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Es ist die Schaltzentrale der parlamentarischen Arbeit eines MdB, hier laufen alle Fäden zusammen: das Abgeordnetenbüro. Ohne Mitarbeiter könnten die 631 Mitglieder des Deutschen Bundestages wohl kaum ihrer Aufgabe als Volksvertreter gerecht werden. Sie sorgen dafür, dass alles reibungslos läuft. Auch für die Anliegen der Bürger ist das Abgeordnetenbüro – im Wahlkreis oder in Berlin – die erste Adresse. Viele Bürgeranfragen landen auf den Schreibtischen der rund 1.700 wissenschaftlichen Mitarbeiter.
„Uns erreichen täglich bis zu 50 Anfragen – die meisten davon gehören zu Kampagnen von Interessenverbänden und werden an alle Abgeordneten geschickt“, sagt Anna Alexandrakis, die das Bundestagsbüro von Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) leitet. So häufe sich derzeit der Protest gegen die von der Großen Koalition geplante Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung oder die transatlantischen Handelsabkommen TTIP und Ceta. 15 bis 20 Anfragen pro Woche seien aber Anliegen von einzelnen Bürgern, die individuell beantwortet würden.
„Oft wenden sich Bürger an ihren Wahlkreisabgeordneten, wenn sie Gesetze ungerecht finden oder Ärger mit Behörden haben“, ist Alexandrakis' Erfahrung. Die Bandbreite der Fragen, Bitten und Beschwerden ist groß: „Da beklagt sich zum Beispiel eine angehende Erzieherin, dass ihre Ausbildung nicht staatlich gefördert wird oder ein alleinerziehender Vater mit zwei gebrochenen Armen ist empört, dass ihm die Krankenkasse nicht die Taxifahrt zum Arzt bezahlt“, sagt Alexandrakis. „Und bitten, dass sich der Abgeordnete für eine Gesetzesänderung einsetzt oder gegenüber der Behörde als Fürsprecher auftritt.“ Oft wünschten sich Bürger auch Informationen zu einer bestimmten, gerade im Bundestag beschlossenen Gesetzesänderung.
Solche Korrespondenz zu erledigen, ist in der Regel die Aufgabe der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Denn: „Jeder Bürger hat das Recht, seinen Wahlkreisabgeordneten zu kontaktieren, sei es um Hilfe und Informationen zu erbitten – oder sei es, um seine Meinung zu sagen“, erklärt Alexandrakis. Dabei gelte das „ungeschriebene Gesetz“, dass sich das Abgeordnetenbüro zum einen um alle Anfragen kümmere, die aus dem Wahlkreis stammten, und zum anderen um jene, die das Fachgebiet des Abgeordneten berührten.
Da Alexandrakis‘ Chef in der SPD-Fraktion Experte für die Themen Bildung und Forschung ist, landen auch alle Bürgeranfragen, die ursprünglich an andere SPD-Abgeordnete zu diesen Themen adressiert wurden, bei ihm – und damit bei seiner Mitarbeiterin.
Sehr oft passiert es aber, dass der Bundestagsabgeordnete gar nicht der richtige Ansprechpartner ist: „Wenn sich die Beschwerden auf Landesgesetze beziehen oder in den Bereich der Kommunalpolitik fallen, dann kann und darf er gar nicht eingreifen“, erklärt Thomas Wierer, der als Referent für den CDU-Politiker Norbert Schindler tätig ist. „Aber natürlich kann der Abgeordnete durchaus beim nächsten Gespräch mit dem Bürgermeister das Problem thematisieren und so versuchen, etwas für den Petenten zu erreichen.“
Ein anderer Weg, mit einem Parlamentarier in Kontakt zu treten, sei die Bürgersprechstunde, betonen Wierer und Alexandrakis. Einmal pro Monat, manchmal auch öfter, bieten viele Abgeordnete den Bürgern in ihrem Wahlkreis die Möglichkeit, sie persönlich zu sprechen. Wann und wo solche Sprechstunden stattfinden, darüber informiert meist die Webseite des jeweiligen Abgeordneten – oder lässt sich in seinem Wahlkreisbüro erfragen.
Manche Abgeordnete bieten zwar keine solche institutionalisierte Sprechstunde an, sind aber bei Bedarf zu sprechen. So etwa Norbert Schindler: „Telefonisch oder per E-Mail ist er über uns immer erreichbar und ruft die Petenten in der Regel zeitnah zurück, um ihr Anliegen zu besprechen“, verspricht Wierer. Um die Bürger im Wahlkreis über bestimmte Themen oder gesetzliche Vorhaben zu informieren, organisieren Abgeordnete in ihrem Wahlkreis darüber hinaus Veranstaltungen wie zum Beispiel Fachgespräche. „Regelmäßig werden auch Mitglieder des Europäischen Parlaments eingeladen“, sagt Wierer, „um aus Brüssel zu berichten.“
Viele Abgeordnete wie etwa Heike Hänsel (Die Linke) oder Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) nutzen die parlamentarischen Sommerpause im Juli und August für eine „Sommertour“: Die Vor-Ort-Termine zum Beispiel bei Unternehmen, Krankenhäusern, sozialen Einrichtungen oder Vereinen bieten den Menschen die Gelegenheit, Anliegen zu äußern – und den Abgeordneten die Chance zu erfahren, „wo der Schuh drückt“.
Der CSU-Abgeordnete Philipp Graf Lerchenfeld etwa lässt bewusst die Bürger seinen Terminkalender füllen und sucht nach Vorschlägen für seine Sommertour: „Ob wir uns etwas anschauen, miteinander diskutieren oder ob ich mit anpacken soll – darüber entscheiden allein die Bürger mit ihren Ideen und Vorschlägen“, so der Abgeordnete auf seiner Webseite.
Ein besonderer – und auch besonders nachgefragter – Service ist der „Informationsbesuch“ im Bundestag, zu dem sich Besuchergruppen aus dem Wahlkreis über die Abgeordnetenbüros anmelden können. Neben einer Führung durch das Reichstagsgebäude, Gruppenfoto und Kuppelbesuch steht ein Gespräch mit dem einladenden Abgeordneten im Mittelpunkt des Programms. Dabei spielen die Mitarbeiter erneut ein wichtige Rolle: „Wir koordinieren zusammen mit dem Besucherdienst des Bundestags den Ablauf und betreuen die Besucher, so lange sie hier sind“, erklärt Thomas Wierer. Im letzten Jahr seien es über 3.000 gewesen – und das nur aus dem Wahlkreis 209 Neustadt-Speyer. (sas)