Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
7,4 Milliarden Euro will der Bund in diesem Jahr den Ländern für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bezahlen, eine Steigerung von 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit bleibt er um 250 Millionen Euro hinter dem Vorschlag eines Gutachtens zurück, das er selbst in Auftrag gegeben hatte. Dies wurde am Montag, 23. Februar 2015, bei einer Sachverständigen-Anhörung im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur unter Vorsitz von Martin Burkert (SPD) deutlich.
Ein vom Bundesrat bestelltes Gutachten ermittelte zwar einen noch höheren Bedarf, nämlich 8,5 Milliarden Euro. Doch das liege eher an unterschiedlicher Methodik. „In der Tendenz sind sich beide Gutachter einig“, befand Michael Holzhey von der KCW GmbH. Die Einigung auf ein gemeinsames Gutachten sei gewiss möglich, meinte Dr. Andreas Brenck von der IGES Institut GmbH.
Unverständnis wurde von Seiten der Grünen (Stephan Kühn) und der Linksfraktion (Sabine Leidig) darüber bekundet, dass der Bund nicht mit der eigentlich vorgegebenen Revision des Regionalisierungsgesetzes aufwarte, sondern nur mit einer „Zwischenlösung“. Der neue Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle (CDU) begründete dies damit, das Thema solle in den „Gesamtzusammenhang“ mit der anstehenden Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen eingebunden werden.
Dieser Zusammenhang erschloss sich Dr. Thomas Geyer, dem Präsidenten der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV), nicht. Wie er, so hielt auch Dr. Wilhelm Eschweiler, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, grundlegende strukturelle Änderungen für sinnvoll. Allerdings sei die Materie sehr kompliziert, sodass sich ein Schnellschuss verbiete.
Dirk Fischer und Oliver Wittke (CDU/CSU) sprachen speziell die Frage möglicher Zweckentfremdung durch die Länder an. Gutachter Holzhey stellte die Gegenfrage: „Wer hat noch so viel im Etat, dass er zweckentfremden kann?“ Hilmar von Lojewski von der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände versicherte, die Regionalisierungsmittel würden „überwiegend“ zweckgerecht eingesetzt. Nachdrücklich befürwortete er, dass es bei der Zweckbindung der Mittel bleiben müsse.
Alle Gutachter unterstrichen die Notwendigkeit einer langen Laufzeit der gesetzlichen Vorgaben. Die betroffenen Unternehmen brauchten „langfristige und ganz konkrete Sicherheit“, sagte Professor Knut Ringat vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Schon die noch andauernde Unsicherheit über die Höhe der Mittel in diesem Jahr habe in seinem Verkehrsverbund Rhein/Main zu einer „prekären Situation“ geführt. Geyer berichtete aus seinem Verkehrsverbund in Rheinland-Pfalz, dass die Finanzierung bisher nur bis einschließlich Oktober gesichert sei.
Auf Gutachter-Warnungen vor einer Unterfinanzierung des ÖPNV mit der Folge, dass Leistungen abbestellt werden müssten, reagierte Sebastian Hartmann (SPD) mit der Versicherung, seine Fraktion wolle das „Erfolgsmodell“ der Regionalisierung fortsetzen. „Auskömmlich“ müssten die Mittel sein.
Doch was die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vorschlägt, stieß bei den Sachverständigen auf Kritik. Statt des vorgesehenen Aufschlags von 1,5 Prozent in diesem Jahr müsse es „zumindest“ zu einer höheren Dynamisierung kommen (kommunale Spitzenverbände). Und der VDV: „Finanzielle Ausstattung und Anforderungen durch die Gesellschaft an den Umfang der Verkehre müssen wieder in ein, auch finanzielles, Gleichgewicht gebracht werden.“ Die Bundesarbeitsgemeinschaft SPNV hält den Gesetzentwurf für „nicht geeignet, die akuten Finanzierungsprobleme im SPNV zu lösen“.
Drei Drucksachen bildeten den Hintergrund der Anhörung. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/3785), in dem sich der Bund generell dazu bekennt, dass „eine verlässliche finanzielle Unterstützung der Länder“ für ihre ÖPNV-Aufgaben „weiterhin erforderlich“ sei.
Der Bundesrat verweist auf einen „nachgewiesenen Bedarf“ in Höhe von 8,5 Milliarden Euro und sieht in seinem Gesetzentwurf (18/3563) eine entsprechende Anpassung des Betrags vor. Es seien inzwischen „erhebliche Defizite bei der Finanzierung eines zukunftsgerichteten öffentlichen Personennahverkehrs“ entstanden. Die jährliche Dynamisierung müsse zwei Prozent betragen – „aufgrund der Preissteigerungen bei Personal und Energie“. Zudem solle dem Bund das Risiko übertragen werden, sollten die Stations- und Trassenpreise diese Dynamisierungsquote übersteigen.
In seiner Stellungnahme(18/3993) lehnt der Bundesrat den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab. Er erfülle nicht den Anspruch der Bahnreform von 1993, wonach die Lasten der Regionalisierung den Ländern durch den Bund „voll ausgeglichen“ werden müssten. In ihrer Gegenäußerung macht die Bundesregierung „gravierende finanz- und haushaltspolitische Bedenken“ gegen den Gesetzentwurf des Bundesrates geltend. (fla/23.02.2015)