Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Eigentlich sollten die Bemühungen um den Bürokratieabbau das zentrale Thema sein, doch das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer dominierte die Regierungsbefragung am Mittwoch, 22. April 2015, im Plenum. Abgeordnete der Opposition kritisierten die Bundesregierung für ihre Flüchtlingspolitik und drangen darauf zu erfahren, wie die Koalition auf eine der schwersten Flüchtlingskatastrophen, bei der am vergangenen Wochenende vermutlich etwa 700 Menschen ihr Leben verloren haben, reagieren will.
Den am Morgen im Kabinett gebilligten Jahresbericht des Normenkontrollrats „Bessere Rechtsetzung 2014“, den der Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, Dr. Helge Braun (CDU), zu Beginn der Befragung vorstellte, geriet so rasch in den Hintergrund.
Braun hatte zunächst auf die Erfolge beim Bürokratieabbau hingewiesen: Rund 887 Millionen Euro konnten im vergangenen Jahr eingespart werden, weil bürokratische Hürden abgebaut wurden. „Umgerechnet acht Millionen Stunden Zeit geben wir den Bürgern so zurück, die sie sinnvoller nutzen können als für bürokratische Aufwendungen“, sagte der Staatsminister. Als Gründe für die Entlastung nannte er unter anderem die vorausgefüllte Steuererklärung und die Online-Zulassung „eKFZ“, mit der sich Fahrzeug über das Internet an- und abmelden lassen.
Die größte Entlastung werde aber das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ bringen, sagte Braun: Künftig erheben Krankenkassen einkommensabhängige Zusatzbeiträge direkt beim Arbeitgeber. Damit sinke der Aufwand für die Arbeitnehmer, da sie ihre Zusatzbeiträge nicht mehr selbst an die Krankenkasse zahlen müssen.
Dr. Thomas Gambke (Bündnis 90/Die Grünen) kritisierte jedoch die Einsparziele der Bundesregierung als zu gering. Die Vorgängerkoalition habe sich noch zum Ziel gesetzt, 25 Prozent Bürokratie abzubauen. Die Große Koalition jedoch beschränke sich auf das Ziel „one in, one out“.
Darauf entgegnete Braun, dass die Bundesregierung zu ihrem Ziel stehe, einen „Zubau von Bürokratie“ zu verhindern. Eine Neuauflage des 25-Prozent-Abbauziels sei aber auch gar nicht sinnvoll: „Wir sind ein Staat mit einem präzisen Ordnungsrahmen. Eine Halbierung der deutschen Bürokratie wäre nicht mit unseren hohen Standards – etwa im Umweltbereich – vereinbar.“
Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg, interessierte hingegen mehr, ob die Bundesregierung ihre bisherige Haltung zur Seenotrettung im Mittelmeer revidieren werde. „Gestehen Sie ein, dass es ein Fehler war, dass Sie sich nicht für den Erhalt der Operation „Mare Nostrum“ eingesetzt haben?“, fragte sie.
Ihr antwortete der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dr. Gerd Müller (CSU): Er verwies auf den aktuell von der EU-Kommission gefassten Zehn-Punkte-Plan, den die Bundesregierung unterstütze. Dieser sehe unter anderem vor, die Seenotrettung auszubauen und Schleuserboote stärker zu bekämpfen.
Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, war die Ankündigung der EU-Kommission, die Mittel zur Seenotrettung zur verdoppeln, nicht genug. Sie fürchtete gar, das Geld könne in erster Linie zur Abwehr von Schleusern verwendet werden, weniger für die Rettung von Menschen.
Der Minister entgegnete, es sei vordringlichstes Ziel, „sofort“ die Seenotrettung zu organisieren. Zudem müsse die Frage der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und deren Verteilung in Europa diskutiert und geregelt werden.
Niema Movassat (Die Linke) hakte sofort ein: „Das deutsche Asylrecht kennt noch mehr Asylgründe als Krieg.“ Zudem monierte der Abgeordnete, dass es für Flüchtlinge kaum legalen Möglichkeiten gebe, nach Europa zu gelangen. Deshalb habe sich das Problem der Schleuserkriminalität so verschärft. „Denken Sie daran, den Menschen einen sicheren Weg zu ebnen?“
Minister Müller verwies als Antwort auf die später am Tag stattfindende Vereinbarte Debatte zur Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer: „Da haben Sie die Gelegenheit, diese Frage mit dem Innenminister und dem Außenminister zu diskutieren.“ (sas/22.04.2015)