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Die Arbeitsgruppe 3 der Kommission "Lagerung hoch radioaktiver Abfälle" (Endlagerkommission) rechnet damit, dass sich die bundesweite Suche nach einem Endlager für radioaktiven Atommüll und dessen Verschluss und Inbetriebnahme um Jahrzehnte verzögern wird. Laut einem Bericht, den der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Michael Sailer, dem Gremium am Montag, 20. April 2015, vorstellte, könnte die Endlagerung sogar erst in 150 Jahren oder später abgeschlossen sein. Sailer skizzierte den Kommissionsmitgliedern, dass eine Inbetriebnahme des Endlagers mit dem Einbringen des ersten beladenen Endlagergebindes frühestens 2045/2050 vorstellbar sei, ein Ende der Einlagerung zwischen 2075 und 2130. Das Ziel, die hoch radioaktiven Abfälle sicher und wartungsfrei im Bergwerk einzuschließen, sei erst zwischen 2095 und 2170 oder sogar später erreichbar.
Mit Blick auf diese „extrem langen Zeiträume“ sprach sich Sailer für ein umfassendes Monitoring während des gesamten Such- und Einlagerungsprozesses aus. Dieses sei unter anderem erforderlich, um den Zustand der geologischen Formation, der hydrogeologischen Verhältnisse und der Abfälle systematisch zu beobachten, mögliche Fehlentwicklungen und unvorhergesehene Verläufe zu erkennen und gegebenenfalls Konsequenzen daraus zu ziehen.
Konzeptionell werde die Kommission zu den Möglichkeiten eines Monitorings noch vieles erarbeiten müssen, betonte Sailer. Jedoch sei zu erwarten, dass die künftigen Generationen über „ein paar Techniken mehr verfügen werden als wir heute 2015“. Man dürfe jedoch „heute nichts machen, mit dem wir solche Techniken später verunmöglichen“.
Um im Fall von erkannten Fehlern oder anderen Entwicklungen, die einen Neuansatz erfordern, umsteuern zu können, empfiehlt die Arbeitsgruppe, den Prozess der Endlagersuche reversibel zu gestalten. So solle eine Verpflichtung zur Sicherstellung der Rückholbarkeit und Bergbarkeit der Abfälle in die weitere Diskussion mit aufgenommen werden, heißt es in dem Bericht.
„Wenn die mittel- oder langfristige Sicherheit des Endlagers infrage gestellt wird oder es in 80 oder 200 Jahren ein anderes Verfahren geben sollte, das viel besser ist, dann müssen die späteren Verantwortlichen sich umentscheiden können“, betonte Sailer. Ungeeignet sei die Anforderung an eine Rückholbarkeit der Abfälle jedoch in Bezug auf Notfallsituationen, da die Behälter nicht wesentlich schneller aus dem Bergwerk heraus als herein transportiert werden könnten. Daher müssten für Notfallsituationen, etwa einen plötzlichen Wassereinbruch, andere Vorsorgemaßnahmen getroffen werden.
Der Bericht stieß bei den Kommissionsmitgliedern einhellig auf positive Resonanz. Der Umweltminister von Schleswig-Holstein, Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), lobte ihn als „ausgewogen und umfassend“. So sei es richtig, dass er die Möglichkeit einer Fehlerkorrektur in den Blick nehme, zugleich aber die Sicherheitsanforderungen an ein Endlager betone.
Nach Ansicht von Michael Müller, der die Endlagerkommission zusammen mit Ursula Heinen-Esser leitet, machen die im Bericht genannten Zeiträume deutlich, „in welch problematischer Situation wir vor allem bei den Zwischenlagern sind“.
Auch die bayerische Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, Ulrike Scharf (CSU), forderte, die Kommission müsse angesichts der neuen Zahlen die Konsequenzen für die Zwischenlager noch einmal genau ins Auge fassen. Bayern habe sich immer dafür eingesetzt, betonte Scharf, die Zwischenlagerung so kurz wie möglich zu halten.
Auf die Zwischenlagerproblematik verwies auch die Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen). Sie warnte jedoch davor, die Suche nach einem Endlager zu beschleunigen, weil die Genehmigungen für die Zwischenlager ausliefen. Der Prozess müsse vielmehr umgekehrt verlaufen: „Wenn das Endlager später kommt, müssen wir uns überlegen, was mit den Zwischenlagern passiert.“ Schließlich werde die Entscheidung für ein Endlager seine Zeit brauchen, wenn dies „ein anständiger Prozess“ sein solle, urteilte Kotting-Uhl.
Der sächsische Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Thomas Schmidt (CDU), kritisierte, dass bei der Frage der Rückholbarkeit nicht darüber diskutiert werde, wie ein möglicher Missbrauch des radioaktiven Materials verhindert werden könne.
Demgegenüber betonte Christian Pegel (SPD), Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern, zugespitzt, dass sich ein „Schurkenregime“, wenn es denn in Deutschland die Macht übernähme, zu den radioaktiven Abfällen vorarbeiten könne, seien sie nun reversibel oder nicht reversibel gelagert. „Alle Überlegungen, sie sicher in unser Erdreich zu bringen, sind, glaube ich, von Anfang an zum Scheitern verurteilt“, stellte Pegel klar. Er halte es daher für „zu kurz gesprungen“, diese Gefahren als Argument gegen die Reversibilität des Endlagers anzuführen. (joh/20.04.2015)