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Auf einer einwöchigen Reise vom 11. bis 17. April 2015 nach Südkorea und Japan haben sich sieben Mitglieder des Ausschusses Digitale Agenda (ADA) unter Leitung des Vorsitzenden Jens Koeppen (CDU/CSU) über die Leistungsfähigkeit der asiatischen Informationstechnik informiert. Die Parlamentarier begleiten mit ihrer Ausschussarbeit die netzpolitischen Themen der Bundesregierung, die sich mit der "Digitalen Agenda" hohe Ziele gesetzt hat. So sollen bis 2018 in Deutschland flächendeckend Internet-Übertragungsgeschwindigkeiten von 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) für jeden Haushalt erreicht werden.
Derzeit liegt der Durchschnittswert in Deutschland laut jüngstem Akamai-Internet-Report bei 8,7 Mbit/s, während die Spitzenpositionen von Südkorea (25,3 Mbit/s) und Japan (16,3 Mbit/s) eingenommen werden. Aber auch dort konzentriert sich der Netzausbau vor allem auf die Ballungsräume.
Fast die Hälfte der rund 50 Millionen Einwohner Südkoreas lebt im Großraum der Hauptstadt Seoul. In den ländlichen Gebieten ist die Netzgeschwindigkeit weit weniger rasant. Zudem werden die Leitungen - im Unterschied zu Deutschland - nicht unterirdisch verlegt, sondern von Haus zu Haus oberirdisch gezogen. Das sehe zwar nicht schön aus, sagte Kim Jong-geun, Planungsdirektor der Gebietsvertretung Seoul, sei aber effizient.
Aufgrund der weltweit wachsenden Sicherheitsrisiken im Netz informierte sich der Ausschuss bei der "Korea Internet & Security Agency" (KISA) in Seoul über Abwehrstrategien und Überwachungsmaßnahmen bei Cyber-Angriffen. Die KISA bietet für Unternehmen und Privatpersonen eine Hotline für den Fall an, dass Rechner Hackerangriffen oder DDos-Attacken ausgesetzt sind, Spammails erhalten oder ein Virus festgestellt wird.
Chung Kyung-ho, Vizepräsident der KISA, erklärte, dass sich dann die Agentur auf das Gerät aufschalte und es bereinige. Unter datenschutzrechtlichen Aspekten sahen die deutschen Abgeordneten dieses Verfahren eher kritisch. Die KISA beschäftigt rund 600 Mitarbeiter und wird aus Steuermitteln finanziert.
Die Vertreter der koreanischen Regierung interessierten sich besonders für die staatliche Förderung junger deutscher Unternehmen im Bereich Industrie 4.0, der Entwicklung und Fertigung komplett vernetzter Produktionssysteme.
Die Ausschussmitglieder erläuterten das 2014 aufgelegte EU-Rahmenprogramm „Horizont 2020“, das IT-Startups sowie kleine und mittlere Unternehmen mit Summen zwischen 50.000 und 2,5 Millionen Euro fördert. Horizont 2020 ist Bestandteil der Strategie "Europa 2020" und wird von der EU von 2014 bis 2020 mit einem Budget von insgesamt 80 Milliarden Euro ausgestattet.
Ein weiteres Thema der Informationsreise war das Mobilfunknetz der Zukunft, 5G, das die heutigen LTE-Netze (4G) ablösen soll. Südkorea plant die Einführung von 5G zur Winterolympiade 2018 und bietet damit eine Fülle neuer Anwendungen, etwa weiterentwickelte mobile Breitbanddienste, eine Vielzahl unterschiedlicher Maschine-zu-Maschine-Anwendungen (M2M) und neue Möglichkeiten der Mediendistribution. Der stellvertretende Minister des koreanischen Wissenschaftsministeriums, Choi Jae-you, stellte die weltweite kommerzielle Vermarktung für das Jahr 2020 in Aussicht.
Vorreiter bei der Entwicklung von 5G ist die Firma Samsung, mit rund 35.000 Beschäftigten einer der größten und begehrtesten Arbeitgeber Südkoreas. Das Unternehmen mit Sitz in "Suwon Digital City" bereitet sich mit Hochdruck auf die Einführung von 5G vor. Die Experten rechnen damit, dass es bis 2020 rund 50 Milliarden vernetzte Geräte weltweit geben wird.
In der Stadt Songdo, eine dreiviertel Autostunde von Seoul entfernt, hat die Zukunft bereits Einzug gehalten. Mit rund 90.000 Einwohnern verfügt die seit 2009 auf dem Reißbrett geplante Metropole über rund ein Drittel ihrer angestrebten Einwohnerzahl. Wer hier herzieht, zahlt zwar dreißig Prozent weniger Miete als in Seoul, muss aber hinnehmen, Tag und Nacht beobachtet zu werden.
Über ein kameragesteuertes Überwachungssystem wird nahezu jeder Winkel kontrolliert. Alle Informationen laufen in einem riesigen Kontrollzentrum zusammen. Der Vize-Bürgermeister von Songdo, Bae Kook-hwan, wies darauf hin, dass diese Maßnahmen dazu dienten, Brände, Überfälle oder Verkehrsunfälle zu entdecken und schnell einzugreifen.
Die Vorbehalte in der Bevölkerung gegen solche Formen der Überwachung sind in Korea weit weniger groß als in Deutschland. Das Vorstandsmitglied der staatlichen Informationsagentur NIA (National Information Society Agency), Yoon Jeong-won, sagte, dass Konsumenten in Südkorea bessere Produkte und neue Technologien wünschten und hier viel Elan und große Neugier an den Tag legten.
So habe es weder gegen die Aktion "Google Street View" Einwände gegeben noch hätten die Enthüllungen von Edward Snowden in Korea eine Rolle in der öffentlichen Diskussion gespielt. Das im Zuge von Big Data massenhafte Abschöpfen von anonymisierten Kreditkartenbewegungen stoße ebenfalls kaum auf Widerstand. Das jüngste Projekt sollte dazu dienen, Angebote für chinesische Touristen zu optimieren, so Yoon.
In Asien ist der Glaube an die überwiegend positiven Effekte der weltweiten Digitalisierung hoch, Gegenstimmen sind hingegen schwach ausgeprägt. Die aus Spendengeldern finanzierte Nichtregierungsorganisation (NGO) "Jinbo Network" setzt sich für das Recht auf Privatsphäre ein und versucht mit gezielten Aktionen, die Menschen in Südkorea für den Schutz ihrer persönlichen Daten zu sensibilisieren.
So plädiert die Organisation zum Beispiel dafür, beim Cloud Computing nicht - im Gegensatz zu Deutschland - auf inländische Server zu vertrauen, sondern ins Ausland auszuweichen. Für Jinbo ist Deutschland beispielgebend beim Thema Datenschutz.
Auf ihrer zweiten Reiseetappe nach Tokio hat sich die Delegation bei Gesprächen im Innenministerium, bei einer der größten Telefongesellschaften sowie bei der Firma „Panasonic“ über die neuesten digitalen Entwicklungen in Japan informiert. Ein Thema war die Technologie FTTH (Fiber to the Home), das Verlegen von Lichtwellenleitern von Rechenzentren bis in die Wohnung eines Nutzers. FTTH wurde bereits 1999 in Japan eingeführt. Außerdem konnten sich die Parlamentarier in der "Wonder Life-Box 2020" von Panasonic Einblick in eine alle Lebensbereiche vernetzende Heimwelt verschaffen. Das Motto "A better Life, a better World" steht beim Elektronikkonzern für die Anwendung der vernetzten Technologie im Lebensalltag.
Bereits beim morgendlichen Blick in den Spiegel werden Körperfunktionen, Gewicht und persönliche Fitness geprüft, Kleidungsvorschläge unterbreitet und Vorgaben zur Zubereitung von Speisen angezeigt. Panasonic konzentriert seine Anstrengungen auf den umfassenden Service für Sportler aus aller Welt zu den Olympischen Spielen in Tokio im Jahr 2020.
Für die Delegationsteilnehmer war am Ende der Reise klar: Ein Großteil der Forschungsergebnisse, die die Vorreiter der digitalen Revolution Japan und Südkorea gewinnen, wird bald auch unseren Alltag maßgeblich prägen. Ob alle Errungenschaften der Technik tatsächlich dem Wohle des Menschen dienen, bleibt offen.
Einig waren sich die Ausschussmitglieder darin, dass der technische Fortschritt nie Selbstzweck sein darf. Insbesondere der Schutz der Privatsphäre sollte in Deutschland weiterhin konsequent an erster Stelle stehen. (mj/21.04.2015)