Verlängerung des zweiten Hilfsprogrammes für Griechenland zugestimmt. In namentlicher Abstimmung votierten von insgesamt 586 Abgeordneten 541 für einen entsprechenden Antrag (18/4079) des Bundesfinanzministeriums und 32 dagegen. 13 enthielten sich.
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) betonte in der Debatte, es gehe bei der Abstimmung „nicht um neue Milliarden für Griechenland und um irgendwelche Änderungen an diesem Programm“, sondern darum, Griechenland zusätzlich Zeit einzuräumen, das Programm erfolgreich abzuschließen.
Grundlage des Antrags sei die Erklärung der neuen griechischen Regierung, das Hilfsprogramm „ohne jede Vorbehalte, ohne jede Einschränkungen“ erfüllen zu wollen. Ohne Abstimmung mit den drei Institutionen, der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), könne Athen „keinerlei einseitige Maßnahmen“ ergreifen, die Auswirkungen hätten auf das Programm, sicherte Schäuble zu.
Der Minister sprach von „Wochen intensiver Debatten und Beratungen“. Dass dabei sei „sehr viel Vertrauen“ von Griechenland zerstört worden sei, mache die Zustimmung zur Verlängerung des Programms nicht einfacher. Auch ihm sei die Entscheidung nicht leicht gefallen, räumte er ein. „Solidarität heißt nicht, dass man einander erpressen kann, sondern dass jeder seinen Teil beitragen muss“, mahnte Schäuble. Solidarität habe auch etwas mit Verlässlichkeit zu tun.
Angesichts der Widerstände gegen die Verlängerung des Hilfspakets, auch in den Reihen der Unionsfraktion, warnte der Finanzminister davor, Griechenland fallen zu lassen. „Deutschland hat nur eine gute Zukunft, wenn die europäische Einigung gelingt und wenn wir in Europa zusammenstehen.“ Die Deutschen sollten „wieder und wieder“ alles dafür tun.
Andreas Scheuer (CDU/CSU) machte hingegen klar: „Ende Juni ist die Entscheidungszeit, ob es mit Griechenland weitergeht oder nicht.“ Dann heiße es: „Vorrücken oder Ausschluss“. Es gehe momentan um „eine der letzten Chancen, die wir Griechenland einräumen“.
Eine Zustimmung zur Verlängerung des aktuellen Hilfspakets könne es nur gegen harte Kriterien geben, auf deren Einhaltung man scharf achten werde. Klar sei, dass es deutsche Solidarität nur gegen griechische Reformbeiträge geben könne. „Griechenland - jetzt müsst ihr liefern", forderte der CSU-Politiker mit Blick auf die von der neuen linksgeführten Regierung vorgelegte Liste mit Reformen (18/4093).
Carsten Schneider (SPD) forderte die griechische Regierung ebenfalls auf, ihre gemachten Zusagen einzuhalten. „Es liegt an den Griechen selbst, wir reichen ihnen die Hand“, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Doch er warnte auch: Sollte die griechische Regierung ihre Wahlversprechen finanzieren wollen mit den Steuergeldern anderer Länder, dann sei dies „nicht akzeptabel“.
Schneider betonte, wenn die neue Regierung bereit sei, „sich selbst und ihre Situation anzunehmen und auf diese Situation die richtigen ökonomischen Antworten zu geben, dann werden wir auch über ein neues Hilfsprogramm reden“. Jedem müsse klar sein: „Die teuerste Lösung wäre jetzt der Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone.“ Seine Partei verbinde durchaus Hoffnung mit dieser neuen Regierung, sagte Schneider. Sie habe eine Chance verdient, für ein moderneres Steuersystem und eine gerechtere Besteuerung zu sorgen.
Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Anton Hofreiter, forderte, ein zu erwartendes drittes Hilfsprogramm müsse so ausgestaltet sein, „dass am Ende ein stabileres und wohlhabendes Griechenland steht“. Es gehe nicht darum, Griechenland keine Bedingungen für Hilfen zu stellen. Doch sie sollten so gestaltet und geändert werden, dass es am Ende den Menschen besser geht.
Scharfe Kritik äußerte Hofreiter am bisherigen EU-Krisenmanagement. Die Griechenland-Politik seit 2010 habe dazu geführt, dass dort die Wirtschaftsleistung um 20 Prozent eingebrochen und die Schuldenquote um 25 Prozent angestiegen sei. Die Arbeitslosigkeit habe sich auf 26 Prozent erhöht. „Ist es angesichts dieser Entwicklungen nicht überlegenswert, ob man andere Bedingungen stellt?“, fragte Hofreiter. Die bisherigen Bedingungen hätten schließlich nicht das bewirkt, was erreicht werden sollte.
Den verlängerten Griechenlandhilfen stimmte im Bundestag erstmals auch eine Mehrheit der Linken-Abgeordneten zu. Bislang hatten sie alle Hilfsprogramme für das Land abgelehnt. Dies sei aber „keine Zustimmung zur gescheiterten Sparpolitik und der Politik der Bundesregierung“, stellte der Fraktionsvorsitzende Dr. Gregor Gysi klar. Ihre „Kamikazepolitik“ haben zu Sozialabbau, hoher Arbeitslosigkeit und einem Zusammenbruch der medizinischen Versorgung in Griechenland geführt. So werde das Land nie seine Schulden zurückzahlen können.
Gysi begründete die Zustimmung vielmehr damit, dass die Verlängerung Athen eine „Atempause“ und die „Chance für einen Neuanfang“ für ein „soziales, demokratisches und friedliches Europa“ biete. Es werde nun nicht mehr beharrt auf einseitige drastische Kürzungsmaßnahmen, zudem sei die Reformliste der Athener Regierung angenommen worden, die unter anderem die gerechte Heranziehung der Vermögenden und Reichen in Griechenland vorsehe. „Das ist das Ende der Troika-Diktatur, und das ist auch höchste Zeit“, konstatierte Gysi.
Die Athener Linksregierung breche mit der gescheiterten Kürzungspolitik, konstatierte der Linke-Politiker. Das verändere Griechenland, aber auch Europa. Ob die Linksfraktion einem möglichen dritten Hilfspaket für Griechenland im Sommer zustimmen werde, machte Gysi davon abhängig, ob es verbunden sei mit „weiteren Sozialabbau und weiterer Zerstörung oder mit sinnvollen Investitionen“.
Erneut forderte er für den Süden Europas einen „Marshallplan“ zum Wiederaufbau. In Griechenland müsse wieder in Bildung, die Schiffsindustrie und den Tourismus investiert werden. „Dann kommt das Land auch voran.“
Nachdem der Bundestag und andere europäische Parlamente der Verlängerung des zweiten Hilfsprogramms für Griechenland zugestimmt haben, gilt es nun weitere vier Monate bis zum 30. Juni 2015. Eigentlich sollte es schon Ende vergangenen Jahres auslaufen, der Bundestag hatte die Frist aber bereits im Dezember erstmals um zwei Monate verlängert.
Auf die erneute Verlängerung hatten sich Griechenland und die Eurogruppe am 24. Februar nach tagelangen Verhandlungen geeinigt. Bedingung dafür war eine Liste mit Reformzusagen der neuen Regierung in Athen. Darin kündigt sie unter anderem den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Korruption an sowie Maßnahmen für Reformen im öffentlichen Dienst und Bürokratieabbau.
Bis Ende April sollen die Vorschläge unter Aufsicht von EU-Kommission, EZB und IWF konkretisiert werden. Erst wenn die Institutionen zu der Einschätzung kämen, „dass diese Maßnahmen einen ausreichend umfassenden Ausgangspunkt für einen erfolgreichen Abschluss der laufenden Programmüberprüfung darstellen“, würde die noch ausstehenden Darlehen aus dem Europäischen Rettungsschirm EFSF in Höhe von 1,8 Milliarden Euro ausgezahlt, heißt es im Antrag der Bundesregierung.
Bundesfinanzminister Schäuble betonte in der Debatte, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages informiert werde, sollte es zur Auszahlung kommen. Sollte er nicht einverstanden sein, würde im Plenum darüber entschieden. Sollte es zudem im Laufe der kommenden Wochen zu einer Änderung des Programms kommen, müsste zuvor ebenfalls der Bundestag zustimmen. „So sind die Regeln und daran wird sich auch nichts ändern“, stellte Schäuble klar. (joh/27.02.2015)