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Experten sehen Nachbesserungsbedarf bei dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Schaffung einer Frauenquote bei Führungspositionen (18/3784). Das wurde während einer gemeinsamen öffentlichen Anhörung des Familienausschusses unter Vorsitz von Paul Lehrieder (CDU/CSU) und des Rechtsauschusses unter Vorsitz von Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) am Montag, 23. Februar 2015, deutlich, bei der auch über einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/1878) beraten wurde. Das Vorhaben von Bundesregierung und Grünen-Fraktion, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, wurde bei dem Hearing von allen Sachverständigen begrüßt.
Aus Sicht der ehemaligen Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig, Marion Eckertz-Höfer, bringt der Regierungsentwurf, der unter anderem vorsieht, ab 2016 schrittweise eine Frauenquote von 30 Prozent für die Aufsichtsräte börsennotierter und mitbestimmungspflichtiger Unternehmen einzuführen, jedoch „keine nennenswerten Verbesserungen“. Vielmehr seien erhebliche Akzeptanzprobleme ebenso zu erwarten wie die Zunahme von Bürokratie und Verwaltungsaufwand.
Deutliche Kritik an der Vorlage kam auch von Kristin Rose-Möhring, Vorsitzende des Interministeriellen Arbeitskreises der Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden. Insbesondere die neutrale Geschlechteransprache, auch als Männerquote bezeichnet, sei falsch. Strukturelle Benachteiligungen gebe es im Grunde nur bei Frauen, sagte Rose-Möhring. Würde an dem Entwurf nicht Grundlegendes verändert, wäre es besser, auf das Gesetz zu verzichten. „Dann verschlechtert sich die Situation zumindest nicht“, sagte sie.
Optimistischer zeigte sich Monika Schulz-Strelow vom Verein „Frauen in die Aufsichtsräte“. Auch sie hätte sich mehr gewünscht, so Schulz-Strelow. „Mehr lassen die Meinungsäußerungen derzeit aber nicht zu“, räumte sie ein. Die Regelung habe dennoch Symbolcharakter. Schulz-Strelow machte zugleich deutlich, dass die Gegenargumentation, es fänden sich nicht ausreichend qualifizierte Frauen für den Aufsichtsratsposten, nicht zutreffend sei. Insofern sei die Sanktionsregelung, wonach der Platz im Aufsichtsrat unbesetzt bleiben müsse, sollte die Quote nicht erreicht werden, angemessen.
Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), machte deutlich, dass es oft „subtile Benachteiligungen“ gebe. So sei es in der Tat schwierig, eine Frau zu finden, wenn als Anforderungsprofil ein Bauingenieursstudium mit 20-jähriger Berufserfahrung gefordert werde. Dies sei aber auch nicht nötig, befand Nikutta und verwies darauf, dass „ich als Psychologin die BVG leiten kann“. Als Beleg für das erfolgreiche Wirken des frauengeführten BVG-Vorstandes führte sie zudem an, dass „die Berliner Verkehrsbetriebe unter weiblicher Führung erstmals schwarze Zahlen erwirtschaftet haben“.
Mehrere Juristen unter den Sachverständigen äußerten Kritik an der im Regierungsentwurf enthaltenen Männerquote. Diese sei verfassungswidrig, urteilte sowohl Martin Heidebach von der Ludwig-Maximilians-Universität München als auch Torsten von Roetteken, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt am Main. „Männer werden nicht benachteiligt, daher muss der Passus gestrichen werden“, forderte Heidebach, der die „starre“ Quote von 30 Prozent als „verfassungsrechtlich und europarechtlich riskant“ bezeichnete. Dennoch ist sie seiner Ansicht nach gerechtfertigt.
Roetteken attestierte der Paritätsvorgabe im Gesetz „planwirtschaftliche Züge“. Folge dieses Ansatzes könne künftig auch eine Quotierung nach Alter, Herkunft oder Religion sein, warnte er. Kein Problem mit der Männerquote hatte hingegen Prof. Dr. Joachim Wieland von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Der Gesetzgeber dürfe sehr wohl vorbeugende Regelungen erlassen, befand er.
Die Sanktion des „leeren Stuhls“ bewertete Prof. Dr. Kay Windthorst von der Stiftung Familienunternehmen als „sehr drastisch“. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Gremienentsendungsgesetz ein Verstoß gegen die Quote nur zu Berichtspflichten führt, „während bei Unternehmen, wo der Bund nicht beteiligt ist, dies zur Nichtigkeit der Vorstandsentscheidung führen soll“.
Umstritten war auch die Frage, ob die 30-Prozent-Quote für die Gruppe der Arbeitnehmervertreter und der Anteilseigner im Vorstand einzeln oder getrennt gelten soll. Elke Harnack vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) verwies darauf, dass die Arbeitnehmerseite in aller Regel kein Problem habe, die Quote zu erfüllen. Auf der „Kapitalseite“ gebe es hingegen erheblichen Nachholbedarf. Angesichts dessen lehne der DGB die im Regierungsentwurf als Regelfall vorgesehene Gesamtbetrachtung beider Gruppen bei der Berechnung der Quote ab.
Dr. Barbara Mayer vom Deutschen Anwaltsverein begrüßte es hingegen, dass – anders als noch im Referentenentwurf – eine Gesamtbetrachtung vorgesehen sei. Da ein Widerspruch dagegen von beiden Seiten möglich sei und auch eine zeitweise Unterbesetzung zugelassen werde, sei keine Seite schlechter gestellt, als es ohne Gesamtbetrachtung der Fall wäre, argumentierte Mayer. (23.02.2015)