Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Der Dienststellenleiter der BND-Abhörstation im oberbayerischen Bad Aibling ist am Donnerstag, 7. Mai 2015, im Untersuchungsausschuss zur NSA-Spähaffäre erneut vernommen worden. R.U. war bereits im September des vergangenen Jahres von dem Gremium unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) gehört worden. Angesichts der jüngsten Enthüllungen über die Zusammenarbeit des BND mit der amerikanischen NSA sahen die Abgeordneten es aber als notwendig an, dass R.U. und drei weitere BND-Mitarbeiter erneut aussagen.
Vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass der BND seine in Bad Aibling erhobenen Daten auch für die NSA nach von den Amerikanern definierten Merkmalen, sogenannten Selektoren, durchsucht. Hierbei waren in der Vergangenheit auch Ziele aufgefallen, die vermeintlich gegen ein Abkommen über die Kooperation der beiden Geheimdienste aus dem Jahr 2002 verstoßen. Diesem zufolge dürfen etwa deutsche Ziele grundsätzlich nicht ausgeforscht werden. Auch Ziele, die europäische Wirtschaftsinteressen betreffen, sind tabu.
Um den Vorgang aufzuklären hatten Abgeordnete von SPD, der Linken und Bündnis 90/Die Grünen gefordert, das Bundeskanzleramt müsse ihnen bis zur heutigen Sitzung die Selektorenlisten der NSA zur Verfügung stellen. Das ist bislang noch nicht passiert, da die Bundesregierung diesbezüglich noch Gespräche mit der amerikanischen Regierung führt. Dies sorgte für Kritik von einigen Abgeordneten: „Ich erwarte, dass die Listen schnellstmöglich vorgelegt werden“, so der Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss, Christian Flisek. Die Obfrau der Unionsfraktion, Nina Warken zeigte hingegen Verständnis: „Wir können die Befragung der Zeugen auch sehr gut durchführen, ohne dass es der Listen bedarf“, sagte sie vor Beginn der Ausschusssitzung.
Auch der Zeuge R.U. konnte dem Gremium keine Auskunft darüber geben, welche Selektoren die NSA dem BND geliefert hatte. „Ich habe mir das nie speziell angeschaut“, sagte er vor dem Ausschuss. Die Wünsche der NSA würden in Bad Aibling überhaupt nicht überprüft, sondern zunächst an die BND-Zentrale in Pullach weitergeleitet. Dort würden bedenkliche Selektoren aussortiert und die verbleibenden Wünsche zurück nach Bad Aibling gesendet. Erst dann würden sie gegen die vom BND erfassten Daten „laufen gelassen“.
Die Ergebnisse würden dann wiederum in Pullach auf die Daten von deutschen Grundrechtsträgern geprüft und erst dann an die NSA weitergegeben. Zu Medienberichten, dass der BND in der vergangenen Woche beschlossen habe, vorerst keine Internetüberwachung mehr für die NSA durchzuführen, konnte der Zeuge hingegen nichts sagen. Er sei seit Längerem krankgeschrieben.
Ob die im Auftrag der Amerikaner entstandenen Suchergebnisse auch in Bad Aibling überprüft wurden, fragte die Obfrau der Linken, Martina Renner. Dies sei nur unregelmäßig geschehen, so Zeuge R.U.. Wenn etwa die deutschen Selektoren in einer Krisenregion keine Ergebnisse mehr lieferten, habe man geschaut, ob die amerikanischen Selektoren mehr Erfolg hätten. Die von der NSA gewünschten Selektoren fortlaufend zu kontrollieren, sei hingegen weder seine Aufgabe, noch sei es personell möglich.
Auch nachdem im August 2013 die Meldung aus der BND-Zentrale in Pullach gekommen sei, dass zahlreiche verwendete Selektoren bedenklich gewesen seien, änderte sich an dieser Praxis nicht. „Seit Juni 2013 ist praktisch kein Regelbetrieb mehr möglich“, so R.U..
Die Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden in diesem Monat hätten die Mitarbeiter in Bad Aibling „elektrisiert“. R.U.: „Wir mussten Dinge in Bad Aibling prüfen und waren damit schon überlastet.“ Da das Prüfen der Selektoren Aufgabe der Zentrale sei, habe er sich nicht darum gekümmert. Eine weitere spezielle Überprüfung habe es seit September 2013 seines Wissens nach nicht gegeben.
Auch von den früher aufgefallenen bedenklichen Selektoren wusste R.U. eigenen Angaben zufolge nichts. Dass etwa bereits im Jahr 2005 aufgefallen war, dass unter den Selektoren auch die europäischen Unternehmen EADS und Eurocopter gewesen seien, wurde ihm nicht mitgeteilt, antwortete R.U. auf eine entsprechende Nachfrage von Dr. Konstantin von Notz, Obmann von Bündnis 90/Die Grünen. R.U. leitet die Dienststelle in Bad Aibling seit 2010. Eine Übergabe zu seinem Dienstantritt habe es nicht gegeben. Diesen Umstand nannte von Notz „krass“. (pjh/07.05.2015)