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Für Frauen bis zum vollendeten 20. Lebensjahr ist die „Pille danach“ künftig rezeptfrei. Das ist eine der Neuerungen, die sich aus dem am Donnerstag, 26. Februar 2015, mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommenen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (18/3699) in der vom Ausschuss für Arbeit und Soziales beschlossenen Fassung (18/4114) ergeben.
An den ursprünglich lediglich zur Vereinfachung des Meldewesens zwischen Arbeitgebern und Sozialversicherungen geplanten Gesetzentwurf wurden im Verlauf der Beratungen mehrere andere Regelungen angehängt. Neben der „Pille danach“ betrifft das unter anderem Änderungen bei der assistierten Ausbildung, Änderungen beim Rentenrecht und Vereinfachungen bei der Waisenrente.
Gabriele Hiller-Ohm (SPD) zeigte sich begeistert von dem Kraftakt, mit dem es gelungen sei, die Regelungen zu verabschieden. „Solche Entlastungsgesetze sollten wir viel öfter machen“, sagte sie und verwies auf die riesigen Mengen an Formularen die bislang zwischen Arbeitgebern und Sozialversicherungsträgern hin und her geschickt werden müssten. 400 Meldevorgänge pro Jahr seien dies, so Hiller-Ohm.
„Wir kündigen der Papier- und Datenmenge mit geballter parlamentarischer Kraft den Kampf an“, sagte die SPD-Abgeordnete. So werde das Leben vieler Kleinunternehmer erleichtert, da statt bislang täglicher Meldungen an die Sozialversicherungen ein wöchentlicher Datenabgleich reichen solle. Mit der „Entrümpelung“ habe man sich jedoch nicht zufrieden gegeben, sagte Hiller-Ohm weiter. So sei der Unfallschutz für Ebola-Helfer verbessert und der rezeptfreie Zugang zur Pille danach geschaffen worden.
Matthias W. Birkwald (Die Linke) konnte die Begeisterung seiner Vorrednerin nicht ganz teilen. Schon das Vorgehen der Bundesregierung, die Regelungen in ein „Omnibusgesetz“ zu packen, sorge dafür, dass sich seine Fraktion bei der Abstimmung enthalten werde. Gleichwohl gebe es einige gute Regelungen, räumte der Linken-Abgeordnete ein. Das gelte für den verbesserten Unfallversicherungsschutz für Ebola-Helfer, ebenso wie für die Regelung, Waisen, die in einer Ausbildung sind, die Rente künftig nicht mehr zu kürzen, auch wenn deren Einkommen oberhalb von 500 Euro liegt.
Die Neustrukturierung der assistierten Ausbildung für lernbeeinträchtigte und sozial benachteiligte Jugendliche sei ebenfalls gut. Allerdings sei sie beschränkt auf 10.000 Jugendliche und werde von den Jobcentern finanziert, während die Unternehmen keinen Cent leisten würden. Was die Pille danach angeht, so zeigte sich Birkwald erfreut, dass der zehn Jahre andauernde „peinliche Eiertanz“ nun beendet sei. Für die Koalition sei dies aber kein Grund, sich vor Stolz auf die Brust zu schlagen. Die Neuregelung sei eine zwingend umzusetzende Forderung der EU gewesen, so Birkwald.
Die Bürokratiekosten für die Unternehmen würden künftig um einen dreistelligen Millionenbetrag sinken, zeigte sich Gabriele Schmidt (CDU/CSU) erfreut. Im Laufe der parlamentarischen Beratungen sei der während der ersten Lesung noch kritisierte tägliche Datenabgleich in eine wöchentliche Abrufpflicht umgewandelt worden. Zudem seien die Änderungen beim Rentenrecht „wichtig und richtig“.
Was die Pille danach angeht, so habe man diese entsprechend der EU-Vorgabe von der Verschreibungspflicht befreit. Zugleich sei ein Werbeverbot dafür eingeführt worden. „Die Pille danach ist eine Notfallverhütung und soll es auch bleiben“, sagte Schmidt.
Das Instrument der assistierten Ausbildung nannte die Unionsabgeordnete „einen wichtigen Baustein“ neben den bisherigen Ausbildungshilfen. Gedacht sei dies einerseits für die jungen Menschen, aber ebenso auch für die Unternehmen, die im dualen System Ausbildung anbieten.
Aus Sicht von Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die Grünen) ist die assistierte Ausbildung ein sinnvolles Instrument. Auch die Ausweitung der Zielgruppe auf junge Menschen, die aufgrund besonderer Lebensumstände förderungsbedürftig sind, sei richtig.
„Es ist ein Schritt in die richtige Richtung aber auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte sie und kritisierte die „viel zu hoch gesetzten Hürden“. Die Jugendlichen, so Pothmer, müssten in einem Bundesland leben, das ein eigenes Landeskonzept hat, welches die besonderen Lebenslagen konkretisiert. „Zudem brauchen sie jemanden, der mindestens 50 Prozent gegenfinanziert.“ So sei dies eher ein Verhinderungsprogramm, kritisierte die Grünen-Abgeordnete.
Auch Pothmer wies schließlich darauf hin, dass es die EU-Kommission gewesen sei, die dafür gesorgt habe, dass die Pille danach nun rezeptfrei zu bekommen sei. „Zehn Jahre lang haben Sie aus reiner ideologischer Verbohrtheit diesen unkomplizierten Zugang verwehrt“, warf sie der Union vor. (hau/26.02.2015)