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V-Leute des Verfassungsschutzes sind für Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière (CDU) zwar „Leute, mit denen man nicht so gerne zusammenarbeitet“. Aber: „Man braucht sie.“ Damit sprach er am Mittwoch, 25. März 2015, bei der Regierungsbefragung im Bundestag einen „sehr wichtigen Punkt“ des Entwurfs für ein „Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes“ an. Die Vorlage war zuvor vom Bundeskabinett beschlossen worden.
Damit liege nun die Antwort auf „dringend geforderte Reformmaßnahmen“ des Parlaments im Gefolge des NSU-„Schocks“ vor. Die Bundesregierung will das Bundesamt für Verfassungsschutz zu einer Zentralstelle ausbauen. Grundsätzlich bleibt es bei der Eigenständigkeit der Länder.
Doch bei „gewaltorientierten Bestrebungen“ soll sich das Bundesamt durchsetzen können, wenn sich ein Bundesland der Zusammenarbeit verweigert, wie de Maizière zu verstehen gab – Abwehr von konkret geplanten terroristischen Aktionen etwa. Daran gibt es Kritik der Länder, bestätigte er auf eine Frage von Clemens Binninger (CDU/CSU). Doch diesen Streit halte er „für überflüssig“, so der Minister. Der Gesetzentwurf sei im Übrigen so gestaltet worden, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss.
Geregelt wird auch ein intensiverer Austausch von Daten der Behörden. Er bedauere, dass dies überhaupt ins Gesetz geschrieben werden müsse: „Man mag es kaum glauben.“ Einerseits enge Zusammenarbeit zwischen den Sicherheitsbehörden zu fordern, andererseits Datenschutzbedenken geltend zu machen: „Das passt nicht zusammen.“ Er hob hervor, dass es für den V-Leute-Einsatz nun erstmals gesetzliche Regelungen mit klaren Grenzen gebe. „Szenetypische Delikte“ dürften die Spitzel begehen – etwa den Hitlergruß zeigen. Doch die Verletzung von „Individualgütern“ – Körperverletzung, Sachbeschädigung – werde nicht eingeräumt, sagte der Minister der Vizepräsidentin des Bundestages, Petra Pau (Die Linke).
Für sie wäre es ohnehin „konsequent“ gewesen, „den Verfassungsschutz aufzulösen und den Einsatz von V-Leuten zu beenden“. Der Staat dürfe nicht „mit solchen Schwerverbrechern zusammenarbeiten“, verwies sie auf das NSU-Verfahren. De Maizière gab zurück, er halte es für „überhaupt nicht sinnvoll, den Staat blind zu machen“ und auf Aufklärung im Vorfeld und damit ein Frühwarnsystem zu verzichten.
Wie es denn um die „Analysefähigkeit“ bestellt sei bei Spitzeln, die „kriminelle Neonazis“ und „alimentierte Lügner und Verbrecher“ seien, wollte Martina Renner (Die Linke) wissen. Die V-Leute dürften natürlich nicht die einzige Informationsbasis sein, meinte der Minister. Andere Maßnahmen wie das Abhören von Telefonen oder die Analyse programmatischer Schriften kämen hinzu.
Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen) lenkte den Blick auf Hunderttausende an Mark, die einst als V-Leute-Bezahlung in rechtsextremistische Organisationen geflossen seien. Es sei „ausdrücklich geregelt“, dass dies nicht erfolgen dürfe, so de Maizière. Er verteidigte sich gegen Ströbeles Bedenken über den Gesetzentwurf der Bundesregierung: Eine „rechtsstaatliche Regelung im Gesetz“ sei „besser“ als nur Verwaltungsvorschriften.
Gegenüber Dr. Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) bekannte sich der Minister zu seinem Befund zum NSU-Komplex, es habe sich um „Staatsversagen“ gehandelt. Beim Einsatz der V-Leute habe es „Mängel und Missbrauch“ gegeben, beim Informationsaustausch „Wildwuchs“. Das werde jetzt „abgestellt“. Die Auflösung des Verfassungsschutzes in Thüringen halte er „für falsch“, machte de Maizière klar. Ausführlicher wollte er sich aber nicht äußern und erst einmal interne Beratungen der Innenminister abwarten. So viel aber doch: Für einen Verbund gelte: „Geben und Nehmen gehören zusammen.“
„Mich hat die Überraschung gewundert“, kommentierte der Minister die Nachfrage des Bundesverfassungsgerichts in Sachen NPD-Verbotsverfahren. Beim ersten Verfahren hätten die Richter deutlich gemacht, dass nicht die Informationen von V-Leuten genutzt werden dürfen, die gleichzeitig in der Partei „steuernd“ tätig seien. Da habe die jetzige Nachfrage, ob dies nun berücksichtigt worden sei, „eigentlich in der Luft gelegen“. Er gehe davon aus, dass die Länder dem Bundesverfassungsgericht nun zügig eine Antwort geben werden. (fla/25.03.2015)