Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Das Präventionsgesetz der Bundesregierung soll am Donnerstag, 18. Juni 2015, nach 45-minütiger Aussprache im Bundestag verabschiedet werden. Mit Hilfe der Prävention sollen lebensstilbedingte ,,Volkskrankheiten" wie Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Schwächen oder Adipositas eingedämmt und die Menschen zu einem gesunden Lebensstil mit ausreichend Bewegung gebracht werden. Der Entwurf (18/4282) sieht vor, die Gesundheitsförderung und Prävention auf jedes Lebensalter und alle Lebensbereiche auszudehnen.
Die Sitzung wird live ab 15.40 Uhr im Parlamentsfernsehen, im Internet und auf mobilen Endgeräten übertragen.
In die Reform eingebunden sind neben der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung auch die Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung. Die Leistungen der Krankenkassen zur Prävention und Gesundheitsförderung werden konkret mehr als verdoppelt, von 3,09 Euro auf 7 Euro jährlich für jeden Versicherten ab 2016. Somit könnten die Krankenkassen künftig jährlich mindestens rund 490 Millionen Euro im Jahr für den Zweck investieren. Zusammen mit dem Beitrag der Pflegekassen in Höhe von rund 21 Millionen Euro stehen damit künftig rund 511 Millionen Euro im Jahr für präventive und gesundheitsfördernde Leistungen bereit.
So sollen gerade kleine und mittelständische Betriebe über ausgeweitete Leistungen der Krankenkassen mehr für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter tun. Dazu soll die betriebliche Gesundheitsförderung stärker mit dem Arbeitsschutz verflochten werden. Wer im Beruf oder in der Familie besonders belastet ist, soll von Verbesserungen profitieren. So sollen etwa Schichtarbeiter oder pflegende Angehörige bestimmte Präventionsangebote leichter in Anspruch nehmen können. Um den Anreiz hierfür zu stärken, soll die Obergrenze des täglichen Krankenkassenzuschusses von 13 Euro auf 16 Euro für Versicherte sowie von 21 Euro auf 25 Euro für chronisch kranke Kleinkinder erhöht werden.
Die Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen zu präventiven Gesundheitsuntersuchungen weiterentwickelt werden, wobei individuelle Belastungen und Risikofaktoren, die zu einer Krankheit führen können, genauer überprüft werden. Zur Beratung gehört die Klärung des Impfstatus. Vorgesehen ist, dass bei der Aufnahme von Kindern in eine Kita die Eltern eine ärztliche Beratung zum Impfschutz nachweisen müssen.
Im Rahmen einer nationalen Präventionskonferenz sollen sich die Sozialversicherungsträger unter Beteiligung des Bundes, der Länder, der kommunalen Spitzenverbände und Sozialpartner auf Ziele und ein Vorgehen verständigen. Die private Kranken- und Pflegeversicherung soll die Möglichkeit erhalten, sich an der Beratung zu beteiligen.
In der Gesetzesbegründung heißt es, je früher im Leben mit der Gesundheitsförderung und Prävention begonnen werde, desto eher könnten Risikofaktoren wie mangelnde Bewegung, unausgewogene Ernährung, Übergewicht, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und chronische Stressbelastungen beeinflusst werden. Besonders wichtig sei es, Familien in ihrer Gesundheitskompetenz zu stärken und ein gesundes Aufwachsen der Kinder zu fördern. Zudem müssten Betriebe eine gesundheitsfördernde Unternehmenskultur entwickeln.
Bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss hatten Experten die Vorlage im Grundsatz begrüßt, der Ansatz sei aber nicht weitreichend genug. Gesundheitsförderung und Vorbeugung müssten als Querschnittsaufgabe verstanden und in allen Gesellschaftsbereichen gezielt verankert werden, gaben die Sachverständigen zu bedenken. Scharf kritisiert wurden die aus Expertensicht unzureichende Einbindung der privaten Krankenversicheurng sowie die herausgehobene Rolle der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Ab 2016 sollen rund 35 Millionen Euro pro Jahr von den Krankenkassen an die Bundeszentrale fließen. Experten äußerten bei der Anhörung Zweifel, ob diese Konstruktion sinnvoll und rechtlich haltbar ist, handele es sich doch nicht um Steuergelder, sondern um Beitragsmittel der Versicherten. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung kritisierte die ,,unnötige" Einschränkung der Selbstverwaltungskompetenzen der Krankenkassen.
Zudem bestehe eine erhebliche Ungleichbehandlung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Der verpflichtende Auftrag an die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werde strikt abgelehnt. Wenn der Bund diese Bundesbehörde stärken wolle, müsse er das selbst finanzieren. Die Betriebskrankenkassen lehnen eine ,,Quersubventionierung" der Bundeszentrale mit Beitragsmitteln ebenfalls kategorisch ab.
Die Bundesregierung kann hingegen keine Quersubventionierung der Bundeszentrale erkennen. Ihre Finanzierung durch Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht vorgesehen. Auch aus der Beauftragung der Bundeszentrale durch den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung ergäben sich ,,keine Anhaltspunkte für etwaige verfassungsrechtliche Bedenken", teilte die Regierung in ihrer Antwort (18/4945) auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion mit.
Abgestimmt wird auch über Änderungsanträge (18/5263, 18/5264, 18/5265, 18/5266)( und einen Entschließungsantrag der Linken (18/5267). Die Opposition hat eigene Anträge zu dem Gesetzentwurf eingebracht. Der Antrag der Fraktion Die Linke (18/4322) zielt auf die "Verminderung sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheit" ab, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt in ihrem Antrag (18/4327) "Gerechtigkeit und Teilhabe durch ein modernes Gesundheitsförderungsgesetz". (pk/15.06.2015)