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Sie sind wieder da. Seit Anfang März bevölkern mehr als einhundert junge Leute zusätzlich die Gebäude des Bundestages. Es sind die Teilnehmer am Programm des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS). Am Donnerstag, 26. März 2015, wurden die 116 Frauen und Männer – keiner älter als 30 Jahre – aus 35 Ländern in der Technischen Universität (TU) Berlin durch deren Präsidenten Prof. Dr. Christian Thomsen und die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Petra Pau (Die Linke) offiziell begrüßt.
Bis Ende Juli werden sie in den Büros „ihrer“ Bundestagsabgeordneten arbeiten, die Wahlkreise besuchen oder an Veranstaltungen der politischen Stiftungen teilnehmen.
„Willkommen in meiner Heimatstadt Berlin“, sagte die Bundestagsvizepräsidentin zu Beginn ihrer Ansprache und zeigte sich erfreut, dass das IPS nun schon zum 29. Mal stattfindet. Zugleich erinnerte sie an die Anfänge 1986, als sich elf junge Amerikaner im Deutschen Bundestag in Bonn eingefunden hätten. „Mehr als 2.200 jungen Menschen haben seitdem das Programm wahrgenommen“, sagte Pau.
Vom IPS profitierten aber nicht nur die Stipendiaten. Vielmehr sei es ein „Geben und Nehmen“. Denn: „Auch die Mitglieder des Bundestages sind sehr neugierig auf Sie.“ Für die kommenden Monate riet sie den Programmteilnehmern vor allem zu Neugier. „Die Welt ist vielfältig, und das ist auch gut so“, sagte Pau. Und dann nahm sie den Stipendiaten noch eine Angst, so sie diese denn gehabt hatten: „Sie müssen nicht die Positionen ihrer Abgeordneten übernehmen“, sagte sie augenzwinkernd.
Kurz vor seinem 30. Geburtstag hat das IPS eine Rekordzahl an Teilnehmern erreicht. 35 sind es in diesem Jahr. Neu dabei sind Griechenland und die Türkei. Aber auch Ländern aus dem arabischen Raum, wie Ägypten, Algerien, Libanon, Marokko, Tunesien und die Palästinensischen Gebiete.
Sehr zur Freude auch von TU-Präsident Thomsen. Der internationale Austausch von jungen Menschen sei ein ganz wichtiges Element für das Verständnis unter den Völkern, sagte er. Thomsen lud die Stipendiaten, die allesamt einen Hochschulabschluss vorzuweisen haben, ein, an den Berliner Universitäten Vorlesungen beizuwohnen. „Es gibt auch extra für das IPS konzipierte Veranstaltungen“, sagte der Universitätspräsident.
Höhepunkt der Eröffnungsveranstaltung war schließlich die Vorstellung der Heimatländer durch die Stipendiaten selbst - moderiert vom Berichterstatter für die Internationalen Austauschprogramme des Deutschen Bundestages, dem Unionsabgeordneten Bernhard Schulte-Drüggelte. Dabei wurde Tanz, Gesang, Schauspiel und viel gute Laune geboten. Aber auch ein Konflikt offensichtlich.
Gleich zu Beginn kam das erste Mal Gänsehaut auf, als die Teilnehmer aus Polen, der Slowakei, Tschechien und Ungarn das Ende des Eisernen Vorhangs vor 25 Jahren thematisierten und gemeinsam zu „Wind of Change“ von den Scorpions schunkelten – leuchtende Feuerzeuge inklusive. Estland, Lettland und Litauen griffen das Thema ebenfalls auf und erinnerten an den Baltischen Weg – eine 650 Kilometer lange Menschenkette durch die drei Staaten, die 1989 den Willen zur Freiheit dokumentierte.
Die besten Tänzer fanden sich im weiteren Verlauf der Veranstaltung unter den arabischen Stipendiaten und denen aus Aserbaidschan und Kasachstan. Aus deutscher Sicht erstaunlich: Es waren nicht nur die Frauen, sondern auch die Männer, die elegant die Hüften schwangen.
Die Supermächte Russland und USA fanden sich zu einer Super-Performance zusammen. Schauspielerisch durchaus ansprechend zeigten sie, wie in den Nachrichtensendungen beider Länder Scharfmacher immer wieder Kleinigkeiten zu riesigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Staaten aufpusteten. Dabei, so der Tenor der Stipendiaten, sei das Verständnis gerade unter jungen Leuten sehr gut.
Anders als die USA und Russland fanden die Teilnehmer aus Israel und den Palästinensischen Gebieten auf der Bühne der TU nicht zueinander. Sehr zum Ärger der israelischen Stipendiaten. Moderator Schulte-Drüggelte forderte jedoch, die Hoffnung auf Verständigung nicht aufzugeben. „Vielleicht“, so der Abgeordnete, „sieht es ja am Länderabend in vier Monaten anders aus.“ (hau/26.03.2015)