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Sehr spannend, stressig und herausfordernd. So beschreibt Kaja Dróżdż ihre erste Sitzungswoche als „Praktikantin“ im Rahmen des Programms des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) im Büro „ihres Paten-Abgeordneten“ Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen). Seit Anfang März läuft das IPS, seit Anfang April ist sie im Büro des Europapolitikers. Nun endlich die erste Ausschusssitzung, das erste Treffen der Arbeitsgruppe.
„Zu Beginn wirkte das IPS wie ein Studentenaustausch – jetzt ist es eine richtige Herausforderung“, sagt die 26-jährige Polin, die von einem Treffen mit EU-Kommissar Valdis Dombrovskis „in ganz kleinem Kreis“ berichtet. „Da merkt man, auf welch hoher Politikebene man sich befindet“, freut sie sich. Nun gilt es für sie unter anderem zu lernen, „wie man am besten die vielen Termine koordiniert, damit man nichts verpasst“.
Den ersten Lerneffekt durch das IPS hatte Kaja Dróżdż aber schon gleich nach Beginn des Programms. „Ich weiß jetzt, dass man auch gut mit Leuten aus Russland befreundet sein kann“, sagt sie. Für eine Polin ist das offensichtlich keine Normalität. „Die Beziehungen zwischen Russland und Polen sind sehr kompliziert“, gibt sie sich diplomatisch.
Sie selbst habe zuvor „keine Freunde aus Russland“ gehabt. Schlimmer noch: „Als ich anderthalb Jahre in Amerika lebte, wurde ich immer wieder wegen meines Akzentes gefragt, ob ich aus Russland komme. Das habe ich natürlich von mir gewiesen“, erzählt sie. Dank IPS hat sich ihre Meinung nun geändert. „Ich sehe das Verhältnis zu Russen jetzt nicht nur politisch mit viel Streit und Aggression.“
Viele Polen hätten dennoch schlichtweg Angst vor einem militärischen Angriff durch Russland. „Gerade bei Menschen, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt haben, ist das so“, sagt sie. Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen haben auch dazu geführt, dass Kaja Dróżdż in der Woiwodschaft Niederschlesien geboren wurde.
Vor dem Krieg sei die Gegend deutsches Gebiet gewesen, erzählt sie. „Danach wurden so gut wie alle Deutschen ausgesiedelt, und es kamen die Menschen aus dem Osten Polens – der heutigen Ukraine - die ihrerseits dort ausgesiedelt worden waren.“ Auch ihre Vorfahren gehörten dazu. „Meine Oma ist in Drohobytsch geboren, einer Stadt, die heute im Westen der Ukraine liegt.“
Stichwort Ukraine: „Wir Polen sind alle sind für die Hinwendung zu Europa und unterstützen daher den ukrainischen Majdan“, sagte die 26-Jährige, die zugleich optimistisch ist, „dass sich die Probleme in der Region ausräumen lassen“. Wichtig sei, dass Europa zusammenwirkt. „Und dass man einzelne Völker nicht allein lässt“, fügt sie – wohl auf die Ukraine bezogen – hinzu. Meint aber sicherlich auch ihr Heimatland Polen.
Da ist sie dann wieder – die Angst vor Russland. Das schlechte Verhältnis zwischen den beiden Staaten habe auch mit der Flugzeugkatastrophe aus dem Jahr 2010 zu tun, sagt die Polin. Seinerzeit kamen beim Landeanflug auf den russischen Flughafen Smolensk bei dichtem Nebel Polens Staatspräsident Lech Kaczyński und viele weitere hochrangige polnische Politiker, Militärs und Kirchenvertreter ums Leben. Um die Gründe des Absturzes ranken sich jede Menge Gerüchte. „Viele Polen glauben, dass die Russen dabei ihre Finger im Spiel hatten“, sagt Kaja Dróżdż.
Anders als zu Russland habe Polen zum deutschen Nachbarn ein sehr gutes Verhältnis, findet sie. Trotz der Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs. Aus ihrer Sicht hat das auch damit zu tun, „dass man in der Zeit, als ich aufgewachsen bin, ganz deutlich über die Zeit früher und die Probleme mit Deutschland gesprochen hat“. Die Lehre davon sei gewesen: Wir müssen gemeinsam einen Weg finden.
Ihr persönlicher Weg hat sie zu einem Jurastudium an die Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität Warschau geführt, das sie im vergangenen Jahr mit dem Master abgeschlossen hat. Jetzt denkt sie über einen Aufbaustudiengang nach. Mit dem Schwerpunkt „Internationale Beziehungen“ möglicherweise. Das könnte der Juristin dabei behilflich sein, ihren beruflichen Traum zu verwirklichen.
„Ich möchte polnische Botschafterin werden“, sagt Kaja Dróżdż. Das IPS ist auf dem Weg dahin sicherlich nicht die schlechteste Reverenz. Die ehemalige mazedonische IPS-Stipendiatin Kornelija Utevska-Gligorovska war schließlich auch mehrere Jahre lang Botschafterin ihres Landes in Deutschland. (hau/27.04.2015)