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Ein hohes und europaweit einheitliches Datenschutzniveau kann auch für den Mittelstand sowie für Start-up-Unternehmen ein Vorteil im internationalen Wettbewerb sei. Diese Ansicht vertrat die Mehrheit der am Mittwoch, 4. März 2015, zu einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses Digitale Agenda unter Vorsitz von Jens Koeppen (CDU/CSU) geladenen Experten. Gleichzeitig waren sie der Meinung, dass der Datenschutz einer Weiterentwicklung von Big Data nicht im Wege stehe. Dazu müsse man bei der Anonymisierung und Pseudonymisierung von Daten vorankommen, hieß es.
Andrea Voßhoff, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, machte deutlich, dass es beim Datenschutz um den Schutz des Einzelnen vor Missbrauch seiner Daten gehe. „Ein hoher Datenschutz kann gerade in der digitalen Welt ein Vorteil sein“, sagte Voßhoff. Dazu bedürfe es aber der Harmonisierung auf europäischer Ebene.
Dem Marktortprinzip komme dabei eine „herausragende Bedeutung“ zu. Dadurch werde geregelt, dass am europäischen Markt agierende Unternehmen sich an europäische Datenschutzvorschriften halten müssten, auch wenn sie keine Niederlassung in der EU haben. Voßhoff räumte ein, dass mit dem Datenschutz auch gewisse bürokratische Hürden verbunden seien. Ein Innovationshindernis stellt er ihrer Ansicht nach jedoch nicht dar.
Skeptischer zeigte sich Sascha Schubert vom Vorstand des Bundesverbandes Deutsche Start-ups. Die Kunden würden den Datenschutz nicht unbedingt als Vorteil sehen. Entscheiden würden sie sich im Zweifel nicht für das Produkt mit dem besten Datenschutz, sondern für jenes mit den meisten Funktionen. „Ich kenne kein Start-up, das mit dem Verweis auf den guten Datenschutz einen amerikanischen Start-up-Konkurrenten geschlagen hat“, sagte Schubert.
Mit Blick auf den bürokratischen Aufwand gab er zu bedenken, dass Start-ups oft nur mit sehr kleinen Teams agieren würden, wodurch jede Art von Bürokratie zu einer Defokussierung vom eigentlichen Produkt führe. Schubert sprach sich für Erleichterungen beim Datenschutz für Start-ups aus.
Auch mit einem hohen Datenschutzniveau könne man wettbewerbsfähig sein, sagte hingegen Stephan Noller, Experte für Online-Werbung und Geschäftsführer von nugg.ad, einer Targeting Plattform. Man müsse sich bewusst machen, dass es in der Zukunft zu einer Digitalisierung aller Lebensbereiche kommen werde, sagte er. Wenn es um Daten und um datengetriebene Anwendungen gehe, könne man davon sprechen, dass dies das „Operating System“ der zukünftigen Gesellschaft wird - etwa bei medizinischen Anwendungen aber auch bei allen Arten von politischer Teilhabe.
Mit Blick auf Big Data sprach Noller von einer sehr guten Referenz, die das deutsche Telemediengesetz biete. Dort werde Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt, Daten ohne Einwilligung nutzen zu können, nachdem sie pseudonymisiert sind – also alle personenbezogenen Merkmale entfernt wurden.
Entscheidend für die Wirtschaft sei nicht so sehr, ob es einen strengen oder einen nicht so strengen Datenschutz gebe, sagte Hermann Weiß von Naturtrip.org. „Die Wirtschaft kann mit jeder Regelung umgehen, sie braucht aber Planungssicherheit“, sagte er. Zugleich kritisierte Weiß, dass viele Daten von Behörden nicht freigegeben würden, obwohl sie nicht datenschutzrelevant seien. Das gelte etwa für Tankstellendaten, aus denen durchaus interessante Geschäftsmodelle entwickelt werden könnten.
Sein Unternehmen, „das dem Nutzer mit einer innovativen Routing-Technologie Freizeit-Tipps präsentiert“, werde faktisch an der weiteren Expansion gehindert, weil die Deutsche Bahn AG Fahrplandaten nicht deutschlandweit herausgebe. „An Google schon – an deutsche Start-ups aber nicht“, kritisierte er.
Der entscheidende Unterschied für Start-ups zwischen dem Silicon Valley und Europa sei der, dass in Kalifornien „Venture Capital vom Himmel regnet“, sagte Dean Ceulic von posteo.de, einem Anbieter verschlüsselter E-Mail-Dienste, und sprach sich für verbesserte Bedingungen für Kapitalgeber aus.
Mit Blick auf den Datenschutz forderte Ceulic zwischen personenbezogenen und sonstigen Daten zu unterscheiden. Öffentliche Daten, so Ceulic, müssten auch öffentlich nutzbar sein, „auch für Geschäftsmodelle“.