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Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur zivilrechtlichen Durchsetzung des Datenschutzes (18/4631) stößt bei Experten auf ein gemischtes Echo. Bei einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz unter Vorsitz von Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) am Mittwoch, 6. Mai 2015, sahen auch Befürworter der Vorlage Nachbesserungsbedarf. Ziel des Gesetzentwurfs ist es unter anderem, dass zum Beispiel Verbraucherschutzverbände klagebefugt nach dem Unterlassungsklagegesetz sind, wenn ein Unternehmen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstößt, die eine verbraucherschutzrechtliche Dimension haben. Bisher war dies laut Begründung des Entwurfs nur dann möglich, wenn die betreffende Vorschrift ausdrücklich in einem Verbraucherschutzgesetz stand.
Kritisch beurteilte Prof. Dr. Ralf B. Abel, Rechtsanwalt aus Hamburg, die Vorlage. Damit werde ein „Paradigmenwechsel“ vollzogen und zwei nicht deckungsgleiche Gebiete, Daten- beziehungsweise Verbraucherschutz, würden vermengt. Unklar sei auch der Anwendungsbereich der geplanten Norm, der „fast uferlos“ sei. So könne schon die alltägliche Datenverarbeitung in Unternehmen betroffen sein. Durch das Verbandsklagerecht bestünde zudem die Gefahr, dass die Kontrolle unternehmerischer Tätigkeiten, die bisher den Datenschutzbehörden zugestanden werde, privatisiert werde.
Michael Neuber vom Bundesverband Digitale Wirtschaft kritisierte ebenfalls, dass die Ausweitung des Klagerechts „systemwidrig“ und der Anwendungsbereich zu unbestimmt sei. Hier seien weitere Klarstellungen erforderlich, etwa im Hinblick auf die Verstoßschwere und -art. Problematisch sei zudem der zivilrechtlich einklagbare Beseitigungsanspruch, da dieser bereits ausreichend im Bundesdatenschutzgesetz geregelt sei.
Thomas Kranig, Präsident des Bayrischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht, sprach sich ebenfalls gegen den Entwurf aus. Er könne zu einer „Schwächung der Datenschutzbehörden“ führen. Im Falle einer Einführung des erweiterten Verbandsklagerechts sei es notwendig, dass die Datenschutzbehörden frühzeitig in die Verfahren eingebunden werden, idealerweise bereits vor der Klage. Damit solle ein „Auseinanderdriften der Auslegung der datenschutzrechtlichen Vorschriften“ begrenzt werden, schreibt Kranig in seiner Stellungnahme.
Auch Prof. Dr. Johannes Caspar, Hamburgischer Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, sprach sich für eine frühzeitige Einbeziehung der Datenschutzbehörden in mögliche Zivilverfahren aus. Er regte zudem ein Veto-Recht für die Behörden an, wenn ein Beseitigungsanspruch mögliche Ordnungsverfahren unterlaufen würde. Anders als Kranig unterstützte Caspar indes den Entwurf. Daten- und Verbraucherschutz seien „zwei Seiten einer Medaille“, sagte Caspar. Es handele sich nicht um einen Systembruch, vielmehr könnte mit einer Erweiterung des Verbandsklagerechts eine „sehr gute und sinnvolle Flankierung des Datenschutzes“ erreicht werden.
Prof. Dr. Gerald Spindler, Rechtswissenschaftler an der Georg-August-Universität Göttingen, beurteilte die Erweiterung der Klagebefugnis ebenfalls als „sinnvolle Ergänzung“. Zu einem Problem könne allerdings das Nebeneinander von zivilrechtlichen Verfahren im Rahmen der Verbandsklage und der von den Datenschutzbehörden angestrengten öffentlich-rechtlichen Verfahren führen. Es sei daher zu prüfen, wie Datenschutzbehörden in zivilrechtliche Verfahren integriert werden können. Eine Anhörung der Behörden allein reiche nicht aus.
Carola Elbrecht vom Verbraucherzentrale Bundesverband begrüßte das Vorhaben grundsätzlich. Es sei wichtig, da Datenschutz bei den Verbraucherzentralen zunehmend eine größere Rolle spiele. Es sei ein „Schritt in die richtige Richtung“, es stünden aber noch „viele Fragezeichen im Raum“, sagte Elbrecht. Nachbesserungsbedarf sah sie in Hinblick auf Ausnahmen und die Beweislast. (scr/06.05.2015)