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In der Fragestunde am Mittwoch, 25.März 2015, erkundigt sich Wolfgang Gehrcke (Die Linke), mit welchem Ziel und in welchem Format Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) nun doch Gespräche mit der syrischen Führung zur Bewältigung der Krise vor Ort führen möchte. Grundsätzlich seien solche Gespräche „ein richtiger Schritt“, betont der Außenpolitiker im Interview. „Wer den Konflikt beenden will, muss mit der syrischen Regierung reden“, macht Gehrcke deutlich. Die Fragestunde wird am Mittwoch ab 13.35 Uhr live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen. Das Interview im Wortlaut:
Herr Gehrcke, Außenminister Steinmeier hat anklingen lassen, zur Bewältigung des Syrien-Konfliktes jetzt doch auch mit der syrischen Regierung sprechen zu wollen. Ein richtiger Schritt?
Ja, das ist ein richtiger Schritt. Wer den Konflikt beenden will, muss mit der syrischen Regierung reden. In Syrien ist doch vor allem eines nötig: Man muss zu einem Waffenstillstand kommen - wo immer das möglich ist. Deshalb sind die Vorschläge des UN-Beauftragten Staffan de Mistura, lokale Waffenstillstände anzustreben, völlig richtig. Und mit wem will man das aushandeln, wenn nicht mit der Regierung? Also muss man auch mit Präsident Assad sprechen.
Direkte Gespräche mit dem Präsidenten werden aber – insbesondere von den Amerikanern – abgelehnt. Kann das Ganze dann überhaupt funktionieren?
Das Gesprächsangebot muss an den Präsidenten gerichtet sein. Und wenn der schlau ist, wird er eine Lösung finden, wie er die Gespräche führt oder auch führen lässt.
Was ist aus Ihrer Sicht der Hintergrund des neuen Umgangs mit der syrischen Regierung? Wieso will man gerade jetzt mit Assad sprechen?
Es gibt wahrscheinlich zwei Motive. Alle sind entsetzt von der Brutalität des IS - ebenso wie von der Nusra-Front, dem der syrische Al-Qaida-Ableger. Wenn man sich die Frage stellt, wie werden wir mit denen fertig, kommt man zu der Schlussfolgerung: Man muss mit der syrischen Regierung, mit dem Präsidenten kooperieren. Das allein wäre aber unzureichend. Grundsätzlich muss man ja eine Lösung finden, wie man das furchtbare Morden in Syrien mit mehr als 200.000 Toten und Hunderttausenden, die auf der Flucht sind, beenden kann. Darüber mit der Regierung zu verhandeln finde ich völlig sinnvoll. Vielleicht kommt man ja doch zu einem Schritt.
Kämpfen etwa bald amerikanische Truppen mit Assad-Truppen Hand in Hand?
Eher unwahrscheinlich, unter bestimmten Umständen aber auch nicht ausgeschlossen. Aber ich denke, die eigentlichen Probleme kann man nicht militärisch lösen. Ich selber habe letzte Woche mit der sogenannten Übergangsregierung in Syrien gesprochen. Auch die haben mir gesagt, sie sehen keine Möglichkeit einer militärischen Lösung. Ebenso wie ich. Also muss man andere Lösungen suchen. Die findet man aber immer nur in Kooperation.
Was halten die Oppositionskräfte davon, dass der Westen nun die Annäherung zu Assad sucht?
Ich habe gute Kontakte zu der nichtmilitanten syrischen Opposition. Die ist im Übrigen vielfältiger, intelligenter und ausstrahlender als man hier gemeinhin wahrnimmt. Mein Eindruck ist, dass auch dieser Teil der syrischen Opposition mit Assad reden will. Wenn man das alles gut hinbekommt, stehen am Ende des Prozesses freie Wahlen. Dann wird man sehen, wer eine Mehrheit hat. Wenn über freie Wahlen Assad abgewählt wird, ist das völlig legitim. Es ist aber falsch, jetzt zu fordern, Assad solle verschwinden, bevor man mit ihm gesprochen hat.
Wie optimistisch sind Sie, dass es zu freien Wahlen und zu Frieden im Land kommt?
Ehrlich gesagt bin ich nicht sehr optimistisch. Ich sehe die Bilder aus Syrien, rede mit meinen syrischen Freunden und bin tief traurig. Ich kann nur hoffen, dass dieses so kulturreiche Land den Weg zurück zum Frieden findet. Optimistisch bin ich aber nicht.
(hau/23.03.2015)