Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > Textarchiv
Für Asma Merzaq geht Zeit im Deutschen Bundestag zu Ende. Seit März gehörte die Marokkanerin zu den Teilnehmern am diesjährigen Programm des Internationalen Parlamentsstipendiums (IPS). Und ist des Lobes voll. Zum einen, weil sie drei Monate lang aus nächster Nähe die Arbeit ihres Paten-Abgeordneten Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) mitverfolgen konnte. Zum anderen, weil sie im Bundestag „junge Leute aus allen Teilen der Welt“ kennengelernt hat. „Eben nicht nur Leute aus dem arabischen Raum, wie es 2013 der Fall war“, sagt die 24-Jährige, die vor zwei Jahren schon am IPS-Sonderprogramm für arabische Staaten teilgenommen hat. Von der Internationalität zeigt sich Asma Merzaq begeistert. „Wir sind alle sehr gut miteinander ausgekommen. Es wurde nicht gefragt ,Woher kommst du?', bevor man mit jemandem gesprochen oder gefeiert hat“, sagt sie.
Sich miteinander auszutauschen und miteinander zu diskutieren sei eines der Ziele gewesen, weshalb die 116 jungen Leute aus 35 Ländern nach Berlin gekommen seien. „Das Ziel haben wir auch erreicht“, urteilt die junge Frau aus Marokko. Für sie selbst sei es das erste Mal gewesen, „dass ich Menschen aus Israel kennengelernt habe“. Interessant sei es gewesen, auch mal jemanden von der anderen Seite zu sprechen.
Interessant findet Asma Merzaq auch, dass Deutschland von einer Frau regiert wird. „Mir imponiert an Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie es als Frau schafft, ein so starkes Land wie Deutschland zu führen. Auch in der Krise, die sie gut gemeistert hat“, findet die Nordafrikanerin. Was die hierzulande oft kritisierte Unterdrückung der Frauenrechte in ihrer Heimat angeht, so hat dies aus ihrer Sicht nichts mit dem Islam zu tun. „Unser Länder sind kulturell geprägt – auch die Rolle der Frauen“, sagt die Marokkanerin.
Als Beleg verweist sie auf ihr bekannte Christinnen in Palästina, „bei denen die Lage ähnlich ist wie bei uns“. Das Ganze habe also nichts mit der Religion zu tun sondern eher damit, in welcher Region der Erde man lebt. „Es braucht Zeit, da etwas zu verändern“, sagt Asma Merzaq.
Auch die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ sieht sie nicht als Ergebnis einer Religion. „Dieser Extremismus hat nichts mit dem Islam zu tun“, stellt sie klar. Dennoch werde in der Öffentlichkeit immer ein Zusammenhang hergestellt. „Das sieht man schon, wenn man Islam googelt und gleich bei Extremismus landet“, ärgert sie sich und kritisiert die Medien, die immer nur über die Extreme berichten würden.
„Keine Religion führt automatisch zu Gewalt“, sagt Asma Merzaq. Um erfolgreicher gegen terroristische Gewalt vorgehen zu können, spricht sie sich für eine bessere Zusammenarbeit der Länder Nordafrikas im Bereich der Sicherheit aus. Sichere Nachbarn bedeuteten auch mehr Sicherheit für das eigene Land, ist sie sich sicher.
In ihrem Heimatland Marokko – Asma Merzaq lebt in der Stadt Settat, 60 Kilometer von Casablanca entfernt – hat die 24-Jährige in Casablanca Germanistik studiert und den Bachelor gemacht. Dann folge der Master-Abschluss in der Fachrichtung Übersetzen in Tanger. „Ich habe im Gymnasium angefangen Deutsch zu lernen, und zwar nicht ganz freiwillig“, erzählt sie. Inzwischen ist sie mit dem Pflichtfach von einst sehr zufrieden. „Es gibt nicht so viele Leute in Marokko, die Deutsch sprechen.“
Mit dieser Sprachkenntnis plant sie auch ihre berufliche Karriere. „Ich würde gerne etwas in Sachen deutsch-marokkanische Beziehungen machen“, sagt sie. Marokko und die nordafrikanischen Länder seien für Deutschland schließlich genauso interessant wie umgekehrt.
Wer heute über Nordafrika redet, kommt um den Arabischen Frühling von 2012 nicht herum. „Die Situation in den verschiedenen Ländern war vorher nicht die Gleiche und ist es auch jetzt nicht“, betont Asma Merzaq. In ihrer Heimat gebe es schon seit der Machtübernahme durch König Mohammed VI. vor 16 Jahren Reformen „von oben, vom König“, sagt die Marokkanerin.
„Das ist in unserem Falle der richtige Weg, weil dadurch auch eine gewisse Stabilität garantiert ist“, zeigt sie sich überzeugt. Jetzt werde Geduld benötigt. „Deutschland hat seine Demokratie auch nicht innerhalb von vier Jahren so gut entwickelt“, gibt Asma Merzaq zu bedenken.
Zu denken gibt der Marokkanerin auch die derzeitige Flüchtlingsproblematik. Den ultimativen Lösungsvorschlag hat die 24-Jährige nicht, wie sie einräumt. Aber: „Es muss Nothilfen für Bedürftige geben“, sagt sie. Und spricht sich ansonsten dafür aus, die Situation „vor Ort“ zu verbessern, damit die Menschen gar nicht erst flüchten müssen. „Das“, so prognostiziert Asma Merzaq, „ist aber ein langwieriger Prozess.“ (hau/27.07.2015)