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Seit 1. Juli brauchen Kroaten keine Arbeitserlaubnis für Deutschland. Eine gute Nachricht und eine schlechte zugleich sei das, findet Ivana Krajinovic. „Es schafft Mobilität, sorgt aber auch dafür, dass viele das Land verlassen werden“, sagt die 27-Jährige aus der kroatischen Hauptstadt Zagreb, die seit März am Programm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS) des Deutschen Bundestages im Büro des Abgeordneten Florian Oßner (CDU/CSU) teilnimmt.
Der zu befürchtende „Brain Drain“ würde Kroatien sehr treffen, sagt sie. Zwei Jahre nach dem EU-Beitritt befinde sich das Land mitten im Reformprozess. „Wer soll den Prozess weiterführen, wenn alle Akademiker das Land verlassen“, zeigt sie sich besorgt. Ivana Krajinovic selbst will nach der Zeit in Deutschland zurück in die Heimat. „Es ist eine ganz wichtige Periode für Kroatien, bei der man mitwirken kann. Dabei wird etwas Neues aufgebaut und da will ich dabei sein“, sagt sie.
Vieles ist auch schon seit dem EU-Beitritt anders geworden. „Der Kampf gegen die Korruption läuft, etliche Politiker mussten deswegen schon ins Gefängnis“, führt sie als Beleg an. Was den zu befürchtenden Massenexodus angeht, so kritisiert sie das Nichtstun der kroatischen Regierung. „Es müssten alle Hilfen der EU auch abgefragt werden“, sagt sie.
Im Grunde sei genug Geld da, um Projekte gegen Jugendarbeitslosigkeit und für die Schaffung von Perspektiven für die jungen Leute zu unterstützen. „Aber das Geld versickert in anderen Kanälen“, beklagt sie. Dabei gebe es gerade für junge Leute Potenzial. „Kroatien ist ein Kulturland – die Ausbildung ist gut.“ Gleichwohl hat sie Verständnis für jene ihrer Landsleute, die die Heimat verlassen. „Den jungen Leuten gehen die Veränderungen nicht schnell genug, und außerdem haben sie kein Vertrauen in die Politik“, schätzt sie ein.
Für Ivana Krajinovic - wie erwähnt - keine Option. Sie möchte künftig als politische Journalistin in Zagreb arbeiten. Zagreb, so erzählt sie, sei eine weltoffene Metropole mit viel Lebensqualität. „Man braucht zehn Minuten, um in die Berge zum Skifahren zu kommen, und eine Stunde bis ans Meer“, sagt die Kroatin. Außerdem sei die kroatische Hauptstadt vom mediterranen Lebensstil geprägt. Was Ivana auf der einen Seite gefällt, ihr aber auf der anderen Seite auch Sorgen macht.
„Bei uns geht es etwas lockerer und lässiger zu als etwa in Deutschland“, findet sie. Mit der Folge, dass auch mal dringend zu erledigende Aufgaben zugunsten einer Pause in einem der zahlreichen Cafés der Zagreber Innenstadt aufgeschoben werden. Doch auch hier habe sich schon einiges geändert in den letzten Jahren.
„Es gibt immer mehr internationale Firmen, die in Kroatien tätig sind und wo ein anderer Zug herrscht. Unsere Leute passen sich dem auch an“, sagt sie. Außerdem – bei allem Interesse an mediterraner Lässigkeit – wie Griechenland wolle man nicht enden, betont sie. „Den Kroaten ist auch bewusst, dass jetzt angepackt werden muss.“
Ivana Krajinovic selbst will im Journalismus anpacken. Kein leichtes Unterfangen, wie sie sagt. „Einerseits ist politischer Journalismus eine schöne Aufgabe, weil die jungen Leute bei uns Politik sehr bewusst erleben.“ Anderseits sei eine freie Berichterstattung sehr schwer. Nach dem Jugoslawien-Krieg, so blickt sie zurück, sei es die Regierungspartei gewesen, die alles kontrolliert habe.
Zudem sei eine große Privatisierungswelle zu verzeichnen gewesen, in deren Folge auch Medienhäuser von Personen kontrolliert würden, die deren politische Linie vorgäben. „Die eigene Meinung ist da nicht so stark gefragt“, kritisiert die 27-Jährige. Gut, dass es da noch Online-Medien gibt.
Vielfach sei durch dort arbeitende Journalisten Korruption an ganz hoher Stelle aufgedeckt worden. Etwa beim ehemaligen Premierminister Ivo Sanader, der inzwischen eine zehnjährige Haftstrafe absitzt. Journalismus, wie ihn sich Ivana Krajinovic vorstellt, hat viel mit Idealismus zu tun. „Und auch damit, dass man die Ergebnisse seines Tuns auch sehen kann“, sagt sie mit Verweis auf den Fall Sanader.
Bevor sie jedoch nach Kroatien zurückkehrt, wird Ivana noch ein paar Monate über das IPS hinaus im Büro „ihres Paten-Abgeordneten“ Florian Oßner (CDU/CSU) arbeiten. Dabei kommen der Kroatin ihre hervorragenden Deutschkenntnisse zu Gute. Die verdankt sie zum einen ihrer Familie, von der ein Teil schon lange in Deutschlands lebt. Aber sie verdankt sie auch ihrer Zeit in einem Mainzer Kindergarten.
„Als der Krieg begann lebten wir an der Grenze zu Bosnien und sind dann bald nach Deutschland umgezogen.“ Acht Jahre später ging es zurück nach Kroatien – „freiwillig“, wie sie betont. Auch weil ihre Mutter zuhause als Juristin bessere Arbeitsmöglichkeiten hatte. „Nach acht Jahren Deutschland zu verlassen und nach Kroatien zu gehen, war schwer. Wir waren ja hier schon assimiliert. Außerdem war in Kroatien so kurz nach dem Krieg der Lebensstandard natürlich viel schlechter.“
Damit die Tochter nicht ihre Deutschkenntnisse verliert, brachten die Eltern sie auf ein bilinguales Gymnasium. Die Hälfte der Fächer wurde dort in Deutsch gelehrt. Keine leichte Übung, erinnert sie sich. „Physik ist schließlich schon in der Heimatsprache schwer und erst recht in Deutsch.“ Doch das Ganze hat sich gelohnt, findet auch ihre Familie. „Wenn ich zu Hause erzähle, ich arbeite im Deutschen Bundestag, dann haben die Leute natürlich Respekt“, sagt sie schmunzelnd. (hau/14.07.2105)