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Eine bessere medizinische Versorgung auch in strukturschwachen Regionen steht im Mittelpunkt eines Reformgesetzes, über das der Bundestag am Donnerstag, 11. Juni 2015, nach einstündiger Aussprache, die um 15.05 Uhr beginnen soll, entscheidet. Mit dem sogenannten GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (18/4095) sollen medizinische Versorgungslücken vor allem auf dem Land geschlossen sowie die Arbeitsbedingungen für Allgemeinmediziner verbessert werden. Terminservicestellen sind vorgesehen für eine schnellere Vergabe von Facharztterminen.
Die Debatte wird ab etwa 15.05 Uhr live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Mit neuen Regelungen für die Zu- und Niederlassung von Ärzten und Psychotherapeuten sollen unterversorgte ländliche Gebiete gestärkt und die teilweise Überversorgung in Ballungszentren reduziert werden. So werden künftig Arztpraxen in überversorgten Regionen nur dann nachbesetzt, wenn dies unter Versorgungsaspekten sinnvoll erscheint. Um die hausärztliche Versorgung zu verbessern, wird die Zahl der mindestens zu fördernden Weiterbildungsstellen von 5.000 auf 7.500 erhöht. Auch bei der ärztlichen Vergütung soll der Versorgungsaspekt künftig eine stärkere Rolle spielen.
Die Terminservicestellen, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen eingerichtet werden müssen, sollen sicherstellen, dass Versicherte innerhalb von vier Wochen einen Facharzttermin erhalten. Mit einer überarbeiteten Psychotherapie-Richtlinie soll zudem die Versorgung auf diesem Gebiet verbessert werden. Vereinfacht wird die Bildung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), in denen zumeist Ärzte unterschiedlicher Fachrichtung zusammenarbeiten. Die Kommunen sollen mit der möglichen Gründung solcher Zentren aktiv in die verbesserte Versorgung einbezogen werden.
Vor bestimmten Operationen, die besonders häufig empfohlen werden, dürfen Patienten künftig eine ärztliche Zweitmeinung einholen. So sollen teure und unnötige Eingriffe besser verhindert werden. Krankenhäuser sollen außerdem stärker in die ambulante Betreuung der Patienten einbezogen werden.
Beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wird ein Fonds zur Förderung innovativer sektorenübergreifender Versorgungsformen geschaffen. Für den Fonds sollen zwischen 2016 und 2019 jährlich jeweils 300 Millionen Euro von den Krankenkassen und aus dem Gesundheitsfonds zur Verfügung gestellt werden.
In einer Anhörung zu dem Gesetzentwurf Ende März äußerten sich Experten kritisch zu der Vorlage der Regierung. Sie bescheinigen dem Entwurf zwar gute Ansätze, sahen aber Nachbesserungsbedarf an diversen Stellen.
Insbesondere Vertreter der Ärzteverbände beklagten, dass die geplante Neuverteilung von Arztsitzen tendenziell zulasten der niedergelassenen Mediziner gehe. Auch Psychotherapeuten warnten davor, Arztsitze in scheinbar überversorgten Gebieten zu reduzieren, da die Patienten schon jetzt bundesweit im Durchschnitt länger als drei Monate auf ein Erstgespräch bei einem Psychotherapeuten warten müssten.
Sozialverbände kritisierten, dass es keine einheitliche Gebührenordnung gebe und so Fehlanreize gesetzt würden zugunsten der Privatpatienten. Zudem seien viele Arztpraxen nach wie vor nicht barrierefrei und damit für Behinderte nicht zu erreichen. Nach Ansicht der Sozialverbände sollte vor einer Schließung von Arztsitzen auch konkret die regionale Versorgungslage überprüft werden. Die derzeit genutzten Kennziffern seien veraltet und ungeeignet. Sinnvoll wäre eine kleinräumige Planung, wo anhand von Alter, Geschlecht und Morbidität der tatsächliche Versorgungsumfang ermittelt werde. Krankenkassen befürchten einen Ausgabenanstieg und Mehrbelastungen für die Beitragszahler in Milliardenhöhe.
Die Ärzte rechnen mit einem erheblichen Zuwachs an Bürokratie. So stehe der Aufkauf von Arztpraxen in vermeintlich überversorgten Gebieten im krassen Widerspruch zu den Regelungen für verkürzte Wartezeiten, der Öffnung der Kliniken für die ambulante Versorgung sowie der Ermöglichung kommunaler medizinischer Versorgungszentren. Einige Änderungen halten die Mediziner für überflüssig. So könnten Patienten jetzt schon unkompliziert eine medizinische Zweitmeinung einholen. Und in medizinisch notwendigen Fällen sei auch jetzt schon in der Regel ein Facharzttermin innerhalb von vier Wochen gewährleistet. Die Einrichtung von Terminservicestellen sei überflüssig. Für eine zusätzliche Vermittlung von Patienten in Krankenhäuser fehlten dort zudem die Kapazitäten.
Der Bundestag entscheidet neben dem Gesetzentwurf der Bundesregierung auf der Grundlage des Gesundheitsausschusses (18/5123) auch über einen Änderungsantrag (18/5125) und einen Entschließungsantrag der Linken (18/5126). Anschließend wird über drei Anträge der Opposition abgestimmt. So verlangt Die Linke (18/4187) eine erneuerte Bedarfsplanung in der medizinischen Versorgung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will den Kommunen und Regionen eine stärkere Rolle bei der Planung, Steuerung und Gestaltung der gesundheitlichen Versorgung ermöglichen sowie Anreize für sektorenübergreifende Versorgungsmodelle schaffen (18/4153). In einem weiteren Antrag der Grünen (18/1462) geht es um eine verbesserte Transparenz der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. (pk/02.06.2015)