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Bürgerstiftungen haben gewaltige Potenziale und sind ein absolutes Erfolgsmodell. In dieser Einschätzung waren sich die am Mittwoch, 22. April 2015, die zu einer öffentlichen Sitzung des Unterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“ unter Vorsitz von Willi Brase (SPD) geladenen Experten einig. Bürgerstiftungen werde in Deutschland viel Vertrauen entgegengebracht, sagte Ulrike Reichart von der Initiative Bürgerstiftungen, einem „unabhängige Kompetenzzentrum zum Thema Bürgerstiftungen“.
Die Stiftungen, so Reichart, zeichneten sich dadurch aus, dass Bürger stiften, um gemeinsame Zwecke in einer lokalen oder regionalen Einheit verwirklichen zu können. Um das vom Bundesverband Deutscher Stiftungen vergebene Gütesiegel, den „Bürgerstiftungs-TÜV“, wie Reichart sagte, zu erhalten, müssten zehn Merkmale nachgewiesen werden. Zentralster Punkt dabei sei die Unabhängigkeit der Stiftung.
Bernadette Hellmann von der Stiftung Aktive Bürgerschaft, einem weiteren „Kompetenzzentrum für Bürgerengagement“, sprach sich in diesem Zusammenhang für einen Markenschutz aus. Der Erfolg der Bürgerstiftungen führe zu Imitationen. Statt tatsächliche Stiftungen „von Bürgern für Bürger“ seien dies oft kommunale Stiftungen, die „sicherlich auch viel Gutes tun, aber eben nicht unabhängig sind“, sagte Hellmann.
Sie plädiere nicht unbedingt für den gesetzlich geregelten Schutz des Namens Bürgerstiftung, so die Stiftungsexpertin. „Ich würde mir aber wünschen, dass die Abgeordneten des Bundestages sich dafür aussprechen, dass die zehn Merkmale auch wirklich eingehalten werden“, sagte sie.
Als problematisch für die Bürgerstiftungen bezeichneten die beiden Expertinnen die Zinssituation. Es müssten Lösungen gefunden werden, um die Arbeit der Stiftungen trotz sinkender Vermögenserträge effektiv fortzusetzen.
Sieghard Schramm von der Bürgerstiftung „Beherzte Menschen“ in Augsburg machte deutlich, dass mit den Zinsgewinnen des Kapitalstamms in Höhe von derzeit 100.000 Euro seine Stiftung nicht arbeiten könne. „Wir werben flüssiges Kapital für bestimmte Projekte ein“, zeigte er einen Ausweg auf. Neben Spenden und Zuschüssen aus öffentlichen Töpfen seien es auch Wettbewerbspreise, mit denen gearbeitet werden könne. „Jede Bürgerstiftung muss aber vor Ort eigene Antworten finden“, sagte Schramm. Zugleich machte er auf Nachfrage deutlich, dass seitens der Stiftung keine Aufwandsentschädigungen gezahlt werden.
Das auch von den beiden Kompetenzzentrum-Vertreterinnen angesprochene Problem des eventuellen „Lückenbüßer-Daseins“ für die von der öffentlichen Hand nicht mehr wahrgenommenen Aufgaben war auch Schramm bewusst. Man diskutiere sehr intensiv bei Grenzfällen, denn: „Wir wollen keinesfalls Aufgaben übernehmen, für die das Land oder die Kommune zuständig sind“, machte der Stiftungsvertreter deutlich.
Für die von Schramm erwähnten Wettbewerbspreise zeichnet unter anderem die Herbert-Quandt-Stiftung verantwortlich. Deren Vertreter Dr. Roland Löffler verwies auf verschiedene Wettbewerbe, bei denen die besten Konzepte bürgerschaftlichen Engagements mit Geldpreisen honoriert würden.
Außerdem übernehme die Herbert-Quandt-Stiftung die Beratung von Bürgerstiftungen mit dem Ziel der Professionalisierung und der Zuwendung zu neuen Zielgruppen. „Das Coaching der Bürgerstiftungen hat sich als sehr fruchtbar erwiesen“, sagte Löffler. (hau/22.04.2015)