Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Eine gute Nachricht brachte Manuela Schwesig (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Abgeordneten aus der Kabinettsitzung am Vormittag mit. So konnte sie zu Beginn der Regierungsbefragung im Bundestag am Mittwoch, 25. Februar 2015, verkünden, dass das Kabinett beschlossen habe, die staatlichen Hilfen für ehemalige DDR-Heimkinder auf bis zu 364 Millionen aufzustocken.
Ursprünglich war der Fonds „Heimerziehung in der DDR“, der vom Bund und den ostdeutschen Ländern getragen wird und der am 1. Juli 2012 seine Arbeit aufgenommen hat, mit 40 Millionen Euro ausgestattet. Aus ihm werden Hilfeleistungen an Menschen gewährt, die als Kinder oder Jugendliche zwischen 1949 und 1990 in Heimen der DDR Leid und Unrecht erfahren haben.
Bis Ende 2014 hätten sich 27.500 ehemalige Heimkinder mit der Bitte um Unterstützung an den Fonds gewandt, berichtete Schwesig in ihrem Eingangsstatement. Aufgrund dieser hohen Zahl sei es notwendig gewesen, die Mittel zu erhöhen. „Wir haben zum Start des Fonds versprochen, dass wir niemanden im Regen stehen lassen, dass jeder und jede Hilfe bekommt“, so Schwesig. Deshalb habe man den Fonds aufstocken müssen.
Zunächst bedankte sich die Ministerin beim Deutschen Bundestag selbst, der in den Haushaltsberatungen die Aufstockung der Mittel für den Fonds möglich gemacht habe, sowie bei den Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer. Mit dem Fonds werde Menschen geholfen, „denen wir helfen müssen; dazu wir sind politisch und moralisch dazu verpflichtet“. Als „gutes Zeichen 25 Jahre nach der Wiedervereinigung“ bewertete die Ministerin die beschlossene Aufstockung des Fonds.
Katja Dörner (Bündnis 90/Die Grünen) gab ihrer Freude darüber Ausdruck, „dass die Durststrecke überwunden wurde und die Aufstockung nun erfolgt“. Sie wies aber auch auf die engen Antragsfristen und knappen Kapazitäten in den Beratungsinstitutionen hin und wollte von der Ministerin wissen, ob sie sicherstellen könne, dass alle Anträge fristgerecht bearbeitet werden können.
Schwesig zeigte sich in diesem Punkt zuversichtlich. Die Beratung sei sehr wertvoll. Viele Betroffene hätten ihr gesagt, es sei oft das erste Mal, dass sich jemand ihre Geschichte anhöre. Genau das finde in den Beratungsstellen statt. Daher sei die Laufzeit des Fonds insgesamt aufgestockt worden, „weil wir davon ausgehen, dass wir diese Zeit für die Beratung brauchen“.
Martin Patzelt (CDU/CSU) wies darauf hin, dass es damals, als der Runde Tisch die Einsetzung des Fonds beschlossen habe, zwei Beschlusslagen gegeben habe. Zum einen sollte es eine materielle Entschädigung geben, zum anderen sollten sich die Verantwortlichen bei den damaligen Opfern entschuldigen. Er frage daher die Ministerin, ob es in ihrem Haus Erkenntnisse darüber gebe, ob diese Zielsetzungen des Runden Tisches bei den Betroffenen auch ankämen.
Das bejahte die Ministerin: „Die Hilfen des Fonds und vor allem die Art und Weise, wie wir sie umsetzen, kommen an“, sagte sie. Dabei verwies sie explizit auf die Fachbeiräte und den Lenkungsausschuss des Fonds. Viele Betroffene würden es sehr schätzen, dass sie an der Umsetzung des Fonds beteiligt werden. Natürlich gebe es Einzelfälle, wo es nicht ganz so optimal laufe wie geplant.
Annelena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) brachte das Problem der Wartezeit zur Sprache. Derzeit betrage sie im Schnitt zwei Jahre. Gleichzeitig würden die knappen Antragsfristen vor allem ältere Antragsteller unter Zeitdruck setzen. Von der Ministerin wollte sie wissen, ob eine Evaluation des Antragsverfahrens vorgesehen sei.
Dass die Bearbeitung eines Antrags zwei Jahre dauere, sei nicht richtig, erwiderte Schwesig. Die Bearbeitung selbst dauere im Schnitt drei Wochen. Dem gehe aber oft eine lange Beratungszeit voraus, die sehr wichtig sei. Sie glaube, dass die Abgeordnete Baerbock das auch gemeint habe. „Wir haben den Fonds ja deshalb verlängert“, so die SPD-Politikerin. Ostdeutsche und Berliner Beratungsstellen müssten sich natürlich so aufstellen, dass ihre Kapazitäten finanziell und personell ausreichten. Das habe man durchaus im Blick.
Petra Crone (SPD) erinnerte daran, dass vor einiger Zeit Auszahlungen aus dem Hilfsfonds gestoppt werden mussten. Sie fragte Schwesig, ob sie ausschließen könne, dass das noch einmal vorkomme.
Ja, so Schwesig, das schließe sie aus. Damals sei der Fonds nicht mehr liquide gewesen. Der Betrag, auf den der Fonds jetzt aufgestockt worden sei, sei die Obergrenze dessen, was nach allen Berechnungen nötig sei, um die Betroffenen entschädigen zu können – „damit so etwas eben nicht noch einmal passiert“.
Marian Wendt (CDU/CSU) betonte, dass Geld keine seelischen Wunden heilen könne. Eine Entschuldigung der Täter gegenüber den Opfern habe er nie gehört. „Kann aus Ihrer Sicht eine immaterielle Entschädigung hergestellt werden?“, fragte er Schwesig. Und weiter: „Ich würde mich freuen, wenn Sie ein paar Gedanken dazu äußern könnten, wie Sie das schaffen wollen.“
Darauf Schwesig: „Natürlich können wir nicht alles wiedergutmachen.“ Das Materielle spiele aber durchaus eine große Rolle. „Das andere ist die hervorragende Arbeit, die in den Beratungsstellen geleistet wird.“ Eine Täter-Opfer-Aufarbeitung hänge immer auch davon ab, ob man jemand vor Ort noch findet, der die Verantwortung für das geschehene Unrecht trägt.
Daniela Kolbe gratulierte ihrer Parteikollegin Schwesig zu ihrem Erfolg am heutigen Tag. Ihrer Erfahrung nach kommen in den Beratungsgesprächen mit ehemaligen DDR-Heimkindern viele Details ans Licht, die im Sinne einer Aufarbeitung der DDR-Geschichte sehr wichtig seien. Daher würde sie gern wissen, ob daran gedacht sei, diese Berichte zu dokumentieren. Schwesig antwortete, diese Frage könne sie nicht eindeutig bejahen. Sie glaube, dass eine Dokumentation geplant sei, werde aber noch einmal nachfragen und ihre Antwort dem zuständigen Fachausschuss nachreichen. (nal/25.02.15)