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Bereits Vorbereitungen zur Teilnahme an terroristischen Kampfeinsätzen im Ausland sollen strafbar werden. © picture alliance/Pacific Press
Die geplante Verschärfung des Strafrechts im Hinblick auf sogenannten Terror-Tourismus und die Finanzierung des Terrorismus ist bei einer Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz unter Vorsitz von Rente Künast (Bündnis 90/Die Grünen) am Montag, 25. März 2015, auf ein geteiltes Echo gestoßen. Mit Bezug auf einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (18/4087) diskutierten die Experten unter anderem die Frage der geplanten Vorverlagerung der Strafbarkeit kontrovers. Hintergrund sind unter anderem die Reise mutmaßlicher Dschihadisten aus Deutschland in die Krisengebiete Syrien und Irak.
Das geplante Gesetz soll unter anderem die Reise (beziehungsweise den Versuch) in ein Land unter Strafe stellen, wenn der Reisende dort plant, entweder terroristisch tätig zu werden oder sich in sogenannten Terror-Camps ausbilden zu lassen.
Mit dieser Regelung wäre eine „neue Qualität der Vorfeldstrafbarkeit“ erreicht, kritisierte Dr. Nikolaos Gazeas, Rechtswissenschaftler von der Universität Köln. Das Ziel sei legitim, aber im Hinblick auf Verhältnismäßigkeit, Übermaßverbot und Bestimmtheitsgrundsatz bestehen aus seiner Sicht erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Gazeas schlug vor, eher mit Ausreiseverboten zu arbeiten. Hier seien auch die Nachweisprobleme weniger problematisch.
Anke Müller-Jacobsen von der Bundesrechtsanwaltskammer betonte, dass auch der „liberale Rechtsstaat“ geschützt werden müsse. Durch die Verlängerung der Strafbarkeit weiter ins Vorfeld hinein, von der Reise selbst gehe schließlich noch keine Gefahr aus, werde die notwendige Grenze zwischen Prävention und Repression beschädigt.
Anders äußerte sich hingegen Dr. Rolf Raum, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof. Er könne die Bedenken hinsichtlich der Vorfeldstrafbarkeit nicht teilen, da durch die Regelung wichtige Rechtsgüter geschützt werden könnten, zum Beispiel die Sicherheit in Deutschland, aber auch in den Ländern, in die die mutmaßlichen Täter ausreisen wollten. Rainer Griesbaum, stellvertretender Generalbundesanwalt im Ruhestand, sah in dem Entwurf grundsätzlich Vorteile für die Strafverfolgung. Aus Praxissicht begrüßte auch Sven Kurenbach vom Bundeskriminalamt die vorgeschlagenen Änderungen.
Der zweite Aspekt des Gesetzentwurfes, die Neuregelung des Straftatbestandes zur Terrorismusfinanzierung, sieht vor, das Sammeln und Zurverfügungstellen auch von Kleinstbeträgen für terroristische Zwecke unter Strafe zu stellen. Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Sieber, Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht, meinte, dass das Vorhaben grundsätzlich richtig sei. Optimierungsbedarf bestehe aber etwa in der Konkretisierung der Tathandlungen, um unproblematisches Alltagshandeln nicht unter Strafe zu stellen.
Ausdrückliches Lob fand Siebert für die Regelung des Vorsatzes in dem Gesetzentwurf. Es sei richtig, hier nicht nur auf einen Eventualvorsatz abzustellen. Griesbaum hingegen merkte an, dass durch die Vorsatzregelung der Anwendungsbereich „sehr eng“ ausfallen könnte. Auch Richter Raum meinte, dass die geplante Abstellung auf Wissentlichkeit – also ein direktes Wollen – „überscharf“ sei.
Prof. Dr. Joachim Krause, Politikwissenschaftler von der Christian-Albrechts-Universität Kiel, verwies grundsätzlich auf das Gefahrenpotenzial des salafistischen Dschihadismus. Insofern sei zwar zu bejahen, dass die vorgeschlagenen Änderungen hilfreichen seien.
Fraglich sei aber, ob sie ausreichten. Krause schlug vor, über eine „grundgesetzkonforme“ Vorratsdatenspeicherung nachzudenken, um terroristische Netzwerke aufklären zu können. Auch die Polizei und die Verfassungsschutzbehörden müssten besser ausgestattet werden. Zudem sei es notwendig, gegen salafistische Propaganda und Prediger vorzugehen. (scr/23.03.2015)
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