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Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf für ein Antidopinggesetz (18/4898) trifft unter Experten auf Zustimmung und Ablehnung gleichermaßen. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Sportausschusses unter Vorsitz von Dagmar Freitag (SPD) am Mittwoch, 17. Juni 2015, deutlich. So begrüßte der Kriminologe Prof. Dr. Dieter Rössner von der Philipps-Universität Marburg den Entwurf als „gelungenes Gesamtkonzept“. Sein Kollege von der Goethe-Universität Frankfurt, Prof. Dr. Matthias Jahn, nannte die Vorlage hingegen „unausgereift, unklar, unbestimmt und unverhältnismäßig“.
Lob kam von der Nationalen Antidoping-Agentur (Nada). Die Position der Nada werde gestärkt, ebenso wie die gesamte Antidoping-Arbeit, befand die Nada-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann. Aus Sicht des deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gefährdet der Entwurf hingegen die Sportgerichtsbarkeit und führt zu einer „Delegitimierung des Dopingkontrollsystems“, wie der Vorstandsvorsitzende Michael Vesper sagte.
Die in der Kritik stehende strafrechtliche Ahndung des Eigendopings sei legitim, urteilte Professor Rössner. Es gehe dabei eben nicht um die Gesundheit des Sportlers, sondern um den Wettbewerbsschutz, was angesichts der auf dem Spiel stehenden wirtschaftlichen Interessen ein anerkanntes, schutzwürdiges Rechtsgut sei, sagte er.
Das Strafrecht sei kein geeignetes Mittel zur Lösung des Dopingproblems, sagte hingegen Professor Jahn. Die Schutzgüter „Fairness und Chancengleichheit bei Sportwettbewerben“ genügen seiner Ansicht nach nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an ein strafrechtliches Rechtsgut.
Prof. Dr. Martin Heger, Strafrechtler an der Humboldt-Universität Berlin, bewertet das Rechtsgut der Fairness doch als schützenswert vor dem Hintergrund, dass nicht der Staat, sondern der Sport selbst die Regeln gemacht habe, die auch für alle gelten müssten. Skeptisch bewertete er, dass schon der Erwerb geringer Mengen Dopingmittel strafrechtlich verfolgt werden soll. Dies sei eine „zu weit vorgelagerte Rechtsgutverletzung“.
Die Parallelität von Strafverfahren und Sportgerichtsverfahren ist aus Sicht von Dieter Maihold, Richter am Bundesgerichtshof, kein Problem. Schon jetzt seien strafrechtliche und zivilrechtliche Verfahren in vielen Bereichen voneinander getrennt und würden teils sogar zu gegensätzlichen Ergebnisses führen. Problematisch sei hingegen das Aussageverweigerungsrecht, was es im Strafverfahren gebe, in der Sportgerichtsbarkeit jedoch nicht vorgesehen sei. Hier müsse nachjustiert werden, forderte Maihold.
Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes, warnte davor, mit dem Gesetz Erwartungen zu wecken, die nicht erfüllt werden könnten. „Das Strafrecht kann gesellschaftliche Prozesse nicht steuern“, sagte er. Zudem seien in dem Entwurf die zu schützenden Rechtsgüter nicht scharf genug definiert, was dazu führen würde, „dass das Ganze zu einem Experimentierfeld wird, was dem Gesetz nicht gerecht wird“, sagte Frank.
Das Gesetz verbreite Angst unter den deutschen Athleten, sagte Robert Harting, Olympiasieger und Weltmeister im Diskuswerfen. Er sei für harte Strafen und schnelle Verfahren im Rahmen der Sportgerichtsbarkeit, betonte er. Mit der Einführung der „uneingeschränkten und mengenunabhängigen Besitzstrafbarkeit“ seien aber saubere Athleten erheblichen Risiken unterworfen, da ein Unterschieben von Dopingmitteln nicht zu verhindern sei.
Eine vierjährige Strafe für Dopingsünder, wie sie die neuen Regelungen der Welt-Antidoping-Agentur (Wada) vorsehen würden, sei deutlich abschreckender als Geld- oder Bewährungsstrafen im Strafprozess, befand Michael Vesper. Zugleich verwies er darauf, dass ein Strafprozess und ein Prozess vor einem Sportgericht mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen stattfinden würden. So gebe es im ersten Fall die Unschuldsvermutung, während vor Sportgerichten der beschuldigte Athlet seine Unschuld nachweisen müsste, sagte der DOSB-Vorstandsvorsitzende. (hau/17.06.2015)