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Zwischen den Koalitionsfraktionen und der Opposition ist ein heftiger Streit über das Streikrecht von Gewerkschaften entbrannt. Das wurde während der ersten Lesung des Entwurfs der Bundesregierung für ein Tarifeinheitsgesetz (18/4062) und eines Antrags der Linken zur Verteidigung des Streikrechts (18/4184) am Donnerstag, 5. März 2015, deutlich. Ziel des Gesetzes soll es laut Bundesregierung sein, Tarifkonflikte mehrerer Gewerkschaften eines Betriebes künftig zu verhindern und so die „die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu sichern“. Diese werde gefährdet, wenn in einem Unternehmen mehrere Gewerkschaften für eine Berufsgruppe Tarifabschlüsse durchsetzen wollen und es dabei zu „Kollisionen“ komme, die der Aufgabe der Ordnung des Arbeitslebens nicht mehr gerecht werden könnten, begründet die Regierung ihren Vorstoß.
Das Gesetz sieht unter anderem vor, die Tarifeinheit in einem Betrieb im Falle von Konflikten nach dem Mehrheitsprinzip zu ordnen. Können sich Gewerkschaften mit sich überschneidenden Tarifverträgen nicht einigen, soll künftig nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft gelten, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat. Die Belange der Minderheitsgewerkschaften sollen durch „flankierende Verfahrensregeln“ berücksichtigt werden. Dazu gehören ein vorverlagertes Anhörungsrecht gegenüber der verhandelnden Arbeitgeberseite und ein nachgelagertes Nachzeichnungsrecht.
Mit diesem soll Nachteilen entgegengewirkt werden, die einer Gewerkschaft durch die Verdrängung ihres bereits abgeschlossenen Tarifvertrages durch die gesetzliche Tarifeinheit entstehen. Bestehenden Tarifverträgen wird darüber hinaus bis zu einem Stichtag ein Bestandsschutz gewährt.
Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles (SPD), sagte, bei dem Gesetz gehe es darum, ein Mehr an Kooperation zwischen den Gewerkschaften zu erreichen. Denn die gemeinsamen Interessen aller Beschäftigten sollten wichtiger sein als bestimmte Machtpositionen innerhalb eines Betriebes, so Nahles zur Begründung.
Sie verwies darauf, dass das Gesetz nur im „äußersten Fall“, nämlich im Konfliktfall tatsächlich angewendet werde. „So wie es bisher kleine Gewerkschaften gegeben hat, so wird es diese auch in Zukunft geben. Wir tasten weder das Streikrecht, noch die Koalitionsfreiheit an“, versuchte die Ministerin die Kritiker des Gesetzes zu beruhigen.
Bei Klaus Ernst (Die Linke) zeigte dieser Versuch jedoch keine Wirkung. Als ehemaliger Gewerkschaftsfunktionär stellte er fest: „Das Gesetz ist überflüssig wie ein Kropf, weil wir in Deutschland kein Problem mit zu vielen Streiks haben.“
Es sei „totale Augenwischerei“ zu behaupten, das Gesetz greife nicht in das Streikrecht ein. Denn vor Gericht würden nur jene Streiks als zulässig gelten, die dem Abschluss eines Tarifvertrages dienen. Und dieses Argument würde bei einem Streik einer Minderheitsgewerkschaft künftig wegfallen.
Der Arbeitsmarktexperte der Unionsfraktion, Karl Schiewerling, betonte dagegen, die „Malaise“ liege nicht beim Gesetzgeber, sondern darin, dass das Bundesarbeitsgericht 2010 aufgehoben habe, was zuvor 56 Jahre erfolgreich praktiziert worden sei, nämlich das Prinzip „ein Betrieb, ein Tarifvertrag“. Es dürfe aber nicht sein, dass einige wenige ihre Interessen gegen den Willen der Mehrheit durchsetzten. Deshalb sei der Gesetzentwurf von dem Willen geleitet, dass es bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen um Konsens gehen müsse.
Es müsse jedoch klar sein, dass sich auch die Mehrheitsgewerkschaften diesem Konsensprinzip verpflichtet fühlen müssten und nicht aus einem Überlegenheitsgefühl die Interessen anderer nicht berücksichtigten, mahnte Schiewerling. Dies müsse das Gesetz vielleicht noch deutlicher formulieren, regte er an.
Die Sprecherin für Arbeitnehmerrechte von Bündnis 90/Die Grünen, Beate Müller-Gemmeke, beklagte, es gebe keinen nachvollziehbaren Grund für das Gesetz. Denn ganz offensichtlich habe es in den Jahren seit 2010 keine Tarifkollisionen in größerem Ausmaß gegeben. Sie bezeichnete das Gesetz sehr wohl als Eingriff in die Koalitionsfreiheit und das Streikrecht und verwies dabei auf Urteile mehrerer Juristen in diesem Zusammenhang.
„Die Bundesregierung hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken, alle anderen schon. Das ist ignorant“, so ihr Vorwurf. Sie prognostizierte außerdem, das Tarifeinheitsgesetz werde nicht zu mehr Solidarität, sondern zu mehr Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften führen und damit nicht zu dem erhofften Betriebsfrieden.
Bernd Rützel (SPD) zeigte sich dagegen überzeugt, dass das Gesetz eine wichtige Befriedungsfunktion haben werde. Um die Interessen der Beschäftigten erfolgreich durchzusetzen, sei zuerst deren Geschlossenheit nötig. Auch große Gewerkschaften könnten nur erfolgreich sein, wenn sie auch für die Schwächeren kämpften, sagte Rützel.
Solidarität sei deshalb der Kerngedanke des Gesetzes, das zudem viele Möglichkeiten für kleine Gewerkschaften formuliere, zu ihrem Tarifvertrag zu kommen. „Über die Verhältnismäßigkeit von Streiks haben bisher und werden auch künftig die Gerichte entscheiden“ betonte Rützel. (che/05.03.2015)