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Der Anteil an deutschem Personal bei den Vereinten Nationen (UN) konnte in den letzten Jahren erhöht werden, jedoch müsse der Einsatz an deutschen Mitarbeitern weiterhin aktiv unterstützt werden, so die einhellige Meinung der Experten in einem Fachgespräch am Dienstag, 16. Juni 2015, im Unterausschuss "Vereinte Nationen, internationale Organisationen und Globalisierung" des Auswärtigen Ausschusses. Das 70-jährige Bestehen der Vereinten Nationen nahm die Vorsitzende Heike Hänsel (Die Linke) zum Anlass, mit den fünf Sachverständigen Bilanz zu ziehen und den Status quo zu diskutieren.
Es sei gemeinsam schon viel erreicht worden, so Viviane Brunne, Vorsitzende des Verbandes deutscher Beschäftigter bei internationalen Organisationen. In manchen Ländern sei jedoch Potenzial vorhanden, um den Anteil an Fachkräften zu erhöhen. 2014 seien rund 1.500 Deutsche in UN- und dazugehörigen Organisationen stationiert gewesen. Zum Vergleich: In Frankreich waren es rund 4.000 französische Fachkräfte.
Brunne kritisierte den Trend zu befristeten Verträgen, die eine längerfristige Planung für Familie und Karriere nicht möglich machten. Die fehlende Aufstiegsmöglichkeit und Einarbeitung in das Berufsfeld führe dazu, dass eine Integration und Rückführung in den deutschen Arbeitsmarkt sehr schwer erscheine.
Dieser Auffassung stimmte auch Angela Kane, Untergeneralsekretärin und Hohe Beauftragte für Abrüstungsfragen der Vereinten Nationen, zu. Das Thema Mobilität sei in den letzten verstärkt hinzu gekommen. Deutschland müsse für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Arbeit sorgen: "Das kann man Familien nicht zumuten, wenn einer für einen Job nach New York geht und seine Familie zurücklassen muss." Es müsse mehr Positionen geben, bei denen die Familie eine Chance habe, zusammenzubleiben.
Kane, erklärte außerdem, dass bei den Personalfragen weniger Quoten als bestimmte Positionen betrachtet werden müssten: „Deutschland ist auf Spitzenpositionen miserabel vertreten“, kritisierte sie.
Auch Wolfgang Stöckl, Untergeneralsekretär und stellvertretender Vorsitzender der „International Civil Service Commission“ der Vereinten Nationen, bestätigte diese Meinung und sagte, dass Deutschland noch nie den Leiter einer Sonderorganisation gestellt habe.
Stöckl räumte jedoch auch ein: „Es ist schwierig, geeignete Kandidaten zu finden.“ Zugleich forderte er: „Unsere deutsche, politische Klasse muss Interesse haben, diese Positionen zu besetzen.“ Er rief Interessanten für die Arbeit bei den Vereinten Nationen auf, flexibel zu sein: „Wer sich darauf versteift, nur politisch interessante Stellen füllen zu wollen, wird langfristig keinen Erfolg haben.“
Die stellvertretende Direktorin des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze (ZIF), Dr. Astrid Irrgang, erklärte, dass Deutsche derzeit etwa ein Prozent der Beschäftigten bei den rund 16 Friedenseinsätzen der Vereinten Nationen stellten. „Ein Prozent ist keine Zahl, die mich glücklich macht, aber sie macht mich auch nicht schlaflos“, so Irrgang.
Dennoch müssen die Arbeitsbedingungen für hochqualifiziertes Personal attraktiver werden. "Gerade die Kombination aus Politik und operativem Geschäft ist für die Bewerber interessant", betonte Irrgang. Die hohen Einstiegshürden und der Kampf gegen globale Konkurrenz schrecke potenzielle Bewerber oft ab.
Nach Dr. Wolfgang Weisbrod-Weber, zuletzt Sonderbeauftragter des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und Leiter der UN-Mission für die West-Sahara (Minurso), brauchen Bewerber für Positionen bei den Vereinten Nationen vor allem eines: Geduld. Von Beginn der Bewerbung an bis zur Einstellung könnten bis zu zwei Jahre verstreichen. Zur Überbrückung sei es in dieser Zeit wichtig, „Felderfahrung“ zu sammeln. Bei der Auswahl würden Bewerber von Truppenstellern häufig bevorzugt.
Dies sei auch damit zu erklären, dass es in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich oder Großbritannien „keine Tradition des Dienstes im Ausland“ gebe, sagte er. Wie die anderen Experten machte auch Weisbrod-Weber deutlich, dass die Arbeit bei den Vereinten Nationen weiterhin sehr attraktiv sei: „Wenn man als junger Mensch für den Frieden arbeiten will, dann sind die Vereinten Nationen der Goldstandard.“ (abb/as/16.06.2015)