Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Der Bundestag hat dem Beschluss des Europäischen Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen grünes Licht gegeben. Am Donnerstag, 26. März 2015, stimmten die Abgeordneten für einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/4047, 18/4409), mit dem der Eigenmittelbeschluss vom 26. Mai 2014 in Deutschland ratifiziert wird. Deutschland wird danach in der Finanzperiode von 2014 bis 2020 insgesamt 234 Milliarden Euro an den EU-Haushalt abgeben. Allein 2015 wird es 32,3 Milliarden Euro an Brüssel abführen. Die Linke lehnte das Gesetz ab, Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich der Stimme.
Uwe Feiler (CDU/CSU) betonte, das Eigenmittelsystem der EU habe sich auch in Zeiten der schweren Finanz- und Wirtschaftskreise in Europa bewährt. Es sei stabil und gewährleiste die Verteilung der finanziellen Lasten auf die 28 Mitgliedstaaten. Dennoch schloss Feiler sich den Forderungen von EU-Kommission und Europäischem Parlament sowie zahlreichen Experten nach einer Reform des Systems an. Das Prinzip der Einstimmigkeit, auf dem es beruhe, habe eine Vielzahl von Kompromissen und Rabatten zur Folge. Es bedeute aber auch, dass Veränderungen „nur in kleinen Schritten“ möglich seien.
Feiler mahnte jedoch, es könne keine Reform der Einnahmeseite ohne eine Reform der Ausgabenseite geben. „Der europäische Mehrwert muss bei allen Reformen auf der Ausgabenseite deutlich im Vordergrund stehen.“ Wenn dies gewährleistet sei, könne man auch über mehr Finanzautonomie für die EU und die Einführung einer eigenen EU-Steuer nachdenken. So bezeichnete Feiler eine einheitliche Unternehmenssteuer mit einheitlichen Steuersätzen und einheitlicher Bemessungsgrundlage als „wünschenswert“, da sie Steuerdumping in den Mitgliedstaaten verhindern könne. Jedoch gehe dieser Schritt vielen Mitgliedstaaten zu weit. Daher schlage er als einen ersten Schritt eine Reform des Mehrwertsteuer-Eigenmittelsystems vor.
Joachim Poß (SPD) erklärte, das Wort Eigenmittel führe „in die Irre“. Es suggeriere, dass die EU wirklich eigene Mittel besitzt, dabei kämen fast 85 Prozent der EU-Finanzen von den Mitgliedstaaten. Der Wirtschaftsexperte Prof. Dr. Henrik Enderlein habe in einer Anhörung des Europaausschusses am 16. März zu Recht betont, dass dies die Governance-Struktur der Europäischen Union nicht widerspiegle. Poß schlussfolgerte, das Verfahren sei „nicht besonders transparent“ und orientiere sich nicht an den Aufgaben der EU.
Er griff einen Vorschlag Enderleins und anderer Experten auf: Die EU solle ihre Einnahmen künftig zur Hälfte aus einer echten steuerlichen Quelle bestreiten und zur anderen Hälfte aus den Beiträgen der Mitgliedstaaten. Europa, ergänzte der SPD-Abgeordnete, müsse in einer der größten Krisen weiterhin handlungsfähig bleiben. Deshalb müssten sich jetzt alle Akteure einer Reform des Eigenmittelsystems stellen und sich über weitere Schritte der europäischen Integration verständigen. Wie Feiler sprach Poß jedoch von der Notwendigkeit, das System „in kleinen Schritten zu verändern“.
Die Linksfraktion lehnte den Gesetzentwurf mit der Begründung ab, dass der Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 die EU nicht mit den Mitteln versorge, die sie im Kampf gegen die Krise brauche, wie Dr. Diether Dehm betonte. Ein friedliches, soziales und ökologisches Europa brauche mehr Eigenmittel, forderte er.
Mit einer eigenen EU-Körperschaftssteuer könnte die EU den Wettlauf um „immer niedrigere Steuern für das Großkapital einen Riegel vorschieben“. Europa brauche zudem „eine echte Offensive für Zukunftsinvestitionen“, urteilte Dehm, jedoch keinen „Schaufensterplan“ von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete eine Reform des Eigenmittelsystems als „wirklich notwendig“. Sie würde aber zum einen verhindert durch das Prinzip der Einstimmigkeit und zum anderen durch das System der „juste retour“, wonach die EU-Mitgliedstaaten Rückflüsse aus dem EU-Haushalt gemäß ihren abgeführten Beiträgen erhalten. „Dadurch können wir Schritte, die man gehen müsste, nicht gehen“, kritisierte der Grünen-Abgeordnete.
Sarrazin sprach sich für die Einführung einer „echten EU-Steuer“ und mehr Eigenmittel für die EU aus. „Wir glauben als Grüne, dass man versuchen muss, das Projekt der europäischen Einigung jetzt entschlossen voranzutreiben.“ Der EU-Haushalt sei „das Instrument, mit dem wir dafür sorgen können, dass ärmere Regionen zu mehr Wohlstand kommen, ohne dabei auf Kosten anderer zu leben“, betonte er. Dies sei gelebte Solidarität und deswegen sei „Europa sein Geld wert“. (joh/26.03.2015)